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ZEITSCHRIFT FÜR KIRCHENGESCHICHTE

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BAND 4

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ZEITSCHRIFT KmCHENGESCmCHTE.

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ZEITSCHRIFT

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KIßCHENGESCHICHTE

IN VERBINDUNG MIT

D. W. GAflS, D. H. EEUTEE und d. A. RTTSOHL

HEBAUSOEOEBEN TON

D. THEODOR BRIEGEIt.

IV. Band.

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FRIEDIUCU ÄNUlUSAb PERTHES.

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Reprinied wiih ihe pcrmission of Ehrcnfried Klotz Verlag Stuttgart

REPRINT CORPORATION JOHNSON REPRINT COMPANY \-T

«rCh ihe origiiuü publishers. pages .«4«cn£wa3er.:s in ibe origiiuü ediiion tiave '^i xanÄ in thxs reprim or entirely omitted.

„^ JgtoOQ Reprint Corporation '5g^;;f*; .:Jrt-wS»^^ of America

Inhalt.

Erstes Heft.

(Ausgegeben den 38. Februar 1880.)

l'ntersachnngen and Essays:

1. H. Reuter, AugustinUclic Studien I 1

1. G. UMhom, Vorstudien zu einer Geschichte derl^ebeB-

tiitigkcit im Mittelalter 44

3. H. Schutts, Lather'a Ansicht tou der Methode und den

Grenzen der dogmatischen Aussagen über Gott ... TT

Erit Ische Ueberslchten:

I. Die reformationsgcsehichtlichen Arbeitca Englands aus den Jahren 18T6— 1878. Von R. Buddetuieg (erste UälfU') 105

F. Schullse, Die Christenhischrift in Pompeji .... 125

K. K. Müller, Frngmcut« von Uomilien des Photius . 130 1. M. Lenz, Nachlese zum Briefwechsel des Landgraruii

Philipp mit Luther und Mekuehthou 13li

Zweites Heft.

(Ausgegeben den 15. Juni 1880.) Untennchnngen und Essays:

1. Th. BrUger, Conslantin der Grosse als Religionspolitiker

2. B. Beuter, Augnstinische Studien II .

VI INHALT.

8«ite

Kritische Uebersichten :

I. Die refonnationsgeschichtlicilen Arbeitien Englands aus den Jahren 187&— 1878. VonRBuddensieg{zweiteBämc) 261

Analekten :

1. K. J. Neumannt Ueber eine den Brief an Diognet ent- haltende Tübinger Handschrift Pseudo-Justin's . . . 284

2. 0. Waltz, Epistolae Reformatorum III 287

3. G. Kawerau, Briefe und Urkunden zur Geschichte des antinomistischen Streites (erste Hälfte) 299

4. 0. Walte, Dicta Melanthonis 324

5. Miscellen von W. CreceUus 334

Drittes Heft.

(Ausgegeben den 31. October 1880.)

Untersnchniigeu und Essays:

1. A. RitscM, Untersuchung des Buches Von geistlicher Armut 337

2. D. VöUer, Die Sectc von Schwäbisch-Hall und der Ur- sprung der deutscheu Kaisersage 360

Kritische Uebersichten :

II. Geschichte der Reformation in Italien. Die Literatur der Jahre 1876—1879. Von K. Benrath 394

Analekten :

1. A. Ericlison, Strassburger Beiträge zur Geschichte des Marburger Religionsgesprächcs.

I. Hetlio's Itiucrarium 41-^

2. G. Kawerau, Briefe und Urkunden zur Geschichte des antinomistischen Streites (zweite Abteilung) . . . .4^*?

3. Miscellen von Sauerbrei und Benrath 4(5S

l^ertOB Heft.

(Ausgegeben den 2fi. Februar 1681.)

iitcrsachiuigen and Essays:

1. A, Hamack, Tatiaii's Diatessaron find Marcion'B Com- mentor zum Evangetiuin bei Ephracm Syms .... 471

2. H. iteuter, Augu.ttiiiische Studien. III 506

3. Th. Britger, Die angebliche Marburger Kirchenordnung von 1527 und Luthcr'e erster kfttechetischer Unterricht vom Abendmahl 549

inalekten:

1. K. Giäert, Lateinische Hymnen, aus St. Petersburger

Handschriften mitgeteilt 601

*2. A- Ericheon, Strassburger Beiträge zur Geschichte des Harburger RcligionsgeBprüches. II. Drei Briefe Bucer's (October 1529 bis Harz 1530). 614 3. Th. Kolde, Ucbcr die deutsche Urachiift der Augustana 634 4- 0 Walti, Zar spanischen RefoTmatiDusgCschicbte . . 627 Zur Abwehr von H. Bmter 631

IcgisUsr:

t. Verzeichnis der abgedruckten Qucllenstückc .... 633

II. Verzeichnis der besprochenen Schriften G36

111. Sach- und Namentegiater 639

Änf?nstinische Studien.

Hermann Renter.

Der Fortschritt der Dog^nengeachichte als Wissenschaft W nach meiuem DatUrlialfen nicht weniger durch die Pro- dnctiOD eigentümlicher dogmatiscber und religionsphiloso- .jiwcljer Gedanken als durch die Steigerung der historischen "unchung bedingt. Die letztere reicht keineswegs dazu aus, fewflben zu beschleunigen. Denn der, welcher lediglich >!■ kritischer und combtnatorischer Historiker das Quellen- Haleriol durcharbeitet, vermag weder den 'Wert der dogmen- gmchichtlichen Gröseen richtig zu schätzen, noch den Zu- Unmenhang einer historischen Reihe zu begreifen. Er sieht »ieles gar nicht, weil er das Auge nicht mit dem specifiseh geeigneten optischen Werkzeuge bewaffiiet hat. Dagegen ulwn Theologen , welche vornehmlich dogmatisch interesairt «Tfo nnd sind, auf dem bezeichneten Gebiete Dinge ent- deckt, welche dem reinen Historiker verborgen blieben. Ja, es >iad von ihnen bisweilen Ansichten ausgesprochen worden auf Grund einer ungeföhren Kenntnis der Ueberliet'erung. welciie filr die Historiker mächtige Impulse geworden sind, die Kesnltate derselben gewissermasaen anticipirt haben. Nichts desto weniger waren selbst in diesen ausserordentlichen Fällen die streng methodischen Untersuchungen, scheinbar ein Nachträgliches, doch erst das Mittel, die historische Wahrheit sicher zu stellen. Andererseits sind mehr als ein Mal durch eben diese geistvolle Gedanken, anziehende und blendende dogmatische Oonstrnctionen als Täuschungen aufgezeigt worden. Und dazu wird aucli wohl in Zukunft Gelegenheit genug gegeben werden. Mit unerbittlicher

iHtoCkt. L K.-0. IV. 1. 1

Strenge qiiibb die kritiacke FOTchnng, ^prind^ mis- tmoiBch gegen aOe Emtragong^, aof den kistorischen Beweis dringoL Wo diesa* fiehl^ ist jede Beiuiiq»ämg jener Art dn dogmadsciies VorrxrtaL weiclies in unserer DiscipUn kone wissenscimäliciie Geltung hab«3i kann^ ein ledigiich satorität^imä-^^iger Satz^ Aat^ je ge^tvoQor er klingt^ dn» desto schürler»! Kritik untenrortoi werden muas. ^iiickca desto weniger gehen dorgleiehen nur za känfig Ton einer wiagengchaltiirkoi GenaratiDn auf die andere über. Dies^ Eventualität woOen diejenigoi Torfaengoi, wdkrhe dtf Uefaerkonun«ie als ein veraltetes za betrackten nnr zu sehr geneigt und dämm mögückst neoes ansznmitteki bemükt and. Non ist es ja aeHMtverstandlick. das» jeder eckt wissenschaft- Ecke Fortsckritt eine neue Erkenntnis erö&el Allein keiDes- wega idt immer das Xeae^ UngewöknHcke darum das Wahre; eben."^ wenig das^ was du Histonker dnrck eigentümlicbe Forschung als ein Xenes gefunden zu kaben meint, durck- w^ in der Tut ein Xenes. Es kommen FäUe Tor, in welchen angebliche Nenernngen als Wiederkohmgen des langst Ton einem irüheren Historiker Erforschten dem tieferen Kenner offenbar werdeiv Wie vieles nock zn erforscken, wie viel Neues aufzufinden sei sowokl in nock nickt benutzten, als in benutzten Quellen, davon glaube auck ick eine gewisse Vor- stellung zu haben. Allein wie bedeutend sind doch die schon vorhandenen Leistungen auf dem dc^mengeschicktlicken Ge- biete! — Diese muss schlechterdings derjenige kennen, wel- cher das Kecht sich erwerben will, die seinigen als Ent- deck ung('n zu bezeichnen. Diese zu machen ist doch schwie- riger, hIh man hier und da zu meinen scheint Und selbst dann, wenn es dazu wirklich kommt, ist in den bei weitem meiHt(?n Kllllen von anderen uns in dem Grade vorgearbeitet da»H daH b(;ziigliclH' Verdienst sich einigermassen einschränkt Wir vcinliinkcn denen, welche vor uns geforscht haben. nic^iBtenH un?niit<'lbiir oder mittelbar so vieles, dass ich denkei sollte, Hclbnl dicjcin'gen, welche den Anspruch auf Anerken- nung ihrer Forsch ungen als bahnbrechender zu erheben be- fugt zu sein meinen, müssten doch das Relative dieses Prä- dicftts cinrilumen.

AUGUSTIKISCHE STUDIEN.

Diese Gedanken haben sjcli mir bei Ausarbeitung der LOeecbichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter" und in jüngster Zeit aufgedrängt , in der ich zur Lektüre . meiner LieblingsBchriftateller Augustin zurückgekehrt Durch die neueren Erörterungen sein es Lehrbegrifft i der Kirche besonders auf dieses Kapitel aufmerksam, ' an der unbedingten Richtigkeit manclier Urteile irre rotden, begann ich eine Reihe Augustiniacher Schriften bslSndJg zu durchl'orschen, ausBchliesslich darauf bedacht, I Verständnis durch stetige Beriicksichtigimg der in der ■chichte des Lebens wirkenden Motive mii- zu sidiern und Ben Bedeutung im Zusammenhang seines Systems nsuroittelu. Erst nachdem die zu dem Zweck angelegten Segesten innerhalb der von mir gezogenen Grenzen eine ge- Vollständigkeit erreicht hatten und die bezügliche Literatur von neuem von mir durchgesehen war, 1 ich die somit vorbereiteten Untersuchungen zur Be- \ UedigoDg eines persönlichen Bedürfiiisses niederzuschreiben. I Dus dieselben auch zur Kenntnis der Leser dieser Zeit- I idirift gebracht werden, ist wesentlich in den Verpflichtungen Wgründet, welche ich sogleich bei der Stiftimg derselben nbemommen habe. Ich musste endlich daran denken, die 1 DeLt^ihrige Schuld meinem tiebon Freunde , dem Herrn leraoageber, abzutragen.

Ich biete somit diesen und die folgenden Artikel einer- wte als Kritiken der Arbeiten anderer, andererseits aber imd vornehmlich als Fragen, ob die bezeichneten Themata etwa hier in befriedigenderer Weise als anderswo gelöst seien, dem mitforschenden Publikum in der Hoffnung dar, dass diejenigen unter den Lesern, welche meinen, das Letztere Temeinen zu müssen, zu Berichtigungen sich veranlasst sehen werden.

Diese wollen indessen erwägen , dass ich nicht er- schöpfende ElrÖrterungen beabsichtige, sondern was der gewäldte Titel andeuten soll ledigüch Beiträge zur Losung der Aufgabe liefern will.

M

REUTER,

I.

Die Lehre von der Kirche und die Motive des pelagianiiclien

Streits.

Dass Augustin unmittelbar nach den Tagen der Bekeh- rung diese zum Gegenstand der Reflexion gemacht haben sollte; ist schon aus psychologischen Gründen unwahrschein- lich. Prozesse dieser Art üben wohl tatsächlich eine das weitere innere Leben durchziehende Nachwirkung aus; aber zu einer kritischen Analyse des eigenen SelbstbewusstseinS; einer dogmatischen Schätzung der in solchen Erlebnissen zusammenwirkenden Potenzen, zu einer diesem Interesse entsprechenden schriftstellerischen Darlegung pflegen die Beteiligten sich nicht aufgefordert zu fühlen. Weder von Paulus, noch von Luther, noch von Calvin ist das be- kannt. Wohl aber könnte man zu der Erwartung berech- tigt zu sein scheinen , dass Augustin die überwältigende Macht der Gnade in religiösen Bekenntnissen sofort ge- feiert haben werde. Indessen auch von dergleichen wissen wir nichts. Es wäre irreführend, wollte man die Con- fessionen als die Quelle bezeichnen, aus welcher man zu dem Ende zu schöpfen habe. Denn diese enthalten nicht die Selbstbetrachtungen, welche er wirklich im Jahre 387 angestellt haben mag, sondern zeigen uns, wie er die de^ einst etwa angestellten später auffasste. Wohl hatte Augustin unmittelbar nach dem Termin der Conversion das Bedürfiiis, sich zu klären, aber in Bezug auf ganz andere Fragen als über die, welche die Lehren von der Sünde, von dem Ver- hältnis der Freiheit zur göttlichen Gnade betrefien. Die Bücher contra Academicos, de vita beata^ de ordine beschüf- tigen sich mit Problemen, welche diesen dogmatischen Lehr- stücken nicht angehören. Selbst die Soliloquia ^) berühren jene nicht. Zwar kommt hier sogleich im Anfange *) das Gefühl der unbedingten Bedürftigkeit, die Erfahrung von

1) RetractÄt. IIb. I, cap. IV.

^) Soliloq. lib. I, cap. I, § 3. 5. August. Op. Ed. Tertia Venet» Bassani tom. I^ 430.

ArOUSTUnSCHE STITDIEN. I.

B^nadigung zu Worte —, ja wir lesen Stellen, -welche die Gedanken des späteren (prädestinatianischen) Systems regzunehmen achcinen; aber es wäre nach raeinem -halten ein arger Miagriff, wollte man Gebets-Worte ■r Art z)ir Ausmittelung der wissen schaftlichen Theorie tn. Man muss die Sprache der selbsterlphten Re- m kennen, wenn man diese 8ätze verstehen will. Das keine dogmatische Formeln, welche einem System der lenlehre angehören kein Material, aus welchem ein »Iches aulgebaut werden BoUte. Unser Autor wurde damals Ton ganz anderen Interessen bewegt. Bedenken, welche dem gläubigen Christen fremd sind, Scrupel inbetreff des Wesens dar Sele '), der UnsterbÜchkeit *), quälten diesen Katechu- menen der katholischen Kirche.

Erst die Bücher de libero arbitrio (angefangen in Rom 889) berühren stellenweise die oben erwähnten Aufgaben. Aber nicht das Bedürfnis, sich über die Bedingungen de« Giuideii8tai)de.s eine Theorie zu bilden, hat Augustin in Jener Zeit zur Entwicklung der hierher gehörenden Gedanken veranlarat; sondern die Not, welche ihm und andern die Angriffe der Manichäer aul' die Freiheit des Willens, deren Lehren von dem Wesen des Bösen machten *). Hier kommt er bekannllich zuerst auf die Erbsünde zu sprechen, aber Bur um in ihr ein Erbübel *) zu beklagen ; ebenso auf die 9nade, aber in einer Weise, dass späterhin die Pelagianer ') auf die bezüglichen Stellen gegen ihn selbst sich zu berufen dn teilweises Recht hatten. Indessen von dem materiellen Oehalt der damaligen Lehre sehe ich hier ab, um desto nachdrücklicher daran zu erinnern, dass alle jenen Fragen gewidmete Untersuchungen im Zusammenhange dieser Schrift

\-\ De qnautlUte animae Op. lom. I, 490, vita beata § 7 Op. tarn. I, 357.

■) SoliloqiL Üb. n, cap. Xm, § 29. De immoHaliUle siiimae Op. tom, I, 170.

') Betmet. üb. I, cap. XI.

»; De Üben arlritrio lib. III, gap. XIS. § 53. M; cap. XX, § 56. 5G. 57; cap. XXIH, g G8.

* Cf. Betnwt- lib. I. cap. XI, g 3. 4.

i

6 REUTEBy

nach des Verfassers eigeDem Geständnisse ^) ein durchaus Nebensächliches waren. Dieser war selbst in den Jahren, in welchen er der Kirche zu dienen anfing das zweite und dritte Buch wurde von ihm als Presbyter abgefasst *) , nicht sofort darauf bedacht, sich eine irgendwie systematisch geartete Erkenntnis der Natur der erwähnten dogmatischen Begriffe zu verschaffen. Erinnerungen an die grosse Tat- sache seines inneren Lebens scheinen seine Gedanken nicht geleitet zu haben. Aber auch die Frage nach der Kirchen- lehre*) über Sünde , Freiheit und Gnade beschäftigte, wie man vermuten darf, den jüngst geweiheten katholischen Priester nicht. Freilich diese brauchte er nicht erst durch gelehrte Forschungen auszumitteln ; die Tradition verkündigte dieselbe nach katholischer Voraussetzung damals, wie später- hin. Aber während Augustin demnächst darauf bezüg- liche Beweise beibrachte, hat er in früherer Zeit an der- gleichen nicht gedacht. Und während er der formellen Autorität der Kirchenlehre immer folgte, folgen woUte, wurde doch deren Inhalt von ihm vor dem Jahre 397 in Wahrheit anders verstanden, als nach demselben weil seine eigenen Lehrgedanken andere geworden waren*). Dagegen eine sich selbst gleiche, inhaltvolle Kirchenlehre war nicht vorhanden.

Die Aenderung ist eine Tatsache, welche erklärt sein will. Sie setzt ein gesteigertes dogmatisches Interesse an den in Rede stehenden Gegenständen voraus ; aber wodurch das- selbe erregt sei, ist eben zweifelhaft. Man ist geneigt grade in Bezug auf Augustin innerhche Prozesse als Motive neuer

») Cf. Retract. lib. I, cap. XI, § 2. 5. 6. Vgl. die interessante Stelle contra Julian, lib. VI, cap. XII, § 39. Exstant libri, quos adhuc laicus recentissima mea conversione conscripsi, etsi nondum sicut postea sacris literis eruditus, tarnen nihil de hac re jam sentiens et ubi disputandi ratio poposcerat dicens nisi quod antiquitiL8 discit et docet omnis ecclesia (!).

*) Retract. lib I, cap. XI. Anfang.

') S. Anm. I Ende.

*) Vgl. Dieckhoff, Augustin's Lehre von der Gnade, Theo- logische Zeitschrift, herausg. von Dieckhoff und Kliefoth, I, 18.

ACaU&TINlSCHK STUDIEaJ. I. 7

GedankenproductioaeD anzunehmen. Indesäen von solclien Ut uns in diesen Jaliren iiichta bekannt. Auch habe ich äteUen, welche fiir ein sich regendes persönliches Bedürfen leugten, nicht ausmitteln können. WolJ aber erfahi-en wir •), dam Augustin als Presbyter im Jahre 396 (?) in Gemein- icbaA mit Freunden den Brief an die Römer las und die bei dieser Gelegenheit aufgeworfenen Fragen mündlich beantwor- tete, aber die Antworten in schriftlicher Darlegung zu wie- derholen veranlasst ward. Das geschah in der Expositio fllan^f^dam propositionum ex epistola ad Romanos *), welche beweist, dass iJun schon damals, als die gemeinschaftliche Lektüre verabredet ward , der Lehrgehalt derselben geläufig gewesen sem müsse. Auch lässt sich nicht verkennen, dass m dieser Schrift bereits Sätze ^) des zweiten Systems vor- bereitet werden. Aber daneben finden wir doch auch an- dere'), welche, aus der ersten Lehrperiode überkommen, ntver&ndert geblieben sind. Ueberdies ist die ganze Beband- hng eine sehr aphoristische '}. Freilich verfolgte er den Plan, das ganze apostolische Schreiben zum Gegenstande der Interpretation zu machen; al>er zur Ausfuhrung ist er nicht gebracht. Der Verfasser kam nur dazu, einen ersten An- fimg ') dazu zu machen. Der Eindruck der Schwierigkeiten mi so gewaltig, dass er den Mut verlor, die Arbeit fort- nuetzen. Er mochte wohl das Bedürfnis ftililen, seine Ge- danken über die in dem Röraerbriel'e vorUegenden Probleme lU klären, aber es war noch nicht das übermächtige in ihm geworden. Er konnte in dieser Zeit die Befriedigung des- selben noch abweisen, um der Lösung leichterer Aufgaben ') ■ich zuzuwenden. Diese standen neben jeuer anderen als

r>) Eetract üb. I, Cftp. XXnl; Op. tom. I, 38. •) Op. tom. IV, 1196. *) E^posit. quarundam propositionum ei ep. ad Kom. § XV UI, IV, 1198 r, § XXI, 1199 A, § XXXV, 12U1 D, *) S. B. B. ib. § XUV, 1204 C. ») S. t. B. Über Böm. ti, 12, § XXIX.

*) Epistolae ad Romanos mchoata eipoaitio Op, tum. IV, 1235. Betact üb. I, cap. XXV.

T) Retract. üb. I, c. XXVI.

8 REUTER,

GröBsen gleichen Wertes. Die Unruhe des eigenen Suchens quält ihn noch nicht Das erkennen wir aus dem liber de quaestianibus octoginta tribus ^). Darin sind die einzelnen Abhandlungen, welche durch Anfragen christlicher Brüder seit der Wiederankunft in Afrika veranlasst waren, in der Zeit des Anfangs seines Episkopats gesammelt und zum Zweck der Erleichterung des Gebrauchs mit Nunmiem versehen '). Die ursprüngliche Abfieussung gehört abo sehr verschiedenen Jahren an. Dasjenige, in welchem die auf die er- wähnten Lehrcapitel bezüglichen Tractate Quciestio LX VI etc. QfMestio LXVin ') geschrieben sind, ist gar nicht zu be- rechnen. Allein man muss geneigt sein zu combiniren, dass beide später zu Stande gekommen seien als die oben er- wähnte Expositio. Denn dort finden wir statt tmvoUständiger Glossen bereits zusammenhängende dogmatische Erörterungen. Punkte, welche in der Expositio entweder gar nicht oder doch kaum berührt waren, sind bereits in verhältnismässiger Weitläufigkeit behandelt. Zum ersten Male, wenn ich nicht irre, lesen wir hier^) die seitdem so oft wiederholte Erklä- rung der Stelle Rom. 6, 12, die Darlegung der Lehre von der sündigen Menschheit als der massa perditionis ^), von dor Verdammnis der in Adam Gefallenen ^). Dagegen sind bekanntlich die Aiissagen von dem Verhältnis der mensch- lichen Freiheit zur göttlichen Gnade noch nicht fr^ von Widersprüchen ^). Aber diese beunruhigen, so weit sich aus dor liti^rarischen Arbeit auf die Stimmung des Schriftstellers »ohlioHsoii lässt, denselben nicht Ihm ist es bekannt, dass diMi neunte Kapitel des Römerbriefs Gegenstand lebhafter

»^ 0|i. tom. XI, 309.

»^ Uotruot, üb. I, oap. XXVI.

*^ 0|». tom. XI, JUn. 371.

*^ \\\ lUMl Quaeatio IJCVI, § 4. Vgl. die frühere Lehre über vUv«^ tvuUiwl uuoh dorn Fall im Unterschiede von dem Zustande vor s\^\\\ \^W\ sto Nera rt^ligione cap. XLVI, § 88. 89.

>^ gwHe*tio LXVIII, § 4, tom. XI, 374; cf. ib. § 1, 373.

^' \i\^^K^^X\K^ lAVlll, § 3, 373 B.

^^ 54. H. 10 Amu. 3.

AÜGCSTINISCHE STUDIEN. I. 9

worden '), GewisBe Unfromme urteilen, der Apostel 'orte Rom. 9, 20 geschrieben im Bewusstsein des lögens, die Einwendungen der Gegner zu widerlegen. versuchte Beweisführung zu Ende zu führen, sei >D ihm abgebrochen. Häretiker diigegen citiien auch Stelle, um ihre Zeitgenossen von den Interpolationen Textes der neuteBtamentlichen Bücher zu überfuhren. fiidlich giebt es tromme Bibelleser, welche nicht wissen, waa sie beiden Classen von Leuten erwidern sollen. Indessen Angusdn befindet sich keineswegs in Verlegenheit; er läset tofort eine Zurechtweisung folgen, welche den Ton der Zu- rersicbtlichkeit anschlägt, aber die darum doch nicht eine klare Entscheidung giebt.

Die Schwankungen erhielten sich und erregten demnilchat peinlichere Scrupel. Um sie zu lösen, abo nunmehr um ein durchaus persönliches Bedürfhie eu stillen, vertiefte er nch zum dritten Male in den Römerbrief und begann bereits die hin- und herwogenden Gedanken schriftlich zu fisiren *), ■U er von Simphcianus, Bischof von Mailand, eine Zuschrift erhielt, welche ihn ausdrücklich über den Sinn des siebenten Kapitels befragte. Sie nötigte den Verfasser zu einer Ueber- ubeitung des ersten Entwurfs ^) ; aber diese ist docli nichts weniger als ein fertiges harmonisches Bekenntnis geworden, Tiehnehr ein Denkmal des Kampfes widerstrebender Öe- dauken. In keiner andern Schrift des grossen Mannes ist uns in dem Grade wie in dem ersten Buche der Quaestioncs ad Simplicianum *) die werden de Ueberzeugung, das Ringen Dsch Gewissheit zur Anschauung gebracht. Die Erkennt- täaae sind nicht, sie werden producirt, nicht in continnir- lichem Fortschritt, sondern in den Wirren des dialektischen

0 Qtwest. LXVIII, g ]; Op. tom. I, 371.

ij Op. totn. XI, 411 A. Et illa quidem, quae de Paula apo»tolo diMolveiida propoauisti, jam a nobis eraat utcumque discuBsa literisqne muidfttB.

s) II». Sed tsmen cadcm ipsa verba «pCBtoliea cauliuB Bttentiusque ritnatus sum. _ *} Op. toin. XI, 411— «0. Dieckhoff a. a. 0.

10 BEÜTEB,

SachenS; welches endigt mit dem Finden der prädestinatia- nischen Qnade ^).

Seitdem ist wenigstens das Schema *) der zweiten Lehi^ form ausgemittelt Wenn dessenmigeachtet Spuren der Nach- wirkungen ') der ersten nicht bloss in diesen QfMesii(me% sondern sogar in antipelagianischen Schriften sich zeigen: so ist das grade der augenscheinliche Beweis dafür, da» Augustinus Gnadenlehre sich völlig unabhängig^) von dem pelagianischen Streite entwickelt hat Jene, wie die Yon der Erbsünde war im wesentlichen bereits fertig; als dieser begann. Hier ist des Autors Selbstbeurteilung ganz in Ueber- einstimmung mit den Tatsachen.

Daran erinnere ich nur, um das Urteil zu erhärten, dass die erwähnten Lehrartikel in seinem dogmatischen Denken eine durchaus selbständige Bedeutimg haben, ihre Qenesis in keiner Weise zu erklären ist aus dem Interesse an dem Dogma von der Kirche.

Dieses hat ebenso wenig als das von der Sünde und der Gnade die Reflexion Augustinus in der ersten Zeit in An- spruch genommen. Und doch hatte der Eindruck, den die Majestät des katholischen Kirchenwesens ') auf ihn machte, das Bedürfnis einer alles so entscheidenden Autorität, wie sie in demselben ihm offenbar geworden war, ebenso viel Anteil an der Beschwichtigung der Revolution seines Innern, als die Gnade, welche er in der Bekehrung er&hren haben

1) Retract. IIb. II, cap. I, § 1. De praedest. Sanctorum, cap.IY.

>) De dono perseverantiae, cap. XXI.

8) S.z.B. de spiritu et litera, cap.XXXm, § 67; Op.tom.XIII, 145; cf. XXXI, § 53, de peccatomm meritis IIb. 11, cap. V, § 6. 52; Nitzsch, Grundriss der Dogmengeschichte I, 381.

*) De dono perseverantiae, cap. XX, § 2, tom. XIV, 1055; de praedestin. Sanctorum, cap. IV, § 8. Wie Augustin über die Kinder- taufe im Jahre 408 (drei Jahre vor dem Anfang de^ pelagianischen Streits) dachte und lehrte, zeigt die Ep. XCVIII. Editio tertia Venet. Op. tom. II, 346 352. S. namentlich § 2 und § 5. Tota ergo mater Ecclesia, quae in sauctis est, quia tota omnes, tota singulos parit. etc. Cf. de libero arbitrio üb. III, cap. XXIII, § 67.

ß) Vgl. Confess. lib V, cap. XIV ; lib. VI, cap. I. V. XI Mitte üb. VII, cap. XIX.

ALGUSTIHI8CHE STUDIEN. I. 11

Ist das der Fall, so wird es begi-eiflich, daas er in >eii berücksichtigten 8clirifteu über den Begriff der 1 Bciiweigt. Nicht sowohl die dogmatische Natur der- 1 ksra damals io Betracht, als die Bedeutung, welche r die \'ergewi8seruiig von der Wahrheit hat. Augustin ) seit dem Augenblick, in welchem er entschlossen war, t katholische Taufe zu begehren, nicht aufgehört, der reli- iphilosophiache Denker zu sein, welcher er bisher gewesen Ja ihn verlangte, das sich Beugen vor jener supranatura- ichen Macht nicht etwa mit Verzieh tieiatung auf alle ratio- nelle Kritik, sondern unter Anwendung derselben vor sich selbst zu rechtfertigen. So erkläi't sich die beruhrata Stelle ') in der Sclirift de ordine lib. II, cap. IX, § üö über das Verhältnis der Vernunft zur Autorität, wie die Natur der güttlichen Autorität. Grade der Umstand, dass sie in einen umfassenderen, auf dieses specielle Thema nicht be- rechneten Gedankencomplex eingereiht ist, dürfte ftir die richtige Würdigung der psychologischen Motive zeugen. Der Verfittsser detikt hier, wie mir wenigstens nicht zweifelhaft ist, an die Kirche ^), nennt diese aber nicht ausdrückUcb. Es ist ihm um den Beweis für die Haltbarkeit des Be- griffs der Autorität zu tun. Auch in der denmäcIiBt folgenden Zeit widmete er der Würdigmig dieser Grösse seine Gedanken. Das eigene BedUrfen und ein äusseres Reizmittel wirkten dabei zusammen. Die AVahmehmung der Macht- stelluitg des olle Autorität verhöhnenden und verdächtigenden, aber deshalb inmitten der damaligen Culturwelt um so be- denklicher anziehenden Manichäismua , die neue persönliche Berübrung mit Anhängern desselben, machte ilim die lite- rariache Polemik zur Pflicht. Nicht „von der Natur der katholisciicii Kirche", sondern „von den Sitten der katho- liscben Kirche" ') heisst der Titel des Buchs, welches er als

i) Op. tom. I, 410.

I) Ib. 411 A, g 27, Doceat enim oportet et factis poteatatem ■■um et humilitate clemeutian] et praeceptione Daturam , quae umuia laerit, quibtu initiamur. tecrefius firmitisqut traättatar. K *'i De morifaos ecclesiae catholicae Op. tom. I, 8(j7.

12 REUTER;

Parallele zu dem anderen von den Sitten der Manichäer schrieb. Es hat allerdings einen weiteren Inhalt , als der erwähnte Titel anzukündigen scheint. Allein dieses Wdtere bezieht sich nicht auf die Charakteristik des dogmatischen Wesens der Kirche, sondern erschöpft sich in Darlegung der Natur der übernatürlichen Offenbarung und Autorität. Beide Begriffe fallen zusammen. Der eine (die Offenbarung) ist m Postulat des Vorsehungsglaubens ^) , ein Erweis der gött- lichen*), den Zuständen der schwachen, sündigen Mensch- heit sich anbequemenden *) Pädagogie ; die ihr beiwohnende Autorität ist in Betracht der Allmählichkeit, der Irrbarkeit der Erkenntnis des endlichen Geistes ab Anticipation der Vemünftigkeit *) eine Wohltat. Diese wird uns ausschliess- lich in der katholischen Kirche zuteil. Das wird nicht so- wohl bewiesen, als bekannt in dem Zeugnisse von der Ho- heit und Herrlichkeit*) derselben, in den Aussagen, welche ihre Beschaffenheit mehr andeuten als schildern. Eine Begriffsbestimmung der Barche wird auch hier nirgends gegeben.

Ebenso wenig in dem Über de vera rdigione. Den katholischen Freund Romanianus ^), wie den katho- lischen Autor verlangt darnach, die christliche Religion als die wahre Religion nachgewiesen zu sehen. Allerdings nur das Christentum derjenigen kirchlichen Gemeinschaft, welche von Freunden und Feinden die katholische ^) genannt wird, wollen beide festhalten; beide haben bereits geftmden, beide sind aber doch beziehungsweise noch suchende *). Sie sind

J) L. 1. lib. I, cap. VII, § 11 ; Op. tom. I, 872.

«) Ib. § 12.

3) Ib. § 17.

*) Ib. lib. I, cap. II, § 3; Op. tom. I, 869.

5) Ib. lib. I, § 11. 12. 60. 61.

6) Epist. XV; Op. tom. II, 24 D. Scripsi quiddam de catholica religione, quantum Dominus dare dignatus est etc. Contra Academicos lib. II, cap. III, § 8; Op. tom. I, 314 A. Die Briefe, welche der Zeit vor dem Ausbruch des donatistischen Streits angehören, äussern flieh über die Kirche gar nicht.

7) De vertf religione cap. VI, § 12 ; Op. tom. I, 956 A.

®) Ib. postquam tuas acerrimas interrogationes sine uUo certo

AÜGÜSTINISCHE STUDIEN. I. 13

in der Philosophie „geheiligt", gleichwohl in dem „Heilig- tum" der ReUgion Philosophen geblieben *), dessen gewiss, dtts beide (Grössen, welche auf heidnischem Gebiete Gegen- sätze bilden, auf christUchem zusammenstimmen ^). Darum soll das Buch nach Massgabe der Kapitel XXIV, § 45 über das Verhältnis der Vernunft zur Offenbarung erörterten Ge- danken — welche wir hier nicht weiter berücksichtigen eine Art rationellen Beweis hefem. Im Verfolg desselben wird zwar ausg^angen von dem Christentume, aber angeb- lich nur deshalb, weil es im Unterschiede von dem Heiden- tame, welches zur Verehrung mehrerer Götter aufruft, den CiiltoB Eines Gottes predige und die Einheit von vornherein als das rationell Richtige') einleuchte; weiter, weil es eine gosammenhängende Religionsgeschichte *) habe. Dessenunge- achtet wird die nicht ernstlich gemeinte MögUchkeit in das Auge gefasst, dass der Erfolg der Untersuchung der Voraussetzimg nicht entspreche, dass das Suchen fortge- setzt werden müsse. Dazu kommt es nun freiUch nicht: das Christentum bewährt sich in dieser scheinbaren Prüfung als die echte Religion *), als die der Menschenvemunft trans- cendente*) Wahrheit'); aber das Recht dieses Supranatura- lismus wird doch an rationellen Kriterien erkennbar. Und in dieser Beziehung ist auch von der in ihrer Geschlossenheit und UniversaUtät ®) imponirenden kathoUschen Kirche die Rede. Allein die bezüghche Erörterung tritt doch im Vergleich zu den abstracten religionsphilosophischen Untersuchungen augen-

fine fluctuare ea caritate, qua tibi obstrictus sum, dlutius sustinere non possam etc.

i) L. 1. Bepudiatis igitur omnibus, qui neque in sacris philoso- phantur nee in phUosophia consecrantur.

«) Ib. cap. IV, § 8.

8) Ib. cap. XXV, § 46.

4) L. L cap. XXVIII, § 51; cf. cap. X, § 19; cap. VII, § 13.

6) Ib. cap. X, § 19; Op. tom. I, 953. Ea est nostris temparibua Cbristiana religio etc. Retract. lib. I, cap. XIII, § 1.

•) Ib. cap. XXX, § 56; cap. XXXI, § 57; cap. XXXIX, § 72.

i) Ib. cap. XXXIX, § 73; cap. XLIII, § 81; cap. L, § 99; ca. LI, § 101.

») Ib. cap. VI, § 10. 12; cf. cap. III, § 4. 5.

14 REUTER;

Bcheinlich in den Hintergrund. Die Kirche kommt nur als Lehrautorität ^) in Betracht. Das Bedürfiais , den dogma- tischen Begriff derselben zu bestimmen^ war also damals noch nicht vorhanden. Das hat erst der ihm aufgenötigte prak- tische Kampf mit den Donatisten gewirkt. Indem Augustin überdies darauf Bedacht nimmt, in antimanichäischen Schriften z,B de utilitate credendi, contra epistolam fundamenti *) die Principien des kirchlich -katholischen Autoritätsglaubens in umfassenderer Weise als bisher darzulegen, gelangt er in diesem doppelten ConfHcte dazu, die systematische Doctrin durchzubilden, welche H. Schmidt*) in der vor- züglichen Abhandlung „des Augustinus Lehre von der Kirche" mit ebenso viel Kenntnis als Geist gewürdigt hat.

Unsere Studien haben einen anderen Zweck. Ist in Verfolg derselben nichts Wesentliches übersehen: so scheint ein Doppeltes erwiesen zu sein: [l] die Lehre von der Sünde und der Gnade und die Lehre von der Kirche sind durch- aus unabhängig von einander entwickelt; [2] die eine wie die andere haben eine eigentümliche Genesis. Beide Kapitel haben allerdings in Augustinus Geschichte das mit einander gemein, dass sie in seiner ersten katholischen Zeit Grössen secundären Wertes gewesen sind, dass in der Folge aber diese Wertschätzung eine ganz andere geworden ist. Aber gar verschieden war auch das Motiv dieser Aenderung. Die Umgestaltimg der Lehre von der Sünde und der Gnade wurde unserem Kirchenlehrer durch ein persönliches, aus den gleichzeitigen Zuständen der Kirche nicht erklärbares Be- dürfen aufgenötigt; die auf die Kirche bezügliche durch die Verhältnisse Nordafrika's. Beide Kapitel sind nicht von A n f a n g an in einen systematischen Zusammenhang gebracht Selbstverständlich hat Augustin seit der Taufe die allge- meinen katholischen Voraussetzungen geteilt; aber nirgends

1) L. 1. cap. VIII, § 16; cap. IX, § 17; cap. XXIV, § 45.

*) H. Schmidt, Des Augustinus Lehre von der Kirche, Jahr- bücher für deutsche Theologie, Bd. VI, S. 234. Vgl. Köstlin, Deutsche Zeitschrift für christliche Wissenschaft und christl. Leben, Jahrg. 1856, S. 108.

8) S. Anm. 2.

«ÜGUSTIKISCHE STimiEN. I. 15

memes "WiBsens in den Büchern, welche vor Beginn ( latiatischeD Streits abgefasst sind, die Kirche als HeÜEsphäre sonderer Weise betont; nirgends in den antidonatisti- Schriften die Lehre von der Erbsünde im Interesse der e von der Kirche in eigentümlicher Weise ver- Wohl aber hat sich der Gedanke von deren Heils- bedeutnng grade in diesen literarischen Denkmalen den um- tsMndsten Ausdnick gegeben. Das katholische Dogma von icr„alleinseligmacbenden"Kirche istdarin vollendet '), Schon dimm könnte man erwarten, dass von nun an dasselbe sich >U die allbestimmende Macht in Augustin's Denken erweisen werfe. Die Berechtigung dazn scheint um so begründeter lu sein, wenn man erwägt, dass dem erwähnten Streite der peUgianische der Zeit nach unmittelbar folgt.

Diese chronologische Tatsache bat Baur') nicht einmal WKlrucklieh berücksichtigt, nichts desto weniger aber den Gtfienaatz des Auguatinismus gegen den Pelagianismus aus der Rückwirkimg der Kirche auf das Dogma erklärt. Um nch von der Richtigkeit dieser Ansicht zu überzeugen, be- denke man nur, welche Wichtigkeit für Aiiguatin die Taufe hatt*. Die Taufe ist der Punkt des kirchlichen Systems, in welchem Dogma und Kirche sich am unmittelbarsten be- rfihren. Alles, was die Lehre von der Taufe dogmatisch enthält, erhält seine reelle Bedeutung erst durch die äussere Handlimg, welche die Kirche verrichtet, und nur als GUed dtr Kirche kann man des christlichen Heils teilhaftig werden. W»s aber die Kirche in der Taufe erteilt, ist vor allem die Vergebung der Sunden; da nun auch Kinder getauft wer- den, so muss auch schon bei den Kindern ein Bedüifnia der Sundenvergebung vorausgesetzt werden, und da sie selbst noch keine eigenen Sünden begangen haben, so kann die

1) Schmidt a. a. O., S. 243. 19a 211. 219.

*) Die christliche EUrcbe vom Anfang des vierten bis zum Ende de« Mchaten Jahrhunderts. Tübingen 1859, S. 143. 144. Vgl. Dornei, Angnatintu. Sein theologieches Sj'stetn und seine religinnsphiloso- phisehe Anschauung. Berlin 1873, S. 257. S. dagegen Rothe, Yorle- nuigen über Kirchengeschicht« , Bd. II, S. 34, mit irelchcm ich, wie ich nachttSglich sehe, cnsammentreffe.

16 BEUTER;

\

Sünde, welche ihnen in der Taufe vei^ben wird, nur eme ^^ natürliche, ihnen von Natur anhaftende sein; woher anders ^ir aber können sie diese haben, als durch ihre Abstanunong ^^ von Adam , und wodurch anders kann eine solche zur - - Natur des Menschen selbst gehörende Sündhaftigkeit von =^ ihm auf alle Nachkommen übergegangen sein, als infolge ' seiner Sünde, durch welche demnach die menschliche Natur - selbst von Anfang an in dem gemeinsamen Ursprung, welche alle in Adam haben, zur Sünderin geworden ist? Die Taufe ist daher der deutlichste Beweis für die Erbsünde. Daran schliesst sich unmittelbar das Argument an: wäre die Taufe nicht auch bei den Kindern eine Taufe zur Sündenverge- bung, wozu würde sie denn erteilt?" u. s. w. ^Um daher nur dem hohen kirchlichen Bewusstsein von der Notwendig- keit der durch die Kirche vermittelten göttlichen Gnade über- haupt nichts zu vergeben, musste alles, was der Mensch für sich selbst ist, jede Anlage zum Guten in ihm so tief wie möglich herabgesetzt werden. Die Kindertaufe war es ja auch wirklich, womit der pelagianische Streit seinen Anfang nahm" u. s. w.

Es lässt sich nicht leugnen, dass hier Beweise und Schlüsse vorgebracht sind, welche sich in der Tat bei AugUHtin finden *). Dessen ungeachtet ist der princi- piolle Gedanke der ganzen, noch neuerUch von Holtz- mann^) gebilligten Darstellung ein durchaus irriger. Die niotluKÜHolu' Forschung in den Quellen zeigt, dass Augustin allerdings Argumente jener Art zu einem gewissen Zwecke erört(u*t hat; dasa er aber nicht durch dergleichen zu seiner Lehre von der Erbsünde und der Gnade geführt ist ^). Woher dvr geuunntc Autor erfahren habe, dass der pelagia- nische Streit „mit der Kindertaufe seinen Anfang genommen" habe, weiss ich nicht. Der auf der Synode zu Carthago (411) von Paulinus übergebone libellus *) registrirte die bekannten

0 S. iiuton S. )>1.

^) Sybers liistorischc Zoitschrift. Neue Folge. Bd. V (1879), S. 132, 3) Vgl. oben S. 8-10.

*) Marii Mercatoris coinmonitorium super nomine Coelestii Op. ed. Baluz. p. 132. 133.

AüGUSTINTSCHE STUDIEN. I. 17

le stärkere Betonung des einen im Vergleicli t den übrigen '), und unter diesen ist keiner, welcher ücb f die Rlndertatife bezieht. Ueber alles wurde damals, wie scheint, debattirt; wie aber? das erfahren wir nicht voll- uidig, sondern nur teilweise aus den von Augustin ') mit- fteiltcD Stellen aus den Gest. eccles. Carth. und der *) p. CLVIl, § 22. Diese Urkunden berichten, dass man cirt, anter andern, über den dritten Punkt Quod peccatum \Jiae ipsum solum laeserit et non genus humanuni et quod »fantes, gut ntzscuntur, in co statu sunt, in quo Adam fuit nU praevarieationem *) verhandelt habe und dass man im ^erfolgdieser Verhandlung auch auf die Kinder taufe a sprechen gekommen sei. Bischof Aurelius im Einvor- Cindnisse mit PauÜcus berief sich auf dieselbe als einen leweia gegen die Richtigkeit der von CölestiuB vertretenen .ebre; dieser aber vereitelte den Zweck dieser Berufung. )ie Notwendigkeit der Taufe der KJnder wurde von ihm nerkannt, aber damit begnügte er sich nicht, sondern be- ründete dieselbe auch durch die Aussage von der Not- wendigkeit der redemtio^), bestritt dagegen das Recht, die j-hsünde zur Basis des Sacraments zu machen ^). Damit rar diese auf Veranlassung der bezeichneten 'hesis angeregte Discnssion get^chlossen. Begonnen aber itte der Streit mit der Frage nach den Folgen des Falles

I) L, 1. De quibus omnibua capilulis suprascriptis Keptem pn- bm eyuixlalium geBtonim patres et cpiscopi rcgionis illius rcätltc- I etc.

») De gralia Ch. et de peccato origio. lib. II, cap. II. IH. IV; tom. Xllt, 318. 317; cf. cap. XU, § 13; cap, XIII, § 14.

») Op. tom. II, 718.

*) Diese Formulirung bei Aogustin. 1. 1. § 2. 4, etwas abweicbend Harius Mcrcatör.

'j Ep. CLVIl, § 22, tom. II, 719. Tarnen coactas ert confileri optcrbaptJzandosparvtdos, quod ot ipsis necessaiia nt redemtio. Ubi ajDqnam nolaeiil de original! peccato aliquid cxprcssius dlcere, mcD ipso redemtiouiB nomine non parum sibi praeicripsil. Cf. cpisl.

p. Afr. ad Innocent. ib. tom. XVII, 2699.

>) De gratis Cbristi ot de peccato origiuati lib. II, § 3 'Ende, § i.

tKhi. t i.-a. IT. L 2

18 REUTESy

des ersten Adam, motivirt ist er mit nichten so, wie Bau; angiebt

GleichwoM wäre es möglich, dass Augustin's AofstelloDgen im pelagiamschen Streite über Erbsünde und Ghiade durch directe oder indirecte Beziehungen auf die objective Heils- bedeutung der Kirche beherrscht wären ^). Ob das wirklich der Fall sei, darüber kann nur auf Grund einer genauen Analyse der Quellen entschieden werden.

In der Schrift de peccatorum meritis et remissione ^) wird das allgemeine Sündenverderben dem Heile in Christo, dieses jenem in vielen Stellen entg^engesetzt lib. I, cap. X, § 15 Op. tum. XUI, 10, cap. XIU, § 16. 17; cap. XIV, § 18. 19; cap. XVm, § 23; cap. XIX, § 26; lib. III, cap. XI, § 19; vgl. einen grossen Teil des lib. II, z. B. cap. XVII; § 27; cap. XX, § 34, wo Christus als cignus Dei, lib. I, cap. XXII, § 33 (cf. lib. I, cap. XXXU, § 61), wo weiter die gratia Dei per Dominum Jesum Christum als die aus- schliesslich rettende Macht gefeiert wird. Freilich kommt der Verfasser wiederholentlich auf die Taufe zu sprechen: sie ist das jVIittel, welches dazu dient, die Gemeinschaft mit Chiisto als der einzigen (lib. I, cap. XXVIII, § 66 per uni- cam (jratiam misericordis sui sacerdotis; lib. II, cap. XVII, § 27; cap. XX, § 34) Ileilspersönlichkeit herzustellen: lib. I, cap. XXVIII, § 55 Quae cum üa sitU^ neminem ung^uam eorum, qui ad Christum accesserufd per baptismum etc. Nee est ullus tdli medius locus ^ ut possit esse nisi cum diaholo, qui nofi est cum Christo. Sie versetzt in das regnum coelorum, das identisch ist mit der vita aetema lib. I, C4tp. XXI, § 30; cap. XXII, § 33; cap. XXVIII, § 63; lib. II, cap. I, § 1, der salt^, welche Christus selber ist, lib. 11, cap. I, § 2 (vgl. überdies Üb. III, § 6. 7; cap. IV, fcj 8 und die noch in anderen Beziehungen bedeutungsvolle Stelle» lil). II, cap. XXVI, § 42). Auch soll nicht vergessen wt'nliin, dass die Bezugnahme auf die Taufe dem Augustin

» ^ Kit HC 1) l , llchor die Mothode der ältesten Dogmengeschichte, .lalnhiu'lior für dcMitsohe Theologie, Bd. XVI, S. 209. 210. *) S. unten S. 27 f.

AÜOÜSTnnSCHE flTÜDIES.

in diesen Büchern so wichtig iflt, dasB er in dem Über de spiritu et lUera zu Anfang, wo er auf dieselben zurück- weist, sie unter dem Titel de haptismo parvttlorum anliihrt. Nichts desto weniger fällt das Hauptgewicht auf Christum als das ausschliesslich das Heil bedingende Snbject: lib. I. eap. XXX, § 62: „Non alienentur parvuli a gratia remifl- sionis peccatorum. Non aÜter transitur ad Christum; nemo aliler potest Deo reconcüiari et ad Deum venire nisi per Christum." Lib. U, cap. XX, §34; lib. II, cap. XXVU, § 42. 43; Üb. II, cap. XXXVI, g 59; Üb. III, cap. IV, § 7: „Quid autem apcrtius tot tantisque testunoniis divi- norum eloqiiionmi, quibus düucidissime apparet, ncc praeter Christi societatem ad vitam salutemque aeter- nam posse qnemquam hominum pervenire" etc. „Unde fit consequena" etc. (Man beachte überdies die Worte lib. II, cap. 1, § 1 : „In hoc autem [libro] vivatne ali- qiiia in hoc saeculo vel vixcrit victurusve sit aine ullo om- nino peccato excepto uno mediafore Dei et hominum Christo Jesu, qui dcdit semet ipsum redemtionem pro omnibus, quanta ipso donat diligentia vel facultate, dissorendum vel cnodan- dam suscepi: cui disputatioui si so identidem aliqua ne- teasitate vel opportunitate inserucrit quacstio de bap- tiämo vel pcceato parvulorum, mirandum non erit nee de- fiigiendum, ut iis locis vel omnia, quae responsiunem nostram flagitant, sicut valemus, respondeamus".) Und wenngleich aagenfallig vielfach auf die Kirche zurückgegangen wird, wenngleich dieselbe als die Lehrautorifät erscheint, mit welcher der Pela^nismus in einem unliisbaren Conflict sich befindet (lib. I, cap. XXIV, § 34; lib. I, cap. XXV, § 38; lib. m, cap. II, § 2; lib. IH, cap. IV, § 9. 10; cap. V, §11; cap. VI, § 12; cap. VII, § 13; cf. lib. lU, cap. III, §6), wenngleich endlich ihre Cultusordnungen in einer Wei»e, über welche später ') noeli ausführlicli gehandelt wer- ben Mjll, als Voraussetzungen und Bestätigungen der von imi entwickelten Lehre aufgezeigt w^erden (lib. I, cap. XVIII, §23; lib. II, cap. XXVI, 42: die Gnade wird in dem

B. Vgl Schmidt a. a. 0., S. 214. 215.

20

Sacnunent djugeboten, Üb. m, ci^. IV^ § 8; der Mensch nicht ab EjUedramen üb. U, cap. AXVl, § 42, sondern erst durch die Taofe der Kirche dem Leibe des Herrn incorporirt Kb. I, cap. XXVI, § 39; Kb. I, cap. VID, § 10; lib. m, cap. IV, § 8; cap. VI, § 8; die Kirche rechnet nicht die vom Heidentom oder Judentum überge- tretenen erwachsenen Katechumenen, wohl aber die ge- tauften Kinder zu ihren Gliedern, zu den fideles lib. I, cap. XX, § 28; lib. HI, cap. II, § 2. 3; cap. m, § 4; cf. lib. I, cap. XXV, § 38): so ist doch dessen ungeachtet unzwcifeüiaft, dass der Verfasser nicht die Kirche als Heils- und Gnadenanstalt in erster Linie gewürdigt hat, hat wür- digen wollen, sondern im Vergleich mit der Gnade in ( 'hriHto als die Dienerin ^), als den ihm dienstbaren Werkzeug- liclicn Organismus. Nicht ihr, sondern der graiia ist das dog- matlHchc Interesse gewidmet.

In der Streitschrift ^) contra ducLS q^istolctö Pdagia-

norum lib. IV kann man viele Seiten lesen, ohne auch nur

iViv huHCHtc Beziehung auf die Kirche und die Kindertaufe

wulir/.uiiehmcn. Die Stellen lib. I, cap. XXII, § 40. 41. 42;

lib. II, ca|). II, § 3; lib. H, cap. VI, § 11 sind vereinzelt

Dn^'^'u ist die Verteidigung der Glaubensgerechtigkeit, als

«loH einzigem Modus der Teilnahme an der Seligkeit^ die Ent-

hiUlun^ (Ion (Mgontiiinlichen Wesens der christlichen Gnade

nirht nur diu» ibnnolle Thema; sondern es sind die religiösen

(IröKKon, \v(»loho hior in Betracht kommen, in dem Grade

IpImmhÜ^ wirkwinu» Miichte in dem Bewusstsein des Betrach-

IoihIpu, iIhkh MO sieh auch in der überaus erregten Sprache

orkonuliin* tnaoluMi. Kein aufmerksamer Leser kann meines

Mriu^htrus tiarilbor zwiM'folliaft sein, dass nicht sowohl die

Muhxoilnn^V «l«*»' kiivliliolu^n SjuTamonte, die Verkennung der

llo»|Ml»oilon(nnf; kU^v Kiivho» W(»loho der Pelagianismus ver-

H\'hul«lo|i\ nl;« ilio VorkiMinuiig der christlichen Gnade, des

IIoiImmihNmu \i\s I. oiij» ML Jj 7: lib. II, cap. VI, § 11

Anf»n»(m'M i^otwhlo oiwpörfo Nooh wonigiT dürfte das mög-

jLVQvaunnscHB btudien. i.

lieh sein, trenn er das Buch •) de natura et graiia zax Hand nimmt. In diesem kann er lange suchen bis er Stellen findet wie die cap. VIII, § 9 {Op. tom. XUI, 161 F.), cap. H, § 2 Ende per fidetn et saerarHentum sanguinis Christi. Desto zahlreicher eind diejenigen, welche ausdrücklich aussagen, daes der Verfasser fiir die ausachliesBÜcL rettende {cap. III, g 5; cap. LIII, § 62; cap. XXXIX, % 46; cf. cap. XII, § 13. 68. 69 72) gratia Christi streite: cap. LXII, § 73 Ende; cap, LXHI, § 74; cap. LXVU, g 80, ihn als illumi- nator, als medicus cap. I, § 1 (nur derjenige, welcher die gratia Christi versteht, wei»»<, weshalb er ein Christ ist; ebenso de gratia Christi et de peeeato origin, lib. I, cap. X, § 11 Ende; Üb. II, cap. XXIV, § 28); cap. XXIII, § 25; cap. XXV, § 29 ; cap. XXVII, § M \ cap. XIX, § 21 ; cap. XX, § 22; cap. LIX, §69, als einzigen mediator cap. XXV, § 29; cap. XLU, § 51, seinen Tod, seine Aufersteliung als Heilfitatsache beurteile. Die Formel evacuatur crux Christi cap. W, § 7; cap. IX, § 10, cap. XIX, § 21; cap. XL, § 47 ist der Weheruf, welcher als Motte des ganzen Buchs Wzcichnet werden kann.

In den libri ") de gratia Christi et de peccato originali vernehmen wir denselben allerdings nicht wieder ; der Grund- gedanke ist aber der näiuliche, die Idee der Heileniittler- schaft das Contmra der Betrachtung geblieben. Die in dem Titel angekündigten Aulgaben werden um ihrer selbst willen, schlechterdings nicht in Abhängigkeit von einem an- deren Dogma zu lösen versucht. Von der Kirche als der Qnadenapbäre ist in dem ersten Buche nirgends die Rede. Man bat ein Recht daran zu erinuem, dass Augustin hier eine Veraidassung dieses Thema unmittelbar oder auch nur mittelbar zu berühren insofern nicht hatte, als er sich mit der Würdigung eines mündlich (lib. I, cap. II, § 2) von Pelagiufl abgelegten, zu seiner Kenntnis gebrachten, die Not- wendigkeit der Gnade scheinbar anerkennenden Glaubens- bekenntmsses beschültige und zum Zweck der Auamittelung

. Xm, 157. 1) Ib. 285.

1

22 REÜTEB,

des rechten Verständnisses desselben eine kritische Analyse der Excerpte des neuen Buchs de libero arbUrio gebe, im zweiten aber die synodalen Verhandlungen in Carthago, in Palästina; die römischen Entscheidungen^ weiter die schiift- liche Confession des Coelestius bespreche. Demnach schemt durch die notwendige Rücksicht auf diese Vorlagen die schrift- stellerische Tendenz ausschliesslich bedingt worden zu sein. In der Tat, diese Bedingtheit ist unleugbar. Aber wer ve^ mag andererseits zu verkennen, dass das persönliche In- teresse an dem erwähnten positiven Thema den Autor zu dem kritischen Unternehmen bestimmt hat? Derselbe entr wickelt hier Gedanken auf Veranlassung der ihm bekannt gewordenen pelagianischen Urkunden, diese geben ihm Ge- legenheit gegen die Misdeutungen und Zweideutigkeiien, welche er den Gegnern vorwirft, durch scharfe dialektische Erörtenmgen die Natur der christlichen Ghaade sicher zu stellen, Christum als den einzigen Mittler, um als das Le- ben, als das ewige Leben zu würdigen. Aber wäre die Lehie von der Kirche wirklich in dem Grade, wie man behauptet hat, sein Centraldogma, hätte er nicht auch in diesem ersten Buche davon reden können? Das ist nicht geschehen, erwidert man vielleicht, weil das dem zweiten Buche vorbe- halten bleiben sollte. Und in diesem scheint sie in der Tat in den Vordergrund zu treten. Die Kirche als höchste Auto- rität hat bereits die gegnerische Lehre verurteilt *); das ganze römische Reich, welches Gott sei Dank! ein christliches isl, zeigt eine imgewöhnliche Aufregung *) ; aber das alles ist nur ein Beweis dafiir, dass es sich in diesem Streit um Sein oder Nichtsein der christlichen Religion ^) , um das Princip der

^) De gratia Christi et de peccato originali lib. II, cap. XXIIf § 25; cap. XLI, § 48.

«) Lib. II, cap. XVn, § 18. Quae cum ita sint, profecto Bcn- titis, in tarn nefandi erroris auctores episcopalia concilia et apostolictm sedcm universamque Romanam ecclesiam Eomanumqne imperium, qaod Deo propitio Christianum est, rectissime fiiisse commotum etc.

*) Ib. Lib. I, cap. X, § 11. Hanc debet Pelagius gratiam con- fiteri, si vult noii solum vocari, verum etiam esse christianus. Lib. H, cap. XXIV, § 28 in horum ergo duorum hominum causa proprie fides

AÜGÜSTJmSCHE STDDIEK. I. 23

eben Wahrhät, nicht um offene dogmatiache Fragen

leh, welclie man ho oder andere beantworten kann, ohne

Seje Seligkeit zu gefährden '). Zwar ist nach Augustin 'b

it die TOD ihm dargelegte Lehre länget die kirchliche *);

nichts desto weniger wird dieselbe vornehmlich um der

lelbst beiwohnenden Wahrheit (welche ja freilich die

lischc ') ist) willen verteidigt Und wenn auch in dem

iche de peccato originali aul' die Sacramento der Kirche

der schon oben angedeuteten Absicht zurückgegangen

'), so geschieht das doch nur, um einen Hulfäbeweis

befem.

Anders ist scheinbar die Methode, welche in dem Buche *)

dt perfectione justitiae hominis angewandt worden. liier

kommt der Autor einige Male 19. 20. 35) auf den Be-

piff der Kirche zu sprechen. Allein dazu hat die in des

Coeldatias chartula de/iniitonum formulirte Lehre, dass die

tedesia sine macula et ruga sei (sein solle), unseren Streiter

genötigt. Die darauf bezügliche Kritik begnügt sich nicht

damit, eine Verwechselung des empirischen Zustande» mit

iaa Uerrlichkeitazustandc am Ende der Tage nachzuweisen,

MideiTi sie geht über in die Darlegung des positiven Ge-

Jinkens, dass die Vollkommenheit des einzehien Christen, eine

lUtnäliliche Vervollkommnung dieses Frozeesea durch Hiinden-

mgebung (cap. Vn, § 16; cap. XV, § 35) imd entsün-

digende Leistungen 18. 2Ü) bedingt sei. Und diese wie

jmt nnd nur unter Voraussetzung der Beteiligung an dem

kirclilicheD Gemeindeleben (über die Gebete s. z. B. § 16,

etc. cap. XXIX, § M. Quisquis humanam cou- tadlt in qusübct actate naturain uon iiidigcre tncdico sccundo

käust noa in oL'qua guaestione, in qua dubitari vel errari aalva

SiK potest, sed ia ipsa rtgvia fidei, qua Christtani BUmiiB, gratiae Del «wiincitni inimicua, cf. lib. 1, cap. XXX, § 32. (Cf. contra Julian. Üb. VI, cap. IV, § 10; tota. XIII, 828 A.) 1) Ib. lib. n, cap. XXin, § 26.

■> De gratia Ch. et de peccato originali lib. I, cap. XXX. § 32. 8. 28. XUI, 2Ü7.

84 SECTEB,

über die deemasj^mi § 18. 19. 20) mogfieh. Allem diese wird nur angedeutet, nirgends aber aof die bezü^chen In- stitutionen der Kirche hingewiesen, nirgends dieselbe aas- drueklich als Heilssphäre charakterisirt Der Ver&sser wür- digt sie hier nicht als Anstalt, sondern die direct entwickelten Gedanken beschäftigen sich ausschliesslich mit der Betrach- tung des Heilslebens des Einzelnen, und das hat seine Urquelle in der mittlerischen Person Christi 7.9. 10. 12. 16. 42. 43).

Ich schliesse vorläufig die Excerpte. Sind sie in dem Zusammenhange mit dem Texte richtig yerstanden, so &• giebt sich, dass in diesen antipelagianischen Schriften sidi Beziehungen auf die Kirche nicht so häufig finden, dass sie nicht 8 0 stark betont sind, als man angenommen hat Die- selben sind unleugbar Yorhanden, aber sie beweisen nicht, dass infolge des donatistischen Streits die Anschauung von der Kirche die in Augustinus Denken unbedingt dominirende geworden sei *). Er erörtert nicht in Abhängigkeit von dieser die Lehren von der Sünde und der Gnade, sondern die letzteren erscheinen als primäre Grössen. Wie sie selb- ständigen Ursprungs gewesen waren : so erhalten sie sieb auch in dieser Selbständigkeit. Ja der dogmatische Gehalt derselben wird erheblich höher geschätzt als vordem und zwar keineswegs in erster Linie deshalb, weil die ob- jective Heilsbedeutung der Kirche durch die pelagianischen Doctrinen beeinträchtigt würde (wie denn das Wort exlra ecclesiam nülla sälus in dieser Formulirung in keiner antipelagianischen Schrift unseres Autors meines Wissens geftmden wird). Wer meint diesen Satz im Gegenteil be- jahen zu müssen, den möchte ich bitten, nicht sowohl an einzelnen Stellen mit seiner Erwägung haft:en zu bleiben, als den Gesammteindruck der besprochenen Bücher, die sie be- stimmende Tendenz auf sich wirken zu lassen. Der Erfolg welcher auf diese Weise erzielt wird, kann durch keine noch so sorgfältige Inhaltsangabe, durch keine noch so genaue Stellensammlung ersetzt werden. Wie in diesem Falle, so

1) Wie Dorn er a. a. 0., S. 234 zu meinen scheint.

AnOTTSTINISCHE STUDIEN. L 25

aach In anderen die DarateUmig eine Schranke, welche niemals durchbrechen kann. Aber umgekehrt darf auch Oesanunteindruck allein das Urteil nicht entscheiden. Es achriftetellerische Werke, in denen der Verfasser grade mas^ebenden Qedanken eher verhüllt, als offenbart, die it erst durch scharfe kritische Analyse zu entdecken sind. kennen andere, in welchen die Breite der Darstellung wiederholte dieselbe unterbrechende Abschweifungen den leicht in die Irre führen. Von denen, welche uns beschäftigen, kann man zwar nicht sagen, daes sie be- lers geeignet wären, die zweite Literatui^ttung zu cha- ttkterisiren, aber in gewisser Weise gehören sie dieser doch SD. Darum ist genaue Erwägung der Einzelheiten und numnariscbe Lectiire gleicherweise zu empfehlen. Ich meiner- KÜB bekenne, dass ich beide ADtt«l zur FeststeUung des Ur- teila angewandt habe.

Dieses lautet also auf Anerkennung der Selbständig- keit der in Hede stehenden Lehrkapitel. Aber das Recht fieses Urteils bleibt doch so lange fraglich, bis die Art des Znsammenliangs mit dem von der Kirche befriedigend er- Uirt ist Dieser könnte bestehen und doch die Coordination b«der eine Wahrheit sein. Allein scheint nicht vielmehr it» «ne Lehrstück dem anderen untergeordnet zu werden? Die Tatsache, welche geeignet ist, uns für die Richtigkeit dieser Ansicht einzunehmen, ist diese.

Allerdings sucht unser Verfasser davon, dass die Lehre Ton der Erbsünde längst kirchliches Dogma sei , die Leser dadorch zu überzeugen, dass er die älteren anthropologischen TTieorien des dritten und vierten Jahrhunderts darlegt '), in den lib. contra Julianum *) sich sogar in dogmengeschicht- liche Untersuchungen einlässt. Aber deren Resultat ist doch nicht im Stande, den Eirchenglauben unbedingt sicher zu

•) De gratia Chr. et de peccato origmali lib. I, cap. IV, § 6. De unptÜB et concnpiacentia lib. II, cap. XU, § 25.

») Op tom, Xm, 615 Ende. Lib. VI, cap. V, § 11. Sed et«i idk ntioiie indagetor, nullo germone expücetur, verum tarnen est, quod ■Btiqnitna veraci fide cathoUca, praedicatur et creditur per eccleaiam totam. Ib. cap. VII, § 17.

^

26 REUTEBy

erweisen. Denn kein einzelner Lehrer ist nach Angostin'i Meinung eine unbestreitbare Autorität: man kann von der Lehre desselben abweichen, ohne dass man darum der Hä- resie beschuldigt . werden dürfte^). Das aber, wovon man nicht abweichen kann, ist die katholische Wahrheit Und welchen Lihalts diese sei in Bezug auf Erbsünde und Gbade^ das hat die Kirche noch deutlicher als in der traditionelleil Lehre und in den jüngsten Elntscheidungen in ihren Insti- tutionen ausgeprägt. Diese sind tatsächliche Bekenntnisse^ welche beweisen, dass der Pelagianismus ihren Sinn nicht versteht *), unzweideutige Verificationen *) der Existenz dnes kirchlichen Dogma's von der Erbsünde imd der Qnade. Alle erwiesen sich als Ordnungen des Heils und der Gnade ^); als jene Vehikel, welche beide sei es auf diejenigen, welche in die Kirche aufgenommen werden, sei es auf die wirk- lichen Kirchenglieder überleiten, also in den Angehörigen beider Classen Sünde und Bedürfnis der Qnade voraussetzen. Wozu „heiligen" wir den vom Heidentum oder Judentum Uebertretenden als Katechumenen durch Handaufl^ung, wenn nicht „Heiliges" wirklich mitgeteilt würde?*) Aber dfe Sündenvergebimg empfangen diese Geheiligten nicht *); ebenso wenig gehen sie ein in das Himmelreich, werden sie inoor-

1) Epist. XIX, XL VIII, contra Cresconium Donat. lib. 11, cap, XXXI, § 39; tom. Xn, 543; Hb. VI, cap. VII, § 10; cf. lib. I, cap. XXXH §38.

>) Contra Julianum lib. VI, cap. V, § 11, de peccatomm meriü» et remissione lib. III, cap. III, § 6; cap. XII, § 22.

9) De gratia Christi et peccat. orig. lib. 11, cap. XX XIX, § 45;

tom. XIII, 340 E. Denique ipsa Ecclesiae sacramenta saHs •»■

dicant etc., 340 G. Qtabus omnibus rerum occultarum 8<iCratis ä emdentibus signis a captivatore pessimo ad Optimum redemtorem transirc monstrantur etc. De anima et origine ejus, lib. II, cap. Xfli

A) S. Anm. 3. 5.

6) De peccatomm meritis et remiss. lib. II, cap. XXVI, §42. Non uniusmodi est sanctificatio : nam et catcchumenos secundum quen- dam modum s^^"^ pci' Signum Christi et orationem manus impositionem puto sanctificari et, quod accipiunt, quamvis non sit corpus Christ^ sanctum est tamen etc.

6) L. 1. Op. tom. XUI, 77 C.

ÄÜGDBTINlflCHE BTDDIEN. I. 27

porirt der Kirche '), welche der Leib des Herrn ist. W&re das der Fall, wozu bedürfte es der Tanfc? Diese iat eine höhere Weihe als jene eretere, eie ist (wie schon die Kindertaufe) ein geheimnisvoll wirksamer Brauch, welcher Vergebung der Sünden (wie Seligkeit und ewiges Leben) verleiht*). Wie aber könnte das geschehen, wenn die zo taufenden Kinder nicht Sünder wären?') Da sie actuell zu sündigen in der Unmöglichkeit sind, so müssen sie also als Sünder, als mit der Erbsünde Behaftete geboren sein *). Zu welchem anderen Zweck wird der Exorcismus ^) ange- wendet ala dazu, dem Täufling , welcher als natürlicher Ab- kömnding Adam 's dem Reiche des Teufels angehört, in das Christi zu versetzen? Wozu die Rede von dem Himmel- reich *), dessen Sphäre eins ist mit dem des ewigen Lebens von der Wiedei^burt? wozu der Genuss des Leibes und Blutes Christi? Würde von der Kirche nicht die Erb- BÜnde vorausgesetzt, so wäre das ganze System ihrer Mysterien ein Complex von Irrationalitäten, eine Heihe von sinnlosen Cerimonien oder trügerischen, irirkungsun kräftigen Gebräuchen '); man müsste an ihrer

i) L. L 77 C. D.

») 8. oben S. 19.

») De peccatorom meritJB et remisB. üb. I, cap. XXXIV, § 63, conl« Jolianum lib. VI, cap. V, §13— 15; cap.VU, §19. Wiggers, Augostiimmiis und Pelttgianittmus I, 78.

<) Ebend,

'1 De gnitia Chr. et de poceato origin. Üb, II, cap. XXXIX, SIS; Op. tom. XIU, 34(1 G. 341-, contra Julian, lib. VI, cap, V, §11.

«) Contra dnas epist. Pelag. lib, I, cap. XXI, § 40, de gratis CKr. et de peccsto origin. lib. II, cap, XVIII, § 19, und au riolen luderen Stellen.

'1 De peccalor. meritU et reraiBs, üb I, eap, XXXIX, § 62; tom, Xni, 43 C. Falsam igitur vcl fallacem tradi parrulis baptiamstia fiirmam, mqua(adind?)8onaretaf<]neagi videretur et tarnen nulla fieret rfnÜMio peccatonun etc. Ib. § 63—65. Ib, cap. XVIU, § 23 Ende namriium omoino dieitur m Ecclesia Christi tale commentum. De psli» Chr. et de peccato oripn, lib. D, cap. XXXIX, g 46 ; tom, XIU, MOT. Excepto enim, qaod in remiaHionem peccstorum non faUaci, seil Meli mjriterio baptixautur etc. Contra Julian, lib. VI, cap. XIV, § 44 ; Op. tom, XIII, 849 F,, cap, XVII, S 53 (cf. lib. I, cap, U, § 4),

1

J

28 BEOTEBy

In&llibilität ^) irre werden, wenn aie yerfaieflse, Sünde da vergeben zu können, wo keine Sünde ist

Augnstin recurrirt also auf die Heilsbedeatong der Kirche in den antipelagianischen Schriften, während er dieselbe in den antidonatistischen ausdrücklich gelehrt hatte. Aber nicht weil er in den letzteren eine genauere Erkenntnis derselben sich verschafil, hat er im Interesse der systematischen Consequenz aus dem nunmehr etwa principiell gew(^ denen Gedanken von der Elirche die Doctrin von der Elrbsünde und Gnade hergeleitet, sondern den unauflöstichen Yet- band dieser mit dem katholischen Gemeinglauben an die Kirche in scharfsinniger Erörterung nachzuweisen ach bemüht Nicht das, was man das Eigentümliche des in dem Streite mit den Donatisten geklärten Kirchenbegrifi Augustinus nennen mag, hat ihn dazu bestinmit, jene Dogmen zu lehren, sondern wenigstens in erster Linie ist es die G em ein Vorstellung ^) der Katholiken von der Kirche, auf welche er in den antipelagianischen Schriften zurückgehl^ um die Katholicität dieser Dogmen gegen die Anklage der Neuerung zu verteidigen. Er versucht die Gnadenordnungen als Realitäten aufzuzeigen, welche jene ihm abgesehen von seinem Kirchenbegriffe schon feststehenden Lehren als kurch- liche Dogmen zu ihren Correlatis haben, als apostolisch ge- stiftete Institute, welche in der Sprache der Tatsachen vcr kündigen, was die Dogmen in der Sprache der Lehre dtf- legen. Letztere sind die Inschriften der katholischen Hy- sterien. Man muss sie aber zu lesen verstehen. Und dtfu leitet der Verfasser auch in den antipelagianischen Büchern an. Sie wollen in den bezüglichen Stellen die anthro-

1) S. 27. Anm. 7. De gratia Christi et de peccato origin. lib. H cap. XXXIX, § 45.

8) Vgl. contra Julian, lib. VT, cap. Vm, § 22. Si hac senteoti» contra vos vulgus movetur, nonne hinc te potius oportet advcrtere, ita esse vulgatam et apud omnes confirmatam istam catbolicam fideo, ut nee notitiam posset fugere populärem? Necesse quippe fa«'«* quidquid in parvulis suis ageret, quod attinet ad mysteria CkristiiD»»

omnes nosse Christianos. Absit, ut etc. ünus sum e muUu 9^

cf § 23.

AÜGUSTCnSCHE STDDIEM. I. 29

len Voraussetzungen zum Verständnis bringen, welche Ton allen Katholiken ') als Heils- und Gnade oanstalt

Kirche mtch Augustln's Ansicht macht Dass sie diese Bedeutung längst vor seiner Zeit hatt«, soll hier nur erinnert werden. Ist es doch ein bekanntes lengeschichtliohes Factum, dass bereits Irenäus *) die in Episkopaten gefestigte sichtbare Kirche als die sicher ledigte, allen erkennbare Heilssphäre dachte, als eine •ttpranaturale Anstalt, in deren Ordnungen und Riten der heilige Öeist ausacUieBBlich walte. Von Cyprian wurden dann diese Gedanken einerseits in Bezug auf den Episkopat, udererseitB in Bezug auf das Taufsacrament durchgebildet Aber älter als diese Theorie war ja der tatsächliche Aufbau der altkatholischeu Kirche. Diese war nicht nach Hingabe einer fertigen dogmatischen Erkenntnis in Angrifl genommen; sondern der religiös-kircUiche Instinct im Zu- ■mmenwirken mit der Vorstellung von der Notwendigkeit der Erhaltung des aus der apostolischen Zeit UeberUeferten, die social-conservativen Interessen sind nach meinem Dafur- iulten ') hier das zuhöchst Impulsgebende, der dogmatische

') In den zaUreicheD Stellen, an welchen Aogustin von den der Barche redet, ist dies die unbedingt« VorauB- Ktnng, die ei nicht hätte nmehen können, wenn sie nicht in der Denkwaae der g-anxcD damaligen Christenheit wirklich gegeben ge- men wäre. Dass auch die Pelagianer so dachten, darüber b. JnUan. ap. Aogustin. Opus imperf, üb. lU, cap, CVI, et in ordine m/tteritintm et profiiuditate dogmatum etc, tarn quae mysteriü quam que dogmatibus contiuentur etc,

*) Ziegler, Irenäus von Lyon, S. 284, wo aber beetimtnter, ala da Text der bezüglichen Stellen das gestattet, von der alleiDselig- aachenden Wahrheit die Bede ist Uackenschmidt, DieAnfänge dea katholiBchen Kircbenbegri^. Erster Abschnitt (Strasaborg 1874), 8. 9$. Ltpsias in vonSybel'e historiacher Zeitschrift, Bd. XXVm, 8. 260. 261.

>■) Ich kann selbatveratändlich nicht versuchen, hier die obigen Sitie zu beweisen. Unter dem „dogmatischen Gedanken" verstehe ich aicht „die dogmatische Grundaaschauung vom Wesen des Christen- tnmi'*, (oodem den Gedanken, welcher sich mit der Idee der Kirche bMchSAigt. Eb ist nicht möglich ans jener „Grundanscbauung"

80 BEÜTBB|

GMUuike ist dabei nur dienstbar gewesen. Nun hat letztere! freilich bald genug ;ein abstractes Schema des B^ri£b der Kirche zu Stande gebracht; kemesw^ aber ist durch dieses, so viel ich sehe, die Ausbildung der ver&ssungsmäasigen und liturgischen Ordnungen ausschliesslich geregelt worden, viel- mehr gelten mir jene zuvor bezeichneten Mächte als die primären Factoren. Die Eindertaufe kam auf und wurde, nachdem das geschehen war, als apostolischer Brauch an- erkannt (v. Zezschwitz, System der kirchlichen Slatechetik, Bd. I, S. 311). Und erst als diese Ansicht sich befestigt hatte, versuchte man dogmatische Bechtfertigungen. Die Sal- bimg ^) mit Oel vor der Taufe und nach derselben ward üblich; aber wie viele Decennien mögen vergangen sein, bis man sich eine bestimmtere Vorstellung von deren Be- deutung bildete? Ein reiches liturgisches CSerimoniell wurde organisirt und in der Praxis angewandt, ohne dass darüber sofort eine theoretische Rechenschaft gefordert und gegeben worden wäre. Und als dies geschah, erwies sich die ganze liturgische Anschauung bereits beherrscht von dem Eindruck, welchen der antik-heidnische Mysteriendienst ^) auf die katho- lischen Christen gemacht hatte. Der christliche Cultus war von der hier einheimischen Idee durchwirkt, zu einer Ote- sammtordnung von geheimnisvollen Weihen und Genüssen geworden, welche mehr ab nur eine Parallele zu denen der hellenischen Mysterien sind. Ein magischer, von Ueber- schwänglichkeiten strotzender Supranaturalismus kennzeich- nete die Stimmung der Andacht, die ganze Ansicht vom Cultus.

Und diese wirkte wieder zusammen mit der Vorstellung von der Kirche als Heils- imd Ghaadenanstalt. Das Bestehen der letzteren scheint nun freilich sowohl auf Seiten derer, welche in dieses Heiligtum aufgenommen werden sollen, wie

das Verfassungssystem der altkatholischen Kirche herzxdciten; ebenso wenig aus diesem jene.

1) Höfling, Das Sacrament der Taufe, Bd. I, 475.

*) Ich begnüge mich an die vorzügliche Darstellung bei v. Zezsch- witz, System der kirchlichen Katechetik, Bd. I, S. 155 f. 161 f. zu erinnern.

AÜOÜSTTinSCHB STUDIEN. I. 81

dercTf welche bereits aufgenommen sind, Sünde und Bedürf- tigkdt vorauszusetzen. Aber nicht sowohl um dieee zu be- toDen, fÜA in der Absicht, die Kirche als den Focub wun- derbarer Begnadigungen zu verherrhchen , wurden die litur- gischen Ordnungen als Gnadenmittel '} beschrieben. Man redete von ihrem geheimnisvollen Wirken in überschwäng- Bcben Ausdrücken, aber dieses wurde meist nur abgeleitet «IS dem vorausgesetzt^sn Charakter der Institution, nicht aus der efiectiven Begnadigung der Einzelnen erschlossen. Die im zweiten und diitten Jahrhundert vorwiegende Anthro- {K^gie *) befand sich in einem partiellen Widerspruch mit San Supranaturalismus des Oultus ').

Dieser erteilte mysteriöse Weihen und Gnaden, verhiess Vergebung der äünde, Wiedergeburt, Erleuchtung, was alles auf ein von dem Bewusstaein der Sunde und des Irr- tums bewegtes Geschlecht hinwies; aber z. B. Justin der Mar- kier *}, weJcher die Taute unter Verwendung jener Termini la beschreiben unternahm, wusste doch statt der Wirkungen, «eiche von diesen transcendenten Acten ausgehen zu sollen Kheinen, in Wahrheit nur menschliche Leistungen nachzu- wäsen. Und wenn auch andere Autoren in dieser Beziehung

>) S. E. B. die VStar auf dt^m Concii in Carthago am 1. S(?pt. W6, CTpriani Op. ed. Härtet 43!> aq.

*) Landerer, Da« VcThältniB von Freiheit und Gnade, Jahr- bücher für deutsche Theologie, Bd. II, S. 511. Ö12. 516. Diese vor- nigliche, reichhaltige Abhaudlung scheint cbeiiso wie die Schmidt'ache [i. oben S, 14] über Augustlii's KirchenbegriS' in manchen Krcieen ua- bekaunt geblieben »der doch nicht hiurcicheod gewürdigt zu Bein. Nur so kann ich die Tatsache erklären, dass in neuester Zeit hier und da Ansichteti mit dem Ansprüche auf Neuheit ausgesprochen sinU, welche Lauderer längst begründet hatte, z. B. die, dass die (•riechen die Erlösung im Gmnde als ein lediglich Zukünftiges, Jen- seitiges beurteilten. S, a. a. 0., S. 578—581. VgL.Dorner.Entwick- Inngsgeschichte der Lehre von der Person Christi (1853), Bd. II, S. S8, Anm. 12.

s) Landerer a. a. 0,, S. 6ß9 Ende. Ich treffe abermals völlig msammen mit Hothe, Vorlesungen über Kirchen geschieht«! Bd. II, 3. 32. 33, der freilich hier von der Kirche als Gnadenanstalt absieht.

*) Engclhardt, Das Christentum Juatin's des Märtyrers. Er- hngen 1878. S. 103. 105.

33 BEDTEB,

sicli zweideutiger ausdrücken, so ist doch durch die dogmen- geschicbtliche ForBchimg das Ergebnis gesichert, dass liin- aichtlicli des VerLältnisseB jener dem Personleben angehörigen Prozesse zu dem Vollzug des Taufaacramente die Unsicher- heit der Aussagen bei den meisten Vätern ') charakteristisch ist, dasB vielfach an Stelle des scharfen Gedankens die rheto- rische Phrase ^) tritt. Man scheint von dem Sacrament jene spiritualen Vorgänge herzuleiten, verherrlicht es als das un- entbehrliche Mitte! der sündenvergebenden götthchen Qnade; aber daneben ward häufig genug dem Menschen eine Be- schaffenheit zugeschrieben, welche das Bcdur&is einer um- bildenden, in das Selenleben eingreifenden Begnadigung er- hebhch einschränkt ^) oder gar verneint. Es kommen anderer- seits in dieser Literatur genug Bekenntnisse von der Not- wendigkeit der atDTTj^a vor, aber statt diese in den Za- ständhchkeiten und Prozessen des Innern aufzuzeigen, meint man deren Wert in demselben Grade hochzuschätzen, in welchem man die Würde des (toit^^i steigert *).

k

1) Z. B. bei Bamabas, Hennas, ClemeBS von Älcxandrien, teU- weiae bei Tertnllian.

1] Steitz in Herzog'B RealeocfklopSdie, Bd. XV, S. 432. 433.

1) Laoderer a, a. 0., S. 517 Ende, S. 588 Ende.

*) Ep. n. Clement, Romani cap. I. Vgl. Harnack in dieaei ZeitBcbiift, Bd. I, S. 33Ö. 336. Indessen kann ich dem hochverehrten Verfasser darin nicht nnbedingt beiatinunen, dass die Schätzung der Person Christi in dem vornicänischen Zeitalter in der Heidenkircho oicht Tomehmlicb von seinem Heilawerke gewonnen, aoodera derAua- dmck „der WeltsteUung der von ihm gCBtifteten Gemeinde sei". Nicbt das Bewusstsein von dieser hat jene Schütming motirirt, sondern die letztere wie dos Bewusstseln um „die Weltstellung" sind durch dis religiöse Erfahrung von dem Heile in Christo, durch die er- fahrene Wirkung seines Heilswerkea begründet. Da man von Cbristo das unbedingte Heit empfangen zu haben sich bewusst war, kam man dazu, ihn selbst wie seine Gemeinden so zu „schätzen", wie Hamack angiebt. Die theologischen Vorstellungen prägen freilich die Herrlichkeit und Ueberschwänglicbkeit der empfajigenen, erfah- renen umr^gla in höchst inadäquater Weiae aus. Würden wir nach Hassgabe derselben auf den Gehalt des wirklich erfahmogsmässigen Qlanbens schliesBcn; eo müsste die von mir versuchte Motirirung als völlig unhaltbar eracheinen. Nach meiner Dogmatik aber ist nicbt

ADOUSTOnSCBE STUDIEN. I, 33

und doch ward diese christologische Tendenz noch über- boten durch die, welche auf die Verherriichung der Kirche abzielte. Die letztere bot ihren Kindern Entsündigungen über EntBÜndigungen. Diese wurden von ihnen in der Stimmung einer sinnlichen Andacht dahingenommen, blieben aber ma- gische Acte, deren Wirkungen nur an der Aussenseite der Persönlichkeit hafteten , die wirkliche Entsündigung sicherte man daneben durch andere Mittel'). Die Frei- heit liess sich wohl von dem Heiligenschein bestrahlen, wel- cher von den Sacramenten ausging, wurde aber darum nicht von der Gnade durchwirkt Die Kirche arbeitete mit ihrem mysteriösen Apparate daran, den Ihrigen das christliche Heil m bereiten *}. Die Ihrigen meinten es daneben sich durch ilire eigene Leistung bereiten zu müssen. Der Glaube, Idirte man, bedinge den Heilsbesitz, aber die Beobach- tung des natürlichen Sittengesetzes ebenso wohl.

Ja nicht wenigen katholischen Christen bereits im zweiten Jahrhundert verwechselte sich beides. Der Glaube ward neben der Bedeutung, die er als Wissen von der Regula fidei hat, zu einer Summe von tiittengeboten. Ich sage das nur, um mir die Erinnerung an ein anderes zu erleichtern.

Es ist bereits Von anderen Forschem gezeigt worden,

irie däa Heidenchristentum der altkatheli sehen Kirche dazu

gekommen sei, das Alte Testament als heilige SchriA au-

luerkennen und doch seinen Offenbarungsgehalt zu

I Terkennen ^). Es wurde als eine götthche, nicht den Ju-

r lit theoretische ErkenntiuB der Gradmesser des praktisch-rcalistiachen QlanbeuB.

>) Rothe a. a. 0., S. 33. „Denn im StJUeu mistraucte mau doch oDvermcidlicIi der vorausguaetzUiu relii übcruatürlichcn , mithin ns^chen Gnsdennirksamkcit Gottea und darum traf man natürlich taue Einrichtung auf die Eventualität hin, dasa doch am Endo alles fm den Menschen allein möchte getan werden miisaeti. (Der ge- hörnt Unglaube in dem Herzen jedes Aberglaubcua.)"

») Landercr a a. 0., S. 516. 588. 593.

») Harnack, Zeitichrift für K.-G. I, 332. Vgl. die voraügUche Erörterung bei Engelhardt a. a. 0., S. 435. JustLo. Martyr. Dial. cum Tryphone Judaeo, eap. XI-.V, cap. XXVTTI.

2MMkr. 1 8.-0. IV, 1.

34 REÜTEBy

den; sondern den Christen zugehörige Urkunde gepriesen^ dagegen die bindende Bedeutung des Mosaischen Gesetzes geleugnet. Unfähig den heilsgeschichtlichen Wert der Re- ligion des Alten Testaments zu schätzen^ versuchten nament- lich diejenigen Heidenchristen; welche mit der Bildung des philosophischen Hellenismus ausgerüstet zur Kirche überge- treten waren; dasselbe angeblich im Geiste zu deuteU; indem sie den Inhalt durch rationalisirende Erklärungen verflüch- tigten. Und das Mittel dazu war die Würdigung des natür- lichen Sittengesetzes. Justin der Märtyrer wusste zu zeigen, dass das die Seligkeit Bedingende zu allen Zeiten das Näm- liche gewesen ^)j das Halten der Satzungen, welche als ewige Wahrheiten den Menschen als Menschen eingepflanzt'); in dem Mosaischen Gesetze positiv codificirt, durch viele be- schwerende Zusätze der axXrjQoxagdia des Volkes Israel wegen erweitert; in dem neuen Gesetze Christi ^) wieder vereinfacht und in ihrer Integrität wiederhergestellt worden seien. Diesem Schriftsteller ist das eine Mal*) der Glaube an (die Hoff- nung auf) Christum das Aneignungs- und Bewahrungsmittel der aantjgia , das andere Mal ^) das Halten der ahana

ilxaia.

Aber auch Irenäus lehrte an der einen Stelle •), nur durch die gläubige Nachfolge Jesu werde man des Heils teilhaftig, an der andern '), durch das Beobachten des natür- lichen Sittengesetzes werde der Mensch gerechtfertigt Dieses

1) Engelhardt a. a. 0., S. 248. 253. 256.

«) Derselbe S. 249. 252.

«) Derselbe S. 254. 257. 259.

*) Dialog, cap. XLVII.

6) L. 1. cap. XLV. Engelhardt a. a. 0., S. 256. Man darf nicht einmal von einem Auseinandergehen der Gedanken Justin's, nicht von einer Oscillation sprechen. Der Glaube ist nichts anderes als die durch Christum vervollkommnete Gotteserkenntnis, und diese bedingt nicht, sondern erleichtert nur das Thun der aia'yia dixcua. Engel- hardt, S. 248. 256. 259.

«) Adversus haercs. Üb. IV, cap. XIV, § 1. Vgl. die von August, contra Julian, lib. I, cap. II, § 5, excerpirten Stellen.

7) Ib. lib. IV, cap. XV, § 1. Vgl. Landerer a. a. 0., U, 534.

AUaUSTINISUHK STUDIEN. I. 35

warde in demaelbpn Grade idealisirt '), in welcliera der Dekalog entwertet, in dem kirchüclien Unterricht vemachläsBigt, und die 0«aainmtanBicht befestigt ward, das Evangelium sei das neue Gesetz. üo fing man an neben der Kirche, als der Toraasgesetztcn Öpliäre alW Christlich - Sittlichen, eine ratio- nelle, von dorselben absehende Etbik zu begründen, in we'clier das Ideal der heidnischen Sittlichkeit von dem christ- Hchcii nicht klar unterschieden ward. Hier räumte man die sittliche LelstungsOlhigkeit des natürlichen Menschen ein; in der Lehre von der Kirche, durch deren praktisch - litur- gische Institute wurde dieselbe, vrie es schien, verneint.

Man hat sich allerdings auch bei der Erörterung dieses Ponkte« vor dem überhaupt bedenklichen Verallgemeinem za hüten. Engclhardt') hat neulich mit Recht vor allem voreiligen Schliessen von der Theologie, z. B. Justin's des Mfirtjrera auf die kirchliche Denkweise der gleichzeitigen Gemeinden gewarnt. Es ist weiter nach meiner Meinung un- leugbar, dass z. B. bei Irenäus die Aussagen über das Ver- einen des natürlichen Menschen mehr naiver Art sind und ihrer Tragweite nach durch die Zeugnisse von der Macht des eelbsterfahrenen Glaubens wieder eingeschränkt werden *). Dessenungeachtet muss man tu teilen, der Pelagianismus habe nicht bloss An knüpfangsp unkte in der Anthropologie des zweiten und dritten Jahrhunderts, sondern sei durch dieselbe Bog&T vorbereitet *). Wird überdies erwogen , daaa in der ConatAntinischen Zeit jene Verflachung der christlich-religiösen Denkweise eich verbreitete, welche schon von anderen Au- toren *) hinreichend gewürdigt worden ist, dass der Begriflf

') Vgl. V. Zezachnitz, System der kirctiUclieQ Katcchetik. Bi n, 1, 8. 175. 178,

t) A. a. 0., S. 260.

s) Angnstin sagt mit einem gewisBen Recht« Felagiania Dondam litigantibus securius loquebantur Landerer a. a. 0-, II, S. 515.

*) S. indossCD die vorBichtigcn Bemerkungen bei LaDderer a. a. O., S. 514. 515.

■) Z. B. von Dorner, Entwicklungsgeschichte der Lehre von A Cüuiati, Bd. 11, S. 774. Richter, Geschichte dea weat-

3€ BEUTERy

durCbade vomehmlich bei den Griechen sich an die Sacia- nente heftete; die Vorstellung yon ihrer Wunderkraft durch dm prächtigen Cultus nur noch mehr gesteigert wird ^) : so begreift man die Möglichkeit der Genesis jener Häresie '^ um so leichter.

In diesem ; erst durch Theodosius den Grossen unbe- dingt und definitiv privüegirten katholischen Kirchentume waren Pelagius und Cölestius geboren und erzogen. Sie wurden wahrscheinUch von Kindheit an dazu angeleitet, das- selbe mit dem Blicke der Pietät und Andacht zu betrachten. Alle Riten galten ohne Zweifel auch ihnen als heilig zu hal- tende Ordnungen *). Und auch später haben sie in dieser Beziehung keinerlei destructive Kritik geübt Der ge- wohnheitsmässige Gehorsam gegen die Autorität der Kirche war ') auch der ihrige. Beide Männer verfolgten als gute Katholiken augenscheinlich eine kirchlich-conservative Tendenz. Von irgend welchen schismatischen Neigungen finden wir bei denselben keine Spur; ebenso wenig von dem Bewusstsein eines der Kirche zu widmenden reforma- torischen Berufs. Im Gegenteil, der Sinn fxir das Ketzer- riehtliche war auch ihnen eigen : sie anathematisirten ^) ohne (^wissensscrupel und vermehrten gleich Anderen die Zahl ^ Häresien nach individuellem Geschmack. Sie haben uk^ht das Geringste getan, was einer tendenziösen Be-

i^$iiMtM>Wu Reichs u. s. w., S. 76. Burkhardt, Die Zeit Constantin's ,

0 Ich erinnere vomehmlich an Cyrill von Jerusalem.

*> 3ulUui- ep. August, contra Jul. lib. VI, cap. HI, § 6, myste- k'w^'^km OKrUti gi*atiam multis locupletem esse muneribus. Id. ap. Vv^iWil v^>uU« duas ep. Pelag. lib. I, cap. XXIII, § 41 plenam pur- ^,^v»ku*v^ ^K»v ij>*Mfc mystcria conferri. Vgl. Jul. apud August. Op. v\u^sH< Ub^ Ul, CÄp. CVI oben S. 29. Auch für die Anerkennung der K^usK^VHSil<^ « v*ht*u S. 17 und das Glaubensbekenntnis des Coelestius K"^ H*^". VljWU^ht'k der Symbole, S. 218, § 139. Infantes autem vK^W-»v ^»vi**^u v\^ nnuissionem peccatorum secundum regtdam unt- %^«i^V\ AN»*«HW olv Julian, ap. August, contra duas epist. Pelag.

*^ H. xU^t \UHvUHnv"«»Wkt>nntni8 des Pel. Hahn a. a. 0. 215. ^^ Mi^^ bkovusH'Ko« System des Katholicismus, Bd. I, S. 98.

AÜGÜSninSCBE STUDIEN. L S7

rtredtung, einer EinschränkuDg der Bedeutung der Kirche aU HeÜBanstalt ähnlich sah. Sie hessen alle Einrichtungen '), welche längst auf diese Voraussetzung gegründet, durch die Tr&dition geheiligt waren, bestehen, ohne mit Bewusstsein Acoommodation zu üben.

In Wahrheit aber gehörten sie einer ganz anderen Sphäre mn ftls der der officiellen, supranaturalistischcn Kirche ihrer Tage. Sie fanden sich allerdings in derselben, aber sie lebten nicht darin. Sie waren unter den Eindrücken, welche der mysteriöse Cultus bereitete, aufgewachsen; aber diese haf- teten vielleicht nur an den Sinnen. Das Hement, an wel- chem (de sich wirklich nährten, war der daneben längst au%ekonunene, verworrene, moralische Humanismus. Die dieaem entstammenden, von ihnen geklärten Ideen ') bildeten nach meinem Dafürhalten das eigcnthch Substantielle ihrer Tom klaren Selbstbewusstsein umfassten Ueberzeugung. Bo- rats den Pelflgianem, nicht erat „dem modernen Bewusst- sein" bat die Idee des Sittlichen in seiner Unabhängig- keit von der Religion eingeleuchtet. Die Supranatu- nlitäten im Dogma and im Cultua blieben (wie fieihch auch vielen anderen nicht grade pelagianisch denkenden Zeit- genossen) ihnen ein Traditionelles, ein autoritätsmässig An- erkanntes (vgl. Augxist. de gratia Chr. et de peccaio origi- nali, IIb. I, § 35)- Sic liihlten sich dadurch nicht belästigt, weil ihr religiös-sittliches Leben sich davon unabhängig ent- wickelte und ihnen die Voraussetzung eine selbstverständliche war, dass dergleichen mit der allein massgebenden Bedeu- tung des von Christo reformirten Sittengesetzes ') nicht in

>) Pelag. HTmb. Hahn s. a. O. , S, 213. 2. Auflage. Jnlian. •p. August, contra dnas epUtolas Pelag. IIb. I, cap. XXIII, § 41.

«) 8. Aüin. 3.

>) Pelag. ap. Äuguat, de gratis Chr. et de peccato origin., Üb. U, c»p. XXVI, § 30 Ep. ad Demet. cap. IV. Vn. IX. August. Op. ed. Ven. tom. XYI, 142 seq. Julian, ap. August, contra Julian, üb. VI, cap- XXIV, § 81. Id. ap. August. Op. imperf, lib. I, cap. XCIV; ib. Üb. I, cap. IV- Wörter, Der Pciagiaiiisinus, S- 368. Die Pe- Ugiaoer wossten mdesBca auch eiue Versühoungslehre aufüo- «teUen, die, wie deren Gnuidxüge b, Julian, ap. August. Op. imperi., Üb. I, cap. XCIV leigen, das Vorbild der Abälard's ist

^ *

88 REUTEBy

Conflict ^) geraten dürf a Und sie selbst haben diesen in ihrem Denken und Leben auch nicht erfahren. Aliein durch die von Augustin geübte Polemik ^) wurde dieselbe wenigstens vielen offenbar. Bisher hatte sich der von mir in der Kürze charakterisirte schwankende Moralismus mit der alten Vor- stellimg von der vorgeblich alles echt Sittliche umschliessen- den und bedingenden ^ gnadenspendenden Kirche vertragen. Allein die ungleich klareren und consequenteren von Cölestius und Pelagius vorgetragenen^ von dem scharfsinnigen Punier kritisch analysirten Lehren zeigten die Unvereinbarkeit *). Die Elirche mit ihren alten Ansprüchen und Ordnungen schien vollkommen überflüssig zu werden. Allein die Pelagianer gaben das nicht zu: insofern sie in jener wenigstens eine Anstalt zur Erleichterung und Förderung der (aller- dings unabhängig von ihr mögUchen) Sittlichkeit sahen, zeigten auch sie sich noch irgendwie von der Macht des gemeinen Kirchenbegrifi^ beeinflusst Nichts desto weniger haben sie eine Umbildung desselben angebahnt und zwar in imi so geräuschloserer Weise, je stärker das conservativ- kirchliche Interesse derselben war. Ohne dass es zu einer offenkundigen Bestreitimg gekommen wäre, versuchten sie eine moralisirende Ausdeutimg. Die Eorche ihrer Idee nach galt ihnen als der innerhalb der sittlich veranlagten Mensch- heit von Jesu begründete Tugendbund, welchem „die VoU- kommnen^' angehören. Lautet doch die apostolische Lehre, die Elirche solle ohne Makel und Runzel sein, d. h. aus lauter Reinen bestehen *). Uebt sie doch den Ritus der Taufe, welche Bad der Reinigung ^) heisst, auch an Kindern aus. Existirt doch die Einrichtung der Busse, welche die etwa unrein Qewor-

1) S. Anm. 3 zu S. 37.

«) S. unten S. 42.

') S. unter anderen die sogenannte cp. familiariB August, et sociorum ad Innocentium I, August. Op. ed. Venet., tom. 11, 809, cap. CLXXVn.

*) Pelag. ap. August, de gestis Pelag., cap. XXXIV, § 63. 64; cap. XII, § 27, de dono persever. cap. IV, § 8. Pelag. expositio in epist. ad Ephesios, cap. V. Hieronymi Op. ed. Martianay, tom. V, 1058 ; cf. August, de perfectione justitiae hom. § 19. 35.

^) Pelag. ap. August, de gest. Pelag., § 63.

AÜQÜSTINIBOHE STUDIEN. I, 39

donen als Gereinigte in die Kirche wieder autzunehmen die Bestimmimg hat. Die wirklichen Glieder derselben aber haben sich nicht nur des Bösen zu enthalten, sondern auch die positive innocentia zu betätigen ^) , haben sicii daran zu er- innern, weshalb sie Christen beisaen '}. Auf diesen Namen kÖiuteD nur diejenigen Anspruch machen , welche die Lehre Chriflti und seine Gebote befolgen, wie der unter dem Namen des FastidiuB bekunnte Über de vita Christiana ausfuhrt, vielleicht um die Gedanken von dem Kirchentum auf das Cbristentum überzuleiten. Wenigstens ist es charakteristisch, daas in demselben von der Kirche nirgends denn in der Stelle des elften Capifcls bedeutet ecclcsia Gemeinde die Rede ist. Dieselbe wird freilich nicht angefochten, aber auch nicht in ihrer Wirksamkeit, in ihrer Bedeutung Itir das christliche Leben gewürdigt oder auch nur vorausgesetzl Der Verfasser ') ergeht sich ebenso wie Pelagius *) (und frei- hch in gewisser Weise auch Augustin *) in eine Polemik gegen die Vorstellung von dem Glauben als sicher selig- machendem, um desto stärki^ die Notwendigkeit des sittlichen Handelns zu betonen. ErwSgt man überdies die bekannten scharfen Kritiken, welche Pelagius gegen die damaligen Zu- sUode der katholischen Christenheit kehrte, so scheint man urteilen zu dürfen, der Pelagianismus erstrebte ohne irgend welchen Gedanken an eine praktische Reform der Kirche (von welcher überhaupt in den von demselben beherrschten Kreisen nicht viel gesprochen zu sein scheint) eine mora- liBche Bessening *) der Christonheit und setzte nichts desto weniger diese als bereits geschehen in denjenigen voraus, welche nach seinen Begriffen „die Vollkommenen" waren.

1) Pclag. ezpoBttJo in cpiet. ad EpbcE. 1. 1.

■) Futidii libcr de rita CbiiBtiana cap. X. August Opera. Ed. VowL, tom. XVn. 1951 C.

») Ib. cap. VI. X. XIV,

*) Pelag. ep. ad Demetriadem. EipositJo in epist. ad Ephcs., cap. V. Hieronymi Op. ed. Mart., tom. V, 1057. Wörter «, a 0., S. 178.

*) August de fide et operibua. I »5 Fasüd. cap. XI U.

40 BEDTEBy

Die letzteren sind im Grunde die „desr Kirche^ im vnlgSren Sinne Entwachsenen. Sie gebrauchten fineilich ,,die Ghiaden- mittel^'y bedurften aber ihrer nicht unbedingt Sie be- teiligten sich an dem Cultus der Kirche^ aber innerlich werden sie von jeder Abhängigkeit von dieser gelöst Sie Hessen den gan2sen Apparat, welchen die supranaturale Kirche in Bewegung setzte, ungestört; aber ungestört durch irgend welches Eingreifen derselben blieb auch das religiös-sittUche Leben der Pelagianer. G-^enüber der magischen Vor- stellung von der Sacramentshirche ward das Moralisch- Freiheitliche ^), im G-^ensatze zu dem Vertrauen auf die Gliedschaft an der Kirche das persönliche ') Christentum, gegenüber der Vorstellung von der heilbedingenden Bedeutong, des Anstaltlichen derselben die Selbstverantwortlich- keit des Einzelnen ') von ihnen betont Sie haben nichts desto weniger, wie ich wiederhole, der Kirche alle formelle Ehrerbietung erwiesen ; ihre Lehrautorität gelegendich sogar in überaus devoter Sprache ^) in thesi anerkannt; aber immer mit dem stillen Vorbehalt ^), dass ihnen zu glauben nichts zugemuthet werde, was die Realisirung des sittlichen aus dem Sittengesetze erkennbaren Ideals, die Autonomie der Freiheit hemme, „nichts Unmoralisches ''. Davon kann nicht die Kede sein, dass man sich das Dogma einer Partei, die widervemünftige Lehre von der Erbsünde aufdringen liesse, als ob sie die Rechtfertigung der Kindertaufe dar- biete ; vielmehr hat man diesen und andere Biten nach Massgabe

1) Wörter a. a. 0., S. 175.

s) Pelag. ep. ad Demetriadem.

8) Hierüber im Ganzen die oben (S. 39, Anm. 4) ciürte ep. ad Demet. und Fastidii über de vita Christiana im Ganzen.

*) Coelest. Symb. Hahn a.a.O., S. 219, § 134 Schluss. Zosimi ep. II. ad epbcopos Afncae. Constant. ep. Romanoram Pontificum ed. Schoenemann 671 sq. Marii Mercat. Comment. super nomine Coe- lestii Op. ed. Baluz. 132. Op. August, tom. XVII, 2660.

5) Coelest. ap. August, de gratia et de peccat. origin., lib. II, cap. VI, § 6 et hoc praemunire necessarium est, ne per mysterii Occasionem ad Creatoris injuriam malum ante quam fiat ab homine tradi dicatur homini per naturam.

AnanSTIMIBCHK stüdien. t.

Aea sensus caiholicus '), d. h. so zii deuten, dass das Funda- mentale der sittlichen Ueberzeugung unerschüttert bleibt. So PelagiuB und Cölestius. Sie sind noch der Ansicht, Aaea die erfahrungsniässige katholische Christenlieit auch nur echt Katholisches in ihrem Sinne lehren könne.

Anders äusserte eich wenigstens hier und da JolianuB von Eclanum. Die bitteren Erfahrungen von den Erfolgen des übermächtigen Augustinismus scheinen eine Modiäcation auch des Begriffs der Kirche veranlasst zu haben. Diese be- steht Tomehmlich aus den moralisch Yollkommenen , hatten Pelagius und Cölestius gelehrt, Sie soll von „den Vemünf- tigen" geleitet werden, urteilte Julianus. Indessen dermalen ist diesen das ihnen gebührende Regiment entrissen *), Der grosse Haufe der Dummen fuhrt das grosse Wort. Man rersteht es, vernünftige Sätze unter der urteil sunfähigen *) Menge zu verbreifen, um von deren Acclamationen gestutzt, dieselben als Dogmen verkündigen zu können, Popula- rität gilt als Katholicität. „Die Censur der Tugenden ist durch den Beschluss *) der Turaultuanten aus der Ge- meinde ausgeschlossen." *) Das wirklich KatboHsche aber meint dieser Theolog ist zuböchst nicht durch die Aatorität, nicht durch Schrift und „Kirche", sondern durch die Vemünftigkeit zu erproben, die Autorität durch die Rationalität zu rechtfertigen ^),

1 ) Coeleit, ap, August. I. I. qaod longe a Bensn catholico BOicnntn est. Ib. üb. 11, cap. XXU, § 26. 27; cap. XXIII, § 28. Uc Geltung des sensus cathoticos vurde von beiden streitenden Parteien anerkannt; der Gehalt aber war ein total verecbiedener. S. I. B. I. l. I, cap, XXXII, § 33; cf. XXX, § 31. 32; cap. 11, § 2. 3.

*) Julian, ap. August. Dp, irapeif,, lib, II, cap. VI; Op, tom. XIT, 1179, cap, VIII.

») Ib. Üb, n, cap, ni, 1 *) Ib. üb, n, cap, II, XI.

h ») Ib. lib, n, cap. ni; cf, contra Julian, Üb, VI, cap. XI, § 34. (CC Pela^tiB auf der Synode za Dioepolis ap, August, de gestis Pelag., § IS, 17; contra duas epist, Pclag,, lib, IV, cap, VIII, § 20.)

6j Juüan, ap. Ang^ust, Opus impei-f,, lib, II, cap, XVI; Op. tom. XIV, UR5 A B, cap, XLI, 1197 C. cap, XLVÜI, 1200, cap. LV,

D i Üb, II, cap. CCXXXYI, 1294 D ; üb. D, cap. CCUV, 1234 A.

49 JUSUTJEK,

Nacb dieser Ldire schemt also nicht mehr innerhalb der aatoritatiTen historiachen Kirche ein besonderer Tugendbxmd bestehen zu sollen, welcher mit deren dc^matischem und culti- schem System sich zu Tertragen hätte, sondern dieses selbst ward durch die Kritik der Vernunft als höchster Tnstang bedroht Gleichwohl hat sdbst dieser Denker, welchen man als den oonsequentesten aller peUgianischen Theologen betrachten muss, „die Mysterien^ nicht angetastet ^). Die Macht der Ueberlieferungy eine gewisse* Pietät gegen das Herkömm- Uche, der auch immer noch wirksame kirchlich-conservative Trieb, dies alles stinunte auch ihn dafür, dne Ausgleichung seines Rationalismus mit der supranaturalistischen Kirche und ihren Uturgischen Ordnungen zu versuchen.

Dag^n Augustin meinte den principiellen G^ensatz beider aufdecken zu können. Ihm erschien dieser Gegner als der entartete Sohn, als der schlimmste Feind der hei- ligen Mutterkirche *). Diese und jene können einander nicht verstehen, nicht ertragen. Es ist ein vöUig anderer Geist, welcher in der Kirche waltet, welcher den Julian bewegt Wenn ich oben zugestanden habe, dass Augustin in den antipelagiamschen Schriften auch auf die Kirche recurrire, um seine Doctrin zu beweisen, so kann ich nunmehr, ohne in Widerspruch mit meinen obigen ') Aussagen zu kommen, anerkennen, dass er in seinen Gedanken melu&ch sogar von ihr ausgehe. Allein da die Pelagianer den vulgären katholischen Kirchenbegri£F (der neben dem ihnen eigen- tümlichen in ihrem Bewusstsein sich immer erhielt), die Vor- stellung von ihr als einer Gnadenanstalt ebenso genehmigten, wie Augustin: so kann es scheinen, als ob des letzteren Beweisführung eine argumenUUio ex concessis sei. Da er

1) S. oben 37.

8) August, contra Julian., IIb. VI, cap. V, § 11. Fnistra te in- torqucs argumentationibus vanis non adversus me, sed contra communem matrem spiritälem, quae te non aliter peperit, quam sicut jam non via ut pariat etc., cap. IV, § 10. Cf. ib. lib. I, cap. V, § 20; Op. impürf. lib. III, cap. CVI. Contra duas epist. Pelag., lib. IT, cap. III, 8 6, Do graüa Chr. et de peccato orig., Üb. U, cap. XXVI, § 27.

«) S. 8. 16. 18. 27.

AÜGUSrnnSCHE STUDIEN. I.

43

die ndg&r katholischen VorateUimgen von der Gnade nach eiDem Begride von derselben deutet, diesen als den das fSDxe katholische Eiichcnwcseii regehidcn Gedanken voraua- Ktat, in die litiirgischen Ordnungen hineinlegt; wird es üßenbar, dass die Voraussetzungen auf beiden Seiten nicht die gleichen sind. Es kommt nicht bloss zu einer principalen IXäerenz zwischen ihm und den Pelagianern, sondern auch SQ einem nicht unerheblichen Widerspruch zwischen ihm und dem echten Sinn der alten Kirche (trotzdem, dass er sich auf diesen ao oft berief). Diese Bchrieb freilich den oft er- wähnten Institutionen übernatürliche Wirkungen zu, aber nicht solche, welche mit der Freiheit in Concurrenz traten, d. h. lediglich magische. Augustin lehrte eine die Freiheit bedingende, scldechthin wirkungskräftige, sie erlösende graÜa. Indem er diese mit dem Kirchenbogriflfe combinirt, wird der letztere, so zu sagen, gesteigert. Nicht indem er jjdie Heilsbedeutung" der Kirche verteidigte, ist er ein Keuerer geworden, sondern durch die Art, wie er diese nach Haasgabe seines Begriffs der srraiio erörtert Nicht in dem Kirchenbegriffe ist die principale Differenz zwischen dem System Augustins und dem der Pelagianer zuhöchat m mchen, sondern in dem Begriffe der Gnade. Qöttingen, im August 1679.

Yorstadien zn einer Geschichte der Liebestiti^keit

im Mittelalter.

Von &. Uhlhom, Dr. th.

Abt lu Loocilm.

Die Geschichte der christlichen Liebestätigkeit ist noch wenig beai*beitet, am wenigsten von protestantischer Seite und in Deutschland. Chasters bekanntes Werk ^), das auch ins Deutsche übersetzt ist, um£asst nur die ersten Jahr- hunderte. Was sonst vorhanden ist, beschränkt sich auf ein- zelne Aufsätze mehr populärer Art. Von katholischer Seite hat Ratzinger eine Geschichte der kirchlichen Armenpflege geschrieben ^), die viel fleissig zusanmiengetragenen Stoff ent- hält, aber doch der zu lösenden Aufgabe nicht gerecht wird. Der Fehler ist der, dass Ratzinger den Gründen nicht nachfragt^ aus denen die im Laufe der Zeit eintretenden Veränderungen auf dem Gebiete der Liebestätigkeit hervor- gehen. Dass im Mittelalter die ethischen Anschauungen ganz andere geworden sind, und dem entsprechend auch die Liebes- tätigkeit andere Gestalten annimmt, davon hat Ratzinger offenbar keine Ahnung, wie es denn auch charakteristisch ist, dass für ihn die evangelische Kirche gar nicht existirt.

1) Etudes historiques sur Tinfiluence de la Charit^ durant les pre- miers si^cles chr^tiens. Paris 1853.

*) Georg Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege, Freiburg 1868.

DIE UEBESrXlTGKErr IM MITTELALTEE.

E&tte er die evangelischen AnBchauimgen von Reichtum und Ajinnt, von Arbeit und Beruf, von Almosen und Liebestätig- keit studirt, hätte er einen Blick in die Annenordnungen der Reformadonazeit geworfen, dann wäre ilini vielleicht auch ein Licht über den eigentlichen Charakter der mittel- alterlichen Liebestäligkeit aufgegangen.

Zwar der Gnmdzug, der die Liebestätigkeit in dieser Periode kennzeichnet , ist ihm nicht verborgen gehlieben. Tritt derselbe doch auch so deutlich hervor, dasB er nicht locht übereehen werden kann. Er liegt in dem Aufhören der geordneten gemeindlichen Armenpflege, an deren Stelle die Tätigkeit der Klöster und der religiösen Vereine und vor allem eine maßsenhafte Almoaen Verteilung tritt Fragt man aber: Woher dieae Veränderung? so bekommt man bei Ratzinger keine Antwort. Denn was er anfuhrt, der Mangel einer kirchlichen Oesetzgebung über Armenpflege, dar veränderte Charakter des Kirchenvermögens, das den Charakter eines Annenfonds gänzlich verliert, das alles sind nicht Gründe, sondern nur Symptome dieser Veränderung. Ke Gründe liegen in den veränderten ethischen Anschau- ungen. Auf diese geht Ratzinger gar nicht ein. Daran hindert ihn sein katholischer Standpunkt

Und doch ist es unmöglich eine wirkliche Geschichte der kirchlichen Armenpflege zu schreiben, ohne auf die Geschichte der ethischen Anschauungen zurückzugreifen. Je nachdem eine Zeit den Beichtum und die Armut ethisch beurteilt, je nachdem sie die Arbeit und den irdischen Beruf würdigt, und vor allem je nachdem sie die Liebespflicht des Christen auflaast, darnach wird auch ihre praktische Liehestätigkeit sich verschieden gestalten. Aber freilich auch da stosaen wir auf ein noch sehr wenig bebautes Feld. Die Geschichte der Dogmenbildung ist oft genug, die der ethischen Anschauungen noch sehr wenig bearbeitet Auf den nachfolgenden Seiten soll der Versuch gemacht werden, die charakteristischen Erscheinungen, welche die Geschichte der christlichen Liebes- tätigkeit im Mittelalter bietet, auf die ethischen Anscbanungea der Zeit zurückzuführen.

46 UHLHORN^

Stellen wir zunächst die zu erklärenden Erscheintmgen in ihren Grundzügen fest Charakteristisch für die Liebes- tätigkeit des Mittelalters ist zweierlei. Zuerst: der Mangel an einer geordneten Armenpflege. An Liebeswerken fehlt es nicht; deren geschehen sogar recht viel, mehr vielleicht als zu andern Zeiten, aber alles ist vereinzelt und zusammen- hangslos. Man giebt viele Almosen, man teilt Brot aus und allerlei Nahrungsmittel, Kleider, Schuhe; man sorgt, dass sonst den Armen nicht mangele, was die Zeit als zum Lebens- unterhalt nötig erachtete; es bestehen für sie freie Bäder (Seibäder) und freier Aderlass nebst einem Trunk zur Stärkung dazu, freie Wohnungen (Seihäuser ^) und freie Feuerung ; unzähUge Hospitäler, oft sehr ausgedehnte und liberal dotLi*te, nehmen die Kranken auf, namentlich die grosse Zahl der Aussätzigen, gewähren den Verlassenen und Alten eine Zufluchtsstätte^), beherbergen die Fremden, für die auch

i) lieber die Selhäuser vgl. Mone XII, 12. Ein Zusammen- hang des Namens mit A&ylum ist gewiss nicht vorhanden, sondern wie die um des Selenheils willen gestifteten freien Bäder Selbader heissen, so die zum Besten der Armen gestifteten Wohnungen Sel- häuser. Ein charakteristisches Beispiel eines solchen Seihauses findet sich in den Regesten des Katharinenhospitals in Bamberg (X. Bericht des histor. Vereins S. 81 ff.) in einer Urkunde vom 22. September 1346, wo ein Seihaas vorkommt, in dem eine Alheit, die Merderein genannt, wohnt, die (vgl. Urkunden vom 4. Dec. 1346) Jungfrauen lehrt, die bei ihr sitzen. Dieses gelegentlich zur Erklärung der Bezeichnung Seihaus ^^

s) Auch arme ELinder und Waisen finden in den Spitälern Auf- nahme. Das Spital in Oehringen ist z. B. gestiftet pro pauperibus educandis. Vgl. Wibel, Cod. Hohenloh. 311. Waisenhäuser finde ich vor dem 14. Jahrhundert in Deutschland nicht, auch später sind sie selten. Der Rat in Frankfurt a. M. bringt Waisenkinder in Familien unter und giebt diesen ein Almosen. Findelhäuser sind auch nicht so häufig wie in Frankreich. In Freiburg kommt im 14. Jahr- hundert „der fanden Kindlein hus" vor. Auch in Ulm findet sich 1386 ein Findelhaus, in Esslingen 1473. Der Rat in Frankfurt bringt Findelkinder regelmässig in dem Kloster Stassfeld bei Strassburg unter, (Kriegk, Städteleben im Mittelalter I, 137). In Nürnberg findet sich auch ein Gebärhaus für arme Wöchnerinnen. Vgl. Siebenkees, Materialien zur nümbergischen Gesch. III, 93.

DIE LIEBESTATIGKEIT IM MITTELALTEH.

Tiel&ch besondere Pilgerhäuser ') vorkommen ; unzählige Orden ud religiöse Gesellschaften widmen sich der Pflege der Armen md Kranken, und reclit oft begegnet uns in diesem Dienste äne Selbstverleugnung, die unsere Bewunderung hervorrufen moBe: aber alles das ist vereinzelt, zusammenhangslos. Nirgend atossen wir auf eine eigentliche Armenpflege d. h. one geordnete Liebestätigkeit, die den Zweck verfolgt, der drohenden Armut vorzubeugen, die entstandene Armut weg- laschaSen, oder wo das nicht möghch die Armen zu unter- lialteD und ihnen ihre Not zu erleichtem. Sodann, das ist der zweite charakteristische Grundzug der Liebestätigkeit im Uittelalter, alle Liebestätigkeit geht durch die Hand der Kirche oder ist doe.h mit dem kircliUchen Leben aufs engste verbunden. Wer für Arme eine Stiftung macht, ein jähr- lich zu verteil endOB Almosen stiftet oder eine Spende an Brot oder Kleidungsstücken '), vermacht das Capital oder die Grundstucke, mit denen die Stiftung fimdirt werden soll, ener kirchlichen Anstalt, einer Kirche, einem Kloster oder S[»ta], und diese übernehmen dann die Ausfuhrung der StiAting. *) Die Spenden oder die Almosen schliessen sich

') Die sogen. Elendenherbergen. Vgl.Monel, IGl; Kriegkl,163.

*) Spende (Inrga) ist immer eine Gabe in Naturalien, AlmoBCn tiat Geldgabe. Die bei weitem meisten Stiftungen sind Spenden. Der Xataralvirtacliaft des Mittelalters eutaprecbend giebt man selten G«ld, meist Natiiriaücn und zwar dieec am liebsten zum Gebrauch fertig, nicht Eom, sondern Brot, eine Mittagsmahlzeit, fertige Speise t-L w.

*) Als Beispiel unzähliger damaliger Stiftungen mag dienen : 6. Dee. 1456 giebt Haus Zollner, Chorherr zu St. Stephan, dem Katba- ÖKnipital in Bamberg (vgl. d. Urk. n. a. 0.) 90 fl. Kh. Dafür Befcrt das Spital jährlich 7 Simri Beckenkorn, 7 Simri Waizen und I Eimer Wein „zu einem Seelgeräth in dem genannten Spital". „Der SfHtalpock mI die 7 S. Korn durch einen gemeinen Beul«! zu M«lbe micbea und Spentbrod daraus packen, das ein jeglicher Keiner den ■men Lenten die in der etat sein an S. Katharinen Abend austeilen mV Ton deD 7 8. Waiien werden Semmel gebacken für die Kranken, die in den Betten liegen. Dam erhalten diese 1 Maas Wein oder "enn der Wein zn teuer ist Bier. Diese Stiftung mag zugleich als Bdipiel dienen, nie genau in derartigeo Stiftungen die Spenden und Almosen bestimmt wurden.

48 ÜHLHORH,

in den meisten Fällen an kirdhliche Feste oder Gottesdienste^ ganz besonders an die B^;räbnisfeierliclikeiten und Selen- messen ') an; sie werden an kirchlichen Stätten ausgeteili, in der Kirche^ an den Gräbern, an der Tür der EQöst^. Ja selbst das ganz freie Almosengeben aus der Hand ver- leugnet diesen Zusammenhang mit der Kirche nicht Die Bettler sitzen am liebsten vor den Kirchtüren; in der Kirche oder vor der Kirche, oder doch vor einem Cmcifix oder Heiligenbild an der Strasse stehen die AnnensiScke, in die man Gaben einlegt Die Kirche ist eigentlich über^ all die Empfangende xmd dann wieder die Gebende. Sie vermittelt die Liebestätigkeit, sie schiebt sich überall zwischen die Geber und Nehmer der Almosen.

Dass wir in diesen beiden Zügen das Charakteristische der mittelalterlichen Liebestätigkeit gefunden haben, lässt sich leicht dartun, indem wir nachweisen, dass es vorher anders war und nachher anders wurde.

Die vormittelalterliche Kirche kennt eine geordnete Armen- pfl^e, die xmter der Leitung des Bischöfe von den Diakonen geübt wird. Als die Kaiser Christen wurden, griffen Staat und Kirche ineinander. Lässt der Staat auch die Armen- pflege in der Hand der Kirche, so unterstützt er sie doch darin und übt dafür auch wieder eine Controle. Selbst auf germanischem Boden finden wir in der Armengesetzgebung Karls d. Ghr. noch ein Beispiel einer geordneten Armenpfl^e gemischt staatlichen und kirchlichen Charakters. Nach Karl d. Gr. geht sie aber unter, und vom 11. Jahrhundert an ist jede Spur derselben verschwunden.

In der Reformationszeit ist die allgemeine Ellage, dass es keine geordnete Armenpflege giebt, und kaum auf einem andern Gebiete haben sich die reformatorischen Ideen so rasch ausgewirkt, wie hier. In den Kastenordnungen haben

1) Vgl. die in der vorigen Anmerkung angeführte Stiftung ,,za einem Seelgerath", die Spende wurde bei der Selenmesse ausgeteilt und die Armen hatten als Verpflichtung der Selenmesse beizuwohnen. Andere (Beispiele s. Kriegk U, 181; Mone Xu, 33 u. ö. Oft wurde die Brotspende auch auf das Grab gelegt und mussto von den Armen da abgeholt werden.

w

DIE LIEBEBTÄTIQKEIT IH HITTELALTER. 49

wir wieder one geordnete Armenpflege vor uns. ') Ist das bekannt, und bedarf es deshalb hier keiner AuafiihruDg, so iit bis jetzt noch kaum beachtet, dasa die im Relbrmatiocs- ■dtalter mit Macht hervorbrechende Reaction gegen die ein- teitig kirchliche Liebestätigkeit des Mittelalters sich schon iD dem der Reformation vorauBgehenden Jahrhundert in mandien Spuren erkennen lässt. Sie geht von den Städten aua. Die städtische Verwaltung gewinnt Einfluss aiil" die oft »ehr schlecht verwalteten Spitäler; vieler Oi-ten werden die den Spitalorden entnommenen Pflegekräfte durch welt- Ücke ersetzt; zahlreiche Spitäler kommen unter Btädtiscbe Controle. Auch die corporative Liebestätigkeit , wie äe namentlich von den Gilden geübt wird , emancipirt sich mehr und mehr von der geistlichen Leitung. Vieler Orten bilden sich Vereine zur Unterstütz nng der Armen (Almusen- Bröderschaften "), die zwar ihre Gaben in der Barche aua- teilen , aber sonst von dieser unabhängig geleitet werden. Im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts finden wir dann ■chon in manchen Städten von der städtischen Verwaltung angesetzte Armenpfieger, also bereits wenn auch erst in ihren Anfangen eine geordnete bürgerliche Armenpflege.

Als Beispiel mag Frankftirt a. M. dienen. Im Jahre 1428 öbcrgiebt ein Meister der freien Künste und Lehrer der Arz- nei Johann Wiesenhender von Itzstcin dem Rate eine Anzahl von Schuldbrieten „zu einem eivigen Almosen". Der Rat eoU davon „alle Jahre teilen an Geld oder an Werk als an Kom, Kleidern, Schuhen und wie sich das sonst am bequemsten macht und ihm gutdünkt unter folgende Arme, Bimlich solche Personen, die heimlich Hauskumraer leiden ud doch ihre Tage mit Ehre zugebracht haben, Uausarme

*) Tgl. c.B. die Hamburger KastenordnuDg bei StaphoTat,Hamb, K.-G.V, 119. In der Zeitschrift „Nordwest" fiiidet sich 1879 Nr. 1 ff. m beachtenawL-rter Aufsttta von HüDBclmaaii über die ÄrmcDpflege der Btadi BTauDBchweig.

») Die Stift ungsurkunde einer soichen Brüdcracliaft habe ich in mdner Schrifl: Zwei Bilder aus dem kirchlicbca Leben der Stadt Hannorer, S, 70 abdrucken laasen.

»■Muht, t K.-a. IT, 1. 4 ^^_

50 UHLHOBN;

die sich ihrer getreuen Arbeit nähren aber nicht genug Verdienst haben, die durch Elrankheit zui*ückgekommen sind oder mit Kindern überladen." Zu der einen Schenkung kamen mehrere, und 1437 ernannte der Rat die ersten bürger- lichen Armenpfleger zur Verwaltung dieses Almosens. *) Noch früher und noch charakteristischer ist eine Stiftung in Nürnberg. Dort stiftete Burkhard Seiler 1388 einen Fonds, von dessen Zinsen alle Sonntage auf dem Sebalduskirchhofe an 20 Arme, die im voraus ausgewählt sind , je nach der Jahreszeit Fleisch, Speck, Erbsen, Häringe u. s. w. ausgeteilt werden sollen. Bettler sind ausgeschlossen, nur hausarme Leute und zwar emgesessene sollen berücksichtigt werden. Die Verwaltung wird Pflegern übergeben, die der Rat ernennt, und soll, wie der Stiftungsbrief ausdrücklich bestimmt, niean Geist- liche kommen *).

Da haben wir eine ausgesprochene Opposition gegen die Verwaltung der Annenraittel durch kirchliche Organe, und^ was ganz besonders zu beachten ist, an diese Opposition schliesst sich sofort auch das Streben nach einer geordneten Armenpflege. Derselbe Mann, der zu Nünaberg offenbar in Abneigung gegen die kirchliche Liebestätigkeit verordnet, dass an der Verwaltung seiner Stiftung kein Geistlicher be- teiligt sein soll, trifft auch die sonst dem Almosengeben im Mittelalter ganz fremde Bestimmung, dass die Bedürftigkeit und Würdigkeit der Armen geprüft werden soll; und in Frankfurt knüpft sich an die erwähnte Stiftung die Errichtung eines CoUegiums von bürgerlichen Armenpflegern, denen dann bald auch die Voi'schrift gegeben wiixi, die Bedürftigkeit und Würdigkeit der Armen zu prüfen ^), wälu'end man sonst im Mittelalter gewohnt ist, die Almosen ohne Prüftmg jedem zu geben, der sie begehrt und nehmen will.

Schon darin liegt eine Andeutung, dass die beiden oben hingestellten Grundzüge der Liebestätigkeit, die Zersplitterung

1) Kriegk I, 1G3. «) Kriegk I, 168.

3) 1495 heisst es: „Die Pfleger der almusen sollen etlich unnütze Personen, die der Almusen nicht ganz nottürftig sein, abestellen."

DIE UEDESTATIGKEIT IM MITTELALTER. 51

derselben in eine Menge von einze!nen, unter sich nicht zu- lunmenhängendcn Werken und der einseitig kirchliche Cha- nkter derselben, unter sich zusammenhängen müssen. Und in der Tat ist der Nachweis unschwer zu führen. Jene Z««plitterung hat ihren tieferen Grund in der Anschauung, iuis AlmoseDgeben an sich und ganz abgesehen von dem dunit verfolgten Zweck, den Armen zu helfen, ein verdienst- fiches Werk ist. Man giebt Almosen nicht, wenigstciis nicht in erster Linie, um den Armen zu helfen, sondern um seines Selenheils willen. Man treibt, darf ich es etwas stark aus- drücken, eine Art Handel, indem man einen Teil seiner irdischen Güter hingiebt, um geistliche himmlische Güter ilamit xa erwerben. Die Vermittlerin dieses Handels ist aber die Kirche, die Inhaberin und Spenderin aller Gnadengüter. Darum gehen die Almosen durch ihre Hand, und die Liebea- ätigkeit bekommt einen ausscliliesslich kirchlichen Charakter.

War aber, so lässt sich der Zusammenhang auch von der andern Seite her nachweisen, die Kirche die Vermittlerin tUer Liebes tätigkeit, dann konnte es im Mittelalter zu einer geordneten Armenpflege nicht kommen, aus dem einlachen Qnmde, weil das Organ dazu fehlte. Trägerin einer ge- ordneten kirchlichen Liebestätigkeit kann nur die Gemeinde lein. Das Gemeindeleben ist aber im Mittelalter vernichtet. Es giebt Parochien als rechtliche Institution, aber keine wirkliche Gemeinden. Das hat abgesehen von anderen Ur- ■uheD, »einen Grund auch darin, daas man den Gemeinden u viele lebendige, erweckte Glieder entzogen hat. Die nnd in den Orden und geistlichen Brüderachat^en zu suchen, bei den Terüariern und Boguinen. Diese Gemeinschaften Qberwnchem das eigenüiche Gemeindet eben. An sie geht denn auch die Liebestätigkeit, wenigstens der grösstc Teil derselben über, und da zwisclien diesen Orden imd geistlichen Vereinen kein Zusammenhang besteht, der sie zu gemeinsamem Handeln betUhigte, ist eine gemeinsam geordnete Liebestätig- keit nicht möglich, diese zersplittert sich vielmehr völlig.

Nun verstehen wir auch schon, warum sich grade in den Städten eine Reaction dagegen erhebt. Die städtische Commuiie ist in dieser Zeit das einzige zu einer geordneten

LI

52 UHLHORHy

liebestätigkeiti einer zniwinnifafihfagenflea Armenpflege geeig- nete Organ. Ist die kirchliche Gemeinde dazu nnfehig ge- worden, so tritt an ihre SteQe die politische Gbmeinda

Das Vorstehende wird genügen, uns, so weit es hier nötig ist, einen Einblick in die Art und den Bestand der mittel- alterlichen Liebestätigkeit zu gewähren, die wir jetzt auf ihre tieferen Ghründe in den ethischen Anschauungen der Zeit zurückzufuhren versuchen wollen.

Der Hauptschaden der mittelalterlichen Liebestätigkeit, die Zersplitterung derselben in eine Masse von Almosen, hat seinen Ghrund darin, dass man das Almosengeben an sich als verdienstliches Werk betrachtet Diese Anschauung wurzelt aber ihrerseits wieder in einem falschen Begriff vom Eigentum, der zur Folge hat, dass der Verzicht auf das Eigentum und eben deshalb das Almosengeben an sich als etwas sittlich gutes gilt Vom Eigentumsbegriff werden wir daher ausgehen müssen.

Thomas von Aquino behandelt die Frage : Utrum liceat alicui rem aliquam quasi propriam possidere?'^ in der Summa n, 2 Q. LXVI art 2 und bejaht dort die Frage. Allein be- denklich ist sogleich die Einschränkung dieser Bejahung und in noch viel höherem Masse die Begründung derselben. Die conclusio lautet nämlich: „Quamquam hominem non deceat aliquid ut proprium habere quoad usum, impium tamen est et erroneum asserere^ ipsum non posse quidpiam proprium habere quoad potestatem procurandi et dispensandi '^ Thomas unterscheidet in Bezug auf die irdischen Güter die potestas procurandi et dispensandi und den usus. Quoad potestatem procurandi et dispensandi ist es dem Menschen erlaubt Eigen- tum zu besitzen, quoad usum kommt es dem Menschen nicht zu „habere res exteriores ut proprias, sed ut communes, ut scilicet de facili aliquis eas communicet in necessitate aliorum", wofür sich Thomas auf das Wort des Ambrosius beruft „Nemo proprium dicat quod est commune" und „Plus quam sufficeret sumptui violenter obtentum est". Man sieht schon hier, dass der volle Eigentumsbegriff bei Thomas fehlt. Gehört zum vollen Eigentum das Recht die irdischen Güter nicht bloss zu verwalten sondern auch zu gebrauchen,

DIE UEBESTÄTIGKEIT IM MITTELALTER. 63

■0 erkennt Thomas dieses volle Eigentumsrecht dem Meiisclieii nnr so weit zu, als er die irdischen Qiiter zum Unterhalt ■eines Lebens nötig hat.

Noch deutlicher tritt diese Beschränkung da herror, wo Thomas Ql, 2 Q, CXVIII) vom Geiz handelt, „avaritift peccatum est, quo quis supra debitum modiim cupit acqui- lere vel retinere divitias". Bei dem Begehren nach ii^ dischen Gütern muss der Christ nämlich eine mensura inno halten, „quout sunt exteriores divitiae necessariae ad vitam qua secundum suam conditionem ". Wer über dieses de- bitom modum hinaus irdische Güter begehrt, macht sich des Qeizes schuldig. Allerdings ist dieser Geiz, wie Art. 4 dar- I^, nur ein peccatum veniale, vorausgesetzt, dass der Mensch, um seine Begierde nach irdischen Gütern zu befriedigen, nichts tut , was gegen die Liebe zu Gott und den Nächsten ■treitet. Aber er ist doch immer Sünde. Auch hier tritt die Beschränkung des Eigen tumsbegriffes deutlich hervor. Weil jeder nur so viele irdische Güter besitzen darf', als er EtUD Leben nötig bat, deshalb ist nach mehr streben Sünde.

Noch bedenklicher ist die Art, wie Thomas den Satz, dus es einem Christen erlaubt ist, Eigentum zu besitzen, begründet Er geht von dem dem ganzen Mittelalter ge- meinsamen Satze aus: „Secunduni jus naturale omnia sunt communia". Nun ist zwar, wie Thomas weiter ausführt, das Eigentum nicht contra jus naturale, aber „juri naturali superad- ditnm per adinventionem rationis humanae". In dem gegen- Wiiügen Weltzustande ist das Eigentum nötig aus drei Qründen: „primo quidem, quia magis soUicitus est unus- qaisque ad procurandum aliquid quod sibi soh competit, quam id quod est commune omni um vel multorum; quia niusquisque laborem fugiens relinquit alteri id quod pertinet ad conunune, sicut accidit in multitadine miniatrorum: alio modo quia ordinatius res humanae tractantur, si singuhe im- minet propria cura alicujus rei procurandae ; esset autem coniusio ai quilibet indistinete quaelibet procuraret: Tertio qnia per hoc magis pacificus status hominum conservatur dum unusquisque re sua contentus est". Prüft man diese Gründe, so kommen de alle darauf zurück, dass die gegen-

54 UHLHORN;

wärtige Welt eine unvollkommene und sündige ist. Wäre die Sünde nicht, ginge jeder ebenso sorgsam mit dem ge- meinsamen Besitz um wie mit dem Einzeleigentum, arbeitete jeder auch bei gemeinsamem Besitz ebenso treu, wäre jeder dann ebenso zufrieden, so hätte für die Menschen keine Nötigung vorgelegen, aus dem Stande des gemeinsamen Besitzes in den des Privateigentums überzugehen.

Viel bestinmiter noch werden diese Gedanken dann aber von den Verfassern der ethischen Summen ausgesprochen. Dass der gemeinsame Besitz der eigentlich ursprüngliche Zustand ist, wird überall angenommen. Dieser ursprüngliche Zustand kehrt in der äussersten Not von selbst wieder. „In extreraa necessitate omnia simt communia" ist ein Satz, der zur Lösimg einer Menge von Fragen verwendet wird. So wirft die Summa angelica unter dem Worte restitutio die Frage auf, ob Jemand ungerechtes Gut auch dann resti- tuiren muss, wenn er in extrema necessitate sich befindet, und beantwortet die Frage mit Nein! denn in extrema ne- cessitate omnia sunt communia. Auch solche, die keine Al- mosen geben dürfen, weil sie monachi sind, oder Kinder und grauen, die in fremder Gewalt stehen, dürfen es selbst con- tra superioi-um probibitionem , quando vident aliquem in extrema necessitate", denn dann omnia sunt commimia ^). Während Thomas ^) die Frage ; Utrum liceat alicui furari propter necessitatem ? " noch etwas vorsichtiger beantwortet: „Potest homo in extrema necessitate constitutus ea quae aliis supcrsunt sive manifeste sive occulte accipeixi absque aJicujus furti et rapinae reatu", denn „res quas aliquis super- abundanter habet ex iiaturali jure debentur pauperum ßustentationi ", sagt die Summa angelica ganz rückhaltslos: „Necessitas excusat furtum, quia tempore necessitatis omnia sunt communia". Ja einige beantworteten den Satz aus- drücklich dahin, dass nicht bloss in extrema necessitate^ sondern auch sclion in gravi necessitate das Stehlen erlaubt sei, eine Behauptung, die übrigens von Innocenz XI. aus-

^) Suuuna angel. s. v. eleemosyna. 2) II, 2 Qu. LXVl art. VII

DIE UEBESTATIOKETF EU UTTTBLALTER.

drücUicb verdammt ist '). Man sieht, den Hintei^mnd bildet immer der Gedanke, daaa der Communismus der Güter der eigentliche Urzustand ist, der des Privatbesitzes ein künstlich gemachter, der deshalb auch sofort wieder verschwindet und dem Urzustände Platz macht, sobald Not eintritt '). Der Grund aber, weshalb der urspriing'hch communistische Besitz in den Privatbesitz übergegangen ist, wird ganz bestimmt ifi der Sünde gesucht. Unter dem Wort avaritia heisst ea in der Summa angeÜca: „Ipsa est quae fecit meum et tu- nm contra jus naturale, quod omnia communia tecerat." Ww für Thomas das Eigentum noch nicht contra jus na- tnnle, sondern nur ein dem jus naturale superadditum , so wird es hier ausdrücklich als contra jus naturale erklärt.

Ist der gemeinsame Besitz das Ursprüngliche, das Pri- Titeigentom erst Folge der Sünde, so ergiebt sich mit Not- wendigkeit, dass das non proprium habere ein sittlich höherer Zustand ist als das proprium habere. So sieht es auch Thomas an. Schon das ist charakteristisch, dass er den Geiz för eine schwerere Sünde erklärt als die Vei-sch Wendung. „ProdigaUtas minus poccatum est quam avaritia", denn sie entiemt sich weniger als die avaritia von der Tugend der liberalitas, ja sie ist dieser Tugend verwandt; sie nützt vielen Menschen indem der Verachweuder von dem Seinen vielen mitteilt, während der Geizige keinem nützt; endlich aber, sie wird leichter geheilt, denn der Verschwender macht ach selbst arm und damit hört die SUnde auf. ^) Es kann in den Augen des Thomas keine so grosse Sünde sein, seinen Keichtum zu verschwenden als Reichtum anzusammeln und festzuhalten, weil er den Reichtum nicht sittlicb zu würdigen weiss. Weil ihm der Reichtum selbst ein sittlich niederer, die Armut ein sittlich höherer Zustand ist, erscheint ihm

') Pennissuin est furari non soluoi in entrema neceasitate sed vüun in gmvj.

') ^'gl' liierzu und überhaupt die treffliehe Abhandlung von Dr. W, Kodemaan: Die natioiiRlökonomi sehen Grundaätze der kaoo- nislischen Lehre, in den Jahrbb. für Nationalökonomie von Hilde- bnuidt 1803.

») U, 2 Q. CXIX art. m.

M üHLHonr,

ndi die Sonde, die aar Amnit fUiit, nmider sdiwer, als die^ miche zam RekJitom fabrt

Qmnz klar izeteQ die Oedanken des Tiiomas da hervor, wo er von den consOüs und dem atatos perfectioniB handelt nnd dabei U, 2 Q. CLXXXVl art m auch die Frage behandelt; „Utmm pai^ertaa req[iiiratiir ad perfectionem rdigionis?'' eine Frage, die er unbedingt bejaht Nach Thomaa besteht die perfectio vitae christianae in der perfectio charitatiB ^). Diese perfectio charitatb besteht aber prind- paliter et essentialiter in praec^ptiB, nämHch Gott lieben und seinen Nächsten, secondiirio aber nnd instromentahter in con- sQüs *). Ausdrücklich lehnt Thomas die Ansicht ab, als ob die Liebe zu Gott und dem Nächsten nur in einem gewissen Masse geboten wäre, so dass das plus, nicht unter das Ge- bot sondern unter den Ratschlag fiele. Die Ratschläge haben vielmehr nur die Bedeutung, dass sie die impedi- menta actus charitatis wegräumen. Was die consilia fordern, ist nicht die perfectio selbst, sondern es sind das alles nur instrumenta perfectionis ; in ihnen liegt nicht das Ziel sondern der Weg zum Ziele. Thomas giebt ausdrücklich zu: „Nihil prohibet aliquos esse perfectos, qui in statu perfectionis mi- nime sunt, et aliquos esse in statu perfectionis, qui perfecti nequaquam simf ').

Dem entsprechend betrachtet Thomas die Armut zwar nicht an sich schon als die Vollkommenheit, aber sie ist der Weg dahin, und gehört deshalb notwendig zum Status per- fectionis, denn der Besitz irdischer Güter ist eine occasio peccati, ein impedimentum charitatis. Das ist grade die Bedeutung der consUia, diese impedimenta charitatis zu beseitigen. Zur perfectio charitatis et religionis gehört deshalb notwendig die freiwillige Armut. „Status religionis", sagt er*), „est quoddam exercitium et disciplina per quam pervenitur ad perfectionem charitatis. Ad quod quidem necessarium est.

1) II, 2 Q. CXXXIV art. I. ^) Ebendas. art. III. ») Ebendas. art. IV. 4) II, 2 Q. CLXXXVI art. UI.

Dm LIEBESTÄTIGKEIT IM HITTELALTEB. 67

qnod aliqois affectum suum totaliter abstrahet a rebus mun- danis. Et inde est quod ad perfectionem charitatis «cquirendum primum fundameDtum est roluntaria paapertas ut aliquis abaque proprio vivat"

Gleich hier läest uns denn auch die Beantwortung eine« Ejuwuiis sehea, welchen £indusa diese Würdigung des Reich- tonis und der Armut auf die sittliche Würdigung des Al- moeengebens haben idubs. Steht das non proprium habere nttlich höhei- als das proprium habere, dann ist es ein sitt- lich gutee Werk von seinem Besitz etwas wegzugeben. Das Almosengeben ist an sich und ganz abgesehen von dem Zwecke, den man damit verfolgt, dem Armen zu helfen, (in gutes Werk, bloss weil cb einen teilweisen Verzicht auf die irdischen Güter in sich schliesst, und den Menschen dem fittlich höheren Zustande des non proprium habere einen Schritt näher bringt. Auf den Einwurf nämlich, die Armut könne nicht notwendig zur Vollkommenheit gehören, weil die Annut das Abnosengeben ausseid iesse, Almosengeben aber ein Gott höchst wohlgetalliges Werk sei, antwortet Thomas, „qnod abrenuntiatio propriarum divitiarum comparatur ad deemosynamm lar^donem sicut universale ad paiticulare, et bulocaoBtum ad sacriäcium." Auch bei dem Almosengeben wird principaliler nicht auf die darin betätigte Liebe gegen den Nichsten and den damit verfolgten Zweck dem I^ächsten za helfen, 'sondem auf die darin hegende Entsagung reflectirt, dasB der Henscb wenigstens stückweise tut, was der Eeli- poee ganz tut, nämlich dem Eigentum entsagt.

Diese Anschauung vom Almosengeben musste um so mehr Raum gewinnen, je mehr die noch sehr vorsichtigen tmd maaegebenden Sätze des Thomas von dem Status per- (eclJoniB, den consilüs und speciell dem eonsilium paiipertatis überschritten wurden. Die öumnia Astexana ') tulirt zwar die Ansicht des Thomas an, giebt dann aber die des Guiliel-

■1

I

>) Sie Btunmt siib dem Jahre 1317. Die mir Torliegeude Au»- (iIk in b. L ft a. Sie beginnt mit deii Worten ; Incipit snnuna de adbiu ad honorem Dei conipila.ta ptr fratrum Aateiacum de ordine

5d UHLHORN;

mus de Mara, offenbar als die nach des Verfassers Ansicht richtigere^ wonach die perfectio ;;per se et essentialiter con- äitflit non tantum in praeceptis charitatis sed etiam in aUis praeceptis moralibus et consiHis.'^ Man muss nämlich^ so wird weiter dargelegt, eine doppelte perfectio unterscheiden, eine sufficientiae et necessitatis, diese besteht allerdings prin- ctpaliter in observantia praeceptorum, die andere snperabun- dautiae et supererogationis und diese besteht in observantia praeceptorum et consiliorum principaliter autem con- »iliorum. „Est autem perfcctior et majoris meriti observatio c^ttsiliorum quam aliorum praeceptorum a charitate/^ So wird denn auch in der genannten Summa die Hingabe alles irdii»chen Besitzes in noch viel höherem Masse gepriesen als bei Thomas: „Omnino omnibus universaHter pro Christo ab- Muuntiare tamquam culmen perfectionis est commendandum/' Noch höher steht das nihil habere nee in proprio nee in QOiumuni. Denn die paupertas angesehen, ist diese grösser, uud die poenitentia angesehen, poenitentia perfectior est, ubi \MiuuH relinquuntur in proprio et in communi, quam ubi ^iUÖicieuter habentur necessaria in communi. Wenn einge- wendet wird, diese Art Armut, wo man zwar nicht in pro- MMN ^ber wohl in conmiuni besitzt, sei dem Beispiel Christi yvuivuta« der auch etwas in communi besessen habe nach vMi* l:^* !>o erwidert die Summa, das sei nur geschehen, v^U4kU tuil ^bventionem pauperum, sodann ad usus*suos et 5i4Av^4u*H wv^^^tvr necessitatem , weil er bei der üngastlichkeit •■iuvi b\Hii<fei».*bHl\ » die ihm entgegentrat, es nicht habe ent- ^^i>iVi* ^v^iiK'U> endlich „condescensiveet dispensativepropter luttMA^'«. ^lü ^K»*<U>Ä erant talia in ecclesia quaesituri". Jetzt vK^ ^^SS** Ukhä^ Uründe nicht mehr vor, und jetzt noch sich V \\^*kCv** m^v^Uou wie Christus, simpliciter und absolute zu K.* N»>.v i ^iMv uioht Vollkommenheit, sondern ünvoU-

^,^ ^.i.v.v S^M die Armut Christi ist also jetzt noch

.u vwiiv'ut'^N« ivvuu^» sie muss noch überboten werden.

N .. :K\Nxi» V*.*'vv'JkHUunj::en aus sind die Ethiker des

V»i.v*x'Asx .:.vi 'MUK^iMlieh die des 14. imd 15. Jahrhunderts

o ^ - L v'-v der treiwilliffen Annut. Dem Reich-

Ax «^.: :<ivx MueUlhn* iunner mindestens der Verdacht

*fc.-\* ^N

DIE LIEBESTÄTIQKEIT IM MITTELALTER. 59

der Sünde an, die Armut ist an sich schon mit einem Glorien- schein umgeben. WUhelmuH Ep. Lugdunensis handelt in idner *) ..Summa de virtutibus et vitiia" von der Armut im \n. Teil de bcatitudinibuB. „Paupertas est carentia divitiaram, contemptus divitiarum, amor paupertatis." Sie iit eine privatio, aber privationes sind occasiones multorum bonorum. Multa vitia elongata sunt ab üb, qui banc pau- pertatera habent. Gott liebt diese Armut, Christus liebt sie, ■e ist propinqua Üeo, sie ist leta, quieta, sie ist uiunda, «Shrend der Reichtum unrein ist, sie ist mater et nutrix et costoe religionis. In dem Kapitel de obedientia nennt Wil- li^ die paupertas mit Bezug auf Apok. 12 den einen Flügel, mit dem das Weib in die Wüate fliegt. Sie ist die grosse Feder, mit der man schnell in den Himmel aufsteigt; den ■»dem Tugenden wird das künttige Heil nur versprochen, da- Armut wird es gegeben. Der Reichtum ist dem Paraldus die „materia incendii inf'ernalis ", die „moles asinana", die der Mensch sich an den Hals hängt '). Elin Geiziger handelt deshalb ao töricht, weil er liebt quae tot nobis mala faci- nnt", die „spinös divitiarum, in quibus comborendus est". Da» der Reichtum verachtet werden muss, datur giebt er dum Öchriftbeweis aus Apostelgesch. 4, 35. Die ersten Otristen legten ihren Reichtum nieder zu der Apostel Küssen, Bnd die Glosse bemerkt dazu: „Docet calcandum esse aurmn, qnod subdit pedibus apostolorum" ^). Die Religiösen, welche Eigentum besitzen, gleichen dem Kaulmann, welcher die eine kötdicfae Perle kauft und dann mit Füssen tritt. Christus bat «e gerettet in das Schiff der Kebgion, aber sie selbst springen irieder ins Meer. Sie haben schon eine Reihe von Stufen der Bimmelsleiter eratii^en und stürzen sich nun jählings in den Al^rund. Den schon zerrissenen Strick der Begierden, an dem fo viele Menschen zum höllischen Galgen geschleppt werden, stellen sie wieder her und hängen sich den Mtthl- ttein H-ieder an den Hals.

Haben wir die Anschauungen der mittelalterbchen Elhik

') Die mir vorliegtiido Aiisgabi* ist s. 1. Jt o. «) P. II, IV. 3. »1 II, 10, 1,

W 60

W TO]

vom Besitz, von Reichtum und Armut kemien gelernt, so werden wir nun auch verstehen, was sie vom Almoaengeben lehrt. ^) Gehen wir von Thomas aus, dessen Lehre grade in diesem Stücke für das ganze Mittelalter bestimmend ge- wesen ist, und dessen Auseinandersetzungen uns in den Summen überall wiederbegegnen, nur dass die Distinctionen noch spitziger werden. Thomas behandelt II, 2 Q. XXXII art. V die Frage: „Utrum dare eleemosynam aitin praecepto?" und antwortet darauf: „Eleemosynam de superfluo dare et neceasitatem patienti est in praecepto , caeteris autem largin eleemosynas conailü potiua quam praecepti est." Ob ea in praecepto ist, Almosen zu geben hängt von zweierlei ab, von der Lage des Gebenden und des Nehmenden. Auf den Gebenden gesehen liegt eine Verpflichtimg nur vor, wenn er superfluum hat, nach dem Wort Luc. 11, 41, welches für das Mittelalter in dieser Frage das eigentlich grundlegende ist, dem (vir deshalb auch in den ethischen Schriften wie in den Predigten unzählige Mal b^egnen: „Qnod auperest, date eleemosynam." Unter dem necessarium wird aber verstanden alles, was jemand notwendig für sich und die Seinigen braucht. Jeder iat verpflichtet zuerst tiir sich und die Seinigen zu sorgen und dann erst von dem Ueberflusa Anderen in ihrer Not zu Hidfe zu kommen. Noch genauer wird das superfluum art. VI bestimmt Da wird ein necessarium im doppelten Sinne unterschieden. Uno modo necessarium dici- tur, sine quo ahquid esse non potest. De tali necessario oraniiun eleemosynam dari non dehet." Es hiesse das ja sich und den Seinigen den Lebensunterhalt entziehen. Ausgenommen iat nur der Fall, dasa ea sich darum handelt, einer bedeutenden Person, durch welche Kirdie oder Staat erhalten werden, etwas zu geben. Denn in diesem Falle ist es löblich, um solch einer Person willen sich und die Seinen selbst der

') Allgemein werden eleemoaynac corporales und spiriluales im- terscbieden. Jener wie dieser siitd sieben. Die cratercn werden in den versus mcmoriiiliB gefaast: „Vestio, polo, cibo, redimo, tega, coUigo, condo"; die zweiten in den Vera: „Consule, carpe, doce, aoUre, remitle, fer, ora", Thomas S. U, 2 Q. XXXH, art. 11. Ebenso die Sumniu Astei. 1 V. t. 26. Wir haben es nur mit den el. corporales

DIE LIEBESTÄTIOKEIT OC MITTELALTER. 61

TodciggAhr auazusetzen. „Atio modo dicitur aliquid eaae neonearium, aine quo non potest convenienter vita trauaigi Mcundmn conditiotiein et Btatum propriae personae et aliarum penonarum, quarum cura ei incumbit" Die Grenze dieses aecwoikriam ist flüssig. Man kann manches hinzutun, ohne iam es grade über daa necessarium hinausginge, und BUiclieB abtun, ebne dass damit die Möglichkeit wegfiele omTenienter zu leben. Davon Almosen zu geben ist gut, aber es iällt nicht unter das praeceptum, sondern das consi- liinn. Inordinatum aber wäre es, wollte jemand in dem Masse neli daa Seine entziehen und andern schenken, dass er von dem Rest nicht mehr standesgemäss leben könnte. Denn Niemand soll inconvenienter leben. Davon giebt ea drei Anmahmen. Erstens, wenn jemand in einen Orden eintritt, tweitens, wenn er das, was er sich entzieht, leicht herstellen kami, ohne dass ihm grosser Nachteil daraus erwächst; drittens, wenn es sich um Hülfe bei äusBerater Not einer Privatperson oder bei grosser Not des Staates handelt In diesem Falle ist ea löblich.

Auf den Almosen Empfangenden gesehen ist das Al- aosen geboten nur im Falle eine necesaitas vorliegt. Denn ohne eine solche wäre kein Grund da, Almosen zu geben. Da nun aber ein Einzelner nicht allen Notleidenden zu Hälfe kommen kann, liegt nicht in jeder Not eine Ver- pflichtung, sondern nur in der extrema necessitas d. h. wenn ier Notleidende umkommen müsste, falls ihm die Hülfe nicht n Teil wird.

Nach Thomas ist mithin Almosen geben de praecepto nur dann, wenn jemand mehr hat, als er zum standesge- nlnen Lebensuitterhalt für sich und die Semen auch mit Torachtiger Berechnung der Zukunft braucht, und dabd täa Nächster in extrema necessitAte sich befindet.

Diese Sätze des Thomas kehren in allen Darstellungen der Ethik während des Mittelalters wieder, oft mit denselben Worten, nur werden sie hie und da noch genauer bestimmt. ').

*) VgL Snnima Agteiana Summa Angeliea b. t. Eicemoayna - Summa Anthonini Florentini P. U tit. I cap, XXIV § 3.

62 UHLHORN,

Das necessarium wird als necessarium naturae und personae unterschieden oder auch als necessitas absoluta und condido- nata. Necessitas absoluta ist vorhanden, ,,quum omnia bona temporalia, quae quis habet, ei sunt adeo necessaria quod sine iis non potest vivere"; die conditionata dagegen begreift ,;quae ei sunt necessaria ad sui Status decentia et conser- yationem/^ Einstimmig ist man darin, dass jemand, der Buperflua ultra necessaria naturae et personae hat, und doch dem Nächsten, der in extrema necessitate ist, nicht giebt, ein peccatum mortale begeht Schwankend ist das Urteil, falls entweder jemand nur ultra necessitatem naturae, aber nicht personae besitzt, oder der Nächste sich nicht in extrema ne- cessitate, sondern nur in magna necessitate befindet. Anto- ninus Florentinus ^), der diese Fragen am eingehendsten be- handelt, konmit zu dem Resultat, dass jemand, der nur ultra necessitatem naturae, aber nicht personae besitzt, wenn er dem Nächsten nicht giebt, ein peccatum mortale dann nicht begeht, wenn er nicht geben konnte ohne grosse Ge- fahr für Leib und Sele, imd dass, falls nur eine necessitas magna, aber nicht extrema des Nächsten vorhanden ist, das Nichtgeben nur ein quasi mortale peccatum ist. Uebrigens ist die „necessitas secimdum quod probabiUter estimari po- test" zu beurteilen, und man darf nicht auf alle möglichen Fälle sehen, sondern muss urteilen „secundum ea quae pro- babiUter et ut in pluribus occurrunt." Auch ist man nicht gehalten, die, welche Not leiden, aufzusuchen, sondern es ist genug, wenn man denen hilft, von denen man Kunde erlangt *).

Beurteilen wir diese Bestimmungen über das Almosen- geben, so ergiebt sich, dass die Liebespflicht auf die engsten Grenzen beschränkt wird. Innerhalb dieser Grenzen ist sie aber eigentlich gar keine Liebespflicht mehr, son- dern sie ist Rechtspflicht geworden ; über dieselbe hinaus liegt

1) II Tit. 1 cap. 24 § 5.

*) Summa Anthonini archiepisc. Florentini P. II tit. II c. 24 § 3: „Non tenctur qiiis querere, quis habet necessitatem, sed sufQcit ut his qui veniunt ad notitiam suam subveniat".

1^ DIE UEBESTATIOKEIT IM MITTELALTEH. 63

dagegen gar keine Pflicht mehr vor, ist Almosengeben nicht de praecepto, eoadern nur de consilio. Diese Verwandlung der liebespflicht innerhalb der ihr gezogenen Grenzen in eine ßechtepflicbt ist die notwendige Folge des falschen Eigen- tnmabegriffeB. Soweit jemand irdische Güter über das Jlass des ihm notwendigen hinaus besitzt, ist er ja eigentlich gar nicht Eigentümer. Das superfluum gehört in Wahrheit dem Kfchsten. Dieser kann es sich ja auch, wenn er in extrema Mcessitat« ist, ohne Sünde selbst nehmen. Auf den Ein- wurf'): „Praeteroa cuilibet licet sua re uti et eam retinere. Sed retinendo rem suam aliquis eleemosynnm non dabit Erg» iicitum est eleemoaynam non dare", antwortet Thomas: „quod bona teraporalia, quae homini divinituB conferuntur, ejiu <)uidem simt quantum ad proprietatem, sed quantum ad usmn non sei um debent esse ejus aed etiam aliorum, qai ex iis gustentari possunt ex eo quod ei super- fluit", d. h. das auperfluum gehört ihm gar nicht, sondern den Armen, und deshalb ist es seine Pflicht, ea wegzugeben, (gbald er einen Bedürftigen findet Noch deutlicher antwortet die Astexana auf denselben Einwurf: „Quae superflua su- Hentationi tuae natnrae, etsi sit proprium tuuni quantum ad diipensationem et auctoritatem adnsinistrandi, quantum tarnen ad üsum est illorum, in quibus vides Signa probabilia ne- ceasilatis extremae." So als Rechtspflicht wird denn auch das Almosen in den genannten Fällen ausdrücklich dargestellt „Eleemoayna", sagt die Summa angelica, „cadit aub praecepto %iB naturae, legis divinao et legis canonicae", und die As- texana : „Eleemosynam dare cadit sub praecepto legis naturae, legis divinae et legis positivae". Zwar antwortet die erst- genannte Summe auf die Frage: „Utrum pauperibus compe- tat aliqua actio contra divites ut eis subvcniant?'' zunächst: qnod non, fugt dann aber hinzu: „Sed bene possunt implo- rara ofGcium judicis seu superioris, ut eos cogat, et oc- ctegia potest eos cogere. Quod limita verum quando Bunl in lali nocessitate et divites in tali abundantia, quod Ic&entnr eis facere eleemosynam de praecepto, alias non."

») Vgl. II, 2 Q. XXSll art, V.j

DHLHOEM,

So bestimmt wird also das Älmosengeben innerhalb der ge- Grenze ala Rechtapflicht angesehen, dasa die Er- fiillung derselben durch Zwangsmittel erzwungen werden kann. Ueber diese Grenzen hinaus liegt dann aber eine Pflicht gar nicht vor. Wer darüber hinaus Almosen giebt, tut mehr als er zu tun schuldig ist.

Forschen wir den Fehlem, die in diesen Sätzen liegen, noch tiefer nach, so müssen wir auf die Frage nach den Grenzen der Liebestätigkeit und insbesondere des Almosen- gebens eingehen. Nach diesen Grenzen sucht auch die mittelalterliche Ethik. Man sagt sich, dasa man doch nicht jedem Armen geben kann, und fragt, in welchen Fällen man geben muas '). Die Grenzen der Liebespflicht werden dann dem Charakter der mittelalterlichen Ethik entsprechend ganz gesetzhch, statutarisch gezogen. Man findet sie darin, daas auf Seiten des Gebenden ein auperflumn, auf Seiten des Empfangenden eine necessitas vorhanden Ist, und bestimmt dann das Mass des auperfluum einerseits, der necesaitas an- dererseits. Die wahren Grenzen der Liebestätigkeit bleiben aber dem Mittelalter verborgen. Sie li^^n nach Seiten des Gebenden in seinem irdischen Beruf. Er darf nur so viel geben, dass er durch das Geben seinen irdischen Beruf nicht schädigt, was er doch tim würde, wenn er die Mittel weggäbe, deren er zur EriüUung seines irdischen Berufes bedari', denn täte er das, so würde er dem gemeinen Wohl dadurch mehr Schaden bringen, als das Almosengeben dem gemeinen Wohl nützt Andererseits liegen die Grenzen nach Seiten des Empfangenden darin, dass ihn das Almosen nicht sittlich schädigen darf, daas ea ihn vielmehr sittlich i^.irdem soll. Sonst schadet ihm das Almosengeben mehr als es ihm nützt.

Diese richtigen Grenzen und der mittelalterlichen Ethik verborgen. Sie weiss den irdischen Beruf nicht zu würdigen. Es gilt für sie ala Grundgesetz, dass das contemplative Leben

1) Thomas li, 2 Q. XXXU art. V : Sed com non pOBsit ab aliqna UDO omuibaB necessitatlbuB subveniri, Don omnis neceasitas obligat ad pracceptum." Das Gebot rerpflichtet nur pro loco et tempore. Bogelica.

DIE UEIBESTÄTIOKEIT m HITTELALTEB. £6

«tdicli höher st«ht als das active ^), daa otiiun ist beeser als ia» n^otium. „Negotiiun quia negat otiiun malum e^ seque quserit veram quietem, quae est Deua", ißt ein im Mittelalter oft citirter Satz. Der Blick ist eo einseitig auf du Jenseits gerichtet, dass man für den dJesaeitigen Bs- mf keinen Sinn bat. Sein Selenheil zu schaffen, das iat die einzige Aufgabe des Menechen, die löst er aber um so ■cherer, je weniger er von irdischen Berufageschäften in Anspruch genommen wird. Deshalb werden diese immer mit einem gewissen Mistrauen angesehen, imd im Gründe ist es nur eine Concession, die man der gegenwärtigen Weli^ »ie sie einmal ist, macht, wenn dem Christen irdische Be- n&arbeit erlaubt wird '). Besser wäi'e es immer, er bedürfte

1) Tbomu II, 2 Q. CLXXXU ort. 1 u. 2. Sehr lu beachten Ib, dasa Thomas den Satz uoch eii;Bchränkt. Zunächst allerditi^ ■gt auch er: „Vita coDtempktiva ei buo geoere majoria est me- riti quam vita ftctiva", aber danu setzt er hinzu: ,.Polest nthilominu« ■Mtdere, ut aliqais plas mereatur aliquid erternum agendo, quam aliiu HntempUndo." Diese BeBchrankuug ilndeu wir aber später nicht mäa; da gilt einfach das coutemplative Leben für besser and ver- djauthcber als das active. Vgl, auch den trefflichen Aufsatz von BtumaDu; „Die classischc Moral des Katholicismus", Philosoph. Monatshefte läTS Vin,

''\ Auch der Ausdruclt hei Thomas hat etwas von dieser Con- MauDD a. a. 0. art. 1 : „Quanquam secundum conditionem praesentis Mcessitalls sit vita activa magis, potior tarnen ea est simeligenda, (ilicitcr tila activa." Freilich eine etwas iiiediige Anschauung, nach itt da» active Leben lediglich secuuduin coiiditiouem praesentis ne- «stitatis, also lediglich um des Unterhaltes willen erwählt wird. Aber Hch Thomas (U, 2 Q. CXXXVII art. 5) arbeitet der Mensch auch a enter Linie nur um den Lebensunterhalt zu gewinnen. Könnte jemand ohne Esseu lebeu, so wäre er auch nicht sittUch verpflichtet ■0 arbeiten. Eiue unbedingte Pflicht der Arbeit kennt Thomas nicht (rgl. Baumaan a. a. 0. S. 460). Dass es dem Mittelalter über- haupt an der richtigen Würdigung der Berufsarbeit fehlt, ersieht man auch aus der Art, wie dasselbe die verschiedenen Arten des Be- rufs wertet. Am tiefsten steht der Handel, dann das artificium, am bÖchsten der Ackerbau. Massgebend ist, in wie weit die Berufsart dem Selenheil uÜtzhch oder schädlich ist. Der Handel ist nach der ■nittelalteiücheu Anschauung dem Selenheil schädlich. Auch die Tatsache, dass so manche Arbeiter (Muller, Bader, Leinweber) als ■uehrlich gelten, deutet auf eine falsche ethische Würdigung der Arbeit.

66 UHLHORN;

derselben nicht Dass die irdische Berufsarbdt selbst ein Erziehungsmittel für den himmlischen Beruf ist; dass der Mensch sein Selenheil fördert, wenn er seinen irdischen Be- ruf treu erfüllt y das ist ein G^dankC; der dem Mittelalter fehlt oder doch nie ganz klar geworden ist. Der tiefiste Grund li^ darin , dass man nicht erkennt , wie die Liebe zu Gbtt in der Liebe zu dem Nächsten sich betätigt Vielmehr stellt man die Liebe zu Gtott imd die Liebe zum Nächsten unverbunden nebeneinander und wägt sie gegen- einander ab. So kommt man denn zu dem Satze, dass die Liebe zu Gott besser und verdienstlicher ist als die Liebe zu dem Nächsten ^) und folgeweise *) das contemplative Leben besser und verdienstlicher als das active, otium besser als negotium.

Andererseits wird auch die Armut nicht richtig gewür- digt, denn armsein ist ein sittlich höherer Stand als reich- sein. Deshalb kann es auch gar nicht die Au%abe sein, dem Armen zu helfen, dass er aus der Armut herauskomme, ihn sittlich zu heben, dass er in sittlicher Kraft und mit dei ihm gereichten Hülfe die Armut überwinde, sondern nur ihm allerlei Almosen zu geben und seine augenblickliche Not zu lindern. Dass die Armut ein sittlicher Schaden ist, dem zu begegnen die Pflicht der Liebe, erkennt das Mittelalter nicht Armsein, Bettlersein ist ebenso ein Stand wie die andern. Betteln ist ebenso ein Beruf wie Arbeiten ').

Ueber die durch die eigene abundantia und die neces- sitas des Nächsten gezogene Grenze hinaus Almosen zu geben ist, wie wir sahen, nur de consilio nicht de praecepto.

1) Thomas II, 2 Q. XXVII art. Vni.

2) Thomas II, 2 Q. CLXXXIl art. n.

3) Nach Thomas (II, 2, CLXXXVII art. 5) ist das Bettehi aUet und nicht nur den Religiösen erlaubt, wenn es geschieht „ad as- sumptionem et exemplum et communem utilitatem", nicht aber „ad otium fovendum". Damit stimmt es, dass das Betteln im Mittelalter weder als unerlaubt noch als eine Schande gilt. Ja in den Steuerre- gistern mittelalterlicher Städte findet sich oft als Angabe des Stande« bei einzelnen Personen Bettler". Von dem Ertrage des Betteins wurde anch öfters eine Steuer bezahlt.

DIE LIEBESTÄTIQKEIT IM MITTELALTER. 67

Wer ea tut, erwirbt damit ein Verdienst. Hier stoasen wir luif den Satz, in dem sich ims die eigentliche Triebfeder der mittelalterlichen Liebeetätigkeit enthüllt. Thomas kommt II, i Q. XXXn art. IV auf die Frage: „Utrura eleemosynaa corporales habeant eDectum spiritualem?" Er beantwortet sie nmäclist Temeinend: Hecundum suam substuatiam können die eleemoBynae corporalea auch nur effectum corporalem haben, nämlich dass die leibliche Not des Nächsten gelindert wird. Anders ist es, wenn man die Almosen ex parte cau- we und ex parte effectus betrachtet. Sofern ihre causa die liebe zu Gott und dem Nächsten ist, erwerben sie Ver- dienst, und sodann haben sie den e£Fectus, daes die, welche die Almosen empfangen, dadurch bewogen werden, fiir ihre Wohltäter zn beten.

Damit sind die beiden Wirkungen klar gestellt, die man im Mittelalter von den Almosen erwartet, und die ethischen Summen lassen es sich angelegen sein, diese Wirkungen nach allen Seiten hin zu entfalten und so das Ahiiosengeben ta empfehlen. Ja so stark überwiegt dieser Gesichtspunkt, dass von ihm aus der Ort sich bestimmt, wo sie von den Almosen handeln. Thomas von Aquino handelt von den Almosen da, wo er von der Caritas handelt. An dieser Stelle ncht man aber bei den spätem Ethikem vergeblich. Qui- Gdmos Lugdunensis behandelt sie in seiner Summa de virtuti- bsa et TitÜB im dritten Teile, der die vier Cardinal lügenden enthält, unter justitia, und die Summa Astexana bringt sie im 6. Buche unter, da wo de poemtentia gehandelt wird. Almosengeben kommt nicht als ein Werk der Liebe in Betracht, sondern als ein Teil der Satisfactio. Die Satis- fictio bat nämlich drei Teile: oratio, jejunium und eleemo- syna. Denn dreierlei ist in der satisfactio beschlossen, vi- tatio colpae, dazu dient das Gebet, augmentatio gratiae, dazu dient das Almosengeben, solutio poenae, dazu dient das Fasten. Von diesen drei Stücken ist das Almosengeben das kriftigste, weil es die beiden andern in sich schliesst. Denn önmal bewegt es die Almosenempfönger zum Beten und ist •dbat eine Oblatio, die de facto die Krall des Gebetes hat} ■odann begreift die subtractio bonorum exteriorum per elee-

66

derselben i Erziehuiig-«' Mensch s«! ruf treu fehlt odc; Ghrand li* zu Oott Vielmol 11 Nächst« I einandr] Liebe : SU dci: Leben besser A

digt, sein, dem A ihn si; ihm ;. ihm j> KU li

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6111

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Fasten in sich ^). Aus- ▼on Almosen unterschieden: ciebt, seinem Nächsten za iie man giebt, um eine Schuld dsne Straie abzubüssen. Jene 2sd erwerben ein meritum vi- _ und erwerben ein meritum

^^vjtfimüch satisÜBU^torischen Almosen, at inrch die Almosen die Fürbitte sind zum Oebet für ihre Verpflichtung wird als eine oder doch eine dieser ähnliche wo er von der Sünde handelt, Geld zahlen lassen und dann jir das Geld zu leisten sich ver- lor allen die an, welche Almosen är ihre Wohltäter nicht beten: >y sed laborem recusant ferro '' ') auch in jene Welt hinein ^ die purgatorium sich erstreckende tor Verstorbene Almosen geben, ^ozpitoriums zu befreien, und die kommen den Almosengebem rennahnt Paraldus^), während SU geben, da solche Almosen tarisch erst nach dem Tode i^>«h zugleich hervor , dass diese Fegefeuer zu befreien. ,,Eleemo- Bon valet ei ad plus nisi ad 2^|MW«ii; iU^ autem quae fit in vita et gloriam et liberation^n a ^ T^>ena purgatorii et abundantiam

kdntaA ttttd wörtlich gleichlautend die

^f^^f^txxm et Tiüorum U Tract. IV c. 5. * ^^r.j»r r t5*ct. IV c. 5.

.' *

DIE LIEBESTÄTIGKEIT IM AHTTELALTER. 69

Sagte ich oben; die Liebespflicht sei soweit es sich um. Ahnoeengeben de praecepto handelt in eine Rechtspflicht ▼erkdirty so entsteht auch so weit das Ahnosengeben nur de conmlüs ist eine Art Rechtsverhältnis. Man erkauft sich mit den. Almosen nicht bloss das Gebet der Armen, sondern auch den flrlass der Strafe. Zwar Thomas Aq. sagt (11, 2 Qa. XXXIT art 4) noch ausdrücklich: ^^HiC; qui dat eleemosjuanii non intendit emere spirituale per corporale . . sed intendit per caritatis affectum spiritualem fiructum promereri^'; aber bei den Späteren ist der Ausdruck emere, emptio ein (rft vorkommender, namentlich mit Anschluss an die gern ge^ brauchte Stelle Daniel 4: „Peccata tna eteemosjmis redime.^ ParalduB redet da, wo er von den Früchten des Reichtuma handelt, auch von einer emptio regni celestis, die dem Reichen mS^ch ist, und von einem patrodnium pauperum, das man ach durch die Almosen erwirbt, indem er den im Mittelalter unsiUige Male verwerteten Spruch Ghegor's d. Gr. heranzidbt: „Pauperes non sunt despidendiut ^;eni, sed rogandi nt patronL^

Charakteristisch sind für diese Anschauungen auch die Antworten, welche die ethischen Summen auf ehnge Spe- dalfragen geben, die sie in der Lehre von den Almosen aofwerfen. So wirft die Astexana die Frage auf, ob man ebenso wohl den Bösen wie den Guten geben sdl? In der Antwort wird unterschieden, ob das Almosen gegAen wird bloss aus LiberaHtit oder mit dem Zwecke der Satisfaclion, Ln etstaen FaDe soD man keinen Unterschied madien, im andern dagegen ist es richtiger, den Guten zu gehea, damit man durch ihre Verdienste desto schneller von der Strafe be- fieit werde. Deslialb haben anch die T<^anientie»eciitore» die Pfliefat, bei Verteifaing der Güter Ventorbeoer Gate aw* SDWihleDy weil dieK einmal flfiMJfei'i nid im Gebet flir die VentorbeDen, und lodann wefl ihre GAeie wnkmmttr mai als die bSaer Mfmrhpn So erörtert Paraldm ^ die Fni^ ob es beaaer ist, einen Hm^rigen tpeiaen oder einen Kaeklea kleiden? und enlarfieidct sidb fib* das letilefie, dem der OeBpoiäB veigiiBt die WoUtal n bald, der Ockleideie wM

1 1 L e. m Tnd. Y e. 4.

70 UHLHORN,

aber durch das Eüeid^ das er an hat, immer wieder an die Wohltat und damit an die Pflicht fiir den Wohltäter zu beten erinnert In der Tat; handelt es sich hier um eine Art Kauf; so wird derjenige, der mit den Almosen den Preis zahlt, auch abwägen, wo er die Waare am besten und reich- lichsten bekommt

Tiefer greift die Frage, ob die Wirkung des Almosens mehr von der Grösse der Gabe oder von dem Affect, der Gesinnung, mit der man giebt, abhängt. Die Astexana unter- scheidet eine doppelte Wirkung des Almosens, auf Seiten des Empfangenden, soiem das Almosen diesen zum Gbbet verpflichtet, und auf Seiten des Gebenden, sofern dieser ein Verdienst damit erwirbt In der ersten EQnsicht beruht die Grösse der Wirkung ganz einfach in der Ghx)sse der Gabe. Je mehr man giebt, desto mehr Menschen imd in desto höherem Masse werden diese zum Gebet verpflichtet. In der zweiten Hinsicht muss wieder das praemium essentiale (die Seligkeit) und das praemium accidentale (der Erlass der Strafe) unterschieden werden. Jenes hängt nicht von der Ghx)S8e der Gabe, sondern von dem Affect, mit dem gegeben wird, dieses dagegen von der Grösse der Gkbe ab. Also je mehr Al- mosen desto mehr Gebete und desto mehr Erlass der Strafe ^). Im Leben wurde noch mehr nach dieser Theorie gehandelt Je massenhafter man Almosen giebt, desto mehr Früchte erwartet man davon.

Werfen wir überhaupt jetzt einen Blick in die Praxis^ so werden wir sehen, dass sie der Theorie allenthalben ent- spricht. Gewiss wird auch im Mittelalter viel aus Liebe imd herzlichem Mitleid gegeben sein, aber das hervorstechende Motiv ist doch vielmehr, man will mit den Almosen sein imd der Seinigen Selenheil fördern. „Ob remedium animae^', ;?pro remedio animae" „ob salutem animarum", „durch Otott und ihrer Selen willen'*, „durch Gott und unsere lieben FraueUi

1) Thomas Aq. berührt die Frage II 2 Q. XXXII art. 4 und zeigt an dem Beispiele der Wittwe im Evangelium, dass wer wenig giebt secundum quantitatem doch mehr geben kann seeundum pro- portionem; er betont den grösseren aflfectus caritatis, ex quo corpo- ralis eleemosyna habet spiritualem efficaciam.

DIE LIEBESTÄTIOSEIT IH HITTELALTEE. 71

und sein und seiner Vordem Sele zu Hülf", das sind die Formeln, mit denen in unzähligen Urkunden Schenkungen und Stiftungen fiir Arme eingeleitet und begründet werden. Deshalb heissen die Bäder, die man fiir Arme stiftet, „Seel- bÄder", die Häuser, die ihnen zu freier Wohnung überlaBBen werden, Seelhäuaer ". Selbst wo das Motiv des Mitleids «udrücklich hervortritt, fehlt doch der Bhck auf das Ver- dienstliche des Almosens nicht. So begründet z. B. Graf Wilhelm von Arberg, der dem Spital in Luzem mehrere Güter schenkt (4. November 1419), diese Schenkung ') mit den Worten : weil ich angesehen mit mein selbs äugen sölich viele aiTaen, lamen, sieben, und dürftigen, so zu Lucern in dem Spittal sind , und täglich ab den Strassen darin getragen, geturt, tugendlich empfangen und wol ge- herberget werdent, derselb spital so gar arm und an gout krank ist, das nit wol die armen leit ir narung darin haben mogent, denn mit hülf und rat edler und andechtiger men- schen, so die sechs Werk der erbarmherzigkeit begem zu crimen mit irem heiigen almusen, sid das almuosen mit kraft die tugend hat, das es abnimt die aünde und götliche liebi damit enneret wirdt."

Daraus erklärt sich denn auch der so gewöhnliche An- schluss der Almosen an die Begräbnisfeierlichkeit und die Selmessen, Vielfach wurden Spenden ausgeteilt, Geld, Brot, Mahlzeiten, Kleidungsstücke an den sogenannten Dreis- agen, den ersten 30 Tagen nach dem Tode. So vermacht z. B. Jacob Heiler in Frankfurt 10 Gulden, die an seinen Dreissigen in viertel Schillingen an Arme vor seiner Tür gegeben werden sollen, dazu 6 Achtel Mehl zu Brot. So verordnet eben daselbst Nie. Uffsteiner, daas während der Dreissigen in seinem Hause 10 Arme „mit zymlicher redlicher kost und drangk" gespeist und 10 Gulden heller- weise ausgeteilt werden sollen, „damit vil lüde Gott den Al- mechtigen für myn sele zu bidden haben" '). Ganz be- sonders aber sind es die Anuiversahen, die Jahresgezeiten,

>) Urkuoden des Biirgerapitals zu Liizcm. Geschichta&eund

vn, GS s.

iegk II, 181.

I

73 UHLHOBH,

£e jährlich am Todestage wiederkehrenden . Selenmes- aen, an die sich die Almosen anschliessen. Dann werden m der Kirche, im Ereuzgange oder auch auf dem Grabe Spenden, meist Brot, selten Geld, oft auch Elleider, Schuhe XL dgL ausgetdli Die Brote werden auch wohl aufe Grab des Stifters gel^ imd müssen da abgeholt wer* den ^). Oder man vermacht auch einem Spital eine Summe zu dem Zweck, dass am Todestage oder sonst an einem bestimmten Tage den Siechen „das Mahl gebessert Werde'', meist unter ganz genauer Bestimmung, welche G^ richte und wie zubereitet sie aufgetragen werden sollen *). Zur Teilname an der Seimesse imd zum Empfimge der Almosen wurden die Armen von der Kanzel ftingAlai^^n Das nannte man „ein geruft Almosen''*). Die Armen Hiussten persönlich erscheinen, der Seimesse beiwohnen imd flbr den Nächsten imd seine Familie beten. Sonst erhielten sie das Almosen nicht Dieses war also an eine Gtegen- laifitung, die Fürbitte, geknüpft. Das Almosen war in ge* Wiasem Sinne Bezahlung für einen geleisteten Dienst Uebrigena kommen auch Stiftrmgen flir solche vor, die keine Ver« wandten hatten, welche fiir sie ein Seigerät hätten stiften können, fiir „vergessene Seelen", wie man sagte, oder „ob remedium omnium fidelium defunctorum" ^). In manchen Klöstern wurden beim Tode jedes Mönchs ausser den regel- mäsogen Almosen noch 30 Tage lang ausserordentliche ge- geben. ^).

1) M;one I, 129 ff.

>) So yermacht jemand dem Katharinenspital in Bamberg (28. Mai 1527) ein Gut und eine Mühle. Von den Einkünften soll teils Hals angescbafit werden, teils soll mau dafür ein Centner Oel kaufSen MoA »o oft die Siechen etwas von Oel essen davon in der Siechen HaiMi tun, und ein Centner Milchputter, und davon alle Mittwoch, it^ UMOi von Milch isset, 2 «J in der Siechen Hafen tun, „davon ir ezzen ^WiHMrt werde**, (X. Bericht des hist. Vereins p. 81 ff.)

*) V^l eiue Stiftung von 1415 im Necrolog. Constant. ; eine von MiM Wi Wib<»U Cod. Hohenloh. p. 343.

i^ Y^l. Mvwmw, ZoUer. IV, 101.

^"^ Y|5i V>^>»terroicher, Gesch. von Bani XCII.

DIE UEBESTÄTIQKKIT IH HITTELALTER. ?3

Umgekehrt gabeu auch die, welche zu irgend einem mildeD Zweck eine Beisteuer gaben, dleae nicht ohne eine OegeoleiBtung zu empfangen. Wer zum Bau oder Unter- haltung eines Hpitals beitrug, enipfing dafür eine bestimmte Zahl von Tagen Ablass. Alle Spitäler und sonstige Anstal- ten der Barmherzigkeit waren mit Abläaeen zu diesem Zweck rcichhch ausgestattet ')- Sammler, die man ausschickte um für ein Spital oder zu anderen milden Zwecken zu sammeln, kamen nicht wie heute mit leeren Händen, sondern brachten jedem Geber Ablaaa mit. Ja jeder Bettler, der im Namen irgend eines Heiligen ein Almosen erbat und empfing, vergalt die Gabe mit Anrufung dieses Heiligen für seine Wohltäter. Es war alles Leistung und Gegenleistung.

Damit hängt es ohne Zweifel zusammen, dass man nicht wie heute bei den Almosen sich nur auf das Notwendige beschränkt, sondern oft überflüssig und mit einer gewissen Ueppigkeit g^eht. Gewiss, es geht durch das Mittelalter ein Zug grosser Freundlichkeit gegen Arme; die Kluft zwischen Reich und Arm ist noch nicht so gross wie heute. Wie wohl- toend berührt es, wenn man liest, dass in einem Kloster am Tage der Einttihrung einer Nonne den Armen zu essen gege- ben wird, „wie die Braut isset", auch Braten und Kuchen; wenn man in Coblenz eine Stiftung findet, nach der auf dnem Hause an der Moselbrücke Uie Verpflichtung ruht, jedem innen Wanderer, der über die Brücke geht, einen Trunk Weina zu reichen; wenn, um noch ein Beispiel anzuführen, eine Frau in Frankfurt ein Vermächtnis macht, aus dessen Einkünften für die im Etendshause Einkehrenden jeden Abend eine Erbsensuppe gekocht werden soll , Tür welche die Stifterin das Maas der Erbsen und der Butter dazu ge- nau vorschreibt. Dennoch wird man nicht fehlgreifen, wenn oum annimmt, der Gedanke, daes mehr Almosen auch mehr Wirkung tun, und das Streben, sich die Armen, die ja nach dem angetuhrten Worte Gregor's d. Gr. als Patrone zu

■) V^. E. B. die Urknndeo des Bürgerspitals m Liuem i OeMhichts&ennd VlI, üS fF, ; und die sehr inatmctiTe Schrift vi Benieo: Ein Hospital im MitteUlter.

74 UHLHOBN,

ehren sind^ recht geneigt zu machen, habe beim Abmes- sen der Almosen stark mitgewirkt. Man hatte ja bdm Ahnosengeben immer auch sich selbst, den Segen, den man davon erwartete, die Gebete, die man damit erkaufte, im Auge. Darum giebt man gut und reichlich. Das Spend- brot ist meist Weissbrot; Mahlzeiten sind nicht bloss auf die notdürftige Sättigung bemessen. Ein Frankfurter Bürger bestimmt 1454, dass nach seinem Tode während der Dreissiger 33 Arme täglich ein Mahl haben sollen bestehend an ge- wöhnlichen Tagen aus einerlei Gemüse und zweierlei Fleisch, an Fasttagen aus zweierlei Gemüse imd einerlei Fisch, dazu Brot imd ein Achtel Wein. Am Schlüsse der Dreissiger er- hielt jeder der 33 Armen 8 Ellen graues Tuch zu einem Kleide *). Wo Schuhe oder Wamd oder Kleider gegeben werden, wird Sorge getragen, dass alles von guter Qualität ist Zuweilen sind die Stiftungen auch durch ihre Ghrösse ausgezeichnet. Eine Wittwe in Oppenheim bestimmt, dass nach ihrem Tode 8 Malter Korn zu Brot verbacken und jedem, der herzukommt, ein Brot gegeben werden soll; dazu ein Fuder Wein. Es waren das ca. 1600 it Brot Eben- daselbst wurde 1291 ein Hofgut in Weiterstadt zu Brot- spenden vermacht. Es wurden dort jährlich unge&hr 5600 if Brot verteilt und jeder Arme empfing dreimal in der Woche eine Ration von 1^ €1 *^).

Wem man gab, darnach wurde nicht viel gefragt So genau in den Stifkimgsurkunden die Bestimmimgen darüber sind, was und wann und wo gegeben werden soll, so un- bestimmt wird es gelassen, wem gegeben werden solL Armen Leuten, den vor der Tür Bettelnden; eine Auswahl, eine Prüfung der Würdigkeit und Bedürftigkeit fand nicht statt. Oft wird sogar ausdrücklich bestimmt, dass man jedem geben soll, der die Spende um Gottes willen nehmen will, oder, dass man keinen, der kommt, soll unbegabet lassen '). Gknz natürlich; man hat es ja nicht einmal darauf abge-

1) Kriegk II, 181.

«) Vgl. Frank, Gesch. von Oppenheim S. 301.

•) So z. B. die oben S. 72 Anm. 3 angeführte Constanzer Stiftung.

DIE LIEBESTÄTIGKEIT IH MITTELALTER. 75

•dien, bestimmten Armen aus der augenblicklichen Not zu helfen '), noch weniger, der Armut selbst zu weliren, sonderr nur Almosen zu geben zum Heil seiner Sele.

Davon ist die weitere Folge^ dasa eine prophylaktische Armenpflege so gut wie gänzlich mangelt. Die Bettel- «dnungen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind ■chon ein Symptom, daBS eine neue Zeit im Anbrechen ist tun solches ist es auch, wenn der Rat von Nürnberg anordnet, daas den Bettlern ihre Kinder, wenn sie über 8 Jahre sind (bis dahin durften sie dieselben mit sich herumführen), abge- nommen und in einen Dienst in der Stadt oder auf dem I^nde untergebracht werden sollen. Sonst nahm man sich TerwahrloBter Kinder nicht an. Wurde es zu schlimm, so worden sie in einem öffentlichen oder Privat-Gtefängnis, auch in Käfigen, die man im Plause einrichtete, festgehalten. Äehnlich verfuhr raan mit Irren. Für die aitthche Besserung da Gefangenen geschah nichts. Man bettelte für sie, man schickte ihnen Speise, sie durften auch selbst betteln, indem sie einen Beutel an einem Strick vom Turm herab- lienen, Stiftungen für sie komraen ebenfalls vor *), aber dass etwas fiir ihre Besserung geschehen wäre, davon habe ich kein Beispiel gefunden.

Massenhaftes Almosengeben ohne Zusammenhang, ohne Pkn, im Grunde auch ohne die Absicht der Armut wirk- Ecb zu wehren, das ist es, was im Mittelalter an die Stelle einer geordneten Armenpflege tritt. Dass eine solche Liebes- tltigkeit der Armut gegenüber vollständig Bankerott machen musste, versteht sich von selbst. In welchem Masse sie fiknkerott gemacht hat, dafür giebt es keinen schlagenderen Beweis als die um 1494 99 in Basel entstandene Schrift: Über vagatorum, die Luther 1523 unter dem Titel: „Von der

1) Ganz ausdrücklich stellt Thomas Aq. (11. S, Q. LXXl art. 1) Ca tä» Regel hin „Hon lenetnr homo fnturae necessitati alt^rias pro- Tidere, »ed sufficit, si praesenti neceasitati succurrat." Woher sollta eine geordnete Anneapflege kommen, wenn das als Regel galt?

») Im J. U32 Bliftet Katharine Hilliger in Frankfurt 2 & HeUer ffir die Gefangenen, Sie sollen davon jeden Freitag durch den Pfört- _,aer gespeist werden. Vgl. Kriegk a. a, 0.

76 ÜHLHOBir, DIB LIEBBBTÄTIOKEIT DC KITTEL ALTER.

füflchen Bettler Büberey'^ wieder heraiugegeben hat Sta< und Land waren von Scharen fBmler und betrügeriBchi BetÜer überflutet Behauptet doch Eberiin von Ginzbui m seiner Schrift ,, Warum kein Gteld im Lande sei'', dass vc 16 Menschen im deutschen Lande nur einer arbeite, 1 Büssig gingen und bettelten. Eine wahre Armenpflege w^ erst wieder möglich, als die Reformation wieder gesund ethische Anschautmgen über Reichtum und Armut, Arbe und Beruf und darum über Liebestätigkeit und Almosc gebracht hatte.

Utber's Ansicht von der Methode and des Grenzen der dogmatischen Aussagen ilber Gott

Von Dr. theol. Hermann Scholtz

Die bedeatsamea dogmatiachea Arbeiten, welche aus iaa letzte Jahrzehnt geliefert hat, und die mannigfachen Er- fcteningen, welche aich an dieselben geschlossen haben, mDMten notwendig die Fragen Dach der Methode und den Grenzen dogmatiecher ErkenntniB mehr, als das seit langem der Fall gewesen war, in den Vordei^rund treten lassen. Wie weit die speculatiTe Geisteetätigkeit das Recht bat, ihre Ergebnisse in die Glaubenslehre der eTangeliachen Kirche anzutragen, wie weit überhaupt metaphysiBche Sätze einen Elatz in derselben haben, diese Frage ist von den verschie- deneten Standpunkten aus erörtert. Und ein Blick in die Behandlung der Lehren von Gott und Christus nach den Beneeten dogmatischen LehrbUchem zeigt, da^s eine frucbt- bire und zusammenwirkende theologische Arbeit ohne üeber- onstimmung in diesen Vorlragen nicht erwartet werden

Natürhcb lassen sich dieselben nur aus dem Gesammt- kreise der religiösen Anschauung heraus beantworten. Für den Katholiken oder fiir den Deisten wird sich die Antwort wesentlich anders stellen, als iiir den evangelischen Giristen. Und so kann es nicht ohne grosses und be- deutsame« Interesse sein, sich die Stellung des Mannes zu dieaen Fragen ins Gedächtnis zu rufen, in welchem jeden-

H

78 SCHULTZ,

£eJ1s die Eigenart evangelischer Frömmigkeit am ursprüng- lichsten und genialsten ims entgegentritt Gewiss sind viele einzelne dogmatische Ansichten, zu welchen Luther sich be- kannte^ lediglich durch die Schranken seiner Zeit und Per- sönlichkeit bestimmt, und keineswegs geeignet, einen Mass- stab für die Erkenntnisarbeit der von ihm ausgehenden Kirche zu bilden. Aber man wird sich des Eindrucks kaum erwehren können, dass die Grundsätze, welche sich ihm mit immer steigendem Nachdruck aus der Eigenart seiner Frömmigkeit in Betreff der allein möglichen Art, eine religiös -wertvolle christliche Erkenntnis von Gott zu gewinnen, ergeben haben, wohl imzertrennlich mit der evan- gelischen Art des Christentums zusammenhängen werden. Jedenfalls wird, wer Gewicht darauf legt, mit seiner dog- matischen Arbeit in der von Luther ausgehenden Kirche zu stehen, sorgfältiger darauf zu achten haben, in solchen ent- scheidenden Grundsätzen sich in der von Luther ange- gebenen Richtung zu befinden, als sich an einzelne Ergeb- nisse seiner Theologie zu binden, in welchen er selbstver- ständlich den Grenzen seiner persönlichen Bildung und seines Jahrhunderts seinen Zoll schuldet.

Wenn man aber ein klares Urteil über Luther's Stellung zu der bezeichneten Frage gewinnen will, dann darf man nicht unterschiedslos zu allen Aeusserungen greifen, die uns von ihm erhalten sind. Als Luther zuerst ab Prediger und Lehrer vor die Oeffentlichkeit trat, besass er eine selbstän- dige Ansicht über die Methode dogmatischer Gotteserkennt- nis überhaupt noch nicht, am wenigsten eine dem Charakter seiner eigenartigen Frömmigkeit entsprechende. Seine Me- thode ward von den Eindrücken beherrscht, welche seine Bildung bestimmt hatten. Nicht selten tritt uns vorzüglich in den ältesten Predigten christologischen Inhalts ganz imbefangen ein speculativer Zug entgegen, welcher in seiner Selbstge- wissheit und Kühnheit an die deutsche Mystik gemahnt Häufig begegnen uns die Spuren der von Augustin her be- stinmiten dogmatischen Methode des Mittelalters, vor allem wo es darauf ankommt, für das Verständnis des trinitarischen Verhältnisses in Gott Analogien in der Psychologie oder auch

LUTHER'S OOGBIAT. AUSSAGEN t'BEK GOTT. 79

in der Natur zu finden, und die innere Notwendigkeit und Evidenz dieses Verhältnisses an das Licht zu stellen. Am Rärksten freilich beherrschen Luther die Grundsiltze der nominaÜHtischen Theologie. Und es soll nicht geleugnet werden, dass diese Schulrichtung überhaupt auf die Fest- stellung seiner späteren selbständigen Grundsätze von grossem Einthi^so gewesen ist. Die Anschnuung von Gottes für alle iih ri-i.lilJoh-ethischen Massstäbe incongruentem und über sie KiiiKusli'.'gecdem geheimnisvollen Wollen, welche sich be- sonders stark durch die Schrift de servo arbitrio hindurch- lieht, die energische Ablehnung der Anwendbarkeit des menschlichen Begriffes von Gerechtigkeit auf Gott und An- deres verraten die Macht dieser Einflüsse. Aber dennoch wird ans dem Folgenden hervorgehen, dass die eigenÜiche Wurzel seiner späteren Metliode einzig und allein in Luther's erangelischer Frömmigkeit ruht.

Es ist nun ohne weiteres klar, dass für unsere Aufgabe •De Aeuaserungen Luther's völlig ohne Wert sind, welche der selbständigen Entwicklung sednes reformatorischen Be- ▼tUBtaeina voraufgehen. Das Studium der Schriften Luther's TOT dem Jahre 1617 ist natürlich fUr das Verständnis der fiibrtehung und ursprünglichen Richtung dieses Bewusstseins TOT dem allerhöchsten Werte. Aber filr una handelt es ■icfa um Grundsätze, welche erst aus diesem Bewusstsein heraus sich überhaupt klar und folgerichtig gestalten konnten. Ich kann es deshalb nach meinem Zwecke nicht für zweck- aimg halten, mit einer bekannten Darstellung der Christo- lopa ün besonderes Gewicht auf Luther's christologiscbe Amtttie in jener ersten Zeit, z. B. auf seine berühmte Weih- ucbtspredigt von 1515 zu legen. In ihr findet man nicht die Chiistologie des Reformators Luther, sondern intereasaote Versuche eines geistvollen Schülers der Scholastik, das ihm gegebene Dogma homiletisch zu erfassen. Luther selbst hat das speculative Verfahren, welches er damals noch, wenn »ach nur in der Sprache der Keden an die Gemeine, fest- hielt, das Construiren der Christologie aus dem Logosbegriff und in Anlehnung an eine speculative Gutteslehre, mit aller I JUarheit und Entschiedenheit als einen Irrtum seiner Jugend

60 SCHULTZ,

bezdchnet, seu welchem ihn die Abhftngigkeit von der her flehenden Schultheorie verleitet, und von welchem er n dem Wachsen seiner evangeUschen Einsicht sich losgerungc habe. Schon im Jahre 1518 sagte er: ^^durch die Mensel heit Christi ist der einzige und alleinige Weg, Gk>tt s erkennen, von dem sich weit entfernt haben die Doctor flententiarum, welche sich in absolute Speculationen über d Gottheit eingelassen haben, indem sie Christi Menschheit b

Seite liessen In solchem Studium habe auc

ich mich elend und gefährlich bewegt und viel Andre/'') Und später klagt er: „Ich bin vor Zeite auch ein solcher Doktor gewesen, dass ich hab d Menschheit ausgeschlossen und dafür gehalten habe, ich tft wohl, wenn ich CSiristi Oottheit und Menschheit von einand« «dieidete. Das haben vor Zeiten die höchsten Theoloj getan"«).

Für die Art und Weise also, wie Luther nach de Grundsätzen seiner eigenen evangelischen FrÖmmigkät d Lehren von Gott und Christus behandelt hat, komme Luther's Aeusserungen in Betracht, wie sie seit 1518 b ginnen. Die reichsten imd klarsten Aussagen sind aus de Jahren 1530 1540.

Die christliche Glaubenslehre hat esmitGoi tes Natur oder innerem Leben überhaupt nie! zu tun. Denn „was Gottes Natur sei, kann von uns nicl verstanden werden" *). Zwar es ist eine allgemeine Kenn nis des göttlichen Wesens auf dem Wege der Vemun möglich und hat nach dem Zeugnisse des Paulus auch i der Heiden weit nie gefehlt. „Alle Menschen haben irger eine allgemeine Erkenntnis von Gott gehabt Aber es giel eine doppelte Erkenntnis Gottes, eine allgemeine und eii besondere. Die allgemeine haben alle Menschen, nämlic dass Otott sei, dass er Himmel und Erde geschc^n hab

1) ed. Jen. von 1561-1570, Bd. I, S. 207 »>. >) Erlanger Ausgabe, Bd. 47, 6. 362. ») ed. Jen. IV, ß. 786 (1646).

t.ÜTHEB'8 DOGMAT. AUSSAGEN ÜBEE GOTT. 81

daas er gerecht sei, dass er die Gottlosen bestrafe" '), Aber diese Erkenntnis ist nicht die eigentUche und wahre. Sie Reicht nur der Kenatnis von einem Menschen, welche man hat, wenn man ihn von Angesicht kennt, aber nicht weiss, welches seine Gesinnung ist. Die wahre Kenntniaa Gottes ist, „was er über uns denke, was er geben und tun wolle, damit wir von Sünde und Tod befreit sehg werden. Da» haben die Menschen nicht erkannt " *).

Um diese Gotteserkenntnis handelt es sich in der christlichen Glaubenslehre. Von ihr redet die Bibel So ist z. B. Matth. 1 1, 27 ff. nicht von einer philosophischen Erkenntnis Gottes nach seiner Substanz oder seinem Wesen die Rede, sondern von des Vaters Ratschluss und Willen '). Jene Gotteserkenntnis auf dem Wege der Vernunft, durch EKhIüsse aus der Welt oder dem Gewissen bringt naturlich, wo ne richtig angestrebt wird, an sich keine falschen Aus- sigen über Gott. Aber auf jeden Fall solche, welche keinerlei Wert fiir die Glaubenslehre haben. Denn einerseits streifen ü nur das Wesen Gottes ohne einen irgendwie beirie- digenden Aufschluss über ihn zu bringen. „Das heidnische Wissen von Gott ist dunkel und Stückwerk, wie eine Linie den Kreis zwar ganz, aber nur an einem Punkte berührt" *). Gottes innercß Wesen ist dei- natürlichen Erkenntnis unzu- gängUch. Und was auf diesem Wege gewonnen wird, da* muss sogar notwendig in einen Widerspruch treten mit dem, was die Glaubenslehre als christÜche Gewissheit von Gott auszusagen hat. Denn sobald man über das blosse We Schema des Absoluten hinausgehen will, kann man nicht umliin, sich ein nach menschhchen Massstäben und Verhältnissen beurteiltes und darum schief und falsch ge- ilalletes Bild von Gott zu machen. Wer Gott nicht in Cliristo erkennt, erkennt ihn falsch*). Nicht bloss Statuen.

I) ed. Jen. IV, 321» (1538),

•) ed. Jen. IV, 534 (1543) (totam sed m punctol.

>) ed. Jen. Ol, 296<> (1533).

83 SCHULTZ,

tmd Bilder fedlen unter den Begriff der Idole, weiche di» Schrifit verbieti^; sondern jede Meinung, welche sich der gottlose Geist «us sich selbst über Gott bildet ^). Und dieses metaphysische Gottesbild ist ein Flueh für das Herz. Denn ,,k^ Gespenst ist gefährlicher, ab das Gespenst der göttlichoi Majestät . . . Wer ausserhalb Christi Gott betrachtet, um den ist es geschehen. Er allein beschützt uns vor der Glut, die aus der Betrachtung der Majestät Gottes entsteht'' *). ,, Nichts ist ge&hrlicher, ab mit unsem Speculationen im Himmel umherzuschweifen und Gott selbst zu betrachten in seiner unbegreiflichen Macht, Weisheit und Majestät, wie er die WeLt erschafien hat und erhält. Denn Gott in seiner Natur, wie er imermesslich , unbegreiflich und unendlich ist, so ist er unerträglich für die menschliche Natur. Wer die Majestät Gottes erforscht, der wird von der Herr- Ikhkeii Gottes erdrückt." *). So will Luther nicht leugnen, dass die n^ativen Attribute, mit welchen die Schultheologie Gottes Ueberweltlichkeit ausdrückt, an sich richtig sind. Er bezweifelt auch nicht, dass was imserm Denken der Aus- druck höchster Vollkommenheit ist, irgendwie auf Gott zu- treffen muss. Aber er leugnet die dogmatische Bedeutung der ersten Classe von Aussagen, und er weiss, dass die Vorstellung von Vollkommenheit, zu welcher wir von mensch- lichen Prämissen aus gelangen, immer nur einseitig und be- schränkt, und darum der göttlichen Vollkommenheit nicht entsprechend sein muss. Auf diesem Gebiete aber ist teil- weises Erkennen notwendig so viel wie &Isches, und ebenso gefahrlich. „Niemand wird Gott bloss (nudum) begreifen, und es ist Lucifers Fall, Gott im Geist begreifen zu wollen, ohne das Gewand, mit dem er sich selbst bekleidet hai^ nämlich das Fleisch Christi und die Zeichen der Taufe und des Abendmahles" *). Und wir Menschen in dem Erfahrungs- zustande unsrer Vernunft „wir können das geringste Ding

1) a. a. 0. 292b.

2) a. a. 0. 295 b.

3) ed. Jen. III, lO^ (1525). *) ed. Jen. III, 307»> (1534).

vmi uns selber nicht wissen und wollen doch in Teufels Namen lÜBauf klettern und mit iinsrer Vernunft Gott in ■einer Majestät eigentlich fassen und ansspecuüren , was er lei" '). „Die Vernunft macht sich ein Bild von Gott, wie aie es gern hätte und ihr wohlgefallt" '). So haben alle die- Mnigen, welche Gott ohne richtige Erkenntnis seines Gtnaden- ntea in Christo suchen, mit ihren metaphysischen Schematen dM Oottwbegriflä eine falsche dogmatische Lehre vim Gott „D» Bpricbt äenn der Türke, der Jnde und Pabst, ich ^nbe an Gott, den Schi'ipfer Himmels und der Erden und Mchen alle Gott andrer Weise im Himmel, finden ihn aber nicht; denn er will sich auch nicht finden lassen, denn allein b) Christo " ').

Man könnte gegen die bisher entwickelte Ansicht Lather's den Umstand geltend machen, dass er doch zu tUen Zeiten ein höchst bedeutendes Gewicht auf die Trlni- tttalehre in ihrer atlianasianischen Form gelegt und sie mit dem gröwten Eifer verfochten hat. Aber diese Lehre fällt ihm durchaus nicht unter den Gesichtspunkt speculativcr Hieologie. Sie ist ihm die notwendige Consequenz der Er- kamtnis des Heilswillens Gottes in Christo, also grad« die Krone der Gotteserkenntnis, welche üim als die allein dogmatisch berechtigte gilt. Ob er sich in dieser Schätzung des Dogma täuscht oder nicht, trägt natürlich fiir unser« f^age nichts ans. Aber auis entschiedenste hat er, seit er im wnem theologischen Denken ausgereift war, die Versuche ver- worfen, welchen er im Anlange selbst nicht abgeneigt war, du trinitarische Dogma auf apeculativem Wege oder durch weltUchc Analogien zu begründen. Die Dreifaltigkeitslehre k nicht auf die Vemuntt oder Gleichnis zu gründen, sondern auf Sprüche der Schrift." *) Es tieusst nicht aus der

>) ErlaDger Ausg. Hauspost. 1534, ä. 144; vgl. aus demselben Jtbre ed. Jen. 111, 434>': Neque enim vult Deus Dostria atudü« quaeri, imtoo DOetris atuduB üiTeiiiri jiroraua dod poteat.

«) Erl- Ä. 47, S. 290 (lJ3i>).

i) Erl. A. 47, S. 383.

♦) ErL A. 12. S. 378.

84 SCHULTZ^

Vernunft^' ^). Und was von metaphysischem Besitze in dieser Lehre ist, das behandelt Luther mit einem gewissen Ifistrauen. So sagt er (ganz im Sinne Aogusdn's): ;,Wir

haben das Wörtlin , Person' müssen gebrauchen Denn

wir haben kein andres und heisst nichts Andres, denn eine Hypostasis, ein Wesen oder Substanz, das für sich und Gott isf ^). Und gegenüber den Schultheologen sagt er: speculativ definiren sie Gott mit bestinmiten Gleichnissen als ein allgegenwärtiges Centrum und einen nirgends vor- handenen Kreis. Aber das sind mathematische und phy- sische Dinge, die wir andern Professoren überlassen. Denn wir suchen eine theologische Definition d. h. nicht eine De- finition des göttlichen Wesens, welches unbegreiflich ist, sondern seines Willens und Affekts, was ihm gefalle und was nicht. ^) Es handelt sich nicht um die Erkenntnis eines auf speculativem Wege von uns zu findenden Gottes, sondern des durch sein Wort ofienbarten. Das Interesse der Religion ist Gott zu haben, d. h. einen solchen zu haben, auf dessen Hülfe in allem Uebel und dessen Förderung in allem Guten wir vertrauen ^). Also die dogmatische Gotteserkenntnis hat es nur mit dem Verhältnis Gk)ttes zu ims zu tun. Was Gott an sich selbst sei, geht imsem Glauben nichts an. Ja, wenn man es auch metaphysisch richtig wüsste, so könnte es doch dogmatisch falsch sein, weil es nicht Aussage über Gk)ttes Ofienbarung für uns wäre. Denn da die menschliche Erkenntnis als solche Gott niemals in seiner Totalität erfassen kann, so ist es niemals sicher, ob die einzelne erkannte Seite des GK)ttesbegrifi nicht aus dem richtig verstandenen Ghtnzen ein ganz andres Verständnis gewinnen würde. Das Ganze aber wird uns eben in seinem in Christo enthüllten Liebes- wiilen erschlossen. „Gott ist in Wahrheit der im Himmel

1) Erl. A. 45. S. 295.

t> a. a. 0. 308 (also bat er den modernen Begriff der Persön- lichkeit wenigstens nicht in voller Ausdehnung auf das trinitarische Verhältnis ausgedehnt"^.

3^ ed. Jon. IV, 4CV=»»». 435. 749, cf. 374»». 424 omnis speculator figolus est ot fingit quod in veritate non est.

4> ed. Jen. K U^^ U^l^^-

LÜTHEH'S DOOHAT. aussagen über GOTT.

wohnende, aber nicht für mich, dem er durch sein Wort etwas andres gesagt hat, nämlich dass er damals im Tempel, jetat in dem Menschen ChriBtus gefuoden werden will" '). Wir als Christen aber haben nichts anderes zn t^ren, als wie Gott in Christo gegen uns gesinnt ist. Wir sehen Gott, d. h. wir erkennen seinen Willen*) Die speculative "nd metaphysische Gotteserkenntnis hat tur die Glaubenslehre, hat, wo es sich um die Lehre von unserm Heil und unsrer Rechtfertigung handelt, keine Statte. Der Theoiog mag sie in der Apologetik verwerten, „Wenn Du mit den Juden oder Türken über Gottes Weisheit dis- patiren musst, dann brauche solcher Kunst" "), d. h. es liegt natürlich auch die Aufgabe vor, da, wo der christliche Olaubenastandpunkt nicht anerkannt wird, die Harmonie, Wahrheit und sittliche Tiefe des christlichen Gottesbegri^ su&uzeigen. Aber eine christliche Glaubenslehre wird auf diesem Wege nicht gewonnen. Sie muss auf den in Christus gegen uns offenbarten Erlösungswillen sich gründen *). Die christliche und wahre Theologie führt uns Gott nicht in Hajestät vor, wie Moses und andere Lehrer. Sie lehrt uns sieht Gottes Natur zu erforschen, sondern seinen in Christus ^f^barten Willen anzuerkennen.

Dieser Wille Gottes gegenüber seinenChristen i>t nun aber nicht bloss auf dem Wege der natürlichen The- ologie nicht zu finden, sondern er steht in schroffem Wider- ipruche mit demjenigen G ottes willen , den wir aus der uns zugänglichen Betrachtung der Welt und aus der Stimme unares «genen Gewissens gewinnen würden. Also ist die christliche Gotteserkenntnis von der speculativ gewoimenen meta- ^yü&chen Gotteserkenntnis in ihrem innersten Mittelpunkts

") ed. Jen. IV, 749, cf. 405i>- 435. 424. 374i>.

') ed. Jen. IV. 137.

•) ed. Jen, III, lOi- {1535).

') ed. Jen. 779, cf. II, 434''' Nos igitnr positia toajestatis «per «ilstionibus et abjecti» nostris operibus verbum apprehendamUB vel p9äiu tierbo apprebendamur.

86 SCHULTZ;

¥«r8chieden; und während sie beseligt^ müsste diese den wahrhaften und folgerichtig denkenden Menschen in den Abgrund der Unseligkeit stossen. Wenn wir den Willen (Gbttes gegen uns ausserhalb des Qnadenwerkes Gotttes in Christo suchen^ so finden wir zunächst einen unb««- rechenbaren, unheimlichen, an kein menschliches Mass sich bindenden Willen, welcher für unser Verständnis oft grausam undungerechterscheinen muss und in schroffem Widerspruche mit dem Onadenwillen Gottes, dessen seine Gemeine ge- wiss ist Luther hat mit vollkommener und grossartiger Aufrichtigkeit die Instanzen erwc^en, welche abgesehen vom der christlichen Heilsgewissheit zum Pessimismus hinüber- fuhren würden. Er täuscht sich nicht selbst, indem er durch die Fiction einer blossen Zulassung Gottes das Rätsel des Uebels und des Bösen in der Welt zur Seite schiebt ^). Der Gott, welchen wirklich die folgerichtige Betrachtung der Welt, insbesondere der Gottlosen und ihres imvermeidlichea Verderbens ims lehrt, ist nicht der G^tt der Ghaade und Vaterliebe, zu welchem wir ein Kindesvertrauen haben könnten. Nicht als ob es dem Christen nicht gewiss wäre^ dass auch dieser geheime und furchtbare GotteswiUe in seinen letzten Gründen ein höchst voUkommner und heiliger sein znuss. Aber abgesehen von dieser Glaubensgewissheit können wir, nach dem Masse unsres Verständnisses, ihn nicht als solchen verstehen *). Eine Glaubenslehre also, welche sich auf den metaphysisch gewonnenen Gottesbegriff einliesse, würde

1) ed. Jen. III, 197*>' Aristoteles und die Vernunft denken aller- dings einen Gott, welcher schläft und den Menschen freie Wahl lässt, seine Milde oder Zorn anzunehmen oder nicht. Aber (199) Gott kann «eine Allmacht nicht aufgeben wegen der Abkehr des Menschen, der Gottlose aber kann seine Abkehr nicht verändern (gegen Erasmua).

2) ed. Jen. III, 228^ (gegen Erasmus) : donandum est saltem non- nihil divinae ejus sapientiae, ut justus esse credatur, ubi iniquus nobis videtur. Si enim talis esset ejus justitia, quae humano captu possit judicari esse justa, plane uou esset divina et uihilo diflferret ab humana justitia. At cum sit Dens verus et imus, deiude totus incomprehensi- l)ilis et inaccessibjlis humana ratione, necessarium est, ut et ju- stitia ejus sit incomprehensibilis.

LUTHER'S DOGMAT. AUSSÄGEN ÜBEH GOTT. 83

aoi TÖcht den cbriatlichen Heilaglauben darbieten könnes, ■mdon lUB einem furchtbaren und dunkeln iEtätsel g«gea- ttberstellen. Der C^ott, welcher sich tataäclüich für die Bafiirlicbe Weltbetrachtung offenbart, zeigt vieliach gradezu einen entgegengesetzten Willen, gegenüber dem Gott, welcher äch in öiristo dem Glauben darbietet „Der Gott dea Sr&ogeliums beklagt den Ted des Volkes, der in eeiner Majestät verborgene Gott beklagt ihn weder, noch hebt er 3m auf, aondern er bewirkt ihn; er wirkt Tod und Leben, alles in allem; denn darin hat er sich nicht durch dos Wort gebunden, Bonden sich vollkommen Freiheit vorbe- balten. ... Er will auch vieles, was er im Worte nicht ala fdnen Willen zeigt. So will er den Tod dea Sünders nicht, nimlich nach dem M'orte, aber er will ihn nach jenem uneribrBchiichen Willen" '). Also diese Qotteser- keantnia, deren Richtigkeit Luther an sich nicht bestreitet, Süd von der er nicht zweifelt, dass sie 1^ ein anderes als du menschliche Auge sich auch in volle Harmonie mit d^a tdigiösen Gottesglauben auflösen werde, ist schlechthin kein fieataadteil unsres christlich«! Glaubens an Gott; )a de wftrde diesen Glauben vernichten, weil sie, ira Stückwerk «rkaant, uns einen schrecklichen Gott vor die Augen stellen mOsste. Darum ist diese Erkenntnis Gottes nicht Sache des Theologen. Schon 1518 sagt Luther: „!Nicht das ist der Kchte Theolog, welcher Gottes unsichtbares Wesen durch die geacba&en Dinge verstehend sieht, sondern wer Gi^t«a lichtbares Wesen und seine Rückseite (visibilia et poste- riora Dei) durch Leiden und Kreuz schauend versteht." ') Zwar meint er, abgesehen vom SUndenfalle hätte der Mensch beständig „speculirt" über Gott *) und im Lichte der Herr- lichkeit werden wir Gott auch s o verstehen *). Aber für die Gegenwart und den christlichen Glauben gilt es, sich mit Entschiedenheit von solchen Versuchen abzuwenden.

l

i) ed Jen. III, ISSt* [geg. f 1) ed. Jea. I, 19 S. I) ErUug. Ausg. 58. S. 9. >) ed Jen. III, 191. 380*-

88 SCHULTZ,

Schon im Jahre 1518 warnt Luther vor den theologi gloiia^ welche mit den Heiden aus dem Sichtbaren Gh)tte8 unaicht- bares Wesen lernen, von seiner Allg^enwart und Allmacht reden und ans Aristoteles lernen ^), und 1520 lehrt er, dass die speculative Theologie, welche ihrer selbst vergessend, dch in das GtötÜiche emporhebt, den Sturz Satans sucht und 'findet*). Und eben so oft als bestimmt fordert er, dass wir Qott, soweit er sich verbeißen hat und von uns nicht gekannt sein will, in seiner Majest&t und Natur zur Seite lassen sollen, als einen, der uns nichts angeht, und nur soweit und so mit ihm handehi, wie er sich in sein Wort gdiüllt und für unsre Verehrung offenbart hat').

Aber wenn uns die rein meti^hysische Speculation nicht zu einer wahren dogmatischen Gh)tte8»dLenntnis föhrt, ist nicht aus der Stinmie unsres Oewisseos und der ent- sprechenden Stinmie des Gesetzes one wahre und frucht- bare Qotteserkenntnis auch abgesehen von CÜiristo möglich? Auch auf diesen Wege finden wir Aussagen über Gk>tt und zwar solche, deren Sichtigkät an ihr^ Stdle Luther nicht bezweifdt Aber wir finden auch so nicht die wahre christ- liche Qotteserkenntnis, sondern ein Stückwei^ und darum einen an sich ädschen Gottesbegiiff, und find^i ihn zu unserm Unh^, also nicht als Bestandteil der christlichen Glaubenslehre« welche die Lehre vom Heil ist Cnser Ge- wissen, das Geseti, und die in menschlichoi G^esellschafis- verh&hnissen geltenden Normen lehren uns, dass Gott ge- recht sei in dem Sinne, dass er nach Vodienst und Schuld lohne und strafe« und dass er daoEizafolge ein zürnender Gott sei gegen die Sündar. In diesen zwei Stücken aber ruht die fslsche unselig machende Rdigkm des Gesetzes. Wer sie in die Glaubenslehre der Cliristen önmischt, also von ihnen aus z. R das Werk Christi oder die Lehren von Rechtfertigung und Busse beurteilt , der weiss vom Christen- tum nichts^ Denn in Christi Kx>euz wiid offisabar, dass

5 «1. Jen I, 1<>. lOi»- i ^ Jrti 11,

f

LUTHER'S IXJGMAT. aussagen über GOTT.

Qott dem sich bekehrenden Sünder nicht ziimtj und daaa die Gerechtigkeit, welche er offenbart, eine völlig andere ist and völlig andere Maasstäbe anlegt, als die justitia distri- bativa. Also die christÜche GotteBlehre hat jener andern tictteserkenntnis gradezu in ihrem Mittelpunkte zu wider- B[»echen. Sie enthüllt uns zu unserm Heile einen ganz ■ndem Willen Gottes, d. h. einen ganz anderen Gottesbe- griff, als die natürliche Theologie des Gesetzes.

Die Lehre vom Zorn Gottes gegen die Gottlosen ist keine ■n sich unrichtige, sowenig wie die Lehre von dem mier- fonchhchen geheimen Gottes willen. Das Gesetz lehrt den Zorn Gotte« '), und darum ist es ein Wort des Verderbens ') anid Moses ein Diener des Todes ^). Es ist wahr, dass Gott die Sünde hasst, d. h. dass der Gegensatz gegen ihn von Sun verneint wird. Und wer eich im Gegensatz zu Gott will und weiss, der ist tatsächlich unter dem Zorn Gottes. Aber dieser Zornwille Gottes ist nicht sein wahrer und wirk- fider Wille. Er wird nur da empfunden, wo sich der Mensch eetbflt Gott gegenüber stellt. Zu seinem wahren Willen, dem Liebe«willen, dringen wir eben nur in Christo hindurch. Alao ist die Lehre vom Zorn Gottes allerdings einer Wirk- lichkeit entsprechend, aber nicht der wahren Gesinnung Gottes, sondern dem Verhältnisse, welches entsteht, wo sich der unversöhnte Mensch in 'seinem Widerspruch gegen Gott empfindet. In der christlichen Glaubenslehre aber ist die Lichre von einem Zomwillen Gottes gegen die Seinen als Sünder ein liilscher und teutiiacher Wahn.

Der Irrtum der Lehre vom Zorn Gottes besteht also darin, daas eine Äeuaserung der heiligen Gottesliebe aufg&- iust wird als Aeusserung göttlicher Lieblosigkeit, weil in einem bestimmten Uebergangszustande beide in ihren Symptomen nicit zu unterscheiden sind. „Gott hasst die Sünde. Aber mit diesem Haas ist stets seine Liebe gegen den Sünder verbunden. So ist der ,Zorn' Gottes nur

i

1) ed. Jen. IV, 3. 395. «> ed. Jen. ], lIOi« ■) ed. Jen. IV, S13.

90 SCHULTZ,

durch die Yaterliebe, welche das Kind züchtigt, klar za machen. In diesem ^Vaterzümen' hat Gott in der Natur ^ue Spur seines Zornes, der ein Liebeszorn ist, hinter- lassen'' ^). Der Zorn ist also die Aeusserung der heiligen Liebe, welche den Widerspruch des Kindes brechen will, und nur darin wirklich sein Ziel hat So ist die Mensch- heit abgesehen von Christus Object des göttlichen Zornes *y Aber des Zornes, der sie zu Christo treiben will'). So zürnt Gott dem unbekehrten Sünder, aber „damit wir nicht in Sünden bheben; denn ohne dies Zürnen würden wir in Sünden umkommen ^)/' So zürnt er dem Sünder, welcher seine Sünde nicht fühlt; ihm stellt er warnend die Bei- spiele seines Zornes vor die Augen ^). Und so lange man auf der Stufe des Gesetzes bleibt, also den eigen^i Willen nicht in Gottes Liebeswillen hingegeben hat, fühlt man not- wendig Gottes Zorn als Zorn, d. L man kann nicht ein- aehen, dass dieses göttliche Zürnen nur Liebe ist, die m dem Sohne treibt; man muss es fUr wirkliches Zürnen halten, und hat deshalb einen ganz falschen Begriff von Gottes Willen.

Li Christo aber geht dieser Wahn unter. Darum ist Christus die Aufhebung des Gesetzes wie der Hölle und des Todes. Für den Christen giebt es kein Gesetz, also auch keinen Gotteszom und 'keinen Tod mehr*). Wer freilich ausserhalb Christi bleibt, bleibt auch im Gesetze und darum im Zorn Gottes, d. h. der nur aus Liebe stanunoidd Zorn Gottes muss ihm zur Unseligkeit werden, imd wenn er im Gegensatze zu Gott verharrt^ auch zum Verderben, wie ja auch das Kind, welches schlechthin der Vaterliebe sich entzieht, dem Gericht ver&Ut, obwohl es immer Vater- liebe bleibt y aus der dieser Gerichtszom stammt Dem

1) ed. Jen. IV, 623 (1545).

2) ed. Jen. I, 535^ ; IV, 328. Erl. A. III, 22 ff. 8) ed. Jen. I, 514.

*) ed. Jen. IV, 623^ ; II, 54.

6) ed. Jen. IV, 376. 513.

6; ed. Jen. I, 527; IV, 52. 52^ Erl. A. IV, 7.

^ctueb's ooouat. aussagen über qott. 91

, d. h. Gott aterben, Gott leben, d. h. dem Ge- •etoe aterben ').

Also die Vorstellung der natürlichen Theologie vom Zorn Gottes ist objectiv eine falsche. Gxttt zürnt nie^ ■oodem er sucht stets dos Heil der Menschen. Aber sie bat ^ne Bubjective Wahrheit Wie das Kind, wenn es den Vaterzom als Feindes- und Ricbterzorn tUblt, wirklich alle U»- •digkeit des Feindes- und Richterzomes kostet und emphnde^ ■0 wird der Wahn von dem zürnenden Qott zur Wahrheit, wo er geglaubt wird, also aui' der Gesetzesstufe. „Wie Du glaubst, so wird Dir geschehen. Jener Gedanke an Gotte« Zorn ist zwar an sich falsch, weil Gott Mitleid verheisst, und doch wird dieaar falsche Gedanke wahr, weil Du ihn für wahr hältst"*). Und wer im Unglauben verharrt, wer «ch durch die Empfindung des Gotteezornes nicht zur Busse, dnrch die wahre Predigt von Gottes Liebe nicht zum Glauben bringen lüsst, der t^t natürhch wirklich unter den Gegen- Mtz Gottes gegen die Sünde*}; dem wird der göttliche Zorn statt zum Heil, zum Verderben, Wer unter dem Zorne bleibt, der bleibt im Tode. An diesem Punkte ist also vor allem deutlich, wie völlig unberei:htigt es ist, in die christ- liche Gkubenslehre Reflexionen über Gottes Willen aufzo- nehinen, welche nicht aus der christlichen Heilserfahrung, sondern aus Analogien menschlicher Verhältnisse hergenommea änd. „£& ist nicht bloss gefährlich, sondern auch

') A. a, 0. Wie oberflächlich nud unbibliseh sich gegenüber djesen Gedankeii die landläufige ..lutherische" Baaslehrc aiiRQtmmt, •U ob Gott ursprünglieh wirklich ein „Geaetaisverhältnis" zwischen mek und den Meiucheii als da« normale gewoUt und nur weil diesei nicht SU redisiren gcwi'aeu sei, dos OiiBdeiiveihiLltnia habe eiutreten luaen, und aU ob die Gnade, um nicht der göttlichen Ge- rechtigkeit etwas 2U vergeben, das „GeHetKesverbältmis" in sich habe aufnehmen und durch eine juristische poena vicaria ■afrieden stellen müssen, das braucht hier nur angedeutet zu wetdeD. Das Alles ist nach Luther erdichtete „natürliche Theologie", weil es nicht aus dem Verständnisse des Willens Gottes in Christo geboren wird.

*) ed. Jen. IV, 378 (das war die Sünde der Meoechheit ed. JcD, I, 507» ).

92 SCHULTZ,

Bchrecklichy über Qt>tt ausserhalb Christi zu denken''^). y^Ich soll ausser dem Menschen Christus und seinem Worte keinen Gk)tt suchen noch finden. Finde ich aber einen ^ so werde ich nicht den wahrhaftigen und rechten Gott, sondern einen zornigen Gott antre£fen/' ^) ,; Unsere G^ danken machen aus Gott ein Phantasma, das uns verschlingen will'''*). „Der , absolute' Gott ist wie eine eherne Mauer. Wenn also ein Türke, Heuchler oder Mönch sagt: erbarme Dich meiner Gott, so ist es, als ob er nichts sagte, weil er den Gott, welchen er nennt, nicht erfasst als einen ver- hüllten durch eine uns anbequemte (nobis attemperata) Person oder Erscheinung, sondern in seiner absoluten Macht, wo not- wendig Verzweiflung folgt und Lucifers Fall vom Himmel " *). Die wahre Erkenntnis des Willens Gottes ist also nur in Christi Heilswerk gegeben. Da lernen wir, dass Gott nie zürnt, in dem Sinne, dass er das Gericht forderte oder gar, dass er feindlich gesinnt wäre. „Zorn kann da nicht vorhanden sein, wo Du den Sohn Gottes für Dich in den Tod gegeben siehst, damit Du lebest" ^) „Bei Gk)tt ist kein Zorn, sondern Erbarmen und Wohltun." ^) „Es ist eine falsche Theologie, dass Gott denen zürne, welche ihre Sünden anerkennen. Denn ein solcher Gott ist weder im Himmel noch irgendwo, sondern ist das Idol eines verkehrten Herzens, weil der wahre Gott spricht: ich will den Tod des Sünders nicht. " ') Das zürnende Herz Gk)ttes ist nicht sein wahres Herz®). Wenn er zürnt, dann verbirgt er sich; da ist wohl göttlich Wesen, aber nicht göttliche Geberden®). "Er will dann zur Busse führen*®). Die wahre zu Grunde liegende Gesinnung Gottes

1) ed. Jen. IV, 474»>. «) Erl. A. 47. S. 344 (1539). ») ed. Jen. IV, S. 344 (1538). *) ed. Jen. IV, 375.

6) ed. Jen. UI, 295»> (1533). «) ed. Jen. IV, 489.

7) ed. Jen. IV, 378. 578 (1538); III, 428 (1534). «) Erl. A. n, 118; ed. Jeu. IV, 646*>.

9) Erl. A. VIII, 157. 162. 10) ed. Jen. II, 54 (1520).

LCTHEB8 DOOMAT. AUSSAGEN ÜBEH GOTT. 93

ist Liebe. Und wer das in Christo erkannt hat, der ist frei Tom göttlichen Zorn '). So haben es auch schon im Alten Teetamente die Männer gefühlt, welche nicht auf dae Gesetz, flondem atif die Verheissung sich gründeten, z. B. David *). „Kar der ist der eine wahre Gott, welcher die liebt, welche gebrochenen Herzens sind, und Wohlgefallen hat an denen, welche ihn fürchten und an ihn glauben"*).

Qftnz ebenso, wie sich fiir Luther der Begriff des gött- lichen Zornes im Lichte der christlichen Heilaeri'ahrung völlig anden gestaltet, als ihn die natürliche Theologie oder die O«eetzeareligion auffosst, ergiebt sich ihm auch die Ab- lehnung desjenigen Begriffe der göttlichen Gerechtigkeit, von welchem die scholastische Theologie und die kirchliche Buss- prxxis auszugehen pflegte. Auch hier verkennt Luther nicht das Wahrheitamoment in der herrschenden Ansicht. Die „Gerechtigkeit" Gottes im Sinne des Geltendmachens der nttlichen Weltordnung gehört zur aligemeinen Gotteserkennt- m6*). Und der Glaube setzt, ohne es im einzelnen nach- weisen zu können, voraus, dass auch die scheinbaren Wider- Brüche gegen die Forderung der sittlichen Ausgleichung zu- letzt auf einer hohen , wenn auch geheimnisvollen Gerechtig- keit ruhen *). Endlich ist das schliessliche Geltendmachen der sittUchen Weltordnung gegen die im Widerspruche mit Gott Beharrenden ein Ausdruck der Gerechtigkeit, die eins ist mit dem götthchen Wesen, also gut ist, so dass auch die Hölle voll des höchsten Gutes ist '}. Also dass der Wille Gottes in seinem geheimnisvollen Grunde schliesalich dem höchsten Rechte wie der vollkommensten Güte entsprechen muss, bezweifelt Luther nicht, wenn er auch diese Ge- rechtigkeit als uns unbeweisbar und verschlossen aus der christlichen Gotteslehre ausschliesst.

1) ed. Jen. IV, 148.

*) ed. Jen. IV, 378i> (1538),

>) ed. Jen. IV, 401 (1538).

1) ed. Jen. IV, 128.

B) a. a. 0.

Jen. m, 228b.

94 SCHULTZ,

Aber die christliche Glaubenslehre hat es mit etwa» ga^ aDderem zu tun. Sie fragt, nach welchem Masastabe Gott g^ Handeln gegenüber der Gbmeine bestbnme, also nach dem Verfahren in Gattes Vorsehung, speciell im christlichen Erlösungswerke. Und da schliesst die Vernunft nach mensch- lichen Analogien, dass „es in Gottes Regnnent müsse ako zugehen, wie ein Hausvater r^ert unter seinem Gesinde, dass er Gesetz giebt und nach Verdienst straft"^), d. h. sie bestimmt den Begriff der göttlichen Gerechtigkeit nach juristischem Massstabe, sei es privat- oder strai'-recht- Kchem , und hält also das ursprüngliche Verhältnis zwischen Gott und Menschen für ein derartiges Rechtsverhältnis.

Das aber ist ein heidnischer, unselig machender Wahn. Luther sieht grade die Ueberwindung dieses Wahns in seinem eigenen Gedankenkreise als den bahnbrechenden Schritt an, durch welchen er zur wahren Religion des Frie- dens und der Freiheit gelangt sei. Er sagt in der Praefatio zur Jenenser Ausgabe (1545): lylch hasste selbst das Wort , Gerechtigkeit', weil ich durch Gebrauch und Gewohn- heit aller Lehrer gelehrt war, es philosophisch von der sogenannten formalen oder activen Gerechtigkeit Gottes zu verstehen, nach welcher Gott gerecht ist und Sünder und Ungerechte straft Ich aber liebte nicht, sondern ich hasste den gerechten und die Sünde bestrafenden Gotf „Endlich verstand ich, dass durch das Evangelium Gottes Gerechtig- keit, nämlich die passive offenbart werde, mit welcher Gott uns Arme durch den Glauben gerecht macht" Das christliche Heilsbewusstsein beruht also nach Luther darauf, dass man das Verhältnis der göttlichen Weltregierung zu der sündigen Menschheit nicht imter den Gesichtspunkt des Rechtsverhältnisses, sondern der schöpferischen Gnade stellt, 80 dass weder von Verdienst, Werken und Würdig- keit auf menschlicher Seite, noch von Rechtsanspruch oder Strafabsicht von Gottes Seite die Rede ist In der Gesetzes- religion ist das freilich anders. Aber nicht weil Gott ursprüng- lich den Rechtsstandpunkt beabsichtigt und ihn erst in Folge

1) Erl. Ausg. IX, 7.

LtrrHEH'S DOGH&T. ACSlueEN ÜBER OOTT.

Miner Vereitehmg mit dem Gaadenst&nd punkte vertauscht kttte, Bmid»ii weil der Mensch auf dem Gesetz esHtandpunkte Gottes wahren Willen überhaupt noch nicht versteht, ja ihn Bicbt einmal verstehen soll.

So heisst es schon 1519 die Gerechtigkeit Gottes wird n der Sclirift fast immer von Glauben und Gnade ver- •tuden" '). So wird Gerechtigkeit und Segnen als synonym anges^en "). Und diese Erkenntnis der G^erechtigkeit Gottes tritt uns in den verschiedensten Schriften Luthers mit immer gkicfaem Nachdruck entgegen '}.

t) ed. Jen. I, 390. ») ed. Jen. 11. 46 (1520).

*) »d. Jen- U, 80* (1520) die Gerechtigkeit irt Gottea Gnade und BKrmhenigkeit , ed. Jeu. IV, 16 (1538). 3Tä>> quia BalTHtorem mittit, profecto ttoa boc taodo juatus esse vult ut puaiat pro merihi sed juatus Tnlt esse et dici ut aguosceutea peccatit juatificet et eorum misereator. 879* justoB , id est nuBericorü. Daas die VerBÖhnmigslehre Lnther'a auf solchen Prtmisteii weder in Anselm'B Sinne, noch in der Weise dei iMidllnfigen Luthertnms vom Rechts Standpunkte aus orientirt. sein kann, liegt auf der Hand. Sic au entwickeln, ist hier nicht meine Aufgabe. Nor folgendes mochte Ich bemerken: 1) Luther sieht Christi Tod oft als satiBfaetio an (ed, Jen. 1, 5. öiS* ; U, 490'' ; III, 416'' ; IV, 44. 338. 392), aber nicht als Genugtuung, deren Gott bedürfte, sondern die er in Christo leistet, als Genugtuung an die Mächte, welche Ixtüchlich die got.tentfi^mdelc Menschheit beherrBchen; Gesetz, Tod^ Tenfel, Hölle, (besondera deutlich Erl. Auag, XV, 57, vgl. III, 22. 23; LI, 366. ed. Jen. IV, 9l)<' ), d. h, ohne Bild als Leistung, welche durch den tatsichh'ch vorhajidenen Zustand der Menschheit bedingt war, der nicht magisch, sondern nur ethiscb verändert werden konnte. 2l Luther redet oft davon , dass Christus in seiner Todesstunde als ron Gott verlassen den Zorn Gottea und damit Höllenpein ge- tragen habe, dasa Gott ihn zum Fluche, zum Sünder aller Sünder gemacht habe (ed. Jen. I, ä24; II, 71 ef. 227—230. 95. b5*> ; IV, 54. 92.94*. HI*. 409. Eri, A. 111, 7; XXX1X,48), Aber er denkt ihn nicht objcctiv ron Gott verlasBen; das Gegenteil beweist ihm die Auf- erstehung (Eri. A. IIT, 390); er trug wie viele Heilige maledictio en- tern« hei benedictto interna (ed. Jen, T, 395), Christus war subjectiv in dienen Zustand eingetreten. Denn dieser Zustand ist der des Ge- eetie», welches den Menschen in Gegensatz zu Gott stellt tuid damit witvr Sünde, Tod und Teufel. Korn Gottes und Reich des Satans sind identisch (ed. Jen. IV, X3, cf. I, 324). Also in diese vier xusammen- bängenden Dinge Gesetz, Sünde, Tod, Tenfel (Zora Gottes) tritt ein,

k.

96 SCHULTZ,

So ist also für Luther der Inhalt der christlichen Glaubens- lehre von Gott in keiner Weise ausserhalb Christi auf dem Wege der Speculation oder nach den Analogien mensch- licher Verhältnisse zu gewinnen. Von den speculativen Wissen- schaften hat er gering gedacht , und die Sorbonne ist g^en ihn die Verteidigerin der speculativen Theologie ^). Aus Christus und seiner Offenbarung, also aus den besonderen Erfahrungen, welche die Gemeine Christi in dem Reiche Gottes macht, fliessen die dogmatischen Aussagen über Gott *). Und wenn die „Vemimft" oder die gemeinverständige Welt- betrachtung solche Aussagen befremdend findet, so ist das nur ein Beweis mehr für ihre Wahrheit; denn Göttliches kann nicht mit Weltlichem congruent sein. Was wir glauben, muss ein Element des „Widervemünftigen^' in sich tragen.

So hat Luther in unzähligen Stellen, welche sich durch seine ganze Schriftstellertätigkeit hindurchziehen, es immer aufs neue betont, dass Gott nirgends anderswo gesucht und gefunden werden soll, als wo er sich an das Wort gebunden hat, dass man von keinem anderen Gott wissen soU, als in dem Herrn Jesu Christo •). Aber wie gewinnt man in Christo eine Erkenntnis Gottes? Die hergebrachte Praxis, indem sie in Christo göttliche und menschliche Natur aus- einanderhält, gewinnt die Aussagen über die Gottheit durch Ausscheiden des Menschlichen in Christus; sie will in

wer in den Zustand der unerlösten Menschheit eintritt (ed. Jen. I, 521 ; 111,304. Erl.A.XV, 76; XVIII, 174; LVIII, 2. 65). Von Gottes Seite sind sie für den Menschen nicht vorhanden ; von Seiten des Menschen Verden sie notwendig als ihn knechtend empfunden. So handelt es uek um eine im Erlöserwerk ühemommene subjective, nicht ohjectiye HSUenqual (ed. Jen. 55i>. 71b. 95b. 223. 227. 229. Erl. A. XXXIX, 48). ST Es handelt sich auch nach Luther um die Ehre Gottes im Ver- «ShDiYingvwerke , aber nicht im Sinne Auselm's, sondern im Sinne des \: Gottes Güte und Gnade gegen uns und seine allmäch- Gewalt wider den Teufel werden durch Christi Werk ge- BMiset und ausgebreitet (Erl. A. XLIX, 250). V TgL ed. Jen. II, 466 ff.

«^ ^ Jai.III, 110: qualis est conscientia, talis est Deus. l^ T,^ 1. B. ed. Jen. III, 288b., Erl. A. L, 183. 205; LVIII,

■1 ± ». UL 119. IBl. 1B2.

ldtheb's doohat. aussagen ÜSEK OOTT. 97

der Loga&lehre den Schlüssel der Gotteserkeimtiiis findeo, d. h. sie sucht neben der Menschheit Christi und von ihr Twvchiedeii noch ein besonderes götüiches Wesen der Person CbrisH „Ich bin auch vor Zeiten ein solcher Doctor ge- wesen", so sagt Luther 1539 '), „dasa ich die Menschheit habe AusgeBchlossen und daliir gehalten habe, ich täte wohl, wenn ich Christi Gottheit und Menschheit von einander achrädete". Abej die IiTtümlichkeit dieses Weges hat er er- kannt, und damit auch den Lebensnerv seiner eigentümlkhea Christologie gefunden. Grade in der Menschheit Christi finden wir seine Gottheit, und nicht etwa erst in der ver- klärten MenscJiheit des Üj-höhten, sondern grade in der Nie- drigkeit, im Kreuz. D a offenbart sich uns der wahre Gott, da treten uns die über weltlichen und weit überwindenden Kiftfte des göttlichen Lebens entgegen. Deshalb bedeutet die conuDunicatio idiomatum bei Lutlier etwas so ganz au- inm ab bei den scholastischen Lebrem und er hat den Aua- druck erst spät übernommen, weil derselbe in seiner herge- brachten Form grade das nicht sicher stellte, worauf ei Luther ankam. Der eigentliche Mittelpunkt seiner religiöaeu Weltanschauung ist, dass wir Gott in Christi Menschheit finden. „In der irdischen Menschheit Christi, in dem Kreuz dei Heilandes findest Du Gott ", das ist es , was er mit dieser Lehre sagen will. Nicht als Fundament Itir die Ubiquität des verldärten ChiHstusleibes , überhaupt nicht im Interesse irgend einer abgeleiteten scholastisclien Meinung, ist Luther'a scheinbar monophjsi tische Christulogic gebildet, sondern sie ist der notwendige und genuine Ausdruck seiner innersten christlichen Frömmigkeit, wenn auch die eigentUche schul- tnässige Ausgestaltung dieser Lehre, wie sie in dem „groasen Bekenntnis vom Abendmahte" vorliegt, den Interessen des Abendmahlsstreites dient und wenig befriedigend ist. Wer Gott in Christus finden will, der muss „daran sich halten, dasB er die Menschheit Christi nicht verlasse und zur Gott- heit allein komme. Sonst fallen wir von der Leiter herab

'J ErL A. XLVII, ;

98 SCHULTZ,

in aller Teufel Namen." *) „Die Schrift hebt fein sanft an und fuhrt uns zu Christo wie zu einem Menschen und darnach zu einem Herrn über alle Creaturen und darnach zu einem Gott. Also komme ich fein hinein und lerne Gott kennen. Die Philosophie aber und weltweisen Leute haben wollen oben anheben; da sind sie zu Narren geworden."*) ,, Christum kennen heisst das Ej*euz kennen und Gott unter dem gekreuzigten Fleische verstehen"'). „Wenn der Er- löserberuf Jesu wohl gelemet und dieses Eindlein in der Krippen gefunden , gesehn und wohl gefasset ist, da wird sichs selbst finden, dass es nicht allein Mariae, sondern auch Gottes Sohn ist, von Gott geboren, ehe einige Creatur ist erschaffen worden " *).

Zwar weiss Luther natürlich sehr wohl, dass die Mensch- heit Christi, als Menschheit betrachtet, d. h. nach ihrer Qualität als weltliche Substanz, auch in einem Gegensatze gegen die Gottheit aufzufassen ist Er hat in vielen Stellen grade diese weltliche Beschränktheit der Menschheit Christi betont und ihr so lange sie irdisch war die Prädicate der Allwissenheit, Allgegenwart abgesprochen, welchen sie erst nach der Erhöhung gleichförmig wird, als aus der „Welt" entrückte ^). Er liebt es, die menschlichen Schranken z. B. des Christuskindes zu betonen ^). Er rechnet diese Mensch- heit Christi in dieser Beziehung wie Taufe imd Abendmahl zu den Larven, unter denen sichGott verbirgt"^).

1) Erl. A. XLVII, 362 (VUI, 157 zu phU. 2). «) Erl. A. XII, 381.

3) ed. Jen. II, 31^ (1520).

4) Erl. A. 1, 334.

6) Erl. A. VII, 185. 196.

6) Erl. A. XLV, 383 ff. ed. Jen. II, 140»>. 169. 171.

7) Erl. A. XLVII, 391. Niemand kann Gott sehen und leben. Darum muss sich Gott verbergen und verkriechen und verdecken, muss sich verstecken ins Fleisch und Blut, ins Wort und äusser- liches Predigtamt, in die Taufe, das Sacrament und Abendmahl und sonst in ander Bildniss, auf dass wir ihn fassen und ergreifen können (1539); ed. Jen. IV, 497 »>. 512 (1540) wird Christi Menschheit mit der Bundeslade zusammengestellt als der certus locus, an welchem Gott sich finden lassen will.

LtTMEH'S DOOMAT. AUSSAGEN ÜBER GOTT,

wie ihm die ganze Crcatur eine Larve Gottea ist •). Aber CliriHti Slenscbheit hat auch eine andre Seile, als die, nach weiciier sie „Welt" ist. In ihrem sittlichen Inhalte offenliart aich eben das göttliche Leben Belbst. Wohl soll der geistige Mensch die Person vom Worte, die göttliche Larve von Ciott selbst untoracLeiden lernen. Aber mir in dieser Larve hat er Gott. Denn in diesem Leben han- delt Gott mit uns nicht von Angesicht eu Angesicht, sondern veriiüllt und mit der Lar\'e bekleidet. Also die Menschheit Chri!<ti bietet una natürlich nicht die Gottheit an sich (abso- lute), nicht 80, wie wir sie erkennen werden, wenn uns die übcrwelUiche Majestät des gutUichen Wesens verständlieh »ein wird- Aber was wir von wahrer christlicher Gotteser^ kenntnis hier auf Erden pewinnen können, das tritt una eben nicht nbsniut entgegen, sondern in menschlichen Formen, in dem mcnacIilicLcn Leben und Werke des Erlösers. Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt dann freilich in Christus alles eine ganz andre Bedeutung fUr den Glauben, als CM lür den Niclitcliriaten hat. „Wir werden also richtiger tun, die Dialektik oder Philosophie in ihrer Sphäre zu lassen und mit neuen Zungen reden zu lernen im Reiche des Ghiubena" *). „Es ist gewiss, dass alle Worte in Christo eine neue Bedeutung erhalten bei denselben Gegenständen. So bezeichnet Crcatur " nach dem Gebrauch der alten Sprache ein unendlich von der Gottheit geschiedenes Ding, nach dem Gebrauche der neuen Sprache ein mit der Gott- heit zu der gleichen Person nul' unaussprechliche ^Vei8e verbundenes Ding " '). Die Menschheit Christi kommt da eben nicht nach ihrer Nnturseite in Betracht, sondern nach ihrem geistigen Inhalt, als ein „giittem Bild"'), wie auch jeder Christ sprechen kann ich bin von oben herab " '). Und

Pt) cd. Ji-n. IV, 33. »i cd. J.n. I, &29V ; IV, Bö. >) «1. Jvu. I, 5^0. Erl, A. XLVll, 391 f. t, tri. A. VII, 190.

fi) Erl. A. XLVIII, 328; XXX, 227. Wenn ich »priiche, iIsm siebt «llcin Cliriitot im Himmel war, da er auf Erdtn ging, «ondem

100 SCHULTZ,

geistige Seite ist die sittliche, in welcher Gottes Wesen wahren Ausdruck findet '). Also wer als ein Christ Oott in Christi Menschheit findiai will, der mus« wifiscn, dass es sich nicht um die Xnturseite dieser Mouschlioit lian- dek, sondern um ihre Eigcn^Krliatit aU Ausdruck des göttlichen Willens. So sind ja auch die christlichen Onadenliandlnngcn nicht mehr weltliche, sondern göttliche Vorginge, eben als Offenbarungsiomien des göttlichen Willens, tt^^'^ ^^ hörest das Evangelium recht gelehrt werden, oder siehst einen Menschen getauft werden, das Sacnonent reichen oder empfahen, oder absolviren, da kannst Da kiüinlich nagen: heut' hab' ich Gottes Werk und Wort gf aalten, ja Gott selbs geh«iret oder gesehen predigen oder

Also durch Christi Menschheit und durch die Betrach- teii|( seines Erlöserbenü's s«ill nuin zu Gott kommen. Denn dbs kab* ich oft gesagt^', so spricht Luther 1530'), „und es noch immer, dass man auch, weim ich nu todt

daran gedenke und sich hüte iVir allen Lrhrem, als die 4w TvmM reitet und tiihret, die oben am höchsten anfangen ü^ Wkrea und predigen von Gott bloss und abgesondert von VWiilk^% wie man bisher in hohen Schulen ^iieculirt und ge- i^rW^ hat mit feinen Worten dn>ben im Himmel, was er sei, ^lakv aad tue bei sich selbs '^ Nicht Gottes imsichtliares %^Mi« ;Miiae Kraft, Gottheit, Weisheit, Gerechtigkeit, Güte w urktnaftta , macht zu einem Christen. Dieser forma Dei ^ tvA iVteas eben entäussert ^), Gott will, dass wir 4iia ^ ^ ^Mtaa servi finden, wie er sich uns in dem ge- ^^44ai^l^a Christus offenbart, in seiner Menschlichkeit^

^^^ .Ht .^^nM«'^ iuhI wir sÜTsiinunt, so wir auf Erden «terblich tiDd, ^«1 jyi CWUtiua glauben.

( ^ \ WX» Ü^L Viisrc ScbwärmcT hoinMüi Geist nicbt ^^^ jllujt oia \\v«HMft« das kein FlciHch und IV*in bat. Durum j»t V' »%^^' ^* ItciÄigkeit, Uoftcbuld bei ibocu nicbt Geist.

N V^ A XUX. »Ji HO (1538).

lütheb's dogmat. aü&saqen über QOTT- 101

Sdiwftche and Torheit '). ÄIbo die wahrhaft göttliche Macht wird in weltüberwindender Geduld und Liebe offen- bar. Vom Leiden der Menschheit Christi kommt man zum LiebeswiUen des Vaters. Da kann man Gott mit Sicherheit mid Vertrauen erfassen, sonst stürzt man in den Abgrund *). „Uebe dich auf diesem Wege, bo ruft Luther dem Theologen m, 80 wirst Du in Kurzem ein tieferer Theolog sein, als alle Sdwlastiker" *). „Dort fange an, wo Christus selbst angefangen hätf nämlich im Leibe der Jung&au, in der Krippe, an den. BrOsten der Mutter. Denn deshalb ist er selbst hemieder- geaüegen in Geburt, Menschwerdung, Leiden, dass er da- dnrch das Aufsteigen in den Himmel und die Speculatioß aber die Majestät verbiite"*). Der Sohn Gottes, einge- wickelt in die Menschheit, das ist der Weg zu Gott *). „Weil Gott nur in den Leiden und im Kreuze gefunden wird, ao kennen diejenigen Gott nicht, welche Christus nicht kennen, wie er im Leiden verboten ist, und sie halten das Gute ^Leiden) fiir böse (Zorn Gottes), das Böse (Werke) ffir gut (Gerechtigkeit Gottes"*}.

Nur im EJreuze Christi ist Gott zu finden. Das Kreus iat allein die wahre Theologie '). Es giebt keinen andern Gott für den Christen , als den der in Marla's Schoss liegt^

') Posleriora et visibUi« Dei. Anch wir sollen ujih solcher formao D«i entiina*em und formas serri annehmen. Wenn wir z. B, Weisheit, Snle, Gerechtigkeit, Keascbheit haben, eo sollen wir sagen, sie aind nicht mwer, sondern derer, welche sündigen, denen wir durch sie dienen «Ollen, indem wir aie Gott für sie darbieten (cd- Jen. I, 171. m*, 1519). Hier blickt also der Gedanke durch, dass Chriati „Opfer" ■1 den Vster eben darin bestand, dass er seine forma Dei nicht für lieh, sODdem im Dienste der Brüder verwendete, also aie für sich selbst ■sfgab. Also die Liebe, Entsagung, Demut und Geduld im Gehoraam dca Elrlöserbemfes ist das . was Christi Leben «n einem Opfer fvx Girtt machte.

•) ed. Jen. 1, 30 (1SI6).

«■) ed. Jen. I, 207»-

•) ed. Jen. UI, 106.

») ed. Jen. III, «G. 436*, cf. 312 fc. 364». Erl. A. XLVII, 3G2.

•) ed. Jen. I, 30 (21) (1518).

1) ed. Jen. II, 58. 74 (1520).

102 SCHULTZ,

und für uns stirbt ^). Niemand soll mit unserm Herrn Grott zu tun haben mit blossen Gedanken; denn das ist gewiss der Teufel *). Hätte er so erkannt werden wollen, wie die Schwärmer, Rottengeister und Flattergeister meinen, welche gern speculiren in hohen Dingen und wollen ein Loch durch den Himmel bohren und ersehen alles was Gott selbs ist und tut *), dann wäre er nicht menschgeworden *).

Und wie findet man Gt>tt im Kreuze Christi? Nicht grob und fleischlich, sondern nach des Geistes und Glau- bens Gesicht^), d. L indem man nach dem, was in dem für uns sterbenden Christus an sittlicher Gesinnung gegen seine Gemeine offenbar wird, auf den wahren Gx>tteswillen schliesst. Weil in dem Sohne durch das Fleisch Gottes Weisheit und Kraft gezeigt ist, schreiben wir Gott Weis- heit imd Kraft zu ®) , also wir schliessen von der sittlichen Hoheit des Erlösers auf Gott zurück. Und wir erkennen im Kreuze Gottes Liebesgesinnung gegen uns, durch deren Gewissheit wir zu seligen Gt>tteskindem werden. „In Christus imd seinem Tode sieht man Nichts als Liebe und Gnade und von einem andern Gt)tt soll man Nichts wissen, von einem zornigen Gott, von seinem Gericht imd Zorn, Höllen, Tod und Verdammnis"^). Am Kreuz wird der schreckliche Gottesname zimi süssen; im Liebes- ratschluss der Erlösung erkennt man erst wahrhaft Gott; jede andere Erkenntnis ist trüglich und falsch ^). Und über diese

1) ed. Jen. II, 253 (1521); lU, 295 (1533). Erl. A. XLVIII, 81 (1532) ; XLIX, 128 (1538).

sf) Erl. A. XLVIII, 333 (1532) (oder was dasselbe ist „ein zor- niger Gott**.)

8) Erl. A. XLIX, 83 (1530) (hinauf in Himmel klettern und Gott Sachen mit ihren scharfen Gedanken und guten Werken XL VII, 9).

*) ed. Jen. III, 295»>.

6) Erl. A. XLIX, 75 (1538).

6) ed. Jen. I, 535.

^) Was vom Zorn Gottes gesagt ist, soll nur zu Christo treiben. Erl. A. XLVil, 11, ed. Jen. 111, 295»>.

8) ed. Jen. IV, 534. 535 »>. 612. 749 *>. 779. Erl. Ausg. XLIX, 76: „Willst Du wissen, wie Du mit Gott daran seist und wie er gegen Dich gesinnt sei oder über Dich denkt, in Summa wie Du zu ihm kommen mögest, denn solches wissen heisst eigentlich,

LirTHEHS DOOHAT. AUSSAGEN ÜBEH GOTT. 103

ErkeDDtnis hinaus giebt bb keine theologiache Aufgabe der Elrkenntnis Gottes ').

So ergeben sich folgende Grundsätze Luther'a für die do^imatiecbe Gotteserkenntnis:

1) Daa innere Wesen Gottes und sein geheimer Wille sind überhaupt nicht Gegenstand theologischer Erkenntnis. Wohl lässt die „natürliche Theologie" uns Gott als den VoUkoinmnen und schlechthin Ueber weltlichen erkennen. Aber sie bringt es nicht über diese Allgemeinheit hinaus, und wo sie ca versuchtj wo sie z. B. über Gottes Gerechtig- keit und Zorn positiv Aufschlüsse aus den menschhohea Uaaestäben zu geben versucbt, da muss sie nach den Schranken der Creatur, speciell der empirischen MenäcLheit ID nnseligmachende Täuschungen verfallen. Die speculative Hethode ist also aus der cbriathchen Glaubenslehre völlig fenBEOschliefisen. Dir Gebrauch ausserhalb des dogmatischen Gelnete^ also zu Zwecken der Apologetik, bleibt dabei un- beatritten.

2) Gegenstand der dogmatischen Lehre von Gott ist der Wille Gottes gegenüber seiner Gemeine, wie er er- fahrungsmäasig auf Grund der christlichen Heilsgeschichte und des christlichen Heilsbesltzes erkannt wird. Also nur in duistus und unter Voraussetzung einer gläubigen Gemeine des Gottesreiches kann die Lehre von Gott entwickelt werden. In ihr ergiebt sich ein ganz andres Resultat, als das der naturlichen Theologie. Der Zorn Gottes gegen die Sünder

den Vmter kennen, so frage uur Dein Herz, noch Vernunft DDd Gedanken, auch keinen Mosen oder auUem Lehrer nicht darum b, (ondem allein Christum." 78: „Das he isst nicht, den Vater er- kanat, so man ihn für eiuca zornigen Richter hält und für Dun tiencht. Ich weisa von keinem andern liott im Himmel und auf ErdED , denn diesen, der also gegen mir redet und geberdet, wie ich in Christo sehe und höre*'. „CbristUB schreckt Niemand und giebt Mb für Dich und mich mildiglich."

') „Im Worte hörst Du nichts anderes, denn; glaub' an mich, du» ich Dir umb Cbrlstus willen die Sünde vergebe und gnädig aei, nad law Dich darauf taufen, sei Vater und Mutter gehorsam und thne «aa Dein Amt und Stand erfordert, so hast Du alles und Gott ■dbi dazu." Erl. A. XLIX, 87 (1538).

i -

104 dCBüLTZy LUTHXR'S AUSSAaEN ÜBER GOTT.

wird Bvm Vaterzorn, welcher das Verderben wenden möchte. Die Gterechtigkeit wird zur weisen Qnade des Vaters. Solche Ergebnisse müssen der Vernunft an sich falsch erscheinen.

3) Die christliche Glaubenslehre erkennt Gott nur in Christo. Und zwar nicht, indem sie in ihm eine Gottheit -neben seiner Menschheit sucht, sondern indem sie in seiner

Menschheit, Niedrigkeit und Schwachheit, insbesondere in seinem Kreuze Gott findet Also der menschliche Inhalt des Erlöeerlebens Christi ist ab solcher auch der Inhalt des Gottssbegrifik

4) Zwar erkennen wir auf diese Weise Gt)tt nicht, wie er an sich und absolut ist Wir erkennen ihn verhüllt tt&d wissen, dass eine Zeit kommen wird, wo uns GK)ttes Wes«» in andrer Herrlichkeit offenbar wird. Aber für unsre irdische Gotteserkenninis ab Christen ist der Inhalt der ittenscUicben Person Jesu das Mass.

6) Gott aber ist in Christo zu finden nicht durch die natürliche oder rein historische Betrachtung seines Lebens und Werkes, sondern durch die gläubige AufiSsissung des- selben, also indem wir die Gesinnung der erlösenden heiligen liebe, der geduldigen Ueb^rwindung des Lddens und der gehorsamen Beru&treue unter dem G^chtspunkte der afi uns verwirklichten Liebesabsicht der Herstellung des Reiches Gottes betrachten. Dann tritt uns das Wesen der Gerechtigkeit, Weisheit, Liebe und Kn£t Gottes in selbst- ofienbarter Form und ab Glaubenserfahrung enigi^en.

6) Für diese Auffassung gewinnt dann allerdings alles Cime ganz andere Bedeutung ab für die natürlich-verstfindige. Das menschlidie Wesen kommt nicht nach seiner weltliclven Form, sondern nach seinem überweltlich-gebtigen Inhalt, nicht in seinem Gegensatze zu Qoity sondern in seiner Gottähnlich- keit in Betracht Das menschliche Leben wird ab göttlichen Inhalts, das göttliche Leben in menschlicher Form vei^ standen. Und in dieser neuen Sprache redet eine Glaubens- wissenRchaft, die von der bloss weltlich -wissenschaftlichen Erkenntnis weder Hülfe bodart' ni>oh Einreden furchtet

Kritische Uebersichten

Ije kirchengesehichtiichen Arbeiteo

der letzten Jahre.

Die reformatioDSgeschichtlicben Arbeiten Eng- lands auB den Jahren 1876—1878').

Von Dr. Sodolf Bnddensl^ in Dresden.

I. > J. B. Brttwer, Letters and Papera, Foreign and Domestic, of the

Keign of Henr'i' VIII. Preeerved in the Publ. Reo. Office etc.

(.RoU'e Serie» vol. IV pwt. III, 1527—1530). London 1876, Long-

maus, Green 4, Co. 1290 S. gr. 8°. 1 N. BmrpBfield, A Treatise of MBnyiQge Oecasioned b; the pre-

tended Divorce of Kiog Henr; 7^ Eigtb from Q Catherine of

Arragon . . . . (It ia a copj of a MS., whose original waa taken

l^ . . , Toplifife out of the house of W. Carter, .... tranacr.

1^ W, Eyaton 1707.) 8. F. dB O&yangoB, Calendar of State Papers, rel, to Negot. betw.

Engluid & Spain. Preserv. at Simancas and elfiewhere. läS7~lG2d.

London 1877, l«ngmana. C A. J. Croaby, Calendar of State- Papera of the Reign of EHxabetb,

1572—1574. Preserv. in the P. R. O. (Foreign. Ser., RoU'b Serie«).

London 1876, Longmans. 629 S. gr, 8", B> B. B. Churdiner, The Personal Government of Charles I. A Hist.

of England ^m the assaes. of Buckingh. to the Decl, on Ship-

Monej, 1628— 1637. 2 voll. London 1877, Looginans. 760 S. gr.8*.

') Vgl. für das Jahr 1875 die Uebeisicht oben Bd. I, S. 597—613.

106 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. I. BÜDDEKSIEG,

6. W. Douglas Hamilton, Calendar of State-Papers of the Reign of Charles J, 1639-1640. Preserv. in the P. R. 0. (Domestic Ser., Roll's Series). London 1877, Longmans. 689 S. gr. S^i

7. M. A. E. Green, Calendar of State-Papers etc., 1649—1650. Pre- serv. in the P. R. 0. (RolPs Series). London 1876. Calendar etc. 1651 .... London 1877, Longmans. gr. 8°.

8. Feter Bayne, The Chief Actors in the Puritan Revolution. London 1877, James Clarke & Co.

9. R. Barclay, The Inner Life of the Religious Societies of the Conmionwealth. 2 voll. London 1876, Hodder & Stoughton. 700 S. 8'.

10. T. Simpson Evans , The Life of Robert Frampton , Bishop of Gloucester, Nonjuror etc. 1689. London 1876, Longmans. 248 S. 8®.

Der energischen Beihülfe, welche in England der Master of the Rolls der vaterländischen Historiographie zu teil wer- den lässt; verdanken die jüngst vergangenen Jahre treffliche Arbeiten über das ganze Gebiet der englischen Geschichte hin; in den ausgezeichneten Publicationen der Roll's Series hat es dieser beneidens- und nachahmungswerte wissenschaft- liche Patriotismus schon seit Jahren über die Ansätze blossen guten Willens hinausgebracht. Hier hat namentlich das ge- botene Material seinen eigentümlichen Wert; denn durch seine bibliotheks- und archivkundigen Mithelfer vermag sich der ebenso einäussreiche als findige Master zugänglich zu machen ; was anderen Männern unerreichbar bleibt Mit ihrem scharfsmnig und methodisch ausgenutzten, oft auch wirkungsvoll gruppirten Materiale sind deshalb die Calendar of State-Papers, die Letters and Papers fiir den Forscher be- reits verheissungsreiche Titel geworden, und wie weit auch hochgehende Erwartungen Erfüllung finden, darauf habe ich an dieser Stelle schon 1876, bei Gelegenheit des früheren Brewer'schen Bandes hinzuweisen Gelegenheit genommen. Der neue Calendar giebt in einer grossen Anzahl von Docu- menten eine ausftUirliche Geschichte der Jahre 1529 und 1530. Die Briefe und Berichte fällen ca, lOOÖ, und der Index ist ein Opus von nicht weniger als 338 Seiten: hier liegt ein Material vor, das auf lange hin fiir die innere und äussere, politische und religiöse Geschichte dieser beiden ent- scheidenden Jalire unentbehrlich bleiben wird ; denn erst aas diesen zum Teil geheimen, zum Teil privaten Briefen der

DK REFORM. -GESCHICHTL. ARBEITEN ENQLANDS.

mehr oder weniger lier vortreten den Actionsraänner gewinnen wir einen Anhalt zu sicherer Charakteristik und aittlicher Ab- tchätzong der am Ausgangspunkte der politisch -kirchlichen Wendung beteiligten Personen; ei-st aus diesen Docu- menten wird sich ein zutreifendes Bild von dem AnteÜ ent- werfen lassen, den Männer wie Thom. Crumweü, John Rüssel, Charles SufFolk, Dr. Gardiner, Brian Tuke, Tayler, Vannes, Albany, Wolsey, Gregor und John Casaio, Campeggio, Glii- nocci, Clemens VII,, Karl V., Erzherzog Ferdinand, Franz I., Karl Buurbon, allen voran der König an der Geschichte jener Jahre nehmen. Das Chai-akterbild Wolsey's z. B. wird om wesentliche Züge vermehrt; der hier veröffentlichte Brief- wechsel zeigt uns den grossen Cardinal verzweifelnd, un- QüUmlich, haltlos sich wegwerfen an die Gnade tief unter ihm t^tehender und von Tag zu Tag flehentlicher um Er- barmen und Rehabilitation bitten ; überhaupt sind iiir den Aiugang des grossen Mannes diese Correspondenzen (Nr. 6203 bis 6204; 6224—6226; 6249; 6260; 6344; 6524; 6554 Iris 6558) von sehr grossem Werfe. Ganz anders erscheint Sr Tb. More in seinen letzten Aenaseruugen an „Mra. Alice", wtne Gattin (vom 13. Sept. 1529, Nr. 5941): fest, männlich and ei^ben in die „von Gott gewollte" hose Wendung. ba übrigen haben wir die Geschichte der Scheidung: Cam- peg^o's ') Mission beendet, das Legatengericht vertagt und Hdnrich mit der Boleyn voll unwilliger Ungeduld über un- geülge Diener und die verzögerte Ausführung des Lieblingsge- danken«. Des Kfiniga Brief vom 22. Octobcr 1529 (Nr. 6016) iO der grobe Ausdruck seines schlecht verhelilten Unwillen» diFfiber, dass die Suche nach seinen Liebesbriefen an Anna in Campeggio's Gepäck erfolglos geblieben, und die Briefe auf anderem Wege dennoch nach Rom gelangt sind. Danun unterscheidet er den Legaten vom Bischo von Salia-

>) Die Cändidatur dieses Mannes für den Stuhl Petri (1523) und nitien Widerstand gegen eiue friedliche Regelung der deutschen Angelegenheiten, als sich allerseits die Bereitschaft daiur kuodgab, Inpricht ein knrzer Aufsatz in der Acadcmy, 6. Januar 18T7, S. 10 Iwr vnpriinglich ein Teil einer Eeceuaion des Brewer'achen Calen-

108 KSmSGHB ÜBERSICHTEN L BUDDEMSIEa,

bary: als solcher sei er sein Untertan, mit dem Sdilnss des Gerichts sei er nicht mehr Legat und habe daher aucb keinen Ansprach mehr auf des Königs Schutz. Heinrich's Absicht auf Scheidung mit oder ohne päpstliche Sanction wird immer klarer; es beweist sie ein mitabgedruckter Brief KarFs V. an seinen Bruder Ferdinand, der ausserdem interessante Be- trage über das Verhältnis ElarPs zum Papste giebi Clemens war Karl's williges Werkzeug und verstand es, den Mantd nadi dem Winde zu hängen ^). Darum protestirt Heinrich, nachdem er in einem anderen Briefe (S. 3056, vgl. auch Kr. 6324 S. 2840) mit beneidenswerter Offenheit die ver* schärfte Spannung zwischen König und Papst unter auB- fbhrlicher Begründung seiner Beschuldigungen dargel^ hat^ gegen eine Entscheidung der Sache in Rom (der Brief kam Ende 1530 in dem geheimen Cardinals-Consistorium zur Ver- lesung und Debatte): Clemens beweise durch seine ganze Haltung seine völlige Abhängigkeit vom Kaiser; ja, Heinrich vergisst sich soweit, dem päpstlichen Orator in Paris eine „un- verschämte Lüge'' vorzuwerfen (die Copie des Briefes in den auf Befehl Philipp's H. herausg^ebenen Libros de Berzosa hat das „impudenter mentiri'' in „magna cum temeritate a£firmare'' gemildert). Uebrigens blieb jene Debatte erfolg- los; Breves, welche Heinrich's unerlaubte Verbindung mit Anna (mit Recht) voraussetzten, blieben unberücksichtigt^ und was die Bulle concedirte, hatte Heinrich bereits ohne Bulle vorweggenommen. Nur den furchtlosen Widerstand der Pariser Universitätsdoctoren mussten sich König und Papst gefallen lassen; und da mag es^Heinrich eine rechte Herzstärkung gewesen sein, an Fox, namentlich an Gardiner geschäftige und ergebene Helfer zu finden; der Briefv?ech8ri zwischen dem Könige und seinem Secretär GhuxUner ist in geschichtlicher wie ethischer Hinsicht von hohem Interesse: hier die rücksichts- und gewissenlosen Chicanen und Intriguen der einen Partei, welche die rasche Entscheidung der great

1) Vgl. Nr. 6759 (S. 3055) vom 6. Dec. 1529: who shows by hiB acts before all the world that he is whoUy devoted to the Em- peroTB will and that he ordains, proYoques and alters things to serre the times.

DIE RKFORH-GESCHICHTL. ARBEITEN ENGLANDS. l87fl-78. 109

«Mue" betreibt, dort geschmeidige und niedrige Äccommo- dation, charakterlose Geschäl'tigkeit und uiimäimliche Selbst- aa%abe genuBssüchtiger Creaturen (vgl. Nr. 6218 und 6247). Auch Repnald Pole bleibt in der Beziehung nicht ücckea- los; in den Monaten März, Mai und Juni wenigstens bat «r «icii an Heinrich'« Gelüste verkauft; er arbeitet mk allem Naclidruck „on theKing's behalt', witbout being asked or ordered by the King" (Nr. 6252), und die BeschlussfasBung m der wichtigen Angelegenheit bezeichnet er (Brief vom

7. Juli 1530) als „nach den WünBchen des Königs". Die gravirenden Angaben dieses Briefes bestätigt auch Harps- field in seinem Berichte über Pole's Tätigkeit in Paria, wo er zwar nicht dii-ect fiir die Wünsche Heinrich's eintrat, aber doch willig die Ausführung „der Sache" einem ihm eng- verbundenen Oollegen überliess. Die (älteren) Beiträge dieses leitgenossiBchen Autors zur Geschichte der Scheidung sind in mancher Beziehung willkommen, sie sind jedoch mit Vorsicht M verwerten. Harpatield, um 1520 geboren, hat neben Sanders und Harding ') als einziger zeitgenössischer Schrift- Keller bisher als beachtenswerte Autorität gegolten ; aber man überschätzt ihn in England. Hier Laben wir die selbst noch in Lee'a neuestem Buche (s. u.) wiederkehrende Fabel von dem Hunde, der infolge eines furchtbaren Fluches eines furcht- losen Mönches des todten Heinrich Blut lecken musst«, um Üin zu einem englischen Ahab zu machen, und ähnliche auf blossem Hörensagen beruhende Sensationsnachrichten, die alle im Charakter jener kritiklosen Tage an sich tragen ; neben

'] Pocock hält das unter Uardlng's Namen laeit Le Grand, Hi«L dl divorce de Henry VIII,, Roy d'Angl , et de Cath. d'Arrag., IC88) gtbende Leben Heinrich's VIIl. für eine Ueberaetzimg HarpgSeld'g; Lord Äcton giebt (in einer Zuschrift an die Acad., 24. Jdiü 1876,

8, 609) aaf Grund eingehender VergLetchungen zwar vielfache, oft fcrt wörtliche Ueberein Stimmungen zu, bekämpft aber die CoDJectur negea der principiellen Verschiedenheit der Ausgaogapunkte beider Aalorea; bei Harding ruht der Qrste Gedanke au die Scheidung auf Niten de* tod vornherein leidenschaftlich für die Boleyn entbranuteo HAuiefa, Harpsfield igt Wotacy verantwortlich und Heinrich zu äum Hume zarten BecbtsgefühlB gemacht (vgl. auch weiter unten

, Qieeo. Hist. of the Euel. PeoDle^.

110 KBITISGHE ÜBERSICHTEN. I. BUDDENSIEG;

dem wirklich Schätzenswerten findet sich viel ungeaichtetes Material; und der Herausgeber hat die Scheidung nicht voll- zogen ; die bekannte Erzählung von dem älteren Wyatt ^) z. B. wird auf die Autorität des Kaufmanns Anth. Bonvise gegeben ; ^^der sie von Leuten hatte^ von denen man an- nehmen durfte^ dass sie den Hergang kannten'^; deren Namen er aber nicht nennt.. Soviel zur formalen Wertung des in dem umfangreichen Schriftstücke Gebotenen. Das Ganze ist eine Rettung More's und des Bischofs Fisher von Rochester, die dem berüchtigten Scheidungsstatut (25 Heinrich VHI.) den Eid versagten: die arragonische Heirat war legal , die zweite und die dadurch bedingte Scheidung also ein Unrecht Dieser Satz wird zu erweisen gesucht durch eine grosse An- zahl mit Geschick herangezogener historischer Facta; mit Berufung auf die Bibel Alten imd Neuen Testaments fuhrt Harpsfield; ,; der letzte katholische Erzdechant von Ganter- bury", in seinem ersten ^ wesentlich polemischen Teile das Königsbuch mit dem erpressten Gutachten der englischen, französischen und italienischen Gelehrten auf seinen wahren Wert zurück (hier ist zum ersten Mal die in der Vertei- digungsschrift verübte Fälschung des Terminus ,, Bruders Gattin" in „cognatam" gegeisselt). Viel weniger glücklich ist H. im zweiten Teile, in welchem er den ersten Gedanken der Scheidung nicht dem Könige, sondern Wolsey zu- schreibt; denn die Begründung dieser Hypothese scheitert einerseits an dem von H. selbst angezogenen Material, und andererseits werden wir ims bei so entschiedenem Frondiren gegen die Hofpartei tun so sicherer auf* die archivalisch be- glaubigten Schlüsse Brewer's in seinen 1875er und 1876er Publicationen verlassen dürfen. Der dritte Teil enthält die Unregelmässigkeiten, die Heinrich's Verbindung mit Anna

1) Wyatt sagt zum Könige: „Sir, lam credibly informed that yova grace intendeth to take to yoor wife the lady Anne Boüeyn wherein I beseech your grace to be weU advised, what jou. do, for ehe is not meet to be coupled with your grace, her conversation hath been so loose and base, wbich thing I know not so much by hearsay 88 by my own experience as one that have had my camal pleasure with her". T. III, S. 57.

DIE REFORM. -GESCHICHTL. ARBEITEN ENGLANDS. 1876-7*. 111

Botern begleiteten {die behaupteten früheren Verbindungen Heinrich'» mit zwei anderen Boleyns , Anna'a Mutter und Schwester [Mary], die Heirat vor der officiellen Verkün- digang der Scheidungsacte) und ihr folgten; es bietet in (Beaer Beziehung nach culturgeachichtlicher Seite Interesse tDooferD, als das künigliehe Beispiel den Niedergang der AU- gemeinsitte im Gefolge liatte, die Ehen oben und unten wankend vmd Seheidungen zur Tagesordnung wurden. Die zweite wesentlich hiBtorische Abteilung ist reformationsge- schichtlich die wichtigste; Lord Acton hat, wohl aus diesem Qronde, ihre interessanten Angaben besonders zusammen- gestellt nnd beabsichtigte deren Herausgabe unter dem Titel ICecellamea '), wie denn überhaupt von den beiden vorstehen- ien Arbeiten eine Flut literarischer Segnungen in Magazines, Qaarterlies und Pamphlets hineingeströmt ist ^).

Mit Brewer hat für die Erkenntnis der beginnenden Eataatrophc Pascual de Gayangos um die Wette gearbeitet Zwar folgt dieser Calendar dem tüchtigen Catalogue of Spanish MSS. at the Brit. Mus. desselben Verfassers in zu kntzer Zeit, als dass sich nicht eine Anzahl Eilfertigkeiten nnd Ungenauigkeiten fänden ; im übrigen aber sind diese doctunentalen Beiträge zur Geschichte der beiden Jahre dem Forscher gradezu unentratbar. Die State -Papere Ga- yangos' bilden den politischen Kahmen um die Scheidungs- praliminarien bis zum Bruche mit dem Papste und gehören deshalb allerdings mehr der Profangeachichte an ; aber über die kirchenpolidsche Mission Campeggio's, über seine Un-

1) Vgl. Acad., 24. Juni 1870, S. 604.

») Ke Church Quart. E«v., Januar 1877, verfolgt die Schei- JQDgi&age ireiter, und die Quarterly Kev., Januar 1877 (WoUey »sd the Divorce of H. VIllJ, aus Brewer schöpfend, aber mit Harps- feld gegen Brewer Wolsey vorschiebend, macht intereBsante archi- nliich-historische Studien über das bezügliche nichtige Decret, das Wm PapBte an Campeggio übergeben, aber verloren gegangen war. Im Vordergrande der breiten Daralellung steht der Nachweis, welch UKbes Spiel Clemens getriebcD: er habe lleiurich den von diesem nwhher xuräckgewiescaen confidentiellen Rat gegeben , die Schei- dwig in seine eigene Hand zu nehmen, Katbarine fortruschicken und *e Boiejn zu heiraten.

\H KBrnSOBS ÜBBRfilCErnEN. I. BUDDENfiDBG,

leüf die Fttdeu des sich entspinnenden S[ampfes in der Band zu behalten, über seine Ergebenheit an den Kaiser, ftber Wolsey's Parteiwerben in Rom und seine Anstrengungeiiy ÜiAvignon ein Condave zu halten, haben wir in den abge- druckten Documenten schätzenswerte Mitteilungen. Die Be- richte Mendoza's, ihres Gtesandten, der unter völliger Vor- Nennung des mächtigen Einflusses Anna Boleyn's auf den sinnlich err^baren König gleich£üls Wolsey ab Anstifter vermutet und einen politischen Schachzug gegen Spanien darin sieht, bezeugen die beginnende Unruhe der Königin: bereits im Frühjahr 1527 ahnt sie kommendes Unglück und sucht unter ihren Ergebenen nach dem Sendboten, der im darauffolgenden Juli ihr G^eimnis dem Kaiser hinter- bringen sollte.

Crosby giebt in 1647 dem Publ. Bec. Office entnom- menen Schriftstücken (es ist lediglich auswärtige Correspon- denz) einen Commentar zu den drei Jahren Elisabeth's 1572 1574, von der Bidulphischen Verschwörung an, an welche sich 3 Jahre verhältnismässiger Ruhe schlössen. *) Die Schwerkraft der politischen Entwicklung haftete in dieser Zeit nicht am englischen Boden; Frankreich und die Nieder- lande waren in den Vordergrund getreten. Der schliessliche Ausgang der Mary Stuart'schen Händel b^innt bereits^ seine Schatten auf die Ereignisse zu werfen. Die Berichte con- statiren die Not Schottlands und die Parteiungen der L<»ds

^) Die Materialiensammlang, die HamUton berauBgegeben hat ^Calendar of State-Papers of the Beign of Eliz., 1&86— 1588, July, preserv. in H. M.'s Publ. Rec. Office, ed. by H. Claude Hamilton, 1878, Longmans & Co.)> ist wertvoll für Spedalforsehmigen fiber die Wechselbeziehungen Englands und Irlands, aber olme Ertrfigms tSat kirchenhistorische Studien; die Mitteilungen gruj^Mren sich um die absolutistische Vice-Regentschaft des ungeschickten Sir John Peirot, der seit 1583 im Amte war. Die Veröffentlichung der gerichtfichen Protokolle aus der Zeit Elisabeth's (Quartär SessiiMis from Queen £Us. to Queen Anne; illustrations of local govermnent & histoiy. Bj A. H. A. Hamilton, London 1878, Sampson, Low & Co.) kommt wesentlich cultiirhistoriscben Interesseu entgegen; kirchenrechtliches bieten sie nur insofern, als sie sich über die staatliche T^>*y»^l^»ig kirchlicher Streitfalle auslassen.

il

DIB BEPORIL-OKSCHICHTL. ABSKTTKN ENOLANDS. 187S-78. 113

(Xn, Nr. 133 ff), welche die Verhandlungen KiUegrew 's mit ixaa Regent of ScotUod über die Auslieferung Maria'a in die Hinde ihrer rebellischen Untertanen zur Folge hatten, „that fhemight be put to death" (XIII). „Die Dinge", bemerkt da- mals KiUegrew, „Beien noch nicht reif", und der Regent und Horton glai.ben an das Gelingen „einer Radicaicur der Grund- (chäden des Staates" (Nr. 613 und 621), wenn man ihnen die nötige Macht ('namentlich das Schloss von Edinburg) in die Hand ^be. Es fehlte aber noch an energischen und ruck- öcfataloaen Charakteren, imd diesen Mangel ersetzte auch der Fall des Schlosses am 28. Mai 1573 (Nr, 1009) nicht Die Erbitterung gegen Maria hatte indessen auch in den Londoner Hiuifiterkreisen P'ortschritte gemacht; man hatte den lebhaften Wunsch, die unbequeme Königin los zu sein, und von allen Seiten kamen vertrauliche und offene Mitteilungen über die beste Art „to settle the great matter" '). Leider ist die Information der State -Papers über die Bartholomäusnacht (AneWert; die [einzigen] Nummern 583 und 584 enthalten

1) Ich mass das Inten^se der Leser der Kürze halber auf die

Ünt. 47 (S.19), 93 {ä. 3a), 114 (S. 37), 6UI, 613 uud Glö Temeisen.

Bt diCKo ■chottiBcheu Angel egeaheiten aiid ihrer seh licasli eben Löaung

Iwebiiftigt sich eiDgebeiid die Biographie Sadleyr's, deren Titel (A Mo-

aoir of the Life aud Times of Ibe I£- H Sir Ralph Sadleir, Knight

Btnoeret; Privj Councillor to Iheir Majeslics Heiir. VIII., Edw. VI.

ud Queen Eliz. für 4U jears; Principal Secret. of State; Ambassad.

IdScot.; «nd aonietiine Ouantjaii of Mary, Queen of Scots; Maat, of

the Grand Wardrobe; Chaoecll. lo the Ducby of Lonc. etc. etc. Com-

fä. from State- Papcn by bis dcscciid. Jlaj. F. Sadluir Stouey, London

IS7T, LongmauB & Co.) voa MitteUutig ireiterer Personalien mich snt-

tiindcn mag. Hier werden die poetischen Schilderungen Scotts über deu

nelgewaudtcn S. (v. J. 16011) crgünit: Sadlcir'a Fübigkciten wurden

ron Meiorich's VIII. Scharfblicke, der sich in tlüuuem eo leicht nicht

liiuchte , entdeckt ; gleich vuii Aufaag fand S. Verwendung fUr

eine Mission nach Schottland im Dienste Thom, Crumwell's; später

gebrauchte ihn Heinrich ohne Erfolg dazu, der Politik Cardinal

Beatun's catgegenzuarbeiteii und die Heirat Prinz Edunrd's (des nach-

berigCQ Ednsrd VI.) mit Maria Stuart wieder zu betreiben. An den

Invaaioneu Heiuricb's und Sunierbet's, uucbher an denen Elisabetb's

nahm er teil und wurde hochbetagt, ehe sie in Amias Paulet'a Hunde

überging, noch ein milder Wächter Maria Sloart's, der am Hofe seine

Uassregcln unersehrockeu, oft herausfordernd, zu verteidigen wusste.

k lalUcht. f. E.-G. IV. 1. 6

tl4t KRITISCHE ÜBERSICHTEN. I. BUDDENSDBG,

nichts Neues; die Königin -Mutter, Monsieur Ta/^annes und Nevers werden als die Anstifter bezeichnet, und Grammont und Bouchevannes (S. 185) als die Entdecker d^ den Huge- notten schuld gegebenen Verschwörung. Das Morden dauerte bis tief in den September hinein (in Ronen bis zum X8. Sep- tember), und eine Liste Gemordeter und Geretteter wird ge- geben.

Um die Person KarFs I. haben auch die vergangeneii Jahre eipie Anzahl wertvoDer Arbeiten gruppirt Die aus- führlichste verdanken wir Gardiner, der auf 750 Seiten die Geschichte der Jahre 1628—1637 behandelt; es ist die Fortsetzung seiner Hist. of England under the Duke of Buckingham and Charles I., 1624 1628, und leitet auf Grund sorgfältig benutzten Materials, auch mit Rücksichtnahme auf deutsche, vor allem Ranke's Forschungen, den Leser vorsichtig und sicher mitten in die mannigfach verschlungenen Wege der puritanischen Revolution hinein. Die Verurteilung Prynne's *), Burton's, der Edinburger Skandal über die Einführung des neuen Prayer-Book sind Gardiner's Ausgangspunkte. In den folgenden neun ruhigen Jahren rasteten die zerstörenden Kräfte nicht, welche das Königtum dem Untergang entgegen fuhren sollten. Gardiner's Hauptverdienst liegt in der Dar- stellung des allmählich sich vollziehenden Stimmungswechsels, und in der Tat ist für eine richtige Erkenntnis der nachfol- genden Sturmzeit das Verständnis der vorbereitenden Jahre unentbehrlich. Karl, Laud und Wentworth sind die Haupt- persönlichkeiten. Gardiner bemüht sich nach eigenem Ge- ständnis *), to understand the strong points in the case of the king and the weak points in the case of his opponents, und gleich die ersten 80 Seiten lassen erkennen, dass die Verantwortung für den folgenschweren Bruch von 1629, dem noch schwereres folgen sollte, nicht auf Seiten Karl's, sondern der Puritaner im Unterhause liegt. Das Parlament

1) Ueber die letzten Jahre dieses Maiines ist viel schätzenswertes Material in dem Calendar of State-Papers des Jahres 1651 von Mrs. Green (s. Nr. 7) enthalten.

>) Vgl. I, X.

DIE KEFORH.-QESCmCHTL. ÄHBEITEN ENGLANDS. 1876- TB. 115

nid seine Entscheidiingen waren mächtig beeinSusst durch dwolugische Parteistell mag. Denu das Beatimmende in der Haltung der Puritaner war keineswegs Patriotismus: sie waren vielmehr erst Puritaner, dann Patrioten, und folge- richtig brachte kein rein politischer Act, etwa die änanziellen KUssregeln, sondern nehen den conatitutionellenBefiirchtungen die königliche Declaration über die 39 Artikel die achlum- memden Kräfte der Volkssele in die Fieberhitze rcligifiser Lädenschaft. Als Karl fiir die Schiffe- und Pfundgeld - Bill Gardiner weist hier zum ersten Male nach (II, 203 bis !04; I, 12, 44), dass das Parlament vielmehr ein constitu- tionellee, als volkswirtscbaftliclien mid tinanzielles Interesse ■n der Bewilligung hatte im Parlament die Dringlichkeit crint. antwortete man ihm mit der Behandlung der Vor- •cUSge des CJomitös für die relie;i«sen Fragen; es folgte Ideraof eine weitere Resolution über die 39 Artikel und die Hftseregela gegen die Jesuiten und Arminianer, und „deren Annahme bedeutete nichts anderes als eine Kriegserklärung gegen den König". Bei alledem ist Karl voll guter Ab- sditen und grosser Pläne, ein imponirendes persönliches Re- pment mit einer beratenden, aber nicht controlir enden Volks- Tertretung sein Ideal; sein Wankelmut, seine Eitelkeit, seine Unehrhchkeit und Unverlässlichkeit selbst Freunden gegenüber treten klar hervor. Vor den einseitigen Auflassungen Land's durch Neal, Macaulay^ und Masson zeichnet sich die ßudiner'eche entschieden aus; trejlicli an einer rücldialta- lown Bewunderung , wie die vom Geiste objectiver Öe- Mstdchtsbe trachtung unberührte Auflassung des Dean Hook se verrät, hindern die unerbittlichen Documente. „Ein nachtemes Urteil über Dinge der Doctrin, verbimden mit emer unbegrenzten Ehrerbietung für äussere Formen, ein voll- ifindiger Mangel an gemütvoller Teilnahme, ein schnelles, rdsbares Temperament machte Laud zum schlechtesten Primaa der Kirche in dieser kritischen Zeit" (II, 4), Er war „ein Mann, der alles Ueble, aber leider auch Dinge bekämpfte, <lie nur in »einer eigenen Einbildung übel waren" (U, 225). „Das Heilmittel für die lioliäden der Zeit war in der Frei- heit zu suchen, und über den Wert der Freiheit war Laud

1J4 KKITIJi^-IIKiBEKSIC-HTES. I. V

«irl.tH Sm'^.\ 'IJ': Königin -Mutter, M N..,v.:rH w.!nl.;n aU du: Anstifter bez.- i,t.<l |^,ii.h.-,v!iiin<;H CS. 185) aU die K notU-n B.,hui«l i:y.vi'-\>':wtn Verschwörui. hin ü<-r in 'l«n September hinein (in Uwih>-r), nu<\ «:""• i^'Ht« Oeroordetcr

Hin a'H^ IN^rrfon KarFs I. hab« Jiiliiv nlnr Anzahl wortvollor Ail> rhlirlirliKli' vrnlunkon wir Gardi ,Un (Jrm'liiclil«^ *Ut Jalirc 1628- i KnrlMot/uii^C st'inrr llwt. of Eii^ Hm'kiu^^mm and ('Imrli'» I., 1024 Horj;Oiltij; honut/tou Materials, a- amilsoho, vor allein Uniike s Fors' und Hiolu'r \\\\\W\\ iu dio mannijr purilauii^oKon Kovolutioii hinein lUirtons. dor KdiulmrgiT Skai uouow Prayor IWk sind Oan' toljixM\do\\ noxm rnhis^^i Ja! Kvi\Uo uioht. woWho das Kön- TuhiNM; M>lltou. Vi:u>Uuer* 1 Mk^Uv.v.?; dos rtU\n,^luioh *ieh v.v.;^ .-.x d.'v V:it iM tur ein- j;vv.,l.v. >V,:v:u:x'/. vIas Vor>

l;Ä-.l^^^ *. "i^^ ;-Aor^rtÄn

:';nen j.lnto- rstandes- •.*i". Diese i.'likirche ao laerikaniBchen .ircht dififlelben kente der Unord- ieimat aosrottieii^ :;ung erbringt Ghr- :: des groaaen n Apo- iohNeuea. OhneVor- LTeretteleii leigt er die \\ 0|i|iuiitkinqp>riiiineii- '.sildhnt Bch an Irland

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.igt^nden Staatsrat , endlich seine

10^000 pro Monat um den Preis

lies beweist^ nicht nur dass ^^die

-. wester in die Pfalz EarUs einzige

iidern auch ^^dass er eine auswar-

icht hatte ^'; indem er ^^sich selbst

t<.'ri Mann zwischen interessirten Strei-

. , dem einen oder andern seine Hülfe

..-ieht auf den inneren Wert des Streites,

.^ciiien Zwecke zu dienen sich anbot"

n, je reservirter Karl sich den Schweden

so lauter brach der protestantische Jubel

-^ Erfolge am Lech und in Bayern aus.

.wurden in England mit unbeschreiblicher

•>inmen; sie waren wie ein Frühregen im

j gekommen" (I, 239); man wünschte^ dass

. ^^chlachten schlage und Städte erobere, so

es im A. T. von Josua lesen, dessen Nachbild

<t". £^e mächtige Partei jubelt dem Schweden

/.\i, je mehr sie sich ihres Gegensatzes zu Karl

i , so dass innere und äussere Verwicklungen

immer unentwirrbarer schürzen ^). Eine Art

>e ganie Haltung des Königs und Laud's den treibenden

ifs religidsen Gedankens gegenüber bestätigen nun auch

. ältezea) Memoirs of Panzani (publ. by Berington), auf

:irdiDer in der Acad., 1. Juli 1876, S. 10 aufmerksam macht.

ten weist wie Laud, so auch Juzon den roten Hut zurück ; der

verweigert PlAiani als römischem Unterhändler die Audienz,

r Zweck seiner Ifission, der Uebertritt Karl's und seines Hofes,

.t war. Abgesehen von Con's Berichte wird die Existenz dieses

« auBdrficklidi und ausschliesslich durch diese Papiere Panzani's,

iue Zeit lang an KarYs Hofe lebte, bezeugt. Windebank, Cot-

..-Ton und Bischof Montagu Hessen sich auf den Plan ein; das Abend-

■lA sab ntraque, die Messe in der Landessprache und Aufhebung des

'Libatfl waren die englischerseits geforderten Zugeständnisse; Montaga

ttte lelbet gegen römische Jurisdiction nichts. Aber weiter kam

li^an meht; Karl hielt sich reservirt, doch nicht ohne Sympathien für

die Wiederrezeinignng , wenn nur der Papst zu ihm kommen wolle,

nicht amgekehrt er zum Papste. Aber obgleich er selbst nichts that,

(t

ij

118 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. I. BUDDENSIEG,

Fortsetzung zur Geschichte der neun Jahre Gardiner's liefert die von Douglas Hamilton herausgegebene Domestic Series

erregte die Sache doch Aufsehen m einer Zeit leidenschaftlicher reli- giöser Erregung und eifersüchtiger Verteidigung der persönlichen Gewissensfreiheit. Und als durch die rastlose Tätigkeit einer Nichte Buckingham^s, einer Mrs. Porter, in den nächsten Hofkreisen Conver- sionen zustande kamen, erzwang Laud vom Könige eine Proclamation, um dergleichen gefahi'liche Skandale zu hintertreiben. Interessant und charakteristisch ist die Darstellung der religiösen Strömungen des Volkslebens in einem Berichte Panzani's vom Jahre 1633. „Die Här retiker zerfallen in zwei Hauptsecten, Puritaner und Protestanten. Der König imd der grössere Teil des Hofes sammt den Bischöfen, mit Ausnahme Durham*s, Scdisbury's, Rochester's und Elxeter^s, ge- hören zu den Protestanten ; die Puritaner . . . sind grösser an Zahl und feindlicher den Katholiken. Einige der gemässigteren Protestanten sind den Puritanern besonders feind und hassen sie mehr als die Ka- tholiken ; einige von ihnen sagen, dass sie auf irgend eine Art eine Ver- einigung mit den Katholiken wünschen, um die Puritaner niederzu- halten. . . . Täglich kann man unter den Protestanten wichtige Ver- änderungen bemerken, nicht allein wenn man die jetzt veröfientlichten Bücher mit den früheren vergleicht, sondern auch in ihren Predigten und ihrer ganzen Haltung. In öffentlichen Predigten vor dem Könige und dem Hofe nehmen oft die Redner keinen Anstand, das Schisma mit Rom zu verfluchen und einen gemässigten Katholicismus zu preisen, indem sie zugleich den König zu milder Behandlung der Katholiken ermahnen. Auch scheuen sie sich nicht, sich katholischen Dogmen zu nähern, indem sie die Ohronbeichte , Verbeugung beim Namen Jesu dem Könige und den Kirchen anempfehlen; beistimmend pre- digen sie über die Verehrung der Bilder und Altäre in katholischer Weise, sprechen freundlich von dem Papste und der Kirche von Korn, von dieser als der edelsten und ersten Kirche, von jenem als dem Patriarchen des Westens, dem sie als solchem auch ihren Grehorsam nicht verweigern. Sie weisen es femer nicht von der Hand, Vor- schläge zur Wiedervereinigung anzuhören, und drücken den Wunsch aus, sie möchten auf seiten der römischen Kirche die entschiedene Bereitwilligkeit sehen, sich zu ihnen mid ihrer Schwachheit, soweit das ehrlich geschehen könne, herabzulassen" (111,85 86). Hieraus er- sieht man, wie sehr Gardiner Recht hat, wenn er, wie oben (S. 115) bemerkt, auch das politisch parlamentarische Leben zur Zeit KarFs als von religiösen Strömungen wesentlich beherrscht darstellt. Der Einfluss, den in diesem Stadium die Königin Maria Henrietta auf den König ausübte, ist geschildert in einer Art Republication des Comte Baillou, der den vor einigen Jahren veröffentlichten Brief- wechsel der Königin »ims im französischen Gewand giebt (Henriette-

DU BraVBM-.-OE6CHICHTL. ABSEITEN ENOLABDe. ISTG-

iv-T State-Pßpera, welche uns wichtige Beiträge zur Stimmimg ^ Volkes und der Lage des Landes in den Jahren 16'3& and 1640 giebt. Die Spannung zwischen der königlichen und oppüsidonellen Partei beginnt hochgradig zu werden. Jena Clarendon-Tage, when loyalty meaiit no härm, zeigen ein- mal recht deutlich, welchen Hochdruck hämiBcher Verfol- gungen und unverständiger Regierung die ihrei- selbst noch unbewuBste Volkskraft auszuhalten im Stande ist. Der König zwar handelt bona fide, aber er ist schlecht bedient. Der schottische Handel mit Patrik Euthven und Lord Ettrick reiht an die Irrung die Enttäuschung; die spanische Flotten- sngelegenheit, vor allem die indiscretelliibsleistungPennington'a US die Katholiken wirft ihre Schatten weit in das protestan- tische Land. Das Geld ist knapp, Steuer- und SchiSsgelä machen um so böseres Blut, je mehr (Jeiatliche und Richter

U&rie de France, Reine d'Aogl. ; Etndc bistor. par le Comte de Baillon, tmjw de ses tettres in^ditCK, Paris 1877, Didier). Im. übrigen fügt die Hueite Yeroffi^ntlichuDg der Panzani - Dcspatches aua den römischon Archiven durch Rev. J. Stevennoii [vgl. Gardiner a. a. 0.) dieaen Memoiren nicbtB bemerkenswertes Neues hinzu. Eine documentara DiTBiellung dieser Periode, in der „England Bcioe Verbindung mil Rom infgsb und aufhörte, eine katholische Nation zu sein" (I, 3. 6), giebt Miliare Brady in seinem Buche Epincopal Succession in Engl., Scotl. and Ireiaud, a. d, 1400—1875 [Home 187«, Tipogr. della Pice). Für unsere Uebersicht kommt Ton dieser auf den einschlägigen förniicheo Conaiatorial - Äcteu beruhenden Arbeit nur der zweite und dritte Band in Frage. Der zweite enthält die päpstliche Bulle über Cruuner's Excomtnuaication und Absetzung (S, 318) vom 4. Decfar. 1^5, die Ernennung Pole's zu seinem Nachfolger und diejenige Peto's nun Legaten. Noch am 8. Juni Ibüb stellte ein Bericht aus Eng- Itiid ans römische Consiglorium die Zeitlage so dar, ab ob England ßr Rom noch nicht verloren sei, weun Elisabeth einen Katholiken hurate; sie fange bereits an. die Katholikc» milder zu behandeln. D«r dritte Band giebt die Doeumente der bischöflichen Succession Ton 1585 (vom röm. Cardinal Allen bis 1876); es sind deren nicht viel, M iIbm die Arbeit des Herausgebers in den verbindenden biogra- ptuEcben Partien mehr mr Geltung kommt. Die Untersuchung über Matthew Parker's legitime Succession auf Pole ist abgeschlossen; auch Bisdy giebt nichts Neues zur Frage; auch er sieht die legitime Con- Mcntion Parker's trotz aller zuzugestehenden Unregelmässigkeiten als UNer Frage stehend an.

120 KBITISCHBOBERSICHTBN. L BDDDSlffilBO,

auf ihre Exemptionen pochen, die Zahhmg Yerweigem und sa gleichem üngdiorsam auffordern: auf diesem dunklen Hintergrunde wagt die hochkirchliche Partei xmter dem Erz- biflchof Yon York einen rücksichtaloflen Kampf gegen den erwachten puritanischen G^eiBi Zwei H&retiker, Wightman und Trendall, büssen ihre Ketzereien auf staatskirchlichen Scheiter- haufen; Willkürlichkeiten xmd Gewalttätigkeiten der Geist- lichen folgen in stetem Wechsel, eine scheussliche Spionage wird kirchlich betrieben, xmd ein Denxmciantentum tritt uns in diesen Documenten en%egen, das nur von den jüdischen Yerieumdnngen der römischen Elaiserzeit übertrofien wird. Für die geringfügigsten, oft fBurbloeesten Aeusserungen be- wusster oder xmbewusster Kritik öffiiet sich Ghrossen und Kleinen, M&nnem und Frauen das hochkirchliche GteflJngnis, Vcm gesetzmfissiger Anklage und l^aler ErftÜlung der pro- oessualen Formen fiurt nirgends eine Spur, alle dem gegen- über aber eine tiefe Verderbtheit des herrischen, selbstsüchtigen und xmduldsamen Staatsklerus, die sich bis zur Empftng- Hchkeit ftur die klingende Bussmünze und bis zu den schmäh- lichsten Ausschreitungen vergisst Da wendet sich naturgemäss alle Hoffimng der unterdrückten Puritaner den kommenden Pailamentswahlen zu, und beide Parteien ringen am Schlüsse des Calendars mit gespanntesten Kräften um die Majorität Auch die beiden Jahre 1649 und 1650 haben durch Mrs. Green eine Darstellung in Documenten geftmden. Die Ge- witterschwüle ist vorüber, Karl's Haupt in WhitehaU ge- fiHen '), Cromwell beherrscht in Kri^ und Frieden in Ir-

1) Den Verlaiif dieses Kampfes giebt wie mir sdieint, mit gerechter mid onparteiisclier Wfirdigimg des Anteils Kari's an dem- selben — die Entwicklongsgesckichte der enropäiscben Demokratie von Maj (Democracj in Emopezahistoiy. BySirThom. Erskine May; K. C. B., D. C. L. 2 ToU. London 1877, Longmansl Die politische Entwicklimg wird sa einseitig betont; sie beeinträchtigt das eigent- liche Thema, und insofern hält Ma j nicht, was sein Titel Terspricht. Er konmit sa dem Schlosse, dass nach den Prine^en der späteren Rcto- hitkm Ton 1688 Karl*s Absetzong correct gewesen sei; ön Yerbrechen aber sei seine Hinrichtung als Verräter. Die VerantwcMinng for den Burgerkiieg £üle sa gleichen Teilen dem Könige mid dem Parlamente

UE REFORlL-OEaCHICHTL. ARBEITEN ENQIiANDS. ISTt— TS. 121

knd und Schottland, im Temple und St Stephen'« die Situa- tion. Eben beginnt England dem züruenden und erstaimten Europa das Bild einer gedeihenden Republik zu zeigen und unbekümmert um Beifall und Hasa das grosse Einigungawerk in das eine English Commonwealth zu vollziehen. Während wir an der Hand der Documente des Calendar es iat cme Art von Auszug sämmtbcher „Tagesordnungen des Staatsrats" dieser Jahre den einzelnen Ereignissen folgen dürfen, giebt Mrs, Green in ihrer Vorrede eine kurze DarBtellang der Zustände der beiden Jalu-e, die Zusammen- tetzung, aämmtliche Personalien und die Geschäftsordnung des Stutarats, die Comitöeinteilung , die Zeit seines Tagens, und lelbst solche Formaben wie die Anzahl der Sitzungen, die PrSsenzen und Absenzen der Mitgbeder bat sich die Ver- &Kerin nicht erspart: es ist eben ein specifisch englischer GotbuHtaHmus, der immer wieder zur Untersuchung der glo- lians rebellion und des rasch verblühenden Commonwealth toruckführt und den sichtenden Blick für den Weizen unter dw Spreu vielfach verloren zu haben scheint. Der Calendar des Jahres 1651 giebt uns nun schon die unerquicklicheren Bilder des raschen Verblübens, die ganze pohtische Misere nner argwöhnischen und an die Kleinlichkeiten des Lebens verkauften Regierung. Das Rumpfparlament wird immer mehr zu einem blossen Mummenschanz C'romwell's; machtlos, illF Misbi^uche auszurotten, und ohne eigene schöpferische Qestaltungskrat't, durch seinen rücksichtslosen Bruch mit der Veigangenheit ohne Garantie für eine glücldichere Zukunft, beseitigt es allmäbhch die Errungenschaften, die jener mäch- tige Aufschwung des republikanischen Gedankens zuwege ge- bracht ^

a; beide Parteien kimpfICD and nnterhajidelteii mit einander ; scblieu- Ikb genan dm> Puiament, der König wurde GefangCDer desselben, ■bet KriegBge&ngene tÖdte man nicht. Karl's Ulnricfatong sei ein let piriiÜKbeT Bache, entscboldigt weder durch die hScfast Bubjectiveo Binweiie religiöser Enthnsiasten sttf soge-nanate göttliche EUngebuDgen ■Mh dadnrcb dasi man durch jenen Act alle politische Gefahr vom fHuU meinle abweaden m könocii.

Iti KRITISCHE ÜBERSICHTEN. I. BUDDENBIEO,

^In dramatischer Methode'^ sucht Bayne eine Schil- daning dieser ganzen Zeit zu geben^ indem er an einer Reibe ¥orzug8weise Beteiligter die ereignisreichen Jahre des puri- tuiischen Aufschwungs und Niedergangs uns darstellt In- dem ich eine Anzahl der am Drama dieser Periode Betei- hgtßn auswählte; habe ich versucht; mich selbst in ihre Lage n denken, mit ihren Augen zu sehen u. s. w. Sollte ich dabei öfters inconsequent in der Aufstellung meiner Ansichten erscheinen; nun, so schiebe man das auf die dramatische

Methode Die Urteilsfähigkeit; die für jeden Historiker

war Entscheidung geschichtlicher Fragen unerlässlich ist; hat indessen nicht vollständig brach gelegen (has not been c^NBipietely suspended) '^- wir haben also ein Geschichtswerk wie die vorher besprochenen nicht zu erwarten. Das Buch ist aiudehend geschrieben; in kurzer ; gedrungener Sprache; «ber mit puritanischen Vorurteilen; ohne einen Ertrag fiir ynorische Forschungen im besonderen zu geben. R Barclay^ ^fatf^eg^n hat auf Grund der eingehendsten archivalischen S^tiidien und einer seltenen Bekanntschaf); mit der einschlägigen fltt^^briften-Literatur in seinem postumen Werke eine fleis- $M»^ ÜtHiisinnige imd schätzenswerte Untersuchung der religiösen i«^«<»liUchaften aus der Blütezeit des Puritanismus mit beson^ ^^M^ Borücksichtigung ihres quäkerischen Elementes ange- Mtttt Er verfolgt den Strom freien religiösen Lebens in y^tfLkiut vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis zur G^gen- w^üTt ttiid* ohne sich in politische Untersuchungen einzulassen; W^AVKMt er die Beziehungen des Quäkertums zur Kirche ^jyoi MHioron religiösen Gemeinschaften, sowie die Principien ijbtfv«^ iMickherigen Erfolges und Niederganges. Die Erstar- rtitt^ dt^äi l\iritanismus imd seine wortreiche Flachheit er- *iiar\'u ^v*«^ Verfasser lebhafte Angriffe, wobei auch gelegent- 'k;> Kx^harii Biixter's Einfluss und Persönlichkeit in einer voa icr «Riditionellen Auffassung abweichenden Weise be- >^»i*v^K»r, wini Die Darstellung der grossartigen Persön- \a.v^: ^'vvnr Fox', seiner Lehr- und Predigttätigkeit ist der .*..^. .."xt dos Buches; seine feste Haltung gegen den An- .., .^^ .lv\>^T. ebenso niedriger wie kleinlicher (die Frage der * , .. V --s^Atou z. B. betreffender) Verhältnisse; seine Nüch-

DIE REFORM. -GESCraCHTL. ARBEITEN ENGLAKDS. 1876— 78.

tavnlteit unter dem Enthusiaamu» schwanngeisteriecher und destructiver Ideen (James Naylor}, die Abweisung aller pantheietischen Gedanken (auf seilen der Kanters und Seekera) imd seine Gewandtheit in der Controverae erfahren die ein- gehendste Würdigung; dasselbe gilt von der kräftigen Mit- hülfe, die Fox von Rob. Barclay empfing, „der in Wort und Schrift die Principien des Kirchenregiments der Freunde der- gestalt zu verfechten wu»ate, dass seine Nachwirkung heut« noch verspürt wird". Aber das Quäkerhun ist im Niedergang; nachdem es eine Periode des raschesten Verfalls (1727 1753) durchgemacht, sind die 60,000 Mitglieder vom Jahre 1700 jetzt auf 17,000 henmtergegangen. Diesen Verfall hat weder eine „Lehre, die seit lUO Jalu-en nicht reiner gedacht werden kann, noch der allerregste christliche Liebeaeifer ^ nnd Ernst, weder die opferfreudigste Hingabe an Gemeindo- nnd Idrchhche Zwecke, noch „eine dm'chaus demukratischs Verfassung" aufhalten können; viebnehr liegtm nach Burday die Bedingungen des Rückachrittes in der rücksichtslosen An- wendung der staatlichen Khegesetze, der Uniabigkeit der Qoäkerscbulen, Propaganda zu machen, und namentlich den düettantenhaften Versuchen der einst so eHbIgreichen Laien- predigt, „an denen die Gesellschaft der Freunde habe schei- tern müssen" '). Den tiefgreifenden Einfiusa eines echten Predigers, eines der grössten englischen Kanzelredner auf die ^ oben besprochenen folgende Zeit hat uns Evans ge- •diildert in seinem Loben J^rampton's, indem er interessante Uemoiren eines Zeitgenossen über F. veröffentlicht; wir ersehen damus, dass die Bedeutung des Nonjuror erst zur Geltung kam, il«die relipös-politischen Stürme sich gelegt hatten (von 1666 tt), da seine royalistische Freimütigkeit ihn den Führern des Commonwealth verdächtig gemacht, und er infolge der An-

>) Die voD S. Harris & Co. unter dem Titel: „FacBimile Copies olOtig. Letters, writleu by Will. & Honuali Penn", gedruckten Brie£a I sind eine literariBche CuriositSt, fiir die Gescliiclite iles Quäker- kaam tob Bedcutuug; TrcuigEtcnn sind die Verfolguugeij , auf I de wiederholt Bezug nehmen, echon aus anderen QaeUen

124 KBmSCHE ÜBERSICHTEN. L

femdongen und dem Drängen seiner Freunde nachgebend dus Land auf 15 Jahre verlassen hatte ^).

0 Die Arbeit Birchairs: „England ander the Revolution and the House of Hannover, 1688—1820'' (London 1876, Hejwood) gehört unBerer Periode nicht mehr an. Die innerkirchliche Ent- wicklung des reformatoriBchen Staatskirchentums von den Auf- gängen des 17. Jahrhunderts an hat eine interessante DarsteUnng gefunden in der gemeinsamen Arbeit Abbey's und Overton^s: ^The English Church in the 18^ Cent.ury", 2 voll. (London 1878, Longmans). Die deistische und methodistische Bewegung (Weslej) sind die beherrschenden Ausgangspunkte der ein umfimgreiches und gesichtetes QueUenmaterial bietenden Arbeit. Nach dieser Seite hin ist das denselben Gegenstand behandelnde Buch von J. Stoughton: „Religion in England under Queen Anne and the C^eorges, 1702 1800 ''y , 2 voll. (London 1878, Hodder & Stoughton) mangelhaft £s ist eine Schilderung des geistigen Lebens in England, deren Wert nicht so sehr in der Tiefe der Studien und in eindringender Gtedankenschärfe als in der geschickten Ordnung des Materials liegt; diese kirchengeschicht- liehen Partien harren, auch nach dem bekannten Buche von Leslie Stephens noch ihrer Darstellung.

(Schluss folgt.)

ANALEKTEN.

Die Christen -Inschrift in Pompeji.

Lic. yictor Schnitze in Leipzig.

Kne im Jkniui 1S32 in den Kuinen von Pompeji anfge- fmdene, von den Akademikern von Herkolaneum (Anüchitä di Bnolano, 8. 2191) Terzeichnete altcb ristliche Lampe Tsranlaaste in J&hre 1856 zuerst den Jesuiten Garrncci zu einer Unter- nthang über Spuren des Christentums in Pompeji '). Indem der- Nll» jene Lampe mit Kecbt fQr ein von Bp&tern Nachsnchern in & Stadt verschlepptes Monument des vierten Jahrhunderts nnd dtibalb für beweisun&hig in dieser Frage erklärte, sprach er aus, iiu zwar bisher kein der alteu Stadt an^ehöriges, auf die Chri- ittn beiQgliches Denkmal bekannt geworden sei, dass aber die Hoffaong, es werde fortgesetzten Auegrabung'en und Forschungen gilingeu, ein solches aufzufinden, schwerlich tänscben werde.

Diese Voraussagung schien in der Tat im Jahre 1862 er- ftllt zu werden, als im sogen. Vico del balcone pensile an der Wnwand eines Atriums eiue mit Xohle flQchtig geBcbriebene, Irtd apnrlos verschwundene Inacbrift entdeckt wnrde, welche zuerst L Kieseling im Bullottino des deutschen archäologischen In- tWotes *) teilweise und in dieser Form mitteilte: PG- VI6AVDI . . HBISTIANI 8 X SICVI . SO . . OEUE uidem er hinznfQgte: »Der Best ist, abgesehen von einigen Bnch-

j Im Bnllett. archeol. napolit Naova serie a». II, : *) Bnllett di corriapondenza archeol. 1SÜ2, S. 92.

126 AXALEKTBX.

Stäben, di« keinen Süm geben, nkbt m entziffenL'' In der eisten Zmle eoDJieirt Kieeeling: Mi^ni eande Christiane" und findet in diesen Worten eine Anspielung auf die neronische Christen- Terfolgong.

Wenn non wohl denkbar ist, dass in Praipeji die Christen dorch bdhnende Hinweisimg aof die neronischen Snpplicia in dieser Weise bedroht worden seien, so ist andererseits nicht nnr dorch die Copie Kiessling's, sondern anch durch die gleich zn erwähnende Abschrift Minerrini's die Lesart P6 ' YIGAYDI als die originale gesichert. Dass aber diese Worte, wenn überhaupt, nicht in „igni gande'' zu emendiren sind, liegt klar. In der Tat hat die Interpretation Eiessling's gegenwärtig keinen Ver- treter mehr.

Noch ehe Eiessling das Dipinto copirte, hatte Miner vini in Neapel von demselben eine Abschrift genommen. Auf Gmnd dieser ond mündlicher Mitteilongen Fi orelli 's, der die Inschrift bald nach der Aufdeckung sah, unternahm deBossi^) im Jahre 1864 eine neue Untersuchung und Erklärung derselben, welche kürzlich Wandinger^ reproducirt hat. Von der Annahme aus- gehend, dass die ersten drei Zeilen des Dipinto einer andern Inschrift angehören, welche zu&llig mit der in Frage stehenden Inschrift zusammengeraten sei, stellte er in der nach seiner Mei- nung zweiten Inschrift mit den angegebenen Mitteln den Satz her: „audi Christianos sevos (saevos) olores" und erklärte den Best für nicht mehr yerständlich. Das Haus, in welchem diese Inscription angeschrieben stand, erscheint ihm demgemäss als das gottesdienstliche Yersammlungslocal der pompejanischen Gemeinde, welche in Folge der neronischen Verfolgung geräumt werden musste und damals mit jenen höhnenden Worten ver- sehen wurde. Diese Auffassung fand de Boss! durch drei auf Wänden desselben Hauses befindliche Inschriften bestätigt, welche lauten: MVLVS HIC MVSCULAS DOCVIT MENDAX VE BACI VBIQII SALVTE (m) ») OHOSIS LOCVS HIC NON EST DISCEDE MOBATOB.

Ganz abgesehen yon der hier begegnenden unrichtigen Be- urteilung der neronischen Christenverfolgung, sowie von der un- yerständlichen Bezeichnung der Christen als saevos olores, welche durch die Bemerkung, dass die Christen, den Schwänen vergleichbar, mit Gesang sich zum Tode vorzubereiten gepflegt

1) Bullett. di archeol. crist. 1864, S. 69—72. 92 f.

«) Historisch-polit. Blätter 1876, LXXVIH, 825—851.

8) Daneben von derselben Hand: „mendax veraci saluteCm)" .mend . , ." und „mendax veraci" (B.C. L L. IV d. 2018c, 2018, 2018a).

6CBÜI.TZE, DIE CHBISTEN-INSCHKIFT TS POHFEJL IST

>

bitten (S. 39), Eclilecht begTündet wird, steht auch dieser Con- JKtni die Abschrift Uinervini's ond Eiesslirg'B (C. I. L, IT, tati. XVT, 2) direct entgegen. Denn beide haben nicht . . . 0RII8, Kidern deutlich . . . ONUS, und geben zwischen ... SO und OBUS eine Lücken zu deren AusfülluDg der einzige Biiubettihe S ticfat ausreicht. Auch die von da Bossi vorgenommene Zer- schueidnng der Inschrift ist dnrcL niclit« zn rechtfertigen. Denn dadurch, dass die erst«D Zeilen grfisaer angesetzt und ausgeführt eind ili die weiterhin a Dschliess enden , Itbdd eine solche Scheidung itt dem Grunde nicht motivirt werden, weil pompejaDieche Graf- fiti und Dipinti von durchaus einheitlicher Conception nicht selten ditte Erscheinung bieten. Was endlich die drei angezogenen Iiscbrin«D betrifft, so läest sich eine Beziehung derselben anf die Cbrieteo zum mindesten nicht beweisen. „Otioei" und „in- froctuosi in negotiis" (Tert., Apol. c. 42) parallel zu setzen, iatsekr gewagt; viel wuhrscbeinlicher scheint es, dass die Worte auf iu nahegelegene Lupanar hinweisen '), und daas auch die Inschrift (Bnlas hie muscellas (musculas) docuit" ') einen ähnlichen otecfinen Inhalt hat. Dem höhnischen Grusse endlich: „mendai »eraci übique saluteCm)" liegt wohl in gleicher Weise irgend eise Klatech- oder Eifers uchlsgeachichte zii Grunde wie den in üoem andern pompejanischen Hause angeschriebenen Worten: niBVS HIC VBI STAT ]' NIHIL VEEI (Fiorelli, Descr in-di Pomp. Nap. 1875, S. 312).

In teilweiue anderer Form als Minervini giebt Kieesling die lüMhrift, und nach der Copie dieses bat Zangemeister im C. L L IV, n. 679 (vgl. tab. XVI, 2), das Original, soweit es über- Doch möglich war, folgendermassen zu reconstruiren unter- ummsn:

VINA

N E B V 1 1 AARIA

A DIAAV

PQ VIC SAVDI CIIKISTIRAII i. AET

8 X SICH SO . . ONIS

1) AoderergeitB ist lu vergleichen eine andere pompeianiMihe In- •cbrift (Fiorelli a. a. 0. S. 250): C-IVLIVS priMIGENIVSHiq TV QVID MORABIS.

>)DeBo»ai, F. X. Krana (Daa Spottcrncif v. Palat., S. 11) ud Wandingcr erkennen in diesen Worten eine Anepielong auf den Dcaa öyoxoliif (Tert. Apol. c. 16; Ad. Nat. I. c. 14). Aber dner- Hit« ist nicht zD erweisen, dass jenes verleaiiiderischc Misverständnis bereits vor d. J. 79 eiistirt habe, aDdeiereeits handelt es sich bei d«maelbeD nicht am chnstUchu Lehrer, sondern um den Christengott. Die von Stefanooi (Gemmae ant, Venet. lÜiH, tab. 30) pubUcirte

128 ANALEKTEN.

Die in dieser Weise gelesene und nmgeschriebene Copie Kies8ling*8 kann aber, wo nur ein so unzuTerl&ssiger Gewährs- mann, wie anerkanntermassen Mineryini ist oder war ^), in Con- currenz tritt, allein als massgebend in Betracht kommen.

Zeile 1 nun liest man deutlich YINA (so auch Fior. u. Min.)> daran anschliessend Zeile 2 NEBYII, welches ohne Zweifel der Name des Besitzers ist, von dessen Fundus der notirte Wein bezogen wurde. Hierauf folgt ein fragmentarisches Wort, dessen Endung ARIA gesichert ist, w&hrend die Angaben über den f&nf- letiten Buchstaben (M, Y oder A) voneinander abweichen. Da dieses Wort ein die YIKA qualifidrendes Adjectiyum zu sein scheint, so dflrfta sich Yielleicht die Coigektur amphorARIA oder doli ARIA empfehlen. Jeden£ül8 weist der An^g der Inschrift auf eine Weinannonce hin. Dazu wfirde Zeile 6 das Zahlzeichen X stimmen; ebenso ist wohl Zeflt 5 AET der Best einer Alters- angabe des Weines. Auch mkI scheinen noch Spuren, welche auf diesen Charakter der Inschrift hinweisen, durchzuschimmern, M das Zeichen 8 Zeile 6, fentr SICTI, vielleicht = Sicjonium •cL Tinnm. oder SiginnoL In leile 2 hat bereits Fiorelli AY inteiiireiirt: „amphorat ^<4Kras> qninque" '). Doch wie es aach um diose letiien Ceasjecmea stehen mag, entscheidend Ar die Torcetragene Adbmoaf iit» dass das Haus, in dessen Amnm das Dipinto sk& W^si» «e ger&umige Caupona ist \)

Wie Terhilt üc& bok ik dieser Tatsache dasjenige Wort, wirichce die Insckzift ab fileilas monumentales Zeugnis des Clgtfvtiinamens bcrttefi jeaKkl hat? Minervini copirte: ,Audi Ckr:$iianos\ Funili Im: . .. HBISTIANYS oder . . . HRISTI ANt>S. Zame^niiitii hafi attck Kiessling hergestellt: SAYDI ClIKISTlRAil i k «trUtlrat . . .)*)

Enriff maa Am ilrima Inhalt der Inschrift, sowie in wel-

trfsu?^ 4>fr xs.i; iiir IteMritav «iw >^^i Frauen belehrenden Esels wird ch^ jv^cd «vIchtfM <^wi <^ dkM Zeitschrift UI , 477) mit jener

* Vil, 3. R liW ÄÄ C L L lY unter n. n. 760. 901. 907. 1015 aa^pflpflvs^Q Copi<«B ^Mdkia

«^ Wens t>fnKrr Z. 4 ^ Xtar* PC statt PG (Kiessl.) zu lesen virf. I:<^t»K sich diea^ AlkMMIviKht wohl in Picenum auflösen. Zu S, i bior: eine AttB^wMMdMft. die kürzlich Ton H. Dressel im I^IW::. iT*:U OomiuÄ^SCr* Borna (1879, S. 58; Uv. XI— XII B 4 v;fr.'dfvn:Itoht wv>c>|«it il^ Mt tetructive Parallele. Dieselbe lantet:

O....Xl'$i^RIClS.

* Vi:i. Fiorvlli. a. a. <X & itS.

* l^> oben $. xj& ■iMitfl'« andorslantonde Wiedergabe von Z. 4 «cch; aK> mit Kwi>y^^n^^'>W|MiU^"'^"'*'* in Widerspruch.

SCHDLTZE, DIE CHRISTEM-INSCUIUFT DI POHPEJI. 189

«bar Localität eich dieselbe befand, nnd erklärt eich dib Ersetzang dea II (E) dnrch H nnd in Folge dessen die Abrandung des gia»n Wortes lu CHEISTIÄNVS oder CHBISTIANOS weit natür- licher als nmgekeLrt die Cmsetzung von H in n und die Ge- winnnng eines nnv erstand liehen Fragmentes ceriBtirae . . ., so linn, meine ich, nicht zweifelhaft sein, wo das Original richUg •ufgenemmen ist. Auch bat seitdem Fiorelli selbst seine frQliere Lesart und die Beziehung der Inschrift auf die Christen in Zreifel gestellt (a. a. 0. S. 279), so dass die herkömmliche An- Eicht allein durch das Zeugnie Minervini's gestützt wird.

Dazu kommt noch folgendes. Die Caupona, in welcher die Inschrift entdeckt wurde, gehOrt zu der Klasse derjenigen, welche ngleich der Prostitution Obdach gewährten und eine eigene Ulla meretricia hatten ')< I^^ nun nicht anzanelunen ist, daaa m solches Haus, in destaen Garten ausserdem ein Lararium mit dem Bilde eines thronenden Zeus und des Hausgenius sich be- ladet, den pompejanischen Christen zu gottea dienstlichen Versamm- lugen oder als Verkehrsort gedient habe, so bleibt jene angeb- liche höhnende Verspottung der Christen unter diesen Verhältnissen in ihrem Grunde völlig unerklärlich. Aus dem Umstände aber, daaa ^Fragment ceristiiae . . . unverständlich ist '), kann nicht du Berechtigung erwachsen, die Lesart Christianua als die ori- ginale anzunehmen. Ja, seibat wouu man der Abschrift Miner- rini's folgen wollte, wird man eben durch den Zusammenbang und die Umgebung, in welcher die Inschrift erscheint, gezwungen sein, Christianus ^Chrestianus von Chrestus, X^Tjtnög, zu ver- stehen. Dass diese Interpretation an sich möglich sei, hat auch de Bossi zugestanden.

Erweist sich die Annahme einer Beziehung der Inschrift dea "Vico del balcone pensile anf die Christen als hinßUig, so wird Bui zn dem oben angegebenen Geständnisse Garmcci's aus dem Jabre 1856 zurückkehren müssen, dass nämlich Spnren des Christentums in Pompeji bis jetzt nicht aufgefunden worden sind. Denn die den bekannten Monogramm formen des Namens Christi entsprechenden Zeichen, welche Gell (Pompejana 1832, t. 59) am Bande eines Gemaides beobachtet hat, können, vorausgesetzt, dA3S die Cnpieen zuverlässig sind (Zang., S. 167: „cujus rei penes ancterem &des erit"), in dieser Frage nicht in Betracht kommen, weil jene Monogramme Christi erst im Zeitalter ConstaDtin's d. G. anflreten. Es scheinen Abkürznngen des Namens ChrestuB

») Fiorelli, a. a. 0. 8. 278-281.

*) Doch sei an zwei pnmpejanische Amphoren Inschriften eriimert,

a denen die eine (C I. L. ]V. n. 2561) lautet: SVPP ||CRU . . .

. die andere (n. 2&i)2) : CEB AI .... || XLVII . . . Ztltackc. t E.-O. IV. I. a

130 ANALEKTEN.

X^fOTog und dayon abgeleiteter zu sein, wie auch auf den Am- phoren C. I. L. IV, n. 2878. 2879. 2880; tab. XLVH (vgl. n. 2777. 2781. 2872. 2778. 2867—2869), und sie sind wertvoll ftir das Verständnis der Genesis des constantinischen Mono- grammes.

2.

Fragmente von Homilien des Photins.

Von Dr. phil. Karl Eonrad MfiUer in Würzburg.

Von einer grösseren Anzahl von Homilien des Photins sind bisher nur die Titel aus einigen, mit der Zeit wieder verschwun- denen, Handschriften bekannt (vgl. Migne, Patroi. Graec. 101 praef. S. VIII f. 102 Sp. 541 546, der aus Combefis, Bibl. Graec. patr. auctar. noviss. Paris 1672. I, S. 549 ff. schöpft. Hergenröther, Photius III, S. 281 fif., Vorr. S. Vin. Nicolai, Griech. Literaturgesch. III^ S. 175. Lexicon Vindobonense rec. Nauck, Petropoli 1867. Proem. S. XXlIIff.). In ihrer ganzen Ausdehnung sind erst 4, soweit meine Kenntnis reicht, veröffent- licht: ausser dor znerRt von Combefis (Auctar. nov. patr. Paris 1648. 1, S. 1583—1604; ich gebe das Citat nur nach Hergen- röther) herausgegebenen Kede auf das Geburtsfest der Jungfrau Maria und der zuerst von Lambecius publizirten auf die Ein- weihung der von Kaiser Basilius erbauten Kirche, neuerdings von Nauck in der Appendix zum Lexicon Vindobonense (S. 202 bis 232) nach der photographischen Aufnahme einer einzigen Handschrift vom Berge Athos die zwei auf den Einfall der Bussen im Jahre 865 bezüglichen (wiederholt von Müller, Fragm. histor. Graec. V, 1. S. 162—173); die gleiche Handschrift enthält noch weitere 14 Homilien des Photius, ihre Titel sind aber leider nicht mitgeteilt. Die beiden ersterwähnten sind mehrmals abgedruckt worden, auch von Migno a. a. 0.; die ebenda mitgeteilten Bruch- stücke gehören nach Hergenröther (S. 236) nicht hierher.

Unter den obwaltenden Umständen wird es wohl nicht ohne Interesse sein, auf einige Bruchstücke der oben genannten edirten und zweier noch nicht veröffentlichter Homilien aufmerksam zu machen.

Der Codex Palatino - Heidelbergensis tr^ "'"'^ (chart. saec.

KfLLER, FRAGMENTE VON HOMILIEN DES PHOTIUS. ISI

IT/XVI. 141 Ell. i") enthalt ohne AnEäcbrift, denn die Worte „Ei- csrpta ex variis anthoribus" auf dem dritten Vorsetzblatt stam- men Ton janger Hand eine Excerpten- Sammlung-, »elclie mit in des HQncbea Maiimus Planudes, der dem Ende des 13. und dem Anfange des 14. Jahrhunderts angehOct (Tgl. Treu, Znr gMcL d. überlierer. v. Flutarch's Moralia I, Waidenburg i. Schi. 1877, Progr. S. XIV ff. Nicolai a. a. 0. S. 254 Ef.), vielfach Über- tinBtimmt, allerdinga auch bedeutende Abweichungen von ihr Kigi. In onserer wie in des letiteron Sammlung (vgl. E. Ficco- lamini, Intorno ai Collectanea di Maasimo Planude, S. 1 ff. [Separatabdruck a. Rivista di FiloJogia II, 3. 4. 1873]; der- ulbe zahlt drei Vaticanische, eine Pariser, eine Florentiner Hand- Mbrift auf) sind von einer grossen Zahl von Werken der ver- Khiedensten Schriftsteller und Zeiten Eicerpt« teils grösseren teils kleineren Umfangs mitgeteilt, darunter manche allein hieraus bekannte Stücke. Heber das Verhältnis der verschiedenen Samm- lungen und Handucbriften zu einander ist die Untersuchung noch nicht 80 weitgefübrt, daaa man feste Anhaltspunkt« für ilire Wert- schätzung hatte. Ich beschränke mEch daher hier auf die Heidel- berger Handschrift, die ich im Sommer 1878 selbst benntEt^.

Eine Boschreibung dieser erst nach Kom (der Einband trägt daa Wappen eines Papstes und »in«» Cardinais), von da nach Paris (f. P. 141» tragen den Stempel der Bibliotheque Natio- Dale) verschleppten und 1816 wieder zurückerstatteten Hand- schrift gab zuerst Creuzer (Meletemata e disciplina antiqui- tatis I, Lpa. 1817, S. 98 f.) niuih Sylburg's Catalogna librorum msB. Graec. BibL Palat. (in: Miegii Monumenta pietalis et lite- raria. Francf. ad H. 1702, S. 40 IT.) mit einigen Zusätzen, docb bei weitem nicht erschöpfend. Vor Kurzem nun hat H. Haupt (Hermes XIV, 1879, S. 36 ff.) ausführlichere Mitteilungen Über di« Handschrift veröffentlicht; Nachträge dazu hoffe ich in Bälde an anderem Oii« bieten zu können. Hier sei nur bemerkt, äaas such eine Anzahl kirchlicher oder zu der kirchlichen Lite- ntnr in Beziehung stehender Schriftsteller sich in der Uand- Bcbriil excerpirt findet; ich nenne folgende'): Sjnesius, Basilios, Origenes, Clemens von Aleiandria, Gregor von Njssa, Gregor Ton Nazianz, Gregor von Cjpem, Nilos, Philo, Buch Job. Ausaer-

') Ein Verzeichnis dor am Rande oder wnst in der Hb. genannten Schriftsteller und Titel labe ich mir, so wie sie in der Hb. aufeinander folgen, angelegt. In der Hs. sind nämlich sehr bSufig entweder bloss die Namen der Schriftsteller oder diese mit Angabe Jea Titels des be- lieffeoden Werkes, Zuweilen auch sogar den AbHchnittes aus demselben, oder auch nnr die Titel beigeswli rieben, letzteres besonders, wenn mehrere Werke desselben Autors aufeinander folgen.

188 ANALEKTEN.

fliid«ii ueh noch Ezcerpie aus Photins, und xmtr ans der BiUiolkek, dtn Briefen and vier Homilien, welch* letitere von VL H«a|il Qbenehen wurden; dass nnter den hisher noch nicht WeH»iatMi Stfioken der Handschrift sich Yielleicht noch mehr iw Pkotins Torflndet» kann und soll damit nicht geleugnet wer- teL Hier aoU nur in Kflne von den erwähnten Homüien ge- kifliiell werden.

1) f, 122» Z. 21—36 = Lex. Vind. App. a 206—210. ll$--8M. Am Bande steht: dg t^ tw ßu^ßa^ofr ftpoSov. Ikktmf^ ans den zwei Homilien Aber den Einfall der Rnssen; 4ir AmftAg der zweiten ist ftasserlich nicht kenntlich gemacht ti 4ir Handschrift vom Berge Athos lautet der Titel: ilg rrr hftihm tw ^Rig. Die von mir angestellte Yergleichnng er- |eA^ 4aa8 manche Stellen Wort für Wort flbereinstimmen, aber mA daiSi abgesehen von offenbaren Fehlem, an anderen Stellen iJkMiUiohe Aenderongen Torliegen; man Torgleiche:

Lex. Vind. App. Cod.

<^il8, Z. 11 ff. itoviixalay Z. 26 f. iloy 6i ro xul ri ««if Ta^ai oQyrv xal noiiiv oi di xaratTfjxoTfg

^«r ivXoywv iXnidtity xtX.

y90d'ai anaiTiiy, ol di mitiTUfixoreg ktX.

t^ 221, Z. 19 ff. o fiiy yoQ Z. 33 ff. o fiiy ixrfmiag ii- hxintag dii iaaty, yofjU- Sii Tig yofi i^a nQo4^

Covaty' n^Xaßoy, Xaßiy nifAn n ' [ßH. yopU^

ntfinovaiy, l^ovaiy^ nQolXaßoy^ 7i//u-

novoiy in ras. corr. m. I?]

2) f. 122^ Z. 1—36 = Migne, Sp. 568—673 (aoch in: Oeorgii Codini excerpta de antiqoitatibus Constantinopolit ex re- oogn. J. Bekkeri [Corp. script. bist. Byz. Bonn.] S. 196 202). Bxcerpte aus der ixq^gaaig rfjg iy roig ßaaXiioig yhog ixxXfjaiag %fjg vfiiQfxyiag d-eoTOXov vno BciaiXeiov rov Maxiöoyog olxodofifj- 9'iiofjg; in der Handschrift ohne Titel. Ich gebe die Abwei- ehnngen der Handschrift (= C.) von Migne*s Text (= M.), mit üebergehnng der Accent- und Interpnnctionsyerschiedenheiten.

C. Z. 1 6 = M. Sp. 568 Z. 26 34. Naog oBfiyo- T^ga, I Z. 32. fiuXXoy di xal Xfj iyovarj XofinQOTrffi M fioXXoy Si TU olxtifa xaXXii xal r^ i. X, C.

C. Z. 5—17 = M. Sp. 568 Z. 37 Sp. 569 Z.3. ÜQOnvXaia ifiTi/nXaTai. I Z. 37. fiiy yoQ M yog om. C I Z. 43 iniyiy Qafi- filyov M inl y yQafifiiyov C | Z. 48. ty atT^ T(^ M t^

PTK VOK HOMILIEN DES PHOTIüS. 13S

oTovai M X. xpoiouffi C| rof tfxnliikaTat M &äfißov^ L C.

p. 569 Z. 21—33. ll^vgos Int-

11 f. AQyvQO^ df nagit läg nvUSoQ ml

upyvQoq jMpi löf nuA/Ju; ^ai (ruil/Jaf C|

(i/4>m;Mf öv [ ( (toi itpni-ö»- ifiXoii/vrjjta M. ü. n

X I Z. 27. XoiTitt lö« v«o^ MrÄ i^r^o,««

Z. 33. UtUylaaa M äntUy^aaa C.

572 Z. 1—7. '£■« xopA-vv- 5. äfi},x6fTiüy M ifftkxöyjwr C. -3t = M. Sp. 572 Z. 20—29. rfv^u^ifwvj 1». 20. 'H 6i uno M ^ <t' «no C, ä' ä corr. nt »id. ei $i L I Z. 34. xai Kar* t/y-pw wvJ^j'a^^aiii M xai r /. «. C. I Z. So. anooröXiitf xai fta^rv^uy HI /ta^ iVfwr K. ä. C. C. Z. 31—32 = M. Sp. 572. Z. 30—32. 'O ©toC. Ohn»

Varianten, t Z. 32 = M. Sp. 573 Z. 2 3. Xa/pw ünriyfyxMo.}

Z. 2. Xo/pw yov*- M X- i' o^" C C. Z. 32 34 ^ M. Sp. 573. Z. 4 7. Ov 7.p(i^pi;^«,.|

Z. 6. x«il,orö^ M r^ xäXiaröy C. C. Z. 34 = M. Sp. 673 Z. 21—22. ao<f(a Tta^tvSotu-

fiw» I Z. 22. nagivöoxiftüir M nu^vdoxifiit lig C.

C. Z. 34 36 = M. Sp. 573. Z. 28 32. Jia rär-

zooy. I Z. 2yf. ^lü j-äp t^( v^tTtgag JvuJo; M Sia ii

Tfc Bb itü*' iTväd^o; C [at corr. nt vid. ei ii^i m. T\. \ Z. 31 f.

nijJaXiov/ti xai iiaxvßigvä M Siaxvßigrü x. n. C.

Eb Blieben sieb hier zum Teil nicht anhedeutenda Varian-

tn, ohne dass sich immer tdd vornherein mit Sicherheit zu

Otuutea der einen oder andern Lesart entscheiden liesse; richtig

in in M na^ivdaxinäy S. 573, Z. 22, wo in C, wie oben unter 1),

lb§ichtliche Äendemng TOrliegt, um den ans dem ZnBammenhanj;

gerissenen Satz selbständig' zu macben. An anderen Stellen, wo

die ans der Änsgahe von Lambecius (Paris 1655, sie ist mir

nicht zugänglich) abgedruckte Bonner entweder 1) mit den eben

daher wiederholten Dmcken bei CombeQs (Orig. rerumque Con-

etanttnopolit. manip., Paris 1664, S. 296 303) wie in dem Ve-

ii£tianer Corpns Script, hist. Byz. (ebenfalls an: üeorgii Codini

eiceipta, S. 129 130) und der Handschrift gegen Migne, oder

3) nur mit der Yenet. Ausgabe und der üandschrift gegen Com-

befia (und Migne) aber einstimmt, liegt jedenMls blosser Irrtum

von Seite Higne's resp. Combefis' vor; nämlich I) Sp. 569,

Z. 21 mv'kiSuq nv'KiSaq, Sp. 572, Z. 5 lif'iXxomuiv ütptK-

xÖrttoy 2) Sp. 568, Z. 32 tip olxticu xükXn om. Comb. iL,

134 ANALEKTEN.

Sp. 569, Z. 21 nfpJ n«p«, Z. 26 tj rt, Z. 27 tjiö^.oino Aoinä, Z. 33 äntUyiaaa imUy%iJ.an, Sp. 672 Z, 20 ä" -—Si, Z. 2i Ttt xui' TC( om. Comb, M, Riebtiger ist wohl d^üfißovi; in C ala &av/iaToe in M. Sp. 569, Z. 3, wobei in BetiacLt kommt, daas &uvfia grade vorher im Sinne von „miraculnm" öfter gebraacht ist, wäbienil es hier „admtratio" bedeuten wQrde; die VerwechB- Inng liegt anch paläographisch nahe, ebenso wie bot x^ovovai itpojoi-tji M. Sp. 568 Z. 52. Jedenfalls scheint eine Erwä- gung der von unserer Handschrift gebotenen Lesarten nicht Ton der Uand zu weisen.

3) f. 141" Z. ö— 15. 16—34. Am Bande neben Z. 8—10; Jni T^ (TTjjJ.oj'pu^i« iTg op9o(to^/ög: und neben Z. 15/16: t/f Tov; ßa lil xai ßoan Escerpte aus zwei, soweit mir bekannt, bis auf die Anfangsworte noth Lnedirten Uomilien; von beiden ist der Anfang in der Handschrift mitgeteilt. Jedes Mal durch

u (doch wohl = apx'}) bezeichnet. Allein durch einen Irrtum ist von dem Titel der zweiten Homilie ein Stück zur ersten hinaufgesetzt , welche in Wirklichkeit der Ueberschrift entbehrt Die beiden Titel lauten nach Combefis (Bibl. Ur. patr. anct. noviss. S. 552 und darnach Migne Sp. 545): Nr. 15. Tot- uixov uyiuiiaTOv Ouiziov rtfnQiägxflv KiiifOjarTiyoimöXnug ofii}.ia Xi^- ^iTfja iy rifi üfißtiiyi ifjg MtyalTjg {yxXrjolag riii /^lyaXio Saß- ßur(p ini nuQovala toü ffiXo/olmov BaaiiJiog, Sri t^c Qtoioxov l^iixiiiiladni xui uvixu).vffi&ri Mopirr^. Nr. 1 6. Tov af lov OfiiJ-ia Xi/ßtiaa, ir ztä Ufißwyi ifg itytug ^offluQ, iivltca lotg op&O-

do^Oig KttJ fiiyuXoig rfiwy Mi/arjk Kui o Kaiu Tiuarfi

m^ianog /irt7j).oy^aifir,&rj &(i/aftßog.

Ich lasse nun beide Stücke folgen, wie sie in der Hand- schrift stehen, nur mit Setzung des stets fehlenden Jota snbscrip- tum , sowie Veränderung von Accentuation und Einfügung von InterpunctioD, wo dies notwendig; die in der Handschrift gesetzten Semikola lasse ich unberührt, weil sie allein einen Anhaltspunkt bieten für die Bestimmung, wo ein neues Eicerpt beginnt.

I. [= Comhetis n. Migne Nr. 15] + niyäi' (f rif dia navrhi fui.iTinin Tnv ßlov. i'iv XaXvg riq ilvui kui Tipng QtjTOQoiv Ti/ya^ nupffiKivaa&at Ti^y yhäoaav ü'itit) «J,io zi diu anovdfg ay oii fiitXioia noitaano' fiuKktiv &i UQorfiitxfi Xaßiüt äHmOfiiüa&tu TU y^ilXj] xai fnoy^ yXoiaatäy nvgiwy diuxguyovaS'at lo atOfia ovntü nportpoy 9aQQrfiuQ dg löX/iug r£u ahT,anac' ovx tpfuty olftat aiyfj ir,y /apux if/ptiv xai ri^ffiotaTj [I. r,Qiftovari] yXdaaj] 1^ nayTjyigit ai/iytyiaS^ui ' ixityoi il ifc nXai-tjg iyauTOffiit- pvyftfyov ^afftp, /.loi-ovi lavTOtg Tiäy in ovguroy fif; noptfi;- r^X^ai TOV bQÜov xuTijJ.a^ovfi'ocTO ' ttXXa /iuxgiitpov ftiy T,fiäg

MCLLER, PRÄGBfEKTE VOK HOMIUEN DES PHOTIÜS. 136

ffmov fxxXijfi/ay lov olxtlov xöafiav ntgiäiaai'tti Kai nittQoV; ifmt^'ßQtaayttg igaiftaai, dt' tuv tTn /lOQfrg uvjrg i'§co- fiacifo, YVfiVTif olu xai u/to^^fOf xui lof; noXi.org ixtlvoig Ini- mvyt^!^ova»r tgavfiaai' ArJ^ijs fiv&iZ 7iapa:itfiyjai {tpQva^itvio ' 10 C^ßag Ito^/fivutroi liöy 9ti«3v tlxitywy.

II. t^= Combofia u. Migne Nr. 16] + r^y öp« ^x noXXov yi- plpimmg o /pövc; ' xtti r^ay oix i'xiiy tlSTya, xu9' rjy üitftäCo>y i9iif^i oi/ivvyta&iti ' fioyaig äi zoTg naXuiatg fyxixvwwg ixd- iwif xai hiftn^oy oväf yiyyuToy ftg rixoy i'^iiiv yluyitvaua&ut, ta «nü if^goiy xixkw TifgirjU aigftpöfitt'Qq ' ixi/ywy ftövjj tjj <popä fil.OiOfiovftiyog, (üy o tf^äaag fftti^d iriy ytyioiy' xal ä iry Pfjtv ay^iSv ovx iSiöov yiu^ovaay ' yvy äi di ivog ayägog tiftßuy xai xaiyiZy xai ytyym'tiiy t'pytiiy u&Xi]iOv xai yta^ovaaig »itoiy tyxaiXunl^fiai ' xai lO yfj^S avtoTg ovMiaiv unodiii-- Wi' ^iüntQ Toxoy ivytyn zt xui xpäitaToy xai Tiäy üUcui' xaXiüy ay^oina lüf ;;äf<[u; ijiö qitini tijg ukrj9-iiag nüaiy ivtvxi]oag i*iiil^aa9ai ' il äf xai pijröpwv rytyxf ifopay fKiQtTy iläötuy IB«E Xvyoig tu Jipayftutu xai 1<Z fityiS^ti loiy i'pytoy avfiTiapur- iUrny Tri ylwrujc Jijy äiyufuv, 'h oköxXijgoy uviiü la t^g «Xfirg xai xa rijc uyaytäatoig fx^zi^yito ' vvy Si ov ßpa^viäiia f^' ^i]fttovf4irog, toTg ft^y nuQOvui xai ^taxaig, xav fijjäilg ifänrpei ToTg o^to/ilrotg ^rjiwQ, aväiy »jiiov xutg yoyfäg iyax- liäl^ioy dttxyiu i^eiov " iiaot di toS ßiov ytymig vai^^ig «foxi»(/ovoi Toviotg di upa xr^y ly JoTg Xöyoig fjyTjfiTjv ovx f')^U)y Iu^iima9ai tlg y^paQ o?fiui nukiy r voaoy r tu xoiai'ia äia- ßitj^fflfTOi ' apä^iuiy fiiy j-öp fUXQiaZovai} aifty6xT]ii Xöyoi <pi- locffi naf^rjiat^ia^at ' äiiXia äf xai avaxoXij xaiitÖLoytai oyxoy «ToTc n^yfiüiaiy o^wyiig intipiQÖfttyoy xui xaiopS-toftaiaiy fil- jt9u Tigoxtifttya iyiiv9iy xäyio aiyäy ißovXöfttjy xat riüv iuiiQ X'yoy ipywy xo (UyiSog ifj äiuvia /ti) xa9vß^iaat tov Xiyoyiag' 10» xov rixri^tjyai ifußoy Tipo jüv na&tiv XT^y rjttav utirü »foßaiXofityog ftg a^tpuXiiay ' uXk initdr^mq avtal napioirxaoty •i Ttgü^tis ' xai TU Xaftit^y iiüy i'^wy xax utp^aXfioig i'aitjxty •noi^tuc, ovx fV /xiyaXw xu ri;; Zi]fti'ag oluai niattal^ui xi> f^ar- xw anoipt^Ofiiyrjg xrg Sirffranitg' ^op OQbJfiiva xo Xitnoy (MnlijptiHTii xa! tu iydloy rof Xoyov xr^y vnt^x^," oaXn(an xfg nqa%tug ' iy i'atti fifv Xvnijg utipvxe fi^yiä-ag yagäg ' xay hl iiafiixQov iaxr^xaaiv oig ay iniattäoi xry avxry Sia&toiy iaipytttita9ai :

tn der Ueberschrift von Nr. 16 fehlt bei Combefls dar nreite Name; Hergenröther (ITI, 236; I, 469) setzt „Bardas" ein und nimmt als Yeranlussung Tür die Rede den Sieg des

13G ANALEKTEM.

Petronas Dber den Emir Omar von Helitene (662/63) an, dock giebt er zagleich die Höglicbkeit zu, dass sie in die Gegiemn^- zeit von Michael III. nnd Basilios (Hai 866 bis September 867) falle, nnr sei eine gleiche VeranJaesung ana diexei Zeit nicht bekannt. Nach onserer Handscbrift ist die letztere Ansicht die hcfatige', den Beweis der biatorischen Richtigkeit zn erbringen, bin ich allerdings nicht in der Lage, wenn man nicht die Bede mit der auch von Photius (Epiat. ed. Montacntius 2, S. 58) als hervorragendes Ereignis erwähnten Bitte der Russen um einen Bischof in Verbindnng bringen will ; dieae fällt in das Jahr 866 und ihr war die Behehrung der Bulgaren vorhergegangen, wie der Sieg über die Araber; so konnte man wohl sagen: Trixa 0 xaia Tiaoijc aiQ^aKi}g i(rTTji.oyQa<fTi&ii d'Qiaf.ißoz (vgl. Hergen- rOtber I, 533 ff. 594 ff.; Humlt, £^sai de Chronographie Byzaut. S. 441. 444; Hirsch, Byzantinische Stndien, S. 1Ö6 ff. 2ieff. 262ff.). W«nn die vorstehenden Zeilen die Äufimerkeamkeit dee Einen oder Ändern, der sich für diese Dinge interessirt, auf die obigen Bruchstücke nnd ihreu Fandort gelenkt haben, so ist ihr Zweck erflillt; die weitere Arbeit muss natürlich den Männern des Fachs verbleiben.

Nachlese zum Briefwechsel des Laadgrafen Philipp onit Laiher und Melanchthoo ').

Von Dr. Hax Lenz i

Luther an den Landgrafen.

Ohne Ort, 22. Sept. 1531.

(Qanx eigenhändig. Enrze lubaltsangabe bei Rommel, Fb. d. Orosi-

mBtige, 5. Banptat. Anmerk. 99. Feblt bei Seidemann undfiurk-

bardt.]

Qnad nnd friede. Durcbleachtiger, bocbgebomer fiirst, gnediger herr. leb hab E. f. g. scbrifft eampt der Üniversiteten urteil empfangen und jnn abwesen doctor Gregor Brücken gelesen

I) Ans dem Harbnrger Archiv.

in

(PP'S MIT LUTHER ETC. 13T

rgen, das ich Toriiin jnn dieser

d mein urteil geschrieben an

ir ynn geheym gebeten, welche

zofertigen. Denn ichs mit der

i halten kan. Doch weil £. f. g.

jcken geschrieben, wil ich sein

Sachen za yhm schicken und aufib

Iffen £. f. g. za schicken. Denn

on lange anifhalten, und hab doch

i können thun. E. f. g. zu dienen

Uiemit Gtott befolhen, amen. Frey-

1531 0-

B. f. g.

williger

Martinus

Luther.

ich in einem Gutachten der Univenit&t Ifar- ««. . 0.) auiffesoffen hat Sie sprach sich aeiur ener-

^ 1 Heinrich*B YlII. aus. Aus dem sehr bemerkens-

^ h nur folgende Sätze heraus: „Es ist eine grosse

1 11 solchoi Sachen nit Jesum, snnder dem Sprichwort rid woil das Gewissen fnrwende, als wollte das- (Seschweran^ anrichten, und dennocht ein anderer orporgen sei. Derhalben wir solcher Person und ■M nns treulich ratten, dass man mit einfliltigen ind Betrug mit Gk>tt handel, der sich nit höhnen i'aulos zun Galatem am VI. yermahnet, sprechend: fasset sieh nit hoinen." In demselben ConToiat (Eng- {, vol. TL) liegt das an den „Doctor", d. i. Biurnes, l" Luther^ dessen Seoduog er Ph. in jenem Schrei- Begleitbrief findet sich nicht Es ist, wie es scheint, iwa das Concept; die erste Hälfte von Luther*s eigener, .er Copistenhand, jedoch von Luther hier und da corri- -^ aber von ihm selbst unterzeichnet: „Martinus itaehten ist längst bekannt, und zwar in zwei von ein- •icbenden Tezten, beide bei De Wette IV, 295 ff., nach Copien. Von ihnen ist dort nur der zweite datirt, 'I, Sqyfcember 6. Die Marburger Abschrift bietet den :), als Datum aber den 3. September 1531. Dieser Tag ier Beschaffenheit der Copie vor der Angabe bei De Wette behaupten dfirfen. Collation mit De Wette IV, 300 ff*):

<K). B. ZsOe 1: Domino st Christo. 4: probetur st probatur. 6: volet st. velit H 9: quid st. quod. Zeile 4f. von unten: tam rez ipse quam regina st tam rez quam ipsa regina.

ibrenohiedenbaiten wie caiuM st causa, andiiti it aadivisti n. a^ > tachlleh onbedeotende Umstellungen, wie de ea re st ea de re, sind •c bemerkt

138 ANALEKTEN.

Seite 300. Zeile 3: v. u. incesti st. incestae.

,, 2f. V. u.: eas . . . infirmari st. cor etc. Seite 301. Zeile 7: approbavit st. approbarit

12 f.: Volant st. volent

16: fratri suo st. fratris sni.

18: Matth. 22 st Mathaei XVIII.

10 V. u.: Deuter. 25 st. Levitici XVllI.

Dann ergänze : cor non etiam inTenemnt aliqnam

f;lo8am, qua eluderent legem Levitici XYIU. kein Fragezeichen.] An non potuit ulla inve-

niri ? Sed illic voluerunt [hie noluerunt glosam

habere]. ,, 8 V. u.: sola voluntate st sua voluntate. 7 V. u. : proposuerint st. proposuerunt. ff 6 V. u.: Deuteronomü st. Deut. XXV. 5 V. u. : si . . . volent st. cum . . . volent 2 V. u.: erg. vere [moralem]. Seite 302 Zeile 5: politiae st. politicae.

f, 16 f.: de fratre etiam mortuo intelligatur st etiam

de fratre mortuo est intelligenda. ,, 15 V. u. : hie st hoc. 14 V. u.: erg. tamen [Judaei]. 10 V. u.: debebant st. debent

Seite 303. Zeile 5: interpung. Ulterius, qui sentiunt u. s w.;

[neuer Absatz]. 7: 1. Corinth. 7 st. 1. Corinth. 1. 7: accersat st. adducet. 12: sicut st. statuere [dies eine falsche Conjectur.

de W.'s]. 13: interpi ngire u. lies constituere, tunc vere st

constituere. Tunc vero. 15: jam st. nunc. 17: pro st. prae. ,, 21: erg. i^anima] subdita sit*). 4 V. u. : fecit st. facit

Seite 304. Zeile 6: argutantur st. argumentantur?

14: fehlt in Cop.: quod.

18: lex cujusque st. lex et cujusque.

16 V. u. : non : richtige Conj. de Wette's.

16 V. u.: erg. [ita ut] ubi [opus].

,, 15 V. u. : cogat st. cogi.

,, 6 V. u. : impingat st impingit

4 V. u.: erg. Chaleb [etiam].

Seite 305. Zeile 3: Neuer Absatz bei Sed quorsum.

5: fuerit st erit

8: ut st. et.

12: Der Abschreiber schrieb Serviunt illae suae politiae. Luther verbessert: Servivit Moses suae politiae [de Wette: Serviant illae suae politiae].

15: tum st tarnen.

18 f.: Primum constat non esse neque jure divino neque naturali, sed mere positivo prohibitum st. Primum non constat u. s. w.

., 21: erg. [Moses] ut dixi.

*) fcüi« tijiuAhor Luther*» Hand.

hSSZ, Z. BHKPW. LANDGR. PHÜJl'p'S MIT LUTHER ETC. 139

Seite 305. Zeile ~22: i^tiani coirigirt aaa entm, was aach de Wette hat.

24: erg. Sicut [et Jacob].

25: Borures at. laorcä.

26: hinter prohibuit macht Luther am Rande den Zusatz, der in dvr Copio wie U'i de Wette fehlt: Et in ca£a prat^enti Jadaei duccbaot luores fratris mortui luge divias. Ergo nun fuit cuntia juB divinum et natoiale.

13 T. D.: pQgnant st. pugnat.

8 T. n.: remiuerint st. remiBcrit,

1 V. n.: repudiaverit st. repudiabit. Seite 306. Zeile 2: ne st. non.

2ff.T Der Marbargcr Text [mit 2 CorrectDren Luthers, diese gesperrt gedrackt]: Quid est enim: bcmo non aeparet, Disi leges humanas non posse BGparare, quos Deus sive Ordinate lege boini- nani sive pennitteodo coDtra jus hamanum conjuniit? Quia u. b. w. de Wette: Quid est hämo? non aeparet, quoa Dcoa conjaniit sive oriiinat« sive permittendo.

20: eint st. sunt,

15 V. U. : eig. [in] id [divortinm].

14 V. u.: [quam] ut [rcom].

7 f. V. n, ; prohiberc st, prohibori.

6 Y. O.: Deqaa st. »nt.

4 V, tt.: erg. precor. Seite 307. Zeile 2: erg. [inferni] Amen.

3i betr. das Datum s. o. Die Collation ergiebt, dass die Marburger Copie unter di;n B-Teiten wr ipäteite ist.

Der Landgraf an Luther.

' Caasel, 15. Febinar 1535.

[CoBcept 1

I Hochgelerter, lieber, getreuer. Wir habon euer sclireiben '),

4i Tergloicbun^ des sacramcntä halben belangend, seina Inhalts gnediglich vernommen und euer cbristliche meinung zu solcher Tereinigung gerne gebort. Und were für langest Imch von noten Seweeen, das man in Bulcher säch meiern vleis furgewendt hat,

1) Es fehlen hier, bezw. bei Seidemann aueh der Brief Latber's an Philipp vom IT. Dec. 1544, das Begleitschreiben für Mclanchthon (Bommel a.. a. 0. Nr. i), und die von Rommel teilweise, von Euchen- becker ganz cdirte Antwort Philipps vom 2!). Dec: letztere nach dem Conc^t, in dem der Satz, „das ir zu fordernng Gota eher und seines irordta zu chriBtlicb.r eiiitraclit gutte neignng tragt ", eigenhändig von Philipp hinzugefügt ist.

*) Vom 30. Janaar 1535, de Wette IV, 587.

^

140 ANALEKTEN.

damit solcher zweispalt christlich yerglichen, der widderwil nnd die Scheltwort uf hede selten nachpliehen nmh der grossen er- gemus willen, die derhalhen sich hei TÜen frommen gutherzigen erhelt, und sonderlich bei nnserm widderteil, den papisten, und anch denen, die zn Terfdmng Ton secten begirde tragen. Weil nn di sach nf enerm hedencken ersitzen nnd mhen will, so können wir die nit forther pringen, müssen solchs erwarten nnd wollens dem almechtigen heimstellen nnd den nmh femer gnedige Ter- leihnng, die zn seinem loh nnd preise nnd anfoemung seine worts dienen möge, treulich hidten, da wir di sach gerne gnt sehen nnd herzlich meinen. Und sagen Got loh nnd dank, das di doch so weit pracht ist, damit zwischen beden teüen nit weither zwei- helligkeit erwachssen nnd di jegen einander nachpleiben mögen. Solchs haben wir euch gnediger meinnng hinwidder zn er- kennen geben wollen, und seind euch mit gnaden wol gneigt

Nr. 3.

Der Landgraf an Melanchthon.

Cassel, 15. Februar 1535.

[Conc. von Johann von Nordeck. Eine Stelle dtirt Bommel a. a. 0.

Vgl. Bindseil, Snpplem. 94 i).]

ünsern gnedigen willen zuvor. Hochgelerter, lieber, getreuer. Wir haben euer schreiben und anzeige '), was gemuts Dr. Martin Luther ist der concordia halben das sacrament belangend, ent- pfiuDgen, und dasselb von euch wolmeinlich und treulich ver- merckt Und weis Gott, das wir die sach herzlich meinen. Und were je ein mall zeit, das dieselb umb weither ergemus willen des evangelii verglichen wurde, und die schmehe- und Scheltwort uf bede Seiten, die bissanher grosse menge des volcks vom wort zurück gehalten, auch verfirung und secten ge- wirckt und gehalssterckt haben, nachpleiben *). Haben darumb unsem vleis und bestes dazu gethan. Weill nu die sach uf solchem bedencken ruhen will und wir dir nit ferrer zu pringen wissen, müssen wir solichs erwarten % wollens Got heim-

1) Das Concept ist undatirt, aber da es mit dem vorigen Brief auf einem Bogen von derselben Hand geschrieben ist, so ist sein Datum zweifellos

«) Vom 1. Febr. 1535. Corp. Bef. IV, 835. 9) Die gesperrt gedruckten Worte sind anch im Manuscript hervor- gehoben.

*) Diese 4 Worte Corr. von Philipp*s Hand.

LENZ, Z. BSJEFW. LANDGE. PHILIPP'S MIT LUTHER ETC. 141

steiles, und den bidton, sein ^ade furthei dorin zu Terleihen, und iMdanckeD nas euers angewenten Tleis und christliche g^t- meiDUDg gnedi^lich, nnd aeind euch zu goaden wol geneigt.

Nr. 4.

[C«noept I

Der Landgraf an Melanchthon.

Güppiugen, 6. Ma.1 1536 ')■ 1 H. LeiBEDer, mit Correctiirea von Ph. (geHperrt gedmokt).]

Hocbgelerter, lieber, getreuer. Wir haben von euch itzt ein brief empfangen, der am mitwochen nach dem ostertage iat ge- geben*), haben darror auch ein schritt derselben aachen halb von euch empfangen, die haben wir er Jacobea Stürmen lassen iMeen *). Dweil dan Biicems von J. Menio [Brenzio?] ao wol getrAst, daä doctor Martinus izo so gut [gutherzig?] nnd die bit nnd beger von im herkomen*), haben die Ober- leader nit wissen za nmbgehan, das sie forr bewil- get, mnntlich [?] doctor Martine als irrem lieben vatter also muntlich anch anzazeigen; dieweil dan wir Ton solcher lusamenkunft zu Eiaenach zaror, da sie von ench denjenen furgenommen ist wardten, und sunst sunderlicb kein beriebt gehabt, haben wir dorin nit gewust, enderang ze machen, dan wie es hirnach geratteo [?], so soldt woll Ton enerm hern und andern gesagt werden: ich hör, das verhindert, da vill guts auss erfolgen mocht ;

>) Philipp war im April nach Würtembcrg gereist, um einen Ver- tiag iwischeo Herzog Ulrich and Ulm Bafzurichten, waa ihm am 6. Hai IQ Göppingen gelang. Ileyd, Ulrich, Herzog za Wüttemberg, 111, 32.

■) ApHl lä. Gedr. C. R. 111, Ö6 (aas Knchea beclcer, AnaL Hau. IX. 423).

1) A^Hl 11. C. R. 111, 54 (ans Kuchenbecker 421). Helancbtbon hatte hierin den Landgrafen gebeten, Jac, Starm schriftlich um Anf- «obnb der Theologen versaomitnng erBncbeo zu wollen. Da dieser damals bei Philipp war, ko erhielt er Einsicht in den Brief Melanchthon's selbst.

*) Dafär ansgestricben: [so gnt] ,,sei, das sich guter handlang und fergleicbnng da zn lerbofen wcre, aacb wir sonnt," Ph. bezieht neb aar den Brief Lathers an Bacer vom 25. Harz, in dem er Ort and Zeit der Venammlnng (Eisenach, 18. Mai) fcatgeBtellt hatt«. Banm, Capito itod Butzer, 50&. Vgl. die beiden Briefe Melanchthon's an Phi- lipp Tom II. ond 19. April.

142 ANALEKTEN.

indem das Baceras izt ist bie bei nns geweat ') und so gute hofbung gehabt, das Lutlierus izt so uf guter meinang' were, däs solcbe zesamenkunft dqz and gut solt« sein; und auch also I Bncerus und Brencius und andere hinab nach Eißenacb zu seint vor etlichen tagen verritten und uns diss euer schreiben so | kurz vor der zeit lukomen ist, dan morgen, wi ir wist, ist i Jubilate : derohalben wir, ob wir schon gern weiten, inen nit , widd erbieten oder nie ufhnlten miigen, wissen auch nit, aba gut oder nit werr, solcha zn verhindern, dan wir ' die ursacb irres hinziens nit erkennen. '

Zum andern , als ir uns Eisslebens halb geschrieben and < sein Schrift an herzog Ulrichen uberschickt, haben wir nnsem freuntlichen lieben vettern und gfattern herzog Ulrichen lesen lassen *). Und hat sein lieb doran nit gar nngefallen. Nach- i

1) Aaf der Beise von Aagsburg, von wo er am 21. April aufge' j brechen war, nacfa Eisecach. Baum, 5ü<j. ^

^} Das Original, nach welchem der nachstehende Abdruck, liegt bei i dem Briefe. Daneben eine Copie mit der Aufachrift von Melanchthcn'a Hand: „Copie Magister Eialebena Schrift." Zur Sache vgl. Heyd, Herzog ' Ulrich U, 360 r.

Johann Agrioola von Elaleben an Herzog Ulrich von WQrtemberg. EUleben, April 13. 1536.

Durch lenchtiger, hixhgel)Dnier furat, gnediger herre. Nachdem ich vielfältigen bericht entpfnngen, wie E. f. g. genuet gegen nivr, E, L g. armer diener, helTtige Ungnade aolle geschepft haben, and ich von Gottes gnaden weiaa, das ich zu widderwillen gegen niemandt uraach geben Botl und , wo CS gesehehen , mit untertheniger bitt Verzeihung begereo, nmb dcB willen, der bereid iet, so offt w;t auch für jhn kommen, una gnade und vertzeihung unaerer miBshandelnng gegen yhm, dem höchsten Gotte, erschetnen zu lasBen, Deihalben ich itzt für E. f. g. fuesse falle, nnd bitte durch die bannhertzigkeit Gottes, sie wolle, was dissfalla ans eim unvoratande von myr E. f. g. zu nahe geschehen, gnediklich hin- gehen lassen nnd mehrer bessernng meinselbs gewertig aein, yn anaebnng, dos ea aubS keinem haaa odder böser meinung, sonder auas landmchtiger kontschafft, die am meisten durch E. f. g. selbe gefrenudten und etliher vom adrl heftigem acbreiben dazumal ausaeebreittet worden ist, welchen ich die zeitt nachgevolget habe aampt andern mehr; zudem das ich auff das hefflige schreiben des Ludwigen Passavantz adder D. F. nichts ge- antwortet habe, darynn ye mit mein« groasen verclcinerung E. f, g. hoch geschützt nnd zn ehren gesetzt wirdet, also das der nngefimpff auff niyr feruhet. Dean Gott weiaa, das rayra ein hertzliche frende gewesen iat, da ich vemomen, das E. f g. yn aolchem unfreuntlichen genichte von jdermenniklieh , auch von mir selbst unrecht geschehen sein aolte; nber das, das ich ym XXXlIll. jare ym huchlin der aprichworter alles BolehB hindan gethan und aussen gelassen habe, wie ea am tage. David der Konig hat vill vergeben seinen feinden, dio mit der tadt und wortan Widder jhnen gehandelt, anff daa yhm Gott auch viel vergebe. So gebe nun Gott yn E. f. g, bertze, daa ich einen David flndo nnd gnedige gucte antwortt von E. f. g. bekommen muge. Daa wil ich umb E. f. g.

UESZ, Z- BRIEPW. LANÜGR. PHUJPP'S MIT LUTHER ETQ 143

dem ftber das wiseentlicb und Öffentlich war ist, das EisslebeD Beiner lieb unrocht gethon hat andg öffentlich im dmck nageen lassen, so ist auck recht und pillich , das er dee sein lieb ver- antwort, wie er dan einem gar vil geringen), nemblich dem Ton Dienheim gethon, und sagte: er hab einmal sId narbeit gethon, hab herzogh Ulrichen unrecht gethon und es aol inen sein leben Ung rauen. So hofen wir, wolten den herzogen dabin bringen, das er di nngnad auch soU fallen lassen.

Nr. 5.

Melanchthon an den Landgrafen.

Wittenberg, 29. Mai 1536.

[Eigeohändig >)].

Dorchlencbter, hocbgebomer forst und here. E. f. g. sind

meine arme dienst in untertbenikeit zuvor. Gnediger fnrat nnd

berr, nachdem E. f. g. mir geschriben, das ich E. f. g. von der

unterrede, so wir gehabt, bericht zuscbreiben solt, und ich weis,

das E. f. g- nlt uberig zeit batt, bab ich E. f. g. nit wollen

mit langen acbiifften ufTbalden, sondern E, f. g. mögen von herm

Bncero alle bandlimg h^iren , dazu bei ibm verzeicbnus Gnden.

Wir haben, aus bedeulien, nicht schliessen wollen, und mage dise

wichtige sach zu einer stjittlichen und gemeinen versamlung uff-

geiogen werden. Gott bewar E. f. g. allezeit gnediglicb. Datum

Wit«berg, montags nach ascensionis dominl 1536.

E. f. g.

untertheniger diener

Philippus MelonthoD.

1

meiti Ubelaog in vordieoen willig befunden werden. Datum Giesleben, am gmnen donwtage imd den Xlll. apriliB im XVC nnd SXXVI. jare. E. f. g. untertheniger williger Johann Agricola EiBsleben. De» Brief war eine Einlage zu Melanchthon 's Brief vom 19. April (C. K. ni, 57). Ein anderes Eiemplar erhielt Erhard Schnepf, nm es ebenfaUa dem Herzog zu äberreichen : Islebius scripsit deprccatriccni epi»- tolam ad Olnstrisgiiuuni priiK^ipem ducem nirtebergeosero. Eam ut tu optimo principi eihibeas, oro te et quidem per Christnm, qui haec officia nDonciliationnm, ot Bcis, reqnirit {ebd. 56). Vgl, auch die Briefe an den Landgrafen »om 11. nnd 2S. Mai, leteterer die Antwort auf den oben- «tehendea (S. 55. 75).

*) Dies der Brief, den Melanchthon dem Landgrafen am 2^. Mai

iM

LENZ, Z. BBIEPW. LGB. PHIT.TPP'ft HIT LUTHER U. HBUL 1£S

cnocheD, gnediglich begerende, ir wollet ench solcher unser zu- TVTsicht noch in diser sach beweisen , halten and erzeigen, w i e ODBeT vertrauen aller bandelung auch zn each ste- het*). Dargegen seint wir erpntig, hoffen, ir solts aach bisan- ber von uns nit anders befunden haben, wardurch wir hinwider- nmb di erhaltung und verpreiterung gotlicbs worts furtsetzen BOgen, das gewisalich an unserm vennugen doran ganz nichts •rwinden soll. Wnrden wir auch was von euch erinnerdt, d«a xa solcher erbitung dinen mag, des eeint wir lig. Welchs wir ench also nit wosten zn pergen, und seint «neb mit allem gotem willen gewogen und gneigt ').

Nr. 7.

Der Landgraf an Melanchthon.

Ohne Ort, wohl aus Grimma, 9. April 1542. [Einen Satz citirt Bommel, (i. Hauptetüct, Anm. 157.]

Uosern gnädigen Gniss zuvor. Hochgelehrter, lieber, ge- tnaer. Wir haben euer Widderantwurt, belangend dasjenige, so der Digamie halben sollte ausgangen sein oder usszugeben im Werk eteen etc., empfangen, erprochen, verlesen und von Euch gua gnädiglicb verstanden ^). Haben auch derselbigen Äntwurt «in guts genügen. Und Ihr soUets gewiss dafür halten, dass wir nmb Euernt und des Lutheri willen viel tiiun wuUen. Glauben auch, wann wir hym Luthero selbst ein kleine Zeit wären, wir wullten ihnen wol zufrieden stellen. Und wir haben Auf eur Bedenken nit unterlassen und dem Luthero ein Schrift dieser nnser Sach halben zugefertigt, wie er Euch unsers Erachtens wirdet sehen lassen *).

Was aber betritft die Kriegsabnngen, so sich zwuschen un- ■era freundlichen lieben Vettern, Bruder, Sohn und Gefatter, dem Cborfursten und Herzog Müurizen zn Sachsen etc., itziger Zeit ntragen, stehen wir vorwabr in heftiger Arbeit, dieeelhige Sachen

>) DafBr anfigpstricheD : „und auch zu nichts, das uns zuwider blkn iDöcht, durch die leute, ao unsser nottutft nicht wisaen, bewegen laraen."

*) Vgl. die Iditteilnngen Varr entrapp's in den Porschungen z. i. G. XVI, IGft.

») Vom 5. April, gedr. C. E. IV, 797.

*) Das ist der voranstehende Brief.

146 AKALEKTEN.

za andern, freundlichen Wegen zu richten und zn piingen nnd seint desfalls schier lebendig im Fegfeuer, dann uns kaumpt ein beschwerlicher Ding uf Erdreich dann dieser Irrthumb begegnen >und fur&llen mocht. Haben derowegen zwuschen beiden Parteien keinen Fleiss, Muhe oder Arbeit gesparet, und tragen, Ctott sei Lob, izo mehr Hofhnng zum Vertrage, dann wir hiebevor gethan haben. Das wollten wir Euch also gnädiger Meinung auch nicht pergen, und sind Euch mit Gnaden geneigt

[Die Antwort Luther's ist schon veröffentlicht (s. de Wette-Seide- mann VI, 312 f.). Bei der Fehlerhaftigkeit des Abdruckes wird aber eine Wiederholung wohl nicht unwillkommen sein.]

Nr. 8.

Liither an den Landgrafen.

Ohne Ort, 10. April 1542.

[Eanzleivermerk von Bing: Lutherus contra herzog Maurizen; pres. zu Witenberg am freitag nach jubilate anno etc. 42 (Mai 5.).]

Cr. u. f. ynn Christo unserm herren. Durchleuchtiger, hoch- gebomer fürst, gnediger herr. Ich bore seer gern, das E. f. g. hoffnung gewonnen haben zum yertrs^ dieser leidigen, fehrlichen zwitracht. Gott verleihe weiter und endlich gnad, wie wir mit ernst beten und erhorung hoffen. Ich bette mich aber nicht ver- sehen, das H. Moritz so undankbarlicb und unfreundlich sich solt wider den Churfursten halten, so alle weit wol weis, das er nicht geboren, viel weniger ein solcher furste worden were, wo H. Fridrich seliger nicht gethan bette. Nu, er ringet nach Gottes zorn, der wird yhm komen, ehe er denckt, wo er nicht statlich busset für solche böse that umb eines drecks willen, das [des ?] er mit einem wort hette können ausrichten. Gott behüte das volck, so wider den Turcken zihen sol, das H. Moritz ja nicht mit jm felde sein musst, sonst soll uns nicht allern der Turcke, sondern auch wol blitz und donner erschlahen, wo ein solcher ungebusseter bluthund, der vettermord, bmdermord, schwiger-[8chwager?], ja vater- und sonmord so halstarriglich furgenomen hat, [mitziehen sollte]. Wolan ich wil wider yhn mit einem herrn reden, der sol yhm maus gnug sein, und sitzt für seinem wueten zur rechten Gottes wol sicher.

Das ander, davon E. f. g. mir schreiben wissen E. f. g. (acht ich) wol, wie trewlich ich E. f. g. all zeit gemeinet und auch drüber getragen schweer gnug, E. f. g. zu verschonen.

LfcMZ, Z. BKIEF^V. LGK. ?eiLIPP 8 MIT LUTHEH U. MEL, IW

Aber du loee bach Ualdricb Neobali bette eg schier verderbet, alao, das es EOlche faale zoten, eo zur Sachen nicht alleine us- diensUicb, sondern auch Beer echedlich, mit unnützem genesoh «nfbret. Und mir auch einfiel, es bette jemand E. f. g. zum •ehimpff uni) höhn gemacht. Sonst weis ich hein Widerwillen. D«nn ich E. f. g. jnn meinem gebet habe und haben mua, w«U itzt zur zei' solch schweer regiment sind, dos wol not that, fnr die oberberni zu beten. Sie sind wol so übel dran und ynn grosser mube, wo sie recht sollen bandhaben. Uiemit dem lieben Qott« befohlen, amenl Montags jnn ostern 1542 '). E. f. g.

williger

Marti nuB Luther.

Nr. 9. Der Landgraf an Luther.

Casael, 27. Januiir 1543. (Concept von Bing.]

Unserti gnedigen gros zuvor. Erwirdtger und bocbgelerter, lieber, getreuer. Ks haben uns unsere predicanten Dionisius Me- luidar und Johanues Lenlngus ein i>ucb furpracbt, wie uns dann mch Tolgents der bochgelert Fhilippus Melanthon derselbigen Imeber eins zcgeschtckt, so ir wider die Juden und ire lugen ge- Bduiben *). Wilch buch wir verlesen; und gevellet uns vast wd, sonderlich aber in den vir puncten, darin clerlichen dar- gethan wirdet, das Christus komen aei etc. Und wünschen der- vegen von Gott, das er euch und andero leut, so seiner cbrist- liehen kirchen mit schreiben und lehren mugeu nutz sein, za nrpreiterung seines gotlichen n ahmen s lange zeit erbalte und beware.

Wie es aber sich mit der erobening di?s bnmschwigischon ludes allenthalben zugetragen, das wisset ir on zweivell albercit gnugsam. Derwegcn von unnoten ist, darvon weitere vermeldung in thnn. Allein müssen wir di eher in demselbigen dem al-

>) „leb hob dem Landgraven gestern frne einen acbarfien BrieS* ge- idirielien wider den toriehtcn hlnthniid H. Moritz", schreibt Luther im nächsten Tage ut Kanzler ßrUck (de Wette VI. 314).

») Von den Juden nnd ihren Lfigen. Vgl. Köstlin, Martin Latber ü, 578 ff. Der Brief MeInnchthoTis, mit de« er das Lihell übw- MsdU, vom 17. Jan. 1543, C, B, IV, 19: „Ich sende auch E. f. g. ^eaet sein Bucblein wider die JnJen. das waiirliuh viel oatzliober Lnhr b>t"

10*

146 ANALBKTl

ED andern, firenndlichen Wegen iti

Heint des&lls schier lebendig im Fv_^mJKii gflthu, nnd dea beschwerlicher Ding of Erdreich dn^^|^ Muier uinftr ehiiit- <uiid fnrfallen mocht. Haben deroir< ^^^ keinen fleiss. Muhe oder Arbeit S'^^^ m gutA- und begens Lob, izo mehr Hofbang znm Vertra^^^ ^ uligmi und nottniflt haben. Dae wollten wir Euch alio ,-^lMf^epet bepholen sein pergen, und sind Ench mit Gnader ^^ ^igan und gaiutigaa ^^^■■hnt geneigt

[Die Antwort Luther's Ist schon vi

mann VI, 312 f.). Bei der Feblei

aber eine Wiederholung wohl

Luther an den ^^H|h bMpmt gedrndct) i).| Ohnp Ort. l<3--^|^ lagelelrter, Lieber, Qe- ll^jmiUieB nit pergen, dws '"j^ Johann Feigen von Lich-

Q. u. f. ynn Chris t.i urj- "^Wi K*storben, gewesen nod gebomer fürst, gnediger lici ^^ fwsdt: da wir bafintden,

hofinnng gewonnen habiii .'' ^ ;i (ut christlicbe Xfliniiiig

zwitraeht Gott »orleiby h>.l'.'. ^j^Bachlin, wilob« Hip in

ernst beten nnd erhorung h-.4] sehen, das H, Moritz ! _

eolt wider den Chnrfiirfiten Ijal"'! ^l^Ki -^ u>™ *»»»™.b« .».. nicht geboren, viel weniger ott^ ^^i^gnomen nnd nnsars f^ H. Fridrich seliger nicht g^'l« ^. T^üunon letschiedan ist Gottes lorn, der wird jhm knii,. ^\\ifa, d*ss uns itinnder von etatlich bussct für solche h<>xe' 'i> ** jg^etuiBB oder Copai ist ein [des?] er mit einem wurt bi'tt- -^^^[«iewol ohn enain Willen) das Tolck, so wider den 'l'ur'''^ "-^^^^iem wir doch ans haben- nicbt mit ;m felde aein ciu^^*, '^itMi Witten aneh nit, Tnrcke, sondern auch wnl hin- »^T, ^j^f nmh noh m Witten- solchor nngebusseter bluiln"'i -^ jjifursten, «nem Herrn, schwiger-[schwagcr?], jm v;it.' "^^^((«nigflr wollten wir eneh fargenoraen hat, [mitziehen ■-■■!'! ^^T^, solche nf der Bahne einem lierrn reden, der siO jbf ^^^ —findet und ancb unaemi seinem wueten zur recLton •'■'' •^jjp ■'"' ChurfnrBtcn. eroffenet

Das ander, davon E. !'■ "'-^tf^jfHr i sonJem offenUich in (acht ich) wol, wie trewUch 1

VLL'-' n f 0p XJUI^Uiai, WUDUD KUX iU

liutTi'^ '^SetVKcheit lanen Torlesen nniiui* * ^tÜi ^i""* solchen Trost ge- Ijalf'i ^Jtaiei tu dem Abschied Ton

auch drüber getragen schwel

^— Brief in C. B. V, 74fL

ÜILIPP'S MIT LUTHER ü. MEL. 149

inten und wösten wir nit zu unter- iing stellen zu lassen, was Lu- von dieser Sach geschrieben, und in li urteil zu stellen, ob er hiebevor eiern ürtheil und Gottes Geist ge* [?] oder ob das itzig aus mensch- n cristlich heisse und der war- Thun darauf euer Wiederantwort er- lern Gnaden wol gewogen und geneigt

Nr. 11.

Landgraf an Luther.

.ssel, 11. August 1543. [Cono. Ton Bing >)].

l hochgelerter, lieber, getreuer: euer schrei-

luem Bichium von Uanofer einer vertrösten

lun, haben wir verlesen und darnff sopald

am und professores unserer universitet Mar-

ru die vertröste lectur frei und bevor zu halten,

Witenpeig widerkomen und sein magisterium

weiten wir euch, dem wir mit sondern g^den

> hinwider unerofiiet nit lassen, und thun euch

btigen zu gnaden bevelhen.

:en Fassung lautet dieser Satz so : Dargegen zu offen- <i8 vor eilichen Jahren von dieser Sach geschrieben, 11 schriftlieh zugelassen, und in eines freien Urteilers !), ob er hiebevor vor ezlichen Jahren und auch kurz- jchr aus freiem Ürtheil und Gottes Geist geschrieben iann itiiger Zeit etwo aus menschlicher Affection sich und sein vorige Schreiben und zulassen vernichtiget

f Luther*B, auf den dies die Antwort ist, bei Seide-

ebd. die Bemerkungen über Job. Reich. Auf dem-

n dem der obige Abdruck genommen ist, befindet sich

.t des entsprechenden Befehls an die Marburger Üniver-

150 ANALEKTEN.

Nr. 12.

Luther, Bugenhagen, Creutziger, Camerarius und llelanch-

thon an den Landgrafen.

Wittenberg, 13. December 1544.

[Praes. Cassel, 7. Januar 1545. Original. Nur die Unterschriften von

den Bittstellern.]

Gottes Gnad durch seinen eingobornen Sohn Jesum Christom iinsem Heiland zuvor. Durchläuchter, hochgebomer, gnädiger Fürst und Herr. Wiewol wir E. f. g. gern verschonen wollten, als die wir wissen welche Last und Arbeit viel löblicher Fürsten und Regenten jetzund tragen, so zwingt doch die Noth dieses eilenden Lebens, dass man die Herrn oftmal ansuchen muss; und soll also sein, dass die Herrn den Frommen und Unschuldigen Trost und Hülf erzeigen, so viel muglich ist. Nu wissen E. f. g., dass der fromm ehrlich Mann Hieronymus Bomgartner von Nori- berg im nähisten spirischen Reichstag von Alberten von Bosen- berg gefangen ist und noch nit ledig, und nehmen sich sein wenig Leut an. Nu ist er unserer besonderer Frund und von wegen seiner grossen Tugent sehr geliebt, und Gott weiss, dass unser etlich selb in seine G^fängnuss zu tretten zu seiner Bettung willig w&ren Dweil wir aber keinen Weg wissen, wie ihm zu helfen, haben wir endlich bedacht, an £. f. g. unterth&niglich zu schrei- ben. Und obgleich E. f. g. sich nit gern in der Noriberger Händel einlassen, auch dieselbige Zeit, da Bosenberg seinen Scha- den empfangen, dem Bund verwandt gewesen sind, so bitten wir doch in Unterthänigkeit, E. f. g. wollen unsem Personen, die wir gern unserm guten Freund helfen wolden, diese Gnad er- zeigen und gnädiglich bei dem Bosenberger umb Erledigung ge- dachts Bomgartners arbeiten, und Mittel, die ihm und seiner Frundschaft als Privatpersonen möglich, furschlagen. Denn sein Vermögen ist nicht gross; so ist dem Bosenberger nichts mit seinem Tod geholfen, ohne das er sich am Blut eins fromen, gottforchtigen Manns schuldig macht. Unser Heiland Christus spricht: ich bin im Kerker gewesen und Ihr seid zu mir komen. Wahrlich derselbigen Personen eine, welche Christus zu retten befohlen, ist auch Bomgartner. Denn zu dem, das ehr gelahrt und verstandig ist, so lebt ehr in rechter Gottesforcht und dienet zu Furderung rechter Studien und gottlicher Lahr mit besonderm Ernst und Fleiss. Derhalben wir nit zweifeln, diese E. f. g. Arbeit werde Gott gefällig sein. Zu diesem Schreiben sind wir durch Niemand von Noriberg, sondern allein durch unser eigen Mitleiden bewogen, und bitten unterthäniglich, E. f. g. wolle umb Gottes Willen sich dieses ehrlichen Manns annehmen, wolle auch hierin unsere Personen bedenken, denn wiewol wir selb täglich

LENZ, Z. BRIEPW. LOH. PHILIPP'S MIT LUTHER D. MEL. löl

Gefänpnisa und Mordens von den Feinden christlicher Lahr ge- wartig sein und müssen unser eigen Gefahr lichkeit Gott befehlpn, so wolden wir doch gern, soviel möglich, mit ziemlichen, fried- liehen Mitteln, dass dieser Mann erlediget wurde. E. f. g. wer- d»n SDch bierin viel gelahrten Leuten zu Gefallen thuen, deren etlich doch dankbar i^in werden. So erbieten wir uns alle Zeit IQ nnterthäntger Dankbarkeit und bitten E. f. g. umb ein gnfidig Antwort. Datum Witeberg, am 13. Tag December, anno 1644.

E. f. g.

uuderthenige [von Luther]

Marl in US Lutherus, D.

Johannes Bugenhagen Pomer. D.

Caspar Creutziger D.

Joachim US Camerarins.

Philipp US Melanthon.

m

Der Landgri

Nr. 13.

ler Landgraf an die Wfttenberger Theologen.

Cassel, 8. Januar 1545. [Concept. ]

Unsem gnädigen Gruss zuvor. Wirdigen und Wo Igel ehrten, Lieben, Andächtigen und Getreuen. Euer Schreibeu, so Ihr un- urs lieben, besondern üieronimi Baumgartners halben an uns getban, haben wir entpfangen und Inhalts von euch gnädiglich verstanden, und bekumert uns dieses Manns Unfall nicht allein von wegen seiner Person dann er uns wolbekannt und von uns nie änderst dann sonderer Ehrbarheit [so] vermirkt ist , ■ondem wir haben auch des seiner Herrn halben, die wir aU- weg für unsere gute Gönner gehalten und befunden, ein gnädiga HiÜeiden. und darumb so haben wir una allbereit zu seiner KiÜedigung mugliches Fleiss bearbeit, wollen aber nnmehr umb ener Bitt willen, als denen wir mit sondern Gnaden geneigt Wien, ans nach fleissiger und mehr in der Sach bearbeiten und iD Stnnd an abermaln die Unsern ausfertigen, mit Fleiss zu nicben, oh wir ihme, üieronimo , wiederumb mochten auf freie PosB verhelfen. Und soll dos Fahls an unserm Fleiss, Muhe und Unkosten nichts eminden. Wuchs wir Euch, denen wir mit son- dern Gnaden gneigt sein, also hinwieder gnädiger Meinung nit «nllten perlen, die wir damit Oott dem Almächtigen zu Gnaden tbon befehlen.

152 AKALEKTEK.

Nr. 14.

Der Landgraf an Luther und Melanchthon.

(Ohne Ort und Datum.)

[Concept Yon Bing. Rückenaofischrift: an die gelerten zu Wittenberg Ln-

thenim und Melanthon.]

ünsem gnedigen gruB zuvor. Erwirdigen und hochgelerteu, liben, andächtigen und getreueu. Wiwol uns oftermale umb unser treueherzigkeit, muhe, arbeit und gutwilligkeit nit allein nndanckparheit , sondern wol misdinst und Widerwille enrolgt, der- wegen wir wol bedencken gehapt, uns in di handlung zwischen Numburg und dem von Bosenberg einzulasseu, aber uff euer fnr- bitt, auch denen von Numburg zu gonst und Baumgartner zn gnaden haben wir nach langwiriger suchung ioen, Albrechten von Sosenperg, lezlich durch ezlich der unsern antroffen und inen uff gnugsam vergleittuDg zu uns pracht: da wir mit im zu erledigung des Baumgartners zum fleissigsten gehandlet und lezlich di Sachen dahin pracht, wie ir aus inligendem verzeichnus, so wir under gehapter rede mit unsern selbst banden angemerckt, zn sehen findet; davon wir denen von Numburg gleicher gestalt copei zugefertigi Welchs wir euch, als deuen wir mit sondern gnaden geneigt sein, dweil wir vermerkt, das ihr des Baumgart- ners erledigung so gem sehet, nit wollten verhalten. Und thuen von denen von Numburg erwartten, ob und was wir weiter in diser sach sollen handien, doran unsers teils hinfaro, wi bisher^ auch nichts erwinden soll. Damit bephelen wir euch dem al- mechtigen zu gnaden.

Nr. 15.

Luther und Melanchthon an den Landgrafen.

Wittenberg, 6. März 1645.

[Praes. Oassel, 16. März. Original Nur die Unterschriften von Luther und Melanchthon selbst. Text von derselben Hand wie Nr. 13.]

Gottes Gnad durch seinen eingebomen Sohn Jesum Christum, unsern Heiland, zuvor. Durchläuchter , hochgeborner, gnädiger Fürst und Herr. E. f. G. danken wir in Unterthänigkeit, dass sie zu Erledigung Hieronjmi Bomgartners so gnädiglich Fleiss, Arbeit und Kosten anwenden. Und bitten Gott den ewigen Vatter unsers Heilands Jesu Christi, ehr wolle E. f. G. dafür auch Trost und Hülf erzeigen, wolle auch Gnad verleihen, dass der Gefangen erlediget und zu seinen kleinen Kindern wiederumb komen möge. Und nachdem E. f. G. uns anzeigen, sie haben Bericht dieser

LEHS, Z. BBIEFW. LCR. PHIIJPP'S HIT LUTBER ü. HEL. 163

HamUuD^ gen Noriberg gesandt, achten wir, E. f. U. weiden cmimehr von Bomgartnera Frandschaft Antwort baben. Gleich- wol wollen wir ihn [so] auch die-se E. f. G. SchrifteD senden und ihr Bedenken daiuf erforschen, denn Bomgartnera Vermögen ist nit nber viertaneend Floren ; so gedenken wir, der Rath werde ihn nicht löeen. Darnmb bitten wir, E. f. G. wolle umb Gottes Willen noch weiter in dieser Sachen anhalten und arbeiten, denn dem Bosenberger ist nichts damit geholfen, so ehr gvtnem tödtet: so wird Gott des UDscbuldigoD Blnte nit ver- gcesen. Wir vemeliinea aus seinen Antworten in E. f. G. Ver- ■eicbnns, das ehr üebr trotzet, welches wir Gott, der seiner un- Bchnldigen Christen Richter ist, befehlen müssen, der zu seiner Z«it diesen Stolz, Trutz und Tyrannei, die jetzund mancherlei in der Welt ist, »trafen und seine arme Kirche retten wird. E. f. Q. ftls ein weiter Fürst wissen solcher Sachen Gelegenheit, die wir nicht können anzeigen. Bitten derwegen , E. f. G. wollen amb Gottes Willen dieser Sauh noch weiter uachgedenken nnd noch arbeiten , ob durch Gottes Gnad etwas fruchtbars za schaffen. Diesen E. f. G. guten Willen wird Qott belohnen. So sind wir E. f. G. in dnteithänigkeit auch zu dienen willig, unser Hei- land Jeans Christus wolle E. f. G. allezeit gnädiglich regiem, Khötien und zu Gutem erhalten. Datum Witeberg, 6. Marüi, snao 1645.

Martinas Luther D.

Philipp US Mel authon.

yorst«hende Briefe liegen in einem ConTolnt bisher anbe- BUtiter Acten, welche ganz neues Licht auf die Geschichte der QaCugflDSchaft Hieronymus Banmgartuer's bei Älbrecht von ßosen- Wg mtfen. Da die einen und die andern im engen Zusammen- ^ngt stehen, die Bedeatung der Briefe nur ans den Acten er- hrilen wird nnd diese ohne jene niemals entstanden sein würden, K wild eine kurze Skizzirung ihres Inhaltes nicht unwillkommen Min •)■

Als den Verfesser beider Bittgesuche können wir mit Sicher- b«t Helsnchtbon bezeichnen, sowie in ihm, der ja dem Gefange- nen vor andern nahe stand, sich der Gedanke, bei dem Land-

I) Literatur: Abhandlung von Joh. Voigt im Anzeiger für die Enode der deutschen Vorzeit 1^55, 6—12. Der eigene Bericht Baum- nrtaer's an «einen Rat aus seiner Handschrift in 33, Jahresbericht dea Uftoriachtn Vereins von Mittelfranker. 1805, 4. Beilage (mitgeteilt von IsaelmanD). Zwei frlEche Reiterlieder aae dem Kreise dea Bittere und nner Gesellen bei LilieDuron IV, 265, wo auch die ältere titeratnr nndchnet ist. Vgl. deWette-Seidemann VI, 307. 467; Burck- kardt, 8. 447; Allg. Deutsche BiograpfaieU, I68f.

154 ANALEKTEN.

grafen Fürsprache zu suchen, zuerst gebildet hat ^). Am 13. De- cember, dem Tage, von dem er datirt ist, schickte er den ersten Brief zur Unterschrift an Camerarius *), erhielt ihn aber von diesem wieder zurück, so dass derselbe am 19. December noch nicht von Wittenberg abgegangen war ^). Daraus erklärt sich sein spates Eintreffen in Cassel, erst am 7. Januar.

um so rascher war nun aber der Landgraf. Er hatte sich schon früher, von Nürnberg selbst darum ersucht, um die Los- lösung 6aumgartner*s bemüht^), jedoch damit ebenso wenig er- zielt als die Nürnberger mit ihren Gewalttaten, die Freunde Bosenberg's mit ihren Bitten und Vorstellungen, und der Kaiser selbst mit einem drohenden Mandat und der Vorladung auf den künftigen Beicbstag in Worms. Jetzt, gleich am 8. Januar, wie er Melanchthon und seinen Freunden schreibt „zur Stunde" dieses Briefes, sandte er Briefe und Botschafter aus, um den Bitter zur.

1) Veit schreibt er es am 17. November 1544: HieronymiBomgartDeri salutem assiduis votis Deo commendamns, et quamquam humana con- silia nihil spei ostendant, tarnen expectemus a I>eo liberationem ejus. De- crevi et ego aliqaid tentare. Experiar, an mea et literarum causa o Maxedwy suscepturus sit haDc caram, ut cum Centauris illis agat de eo dimittendo. Etsi enim fortassis vestrae civitatis negocia defugiet, tarnen orabo, nt de hoc nostro amico, ut de homine privato et mihi con-

J'unctoagat: Worte, die in dem ersten Brief an Philipp zum Teil wieder- :ehren. Am 31. Mai war Baumgartner zwischen Sinzheim und Wimpfen auf der Heimkehr vom Speirer Reichstag angesprengt worden Dass er in der Gewalt Bosenberg's war, wosste alle Welt; wo er festgehalten wurde, aber niemand als der Täter und seine Helfer, auch der Gefangene selbst nicht. Melanchthon wusste schon am 17. Juni davon (C. R. V, 418). In den Briefen aus den folgenden Monaten beklagt er häufig das Unglück des Freundes, das ihn tief ergriff. Vgl. C. R. 422. 424. 438 (Trostbrief an die Gattin Baumgartner's vom 9. Jnli, Begleitschreiben zu dem Brief Luther's an dieselbe: de Wette V, 672.). 490.

«) C. R. 546.

3) C. R. 548.

^) Das Bittgesuch Nürnbergs schon am 23. Juni 1544. Vgl. oben die Antwort Philipp*s vom 8. Januar. Den £mpfang dieses Briefes meldet Melanchthon Camerarius am 18. Januar: Litteras Macedonis de Baumgartnero lionestc scriptas accepimus, quarum tibi exemplum mitto. Nam et tibi inscriptae sunt. (C. R. 656). Am 20. Januar schickte er eine Copie an Veit nach Nürnberg: Macedonis epistolam nobis mitto, quae nobis quidem videtur amanter et de Hieronymo et de republica yestra scripta. Dominus noster Jesus Christus adjuvet labores eorum, qui Hieronymo bene volunt. Nolui Macedoni modos rei agendae prae- Bcribere, imo in literis ad amicos scripsi, eo me nihil de ratione ac modo disputasse, quod sciam ei consilium non dcesse. Nunc postquam volun- tatem ejus video non esse alienam, fortasse prodesset, et de modis cogi* tare. Quid si peteret sibi Hieronymam tradi? hac de re cum prüden tibua delibera. Ego si meo corpore reaimere Hieronymum possem, libenter in- dudi me in carcerera pro eo paterer. C. R. ijQi. Vgl. damit den Brief vom 13. Januar.

LEMZ, K. BlUEPW. LQK. PHILIPP'S MIT LUTHER U. MEL. 156

Tergleicihnng einzuladen '). Und diesmal erreichte er Beinen Zweck. Am 6. Februar erschien Kosenberg unter tticheiem Oe- leit bei ihm in Spw^nberg. Noch lie^t eine Ciipie des Proto- IeoIIb, das der L.tnd^af, wie er den Wittenbergern schreibt, mit eigener Hand während der Besprechung aufgezeichnet und nach Wittenberg und Nürnberg mitgeteilt hat, bei den Acten. Gs gewährt ans vollen Einblick in die Verhandlung. Alles Bemühen Philipp's ging dahin, den Ritter zur Losgebang des Ratsherrn gegen eine Geldsumme zu bewegen, die Periiönlichkeit Baum- gartner's und die Fi>rderungen, welche jener durch dessen Fest- b&ltung erreichen wollte, auseinanderzuhalten. Hier hatte er nun anfangs einen schweren Stand. Albrecht von Bosenberg verwahrte sich mit Eifer gegen den Vorwurf gemeinen StejjTeitens. Er gab vor, überhaupt kein Geld durch Baumgartner erpressen zu wollen, sondern allein sein Recht. Seine Klagen, die wohl nicht onberechtigt waren, reichten weit zurück, bis in den Anfang der iwanziger Jahre. Da waren die Burgen seines Oheime, des Hans Thomas von Absberg, von dem schwäbischen Bunde gebrochen, und danach die eine, Bosborg, woran auch sein Vater Teil- tiesitz gehabt, an den Kurfürsten von der Pfalz verkauft worden. Dies Eigentum, dessen Verlust er auf 134,000 Gulden schätzen wollte, wieder zu erlangen, hatte er, nachdem alle seine Klagen ODgehOrt geblieben, zum Paustrecht gegriffen. Hätte er Geld haben wollen, erklärte er dem Landgrafen, so würde er besser einen reichen Mann aufgegriffen haben, der vor Baumgartner die Strasse gezogen wäre *). Aber grade auf diesen habe er es abgoseben, weil er ein Ratsherr und dem eilfjährigen, er meint dem schwä- bischen Bunde verwandt gewesen sei, um in seiuer Person ein Faustpfand zur Erlangung seinem Rechtes zu besitzen.

Wie lebhaft nun aber auch der Bitter gegen den Verdacht protestiren moi^hte, zu öelde und nicht vietmebr zu seinem Rechte krimmen zu «ullen, so reichten seine Absichten zunächst doch *ub] kaum weiter. Er gab wenigstens schltesslicb dem DrfLngen Philipp's nach : nicht so, dasa er völlig auf den Rechtshandel ver- achtete; der Landgraf versprach vielmehr, ein Schiedsgericht zn-

■J UeUucbthon erfuhr es von dem Arzt den Landgrafen: Scripsit mihi medicDS Macedonis, dtxisse pHncipem, »n mtssiiriini esse ad Roae- b«fgiom legatum, qui Uli acccptissimtu sit, ut de Hierouymo agat (C. B. 6TU. An Veit, Jan. 31). Es war Balthasar von Jossa, Amtmann zn Crnn^d.

') Ebenso hatte er sich ain 12. Jnli gegen Baumgartner geäussert: „Er habe auch ant demselben weg ainen reichen Mann von Nürnberg, to aQBB doni Wildpad gefaren unnd luit perckirercken umbgivDg , aber seiD nain iiu abgefallen war, wol mögen nyämverlen unnd hinwegh pringen."

156 ANALEKTEN.

sammenzubringen, in dem Herzog Moritz, Markgraf Ernst von Ba- den, der ßischof und die Stadt Strassborg Sitz haben sollten; aber unterdess solle der Baomgartner auf Bürgschaft ledig gegeben nnd, falls der Streit nicht ausgetragen werde, gegen eine Geld- zahlung gelöst bleiben. Ueber die Höhe der Summe ward dann noch eine Zeitlang hin- und hergehandelt. Bosenberg begann mit 20,000, Philipp mit 4000 Gulden, und auf 10,000 ward end- lich der Abschied gemacht. Am nächsten Tage schon meldete der Fürst dem Nürnberger Bat das Ergebnis: wir werden an- nehmen dürfen, dass auch der undatirte Brief an Luther und Melanchthon von jenem Tage ist ^).

Doch war damit die Angelegenheit noch lange nicht am Ende; grade jetzt begann sie sich vielmehr zu verwickeln und weit zu verzweigen. Im Besitz des Spangenbergischen Abschiedes beschloss Bosenberg jetzt ganz an der entgegengesetzten Stelle an- zuknüpfen: am Beichstage in Worms, bei dessen Vorsitzendem König Ferdinand selbst Und hier fand er ein ebenso bereites Entgegenkommen wie im Februar bei dem Landgrafen. Der König wandte sich an die St&nde, die dem Bunde angehört hatten; er lud sie im Mai auf den Dürrenstein in der N&he von Worms zu einem Bundestage ein, um die Klagen des Bosen- bergers, der seine Forderungen in einer Druckschrift am Beichs- tage verbreiten liess, zu vernehmen. Was dieser mit seinem doppelten Handeln wollte, ist leicht zu erraten: Dr. Gemell, der Nürnberger Sjndicus, welcher nach dem Vertrag von Spangen- berg anfangs im März und April bei dem Landgrafen und danach in Worms tätig war, fand den richtigen Namen, wenn er klagte, dass es zum Erbarmen sei, wie die Leute ihre Zwickmühle zn gebrauchen wüssten ^. Dem Bitter ward das um so leichter, je lebhafter beide Parteien sich bemühten, die Angelegenheit in ihre Hand zu bringen.

1) Melanchthon war mit dem Erfolge nicht sehr zufrieden und zweifelte sogar an dem aufrichtigen Willen des Fürsten. So schreibt er am 7. März auf seinen zweiten Brief an Veit: Ütinam possem mittere literas votis vestris reapondentes. Sed actiones Macedonis jam vobis notae sunt, et narrationem [das Spangenberger Protokoll] nobis mis- sam fratri [Bernhard Baumgartner] exhiberi volo ac mihi significari, quid censeat agendnm esse deinceps. Kogavi Macedonem [am 6. März], ut ipse, qui melins prospicere potest in re tali quid conducat, vias et rationes liberandi Hieronymi quaerat Sed illum, ut arbitror, multa im- pediunt, quae non volo recensere. Confagio igitar ad illam nostram usi- tatam consolationem : ,, pater et mater dereliquerunt me, Dominus autem BDscepit me." Der Streit über das Datum des Briefes, ob vom 7. Fe- bruar oder März, ist jetzt gegen Bretschneider's Ansctznng zn Gunsten der, die Camerarius gegeben hat, zu entscheiden.

*) An Philipp aus Worms, Juni 21.

LE»Z, Z. BEIEPW. LGR. PHILIPP'S MIT LUTHER U. MEL. 157

Dnd duttit beginnt der Handel ein allgemeineres hiBtorisches Interesse zn gewinnen. Er erhielt dadurch Znaammenhang mit 4ei) Intrigen , welche damals von dem Hof zur Äufl<l8ung des immer lockerer gewordenen achmalkaldi sehen Bundes, zur Trennung der ober! indisch an Städte von den Forsten gesponnen wurden, zu- gleich auch mit den Umtrieben, welche Tun dem Anhange des verjag- ten Herzoga Heinrich vim Brannschweig jetzt schon im dritten Jahre unterhalten wurden und im kommenden Herbst in dem zweiten biaunBchweigischen Kriege zum Ausbruch und Anstrag kamen. Bosenberg stand mit den Waffengenossen des Süchtigen Herzogs in intimem Verkehr: mit Christoph von Landenberg, von dem man allgemein fürchtete, daas er demnächst den Krieg im Oher- lande entzQnden würde, und besonders mit Friedrich von Späth, der, wie kein anderer, im Tertrauen des Herzoges stand. Während er selbst eich in seinen festen Häusern verborgen hielt, führte Späth seine Sache am Belchstage. Er verbreitete dort die Dmckflchrift, worin ßosenberg's Verluste und Forderungen aufge- sihlt und begründet waren und die er wohl selbst mit Landen- berg verfasat hatte '); er hing sich an die kleinen oberländischen Städte , welche des Bundes besonders überdrüssig waren : der Stadtschreiber von Esslingen , das von Herzog Ulrich hart be- drängt wurde, erhielt aus seiner Hand jene Flugschrift zur Ver- breiteng.

War es im Februar freundschaftlicher Eifer für die Witten- berger Gelehrten gewesen , wenn Landgraf Philipp sich ihres Freundes annahm, so ward es jetzt sein eigenes Interesse als Hauptmann der evangelischen Einung. Unter diesem Gesichts- punkt stellten ihm von Worms Dr. Nicolaus Maier, der die Stadt Angsbnrg als Sjndicus am Keichstage vertrat, und Dr. Gemell von Nürnberg die Angelegenheit vor. Sie ziele nur dabin, schrieb ihm Haier, die Städte von den Fürsten abzuziehen. Die Gefahr, welche er ftlrchtete, war die Wiederaufricbtung des schwäbißchen Bnndes: die Mehrzahl dar kleineren Städte hätten dan Befehl dam anf den Reichstag mitgebracht; doch habe er sie davon abge- wendet und zur F.inn^illigung in die „Eretreckung" der evangelischen Rinnng vermocht. Sein Gedanke dagegen war, dass der Landgraf und Kurfürst die grossen Städte, Angsbnrg, Ntlmberg, Ulm und womöglich auch Bosenbei^ selbst bewegen mncbten, dan von dem König angesetzten Tag abzuschreiben, um dann selbst beide Par- teien ED „betagen" ^. Weniger eifrig, dar zurückhaltenden Po- litik seiner Stadt entsprechend, war der Syndicus von Nürnberg.

^nPon

I) Nicolaus Maier vermutet es aus dem „stilo". An Philipp,

«, Hai 10.

■) Wenn«, März 26.

u

158 ANAL^LTEN.

Doch ermahnte auch er den Fürsten, Bosenherg bei dem Abschiede von Spangenberg festzuhalten: das werde ihm „Glimpf nnd ge- meine Gunst bringen, gegen Gott ein sonder angenehmes Werk sein*' und vielen ungerathenen Händeln zuvorkommen" ^). Man durfte, das war besonders der Gedanke Maier's, es nicht wieder dahin kommen lassen, dass die Städte in dem habsburgischen Hof ihren Bückhalt gegen adliche Wegelagerei und fürstliche Ver- gewaltigung sehen mochten. Der Hauptmann des evangelischen Bundes musste als der Beschützer des Bechtes im Beiche er- scheinen, sogar, ja besonders gegenüber den Trägem der höchsten Gewalt selbst, welche der feindlichen Kirche dienten.

Der Landgraf war solchen Erwägungen leicht zugänglich. Er sandte wieder seine Briefe und Boten aus, zwei drei Mal, ohne jedoch den Bitter aus seiner ünsichtbarkeit hervorzulocken. Am 16. Mai lief endlich eine Antwort desselben ein. Doch waren es nur Entschuldigungen für sein Nichterscheinen. Er be- gründete es mit schwerer Krankheit^); jetzt aber müsse er zu König Ferdinand reiten, der ihm zu dem Bundestage freies Geleit gesichert habe. Schon am Tage vorher hatte der Landgraf sich zu einem neuen Schritt entschlossen, der den Wünschen Maier's und, wie er annehmen musste, auch Dr. GemelPs und der Nürn- berger entsprach, zu einem vierten Brief, in dem er sich genan an den Spangenbergischen Abschied hielt, die dort gegebenen Zusagen fQr sich wiederholte und von dem Bitter verlangte: wolle er zu ihm kommen, so werde er da „annehmliche Mittel'^ zur Erlangung seines Bechtes finden; sei es ihm „ungelegen'' zu erscheinen, so gebe er ihm hiermit die „gewisse Hoffnung '% dass für die Loslösung Baumgartner's das bezahlt werden würde, was in Spangenberg verabschiedet sei. Dagegen fordert er ihn bei seiner Bitterpflicht auf, seine Zusage wahr zu machen und den Gefangenen für jene Summe ihm in die Hände zu stellen.

Damit hatte ihn aber sein evangelischer Eifer wieder weiter gef&hrt, als den Nürnberger Herren eigentlich lieb war. Der Gedanke, den Streit vor König und Kaiser zu bringen, war für sie gar nicht so abschreckend wie für ihn und den Syndicus von Augsburg. Denn wenn die Habsburger diesen Streit benutzen wollten, um die Städte von den Fürsten zu trennen, so konnten sie nicht wohl zu Gunsten Bosenberg's entscheiden. Grade in Nürnberg, das längst schon ausserhalb des schmalkaldischen Bundes stand, fanden sie für ihre Absiebten willige Herzen.

1) Worms, Mai 5.

2) Auch gegen Baumgartuer. S. dessen Bericht, S. 118. Dort schiebt er Dr. Eck alle Schuld an der „Aufziehung des Handels" zu. Wir werden ihm nicht alles, was er angiebt, zu glauben brauchen.

LENZ, Z. BRIEFW. LOB. PHUJFP B HIT LUTHER D. HEL. 169

Sosenberg und seine Frennde hätten aber au Bolcber Wen- dung flbensQ wenig Gefallen finden können, wie der Land- graf; hatte doch eben der schwäbische Band einst ihre Bur- gen gebrochen. Sie mussten daher vorsichtig sein, noch weiter au ihrer „Zwickmühle" zu drehen. Und su Terstehen wir leicht, weshalb Rosenberg alsbald seine Einwilhgung in die letzten Fordeningen des Landgrafen erklärte, wahrend die NDrnberger sieh beeilten, diesen um Einhaltung mit seiner Vermittlung zu «rauchen. Sie hofften, in Worms noch bessere Bedingungen er- langen zu können. In der Tat gelang es ihnen hier noch zwei- Unsend Gulden abzuhandeln. Indem Kosenberg Baumgartner ftlr 8000 Gulden losgab, bekam er noch 2000 für einen Bibracher BQrger, den Sohn des alten Bürgermeisters Gratter, den er im Lauf der Fehde ebenfalls aufgegriffen hatte. Am 28. Juni ward der Vertrag geschlossen: bis zum 5. Jnll sollten die Gefangenen in Wiaebeim ledig gegeben werden. Doch hat es noch Wochen gedauert, bis Baumgartner den Seinen wiedergegeben wurde. Am 4. August erst kehrte er in seine Stadt zurück, wo ihn die BOi^erachaft mit grosserem Jubel empfing als den König seihst, der am Tage vorher seinen Einzug gehalten hatte ').

Der Landgraf war seit dem Juni von der Verhandlung ans- geachloBsen. Die Bevollmächtigten des Königs hatten ausdrück- lich darauf gedrungen, dass Baumgartner ihm nicht ausgeliefert werden dürfe. Aber das Verdienst, diesem die Freiheit wieder verschafft zu haben, gebührt keinem mehr als ibm. Nnr durch seine raschen Zusagen und Forderungen vom 15. Mai waren die Intrigen in Worms durchkreuzt worden, war in die schleppende Verhandlung ein fiiscberer Zug gekommen. Die Basis, welche er durch seine persönliche Einwirkung auf den Ritter in Spangen- berg gelegt hatte, ward damit erhalten, und hienu war ibm die erste Anregung wieder jenes Gesuch der sächsischen Theologen gewesen, das in UiKn 'Wunsch Melanchthon's, dem Freunde za helfen, seinen Ursprung hatte.

Der Rechtsstreit Rosonberg's blieb un geschlichtet, aber auch ihn suchten die Habsburger in der Hand zu behalten. Zum 31. Angust ward nach Donauwörth von dem Kaiser eine nene VersAmmlung der alten Bundesstande einberufen, von welcher Philipp und sebe Freunde neue Intrigen gegen ihren Bund be- fDrchteten. Von Rosenberg selbst darum ersucht, hat dieser dorttün einen eigenen Bevollmächtigten gesandt, um womöglich noch unter den Angen des kaiserlichen Präsidenten die Versöh- Dung zwischen dem Ritter und den Städten zu erreichen.

und Veit's Brief an Melanchthoc. 5. August, C. R

160 ANALEKTEN.

Nr. 16.

Der Landgraf an Melanchthon.

Donauwörd, 30. August 1547. [Oonc. von Bing, mit eigenh. Corr. Philipp*8 (gesperrt gednickt) i).]

Hochgelerter, lieber, getreuer. Euer schreiben an uns ge- than, darin Ir uns tröstest, haben wir entpfangen, verlesen, Ton ench gnediglich yermerkl Thnn nns des sonders yleisses be- dancken, nnd mochten warlich gern sehen, das ir nnd wir bei einander weren, dann wir weiten gern mit ench redden*).

SotU aber unsem und anderen unglücklichen zustand be- langt, haben wir es bei uns davor, do man Ton [statt im] an- fang des gewesenen krigs uns geyolgt, so solts zu solchem be- schwerlichen Kr ig [st that] nit gelangt sein. Hett man auch Tolgends uns nit enthoret, so wurds unsers Terhoffens abermaln änderst stehen; aber es hat TÜlicht nit änderst sein sollen, sondern Gott hat uns diso ding umb unser aller snnd willen, die warlich yilyaltig sein, begegnen und zustehen lassen.

Was aber angehet den pfarher zu Dresden, em Danieln Gresem, lassen wir uns euer bedenken nit übel gefallen. Haben derwegen im geschriben, noch ein zeit lang zu Dresen ze pleiben, aber inen alweg da zu lassen, das wurde uns bedenklich fallen, dweil es uns in unserm land teglich an gelerten und tuglichen predicanten und selsorgem abgehet ^).

Das weiten wir euch, dem wir mit sondern gnaden gneigt sein, hinwider nit pergen. Datum Thonawerde, 30. Augusti, anno 1547.

Nr. 17.

Der Landgraf an Melanchthon.

Cassel, 17. Juli 1559. [Concept.]

Unsern gnädigen Gruss zuvor. Hochgelahrter, Lieber, Gre- trener. Es haben uns itzo unsere Räthe von Augspurg in la-

1) Antwort auf Melanchthon's Brief vom 10. Aug., der in C. R. VI, 631 1 gedruckt ist. Ebd. ein Brief Melanchthon's an Gräser von demselben Tage. Gräser hatte einen Ruf zur Rückkehr nach Giessen erhalten, der Dresdener Rat sich aber an Melanchthon gewandt mit der Bitte, ihn zum Bleiben zu bestimmen.

*) Statt: hetten uns wol mit euch zu unterreden.

9) Auf demselben Blatte hat Bing den Brief an Gräser concipirt, in d^ui er ihn mit Bezug auf Melanchthon's Brief ersucht, „noch ein zeit laug als ein jar in Dresden zu bleiben/'

LENZy Z. BBIEFW. LGB. PHILIPP'S MIT LUTHER U. MEL. 161

tiniBcher Spnu^e ingeschickt, was die Kirchen in Piemont an die teatBcben eTangeliachen Forsten nf diesem Beichstag ge- langen lassen, wie Ihr sollich hierbei abcopirt finden werdet. Daraas Dur dann za yemehmen, wie das Eyangelium (doch mit Yerlolgnng) in Piemont und an andern Orten in Italia wftchset

Das wir Ench gnädiger Meinung anzeigen wollen, mit gnä- digem Begehren, Ihr wollet uns zn erkennen geben euem Zn- stand, nnd wie es Ench gehet

Wie es sonstet ein Gelegenheit in Beligionsachen nfm Beichs- tag hat, werdet Ihr ohne Zweifel Ton enerm Herrn, dem Knr- fnsten zn Sachsen etc. berichtet sein. Ench gnädigen Willen za erzeigen, seind wir gneigt

£ K.-«. IT, 1. 11

Constantin der Grosse als Religionspolitiker.

Von

D. Theodor Brleger.

I.

Es ist nicht die Absicht dieses Versuches ^), die mannig- fachen hypothesenreichen Darstellungen der religiösen Ent- Wicklung Constantin's d. Gr, seiner jeweiligen inneren SteUung zum Christentum^ wie man sie bis in die neueste Zeit zu geben versucht hat; um eine neue zu vermehren; noch auch eine der gegebenen wieder au&imehmen.

Die Versuchung dazu, die grosse Tat Constantin's, die rückhaltslose staatliche Anerkennung des Christentums, durch ein Zurückgehen auf seinen religiösen Standpunkt psycho- logisch zu ergründen, lag und liegt allerdings nahe genug. Ist es doch ein allgemein menschHches Bedürfiiis, fiir alle Handlungen einer grossen historischen Persönlichkeit^ welche sich auf die Religion beziehen, ihren tiefsten Qrund aufzu- suchen, ihren letzten Quell zu erforschen durch das Ein- dringen in die innersten Geheimnisse des religiösen Bewusst- seins. Schade nur, dass wir in dem vorliegenden Falle diesem Bedürfnisse, welches sich in dem Historiker desto kräftiger regt, je gewaltiger Constantin dasteht, nicht in

1) Von der für diese Literaturgattong gewährten Freiheit Ge- brauch machend, habe ich es unterlassen, durchweg die Quellenbelege beizubringen. Der Zweck der gleichwohl hinzugefugten spärlichen Anmerkungen verrät sich von selber. Ein paar kritische Erörterungen, die ich über einige bisher mangelhaft untersuchte Fragen anstellen musste, habe ich, da sie für die Anmerkungen zu ausführlich aus- fielen^ als Anhang gegeben.

Z«itMkr. t K..0. IT, S. 12

164 BRIEGERi

würdiger Weise; (ast möchte ich sagen: in keiner Weise zu entsprechen vermögen.

Briefe des Kaisers ^ welche uns einen Blick gewährten in sein Inneres^ liegen nicht vor; seine Memoiren ; selbst weaan sie schwülstig mid in der Stimmmig eiteler Selbstbe- schaulichkeit geschrieben gewesen sein sollten, wohlgeeignet das psychologische Dunkel hie und da zu erhellen, sind verloren gegangen. Die uns erhaltenen Actenstücke, Gesetze imd amtliche Sendschreiben, geben uns keinen zuverlässigen Massstab der Beurteilung an die Hand; denn der eigen- tümliche, fromme oder firömmelnde Ton derselben gestattet, selbst wenn der Kaiser selber sie abgefasst haben sollte, was mindestens zweifelhaft ist, keinen Rückschluss auf seine persönliche Stellung zum Christentum; nur der jetzt in Auf- nahme kommende Ho&til spricht sich in ihnen aus. End- lich auch die Berichte von Zeitgenossen, den unmittelbaren oder doch nur wenig späteren, lassen uns hier im Stiche. Ein Teil dieser Berichterstatter, die mehr oder minder eifirigen Heiden, haben für die Lebenstat Constantin's nur Worte der Verurteilung, die etwa vorhandenen christlichen Motive ver- möchten sie ohnehin nicht zu fassen. Unter den zeitge- nössischen christlichen Schriftstellern aber hat der Einzige, den seine Hülfsmittel sehr wohl in den Stand gesetzt hätten, uns ein wahres Bild des Kaisers zu geben, hat Bischof Eusebius von Cäsarea in seiner umfangreichen Lebensge- schichte Constantin's vielmehr eine absichtliche I^dschung geliefert fi'eilich nicht zum Frommen seines Helden, des gottseligen Kaisers, den er im Glänze fast aller christlichen Tugenden strahlen lässt: denn dürften oder müssten wir diesem Lebensbilde Glauben schenken, so stände Constantin das was wir sonst Sicheres über ihn wissen hinzuge- nommen — im Licht eines der widrigsten Heuchler da, wie nur je einer in der Geschichte aufgetreten ist

So sähen wir uns, wenn wir die angeregte Frage be- antworten wollten, ausschliesslich auf die Taten Constantin's angewiesen, so weit diese urkundlich feststehen. Allein sie «ohI 2U vieldeutig, als dass sich aus ihnen auf dem über- KiAu^^t schlüpfrigen Boden der Ergründung religiöser Motive

COKBTANTIN'b BSUaiONSPOLniE. 166

ein bistorisch sicheres Ergebois gewinnen liesse. Damm und denn auch ihre Deutungen sehr verschiedenartig auB- getailen.

Zwar 80 leicht wie ehedem, in völlig unkritischen Zei- ten, macht man sich die Lösung der Frage nur noch aus- nahmsweise. Wer nähme heute noch mit Zosimua an, daaa Constaotin (im Jahre 326) den altväterlichen Göttern untreu geworden, um in der Religion der Vergebung von dem Blut adner Mordtaten sich abwaschen zu lassen, für welche die heidnischen Priester keine Sühne zu bieten hatten? Ist doch diese Erklärung eines weltgeschichtlichen Ereignisses allzu nchtlich aus der Abneigung des Heiden gegen den ersten christlichen Kaiser geflossen. Und auch diejenigen sind zu zählen, welche Constantin auf seinem Zuge widor Maxentiuß (312) durch das bekannte Wunder bekehrt sein lassen, in- dem sie ein Märchen zu Hülfe nehmen, von dem wir un- entschieden lassen müssen , ob es der eigenen Phantasie onseres einzigen Gewährsmannes Eusebius entsprungen oder von dem alternden Kaiser erdacht ist, auf dessen Erzählung und heiligen Eid sieb der Bischof beruft. Aber selbst diese Apologeten des Mirakels wagen nicht, mit der „Bekehrung" Ernst zu machen.

Dass Constantin nicht plötzlich ein Christ geworden, darüber ist man heute allgemein einverstanden. Man ver- sucht daher, seine religiöse Entwicklung darzustellen, und giebt die verschiedenen Phasen an, weiche er durchlaufen hat, bis er schliesslich, angesichts des Todes, imzweideutig durch Empfang der Taufe sich der Kirche anschloss und im weissen Tautkleide freudig aus dieser Welt schied.

Zur Kennzeichnung dessen, was noch immer in kir- chenhistorischen Kreisen unter Gescliichtschreibung verstanden wird, ist es zweckdienhch wie interessant, wenigstens eine dieser Darstellungen in knappen Zügen vor Augen zu öihren.

Bis zum Jahre 312 so werden wir belehrt war Constantin ein Heide : mit den vaterländischen Göttern steht tmd lallt ihm das Reich, In diesem wichtigen Jahre tritt 12*

166 VBSEOtESL,

aber eine Wandlung in ihm ein. Auf dem Zuge gegen den ihm überlegenen MaxentiuB fiihlt er das Bedürfins^ auch den Himmel für sich au&ubieten^ und wählt den Qoü, dessen geheimnisvolle Macht die Christen längst rühmten , die Hei- den längst fiirchteten: er macht einen Versuch mit dem # Kreuz und Namen Christi; und als das Ereuz^ mit welchem sein Heer in den Kampf zieht , seine Schuldigkeit tut, als ihm der ans Wunderbare streifende Sieg über Maxentius zu&llt, da glaubt er an die Macht des Christengottes und giebt ihm im Mailänder Edict von 313 willig die Ehre. Kreuz und Monogramm Chriirti sind von jetzt ab sein Amu- lett Mit einem Wort: er wird ein abergläubischer Freund der neuen Religion. Dieser religiöse Impuls verleiht den neuen kühnen Operationen der Staatskunst ihre Weihe und die innere Con- sistenz des Mutes.

Trotzdem ist Constantin noch bis auf einen Punkt Heide. Er schützt und begünstigt das Christentum nur als den einen gesetzlichen Zweig der öffentlichen Religion , ohne darauf auszugehen; das Heidentum auch nur allmählich zu verdrängen. Denn er selber giebt sich jetzt einem Religionsgemengsel hin: er verehrt einen obersten Gott, wie ihn nachgrade auch das Heidentum vielfach postulirte, wie ihn insbesondere die neuplatonische Philosophie annahm ; aber dieser ist ihm bald der Christengott bald der Sonnen- gott; letzterer fliesst ihm mit dem ersteren zusammen und bildet eine neutrale Gottheit für beide Religionen; ja er denkt wohl daran ; die Religion aller Völker zu ver- schmelzen.

Doch dieser Traum einer Union von Heidentum und Christentum zerrann, als 323 sein Kampf gegen den Mit- kaiser Licinius sich zugleich zu einem Religionskrieg ge- staltete, indem mit Constantin die Sympathien der Christen des ganzen Reiches waren, dem Licinius das Heidentum den Sieg wünschte. Dieser Kampf, in Wahrheit ein Kreuz- zug, macht ihn zum Alleinherrscher: der Christengott hat ihn abermals wunderbar zum Siege gefuhrt: voll und r erkennt jetzt Constantin seine Bestimmung,

CONSTANTIH S BEUGIONSPOUTIK. 167

als Diener dieses Gottes von nun an (er tritt da- mit in seine dritte Phase) die wahre Religion auszubreiten; denn ihre Herrschaft ist ihm eine geschichtlich und göttlich angezeigte Notwen- digkeit.

Auch jetzt noch ist er nicht mit einem Schlage Christ: nur langsam überwindet er in sich das Heidentum, zumal die abergläubische Angst, Aber, wie er von jetzt an die Kirche immer riickhaltslosor begünstigt, so unterwirft er sich auch für seine Person Gebets- und anderen Uehungen und hält sogar in seinem Palaste Predigten, deren Inhalt die Widerlegung des Heidentums ist, der Nachweis der Einheit Gottes, die Darstellung der Erlösung, die Schilderung des Gerichtes. Zuletzt, als er sein Ende nahe weiss, wirft er die letzte Hülle der Zweideutigkeit von sich und empfängt die Taufe.

Es ist wahr: er ist nicht auf dem Wege innerer Entwicklung zum Christentum gekommen. Der Ausgangspunkt für ihn war der Aberglaube ; in seinem Fort- gang fühlt sich Conetantin als der Mann der gött- lichen Protection, als das Werkzeug einer höheren Mission; aber am Ende erfüllt er sich mit Sympathie fiir die geisti- gen und sittlichen Güter, welche die Kirche in sich trug. Und alles in allem genommen darf man sagen: seine po- litische Arbeit hat sich ihm in Religion, in einen Gottesdienst verwandelt. Seine Schöpfung verschlang üch im Aufbau und Gelingen ganz und gar mit Religion, weil er nicht mu- für die Religion, sondern auch durch die Religion und In Ihrem Namen wirkte. Er ist nicht aus- schliesslich Politiker: von Anfang an machen sich neben den poUtiachen religiöse Motive geltend; wir bemerken je länger desto mehr ein flammendes Interesse fiir die Kirche und ihre Aufgaben, bemerken die opferwillige Selbstverleugnung einer fiinfim dz wanzigj ährigen Arbeit für den Gedanken seines Lebens. Ein Christ Im stren- gen Sinne war Constantin allerdings bis ans Ende nicht, aber er war doch innerlich berührt vom Christentum.

168 BBIEGER,

In dieser Weise hat uns noch der erst vor kurzem ab- gerufene Theodor Keim, ein Vertreter also der sogenann- ten kritischen Theologie , das religiöse Bild Constantin's ge- zeichnet Man kann die reichen Verdienste des ebenso scharfsinnigen wie emsigen und in den QueUen bewanderten Forschers mit dankbarer Bereitwilligkeit anerkennen wie ich namentüch die Erträge seiner refonnationsgeschidrflichen Studien zu schätzen weiss , und wird doch; angesichts der Quellen; Eeim's ^^Constantin'' als eine Verirrung; die hier angewendete Methode als eine principiell verwerfliche be- zeichnen müssen: nicht eine kritische^ sondern eine phantas- tische Geschichtschreibung liegt hier vor: die Phantasie ist eS; welche dieses Bild entworfen hat, welche dafür die spär- lichen Tatsachen gewandt auslegt ^ durch Hypothesen be- reichert ^ mit lebhaften Farben herausputzt ein um so übleres Verfahren ^ als dieses Bild aus einer fedschen Intui- tion entsprungen ist ^).

Nicht dass ich deshalb mit Jakob Burckhatdt (in seinem herrlichen Culturbilde des Constantinischen Zeitalters) glaubte, dem Kaiser jede religiöse Ader absprechen zu dürfen. Kach Burckhardt hätte er ein lediglich indifferentes Verhalten zur Religion eingenommen: dieser mörderische Egoist war ganz wesentlich unreligiös ; denn in einem genialen Menschen, dem der Ehrgeiz und die Herrschsucht keine ruhige Stunde gönnen, kann von Christentum und Heidentum, bewusster Religiosität und Irreligiosität gar nicht die Rede sein. Das Heilige kennt er nur als Reminiscenz oder als aberiglÄubige Anwandlung. Er war ein politischer Rechner, der alle vor- handenen physischen Ej:äfte und geistigen Mächte mit Be- sonnenheit zu dem einen Zwecke^^, rieh und seine Herrschaft zu behaupten; eine profane Sele, voll kalier, schrecklicher Herrschbegier, die in der Politik von morali-

1) Th. Keim, Der Ucbertritt Constantin's d. Gr. zum Christen- tum, Zürich 1862. Für die „kritische" Geschichtschreibung Keim's ist die Art und Weise bezeichnend, wie er aus dem Bericht des Euse- bius, nicht bloss durch Lactantius bestimmt, noch den ,, Traum" in retten weiss (S. 21—33, bes. 32 f. 89).

CONSTAHTIN'a BBUaiONSPOIJTIK. 169

•eben Bedenken nichts wusate und die religiöse Frage durch- MS nur von der Seite der politischen Brauchbarkeit ansah, OD furchtbarer, aber poUtifich groasartiger Mensch ').

Es ist das entschieden zu weit gegangen. Zu dieser herben Verurteilung des Menschen und des religiösen Cha- nkters sind wir nicht berechtigt Ich wiederhole es: die uns vorliegenden Tatsachen reichen nicht aus, um ein siche- ret, besonnenes Urteil über diese innersten Geheimnisse des menschlichen Herzens bei Coastantin zu bilden. Wir können weder beweiBen, dass Constantin ein religioneloser, egoistiBcher Fatalist gewesen ist, noch, dass er ein mehr oder minder varme« religiöses oder gar christliches Interesse gehe^ hat.

Zum Gluck bedarf es aber auch einer solchen Consta- tirung seines religiösen Gehaltes für die BeurteOung der ge- ■chichtlichen Grösse Constantin's nicht Schon an und fOr sich verstösst es gegen den historischen Sinn , wenn man, um mit Heinrich Nissen zu reden, auf die Träger welthistorischer Prozesse den Massstab der Beurteilung in Anwendung bringt, der tiir kleine Menschen und kleine VerhiÜtnisse die einzige Berechügirag hat. Herrschsucht^ List, Heuchelei und ähnliche Erklärungsversuche genügen doch kaum, um den Wert oder Unwert von Männern zu bestimmen, in deren Hand die Geschicke einer Welt gelegt waren." VoDends aber in dem vorliegenden Falle steht das Eine unumstösalich fest, dass Constantin d, Gr. nicht deswegen dem Christentum Duldung und staatliche Gunst zugewendet hat, weil er inner- lich von derWahrheit dieser Religion überzeugt, weil er persönlich ein Christ war. Gegen letztere Annahme sprechen zu laut, zu gewaltig die Untaten dieses Fürsten aus der Zeit seiner Alleinherrschafl, also aus der letzten Periode seines Lebens: seinen Schwager und ehe- maligen Mitkaiser Licinius, der sich ihm nur nach eidlicher Zusicherung seines Lebens ergeben hat, lässt er imter schnö- dem Brach des Eides tödten ; auch der unmündige Sohn des

>) Jak. Batckhardt, Die Zeit ConatAntin'B d. Gr., Basel

170 BSIEGER;

unglücklichen S^aisers^ Constantin's Neffe ^ wird nicht ver- schont; ja er legt; im Jahre 326, die Hand an seinen eigenen; trefflichen Sohn Crispus, und ihm muss bald Constan- tin's Gemahlin Fausta im Tode folgen und noch so manche der Vertrauten des Kaisers erliegen in den dunkeln Hof- katastrophen, die sich von Zeit zu Zeit abspielen, der Hand des kaiserlichen Mörders, desselben, der vor seinen Hofleuten religiöse Reden hält und die SchÜderung des götüichen Ge- richtes wohl gelegentlich benutzt, um durch das Drohende seiner Stimme an die furchtbare Macht des höchsten irdischen Richters zu erinnern. Nein, nicht als Christ hat Constantin getan, was er vollbracht hat Nie und nimmer wird man ein persönliches Christentum annehmen dürfen, wo in diesem Masse seine sittliche Bewährung aus- bleibt Will man aber einwenden, es habe „oft genug eine halbe, inconsequente, sittlich durchaus unbewährte, ja von unlauteren Motiven unterstützte Christlichkeit gegeben '^ und bei Constantin sei sie erklärlich *), nun, so will ich über Worte nicht streiten, glaube aber aus diesem Einwand das Zuge- ständnis entnehmen zu dürfen, dass das Christentum nicht die treibende Macht seines Lebens gewesen ist Mit der scharfen Betonung dieses Satzes macht man sich keineswegs einer Verkennung des religiösen Elementes in Constantin schuldig. Verkannt werden kann nur was erkennbar ist. Wie weit sein „positives Interesse an gewissen christlichen Grundlehren'^ gegangen ist, können wir mit einiger Sicher- heit nicht bestimmen. Möglich, dass seine Parteinahme fiir die christliche Sache nicht bloss Mittel zum Zweck ge- wesen ist. Aber mit dieser Möglichkeit kann der Historiker nicht rechnen. So weit man von dem Christentum* Constan- tin's zu urteüen vermag (und das kann man, yrie bemerkt, nur mit der denkbar grössten Zurückhaltung noch ganz abgesehen davon, dass überhaupt erst zu constatiren wäre, wie das Christentum beschaffen war, wel- ches in den ihm näher tretenden Kreisen geherrscht, welches

1) So GasB in seinem auch heute noch lehrreichen Artikel ''x)n8tantin" in der Real-Encyklopädie III (1855), S. 130 ff.

CO»8TAWTlN 8 RBLIOIONBPOLITIK. 171

w afldn keimen gelernt hat), ao scheint ihm die neue Re- lipon nur ein christlich angehauchter, verschwomniener Mono- IheiBinus, eine neue Art der Superatition gewesen zu sein, die weh roehr und mehr an die Stelle seiner anfänglich faeidnischen Vorstellungen setzte, ohne diese jemals zu über- winden, geschweige denn zu verdrängen. Doch dem sei wie ihm wolle, j edenfalU stellt sich uns sein äuBseres religiöses Gebahren bis zu Ende als ein wider- ipruchsvoUes dar und trägt in sich keinen SchlUe- sel zur Lösung des Rätselhaften.

So bleibt uns nur dieser Ausweg, seine weltgeschicht- liche Tat als einen Ausflusa seiner Politik zu betrachten. Wagen wir es daher, bei diesem genialen Herracher von seinen etwaigen reli^öaen Anwandlungen abzusehen und alles auf seine staatsmänniache Klugheit zu beziehen.

Dieser seitens der politischen Hiatoriker von Gibbon und Manso bia auf Burckhardt und Heinrich Rich- ter ') mit mehr oder weniger Glück eingeachlagene Weg ist der einzig gewiesene. Denn meine Andeutungen haben zu zeigen versucht, nicht nur, warum wir, durch die Be- schaffenheit des eigenartigen Quellenmateriala gezwungen, das religiös- chriathche Interesse des Kaisers ausser Ansatz lassen müssen, sondern auch, dass und warum wir es von jener Unmöglichkeit einer positiven Würdigung desselben noch ganz abgesehen ^ ausser Anaatz taaaen dürfen: hat man überhaupt ein solches anzunehmen, worüber uns ein cinigermassen sicheres Urteil nicht zusteht, ao hat es auf alle Fälle nur in ganz untergeordneter Weise mitgewirkt; mit dieser notgedrungenen Vernachlässigung desaelben geht nna in dem Bilde des geschichtlichen Helden kein wesent- licher Zug verloren. Hätte aber die Behauptung, dass der relig^onspohtische Beweggrund zu seiner Charakteristik nicht ausreiche, eine Berechtigung, so wurde sich der Hiatoriker, wie die Dinge liegen, zu dem Geständnis genötigt sehen, dass sich nur ein eiuaeitigca Bild Constantin's entwerfen

1) Das weetf ümlBche Ruiuli besonders unter den Kni Valentinian II. und Maiimus (375—388), Berlin 1865.

192 BKEEGEB^

lasse. Dass aber jene Behauptung des Qrundes enübehri^ das mag der nachfolgende Versuch ze%en.

n.

Zu Anfang des vierten Jahrhunderts stand die christ- liche Kirche nach einem etwa vierzigjährigen ihr zuteil gewordenen Fiieden äusserlich mächtiger da als je zuvor. Sich stutzend auf ihre straffe Gliederung war sie zu einem Staat im Staate geworden, ein um so beachtenswerteres Ge- meinwesen, je grösser in der langen Zwischenzeit seit der letzten Verfolgung die Zahl ihrer Glieder geworden, je mehr sie auch in den höheren Schichten der Gesellschaft, in den verschiedensten Zweigen der Verwaltung einflussreiche An- hänger gewonnen hatte. In dieser bedrohlichen Macht der neuen und fremden Religion erblickte Kaiser Diodetian die Nötigung, alles daran zu setzen, um die Christen zur Anerkennung der heidnischen Staatsreligion zurückzufuhren. Er eröffiiete im Jahre 303 (warum grade in diesem Jahre, nach einer bald zwanzigjährigen Regierung, ist noch unaufgehellt ^)) eine Verfolgung, welche in ihrem weiteren Verlaufe in eine der blutigsten und grausamsten ausartete. Allein, noch deutlicher als früher zeigte sich jetzt: die Religion Jesu war nicht aus- zurotten, auf diesem Wege nicht; erfolglos war alles Wüten, ungebrochen blieb die heroische Ej*aft der religiösen Ueber-

^) So müssen wir leider auch noch nach den eindringenden Er- klärungsversuchen von Hunziker, Theod. Preuss und Mason (unter denen Preuss mit besonderer Auszeichnung zu nennen ist) sagen. Falls ich mich nicht täusche, wird der besonnene Historiker hier über ein Non liquet überhaupt nicht hinauskommen, es müsste denn sein, es gelänge uns noch einmal, über den Grad der Glaub- würdigkeit, welchen der Verfasser der Mortts persecutarum verdient, uns ein sicheres Urteil zu bilden (nachdem Jak. Burekhardt den Wert dieser Quelle ungebürlich herabgedrückt, ist man neuerdings wie mir scheinen will wieder in den entgegengesetzten Fehler verfallen; ich gedenke dieses Urteil bald bei anderer Gelegenheit zu begründen).

OONBTASTOT'S BBLTGIONßPOLmi:. 1 78

»iginig bei dem Sem der Chriatenheit, ja die Heiden selber anpfanden zuletzt Ekel an den grausigen Scenen. Unter diesen Umständen verstand sich im Jahre 311 der Ober- kaiBer Qalerius zu einem Edict, welches den Chmten die Ausübung ihres Cultus gestattete.

So erfreuten sich die oft Verfolgten bereits gesetzlicher Duldung, etwa seit Jahresfrist, als Constantln sich anschickt«, die Zügel der Weltherrschaft zu erfassen. Zwar war er be- raits im Sommer 306, im Alter von 32 Jahren, seinem edlen Vater, dem Augustus Constantius Chlorus, nicht ohne einen asurpatorischen Act, in der Herrschaft Galliens und Brifan- nieiis gefolgt Aber sein weifgeschichthches Auftreten fällt errt in das Jahr 312. In diesem Jahre verständigte er sich mit dem Augustus Licinius, dem Herrscher des osteuropW- echcn Reichsteiles, und machte sich dann an die Beseitigung des Usurpators Maxentius, welchem Provinzen wie Italien und Africa gehorchten; und kaum ein halbes Jahr später konnte er sich mit LiciniuB, dem inzwischen Maximinus, der Gebieter der asiatischen Provinzen, unterlegen war, in die Herrschaft des Weltreiches teilen. Schon damals muss Constantin sich mit dem Gedanken getragen haben, die Be- günstigung des Christentums zu einem Grundsatz seines po- litischen Handelns zu machen. Denn im Herbst 312, auf dem Heerzuge wider Maxentius, erwies er einem christlichen Symbol eine ungewohnte Ehre : indem er die Schilde seiner Kri^er mit dem Monogramm des Namens Christi, den ver- schlungenen Buchstaben XP, zeichnen liess dio Christen wusstcn sich bald zu erzählen, es sei infolge eines mahnen- den Traumes geschehen —, reihte ei- ein christliches Ab- zeichen den altheidnischen Symbolen des Heeres ein. Mög- lieb, doch wenig wahrscheinlich, dass er auch schon damab das später sogenannte Labarum anfertigen und dem Heere vorantrsgen liess , jenes unzweifelhaft in seinen späteren Kriegen von ihm gebrauchte Feldzeichen: eine Stange mit einem Fahnentuch an einem Querholze und mit einem Kranz auf der Spitze, der das nämliche Monogramm imischlosa ').

1) Die Zeichnong der Schilde mit dem veTBchlungeaen XP iat

1

174 BRIEGERy

Es war wenn wir anders bei der Dürftigkeit und UnZuverlässigkeit unserer Quellen dieses merkwürdige Er- eignis richtig zu würdigen im Stande sind ein symbo- lisches und doch nicht misverständliches ^) Bekenntnis poli- tischer (vielleicht zugleich superstitiöser) Art zum Christengott, der hier zum ersten Mal als Lenker der Schlachten aufge- boten wurdC; im Kampfe gegen einen in den Künsten der heidnischen Mantik sich erschöpfenden Feind. Noch vor anderthalb Jahren wäre die Anwendung dieses Symbols ein revolutionäres Beginnen gewesen, eine Kri^serklärung Con- stantin's gegen seine Mitkaiser, vorab gegen den Oberaugustus Galerius; seitdem der Religion Chiisti durch letzteren Duldung gewälui war, konnte die Einfiihnmg eines christlichen Ab- leichens bei der Armee nicht mehr in diesem Lichte er- scheinen, aber ein Act kühner Entschlossenheit war sie gleichwohl, mochte auch immer Constantin seines zum nicht geringen Teile aus Barbai*en, Germanen und Kelten zu- Munmengesetzten Heeres völlig sicher sein ^). Dennoch müssen wir uns vor einer Ueberschätzung des Vorganges hüten. Wir wissen nicht einmal, ob er über die Kreise seines zunächst beteiligten Heeres liinaus allgemeine Aufmerksamkeit auf «ich gezogen hat: zwei Jahre später berichtet uns ein im i^uit ^zu Nicomedien) lebender christlicher Schriftsteller »Qevdings von ihm, aber zur Kenntnis des grossen kirch- tJEctieu llistoriogniphen, des Bischofs von Cäsarea in Palästina,

ütK^ l.*ct«ntius, Df mortib, persec. 44 hinreichend gesichert

t^ ^'uuuhruug ^ios Ijabarum natürlich nicht des Yon Eusebius,

¥ -^ OHt44- 31 beschriebenen Prachtstückes schon im Kriege

«^^u X^&xvr.tius i$t das Einzige, was aus der Ejrzählung des Euse-

»^:j^^ \ t \\xt3^t. I, -S— 31 wenigstens als Möglichkeit zugestanden

(u «»ISO«. IXvh winl die Wahrsclieinliohkeit schon dadurch ver-

,*^ .Ä8<«^ Vu>vlniis in seiner Kircheugesehiohte von diesem neuen

vT*wA-. •.••«.•* ""^^ v.sohts weiss ,ct*. 11. E. IX, 9). Vielleicht ist das

.^.^ *••* ^v^"^ '•' ^•**"^ Kriege p'gen Lieinius 323 zur Anwendung

......*.» »*'^ Vus . Vit. Coust. II, 3sqq. ; die Erzählung von

i -j^- *■ '■• ^ ^"^^ *^^^ ^^*^" gehalten, dass man hier dieEr- j.^. j^ v*wcv. nicht erwarten dart"^.

: 'vv»'*;. Kritische Erörterungen 1. ' ^ * . ^ i:l die Erwägungen Burckhardt^s S. 393.

CONSTAKTIN'B EBUQ10N6P0UTIK. 175

•dkünt er selbst nacli einem Decennium nocli nicht gelangt

JedenfaUs bedurfte es nacb dieser bildlichen Sprache noch einer deutlicheren, und sie folgte wenige Monate später. Macbdein das mit dem heilbringenden Zeichen" gewappnete Beer den Sieg über den übermächtigen Feind errungen hatte, Rom dem Sieger in die Hände gefallen war '), erliess Constantin im Winter 312/13 von Mailand aus gemeinsam mit Licinius ein neues Religionsedict. Es verkündete unein- geschränkte Religionsfreiheit für alle, namentlich aber für die Christen; so beseitigte ea auch die gesetzlichen Schranken, welche bisher noch dem Uebertritt zum Christentum im Wege standen, und bestimmte die Zurückgabe aller Ver- sammlungsorte und sonstigen Güter an die Corporation der Christen (corpus Christianorum): die gegenwärtigen Besitzer sollten allenfalls aus Staatsmitteln entschädigt werden. Und oninittelbar darauf beginnt nun die lange Reihe von Mass- nahmen Constantin'a zu Gunsten der neuen Religion. So wird den Geistlichen Befreiung von den Öffentlichen Leistungen zuteil, der Kirche Steuerfreiheit wie die Erlaubnis, Vermächt- nisse anzunehmen. Daneben zieht der Kaiser schon jetzt Bischöfe an seinen Hof, sie werden seine Beisitzer und Tisch- genosaen ; oder er zeichnet sie durch besonders gnädige Handschreiben aus, überhäuft sie mit Ehren, stellt ihnen, wenn sie zu den Synoden reisen, die kaiserliche Post zur Verfiigung. Nichts desto weniger hatte die bisherige Staats- religion keinen Grund, über Beeinträchtigung zu klagen. Der ganze heidnische Cultua wird fortgeführt mitsammt dem Wahrsagerwesen: ihnen wird gelegenüich durch Gesetze ihr Fortbestand garantirt. Auch die Münzen des Kaisers, soweit sie überhaupt das Gebiet der Religion streifen, io Bild und Schrift sich nicht mit militärischen Insignien, mit den herkömmlichen allgemeinen Stichwörtern begnügen, tra- gen nach wie vor ein heidnisches Gepräge : besonders häufig w weiht er sie dem Sonnengott, dem Liebling des aufgeklärten H'leidnifichen Monotheismus, doch nicht viel weniger oft Ju-

1

^H >) S. Anluuig, Kritische Erärteruugeu 2.

176 BBIBGEB,

piter oder auch Mars ^). ^- Durch seltene Unpartrilichkeii, mit nicht geringer E^lugheit weiss er jene weitherzige Tole- ranz^ als deren Programm das Mailänder Edict gelten durfte, durchzuführen. Keinesw^ aber denkt er daran, wie man ihn noch neuerdings sonderbar misverstanden hat^ eine neue Uniyersalreligion einzufuhren'); sondern die alte und die neue Religion sollen, beide ungekränkt, neben einander bestehen. Allerdings aber mussten sie sich mit einander vertragen und um das zu erleichtem, suchte er ein neutrales Glebiet ausfindig zu machen und nach Kräften anzubauen. Daher redet er in seinen Briefen und Erlassen mit Vorliebe unbestinmit von der obersten Gk>ttheit, von dem höchsten Gott, wobei die Christen an den Vater Jesu Christi, die Heiden nach Gefallen an Jupiter oder an den Sonnengott denken konnten. Hierher gehört auch die Einfuhrung der Feier des Sonntages: der Herrentag der Christen und der heidnische Sonnentag begegneten sich in ihr; und damit er im Heere wenigstens gemeinsam begangen

1) Unter den bisher yerzeichneten Münzen ans der ganzen Be- giemngszeit Constantin^s (306 337) tragen etwa 297« eine heidnische Legende, für die kurze Zeit, wo er die Titel CSsar und bald danof Filius Aogustomm fahrte (806—307), 43 >, für die Zeit seiner Herr- schaft ab Augostos (307 ff.) 28 7o. Da sich diese Procentsätze nur durch Yergleichong würdigen lassen, mögen hier auch die Procente angegeben sein, in welchen uns heidnische Legenden bei den zeitge- nossischen Kaisern Yon Diocletian ab begegnen; einzelne der Zahlen sind aa£GEdlend, and»?e höchst bezeichnend: Diocletian 47 Vs Ma- ximianus Herculius 397«» Constantius Chloras 887«f (a^a- lerius 477o, SeYerus407o, Maxen tius 137o, Haximina« Dasa 707o, Licinius 607o, Licinius der Jüngere 227o. Yon den Münzen der bis 337 als Cäsaren regierenden Söhne Constantin's weisen heidnische Legenden auf bei Crispus (317—826) 57*9 bei Constantin II. (317— 337) 3i7o, während sie bei den Cäsaren Constantius II. (323—337) und Constans (333—337) ganz fortfallen, ebenso bei dem Cäsar Delmatius (335—337).

^) Die Berufung auf die unklare Stelle des Briefes Constantin^s an Alezander und Arius Eus., Y. C. II, 65, 1 reicht zum Beweise nicht aus, so lange man nicht Taten Constantin's vorzubringen ver- mag, welche zeigen, dass er sich wenigstens vorübergehend mit einer in diesem Grade utopischen Idee getragen hat.

C0N8TANTIN'8 relioionspolittk. 1 77

verdea kdnaite, scWieb Constanlm ein Allgemein moQotlkei- stischee debet vor, an dem die Heiden beinahe ebenso wenig Litern za nehmen vermochten wie die Christen. Suchte er dvch solche Massnahmen ein inedlichea Neben einanderbe- etehen der beiden Beligionen ansubahnen, bo mochte er vor- ftbergc^oid sich um ao leichter mit der Hoffnung auf Ge- lingen tcagen, als er, wie uns seüte späteren Kundgebungen deutlich zeigen^ vom Christentum nur den Monotheismus zu £uBea TCrmochte, worin er sich ohne Frage mit nicht ««oigeaa Christen aaner Tage berührt hat, und überdies such das vermögen wir aus seiner epüteren Regierungszeit uchzuweisen das Heidentum durch Unterdrückung der nuittlicbes Culte und durch Beschneidung der Auswüchse dea Superstitiöeen zu reinigen bestrebt war: jenes verblasste Chrislentum und dieses gereinigte Heidentum konnten aller- (ÜDga in Frieden mit einander leben.

Mfui könnte freilich meinen, nur die Rücksicht auf Beinen Mitküser Licinius, den Herrscher des Ostens, habe Constantin zu dieser unparteiischen oder vielleicht besser gesagt zwiespältigen, doppelseitigen Religionspolitik ver- mocht: die Furcht, dass eine Bedrückung des Heidentums ilao die Hers^i seiner überwiegend heidnischen Untertanen mt&entd^ und dem Licinius zulenken möchte. Möglich, duB eine derartige Rücksicht mitbestimmend auf Constantin gewirkt hat, aber den Ausschlag kann sie nicht gegeben haben. Denn auch in der Zeit seiner Alleinherrschaft setzt CT im grossen und ganzen die bisherige Toleranz nach bei- äen Seiten hin fort; wenigstens nur in geringem Örade neigt (dcb das Zünglein der Wage nach der christlichen Seite, so, daw über die persönlichen Sympathien des Herrschers kein Zweifel mehr möglich ist, aber ohne dass der officielle Fortbestand des Göttercultus dngeschränkt wäre. Macht ^ch Constantin kein Hehl aus seiner Vorliebe für die neue Reli^on, als Gesetzgeber und obei-ater Vorsteher des Religionswesens im Reiche versteht er, sich nach wie vor über den Parteien zu erhalten.

Mit einer überraschenden Offenheit hier mn bo Ecbätzenswerter, als man sie tiinter dem Schwall frommer

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und widerlicher Phrasen auf den ersten Blick kaum ver- mutet — spricht der Kaiser gleich nach dem Si^e über Lidnius in zwei Erlassen an die bisherigen Untertanen des- selben das Programm seiner ferneren Religionspolitik aus. Es war im wesentlichen das alte yonMailandy nur lebhafter vorgetragen; schärfer bestimmt Innerhalb der Grenzen des Mailändischen Edictes hielt er sich; wenn er jetzt auch für den Orient alle Nachwirkungen der Verfolgung für die Kirche und ihre einzelnen Glieder beseitigte; ebenso, wenn er nachdrück- lich betonte; dass jeder die Freiheit haben soUC; in religiösen Dingen zu tun was er wolle ; der Tempelcult sei mit nichteu; wie man fälschlich ausgesprengt habe, au%ehoben. Er freilich würde allen Menschen raten, sich der reinen und unbefleckten Religion zuzuwenden, wenn nicht die Macht des Irrtums in den Herzen etlicher zu tief eingewurzelt wäre. Bestimmter aber als früher zu Mailand offenbart er jetzt seine persönliche Stellung; indem er das Heidentum als ;;Un- fronmie Meinung ''; als eine ;; Macht der Finsternis^' bezeich- net Doch die ;; Irrenden '^ mögen immerhin ihre Lügen- tempel'' behalten! Denn den Kampf für die Unsterblichkeit au&unehmen darf* niemand durch Strafen gezwungen wer- den; nur mögC; wer nicht geheilt werden will, das nicht einem Andern zuschreiben; da das Heilmittel allen offen angeboten sei; und sich hüten ; die wahre Religion zu ver- achten. G^nug; auch diese Erlasse atmen immer noch den G^t der Toleranz ; durchweg wird die Freiheit der Ueber- zeugung betont

Dennoch soll Constantin nach einer noch immer weit verbreiteten Annahme das Christentum jetzt zur Staats- religion oder gar zur alleinigen Staatsreligion erhoben haben. Dann würden jene Proclamationen nur Worte enthalten, und die Taten des Kaisers hätten ihnen schlecht entsprochen. In- dessen; jene Annahme ist imgegründet Allerdings erging (326) das Verbot, verfallene Tempel wiederherzustellen; ja es kam hin und wieder sogar zur Zerstörung von Heilig- tümern ; aber wohl fast ausnalmislos wurden nur solche Cultus- stätten unterdrückt, welche durch ihre Ausschweifungen sittlich austüssig wäihju oder wo die Priester besonders arger

CONSTÄNTIN 8 REUGI0N3P0LITIK.

U Ansehungen der Menge sich hefliss«)!. Und wenn so mancher Tempel seiner Schätze, namenüieh der Kunatscbätze beraubt ward, indem die Götterbilder eingeschmolzen oder massen- haft nach Constantinopel geschleppt wurden, so hat man Utagst bemerkt, dass dies vorzugsweise in vorwiegend christ- lichen Gegenden geschehen sein wird. Auf alle Fälle dürfen wir aus aolchen Vorkommnissen nicht auf eine Bedrückung dea Heidentums schUcssen; denn andere Tatsachen stehen diesen gegenüber. Auch als Alleinherrscher ist Conetantin Pontifex MaximuB gebliehen, heidnischer Oberpriesteri und war das für ihn noch kein so ganz leerer Name; er inosste auch für seine Priester sorgen und er tat es: er er- bielt sie bei Uirei] Einkünften und Rechten, auch die Frei- heit von öffentlichen Diensten bestätigte er ihnen wieder- holt und noch ganz am Ende seiner Regierung durch ein Gesetz. Noch in den letzten Lebensjahren (333 337) erteilt er, was una eine über jeden Verdacht der Uneehtheit erhabene Inschrift bezeugt, einem italischen Städtchen die Erlaubnis, seinem Geschlecht, der gens Flavia, einen Tem- pel za. erbauen und daselbst sceiiische Spiele und Gladia- lorenkämpfe zu veranstalten, nur dass das seinem Namen gewidmete Heiligtum nicht durch den „Trug irgend eines uateckenden Aberglaubens" befleckt werden dürfe. Ja, selbst m B«ner neuen Residenz, Conatanün's ureigenster Schöpfung, entanden einige Tempel, welche an Pracht mit den vielen Kirchen dieser Stadt wetteifern konnten. Sogar bei der Qnmdsteinlegung der Constantinopolis im Jahre 326 war das Heidentum kaum zu kurz gekommen: wurde doch da- mals der Stadt durch magisclie Künste der Schutz der Himm- lischen gesicheil; ebenso erhielt Constantinopel vier Jahre «pSter bei der Einweihung eine eigene Schutzgottin , welche eitrig angebetet wurde, und alle Plätze sali man mit Götter- Ktatuen überreich ausgestattet. Auch sonst gab er den Heiden keinen Anlass sich zurückgesetzt zu lühlen : das Ge- präge der Münzen freihch hat vielleicht nur noch spärlich ;he Schrift gezeigt '}, noch seltener jedoch die jetzt

) Die Behauptung, dnss nach 323 mir uoch ncuige MUiizcn mit t i.-a. IV. *. 13

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hier neu aoftauchenden christlichen Symbole, so dass wSbA in einer solchen Aeusserlichkeit die Neuti^tät gewahrt w<»^

heidnischen Legenden geschlagen sein dürften (wie ich ans Marti gny, Dictionnaire des antiquit^ chr^üennes S. 519 ersehe, auch yon Caye- doni, doch ühertrieben, yertreten, ygl. schon Eckhel YIII, 79 nnd dagegen y. Wietersheim III, 242), wage ich auf Ghnind eines genaueren Stadiums des einschlagenden numismatischen Materials. Einen zwingenden Beweis für ihre Richtigkeit zu führen mache ich midi zur Zeit nicht anheischig, aher mindestens wahrscheinlich lässt sie sich machen. Bekanntlich hält es bei der Mehrzahl der Constantin als Au- gust us aufführenden Münzen ungemein schwer, sie genauer zu datiren, und eine ganze Reihe spottet jeden Versuches. Doch können wir yon den ungeBUur 130 Stück mit heidnischen Legenden ihren äusseren Kriterien nach (ygl. Cohen VI, 88f.) einige öO der ersten Zieat der Regierung Constantin's als Augustus zuweisen, 20 andere mit Bestimmt- heit als yor 324 ^sdlend aufzeigen. (Nach 314 können wir mit Sicherheit nur 7 yerlegen, auf denen Constantin Maximus ge- nannt wird, welchen Titel er 315 annahm; auch die zuletzt genannten 20 fidlen wahrscheinlich in diese Zeit; doch gehört selbstverständlich eine yiel grössere Anzahl als diese der Zeit nach 314 an, und yon einer Reihe yon Stücken würde sich dies durch Vergleichung mit den Münzen des Ldcinius wohl noch zeigen lassen). Mehr Licht bringt uns die Vergleichung der Münzen seiner Sohne aus ihrer Cäsaren- zeit; ich habe bereits (s. oben S. 176, Anm. 1) darauf hingewiesen, dass schon bei Crispus und Constantin II. (317 326, bzw. 837) heidnische Legenden nur selten vorkommen, und zwar bezeichnen- der Weise mit Einer Ausnahme nur auf Broncemünzen , bei Constantin 8 (seit 323) und Delmatius (seit 335) dagegen gar nicht. Darf man aus dieser Tatsache nicht den Schluss ziehen, dass auch der Kaiser seit dem Siege über Ldcinius yorgezogen haben wird, sich vorzugsweise der schon längst üblichen neutralen ^^ Legenden zu bedienen? Aber wann tauchen die ersten Münzen mit christ- lichen Zeichen auf? Die Ansicht Feuardent's (M^dailles de Constantin et de ses fils portant des signes de Christianisme , Revue Numismat., Paris 1856, S. 247—255), dass das Monogranmi nicht vor 335 auf Münzen gesetzt sei, wie diejenige Cavedoni*s, der bis 333 hinaufgeht, widerlegt sich dadurch, dass wir eine Münze von Cri- spus mit dem Monogramm besitzen (Cohen VI, 204 n. 132). Ist demnach die erste Münze mit christlichem Symbol spätestens 326 ge- prägt (vermutlich aber nicht vor 324), so wird die grosse Mehrzahl ihrer Nachfolger doch (mit Feuardent) in die allerletzten Jahre der Regierung Constantin's verlegt werden müssen. Uebrigens sind von Constantin selbst nur 4 Münzen mit christlichen Emblemen bekannt

CON8TANTIN8 EmjaiONSPOUTIK. 181

^ äen wäre. Doch, was entacheidend , das Gesetz kennt *■ keinen Uoterechied zwischea chriBtIichen und heidnischen ^L Stiatabürgem. VergebeuB suchen wir nach einem Edict, ^m »elchee das Bekenntnis zum Götterglauben und seine Aua- H Bbnng verboten hätt«. Während der ganzen Regierungszeit V Conatantin's durften die Heiden ebensogut wie die Christen die höchsten Stellen im Heere, in der Staatsverwaltung, am Hofe bekleiden; und an letzterem finden wir, obgleich doch liegst „Hofbischöfe" sich um den Gebieter scharten, Jahre lang auch einen neuplatonischen Sophisten in dem höchsten Vertrauen des Kaisers, Kurz , wohin wir auch bhcken mSgen, nii^ends bemerken wir, daas die alte Religion ver- fingt, nicht einmal, dafis sie auf die Stufe einer bloss ge- duldeten herabgerückt wäre. Mit einem Worte: der Staat CoDstantin's war ein paritätischer ').

Aber freilich lie&a sieb diese Parität nicht herstellen ohne eine entschiedene und augenfällige Begünstigung der christlichen Kirche. Die alte Religion war im Besitzstande, ne brauchte nur darin erhalten und bestätigt zu werden; die neue dagegen, bis vor kurzem die unterdrückte, war ohne die Privilegien, deren sich jene seit Urzeiten erfreute, ohne die Reichtümer derselben. Wollte er sie einander ^eäciiHtallen , so mnsste er der Kirche mit vollen Händen g^Mn, sie in jeder Weise durch Beine staaÜichen Mittel be-

(denn die mit dem Kreuze szeichen gebÖreD überhaupt nicht hierher), ebensoviele tob Constautin 11. ala Cäsar, je eine von den Cäsaren CoastantioB und CouatanB, 2 von Delmatlaa. Die ZunammenatelluDg der Hansen mit chriatlicheo SynilioleD bei Martigny, Dictionoaire p. 519Bq., anf Grund der Forschungen Garrucci's gegeben, ist durchaus unkritisch: nicht bloss werden die Münzen mit dem Krenzcs- Kiehen al« christliche betrachtet, sondern es wird selbst auf einer HSnz« des jüngeren Licinius das Monagramm conttatirt!

>) Ee ist eines der Verdienste Heinr. Richter's (S. 84— S8, Tgl. 6€9f.}, das von Conslantin geschaffene „Sjstem der Paritat" gegenüber der angeblichen Erhebung des ChnEtentums zur Staata- idigion" mit Nachdruck betont zu haben. Gern bekenne ich bei dieser Gelegenheit, wie lebhaft ich überhaupt Kichtcr's ausgczeich-

rlkizze Constantin's, die leider nicht überall die gebärende Be' g gefunden hat, mich zn Dank verpflichtet fniile. ...

^

182 BRIEGER;

fördern; ihr Wachstum erleichtem denn wie weit stand sie noch an Ausdehnung hinter der Genossenschaft der Gtötter- Verehrer zurück ! Da die Kirche aber nur auf Kosten des Heidentums wachsen konnte ; so musste ihre Begünstigung mittelbar diesem zum Schaden gereichen. Die Parität musstC; wie die Dinge lagen^ zu Gunsten der Kirche aus- schlagen. — Für eine gröbliche, mehr als indirecte Ver- letzung der Parität wird man aber kein Beispiel beibringen können. Zum wenigsten darf man Constantin d. Gr. nicht nachsagen, dass er das Christentum durch Gewaltmittel auszubreiten gesucht habe. Aber die Anwendung verlocken- der Mittel, das Darbieten äusserer Vorteile verschmähte er nicht: nicht nur, dass Neubekehrte durch Gnadenerweisungen ausgezeichnet wurden, es kam auch vor, dass er in einer rein heidnischen Gegend eine Eorche baute und mit reicher Mitgift ausstattete, damit sie durch Wohltätigkeit eine Ge- meinde um sich zu sammehi vermöchte. In dieser Beziehung scheint er nicht bloss ungemein erfindungsreich gewesen zu sein, sondern auch seine Grundsätze zum Zweck der lieber- tragung auf Andere in ein gewisses System gebracht zu haben; denn, wenn sein christlicher Panegyriker ims hierin recht berichtet, so hätte der Kaiser sogar den Vätern von Nicäa zum Abschied einen Vortrag darüber gehalten, wie sie durch ein weltkluges, vielmehr unredliches, Verfahren die Zahl der Anhänger der „heilbringenden Lehre" leicht- Uch vermehren könnten.

m.

Wie haben wir nun über diese religionspolitischen Mass- nahmen zu urteilen?

Als Constantin's religionspolitische Grundgedanken wer- den wir diejenigen betrachten dürfen, bei denen die fest- stehenden Taten dieses Herrschers, auch die scheinbar oder tatsächlich sich widersprechenden Handlungen, sich am leich- testen, ungezwungensten erklären. Denn der Historiker besitzt kein Recht, die grossen Heroen der Geschichte wider-

^^ CONSTASTIN'S RELI6I0NSP0HT1K. 183

gpruchsToller erscheinen zu läSBen, als absolut notwendig ist, kein Recht, ohne Not sie mit der nur zu gewöhnlichen Unklarheit kleiner Geister auszustatten , um sie so den Alltagsmenschen näher zu rUcken und verständlich zu machen.

Der antike Staat war durch zahlreiche Fäden ver- knüpft mit der Religion, die hier ganz wesentlich als Sfaats- institut erscheint. Hat nun Constantin etwa an die Stelle dieses Staates einen religionslosen setzen wollen? Wollte er etwa durch eine derartige iundamontale Umge- staltung die Schwierigkeiten heben, welche eine neue Reli- gion dem Staate bereitete? Diese Frage ist einfach zu ver- neinen. Es bedarf nicht erst des Hinweises, dass der Ge- danke eines religionslosen Staates dem Altertum völlig fem gelegen hat, wie dem ganzen Mittelalter, ja wie selbst noch den Reformatoren; denn schon das Verfahren Constantin's, wie wir es kennen gelernt haben, schtieast diesen Gedanken au». Beide Religionen werden ja vom Staate unterstützt, beide werden bei wichtigen Staatsactionen, wie bei der Weihe Constantinopels, herangezogen.

Mit scheinbarerem Rechte hat man behauptet, Constan- tin habe bereits im Mailändischen Edict das Frincip absoluter Religions- und Gewissensfreiheit proclamirt ') und in seiner Regierung bis zu Ende wirklich durchgeführt. Auch dann würde er seinem Jahrhundert noch weit, weit vorangeeilt sein; denn wie lange hat es gedauert, bis jenes der antiken Welt fremde, durchaus christliche Princip sich Anerkennung und Geltung erobert hat! Doch es sei! Man könnte ja hierfür immerhin sich auf die Taten Constantin's berufen: tatsächlich hat er ja, wie wir fanden, die Gleichberechtigung der beiden Religionen im Reiche begründet und aufrecht- erhalten, tatsächlich sich bemüht, ilir friedliches Zusammen- leben zu fördern. Es fragt sich nur: ob unser Re- ligionspolitiker diese Gleichberechtigung für den idealen Zustand der Dinge, für einen solchen gehalten hat, den er

K >)Son

1) So nicht nur Ncander, Kircheng. III (4. Aufl.), 3. 16—18, seibat noch Heinr. Richter, S. 6if. 6b8.

184 BBIEGEBy

eben w^en seiner Mustergültigkeit ein für alle Mal auf- richten wollte^ ob er ihn nicht yiehnehr im Laufe der Jahre immer entschiedener nur als ein notwendiges Uebergangs- stadium betrachtet hat Von Dauer wäre, sollte die erste der beiden Fragen zu bejahen sein, sein Werk jedenfalls nicht gewesen: denn schon unter seinen Söhnen und Nach- folgern schlägt die E[irchenpolitik der Kaiser sehr bald eine andere Bahn ein: das Heidentum wird anfangs nur noch geduldet; bald verpönt; dann bedrückt; gelegentlich auch verfolgt^ während die Eorche mehr und mehr die Glei- tung der Staatsreligion erlangt und zidetzt förmlich als solche anerkannt wird ein Prozess, der am Ende des 4. Jahr- hunderts unter Theodosius dem Grossen sein Ziel erreicht Ich glaube die Behauptung wagen zu dürfen; dass Con- stantin diesen Umschwung; der sich schon wenige Jahre nach seinem Tode anbahnt; doch selber mehr als mittelbar vorbereitet hat Um von an- derem abzusehen, auf Eine Tat des Kaisers muss ich hin- weisen. Während er erst sterbend die Taufe empfibig und sich die Freiheit persönlicher Ueberzeugung bis ans Ende wahrtC; hat er seinen Söhnen eine specifisch christliche Er- ziehung geben lassen; dadurch machte er ihnen die Neu- tralität in dem Kampfe der beiden Religionen zu einer Un- möglichkeit: sie waren von vornherein Parteimänner. Ist es denkbar; dass ein scharfblickender Geist wie Constantm diesen Umschwung der gesammten Lage nicht soUte vor- hergesehen haben? So darf man vielleicht annehmen; dass er ihn auch nicht hat verhüten wollen; ja; dass es im Laufe der Jahre ihm immer stärker zum Be- wusstsein gekommen ist und seit dem Antritt der Alleinherrschaft in voller Klarheit ihm vor Augen stand; wie er eine Ordnung von Staat und Kirche aufrichte; in welcher die beiden Religionen letztlich ihre Rolle austauschen mussten.

Nur auf Grund dieser Annahme können wir; wenn ich mich nicht täusche; Constantin als antiken ; nicht modernen

Charakter ganz veretehen, nur bo seiner genialen Oröeae ge- ncht werden. _

Versetzen wir uns noch einmal zurück in dos Jahr 313, ^ Constanän Bah sich als Staatsmann Tor eine ungeheuere Au^be gestellt Die bisherige christenfeindlicbe Politik der Kaieer hatte jungst rUckhaltsloser als je zuvor das Bekennt- nis ihrer Ohnmacht, um nicht zu sagen, ihrer Niederlage ab- legen müssen, sterbend hatte Galerius das Vergebliche aller Verfolgung anerkannt, widerwillig zur Duldung sich bequemt Aber konnte es bei einer einfachen Duldung der Christen sein Bewenden haben ? Wie kann ein Staat, dessen religiöses Bekenntnis der Polytheismus ist, auf die Dauer eine ßehgion dulden, welche die Götter des Staates für böse Dämonen erklärt, der poBtischen Religion eine universale entgegensetzt and dabei hinlänghche Proben ihrer jugendlich frischen Le- benskraft gegeben hat? Besteht nicht die Gefahr, dass sie, lalls man sie ruhig gewähren läset, nicht nur die alte Reli- gion zu den Toten werfen wii-d , sondern mit ihr den Staat, welcher zäh und eigensinnig an einer abgelebten ReUgions- fcrni festhält? In der Tat waren die Dinge so wat gediehen, daas nur dies noch die Frage war, oh die Kirche sich des Staates bemächtigen sollte, oder ob der Staat, unter Aufgabe seiner bisherigen Politik, noch bei Zeiten die Kirche bemei- stem würde auf einem Wege, der bisher noch nicht be- treten war, auf den aber die Zeichen der Zeit hinwiesen. Es ist der unvergängliche Ruhm Conatantin's des Grossen (nicht des Christen, sondern des Politikers), dass er diese Zeichen der Zeit zu deuten verstanden hat. Mit weitem, grossartig staatamünnischem Blick überschaut er die Lage. Zweierlei musste sich ihm ohne weiteres bemerklich machen : die Hin- fälligkeit des alten Glaubens, der in langsamer, aber unauf- haltsamer Zersetzung begriffen war, und die Unmöghchkeit, die neue Reli^on auszurotten. Diese Umuöghchkeit leuch- tete vielen ein, sie war der Inhalt einer auch imter Heiden weitverbreiteten Ueberzeugung ; \md gewiss haben auch viele I die Gefehr, welche aus jener Unbezwinglichkeit des Christen-

Cfür den Staat entsprang, in ihrer ganzen Grösse

186 BRIEGER^

gewürdigt; seit den Tagen Diocletian's war sie jedem Ver- ständigen ofienbar. Allein von der Menge dieser Einsich- tigen unterschied sich Constantin dadurch; dass er aus den gegebenen Voraussetzungen klaren Geistes die einzig richtige Folgerang zog: diese Folgerung; dass jene unbezwingliche Macht eine weltgeschichtliche sei; dass ihr die Zukunft ge- hören müsse.

Mit dieser genialen Einsicht war für den Staatsmann aber zugleich die Notwendigkeit gegeben; dass der Staat sich anders ab bisher zum Christentum stelle.

Und war denn das zu Anfang des vierten Jahrhunderts M) unmöglich?

Einst war das politische Verhalten der Christen ein §tJKff^ abweisendes gewesen. Zwar hatten sie dem Staate •ebcvdity soweit ihr Glaube das gestattete; aber er war doch m ihxea Augen nichts anderes als ein Stück der unheiligen Weh. mit ihr unrettbar dem Verderben verfallen, baldigem U^Knang bestimmt und laut, mit einem gewissen Trotz .^^^l^deten sie das Gericht Gottes über ihn, voll der frohen Bchty dass Christus in kürzester Frist wiederkommen jsnn das Reich Gottes sichtbarlich aufrichten werde. Ja jiese Vorstellung von dem baldigen Wiedererscheinen "gggtn erfüllte all ihr Sinnen und Denken; war der Beiz für ihren Kampf um das JenseitS; fiir ihre glles Irdischen; auch dieses grossartigsten irdi- welches sich ihnen im römischen Welt- r^inifBtri Dt^ der Staat jemals ein christlicher wer- ^esen Gedanken wiesen sie weit von sich. Na- . j^j^ j[g88 ihnen alles anrüchig war, was mit dem ^^ , Buchung stand: wie sie nur imgem ihr Recht jÄrtAchen Gerichtshöfen nahmen, so suchten sie die ,-flx lU vermeiden , den Kriegsdienst , die Ueber- '^aiteSmtem jeder Art ; unbedingt aber entzogen ^oidkihen Pflichten des Opfems mid der götzen- *** T«bning der Kaiser und wenn sie infolge a Zeit verfolgt wurden, so sahen sie sich

CONSTANTIN's RELIOIONaPOLITIK. 187

hierdurch m ihrer Anechauung vom Wesen des Staates nur noch bestärk L

Indessen dieses spröde Verhalten der ChriBten hatte etwa ■dt der Mitte des zweiten Jahrhunderts und besonders im Laufe des dritten allmählich eiTier ganz anderen Stimmung Platz gemacht. Die Erwartimg der Wiederkunft des Herrn trat nachgrade zurück; um ho mehr fühlte die Kirche das BedürfeÜB, in der Welt, weiche nun doch noch nicht »o bald dem Untergang anheimfallen wollte, sich liäuslich einzurichten, erwachte das Verlangen, was man bislang nur verachtet, zu erobern. Je stärker in dem genannten Zeitraum die Kirche an Zahl ihrer GHeder wuchs, desto weniger konnte ein sol- ches Beginnen als fruchtlos erscheinen. Unmittelbar mit dieser Tendenz der Welteroberung war auch eine andere TÄ'ertung des Staate« an die Hand gegeben. Man ahnte adnen sittlichen Werl, erkannte seine praktische Bedeutung; er wurde fiir die Christen ein erstrebenswertes Gut, wohl wert, dass man in reger Arbeit, ernstem Ringen sich seiner bemächtigt«. Ucberdies hatten sich Kirche \vai Staat schon unbewusst genähert, wie Christentum und Heidentum über- haupt Waren letztere in Sitte, Cultus, auch einzelnen Lehr- meinungen einander näher getreten, so jene, indem der Staat mehr als ehedem sittliche Aufgaben als Staatazwecke Wilblgte •), die Kirche dagegen durch ihre Verfassung und ite Organisation ein staatsälinlicheB Institut geworden

Wie sich die in Rede stehende Umwandlung des politiachen Verhaltens der Christen im einzelnen vollzogen hat, sind wir leider nicht im Stande zu verfolgen, da wir über die in Betracht kommenden Jahrzehnte höchst mangel- haft unterrichtet sind. Aber das steht fest: in den letzten vierrjg Jahren des dritten Jahrhunderts, dieser uniinter- brocheuen Friedenszeit, ist die ehemalige Schroffheit ver- Bchwunden und eine starke staatsfreundhcho Strünunig geht durch die Kirche. Schon zu Beginn der siebziger Jahre machen wir die überraschende Wamehmung, dass dieselben

1) Man vgl. die Andeutuugeu Adolf Harnack'a, Tlieol. Lif,- Zeitong 1876, S, 377f.

186

gewürdigt; seit den Tm ständigen offenbar. A.*. tigen unterschiiid sicli < gegt*benen VoraiisRot z ' 1 1 . Folgerung zog: diosp . Macht eine wcltgcsclii« . hören müsse.

Mit diesi^r geni; aber zugleich die Not^ anders als bisher zni

Und war denn so unmöglich?

Elinst war dn- schnifF abweiöende^? gehorcht, soweit ihr in ihren Augen ni« ' Welt, mit ihr unr^' Untergang bestimr^' verkündeten sie d- Zuversicht, das» ^* und dann das Ke^ eWn diese Vorste* ihres Herrn erlii*' wirksamste Keiz * Verachtung alii**» * scheu GcmeinwoK reich darstellte. den könnte, tl; lürli^'h dahiT, f* Staate in Ho/^- Ivi den i^rtV'iitli«" Kidc>lci<!nnir«'"

MC >U'h di:ll «

Streitfragen das heid- a =inem kirchlichen Zwiste Aunilian anrufen und den •jm mit seiner Hülfe einen ^ -.«iittf SIL stoesen. VoUends unter _ ^^uA '.'bniten im Heere wie in der -iß. Hin Staatsamt bekleiden und _^ ^juu mehr für unvereinbar. Ja ^ ^ .ai Geschäften des Staates teil, Mr"*Tf SU erobern. Wir besitzen .'Inas Bischofis für einen christ- einzelne gehenden Rat- hohe Stellung klug zu be- nir die Seligion Christi zu ge- Ziel steuerte man denmach ^^ Gttind fühlte sich die Kirche: beispiellos die Gewalt, welche

jirer unversöhnlichen Feindschaft jyfttckgekonmien, so war ftir diesen j^ebeo, auch seinerseits die Gegner- Wa* aber sollte an ihre Stelle treten? fjö^dbende Freundschaft ? Sie hätten ii» Staates gemacht Sein Interesse Eingreifen. Vielleicht gelang lien wie zerstörungsgewaltigen lu nehmen.

Jer diesen Versuch gewagt hat: vor- jftff« im Bowusstsein von dem Gefahr- ^ und mit unleugbarem Geschick. ■.4ia8eu doch Gunst und Gaben, die der ,^,ieudoie, die trrosse Mehrheit seiner u ^idcr ihn in die S.'lirauken rufen! ^ Ä»i damals erst ein Zwanzigstel der diciicri^clun ^" ^ .»-aKiiTeiches christlich srewoson: das mag zu do:i5on W'U X '^ ^ wie denn vor. ar.doivr S?ite die Zahl

' ^ Zehntel der 1h'\ ; lkor-.ing vorans<.'hlagt

CtWSTAlTTIN'S EELIQIONSPOLITIK. 189

hlt uoa leider an jeder Handhabe za einer auclt md zuverlässigen Berechnung ') ; aber d i e Be- ■Vrird auf keinen Widerepruch stossen, dass im ereten I vierten Jahrhunderts dem chriBtUchen Bruchteil h eine Uebermacht gegeaübergeBtanden hat, welche L die unentrinnbare Notwendigkeit versetzte, tttcksicht zu nehmen. Daber geht Constandn schrittweise vor; niemals lässt psicb von stürmischem Eifer fortreissen; er versteht zu die Früchte reifen zu laesen; nur das jeweilig Er- rnchbare nimmt er in Angriff: und dieses selbst bestimmt er jnlea Mal nach den gegebenen Verhältnissen, selber fort und ^ribrt aus ihnen lernend, da die Religion spolitik fiir ihn zu ■WMirst nur MiHel zum Zweck ist. ^B Wir haben vorhin seinen Gang verfolgt ^^ DftB Jahr 312 bringt den ersten kühnen Schritt des

BdjgMOBpolitikers, sein symboUschcs Bekenntnis zum Gott fler ChristeB, der sich nun zum ersten Mal ausweisen soll, ob er es mit den Ki-iegsgöticrn des Olymp aufzunehmen ver- mag. Er besteht die Probe und so folgt 313 das Mailänder Edict mit seiner Gleichstellung der beiden Religionen. Elf Jahre später wird es auf des abermals siegreichen Kaisers neue« Herrschaftsgebiet, den Orient, ausgedehnt, hier aber mit unverhüllter Sympathie für das Christentum, dessen Be- keimer im Osten des Keiches bei weitem zaUreicher waren als im Westen. Aber auch jetzt noch hütet sich der Machthaber Mrg«am vor jeder Gewaltmassregei ; auch jetzt noch wech- seln mit seinen Gunstbezeugungen gegen die Christen in bunter Mischung die Garantien, welche er den Altgläubigen ^bt. So erscheinen seine Erlasse widerspruchsvoll genug. Dennoch prägt sich in ihnen die Conaequenz eines über- legenen Geistee aus. Unverwandt behält er sein Ziel im Auge,

') Me erste Zahl vertritt niwhdem Vorgänge Gibbou's (Cap. XV, Bd. III, p. «5) Ludw. Priedländer, Daratelluugeu au« der Sittengeschicht« Roms UI, 531 f., die zweite Heinr. Richter, der S- 85. 86 „etwa 5 6 Millionen Christen etwa 45 MiUionen Heiden" gegenüberstehen liUst; leider hat er nicht angedeutet, worauf sich tciae Zahlen stütscn. Man vgl. noch Burkhardt S, lüT und v. Wie- Htsrtheim lU, '223.

190 BRIEGER,

und die Ruhe, Mässigung, Festigkeit sichern das Gelingen. Das unendlich Schwere glückt ihm: ohne gewaltsame Katastrophe führt er das Reich in eine neue Ord- nung der Dinge hinüber und hinterlässt seinen Söhnen^ den ersten christlichen Empfängern des Weltimperiums, eine so gesicherte Herrschaft, dass sie sich stark genug fühlen, alsbald durch scharfe Gesetze den Göttercult zu verbieten.

Aber noch mehr! Er hat ihnen auch eine gefesselte Kirche hinterlassen. Schon zwölf Jahre vor Constan- tin's Tod ist die Kirche die ergebene Dienerin des Staates imd als solche die festeste Stütze des Trones.

Zwar, es war nicht eitele Selbsttäuschung, wenn die Christen, welche sich jetzt jubelnd in der kaiserlichen Gunst sonnten, vermeinten, dass die Kirche aus einem mehrhundert- jährigen Kampfe als Siegerin hervorgegangen sei: wirklich war sie ja mit ungebrochener Kraft aus allen Verfolgungen emporgetaucht, und die Duldung, welche sie einst für sich gefordert, war ihr imgeschmälert zuteil geworden. Und den- noch, (mit dieser Tat vollendet sich das Meisterstück der Po- litik Constantin's) die Siegerin besiegt er. Er wusste sehr wohl, wozu ihm jenes System der Bevorzugungen dienen sollte: es war eine Schlinge in seiner Hand. Die durch keine Zwangsmassregeln gebändigte überwältigt er, bloss durch seine zuvorkommende Haltung, welche doch weit ent- fernt ist von einem bedingungslosen Sichhingeben : nicht ein- mal ihr Widerpart, das Heidentum, wird ihr auf Gnade und Ungnade überliefert.

Dass er aber die Herrschaft über die Kirche gewann, ist keine Frage. Er soll sich gelegentlich wohl einen „Bi- schof derer da draussen ", seiner heidnischen Untertanen, ge- nannt haben; er war es, wiewohl selber noch „di-aussen" stehend, auch für die Glieder der Kirche, in der Tat ein Oberbischof, der „allgemeine Episkopus". Es kommt in dieser Zeit zu dem ersten ökumenischen Concil, aufevvelchem die Einheit der Grosskirche (die katholische nannte sie sich bereits) zum ersten Mal grossartig sich darstellt. Aber Con- stantin beruft es; er oder wen er beauftragt fuhrt den Vor- sitz; er inspu'U't die Väter; sein Wille ist der massgebende.

COKSTANTIN'S RELIälONBPÖtTTIK.

Die iimeTSteii Angelegenheiten der ChristenLeit , die Fragen des GUubene, werden entschieden : auch liier macht sich der Wille des Machthabers bemerklich, der ea Cur gut befindet, die dogmatische Theorie einer zwar kleinen, aber entacliloBBe- nen Minderheit zum Dogma Btempeln zu laesen und wer Btch den Beachlüasen der Synode nicht fügt, den unter dem waltenden EinBusB des Kaisera zustande gekommenen, der wird abgesetzt, in unwirtliche Gegenden geacldeppt, bis dann nach etlichen Jahren das Blatt sich wendet, andere von einer Synode verurteilt, vom Kaiser verbannt werden und es fehlt nicht ganz an Bischöfen, welche dem „Gottgeliebten" dem Freund Gottes " Beifall jauchzen. Freilich, nicht rauh und barsch, nicht stolz und befehlend pflegt dieser Oberherr aufzutreten: er beugt sich ui Demut vor den Bischöfen, den heiligen Märtyrern und Bekennem, er nennt sich ihren Mit- knecht, redet sie „meine Freunde", gelieb tester Bruder", „Deine Heiligkeit" an ein unfehlbares Mittel der Herr- schaft über die grosse Mehrzahl der Knechte Gottes. Aber ftr die Wenigen, welche den Wünschen, Bitten, „Aufmun- igen " des kaiserlichen Mitknechtes zu trotzen wagen, für ler wie Atlianasius, hat er wenigstens zu Ende seiner Begierung noch eine andere Sprache; wir kfinnen sie kennen lernen aus seinem Schreiben, durch welches er 336 eine Synode nach Tyrus beruft, auf der es dann zur Ver- urteÜung desAthanasius gekommen ist; da sind seine Wünsche „Befehle", deren Nichtbeachtung er mit dem Exile bedroht ab mit einer handgreiäichen „Belehrimg, dass es ungezie- mend sei, den Anordnungen des Selbstherrschers, die er zum besten der Wahrheit getroffen, sich zu widersetzen". Wir sehen: die Kirche wird von Constantin nicht viel anders behan- It, als wäre sie bereits dem Staatsorganismus eingegUedert Eintreten fiir das Christentum, seine mit den Jahren breitende Begünstigung der Kirche, nicht minder seine .ossene, ja rücksichtslose Parteinahme wider die christ- Sekten, diese ihm im höchsten Grade widerwärtigen Stfircnä-icde und Zerstörer der Einlieit der Grosskirche '),

V. lär di< Hlerung Hni&nn*

I) Auf ConstADtiii's cbeuBo darcluichtigeB wie coiiaequentCH Ver-

192 BBIBOSRy

verleihen ihm eine Autorität, welche den fehlenden Rechts- titel für sein Eingreifen in die innerkirchlichen Frag^ er- setzen soll und ersetzt So kanp. er ohne auf hemmende Schranken zu stossen die Kräfte der Kirche fruchtbar machen zum besten des Reiches wie des eigenen Trones. Die Kirche ist allerdings nicht die einzige Stütze, welche er dem Eidsertum gegeben hat ; auch als Militärdespot und ge- waltiger Organisator hat er Tron und Reich fester zu grün- den verstanden. Aber seine Kirchenpolitik hat doch das beste tun müssen: sie hat den Grund gelegt zur Staats- kirche, den Grund zum christlichen Staat Mag man f&r unsere Tage die eine verurteilen, den anderen verwerfen, das Zeugnis wird Constantin dem Grossen eine unparteiische Gteschichtschreibimg niemals vorenthalten dürfen, dass er getan hat was seine Zeit gebieterisch forderte und was der Menschheit neben manchem tiefen Scha- den doch unermesslichen Segen gebracht hat

Es ist zwar sehr gewöhnlich gewoid«9i, im Interesse der Kirche über Constantin's staatskluge Tat zu klagen. Die Kirche, meint man, sei aufs tie&ie durch ihn geschädigt, und oft genug hat man versuch!^ bB» Verderben in ihr aus dieser argen Quelle abzuleiten. Dia» pietistische Auffassung eines Gottfried Arnold, welche wir mhoa in gewissen sekti-

hahen zu den Sekten glaube ich im Irfertaae der Kürze nicht erst eingehen zu sollen. Es ist nur die iÄAimitindliche Kehrseite seines gesammten kirchenpoUtischen HaadM * "*«^« aUerdings sehr be- zeichnend: woUte er sich auf das (JAüattm rtüteen, ja machte er es in der Weise, wie ich zu aeigea i«***~*^» zum Ausgangspunkt semer PoHtik, so musste er den g*-» ^^ »'^ Einheit seiner Bekemier legen; eine in Sekten «*r «jdi "«' m Parteiungen aus- einandergehende Kirche durchk«-Ü ^^ «^l°« P?^"«^.. I^^her hat

hier seine Toleranz ein Ende. ^^-^rll'Zt^f. ?^ """''

tung zu den ionerkirchUchen 8t«««fiir«.^ Bestreben, s,e als ganz Luiig iiu uc , ^.. , . ,^i|»i Anfang an zu unterdrücken- unnütze, k nd sehe Zänkereien ton a^ ^ . tcruiucKcn .

,777, , . . , „^u--&* bloss den ihm eigenen Mangel denn hierin haben wir doch «^^TTlWgens nicht bloTs mit einfm an Verständnis zu erbbcj^en, to ^^^, ^^^ ^.^^^„^^ e ne

Eusebius, sondern mit der gr(0^ ^

hatte.

CONBTASTIN'S HEUBIONSPOLmK. 193

rnriscben Kreisen des Mittelaltera warnehmen können, hat biB in die Gegenwart zahlreiche Vertreter gefunden. Und wer wollte die Schattenseiten des Staatskirchentums leognen ? Treten äe uns doch in grellen Farben vor Äugen, bevor noch das Jahrhundert auf die Neige geht: die Freiheit der Kirche ist jetzt dahin; in hellen Haufen ziehen Heiden in de ein, massenhait heidnlschee Wesen; ihre Reichtümer und Privilegien lassen sie verweltlichen, so dasa Unzählige, die ea noch ernst meinen, weltäUchtig in die W listen ein samkeit sich retten; mit Hülfe des welthchen Anns wird das Heiden- tum niedergekämpft, bald auch das erste Ketzerblut ver- gossen. Der Kenner der Kirchengeschichte weiss freilich, daas gar manches von dem, was aachmals so häßslich in die Angen springt, dem Keime nach schon vor Constantin in der Kirche enthalten war; er weiss, dass schon die Kirche des dritten Jahrhunderts in mehr als einer Beziehung die falsch-katholische war, ein Institut, welches in Gefahr stand, sich, dieses äusserlich verfasste, rechtliche Kirchenwesen, für identisch zu halten mit dem Reiche Gottes, daher allen seinen Einrichtungen, der Verfassung, dem Dogma ein göttliches Recht beizulegen, kurz ein Institut, das bereits auf dem Wege war, in Ceremoniendienst und hierarchischem Treiben Mch zu veräusaerlichen und, sobald der Druck der Ver- folgongeu nachhess, auch zu verweltlichen. Jene Klagen über das seit Constantin eingerissene Verderben beruhen da- her zum grossen Teil auf einer falschen Voraussetzung: viele der Gefahren, in denen wir später die Kirche straucheln leben, sind nicht von Constantin hervorgerufen, sondern höch- Btens gesteigert. Aber auch in den neu hinzugetretenen wird, wer das ganze der Entwicklung überschaut, keinen Grund i^en zn elegischen Klagen. Denn er kam sich der War- nehmnng nicht verschheasen, dass die Kirche grade auf dieser neuen Grondlage, auf welche sie durch Constantin gestellt iit, die grosse Erziehungsanstalt für die europäischen Volker geworden ist und die Menachheit auf eine höhere Stufe ihrer Oeschidite gehoben hat

194 BBIEGERy

Anhang.

Kritische Erörterungen.

I. Zum constantinlschen Honogramm.

1. Wenn ich im Texte (oben S. 174) die Zeichnung der Schilde der Krieger Constantin's mit dem Monogramm Christi ein symbolisches nnd doch nicht misyerständliches Bekenntnis zum Ghristengott nannte, so dürfte man nach dem heutigen Stande der Forschung zu diesem Urteil berechtiget sein. Die Deutung der transversa X litera summo capUe circumflexo auf den Namen Christus, wie wir sie bei Lac tan t ins (De mori pers. 44: „Chri- stum in scutis notat'O und bei Eusebius (Y. C. I, 31: t^^ auntiQiov InrjyoQlag to avfißoXov^ Svo aroiX^Ta ro Xqiotov napa- itjXovyja oyo/nuy ita rdSy ngdriüy vntatunaiyoy x^Q^^^VQ^^y Xia^ofnivov Tov q xutu to fAiaalraTov) finden, kann als richtig, und zwar einzig richtig, im Ernst nicht bezweifelt werden, gleich- viel ob Constantin und die damaligen Christen in dem Mono- gramm zugleich das Zeichen des Kreuzes erblickt haben mögen oder nicht ^). Die noch immer beliebte Annahme, das Mono-

1) Letztere für die Würdigung des constantinischen Monogramms nicht unwichtige Frage harrt noch der endgültigen Entscheidung. Ich begnüge mich hier mit der Bemerkung, dass man sich für ihre Be- iahung wem'gstens auf die gleichzeitigen Kircbenschriftst^ller nicht berufen darf. Während nämlich das coeleste Signum dei des Lactan- tius keineswegs beweist, dass dieser Autor in dem Monogramm das Kreuzeszeichen gesehen hat, ist Eusebius unzwdfelhaft meser Auf- ÜLSsvaxg ergeben gewesen (vgl. V. C. I, 31, 3, wo nicht wie sonst mei- stens aas Labarum , sondern das Monogramm gradezu ro tov ctuv^ov rgonatorgeDwant wird) sehr natürlich, weil ihm durch seine Fabel von der ^reuzesvision das Kreuz, welches er I, 32, 2 als atffAßoXor a&araalas und rgonaiov t^g xaiä tov ^avatov vCxiig erklärt, in einem Grade in den Vordergrund getreten ist, dass er abgesehen von jener einmaligen Erwähnung des Monogramms in seiner Beschreibung des Labarum 1. c. und der zweifelhaften Andeutung V. C. III, 2 stets nur Tom Kreuzeszeichen redet. Vgl. H. E. IX, 9, 10: rov aiotfiQCov TQonMoy na&ovg und to ctifjrJQiov tov atavQov arifjitlov (vgl. dazu V. C. 1, 40) ; V. C. I, 41, 1 : yi.xonoiov atavqov 6f4oXoy(<jc II, 12, 1 : tov otavgov ij iTxr,vti (vom Zelt des Labarum); III, 1, 2: ro rot; na^ovg r^orrfttov; ni, 2: ifiutijQioy aiifieioy (vom Kreuzeszeichen); III, 49: to tov atütn- qIov na^ovg avjußoXov^ TV, 21: ro rov amrtiQCov t^onaCov avfißoXov vom Kreuz ; das Labarum nennt Eusebius gewöhnlich to auiXjftQioy tgo-naiov, V. C. II, 6, 2; U, 7; II, 9, 2; II, 16; III, 3, 2; III, 16; IV, 21 oder auch TO Vixutixov tQonaiov I, 37; III, 2; IV, 5, 2, to yixonoioy atifdetoy L. C. 9, 8, TO (TtJTiiQioy xal Ctoonoioy atj/uttov II, 16; L. C. 9, 8. Wegen dieses Sichvordrängens des Kreuzes infolge der Vision ist das

gnmm aet ein zweideutiges Sjmbo], es sei auch einei allgemein heidalschen ÄDsdeotang: fähig gewesen, so- fern das Krenz seit alten Zeiten auch in dem Snnnencnltna, der sich grade in den Tagen Constuntin'a der weitesten Verbreitung er&ente, seino Stelle gebäht habe, ist eine ansprechende, aber haltlose Uypotbese').

Wahrend es seitEcVhel (Dcotr. nnm. VIII [Wien 1798], 8. 88} Qblicb war, für das Monogramm auf djis ganz gleiche [?], aber in seicer Dentung ungewisse, Zeichen auf attischen Tetra- drachmen und auf den schweren Kopfennüezen der Ptulemäer hininweiaen "), hat Rapp ein bei weitem reicberea Material zu- sammengestellt und zugleich in bestimmter Bichtung zn verwerten j^ncbt. Er hat gezeigt, dnsa ein dem constantiuiacben Mono- gramm Np entfernt ähnliches Symbol wie auch das Zeichen _[_ auf einer Münze des armenischen Kunigs Tigranes sich findet {S, 143), und dasB das letztere Zeichen anf Münzen wie desselben Künigs ao des gleichzeitigen Herodes des 6r. angetroffen wird (S. 127f.),

Zeugnis des Eusebius znr Feetsteliutig des orsprünghchen Sinnes des XP völlig unbrauchbür. Beachtenswert tat dage^D, dasa nach dem Zeugnis deBoflsi's (Roma SotteraMa II, [Hom ISIiT], 8. ai9f,) die trux decuaata {X) sich in S. Callistu überhaupt nicht findet; idlein Äc8e aber könnte hei dem UTspriinglicbea conKtantinisehen Monogramm in Betracht kommen {ß. unten). Uebrigeaa lässt sich auch die crvx immisMa (als einfaches Kreuz, also abgesehen von dem Monogramm rn in römischen Inschriften erst sehr spät nachweiaen, nicht vor dem Jahre 407 (h. deHossl, Insariptionei ehriatianae wbis Romae, se- ptimo saeaido antiqaiores I [Rom 1857—61], N. 57G, p. 243).

') Vgl, die gelehrte und dBiihen a werte , al>er grade hi ihren fiauptcrgebnissen verfehlte Abhandlung von Rapp, Das Labanim und der Sonnenciütus, Jahrbücher des Vereins von Ältertumsfreundcu im Rheinlande, Doppelheft 39 u. 40 (Bonn 18G6), S. 116—145. bes. S. 133, wonach Constantin „gewandt genug war, die Form des Augur- ■tabes, des Bifichofsstabes und des griechischen q in einen Ocda^en nwaminenzufassen und diese dreifach bedeutsame Form an die Spitze der Stange lu setzen, durch welche sein Heerbanner für läonnen- und Cbiütua-Verehrer zugleich zur Oriflamme von Siegen werden sollte"^ Ygl. S, 120-122, So im wcaenüichen auch Zöckicr, Das Kreui Oirisd [Gütersloh 1875), S. 152f. Gegen Rapp haben schon ein paar sonst durchaus unkrilische, katholische Forscher, P. J. Münz, Urchaologiachc Bemerkungen über das Kreuz, das Monogramm Christi, die altehnotliclieu Symbole, das Crucifix; Ännalen des Vereins {ur Nassauische Altertumskunde nud GeKcbichtsforschung VIII , 186G, 8. 347—558) und J, Stockhaner (Kunstgeschichte des Kreuzes, BchafThausen 1870) berechtigte Einwendungen erhoben, wenngleich ihre Gegcngriindc tum Teil nicht stichhaltig sind. S. Münz 8. aSlf. 400. Stockhauer S. 104— 106.

*) So auch noch ZÖckler, S. 140. Rapp sieht von diesen Hiinxen ab, vielleicht durch die G-egengrüudc Lenormant's (vgl. Btockbauer 8. 86f.) bestimmt.

t K.-a. IV, i. li

flla

196 BBIEOEX,

wobei wir freilich dahingeatollt sein lassen müssen, ob es bier als cnitisches Symbol oder nur als Dumerisches Zeichen anftritt. Aber nocb mehr, es ist Bapp ohne alle Frage der Beweis gelnngen, dass das vollliammene Ebenbild " des Monogramtncs nP anf graeco- baktrischen und in do-aky tischen Münzen des 2. und 1 . Jahrhunderts vor Christus zu erblicken ist (S. 130f. 138); und auch das wird man einräumen müssen, dass Münzen der graeco-baktrischen Kö- nige Uippostratos Soter, Uermaios und Äzis aus dem 2. Jabr- hundert vor Christo wenn ancb nicht „das ToUstSndige liabarum" Constantin's , so doch dem Labarum auffallend ähnliche Figuren zeigen (S. i:il. 134 f. 142). Indessen, was berechtigt uns zn den Folgerungen, weiche Rapp aus diesen Tatsachen zieht? Wo haben wie auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass diese um das Jahr 312 tier, fünf Jahrhunderte alten Münzen, welche wir jetzt aus unsem Sammlungen übersichtlich zusammen- stellen klinnen, Conatantin oder seinen ZeitgenoHsen bekannt ge- wesen eind? Und ebenso wenig beweist das schräge (Sonnen-) Kreuz, welches als Symbol des Sieges gallifich-keltieche MBnzen ans dem 2. oder 3. Jahrhundert vor Christo wie auch altbritiscbe Münzen führen, mag dieses Kreuz auch immerhin hei dem römi- schen Uoere als Feldzeichen Eingang gefunden haben (S. 118. J22. 128. 129f.}.

2. Wenn Kapp ferner die ursprüngliche Form des „Hono- grammes Christi" noch als eine ofTene Frage behandelt, ob näm- lich vp oder _[_ „eigentlich das richtige Monogramm" sei, so kann angesichts des uns vorliegenden nnmismatiscben und epigraphi- schen Materials ein Zweifel kaum obwalten. Waren wir auf die Kirch enschriftsteller angewiesen, so würden wir allerdings zwischen -^ und ^><$ schwanken müssen. Das letztere Zeichen liegt ofTeo- har dem Ausdruck des Lactantius zugrunde: transversa X litera sitmmo enpile ciTcumflexo. Ob Lactantiua, der wenige Jahre nach 312 im Orient sclirieb, über das betreffende Zeichen nicht ganz genau unterrichtet gewesen ist, oder ob wirklich anfänglich das Monogramm die von ihm angegebene Form gehabt hat, kCnnen wir nicht mehr entscheiden. Ist letzteres der Fall gewesen, so ist sie jedenfalls in der Folgezeit unter Constantin mit der ge- alligeren Form ^ vertanscht worden. Schon der Wortlaut dee Eusebius, der uns das Labarum auf Grund eigener Besichtigung beschreibt, lasst uns bloss an diese letztere Form denken '): „das P, in der Mitte mit einem X bezeichnet", oder „von einem

raus, Roma Solterranca, 2. Aufl. Freibarg 1879,

COMTASTIH'S BKUGIONBPOLmK.

X duchachiiitteD." Doch ist üuch hierauf weoig Gewicht %a lagan. Entscheidend iat aber der numismatiscbe und epi^raphische Befand.

Die Münzen aas der letzten Zeit Constantin's wie diejenigen aeioer SCbne, welche, sei es aof dem Labaram, sei es anf Helm, Schild oder aia Äegis das Zeichen enthalten, zeigten Überein- ■tnnmeDd nur die Form -^ '). Aach im Felde begegnet una whon auf einer HQnze des Crispus dasselbe Zeichen '). Dasa diese Form von Anfang an die herrschende gewesen und anf dem Iiabamm allein zur Anwendung gekommen, kann daher nicht zweifelhaft sein. Aber ebenso unzweifelhaft hat als seltenere Parallelform schon zur Zeit Con- stantin's die nachher für mehrere Laatren völlig inrOck gedrängte Form K existirt, die wir wenigstens anf Bwei Münzen nachweisen können, anf einer Goldmünze Con- stantin'a im Felde neben einer Victoria •) nnd auf einer nach dem Tode des Kaisers geprägten Consecrationsmünze auf einer Engel *). Dann aber verschwindet für längere Zeit das _r_ ganz- lieh: wie die Münzen des Delmaticus, Constantin's II., des Con- atans nnd Constantius II., so zeigen auch diejenigen der Usur- patoren Nepotian, Vetranio nnd Decentins '') ausnahmslos das -.p- Anch bei dem den letztgenannten gleichzeitigen Tyrannen Mag- Dentins (350 353) behauptet es seine Herrschaft, macht aber Bin Mal ') dem _P Platz ''). Bei den Cäsaren Constantius Oallua nnd Julian wie bei Jovian treffen wir nur yy an, wogegen bei Talentinian I. nnd Valens im Felde oder auf dam Scepter einige Male _j_ neben der bei weitem häufigeren andern Form

') Vgl. Cohen, D^criplion historique dea monnaieB frappt^eB WHU l'empire Homain, VI (Pari» 18G2), S. 138—319, da^u liic "Tafeln VU, VII« nnd IX; ferner Kevue nuniiamatique, Nouv. S^rie I, (Parii 1856), Tafel VII wie endUch die Tafel bei Rapp.

*) Cohen VI, 204 n. 132.

>) Cohen VI, 112 n. 123.

«) DIVO C0N8T ANTINO. Eckhel VIII, 92, vgl. S. 463. Cohen VI, 123 n. 189.

6) S. für aUe diese Cohen VI

«) Cohen VI, 387 n. 58.

i] Päbchllcb lässt deRoBsi, Dt (thilu CKriatianis Carthagi- nUntibui im SpiciUgitm SohsMenu TV (Parie 1858), S. 531. dem Rapp 8. 133, Zöckler S. 140 und Münz S. 391 folgen, das P erst auf Münzen Valentiiiian'fi I. auftreten.

P».

198 BRIEOER;

Torkommt und bei Yalentinian n. und Theodosias langsam an Boden gewinnt ^).

Im Ganzen analog ist der epigraphische Befund. In deBoss i* 8 Inscriptianes chrisiianae urbis Romae I kommt das schräge Monogramm in ausschliesslichem Gebrauch bis zum Jahre 366 vor: in diesem Jahre stossen wir zuerst auf die 2. Form ^ (also fast genau zu derselben Zeit, wo sie bei Magnentios auf einer Münze zuerst von neuem auftaucht), fQr deren Anwen- dung hier, wie es scheint, das Bestreben massgebend gewesen ist, in dem Monogramm Christi zugleich das Kreuz (als crux immissd) hervortreten zu lassen: wenigstens deutet darauf das grade auf dem Epitaphium von 355 sich findende Bildchen, auf dem ein Mann mit der Bechtcn eine crtix immissay deren oberer Schenkel mit dem Oehr des P versehen ist, hält (s. deBossi, Inscr. 1. c). Diese zweite Form begegnet uns zuerst wieder 368 (also zufällig wiederum ganz analog ihrem numismatischen Vorkommen unter Ya- lentinian I. und Valens) und wird von jetzt ab ziemlich häufig, doch so, dass im ganzen 4. Jahrhundert das schräge Monogramm noch ein erhebliches Uebergewicht behält ^).

1^ S. für alles dieses Cohen VI. Es verlohnt sich nicht, den abwechselnden Gebrauch der beiden Formen noch weiter zu verfolgen. Ich bemerke nur: bei Valens' Gegenkaiser Procopius (365 366) und bei Gratian, desgleichen bei Maximus und dem Usurpator Eugenius nehme ich nur das schräge Monogramm war. Bei Valentinian li. und bei Theodosius halten sich beide Formen so ziemlich das Gleichgewicht, während unter 7 mit dem Monogramm gezierten Münzen

von Theodosius' Gemahlin Flaccilla (f 381) das f_ nur Ein Mal (im

Felde) vorkonmit. Beachtenswert ist jedoch, dass (soweit wenigstens aus den numismatischen Werken zu ersehen ist) das schräge Mono- gramm auf dem Labarum seinen Platz noch immer be- wahrt hat; [_ erscheint fast ausnahmslos nur im Felde (ein Mal

auf einem Scepter und ein Mal über einem von Türmen überragten Lagertor).

8) deBossi, Inscript. I, 75 n. 125. deRossi selbst {De tu, Carth. p. 529) erblickt schon in dem in den Jahren 347 und 348 auf

römischen Epitaphien auftretenden Zeichen \|/ eine forma, in qua crux

clarius incipiat eminere et agnosd mamfesto possit, und betrachtet es als Uebergangsform zu dem gradcn Monogramm, das er (bei seinem bekannten Streben, überall cruces dissimulatcte aufzuzeigen) mit Unrecht als crux monogrammatica bezeichnet. Bekanntlich ist jene neue Form vielmehr als durch Hinzufügung des I (7i/<rot;f XPiaioi) entstanden zu betrachten.

«) Vgl. deRossi, Inscript. I, 107—210. Fabch deRossi (De tit Christ, 1. c): crux monogrammatica reliqua saectili quarti parte (d. h. seit 355). . cum vetustiore monogrammate aequo paene gradu procedit. Das schräge Monogramm kommt in dieser Zeit noch fast dreimal so häufig vor.

^

CONSTäNTIN'S KELIO10N8P0LITIK. 199

Durch die Darlegnng dieses Tatbestandes ist zugleich eine weitere kftbne Behauptung Rapp's in daa rechte Iiicht gestellt. bidem Bapp sich wundert, dass seit Valontinian I. auf den Müuzea, obgleich doch kein Seuatsbeschluss oder kaiserlicher Be- MI bekannt sei, bald diese bald jene Form des MoDOgramms lieh finde, glaubt er „diese Wechselerschainung des Monogramms" durch die Vermutung erklären zu dQi-fen, „tiass bald die eine bald die andere Form von den Kaisern gewählt wurde, ja nach- itta sie dem morgenländischen [?] oder abeudländiscben Begriff des Erenzea huldigten ') oder durch das ursprüngliche Siogea- leichen Constantin's vornehmlich da^ Heer oder andrerseits durch daa senkrechte Glaubens zeichen die christliche Kirche zu Born aebat ihrem steigenden Einflüsse insbesondere für sich gewinnen wollten", und unterscheidet demgemäss das _[_ als das „Wahr- zeichen des christlichen Glaubens" von dem ^ als dem „eigentUcben Ueerzeiclion siegreicher Macht" (S. 133 f.). Der genaue Parallelismus zwischen dem numismati- scbeit und dem kirchlich-epi graphisch cd Gebrauch der Zeichen ent- hebt uns einer Widerlegung dieser Uypothesen: die beiden Farmen sind sowohl auf den Münzen der Kaiser wie auf den christlichen Epitaphien Roms seit Mitte des 4. Jahrhunderts durchaus pro- miscae gebraucht worden, nur dass man fQi dos Labarnm mit Z&higkeit an der ursprünglichen Form festhielt *).

3. Nur mit wenigen Worten berühre ich zum Schiusa noch (ine Frage, deren Schwierigkeit fast noch grösser ist als das In- 'iBresBC, das ihr entgegengebracht zu werden pflegt, die Frage nach

Ursprung des von Constantin angewendeten Monogramms. Dass für das Vorkommen desselben in vorconstantinischer Zeit kein sicheres Zeugnis beigebracht werden kann, hat deRossi Mlber, trotz seiner Bemühungen, für eine Inschrift mit dem HoDi^ramm dos Jahr 298 zu erhärten'), eingeräumt*). Wir

des Moaogtamineä verfolgen wollte (wofür auch für Oallicu, Spanien und Britiumieu die bekannten Inachrifteanamtnlungen von LeBlant und llUbner ein beachtenawertOB Material bieten würden), der dürfte das allmähliche Aufkommen des Kreuzes nicht ausser Acht hwsen; vgl. Birhoii deBoaai, De titut. Carth. p. SaSt, Stock- bauer 8. lU3f u. A.

*) deBoBBi, Irucripl. I, 28f. u, 26.

() de Rossi, De tit. Carlhag. p. 529 und Rovia Sotttr- " ". 321; ebenso Krans, Rom. Sott. 8. 260 und Mlbit

198

vorkommt und bei Vah- Boden gewinnt *).

Im Ganzen analog « d e R 0 s s i' s Inscripfwru c schräge Monogramm in 355 vor: in diesem Jnh^ (also fast genau zu dt ran. einer MQnze zuerst von düng hier, wie es scheint. in dem Monogramm Chiks r^ hervortreten zn lassen; ^^ dem Epitaphium von oa -a Mann mit der Recbtch

IVB «sten Mal ein volles Jahr-

MimBiis an, im Jahre 323, dann

iam dann fest^ dass das Zeichen

im Context (come compendio e M^no isdlato) schon fiHher ge- verweist, welche allen angehören sollen*). Die A T^aowoBMfDs werden wir zugestehen üjflr bwtzen wir nicht jQf» lafe man jflngst geglaubt ') die <fa» Monogramm erst von Con-

mit dem Oehr des P vticui» ^ ^ WBflntane Schöpfung eines Ein- Diese zweite Form bb^«i .^ ^ acheint hier zu kühn auf ein wiederum ganz analog i lentinian I. und Yaleu

doch so, dass im gauzu.. -^ noch ein erhebliches L

»^ S. für alles diu^ a

Dass Constantin ein bis Symbol des Namens Christi an sich wenig wahrscheinlich: XP dun-h ihn erscheint doch Zeichen bei den Christen bereits äehranch stand. Aber über

or i.

nbwcohseliidoii Gebräu«::. vs&ÄtBB^'B wir hier nicht hinaus; Ich bemerke iiur: boi v;;!^,«^» am archäologische Funde Licht boi Gratinn, dosgleichPi "T^ . °

nehme ich nur d»8 sciuft *- und bt»i Theodosiii^ j Gleichgewicht, wShreT!^ ^

von ThoiHiosius* Gonuti

Feldo^ vorkommt. Bea aus dou numismatisch gramm auf dem

wahrt hat; P

auf oiiuMii Sopptor ii Lap.»rtorV

-' do Kossi, CiMrth p. frjj»^ crbl ^

römischtMi Kpitapli!-

0!« aU lVbrr^n^!»f'. soiiiom brkamH'Mi mit r!:n\lit i\h jono luuo Fi«!in ruTstaiidi^i^ .-,11 l»i'tr.i.

tit, Christ. 1 c. : {y\ h. si it l\Xy). . a

liK Monogrammes verhüllt Nur

2iich«n, mag es schon vorher hie

in Christus gebraucht sein

znm Symbol der staatlichen

9MBacht, binnen weniger Jahr-

iiai beliebteste Signum derjenigen

um mit Eusebius (V. C. IT,

vorher in Finsternis und

jÜBSMnde Strählen des Lichtes der

Das Heeneichen der Flavier

Kinie ergriffen.

rVmisehe Blldslale Con- >ail A^m Kreaz.

. |c. ia meine Darstellung die Erzählung vi'-. "TL < "'*• ^^' ^- ^'- ^' •*^' ^«^' ^' ^' 9. «) , ;^ .\aei»tttiiw Chrv'tienu«, Nouv. cdition,

i^iiii^tt,* *• *• ^^' *"^'^ Victor Schultze

droimai so häur ''^*— -^**^

II. 1* 76 f o:>i ; obt?iiso Kraus, a ih^er Aritsohr a. a. 0.

CONSTANTIN S REUQIONSPOLITIK.

201

, nach dem Siefi^e über Haientins habe Constantin in 1 fltae Bildsäule von sich aufstellen lassen , welche ihn mit 1 „h«il bringenden Zeichen des Kreuzes" ') in der Hand leiglia ■d Überdies die bezeichnende Inschrift trug, „durch dieses heil- bingende Zeichen, den nähren Beweis der Tapferkeit" habe er die Stadt von dem tyrannischen Joche bereit. Obgleich noch kritische Forscher, wie z. B. Burckhardt (S. 393), hierin nnbedenklich dem Ensebius gefolgt sind, kanu ich mich auch in diesem Funkte nicht von seiner Glaubwürdigkeit Qber- KDgen. Fände sich die Erzählung nur in der Vita Const., in dem bekannten sagenhaften Zusammenhange des 1. Buches, bo wtlrde ihr von kritischen Historikern wohl kaum Beachtung ge- ■ehenkt sein. Diese ist ihr vermntlich nur dämm znteil ge- worden, weil auch schon das im üebrigen von jenen Legenden treie 9. Capitel des 9. Buches der H. E. den Vorgang fost wörtlich gleichlautend mitteilt'). Es A'agt sich aber, ob hier die Enäblung nrspTQnglich ist, oder ob wir nicht vielmehr eine Spnr einer späteren Ueberarbeitung der Kirch engeschichte durch Einschiebsel anzunehmen haben. Da wir leider noch immer keine im Zusammenhang unternommene kritische Untersuchung der- jeni^n Schriften des Eusebiua, in denen er die Geschichte seiner Zeit eitihlt, also vor allem der drei letzten BOcher der Eirchen- gMcbichte nnd der Vita Const., besitzen, lässt sich diese Frage rar Zeit wohl kaum mit Sicherheit entscheiden. Bekanntlich haben die drei letzten Bacher der Kirchengeschichte eine ganze Rtäbo von Abschnitten mit der Tita Const. teils wOrtlich, teils fast wörtlich gemein *). An den meisten dieser Stellen sieht

■) Nur von diesem redetEusebius, nicht, wie man allgemeio ihm imterleKt und wie HcbonRufin iha verstanden bat, vom Labatum; vgl. H. E. IX, 9, 10; 10 auiiipiov ro£ mncfoü oii^Eior, V. 0. I, 40 ei^ lüatert vili^kor tfopu ajnvgov a/'i^nTo;.

*) Bei Keim (S. 26f.) wenigsteua ist ea der „unbefangene" Be- richt der K.-G., der ein günBtiges Vorurteil in ihm erweckt und dem- [s von ihm ausgebeutet wird. ) 1. H. E. VUI, 13 fin. = V. C. I, 47, 1 (Maiimiaaus). 2. H. E, Vm, 14, 2-6, 16. 17 = V. C. I, 33, 1; 35; 36; 34. (Haientins). 3. H. E. VIU, 16, 3 fin.; 17, 1 = V. C. I, 57, 1—3 (Gala-

4. H. E. IX, 9, 3-10 = y. C. I, 37—39 (Maientius; vgl. auch ". E. IX, D. 2 mit V. C. I, 37 init., H. E. IX, 9, 10. 11 it V. C. I, 40), 6. H. E. IX, 10, 2 fin. 4. 14. 15 = V. C. I, 68—59 (Mau-

G. H. E. X, 8, 2—8. 11-19 = V. C. I, 49, 2; 50—61, 1; 54, 2—56 init. 11, 1, 2 cap. 2 (Liciniua; vgl. auch H.

202 BRIBGER,

man deutlich, dass die Kirchengeschichie bei den Parallelab- Bchnitien der Vit. Const. als Vorlage gedient hat. Anders scheint mir H. E. IX, 9, 10. 11, Ygl. V. C. I, 39, 3 cap. 40, die Sache zn liegen. Zwar trigt der vorhergehende, Kampf und Untergang des Maxentias behandelnde Abschnitt § 3 10, welcher V. C. I, 37 39, 2 mit ganz wenigen Abweichungen wieder aufgenommen ist, in der Kirchengeschichte alle Zeichen der Ursprflnglichkeit an sich : denn die wenigen Sätze, welche die V. C. mehr hat, zeigen sich klar als spätere Znsätze, ihre Aus- lassung in der Kirchengeschichte bei etwaiger Herflbemahme ans der späteren Schrift als unmöglich ^). Allein wie kann £u- sebins dann in § 10 plötzlich you dem tov aanfjgtov rgoncuoy nad'ovg, dem aMit^giov toi; aravQov {njfiHoy reden? Zwar hat er § 2 erzählt, Constantin sei gen Bom aufgebrochen &€oy tov ovQayioy rov rc jovtov Xoyoy, avjoy dtj roy ndyrioy ataTtjga *lfjaovy XgioToy avf4/naxoy di* tv/üy inixaXHJOfifyog eine Notii, die ebenfalls befremdlich klingt, da er bisher kein Wort Yon der christlichen Gesinnung des Kaisers gesagt hat, sondern nur in ganz allgemeiner Wendung seine Frömmigkeit, in der er »ich seinon Vater Constantius zum Muster genommen habe, ge- rühmt (VIII, 13, 14; IX, 9, 1) und so eben noch (IX, 9, 1) ihn mui liioinius in dieser Beziehung auf eine Stufe gestellt hat, IN) daM der Vordacht nahe liegt, die Anrufung Christi sei eben- (Wlln eine spätere Einschaltung (etwa aus V. G. I, 37, 1). Doch, ^\wh wenn wir die UrsprOnglichkeit dieser Stelle zugeben wollen, tM^ »oh wobt trotzdem noch immer die Erwähnung des Kreuzes t9\\\\f In der Luft '). Und so unerklärlich sie ist, so undenk- ^v Int MI, dass Eusebius, falls er bei der Abfassung des 9. I^^vhlm 0iwaN von der Verwendung des Kreuzes im Kampfe yt^i\ MakentiuH oder von der monumentalen Verherrlichung des vV^lf^i(U»-* uacli dem Siege gewusst hätte, den einen oder den an- ^M Voviranir nicht in schwungvollster Sprache erzählt haben ^tK »^^^^^ weniRNton in Wondungen, wie wir sie V. 0. 1, 40, 1; 4U \ )«^n« M^ neige mich daher allerdings zu der Annahme,

K H, H 10 mit V. C. I, 52 und 54, 1 ; H. E. X, 9, 2. ,i mll \ (V II, 3, 1 ; H. E. IX, 9, 6-8 mit V. C. U, 19,

^^ M^so»)! ilH, l>f. (Ich Zusatz; cJcfe ni? iXeTy roV t^ 9e^ (pllov r\ . .\v ¥^t^ »^HU ftlv fTe^ioV nnQ^v 6 avrov ^fof, 6 d* d^ui rag N\ v> ; -N «M^^^n *««»** invfov d(iXuio<^ awiaiti (cf. H. E. IX, 9, 5) V V i ^ nI'V \s^»>»\^Uuulokung dor Tiborbrücke mit den Maschinen und V.>\*^ o^ ^^ ^ ^>^. *S n, auch die Einfügung I, 39, 1 (cf. IX, \ 'a

\^ Wxws>«\ii n(iV^\^i;ou «»rschoint sio in dor Uobcrsetzung Rufin*8 %. \\ »" ,».\v>.»v^ tu^fet^btiltung zu Hoginn de« Capiteb.

CÖiräTÄBTIN's iiELiSiÖSSPÖLfrE

Aaaa die gg 10, 11 eine spätere Einachaltung aind *), wie denn auch ä 12 sich durchaus passend an § 9 anschliesat.

Doch dem sei, wie ihm wolle, die Erzählang verdient, eelbst »enn sie in der KircLengeachichte ursprünglich sein sollte, auf keinen Fall Glattben. Schon an und für sich ist es hdctist on- vBbrscheinlicb, doas Constantin in dem überniegend heidnischen Com in dieser Weise sich habe darstellen lassen, hinter welcher das INSTINCTV DIVINIIATIS des später LlBEßATORI VRBIS, PVNDATOBI QVIETIS gewidmeten Triumphbogens bei weitem lurOckgeblieben wäre unglaublich auch, wenn wir erwSgon, dasa er mit der Anwendung christlicher Zeichen auf Münzen Tielleicbt noch ein Decennium gewartet hat. Entscheidend aber iät vollends das Kreuz in der Rechten des Kaisers, da nach Jen neneren Forschnngen der christliche Qehrauch des Kreuzes (xumal der hier in Betracht kommenden crux immissa) späterer Zeit angehört ') und sich auch auf Münzen Constantin's nicht als christliches Symbol nachweisen lOsat '). Ob der Erzählung des Eosebins irgend ein tatsächlicber Vorgang, hier nur sei es über- trieben, sei es misverstanden, zugrtinde liegt, darüber nach Art der Geschichtschreibung eines U a n s o *) eine Termutung auf* XDstellen wäre ebenso überflilssig wie gewagt, obgleich es sehr wahrscheinlich ist, dass die Römer, so gut wie sie Eestitutori li- bertalis, Liberatori urbis suae Münzen widmeten ^), die wir dieser Zeit zazuGchreiben haben, ihn auch bald nach dem Siege über Maieutins in Denkmälern gefeiert haben.

•) Nachträglich sehe icb, das» schon von Wietersheira, Ge- schichte der Völkerwanderung Ul (Leipzig 1862), S. 232 die Stelle für einen späteren Zusatz erklärt. Seiner soostigeii Aunführuiig S. 231 vermag ich aber nicht KuzuHtinimCQ,

») de Rosa i, De HM. CuTth. p. 528f. 534f.; Roma Sott. U, 319 \ Ti;l. auch die schematische Ueberaicht bei LeBlant, loscriptionB chr^Ciennes de la Gaule I (Paria 18Ö6) , S. XIII. XIV.

») deRossi, De Ht. Carth. p. 530 und p. 539, wo er dag Ur- teil einer Autorität wie Cavedoni anfuhrt; vgl. auch Peuardent, Bevue numism. 1856, 252.

t) Leben CoDstantin's (Breslau 1817), S. 321f. Ihm acbeiut im f -«rMentlichen von WieterRhcim III, 231f. zuzusllmmeu.

6) Vgl. Cohea VI, 107 n. 93; 144 n. 356.

Ang^nstiDische StndieD.

Von

Hennann Reuter.

n.

Zur Frage nach dem VerhaltniB der Lehre yon der Kirche lu der Lehre yon der pradestmatianisohen Gnade.

1. Mit der Lehre des Augustinus von der Prädestination^ meint Nitzsch ^), steht seine Lehre von der katholischen Kirche nicht in Widerspruch; wenn man nur folgendes als seine Ansicht betrachten darf. ;,Die erste Voraussetzung und das eigentUche Princip alles Heils ist zwar die Prädestination; aber diese muss eben dadurch zur Erscheinung kommen, dass die Prädestinirten sich der von der empirischen Kirche dar- gebotenen Quadenmittel wirklich und in normaler Weise be- dienen. Die Quadenmittel der Kirche sind wenigstens Mittel der Realisirung des prädestinirenden Ratschlusses GK>tteS; in welchem die Prädestination zur Kirche wesentUch mit- enthalten ist." Dorn er*) versichert in erheblich zuversicht- licherem TonC; in die Prädestination sei mit au%enonuDQen; dass sie sich nur durch die die Sacramente spendende Kirche auf historischem Wege vollziehe. Von dem Gedanken auS; dass die Prädestination sich durch geschicht- liche Vermittlungen realisiren wolle und realisire, suche der Autor insbesondere in dem Buche de correptione

^) Grundriss der christlichen Dogmengeschichte. Berlin 1870. Bd. I, S. 242.

^) Augustinus. Sein theologisches System und seine religions- philosophische Anschauung. Berlin 1873. S. 228.

AÜOÜBTINISCBE STÜDTES. U. 906

(f gratia die Einwände zn widerlegen, nach welchen um der Prfidefltination willen alles Handeln und Wirken fiir fiberäüBsig erklärt werde. Das Princip, welches der Aator hier geltend macht, ist dies, es sei durch die Prädeetination vorher hestimmt, dass nur durch die Vermittlung äusserer Ursachen diejenigen, welche prädestinirt seien, zur Prädestination gelangen können, n. 8. w.

Ich will und kann diese Sätze, ohne MiaverständnUse KU verschulden, ohne die Lösung der von mir gewählten Äofg&be von vornherein zu vereiteln, hier nicht sofort bean- standen; wohl abermusa ich bekennen, dass die unterstrichenen Worte des letztgenannten Schriftstellers mir zu Einreden Ver- anlassung geben. Sollte derselbe jene Gedanken in einer Stelle des citirten Buchs ausdrücklich ausgesprochen ge- fbnden haben, so raöcbte ich bitten, sie mir nachzuweisen; ich habe vergebens gesucht. Ist aber die Meinung, der in jenen frei gewählten Worten ausgeprägte Gedanke sei der die Erörterung Augustin's leitende und beherrschende, so erlaube ich mir zu bemerken, dass Behauptungen dieser Art wohl in Betracht der Voraussetzungen und des Zwecks der Schrift des Dr. Domer erklärlich sind, für wissenschaftliche Untersuchungen aber in dem Sinne, wie ich sie verstehe, keine Bedeutung haben. Denn diese fordern und geben Beweise, was ja selbstverständlich nur durch Auslegung und Analyse der QueUenstellen möghch ist, bei welchem Geschäft ich grundsätzhch von aller Neigung zujn voreiligen System atisiren und Kritisiren, zum dogmatischen Einlegen mich frei zu er- halten bemüht bin. Aber freilich da die Aufgabe eine be- grenzte ist, niuss auch die Beweisführung eine begrenzte sein. Soll sie nicht endlos werden, so hat sie das Gebiet, auf welchem we sich zu bewegen hat, durch Behauptungen zu beschränken. Somit behaupte ich denn, dass in dem Über de correplione et gratia der Gnadenmittel freilich mehr- lach, der Kirche aber als Subject der Gnade, als der Spenderin des Heils, als Anstalt der Vermittelung desselben nirgends derart gedacht wird.

2. Soll ein wissenschaftlicher Beitrag zur Erörterung des

206 REUTER,

in der Ueberschrift angekündigten Themas gegeben werden, so erscheint es am zweckmässigsten, von der Lehre von der prädestinatianischen Gnade auszugehen, denn sie ist nicht nur die der Zeit nach frühere ^), sondern auch die unserem Verfasser eigentümliche, die originelle. Indes vor allen Dingen ist die ganze Fragstellung gegen Misverständnis zu sichern. Die Meinung ist nicht, Augustin habe über das Verhältnis der erwähnten Lehrkapitel, der in denselben in Betracht kommenden religiösen Grössen gegrübelt, das von uns in das Auge gefasste Problem mit Bewusstsein erwogen, eine Ausgleichung anzubahnen das Bedür&is gehabt Gedanken dieser Art konnten gar nicht in dem aufkonmien, welcher ein so treuer Katholik zu sein meinte, wie dieser Theolog. Er war ja zu der katholischen Kirche übergetreten zu einer Zeit, wo diese ein Dogma von der lürche wirklich hatte, nicht weniger aber ein solches von der prädestinirenden Gnade nach seiner freilich falschen Ansicht, wie ich wieder- hole '), mit I^schluss sogar des Lehrmoments von dem danum perseverantiae ^y Das eine wie das andere galt ihm als katholische, bindende Voraussetzung, ebenso die Ueberein- stimmung beider. Jahrhunderte hindurch hatte die Kirche tatsächlich ihre Heilsbedeutung gehabt imd bewährt. Dass ihr diese auch verbleibe trotz der Lehi'e von der prädesti- natianischen Gnade, daran durfte der nicht zweifeln, welcher (im Widerspruche freilich mit der Geschichte) diese nicht für seine Erfindung, sondern für eine längst hergebrachte hielt. Folglich konnte er gar nicht über das gegenseitige Verhältnis grübeln. Ein Problem, wie das, dessen Lösimg wir zu versuchen die Absicht haben, existirte für diesen Barchen- lehrer gar nicht. Was wir imtersuchen wollen, ist nicht ein Kapitel der Theologie Augustins, wie er selbst sich dieselbe

1) S. oben S. 6, S. 24. Vgl. S. 14.

«) S. oben S. 43.

3) De dono perseverant., cap. XIX, § 48. Op. ed. Venet., tom. XIV, 1052 1053; cap. XXUI, § 65 ib. 16, 1063. Ac per hoc praedestina- ionis hujus fidem, quae contra novos haereticos nova sollicitudine nunc defendimus, numquam Ecclesia Christi non habuit; cap. XIV, § 36 ib. 1043 ; cap. XXUI, § 63 ; de praedest. Sanct., § 27.

AÜGUSTIHI8CHE STUDIEN, n. 20?

lite oder gar etwa Uterarisch ausarbeitete , sondern beftim eine Frage, welche, wenn sie anders momentan sich am »afdrängie, ihn doch nicht dauernd quälte, weil sie durch die t[acht der katholischen Qrund Voraussetzung unschädlich I gemacht w-urde '). Hätte er selbst als reflectirender Syste- uatiker beide Lehrartikel in ein wIsBenschailliches Verhältnis I gebracht, so brauchten wir selbstverständlich das nicht zu I lösten. &[an konnte sich allerdings auch in diesem Falle I die Aafgabe stellen, deren Lösung in Bezug auf Schleier- ■■•cber'B Dogmatik z. B. Weissenborn und Bender sich untar- utgea haben; aber ich gestehe, daas ich meinerseits auf eine solche verzichten würde. Die Arbeit, welche ich in diesen fortgesetzten Studien auf mich zu nehmen habe, ist in Be- tracht der soeben charakterisirten Beschaffenheit der Quellen öne schwierigere, eben darum auch lohnendere. Sie will wec^istens eine gründliche sein; aber dessen imgeachtet fühle ich mich keinesweges berufen, die Lehre von der Prä- destination, mit welcher, wie oben angekündigt wurde, ' begonnen werden soll, hier vollständig zu erörtern. Das Würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn ich eine erlieblich genauere und richtigere Kenntnis imd Erkenntnis mir ver- ■chaSt hätte als andere Forscher sie besitzen. Dessen kann ich mich aber fiir jetzt nicht rühmen, aber ebenso wenig mich dazu entachljessen , in scheinbarer Selbständigkeit doch nur dasselbe zu wiederholen, was durch den Fleiss und den Scharfsinn früherer Dogmenhistoriker bereits ermittelt ist Diese auch in unseren Tagen mit unverwüstlicher Treue viel- fach befolgte, die Leser auf das Aeusscrste langweilende Methode, von der mir unverständlich ist, inwiefern sie „dem FortBchritt" dienen soll, ist eine wissenschaftliche Unsitte, welche ich von Anfang meiner literarischen Tätigkeit zu meiden wenigstens redlich beflissen gewesen bin.

3. Somit bleibt mir nur übrig luiter Bezugnahme auf die Darstellung Anderer ') lediglich daran zu erinnern,

1) Vgl, nnliMi § 13.

•) Wiggers, Versuch einer pragmüti sehen Darstellung des AagUBtiniamus und Pelaginnisinus , Bd, I, S. WO. Beck, Ueber die

J

208 SEDTEBy

tl

daaB nach des Biachofr von Hippo Begios prädestinaiianiBclMtä GManken nicht bloes die Heilsars&chlichkeit, der über^ii: weltliche, übergeachichtliche Gbtt im Hinunel, sondern iam-j auch das Heil selbst hier als ein bereits seit Ewigkeit t fertiges durch seinen Willen gesetzt sei, unabhängig t, von aller zeitlichen Geschichte ^). Indes so unzweifelhaft ^ dieser Satz echte Ideen Angustins ausprägt, so darf dodi i nicht übersehen werden, dass nicht bloss hin und wieder, , sondern in den bei weitem meisten Stellen, an welchen er auf den in Bede stehenden Glegenstand zu sprechen komml^ umgekehrt das historische Leben, das Leiden und das , Kreuz Christi als Grund der saius der B^nadigten ge- würdigt werden. Einige sind schon oben S. 18, 19, 21, 24 angeführt; ich citire jetzt überdies lib. de natura et gratia cap. Vn, § 7, Op. tom. XTTT, 160 F.; die Ep. CXL ib. tom. TL 650 im ganzen, namentlich § 5, § 10, § 13, § 20, § 68; Ep. CLXXVn, § 15 ib.; tom. II, 816 G. nan eas uUerius extstimamus ausuras loquendo contra gratiam Dei, quae revelata est per passionem et resurr ectionem Christi, pectora fidelia et simplicüer Christiana turbare: welche Stelle nicht darum als hierher nicht gehörig bezeichnet werden darf, weil das daselbst ausgesagte Offenbarsein dem Verhüllt- sein im Alten Testament entgegengesetzt wird. Das ist frei- lich zuzugestehen, aber darum der Satz doch ein Beweis für des Verfassers Tendenz, die Hauptfacta der evangelischen Geschichte im Sinne von Heilstatsachen '), den histori-

Prfidestiiiation, Theologische Stadien und Kritiken, Jahrg. 1847 II, 8. 79. Luthardt, Die Lehre vom freien Willen und seinem Ver- hältnis zur Gnade. Leipzig 1863. S. 80 38. Dorner a. a. 0., S. 224. Beachtenswert sind die scharfsinnigen Bemerkungen Dieck- hoff*s Theolog. Zeitschrift, redigirt von Dieckhoff und Kliefoth. Erster Jahrgang. Schwerin 1860. S. 100.

») Vgl. Dorn er a. a. 0., S. 230. 231. Schmidt, Jahrbücher für deutsche Theologie. Bd. VI, S. 213; Bd. VIII, S. 298.

«) Ueber den Tod Jesu einige Stellen bei Kliefoth, Liturgische Abhandlungen, Bd. II, S. 125. Ueber die Auferstehung de gratia Christi et de peccato origmaH lib. II, cap. XXIV; § 28, Op. tom, XllI, 330 B. C. Itaque sine ista fide sine fide resurrectionis etc. de peccatorum

ADOPSTINIBCHE STUDIEN, n. 209

ichen Erlöser als Quelle der Salus dogmatisch zu echätzen. katit die berühmte bo häufig vorkommeade Antithese Adam mi Cfariatu» wird durch sie motivirt Sogar in dem prä- dtitinatianischen liber de praedeslinat. Sanctorum c3.f.X.V, §31; Op. tom. XIV, 1005 B finden sich die Worte Appareat Itfte nobis in nostro capite ipse fons grattae.

Wer wird leugnen wollen, daaa darin ein wahrhaftiges nfieiöses Bekenntnis laut wird? Aber mit demselben kann foOcdanke der PrSdestinationslehre nicht im Einklang stehen. Im der überirdische Gott der das Heil ausschliesslich be- wiAende und bereitende, so scheint doch das Gleiche nicht £eirdische Heilageflchichte leisten zu können. Zwei gleich ahaolate eavsae schhesseu sich aus. Da die erstere nicht beeänträchtigt werden soll, so bleibt nur übrig die Bedeu- g der in der oben berUckBichtigten Stellenreihe in so er- grräfender religiöser Sprache gefeierten Leistung Christi auf Erden ii^endwie herabzusetzen, mag das immerhin durch kSnrttiche Wendungen verhüllt, von dem frommen Bewuast- Min verleugnet werden. Christus bleibt, soll bleiben die Heilspersönlichkeit, aber nicht, sofern er das Heil letzlich begründet; als fons gratiae kann er wohl in Berück- ■i^^titignng des aubjectiven menschlichen BedürtniaseB vorge- itellt, aber nicht streng gedacht werden ira Zusammenhange des Systems, sondern als Mittel zum Zweck das schon be- reitete Heil geschichtlich zu vermitteln. Ist er doch in fuanlum hämo [actus est selbst prädestinirt '). Durch die- telbe Gnade, durch welche jener Mensch Christus geworden ist, werden wir Christen. Der nämliche Geist, welcher Christus sla Menschen erzeugt hat, ist es, welcher uns wiedererzeugt ').

e üb, 11, cap. XXXII, § 52 ib. 83 D. E. de ver» religioDe cap, XVI, § &'2 lib. I, 93. Eachiridion ad Lanrentium cd. Kra- binger Tubingae 1861, cap. XVII, p. G7. Die Himmelfahrt wird von d^i Heiden verspottet de tide et symbolo cap. X, Op. tom. XI, 512. Ueber die erux CbriHti b. oben S. St.

1) De praedestin. Sanct., § 31, Op. tom. XIV, 1005D.

») De coneptione et gratia, § 30 tom. XIV, 943 A B, cf. Tracta- tOB in JoaDD. cvangel. cap. XV, tract. LXXXII, ^ i, lom. IV, 934. De pntedestin. äaoct. § CT.

310 RECTEBy

Daneben wird der Eriöaer als mediaiar verberrlicfat und ge- priesen ^), die meritorische Wirksamkeit ^eicherweisey die graiia von ihm in nicht wenigen SteDen abgeleitet den- Worten nach^ aber nicht durch die folgerichtigen Oedanken (Die Formel ;^in ihm sind die Erwählten erwählt^ *) scheint die ausgleichende zu sein).

4. Die Folge davon ist, dass auch das Wort als die historische Kunde von dem historisch zu Stande gekommeDen Heil als Vehikel, durch welches dasselbe dargeboten wird, nicht gehörig gewürdigt werden kann, die Gnade als nicbt in dem Worte wirksam, sondern vielÜEU^ als von dem ewigen Gott im Himmel inspirirt, der Zusammenhang derselben mit dem irdischen Erlösungswerk als unerkennbar er- scheint'). Aber allerdings begegnen uns einige andere Stellen, in welchen geleistet ist, was wir vermissen, und dss sind dieselben, in welchen das Wort unabhängig von dem Verkündiger, von der Person des Amtsträgers in dner Weise geschätzt wird, welche an die Canfessio Augustana erinnern kann. Wir lesen contra literas Petüiani üb. I, cap. Vn, § 8, Op. tom. XH, 270 B: Semen, quo regenercr, verbum Bei est, qtiod öbaudienter audire sum mmiUis etiam si ille, per quem audio, quae mihi dicit ipse nan faeit etc. Non enim in ministrum, per quem haptizor, eredo, sed eum, qui justificat impium, ut deputetur mihi fides ai justitiam. Contra epistol, Parmeniani lib. H, cap. XI, § 23, ib. 23 E: Qua^i nos dicamus posse ipsum quemlibet hom- nem spiritales filios generare^ et non per Evangeliumt in cujus praedicatione Spiritus Sanck^s operaiur o^ gignendos in baptismo spiritales filios *) etc. Femer die denk-

f

1) S. oben S. 18—24 und § 11 unten S. 249, Anm. 1.

*) De dono pereev., § 15.

») S. Anm. 1.

*) Vgl. Jul. Köstlin, Die katholische Auffassung tob der Kirche in ihrer ersten Ausbildung. Deutsche Zeitschrift für christ- licho Wissenschaft und christliches Leben, Jahrg. 1856, Nr. H S. 109. Diese wertvolle Abhandlung ist weder von Schmidt (a.a.O., Bd. VI, S. 218) noch von Dorner, überhaupt wenig beriick-

AU6USTINISCHE STUDIEN. H. 211

wQrdigen Erklänmgen über Christum als den einzigen alle aaderen Mediatoren aosschliessenden Mediator (welche so stark hnteo, daas sie, isolirt betrachtet^ ganz geeignet erscheinen, Bi»er obiges Urteil zu widerlegen), z. B. contra epist. Pannen. Eb. II, cap. Vm, § 15. 16 über ihn, als das einzige Object des Olaabens; contra literas Pdiliani lib. IQ, cap. XLII, § 52, tonn. Xn, 410, als denjenigen, zu welchem der Gläubige ohne Dazwischenkunft irgend eines kirchlichen Amtsträgers, ohne dass der Kirche als der Heilsvermittlungsanstalt gedacht wire ^), in ein directes Verhältnis getreten sei, darin ver- bleibe; cofUra lüeras Petü. lib. I, cap. VII, § 8, tom. XII, 269 F: semper a Christo perdpitur fides, semper Christus est origo regeneratorwn et caput Ecdesiae etc. Origo mea Christus est^ radix mea Christus est, caput meum Christus est etc.; eonira Cresconium Donatistam lib. IQ, cap. XI, § 13, ib. 557 B C. Grewiss bedeutungsvoll ist dies AUes; es klingt nicht bloss, es ist evangelisch, aber, wie schon Andere längst erkannt haben, doch durch das einseitige Interesse der Polemik gegen die donatistische Würdigung der Persönlich- keit des Amtsträgers, durch den Zweck der Abwehr der An- griffe dieser Schismatiker veranlasst Indes wäre es nach meinem Dafürhalten verfehlt, wollte man in diesen und vielen ähnlichen Sätzen lediglich durch die Not der Verlegenheit erpresste Inconsequenzen sehen, welche man sofort imter Er- innerung an jene anderen Stellen, welche die katholische Ordination als die Bedingung der in Beziehung auf die saius wirkungskräftigen Spendung der Sacramente bezeichnen ^), auf das Mass des katholischen Verständnisses zurückzu- fuhren habe. Jene ersteren sind ja ebenso Augustinisch als die letzteren; dass er sie geschrieben habe in der bewussten Absicht, man solle sie durch diese als normative berichtigen

sielitigt Dieses Ignoriren fremder Autoren, welche bereits geleistet haben, was wir wie wir uns häufig einbilden zuerst leisten, verstrickt in jene Illusionen, von denen ich S. 2 geredet habe.

i) Schmidt, Jahrbücher für deutsche Theologie, Bd. VI,

S. 218. 219.

t) Kostlin a a. 0., S. 109 zweite Spalte

ZtiUckr. 1 K.-G. IT, ».

REITER,

. u. aÄ^: <:ch nicht beweisen. Unser Bischof

...r:. >vino aufrichtige IJeberzeugung auß-

'^ .. :;»5 eine Mal mit Mentalreservationen,

i.-. Selben oder gar mit anderen. Im

^ : . -vi: Tendenz gegen die donatistische

:.-. Wirkungskräftigkeit der Gnaden- .. r--.: .;:ung der Verwalter derselben war

ü: katholische Ordination wirklich

^ •...:::: etwa die in klarer Reflexion

.>:v i: -r.iT als eine selbstverständliche, dui'ch

:. !;iUtonden Aeusserimgen zu begrenzen

:v.oine Aufgabe sein dieses Urteil all- . : :.abe es nur ausgesprochen, um mich

niligen Unterordnung einer Gedanken-

. ::-: . überhaupt vor jeder hastigen Har-

>. i^^warnt glaube ich um so unbefangener

:u können, welchem diese Studie ge-

v:.i ewig prädestinirt zum Heile. Die

. welcher Augustinus übergetreten, war

. : !iociale Anstalt, gebunden an Zeit

^- ^.:ull;illige Mittel für ilu^e Zwecke zu

•V .r. der Ueberzeugung, darin Gnaden-

<io gilt als die Spenderin des Heils,

..-.^Yt.ne Weihen von der Welt abgegrenzte

.. A; rcn keine Salus zu errringen sei *)•

.,:; unserem^) Theologen verkündigte

Vji. die Exccrpte bei Kot he, Die AiifJüige . . >^ i;35-670. »; -r.o a«l Caes. pl. cecl., ij ♦*». Schmidt, Jahrbücher Tv'cle'^iain tot um potest sc. haliore Emeritus) IV uiütate Kcch'siae, § l'J ib. tom. XII, 172. ,^.>. ^,^^11. iui. Ad ipsam vcro salutem ac vitain nisi «|ui habet caput Christurn. Habere autein ji^.tiTit. nisi qui in ejus c^.rpore fuerit, IVber die Zweideutij;kcit dic^T Phnise s. untfu l'iide manitestum est .um. (pii non r.st in v'hristiaimin .^^alutm hal^ro „on p<.sse.

AÜQüSrmiSCRE STUDIEN. IL 2W

SUze, mit welchen die Lehre von der Mection nicht iii ConfUct kommen darf, will eie anders nicht antikathoUäcli' tön. Und' vermeidÜch ist derselbe Ja, wie ea scheint.

Alle electi sind vocati, so hören wir, vocandi gleich den Nicht- Erwählten '). Die Foca^io wird vollzogen regelmäsBig durch die äussere Predigt *) der Kirche, welche sich von An- fang an als Heilsanstalt bezeichnete nach dem Willen des {trädestinirenden Gottes '). Auch die Erwählten müssen ja heisst es vorbereitet werden *). Angenommen , der Voeandus wird wirklich ein gläubiger Vocatus, so nimmt ihn die Kirche in die Zahl der Katechumenen auf und unter- stellt ihn ihrer Obhut Gilt sie doch als die Mutter '), welche die wirklichen Glieder „der Kirche" erst gebären soll ^), als das corpus Christi, in welches der Vocatus erst einzugliedern ist (iHcorpOratio). Die Zweideutigkeiten, welche in diesen den Inhalt vitder Stellen zusammeniasaenden Sätzen verborgen li^en, dürfen hier nicht sofort aufgehellt werden. Wir halten flir zweck mäaaiger, zu zeigen, wie der erwähnte Ka- techumene sie finde. Dass die Kirche die ausschliessliche Gnadenspenderin sei, dass er in ihr die ewige Seligkeit, welche mit dem Anteil an „dem Reiche Gottes" identisch sei, auaschliesehcb gewiimen werde, davon hört er ebenso oft als von dem anderen, dass die eben geborenen Kinder, durch den geheimms vollen Ritus des Taufsacramenta aus der nutssa perditionis errettet, in demselben bereits beides empfangen haben'), schon Gbeder der Kirche geworden Kien *), mit dem Leibe und Blute des Herrn ge-

I) Beck a. a. 0., 8. 207, Anm. 2.

*) 8. X. B. de dono perseverantiae § 30. Beispiel der Unregel- miMigkeit Quaest. ad. SimpUc. Lib. I, Quaestio II, § 'i, Op. toni .XI, 421.

') De praedeat. Sanclor, cap. X, § 19. Dorner a, a. O,, S. 227.

<•) Die bcrStuntCD Stellen aas de praedeatin. Sanct., § 15, § 19 WBeck, S. 78.

») Schmidt a. a. 0., Bd. VI, S. 212. 214.

•) S. z. B. Ep, XCVlll, § 5, tom. II, 349 B. Ep. XXIII, § 4 ib. 42.

') Wiggers, Aogu-sUmarnua und Pcla^imisinua , B<1. I, S. 332. 35T~3C3.

I) DepeccatorummeritiBet TemUa, lib. III, cap. II, §3; cap. III, 15»

214 BEÜTER;

nährt ^). Diese sind schon trotz der augenscheinlichen Un- mündigkeit in dem umfassenderen Besitz der Gnadengüter; in dem festen Gbfuge der ^^ allein seligmachenden''; g^g^^ Irrung und Schwankung sichernden Kirche „gläubig" *) geworden. Er meint gläubig zu sein und erfährt doch; dass sein Glaube als der eines Eatechumenen nicht der volle sei ^). Er^ obwohl ein ausgereifter Mann, steht noch immer vor jenem Heilig- tum, hat erst nach und nach die Stufen zu ersteigen, welche zu demselben führen. Endlich auf der höchsten angelangt, nunmehr getaufl, meint er als ^^Incorporirter'' dem getauften Kinde ebenbürtig, des Heiles sicher, Erbe des ewigen Lebens geworden zu sein. Aber darüber wird er bald enttäuscht Vielleicht hatte er erfahren, dass einst Cyprian^) gelehrt habe: Hanc unüatem qui non tenet, vüam nan tenet ei sälutem, und das etwa in die kürzere positive Formel um- gesetzt: Hanc unücUem = ecclesiam (im Sinne Cyprians) qui tenet y vitam tenet et sälutem. Von Augustin dagegen wird er belehrt, dass die Thesen gelten: Non omnes qui tenent Ecclesiam, tenent vitam aetemam ^), muÜi sunt in sacramentorum communione cum Ecclesia, qui tamen non sunt in Ecclesia ^), überdies mit einem Schema bekannt ge- macht, welches die heneficia graiiae ^) registrirt , die alle er

§ 6; De baptismo IIb. VII, cap. LH, § 100; Schmidt a. a. 0., S. 219, Domer 257.

^) Rinder-Communion Kliefoth, Liturgische Abhandl., Bd. II, S. 13; Höfling, Das Sacrament der Taufe, Bd. I, S. 547. 548.

*) De peccatorum merit. et remiss. lib. I, cap. XXVII, § 40; Cre- dere est infantibus baptizari. Daneben die Vorstellung der Stellver- tretung. Höfling a. a. 0. Bd. 11, S. 3. 7.

9) Quaest. ad. Simpl. lib. I, Quaest. II, § 2, tom. XI, 421.

«) Rothe a. a. 0. S. 639.

6) Vgl. Rothe a. a. 0. S. 692, Anmerk. 110.

«) De unitate § 74, cf. contra liter. Petiliani lib. II, § 247 ; De baptismo lib. VII, cap. LH, § 100, Ende.

7) S. darüber besonders den bekannten Sermo CXXXH, § 6, Op. tom. VHI, 642. Vgl. Ep. CLXXXVI, cap. Vi, § 15 Ende; tom. II, 871, gratia copiosa et ordinata. Ep. CCXVII, § 29 ib. 1053 B; Ep.

V, § 3, tom. II, 614. Quaestion. ad Simplic. lib. I, Quaestio II, . XI 421, Incipit autem homo percipere gratiam, ex quo incipit

AUGUSTmiSCHE STUDIEN. II. 215

nach imd naeb von der Mutter Kirche erat noch zu erbitten, die er im treuen GchorBam gegen sie zu verwerten hat, von denen, so versichert man üim, keines fehlen

3 eredere etc. 8ed interest, qaibua articulie temporam .«el celebratione sacramentorum gratis plenioret eriden-

c infuadantur. Non enim catcchumcDi dod crcdnnt etc. Sed in ^inibasdani tauta est gratia fidci, quaiita non aufficit tid obtiDenduni n cacbrum, sicnt in catecbumenia etc. (Dieckhoff a. a. 0. B. 98). De correptione et gratia § 34. Distiiiguenda sunt adjutoria. > peccat. mer. et rem. lib. II, cap. XXV, § 42. Non imiiumodi ^Mt saactificaiio etc. Augustia hat dio complicirte Lehre von dea [iKnef. g. cuerst ausfUhrlicb erörtert, aber ea wäre veifclilt, wollte man 'fluo die Erfindang derselben zuschreiben. Seine Wirksamkeit ist

der Tat epoe he machend genug: um diese würdigeD KU können, mucbt man die Ansicht von seiner Originalität und seinen Erfolgen nicht KU übertreiben. Eine Neuerung dieser Art erat einzufiihren, dazu wurde selbst seine Autorität nicht ausgereicht haben, wenn er anders diese dazu hätte verwenden wollen. Aber es ist völlig un- bistorisch ihm, dem treuen Katholiken, auch nur diesen Gedanken zumtraaen. Bereits Dieckhoff a. a. 0. S. 99, »gl. S. 35. 525 meint, wie ich nachträglich ersehen habe, dass A, das in RiKle stehende Schema als ein längst in der kirchlichen Praiis beachtetes vorgefunden habe. Es wird in der Arcan - Disciplin im grossen und ganzen, von Cypriau in der höheren Schätzung der Confirmation im Vergleich mit der Taofc , gewissermassen von Pelagius in der Unterscheidung der vita atterna und des rtgnum eathrum vorausgesetal. Und wenn der let)it«rc Eiposit. in epistol. ad Ephes. Op. ed, Martiauay tom. V, p. 1048, lehrt, „alle Heilige sind Gläubige, aber nicht umgekehrt alle Gläubige Heilige, denn die Katecbumencn können deshalb, weil sie glauben, Gläubige genannt werden, aber nicht Heilige, weil sie noch nicht durch die Taufe geheiligt sind": so ist der Gedanke der nämliche, welcher in den oben beigebrachten Eicerpten und den Quaestion. ad Simpl. ausgeprägt ist. Der Verfasser derselben hat so wenig um seine persönliche dogmatische Cupidität zu befriedigen dieses System erst aufgeateltt, diiss er von der autoritativen Geltung desselben sogar bin und wieder sich gedrückt fühlt und Augenblicke erlebt, in denen er eingesteht, die Notwendigkeit dieser Gradation der gratia nicht b^jeifen zu können. I)i»ce aliqvtm modum, heisst es an einer Stelle (die ich mir noiirt habe und als Augu-stiuisch sicher verbürgen kann, die ich aber alles Suchens ungi^acbtet nicht wieder aufgefunden habe), et quati vmbractiium sancttficationü , quod tum suf/iciat ad peree- plionem solufü. Dintat et quod dütet, Deo notum est. Augustiu for-

216 REUTEBy

darf ^)i am wenigsten das letzte ben^icium^ wenn das Be^i das Ulm yerheissen^ das ihm aber nur ermöglichet ist^ ihm wirklich definitiv zuteil werden soll. Er jst weiter viel- leicht glücklich gewesen in dem Bewnsstsein^ dass er^ wie jenes Kind in der Taufe von den Flecken der Erbsünde; ja von denen der actuellen Sünden gereinigt^ eine unbedingte, sichere Vergebimg derselben erlangt habe. Nimmt er indes zum Zwecke seiner genaueren Unterweisung Augustinus -Schirifien zur Hand; so findet er allerdings Stellen; welche in Bezog auf diese Pimkte beruhigend lauten; z. B. Sermo CCXHI; § 8; Op. tom. VUI; 942 B: Ecce verUuri estis ad fofUem sandum, diliiemini haptismo saltitari, lavacro regwercdio^iis refwvciöimini; eritis sine ullo pecccUo (idscendenies de illo lavacro. Omnia, quae vos praeterüa persequdHifUur, ibi delebuntur, Ep. CLXXXV; § 39: non äliquid remanä^ quod tum dimiUaiwTy Sermo XXVII; cap. V; § 6 : peccaiwm in eo {paptieaio) ddetum est. Aber anderswo liest er ein ganz anderes; z. B. die dialektische Erörterung de baptismo lib. I, cap. XII; § 18. 19; tom. XII; 116 und lib. V, cap. XXI; § 29 ; wo geurteilt wird; dass gewissen Täuflingen die Sünden entweder gar nicht vergeben seien oder die eben

dert den Adressaten auf, irgend einen modus sanctificationis ausza- mittelu, der nicht ausreichte zum Heile. Ein einziger würde genügen, und doch bestehen in der liturgischen Praxis mehrere von einander unterschiedene. (Diese waren also längst vorhanden, ohne ihre Geltung von der dogmatischen Rechtfertigung abhängig zu machen.) Augustin meint aber bald darauf den Grund jener distantia angeben zu können, giebt denselben h i e r aber nicht an, vorgeblich weU die Erör- terung zu weitläufig geraten würde. Anderswo aber hat er sich in diese eingelassen, aber gewiss nicht durch den freien dogmatischen Trieb bestimmt. Das Kapitel von den benif. gratieie hat seinen Ursprung in traditionellen und eigentümlich augustinischen Elementen, schon darum k an n es nicht wohl widerspruchsfrei sein. Es scheint so, als ob die Zahl der in demselben genannten dona gratiae nur durch ein gleichartiges neues vermehrt wäre (was aber von unserem Kirchen- lehrer, der diese von ihm gebildete Theorie als eine längst übliche in unkritischer Weise beurteilt, nicht einmal zugegeben wird) ; in der Tat aber ist das donutn persev. ein specifisch anderes als die übrigen. 1) Dieckhoff a. a. 0. S. 100. 101.

AUOU8TI»IBCHlt STUDIEN.

vergebenen wären sofort wiedergekehrt, weiter ib. üb. I, cap. X, § 14 die Äeuaserimg über Simon den Magier, ferner Üb. VI, cap. XXXIV, % 66 die Frage, ob die Getauften nicht für todt zu erachten seien, welche nur durch Worte, nicht durch Werke der Welt entäagten, ja de peccatorum merii. et remissione hb. II, cap. VU, § 9; tom. XIll C. D, daa Bekenntnis, gui de die in diem adkuc renovatus, nondum toius est renovatus ei in quantum nondum est renovaius, in tantum adhuc in velustaie est. Proinde ex hoc, quod adhuc in veiustate sunt, ex hoc eliam adhuc sunt filii saeculi. Und in Bezug auf „das Heil" erfUhrt er das Genauere aus Lehrsätzen, wie diese, wäre nicht in der Kirche die Ver- gebung der Sünden, bo würde keine Hoffnung auf das zu- künftige Leben vorhanden sein, Sermo CCXXIU § 8; niemand, der nicht getauft werde, könne in das Reich Gottes eingehen, aber nicht jeder, der getauft werde, gehe in dasselbe ein, de iaptismo lib. VI, cap. XII, §19; Op. tom. XJI, 213 F. G. (de peccat. merit. et remissione hb. HI, cap. IV, § ä), nicht alle Getauften erlangen „die Gnade der Taufe", wenn unter Gnade daa Heil verstanden werde, de baptismo lib. IV, cap. XIV, § 21, (vgl. contra Creseonium Donat. lib I, cap. XXXH, § 40), die Taufe helfe nicht, wenn jemand nicht innerlich durch die conversio (cordis) geändert weide, ib. Üb. IV, cap. HI, § 4. (Vgl. überdies ib. üb. I, «p. XH, § 18; lib. IV, cap. XIV, § 21 ; Üb. VI, cap. XH, § 19; Tract. in Jownn. evang., cap. I, tract. VI, § 13 loro. IV, 446). Diese ist also ein zweites beneficium gratiae, m zweites Mittel „des Heiles"; die Taufe ist ohne die CMVersio möglich, diese ohne jene, aber in dem einen wie in dem anderen Falle die sahis eine unvoUatändigc '). Ge- I ioben kann der Defect werden, wenn sowohl das eine, wie du andere stattfindet , wird unserem in der Kenntnis der I Uethode, welche das Schema vorschreibt, nach und nach

i) De baptiamo lib. IV, cap. XXV, § 82; tom. XU, 181; lib, IV, »P. XIV, § 21; cap, XXI, § 28; cap, XXIU, § 30. Contra Utera« Pttlib, m, cap. LVI, § 68; tom, XII, 423 A. Dieokboff a. a. 0-, S. 525. 585.

216

REUTKi

darf»), am wenigsten das letzte das ihm verheissen, das ihm abf wirklich definitiv zuteil werden « leicht glücklich gewesen in dem i Kind in der Taufe von den Fk^ denen der actuellen Sünden gon - -^' Vergebung derselben erlangt '

Zwecke seiner genaueren Uuie»- zur Hand, so findet er alleii. auf diese Punkte beruhigeno § 85 Op. tom. VIU, 942 L.. ^ sandum, düuemini haptism^ . renovaöimini; er%t%s siu^

' rasdicher dieser darauf ,fc» ji sichern, um so an- _--i äe theoretisch zu ver-

Jer Momente betrifft, Zweideutigkeiten oder ap. XI, § 16 gilt die , ct. de carrept, ei I. II, 665 dagegen wird die böeichnet. Aber diese «heint, vereimgt werden, dass das eine Mal an Mal an die Persönlich-

iUo lavacro. Omnia, qiu.^^J^ ^ .^*.v..i-

ibi delehufUur, Ep, CLXX ^ -*i» •**• Allein das ist der Sinn guod non dimiUiüur, Sem ^.^^ ^*^ ■^*® ®"^® wird von

in CO {haptieaio) deletum ganz anderes, z. B. die lib. I, cap. XII, § 18 cap. XXI, § 29; wo gpr ^^ die Sünden entweder ^

_-f

dort den Adressaten auf, f mitteln, der nicht ausn-icht^i^ und doch bestehen in einander unterschiedene. Geltung von der doginaii Augustin meint aber hnUf zu können, giebtdenscJl-.: terung zu weitläufig gr . .^ diese eingelassen, aber pr- ^ bestimmt. Das Kapitf' in traditionellen u n u schon darum kann e> als ob die Zahl der ein gleichartiges iioii' lehrer, der diese \< in unkritischer Wi-i Tat aber ist das d ^^ 1) Dieckhoff

^\ Das mit scheinbar so jicselegte System der heneficia finschränkungen, dass die bedenklich bedroht bat die conversio erfahren, Sbttaufe des Martyriums kann jB^kehrt ein getauftes Kind, Sit Tode abgeht, bedarf nicht lies Anteils an dem regnum Ltee Fälle werden freilich als tfieselben (zumal verglichen mit & Bedingtheit der Sünden- Taufe) sind doch verhängnis- Sjstans. Dieses wird durch durchlöchert und verHert :, welchen nur die in Aus- Cjowqwß'^^ zu machen im Stande ^ .üe Heilsvermittlerin", als welche ^i, 4;ich wirklich sich bewähre, nuiss jeiser ttöd jener anderen Art, welche

Y.»r Allem vgl. Dieckhoff a. a. 0. 7 * . .--p- XXII, § 29. 30.

.•.11 S^.^JZ.1 IjiU*SZ» Df^XL J^f^SLwTTÜI» ^^^^S^fül

i ihr. dem iUÜmiun - ^ :z. vüciMc i^f Vfc-

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jiiiljf'D hirr ^::i.T ijä^. ▼".liL ^:»fr s /.ii würdig*^ *"•

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■r sie i*i eise TEiÄi^risiiir. I'iir -fiifr XaI rexfi^'b-

Si.'ia" das *aLjiir»:ir. g^-rV'r^ ü-r Z^i^eüri^kfi;

r K i rc he Ski« tjftr^j : :mm%%', : 5 j : r :; w f « -

gilt als tcae w:rkl::i.T. -»i-* ias fniiris^:^-:.

lüge Sein eben dieser äCis. IH* a^rrv M*l -«ini

Sein, an dem s^ibs^biiTSrll-rc wiirtJknv-. iz:cllij:'>:-rii

•psen, lur em ünwrjLii.^rre* >rz: ersci:«-:. rÄ=..::r. m

:%'I».'ich mit dem Sein derKirch-e als Äff^i •«««;'; Ajwcr/nt'!»!,

:m »Sein in dieser •> Die leiztrri- ist :::: vmj-hAiifcr.c^:

.iiiic^ die Kirche: dämm äiz.! «üe, welchr ihr rieh: Ar-^v-

'len, „aoaaa'halb- der Kirehe * . Kirche 'utA Kixvbo steHon

•|j einander gegenüber ' . die eiE.e wie die andere wenion

»; Senno CXXXI, § 6; tom. VU. p ^S E. F.

* S. dnüber. über den Rechrfi-rtifunc^pm-z«'» d:c sohÄr:"<!:r.i;:t* Erürtenmg Dieckhoff's a. a. 0.. >. C^B;*.

*) De bttjptismo üb. VII, cap. 41. § i*9: ali>s äu:-:v. Im .iU*: poflae in domo, at wm pertineant ad c-'>inpa^m etc. $ !■>* :.'■ ^:^':"o per fjOUimunJODem sacramentoram. ut extra domum s:nt t'To.

*) De b^tinno IV, cap. II, § 4 ; non sunt i n KooU>;a : > ! .^ , de qua didtnr.

•) S. Anm. 3. 4 und die Stellensammlunp b»M Rotho a. s O^ S. €83. 692, Anm. 11«;: S. K<i:{, .\nin. 111. Köstlin a. a. O. Jahr- gang 1856, S. 111. Senno IV. $ o4 eos, qui intus sunt oto. IV baptismo lib. IV, cap. XI, § l*'i. 17.

•) in lata Ecclesiu s. Anm. 4. Kini^^ sind in dor Art in dem Haue Gottes, dass sii* dieses selbst sind. IV bapti.<nio lib. VII. cap. LI, § 99; tom. XII, p. 25oB.

220 BsaTmy

die katthoiliache genannt ^). Daduroh fiind nun allerdings mit einem Male nicht geringe Schwierigkeiten gehoben. Unser Theolog hat durch Verwendung seines metaphysiBohen <Be- griffes des Seins *)fdie gansie Betraohtung yerwandett, aber auch veFvidrrt '). Denn nunmehr stehen die Schemata zweier Kirchen nebeneinander wie es scheint^ die eine katholische Ejrche ist entzweit. Augustin meint das nicht (s. Rothe a. a. O.; S. 696. 697). Die Kirche ist eine {de^müate ecdesiae), ist ein corpus permixtum^ hat als eatholica ausschliesslich die Sacramente, deren £mp£Emg die Salus r(vüa aeterna) ermögUcht; welche die sanoii „tenefU"^), Da nun jene Sacramente doch nur in der externa communio (eatholica) verwaltet werden : so scheint sich die Folgerung als eine be- rechtigte zu ergeben, dass nieman d ein GUed der communio sanctorum werden könne, welcher nicht der externa communio angcihöre.

Schmidt a. a. O.., S. 215. 226. 229 hat dieselbe als einen positiven Augustinischen ^) Lehrgedank^i anerkannt

») S. z. B. Senno CCXIII, § 7 ; tom. Vlir, p. 941 E. Senno CCXIV, § 11; ib. 949 A.

*) Derselbe ist weder von Haber, Philosophie der Kirchenväter, München 1859, S. 246 f. noch von Dorn er genügend erörtert.

*) Die ganze Fülle von Y^lcg^iheiten, welche die Phrase „Sein in der Kirche" bereitet, wird offenbar, wenn man die Fragen erwägt, 1) ist ein honus et spiritualis homo, welcher nicht dem numenu electorum angehört, bis zu seinem unvermeidlichen Abfall „in der Kirche '*? Wenn die letztere in dem Sinne der camtnunio sanctorum verstanden und diese der Gesammtzahl der echten frommen Katholiken gldch- geachtet wii*d, scheint „Ja" geantwortet werden zu müssen. 2) Ist ein Erwählter, welcher bis kurz vor dem Ende in Sünde und Leichtsinn gelebt hat, während dieser Zeit „in der Kirche" oder aber nicht? Ist er während dieser Zeit nicht in derselben^ wird er denn erst nach dem Moment, in welchem das donum perseverantiae „reparirt^ wird, ein „in der Kirche Seiender?" 3) Ist jenes Nicht-Sein in der ELirche bis kurz vor dem Ende nur Schein? Man begreift, dass die Antworten verschieden lauten werden, je nachdem die oommumo sanctorum von der Zahl der honi et spirittuUes Jumiinea oder von der Zahl der electi verstanden wird. S. unten S. 222.

*) S. Köstlin a. a 0. S. 109, vgl. S. 210, Anm. 4.

6) Eine Formel, welche obigen Gedanken unzweideutig aus-

ADQDSrmiSCHE STUDIEN. IL 231

Das Recht dazu wird aber erat noch zu imtersuchen eeiD. Und das soll in der Art geechehen, dasB ich zunächst durch Erörterung einzelner diefiem Thema unmittelbar oder mittelbar zugehöriger problematischer Momente die Lösung vorbereite, welche erst § 10 13 gegeben werden wird,

Wir verdanken dem genannten scharfsinnigen Gelehrten die Entdeckung, dasa Augustin die communio sandorum, obwohl sie als eine mystisch-unsinnliche von ihm beschrieben werde, dennoch als ein irgendwie Organisii-tes vorstelle, als eine unitas, welche viele einzelne einigend umfasse. Um von der Kicbtigkcit dieses Urteils zu überzeugen, will ich nur daran erinnern, dass z. B. de baptismo lib. VU, cap. LI, § 99 von ihr als einer domus, Sermo CCLXIX, § 2, contra literas PetUiani lib. n, § 247; Rot he a. a. 0,, S. 694, Anm. 110 von ihr als einer compages geredet, Ep. CLXXXVI, § 26 sie societas, de baptismo lib. 1, § 26; Rothe a. a. 0., S. 692, Anm. 110 congregatio genannt wird. Daes unser Autor die comm. eo denke, scheint mir aus dem übermächtigeu Elindnick er- klärt werden zu müssen, welchen ihm die Anschauung der urganifiirten sichtbaren katholischen Kirche bereitete. Von ihr bewegt, unter den Zauber ihrer Grossartigkeit gebannt, übertrug er unwillkürlich ihren OrganismuB auf die mystische commwnio. Aber freilich indem er von dieser als Kirche sprach, konnte er andererseits gar nicht anders als so, wie geschehen ist, sie oharakterisiren. Eine wirkliche commtmio oder unitas im Unterschiede von einer Vollzahl einzelner Monaden, „der Leib des Herrn" ist nur als Organismus vor- zustellen. Mag auch das Bildliche noch so einleuchtend sein, ein ungefährer Umriss des Bildes bleibt doch an dem Be-

prBgt and der bekannten Stelle de unitate ccclesiac, g 74: „Et multi (talej) sunt in communione sucraniciitorum cum Ecclcsia, qut tameD ooD sunt io Ecclesin" analog etwa Uutcn würde „qui non sunt in

habe idi aUes SuchenH ungeachtet bisher bei Augustin nicht finden können. Diejenigen, welcbe eine umfassendere Kenntnis seiner Schriften beutzen ab ich, mochte ich bitten, falls ihnen eine Fonnel der bezeich- neten Art bekannt sein sollte, dieselbe nur nachzuweisen.

222 REUTEB,

wusstsein haften. Um wie viel nachhaltiger an dem des phantasiereichen Augustin ^ von welchem diese geistlich ab- strakte Grösse als höchste Realität und grade darum um so bildlicher gedacht wird! Und wie umfassend ist sie doch! Er redet von der Kirche in den Heiligen und in den Engeln^ z. B. Enchiridian cap. XXI, XX von einer becUissima et superna socieUis. Dass diese aber nicht imbedingt in die externa societas eingeschlossen sei, ist doch sicher. Allerdings die Menschen, welche Heilige sind, haben dereinst derselben angehört, ja gehören als noch gegenwärtige (darauf werde ich in dem dritten Artikel zurückkommen) ihr noch an; aber die Engel sind doch nie membra extemae communianis gewesen. Wenn sie aber dessenungeachtet als Teilnehmer an der communio sanctorum vorgestellt werden, so kann doch die Ansicht Schmidt's, die Existenz der communio sanctorum habe die externa communio zu ihrer bedingenden Voraussetzung, nicht absolut aufrecht erhalten werden. Aber doch vielleicht mit der un- erheblichen Einschränkung, dass unter den sanctis Menschen, gewesene oder seiende Glieder der externa communio zu verstehen seien. Aber dadurch ist doch die Schwierigkeit keinesweges schon gelöst. Sie besteht nicht nur fort, sondern wird noch complicirter durch die Frage, wer denn diese sandi homines seien. Sind diese sancti identisch mit den dectis oder aber nicht? Darüber ins Klare zu kommen, ist um so wichtiger, als die Entscheidung der Frage auch auf das Verständnis der Kategorie communio sanctorum zurück- wirkt, — ja dasselbe erst völlig sichert.

Gedanken dieser Art werden auch jenen Getauften quälen, den wir als einen von der Kirche Geleiteten, aber doch immer noch Suchenden S. 215. 219 verlassen haben. Dieser ist längst, wie wir erinnern, darüber unterwiesen, dass das ewige Ziel ein erst nur zu erhoffendes sei. Auch das hat er erfahren, dass der Anteil an demselben schliesslich durch das letzte heneficium gratiae, durch die elcctio bedingt, dass die Zahl der electi eine bestimmte sei *). Aber vielleicht mag

1) S. S. 223. Vgl. S. 216.

AüOirgriNISCHE STUDIEN. 11.

fi}3

er denken, sind die electi doch alle jene sancti, welche Au- pwÜii in 80 vielen Steilen seiner Werke als die die Substanz, den Leib der Kirclie als wirVÜche Glieder conatituirenden Individuen '), als die walirhaft frommen, durch ein Leben der fiäÜgung, durch Gehorsam gegen die Kirche ausgezeichneten, und darum auch erkennbaren Gotteskinder beBchrieben hal. Und er selbst darf sich wohl zu diesen rechnen. Diese AiuJegiing des Wortes sancli hatte nichts Beunruhigendes' ü hätte denselben Sinn, wie electi, aber auf Grund der Voraussetzung, dans sancti die soeben angenommene Bedeutung habe. Indessen wäre ja auch das Umgekehrte möglich, dass die Identität des Sinnes festzuhalten, dieser adbst aber durch die erst noch zu ermittelnde Bedeutung des kVortes electi bestimmi würde. Im ersteren Falle wären ^alle jene erkennbaren sancti auch electi, im entgegengesetzten nur die electi sancH. Unser treuer Katholik, der in Betracht der ersten Möglichkeit geneigt iut, sich in die communio sanc- torutn einzuBchheasen , muas in Erwägung der zweiten an dieser Berechtigung irre werden, umsomehr aU er weiter hört, dass der bestimmte numerus electorum nur Gott erkennbar Bei *y Die entsetzhche Erkenntniu drängt sich ihm auf, dass trotz alles Gehorsams gegen die Kirche, trotz aller Bereit- willigkeit sich über sein „Sein in der Kirche" Gewiss- heit zu verechaiFen, diese fort und fort vereitelt wird. Er ; incorporirt „der Kirche" durch die Taufe, wie man ihm agte; er hatte gemeint demnach „in der Kirche" zu in, war demnächst aber darüber aufgeklärt, dass das ein isTeretändnis sei, hatte darauf sich angelegen sein lassen I zu heben, die oben erörterten erbauliehen Lehren über das Ausserhalb und Innerhalb der Kirche getreulich erwogen, als ein peraonhch sich heiligender gedacht nunmehr in der Kirche zu sein, welche das Haus Gottes ist. Jetzt aber wird lisr durch die Zweideutigkeit der Aussagen aui den Gedanken pbracht, dass er in ein neues Misverständnis geraten sei.

1) Hotte a. a. 0, S. 692.

») S. Wigger» I, 298. De corrept. et, gr. § 40.

234 R&tmBBy

Die Formel eommunio sanetorwH hatte er aki Eate- chomene in dem ihm überlieferten Glaubenab^zenntnis nicht gehört; »e war auch in der Tat weder redtirt noch yod ihm auswendig gelernt ^). Aber sowohl in den Predigten als in den Schriften des Bischofes findet er sie oder doch augenscheinlich synonyme so häufig gebraucht *), dass er dazu geneigt werden musS; ihre bereits feststehende kiixihliche Geltung vorauszusetzen und um so eher eine authentische Erklärung erwartet Aber diese wird ihm nirgends gegeben; er musB sie suchen. Liest er nun z. B. de haptismo Üb. VI^ cap. Xym, § 23; tom. Xu, 152 B. POra mim tenety petra dimiUit; columba tenet^ eol/umba dimittit; uniias tenet, uniUis dimittit. Fcuc autem hujuB unituiis (= com- munianis) in sclis bonis est vel jam spiritalibus vd ad spiritalia Concor di obedientia proficientibus, so scheint es doch unstatthaft zu sein an die electi zu denken. Diese kennt ja kein Mensch; sie kennen auch einander nicht. Folglich könn^i sie auch nicht durch die Concors obedientia zu den sp. fortschreiten. Und wie vermöchte ein gänzlich unsichtbarer numerus electorum^ die keine Qemeroschaft unter> einander haben ^ die kirchlichen Handlungen) welche hier beschrieben zu werden scheinen^ von den bönis etc., cap. XVII; § 22 von den sanctis ausgesagt werden, zu vollziehen? Weiter werden contra Faustum lib. XXII, cap. XI, tom. X, 461 D. omnes saneti Brüder genaixni^ die, wie der ganze Gedankenzusammenhang voraussetzt, von ihrer Brüderschaft wissen. De baptismo Üb. VI, cap. UI, § &; tom. XU, 208 F., wo wiederum wie so häufig in dieser Schrift von der wahren, geistlichen Kirche („ columba ^^, „sponsa^' etc.) die Rede ist, heisst es, quod non inteUigitt4r nisi in bonis et sanctis et justis. Sollte diese Dreiheit nicht zu der nämlichen eommunio sanciorum gehören? An- genommeU; die saneti wären nur die elediy die beiden anderen Klassen aber von diesen verschieden, so würde sich ergeben,

*) S. von Zezschwitz, System der kirchlichen Katechetik, Bd. II, Abth. 1, S. 120. 122. 123. 124.

«) S. ebendas. S. 123, Z. 10 v. unten.

ÄDOüSTnneCHE stüdien. n. 33&

daaa die deir eledi(= sanoti) auf Grund dieser Stelle vor den beiden niohte Toraiu hätte; denn von allen dreien wini dasselbe ausgesagt. Der Spiritus sandus (sed eiiant seeundum iniimam et si^aeremtneniem carilatem Spiritum soncttim habentibus 208 0), welcher alle drei durchwaltet, ist der gleiche. Und diese sancti, welche die communio aosmaoben, sind wiederum identisch mit den tenentes ecdesiam, voD denen AuguBÜn so ot^ redet, von denen er de baptismo lib. V, § 20 (Rothe, S. 692. 693, Anm. 110) sagt, dasB sie die divina mandata beobachteten, § 21. Primatus aut«m non est nisi in sancta conversatione et vita bona, quo perlinenl omnes, ex quibus lamqaam membris constat illa sponaa eto. Dass alle electi durchweg mandata divina custodientes seien, ist eine Lehre, welche mit der Prädeatinationstheorie in Widerspruch steht, diese setzt eUeti voraiM, welche zeitweilig ein keineswegs kirchliches Leben fuhren. Ueberdies aber die sancta conversatio und bona kann man doch wamehmen, diejenigen , walcbe sich denelben widmen, kennen; die electi aber kennt man nicht. Folglich ficjieinen diese nicht ausschliesslich als die Glieder der communio sanctorum angenommen werden zu können. DaMelbe ergiebt sich ans einer anderen Tatsache. Es ist bekaimt, dass unser Theolog lehrt '), nur diesocramento würden von dem Prieatra- verwaltet, die virtus sacramenti oder die gratia aber spende Gott sei es direct und ausschliesalich oder durch „seine Heiligen" "). Nun ist es aber doch im Zusammenhange der Prädestinationsdoctrin ein be-

1) Schmidt, Jahrbücher rdr deutsche Theologie, Bd. VI, 8.21*5 Steit«, Henog'aReal-Eacyklopädie, erste Ausgabe , Bd. XIII, S 834; KÖitlin a, B. 0. S. 119. Doroef a. a. O. 8. 248.

*} De baptismo Üb. V, cap. XXI, g 39 ; Um. XU, 199 K. ipaain T«o gratiuu Dou oUi per »e ipeum vel per sanctOB suoa. Ib. Üb. Ill, caj). XVn, § 22; ib. 151 E. Äussert er Hieb allerdings in Bezug auf die letaleren oogeniss: An forte per orationce sanctorum epiri- tualinm, qui sunt in Ecclesia ~ magntun geritur sacrameotum

^^hier ^ virtuB sacramenti) et occulta dispensatio miBericordiae Dei ?

i ita est etc.

^J

226 REUTERy

rechiigter Gedanke^ dass in einer einzelnen Gemeinde gar keine decti sich fiinden. Wären weiter nur diese die sandi, so würde sich uns die Consequenz aufdringen , dass unter den vorausgesetzten Umständen in jener gar keine virtus sacrametUi gespendet würde. Indes ist dieselbe doch abzu- wehren einerseits durch die Erinnerung daran, dass Augustin jenen berechtigten Satz niigends ausspricht; dass er den- selben sicher nicht vollzogen hat; andererseits^ dass von ihm ausdrücklich der andere Fall statuirt wird; Gott wäre unmittelbar der Spender.

Dagegen scheint die Haltbarkeit der Identificirung der sandi (=: sptrütuües) mit den electis durch ein Weiteres in Frage gestellt zu werden. Die vornehmsten GUeder der communio sandorum sind doch die Märtyrer. Sind diese alle dedi? Man scheint das bejahen zu können. Sie haben ja durch eine eminente Bekenntnistat gezeigt noch vor dem Ende ihres LebenS; dass sie das donum perseveratUicie hatten ; sie beharrten tatsächlich bis zum Ende. Dadurch sind sie als eledi offenbar geworden. Jedes Martyrium ist eine un- zweifelhafte ausserordentliche Manifestation des Erwähltseins. Allein de dano perseverantiae cap. ü; § 2 : tom. XIV, 1021 D. lesen wir: Quid autem dici potest, cum perseverantia usque in finem non donetur in Christo, cui donatur pati pro Christo, aut, ut expressius doquar, cui donatur ntori pro Christo? Nam d Pdrus apostoius donum Dei hoc esse de-- mondrans Melius, ed inquit^ bene facientes, si vdit voluntets Dei, pati quam male facientes. Cum dicit, si velü voluntas Dei, ostendit hoc divinitus donari nee omnibus sanctis, ut pro Christo patiantur. Neque enim, quos non vuU vo- luntas Dei pervenire ad experientiam gloriamque passionis, non perveniunt ad regnum Dei, si perseveraverint in Christo usque in finem, D. h. weder sind allC; welche den Märtyrer- tod erhtteu; dadurch als eledi, slsperseverantes usque ad finem erwiesen, noch sind alle dedi in dem Falle, den Beweis für ihre Perseveranz durch das Erleiden des Märtyrertodes zu geben. Und anders konnte auch sein Urteil nicht lauten, wollte er seine eigenen prädestinatianischen Thesen nicht erschüttern. Niemand kennt sein eigenes Erwähltsein, niemand

ALOfSTINlSCHE STUDIEK. U. 287

das Erwähltsein eines anderen ') : diese tiätzc würdeo eraoliüt- lert, wäre es wahr (wenn auch nur teilweise), dass durch die glaria martyrü das Geheimnis der Prädeatination otTenbar würde. Soll es dazu nicht kommen, so muss das Martyrium und der Erweis der perseveraniia decti auseinander gehalten werden, Geschieht das aber, so ei^ebt sich a) dass et Märtyrer *= Heilige geben könne, welche nicht electi seien, b) dasa der Umfang der eommunto sandorum mit dem des numenis eledoruin sich nicht decke.

Das ist die logische Coiisequenz; aber nicht die wirk- liche Ueberzeugung des Katholiken Augustin. In demselben Buche, welches wir zuletzt berücksichtigten, und vielfach andervwo, kommen Stellen vor, welche das beweisen. De dotio j)ersevera»tiae *) §36 fällt ihm das Martyrium Cyprians mit seiner perseverantia in fide (im prädestinatianischen •Sinne) zusammen, hier wie ^ 4 und sonst wird derselbe ganjE unbefangen als ein ehcfus vorausgesetzt. An letzterer Stelle «pricht A. im Tone der Billigung und Zustimmung über diesea Heiligen Schrift de oraiione, aus welcher er ein Excerpt mitteilt, das mit den Worten eingeleitet wird: Zw kis ergo meritis sanctorum, quae nuUa nisi Dei dona sunt, etiam perseverantiam donum Det esse sie loguitur. Die perseverantia ist ein donum electomm, die sancti aber, welche hier genannt werden, sind die Heiligen der officiellen katholischen Kirche. Eben diese werden als tieeti anerkannt und vorausgesetzt. Vgl. Sermo CLIX, § 1; tom. VTli, 765; Sermo CCLXXXV, §5, ib. IU3C. Und wie hätte auch der aus der abstrakten Früdestinationslehre abzuleitende Gedanke, es habe Märtyrer gegeben, welche nicht in den numerus eledorum eingeschlussen wäi-en, unter der Herrschaft des überschwänglichen Heüigandienstea sich auirecht erhalten lassen? wie hätte unser Autor aU Katholik Dftoh Maugabe desselben lehren dürfen? wie ohne AJteratioo

'} De dono perseverant. § IH; de gi-atia et correjit. ^ Iti.

») Op. tom. XIV, 1043 P- Nee tarnen idem doctor et factor. qoi et in Christum credidit et in saucta o)>edieDtia usquc ad paiBioaem pro Christo perteveravit, ideo ceasavit praedicare Evangelium.

228 REUTEBy

seineB eigenen katholischen Bewusstseins so lehren können? Diese Consequenz hätte nicht allein den kirch- lichen Heiligendienst; welchen Augostin allerdings er- xnässigte ^), sondern die ganze religiöse Vorstellang von der Dignität der Heiligen und Märtyrer zu Falle bringen müssen. Ein Heiliger der Kirche ein Verdammter! welch' ein unmöglicher Satz! Die Autorität eben dieser war viel mächtiger als die Evidenz seiner prädestinatianischen Lehre. Mochte immerhin momentan eine Erwägung, wie die in dem lib, de dono persever,, § 2 zu Anfang vorkommende, unseren untersuchenden Theoretiker beschäftigen, die durch sie etwa angeregten Bedenken wurden doch wie der (allerdings der sprachlichen Erklärung bedeutende Schwierig- keiten darbietende) Schluss desselben § 2 zeigt sofort wieder überwältigt durch die Gbwalt der Tatsache, welche in der Entscheidung der of ficiellen Kirche wirkte. Diese, welche, wie noch einmal in Erinnerung gebracht werden mag, nach kritischer Würdigung der Quellen vor Augustin von seinem donum persever. nichts wusste, hatte längst vor seiner Z^eit die Märtyrer als Heilige verehrt, in ihrem Tode den unzweifelhaften Erweis der Beharrung im Glauben ge- sehen und sich auch seit seiner Z^eit durch die von ihm ver- tretene künstliche Lehre (die er als katholische '^ unter- schob) darin nicht irre machen lassen; ihre Praxis nicht in Accommodation an diese geändert Wohl aber umgekehrt ist dieser von ihm die Erwählungsdoctrin angepasst, unterge- ordnet Er hat nie ernstlich daran gezweifelt, dass alle Märtyrer der Kirche zu den dectis d. h. den definitiv Heiligen gehörten, darum nicht gezweifelt, weil sie jene als Heilige verkündigte und verehrte.

Oder sollte es sich doch am Ende anders verhalten? Kann man nicht etwa in seinem Sinn sagen : allerdings ist das Mysterium der Erwählung im allgemeinen den Menschen verborgen, aber in Bezug auf jene eine Klasse der Erwählten ist es enthüllt, die Praxis des Heiligendienstes hat zu ihrer Voraussetzung eine partielle Offenbarung in Betreff

1) Kliefoth, Liturgische Abhandlungen, Bd. II, S. 165. 170.

AüGüSTINISCHE STUDIEN, n. 229

des Erwähltfieins gewisser Personen, nämlich der privile- girten kirchlichen Heiligen; diese ist eben von Gott (dem allein der numenis electontm bekannt ist) der Kirche durch den in ihr waltenden heiligen Geist mitgeteilt, in Be- mg auf die übrigen electi aber nicht? Eine ausBer- ordentliche Ausnahme fände also statt, welche die Geltung der Regel nicht aufhebt. Allein ich muss meinerseits diese Frage entschieden verneinen, die versuchte Combination als eine unberechtigte bezeichnen. Denn der von ihr voraus- gesetzte Gedanke läest sich, soweit ich unseres Aators Schriften studirt habe, nirgends in den- selben nachweisen. Ich kann nur wiederholen, dass die Lage der Dinge vielmehr der Art zu sein scheint, wie ich zu zeigen mich bemühete. Im Widerspruche mit den princi- palen Sätzen seiner Lehre, nur Gott kennt die Zahl der elecii, der definitiv Heiligen, nicht irgend welche Menschen, nicht die Kirche, hat er, von der Macht des vulgär Ka- tholischen gehalten, in Beugung unter die Autorität der officiellen Verfasaunga-Kirche, welche die Namen gar vieler definitiv Heiligen kannte, eben diese als solche, als Bkrfi, als die vornehmsten Teilnehmer an der commumo san<>- torum anerkannt. Und diese Anerkennung hat noch weitere Folgen. Allerdings rechnet er zu derselben an den oben S- 225 berü.cksichtigten Stellen alle spirituales et boni (die com. s. wird dort als umfassender vorausgesetzt als der numerus cledorum) d. h. alle die, von denen als echten Kirchengliedern auch die Menschen wissen, aber er würdigt dieselben nun doch auch wieder als electi, von denen tmtrüglich nur Gott weiss, d. h. er legt in die Formal eomm s. unwillkürlich einen particularen Sinn, schränkt den Umfang derselben ein; die Erwähl ungslehre ist in diesem Falle das Primäre in seinem Denken '). TJmgekehrt im

1) S. von Zessohwita a. a. O. 8. 123. Während den Dooa-

1 Hiten die communio se. identisch ist mit communio BScramcntorLim ihr

CentraUieiliglutn , ist's bei A. karz gesagt (woV) eommunio pM«-

deitinatomm, die sich offenbart (?) in den spiritali unitaie devinctia oder

etiitate cohaerentibtu n. b. w.

_ 16*

230 REUTER,

Widerspruche mit der letzteren, aber im Vertrauen auf die Richtigkeit des Augenscheines hat er gewiss oft genug den engen Kreis der electi zu dem der in den empirischen Zu- ständen der Gemeinde erkennbaren bani et spirüales homines erweitert. In diesem Falle ist bei dem Gebrauche det Formel communio sandarum die (der origenistischen ähnliche) Theorie von den echten Eirchengliedem im Unterschiede von den unechten das Primäre, die Erwählungslehre aber ihr untergeordnet *). Nur wenn ich diese Oscillation des Ge- dankens annehme, kann ich es mir verständlich machen, dass unser Theolog den numerus eledorum als communio denken zu können meint Denn eine Zahl von einander nicht wissender Monaden als wirkliche communio zu denken, ist wenigstens mir nicht möglich. Auch nicht, wenn ich ein Weiteres erwäge.

7. Augustin hat bekanntlich in den antidonatistischen Schriften den so oft wiederholten, bereits von anderen Forschem ^) ausftihrlidi erörterten und gewürdigten Satz verteidigt, dass der heilige Geist freilich auch in häretischen Gemeinschaften wirke, aber dass er nur in der katholischen Kirche als „Liebesgeist^^ walte, die pax, sine qua ffoetera prodesse non possunt, de baptismo lib. III, cap. XIV, § 20, cap. XVIII, § 23. Dieser Lehrbegriff ist ein so constanter, dass, wenn eine anderslautende Stelle Sermo CCLXIX, § 2 : Nee immerüo rede inteUigitur quamvis ipsos baptismum Christi habere fateamur^ haereticos non cu^cipere vd schis^ maticös Spiritum sandum, nisi dum compagini adhaeserini unüaiis per consortium caritaiis sich findet, nicht mit Schmidt a. a. O., Bd. VI, 226 zu urteilen ist, die eigent- iiche Ansicht Augustins sei die, dass überhaupt der heilige Geist nicht ausserlialb der Kirche erteilt werden könne, viel- mehr ist diese Aussage als eine Hyperbel zu betrachten, die ja ohne alle Schwierigkeit auf das von Augustin selbst indicirte Mass zurückgeführt werden kann. Der heilige Geist ist

1) S. 220, Anm. 3.

«) S. z. B. Schmidt a. a. 0. S. 210. 211. 219. 227. 228; Rothe a. a. 0. S. 682.

231

^Set dann, wenn er als Liebesgeist offenbar iind wirksam wird, der wirkliche heilige Geist, der heilige Geist in seiner Wahrheit, das ist der Gedanke dieaea Autors, der Ja auch vielfach nacli Massgabe seiner Theorie vum Sein ') -^ das eine Mal vom Sein, doB andere Mal vom Nicht -Hein reden kann und redet, ohne in einen Widerspruch mit sich selbst zu kommen. Was er in dem eben citirtcn Sermo sagt, wo seine Gedanken der Unterschied des Katholischen nnd ScbismatiBchen beschäftigt, das wiederholt er sogar in Bezug auf den Unterschied des Katholischen und Ka~ thoÜBcheninuerhalb der „katholischen" Kirche äe baptismo üb. V, cap. XXI, § 29; cap. XXIII, § 33; der innoceta und der homidda, welche dieselbe katholische Taufe em- pfangen, haben darum doch nicht denselben Geist, Das Wort in Sermo C'CLXIX, § 2 zeigt die Nachwirkung der von Cyprian Btammendeu Tradition, die Nachwirkung de» vulgär Katholischen in der nordatrikanischen Kirche auf Augustin; die zahb-eichen Stellen von „dem Liebes- peist" zeigen die Umbildung desselben durch ihn.

Aber wie geartet ist denn der? Sollte der Lieb6B- geist etwa eins sein mit der prädestinatianischen Gnade?

Diese Frage ist, so viel ich sehe, von den Dognien- histonkem überhaupt nicht aufgeworfen, noch viel weniger erwogen. Auch meine bisherigen Studien setzen mich nicht in den Stand, dieselbe mit Sicherheit zu beantworten. Das wäre nur dann möglich, wenn zuvörderst die Natur der Gnade durch erheblich umfassendere Forschungen, als mir bekannt geworden sind, ausgemittelt wäre. Die beste danmter findet sich meines Eracbtens bei Dieckhoff in der bereits mit Auszeichnung citirten Abhandlung, aber wenn derselbe a. a. O., S. 94 Anm. versichert, das Wort gratia bezeichne a) die Gnade Gottes als Eigenachaft Gottes, wonach er wirkt nnd Gaben schenkt; b) da« Tun Gottes nach seiner Gnade und auch c) die einzelnen bestimmten Güter, die Gott nach seiner Gnade mitteile, so erlaube ich mir zu be-

t

I) S. S. 320, Amn. 2.

L

232

merken^ daas in emer Sdirift über Angiistiiis Lehre von der Onade^ statt solcher Versichenu^eo dodi Beweis- Ührungesa gegeben sein sdlten, weiter, dass der Terminiu graiia Christi nnbar&cksichtigt gebl]d>en, fioner, dasB ausser Acht gelassen ist, unser Autor habe sie vielfiM^ ak göttliche Kraft ^)j als Lebensmacht Torgestdh, endlich, dasB Onade doch nicht einerlei ist mit Begnadigen, dass man allen£EJls von diesem als von einer Eigenschaft reden könnte, nicht aber von jener. Diese kritischen Notixen sind aber in aller Bescheidenheit gemeint; meine eigenen bisherigen Sammlungen unzureichend. Nur erkljüre auch ich mit aller Bestimmtheit, dass so unzählige Male auch die Kategorie Torkomme, dieselbe doch nicht eine begri£9iche Stätigkeit zeige, im G^enteil ein Schwanken sich zu erkennen gebe^ welches die Entscheidung der au%eworfenen Frage erschwert. Vielleicht ist diese mit wissenschaftlicher Sicher- heit zu geben nicht möglicL Wäre der Liebesgeist nicht identisch mit der prädestinatianischen Otnade, so würden nicht lediglich die electi von demselben durchwirkt Li diesem Fall würden viele Katholiken trotz der strengsten Selbst- beurteilung doch mit einer gewissen Zuversicht sich „ein Sein in der Earche'', in welcher man selig wird, zuschreiben können, somit auch jener Suchende, zu dem wir noch einmal uns zurückwenden, um die Fortsetzung seiner Geschichte zu betrachte.

0 Wie diese Bestimmung aus Augustins mangelhafter Vet- söhnuugslehre sich ergehe, darüber siehe die sinnigen Bemerkangen hei Schmidt, Theologische Studien und Kritiken, Jahrg. 1876, S. 494 (vgl. Jahrb. f. deuteche TheoL, Bd. VI, S. 242; Bd. VIII, S. 298). Wh* werden hier sagen dürfen, dass die pelagianische AuffJEtfsung der sittlichen Entwicklung ihren tiefsten Gegensatz nur in einer tieferen Auffassung der Soteriologie findet. Das war offenbar auch der Mangel des Augustinischen Kampfes, dass die Soteriologie noch so wenig entwickelt war. Die gratia in ihrer LoslÖsung Ton dem Werke Christi verflüchtigt sich entweder in den allgemeinen Be- gri£f der göttlichen Macht Wirkung, die schliesslich die ganxe Be- deutung der Erlösung bedroht, oder aber, wenn sie an die Kirche und ihre Heilsmittel gebunden wird ohne Nachweis des inneren Zusammenhanges mit dem Werke der Erlösung, wird diese Biu* düng zu einer willkürlichen (?), zu einer magischen u. s. w.

BTDDIEN. n. 233

mönt, jenen LiebeegetBt wirkücfa

•so oft in iehrhafter Weise zu ihm geredet

doch in Eintracht mit den katbolischeii

^>a allen separatistischen G^üsten. Aber

B. de baptismo Üb. IH, oap. XV, § 21 (cfl

astiiiae homin. % 43; tom. XIII, 233 D. E.)

cariias erteilt werde latenter, so kann

lOD, die Scnipel von neuem anzuregen, die

zu ateigem. Ja unter dem Eindruck der Er-

1 die controrera gewordene Natur der eommunio >)

uhl umsomehr dazu neigen den zweiten Fall zu

dasB der Liebesgeist doch nur in den Erwählten

daes ea eine T&asohung sei, wenn er diese

t zu verspüren meine ■)-

' beruhigend wirkt wieder die Erwägung, dass

-dl doch jedenfalls de« Seim in der Kirche als externa

Mumio rühmen dUrfe, dase innerhalb ihrer Orenzen

d Tidgenaimte eommunio sandorum existiren dürfte, in

nlebae man sicher selig wird. Ja wenn er die Betriebsam-

köt beachte^ welche die unermüdliche „Mutter Kirche" zeig^

wenn ar sieht, wie sie täglich den ganzen Apparat mysteriöser

Biten in Bewegung setzt, wenn er die Paränese vernimmt:

ab unitate noli ncedere, si non vis immunis esse ab tUs

acJmU, Barmo CXXV, § 6, wenn er die allgemein lautende

Bed(^ daaa an sie alle Gnade geheftet werde, hört und sidi

dantn erinnert, dass er sät dem Tage seiner Taufe durch

Beobadtang der von ihr TOi^eschriebenen Methode, die

Tergdnmg der peecata quoiidiana (venialia) sich zu ver-

m, in aller Treue bemüht gewesen ist, gute Werke

TOÜbringen, Almosen zu spenden *) und zu

>} 8. oben g. 1124.

■) TgL imten S. 286.

>) & s. B. Seimo CCCLVU, g 6; tom. VIII, 1394F. Seimo XUI, § 1; ib. tom. TU, 209 D. 3er. IX, cap. XI, § 18, ib. 61 E. 8«. OCX, § 12 ib. 933 D. Serm. CCVI, §2 ib. 923Ä. B,; Soim. LXI, e^ m, § S Ib. 8B2E.F. Senn. XXXVID, csp. VI, g 8 ib. 197. De ftOoeaoaß Jostitiae hominis, g ii; tom. XUI, SSOr

-284 REUTER;

beten ^), und nch vergegenwärtigt^ dass er alle diese Uebungen der kirchlichen Frömmigkeit auch jetzt noch fortsetze: so fühlt er sich vielleicht doch auch wieder ermutigt^ und es wird dieHofihung in ihm erweckt^ dass das geheimnisvollste beneficiwn gratiae, welches allerdings ^ wie er längst weiss, ausschliesslich nur Gott zu spenden vermag '); auch ihm noch zuteil werden könne. Ja die treue Mutter ermahnt ihn unaufhörlich grade um dieses, mol das donum perseverantiae ebne Unterlass zu beten, die ßdea sei ja wesentlich fides orans '); der Herr hat grade solches Beten ausdrücklich befohlen^), welches ausschliesslich in dem Herzen, in dem Monde „des Getauften'^ „nütze'' ^).

Dies Gtobet ist einerseits ein persönlich individuelles ^),

epist. Pannen, lib. U, § 20; tom. XII, 49 D. [qoia neque aliquid re- manet in baptismo, quod non dimittatur omniom praeteritorum peccatorum (si tarnen ipse baptismos non frostra foris habeatur, sed aut intus detur aut si jam foris datiis est, non fbris cum illo re- maneatur; die letzten Worte Torstehe ich nicht) et quidquid ab üa, qoi post aceeptom baptismum hie vivunt, infirmitate humana con- trahitur quarumeunque culparum propter ipsum lavacrum di- mittitur. Neque enim aliquid prodest non baptizato(!) dicere Dimitte nobis debita nostra. Ep. CLXXXV, § 39].

1) S. z B. Senn. CLXXXII, § 8, tom. VU, 869 ; Senn. CCXVI, ib. 953, Traotat. in Joann. Evang., cap. XIII, tract. LVI, tom. IV 869 und in gar vielen, schwer zu zählenden Stellen. Den Nicht-Getauften hilft das Beten nicht! versichert Epist. CLXXXV, § 39, tom. II, p. 288, A derselbe Autor, welcher andererseits über die sacramentliche Taufe der katholischen Kirche so lehrt, wie wir S. 217 erfahren haben. In Bezug auf die poenitentes: extra eam non remittuntur. E&ohirid., cap. XXII, ed. Krabinger, p. 82.

>) De dono perseverantiae, § 10. 11. 12. 13. 19.

s) lieber diese s. namentlich Dieckhoff a. a. 0. S. 88. 90. 118. De spiritu et litera § 56, tom. XIII, p. 144, de correptione et gratia an vielen Stellen, z. B. cap. II, § 3. 4; cap. III, § 5; cap. IV, § 6. Contra duas epistol. Pelag,, lib. I, cap. XIV, § 28, de perfectione Justitiae hominiH cap. X, § 21; Enchiridion, cap. III, p. 8, ed. Krab. Epist. CCXVIl, § 13. 14. tom. II, p. 1046 C. D.

^) Do dono peraevorantiae, oap. VI, § 11. Imperavit autem Dens etc. ib. cap. XXII> § 60 Ende. Deus enim orare nos voluit etc.

ft) S. Anm. 1.

«) S. s. B. de corrept. et gratia, cap. VI, § 10. Epist. CCXVU, § 14. 29.

AUGUSTINISCHE STLDIEN. 11. 235

f— - jeder Katholik in jedem Vaterunser erfleht diese letzte Gnade, ohne deren Besitz alle früheren Gnaden vergebliche sind (was das detinitive Heil angeht) , andererseits Für- bitte, ein Geiueindegebet '). Ja zuhöchat ist es die Kirche *), welche nach dem Willen des Herrn betet, alle Gebete leitet; (d. h. die historische, verfassungsmässig Uturgische Kirche); me scheint also die Mittlerin, als welche sie sich anfangs angekündigt hat, zu bleiben oder doch wieder zu werden; das kirchliche Gebet um das donum perseverantiae als daa Vehikel der Mitteilung voi^estellt werden zu können, die Beteiligung an diesem kirchlichen GJemeinde- Gottesdienste den definitiven Heilsbesitai doch irgendwie zu bedingen. Nur die getauften CTemeindemitglieder können die Erhörung der Gebete erhoffen ^). Nur der, welcher von eben jener Kirche mit den Voraussetzungen des Empfanges des vielgenannten donum ausgestattet ist*), kann dieses selbst empfangen. Und wenn er nun im ') Verein mit den getreuen Katholiken ihren Weisungen, „ihren Züchtigungen" sich auch in Zukunft unterwirft; wenn er von ihr selbst hört, sie be- trachte alle Fromme '') als electt und dtscipuli Christi, sie habe da« Heil aller im Auge '), sollte da nicht der Gedanke Nch in ihm stärken , daas jenes höchste beneficium gratüte durch daa von der Kirche geleitete Gebet, also doch

Ktn-

»■) De baptiamo Üb. U, cap. VllI, § Vi. De corrept, et. gr., § U;

XIV, p. 929 D. E,

*) Senao CLXXXII, § 6; tom. VI, 8«8 B. oratura est tota Ecciesia etc. De dono perseTerantiae, cap. XXII, § 62 sive mulü- ladiai Eoclesiae etc., cap. XXIII, § 63 ; tom. XIV, p. 10:23 D. Quanda qoldem Don ornret Eccleaia etc.

3) S. de docD peraev, , § 10. Hoc ergo donum Dei suppliciter emereri {!) poteat.

*) S, S. 234, Anm. 1. De peccat. merit. et remisa. lib. III,

M>- IV. § a

9 ^) 8. den lib. de corrept. et. gratia im ganzen.

•) Ib., cap. IX, § 22. ÄpellamuB ergo no» et elecWs «t Christi 'AcipulOB et De) fiJios, qnia aic appellandi Biuit, qoos regeneratos pie »ivere ceraimuH etc. Cf. § 40.

>} Ib., § 46 eed velle omnea salvoa fieri cf. § 49. D»gegen die sophistJacha Ausrede ^ 44.

I

284

beten ^), und nch der kirchlichen iUhlt er sich viel! die Hofihung in beneficium grat ausschliessli noch zuteil wei ihn unaufhörlicl ohne Unt«rla8^ fides orans*) befohlen *), w Munde ^^des Dies Oc

epist. Pannen, manet in ba; peccatorum (s Aut intus d* maneatur; di> qui poflt aCi trahitur qua mittitur. Dimitte nol

0 S. ib. 953, Tr und in gai* hilft das p. 233, A Taufe d< haben. - Enchirid

») De spir

vielen

Contra

justitiv

Epist.

4

etn. il

.«.•'9*

^ *,:2r ihm noch zu- :.u.: gar schon zu-

'ie:intworten dienen

-•lü Schon die Er-

r ^lich , aber , ob er

- L:«rau8 peinigende;

- iass im ersteren r cne. Nur der ka- : r der Gebete hoffen, rcnende" Glaube der

1— r-bare Wahrheit wird

vfc:holik hat jegliche

. .7:f« als Illusion zu er-

-»-Widerlichen Ratschlüsse,

^ [rz. bittet *). Die Beter

.-^r.:3en Zeit; er hat ewig

,.^; bestimmt, was er-

«* sein das Bitten anderes

i«<r sich selbst täuschen

^,^ rin Mittel zum Zweck

»:n Hethode, welche im Ge-

^ ^-pi. aber ohne allen

'ftti^'^lbe stammt aus „dem

a^ii Zuversicht *). Nichts-

^ ^;he, die wahre Selbst-

-. c-«ühlte unterscheidet sich

fv^siehung in keiner Weise

.^* wie der andere wird

Beide werden ermahnt,

t-fTtrauen *) , sondern der

. .-. tom. XIV, 103 F. Nonne ^ -A*tificati etc. De correptione

§!*•

" \ r. 100*2 D. at'iup hoc fHciondo

AÜGUSTINISCHE STCDIEN. IL 237

t der Kirche, über die Frage nach der Zugehörig- I dem numerus eleäomm nicht zu grübeln >). Aber i eorr^Ümes, wie alle anbefohlenen (}ebete, rind ) wird doch auch wieder eingoilumt entbehrlich, ^hrlich zahöchflt, ebenso wie sämmtliche Gnadenmittel, I Ausnahme jenee einen, welches donum perseverantioß ist '). dott kann dem, welcher sich von der Kirche nicht :htigen IfiBBt, darum doch gewähren *) , was er den von : Gezüchtigten verweigert. Die Kirche und die Er- Uiingslehre „der Kirche" wie werden sie sich einander Ig^fenüber echlieealich halten?

Dia katholische Kirche, welche unser Schriflsteller so ott in äberschwängUcber Weise als die exduaive Hmis- Bphäre verherrUcht, wird dnrch die soeben vernommene Aus- lage zu einer Stiftung göttlicher Willkür herabgesetzt, sn mar weltßirmigen Ordnung göttlicher Aecommodation. In jener unEweideutig klingenden, deninltchst in ihrer verhängnis- rollen Zweideutigkeit erkennbaren Phrase bat sie sich ge- rühmt die Gnadenvermittlerin zu sein ; nunmehr zeigt es sich, daas sie lediglich üne Vorbereituogsschule sei, in welcher nicht rimnal die gelehrigsten Schüler sicher unterwiesen werden h&nnen. Mittel und Zweck steheii hier nicht in äaem unverbrüchlichen Zusammenhange. Der Erwählte wie der Nicht -Erwählte sollen gleicherweise jene verwenden; aber den ereteren fällt in rätselhafter Weise das zu, was als ein zu eräelendes vorgestellt zu werden schien; der Nidit- erwthlte müht mch vergebens ab, soll sich damit abmühen das zu erzielen, was eben nicht zu erzielen ist Eine b&- wihrte Scfanlanstalt kann den Zöglingen, welche physisch und psychisch be&higt dem Unterricht mit Hingebung sich

eonfidere, non tos eue a praedestjoatione popoli ejoB ftlieuoi etc. qtvmiam apem Teatnun in ip«o (Deo !) ponere jubemini, non in vobiB.

1) De coiiept. et. gr., § 40. 46. 47.

1) 3. S. 285. 246.

») Ib., «ip. V, g 8; tom. XIV, p. 92G F. nuUo homine corripiente etc.. eap. Vii, g 18: qnidam eonun et«i &b hominibua dod conri- piaatsr etc.

238 REUTER;

widmen, die endliche Reife verbürgen. Die katholische Kirche Aogustin's darf sich nicht einmal ihr vergleichen. Das ewige Heil ist nicht die Frucht ihrer Vorbereitung.

Statt deren bietet sie das zeitliche. Und das ent- spricht auch durchaus den gesammten irdischen , zeitlich - rftumlichen Weltverhältnissen, in welche eine so transcen- dente Grösse wie ewiges Heil nicht hineinpassen würde, welchen die Ejrche trotz ihrer Gnaden und Wunder, trotz ihrer Weihungen durch Sacramente doch auch wieder ho- mogen ist, entspricht dem von ihr verkündigten Glauben, welcher weder den Gehalt der persönlichen Selb st gewiss- heit ^) noch den der absoluten (definitiven) Seligkeit^) zu ertragen vermöchte. Ja in dieser katholischen dem irdischen Heile dienenden Kirche werden die in Bezug auf jene als specifisch sich erweisenden Unterschiede des Erwählt- und Nichterwähltseins beseitigt, da ist das Er- kennen der eigenen Selenzustände keineswegos von jenen Gefahren der Täuschung bedroht, von denen wir redeten. Da giebt es Nicht-Erwählte, welche tempartilüer perseverantes = Stantes ') die Seligkeit der Kindschaft fiihlen ^), freilich nicht die ewige, welche ja hienieden überhaupt nicht gefühlt werden kann, sondern die zeitliche, aber diese wirklich. Andererseits sind Erwählte vorhanden, welche während des gröaaten Teils des irdischen Lebens bis kurz „vor dem Ende'^

0 Dieokhoff a. a. 0., S. 110.

*) S. darüber die dritte Studie über Kirche und Reich

*> Vh oorrept. et gr. § 19; tom. XIV, p. 934 F. cum fideliter ^l|ii*» vivt^runtoto. §20: erant itaqueinbono (nämlich temporalit er),

•^i \\\\\^ \\\ iUo iion permanserunt non erant ex nobis, Vor-

W uvm K\\\\^ jujititiam simulaverunt, sed quia in ea non permanserunt vW U^% § 17 - quibus eam, qua Christiane viverent, düectionem

4^ IV vHMTt^pt. ot grat, cap. IX, § 20; tom. XIV, p. 936 E. pro- ^\^ *«>vo|»um tomporaliter gratiam, § 42, ib. 951 E. De dono V>^««v\ » S ^^» i^»' ^0^9. Perseverantia, quae in aeternum salvos (ilW^KU^s^* quUlmn hi^^jus vitae, non tarnen peracto, sed ei, quodusque il^^ v\>\*« ^Mvu\ iVMtAt » utvoHsaria est.

AUGUSTINISCHE STUDIEN. II. 239

nicht bloss von dem Wege des Heiles Abirrende zu sein sdieinen, sondern (nach dem Urteile der sich täuschenden Kirche) das in der Tat sind ^) und die Qual der Unseligkeit zu tragen haben. Der eine wie der andere kann durch ihre heneficia gnUiae geheiligt, der eine wie der andere kann durch die poenitentia gezüchtigt, in die Zahl deac fideles stantes wieder angenommen werden. Begnügt man sich mit dem Heile als zeitlichem'), so kann die Kirche denen, welche em der von ihr vorgeschriebenen Methode entsprechendes Leben fiihren, dies allerdings verbürgen. Sie wird f^ diese Genügsamen auf die Linie, auf welcher sie die Be- deutung der Heilsvermittlerin zu haben schien, in Wahr- heit wieder emporgehoben.

Freilich um vor dem Geistes-Auge dessen, welcher alles zeitHch-irdische Sein ') als ein unwahres, scheinbares sub specie aeterni zu betrachten versteht, von derselben wieder herabzusinken. Denn nicht die Salus temporalis, sondern die ctetema ist von ihr verheissen, die saiuSy welche allein, der ewigen Verdammnis entgegengesetzt, als eine wirkliche gelten kann. Und diese Verheissung hat sie nicht erfüllt, nicht einmal die Garantie fUr das zukünftige ab- flolate Heil gegeben. Es bleibt dabei, sie ist ein pädagogisches Institut, eine Einrichtung der Nützlichkeit und moralischen Zweckmässigkeit Die carreptio ist „nützlich^'*), weil sie das Vertrauen auf den sicheren Besitz des Heiles erschüttert, die Hitglieder in unaufhörlicher Unruhe , in steter Furcht *) erhält, sie grade durch diese von ihr erregte Stimmung daran erinnert, dass jenes Bewusstsein des temporären Heiles, wdches oben als ein wirkliches von uns bezeichnet werden

i) De corrept. et gratia, § 22; tom. XIV, p. 937 £. -«- et qui ad tanpas inde deviant etc.

s) S. S. 238, Anm. 4.

S) S. S. 220, Anm. 2.

«) De corrept et gratis, § 7; utiUs, § 10; § 40, expedit; § 43: «t ad ipaam (justam poenam) pertinet justa correptio, quae medici- naliter adhibetnr, etiam ai salas aegrotantis inoerta alt etc.

«) Ib., § 24. 40. Gute Bemerkungen bei Dorner a. a. 0.

240 REUTER,

muBste^ doch als ein unwirkliches, d. h. unwahres begriffen wird, sobald man es an dem unbedingten Massstab der vüa aeierna abschätzt Es bleibt dabei, die Kirche kann die überschwänglichen Ansprüche, die sie macht, so wenig realisiren, dass sie und ihre Leistungen weit auseinander- gehen. Sie redet eine Sprache der Zweideutigkeii Ausser ihr ist kein Heil, aber was „sie'^, die Kirche sei, ist unklar, unklar auch der Spruch tenere ecdesiam non est esse in ecclesia^). Sie bezeichnet*) viele als fUii Dei^ die es nicht sind (sub specie ademi). Sie nennt zu einer bestimmten Zeit Söhne des Friedens die, welche diese religiöse Würde schon längst haben '). Sie verdanmit diese oder jene, aber dieses Urteil ist fallibel, für den Heilsbesitz gleichgültig. Ungerechte Excommunication schadet nichts ^); das episcopale Judicium ^) ist im besten Falle auch nur eine

0 S. oben S. 214.

») De corrept. et grat., § 20. 21. 22. 28. 40.

») Ib., § 40. 46.

^) Diejenigen, welche in besonders feierlicher Weise jetzt den Sats betonen (der, wie ich vorläufig schon hier bemerke, denn ich gedenke in dem vierten Artikel darauf zurückzukommen, ein wohlbekannter, ge- wöhnlicher ist; vgl. oben S. 15, Anm. 1, Köstlin, Deutsche Zeitschrift für christliche Wissenschaft und christliches Leben, Jahr- gang 1856, S. 112, 1. Spalte, Dorner, S. 340. Dieckhoffs Abb. a. a. 0., im ganzen) , Augustin sei der Begründer des römiachen Katholicismus, möchte ich mir erlauben an die Tatsache zu erinnern, dass andererseits jene der obigen ähnliche antikatholische Sentenzen, welche sich in dem Decretum GriUiami finden (s. Schwab, Johann G^erson, S. 556), meist aus den Schriften desselben Augustin ent- nommen sind. Vgl. noch de unitate Ecclesiae, § 74; tom. XII,

p. 488 G. 489 A. Quid si ergo jam praecisus est. De baptismo,

lib. I, § 26. Kattenbusch, Theol. Studien und Kritiken 1878, S. 190 (vgl S. 209) behauptet, die Annahme, Augustin sei der Vater der Reformation, sei die landläufige; man müsse sich aber dazu ent- schliessen, das Urteil dahin umzuändern, dass er der Vater des römischen Katholicismus gewesen, und hält für nötig darauf aufmerk- sam zu machen, dass das ganze Material der mittelalterlichen Lehren von Freiheit und Gnade u. s. w. von ihm stamme.

^) De corrept. et gratia § 46. Pastoralis tamen necessitas habet, ne per plures serpat dira contagio, separare ab ovibus sanis morbi-

AUOCerlHISCHB dlTIDIEK. II. 341

le der utilitas, welche man erwählen muss, um die rohen ÄUflbrüche der Sünde einzuschränken. Die ganze Organisation »der Kirche" als externa communio, welche als DDyBteriöser Wunderbau beachrieben wurde , scheint stellenweise von unserem Autor als autoritative Zucht-Anstalt gewürdigt zu werden, die dazu bestimmt ist das Masaen- christentum zu discipliniren '), ein Leben der Ehrbarkeit und der legalen Sittlichkeit zu erzwingen; aber daneben ist de doch vieUeicbt das notwendige Gerüst, das die communia lamiomm, die Garantin der ewigen Seligkeit (vgl. Schmidt, ft. a O., VI, 228), umlaaat? ^ Sind nicht aller bisher er- wiesenen Bedenken ungeachtet die Lehrsätze unangetastet und mumtastbar: wenngleich nicht jeder von einem katholischen Priester Qetaufte die vita aetema emptängt, so kann doch nur der auf diese Weise Gelaufte ') sie empfangen ; niemand vermag der massa perditionis entnommen zu werden, niemand in das künftige Reich Gottes, das Reich des ewigen Heiles anzugehen, er sei denn in der katholischen Kirche ge- tauft? ^ Ausdrücklich soll, um den Eindruck dieser Fragen zu steigern, hier noch daran erinnert werden, dass unser Autor der erste ist, welcher dem katholischen Tauf- sacrament die Wirkung eines character indelebtlis ') zuteile, von der Heiligkeit desselben, welche mit dem Personleben der Getauften unlösbar verknüpft bleibe, in unzweideutiger Weise rede.

Somit würden also doch die Weihen der historisch-ka- tholiflchen Kirche die Voraussetzungen der Erfolge der prä- deatinatiBniBchen Gnade sein.

dun, ab iUo, cui nüiil impoBsibile est, ipsa forsitau separatione sa- tandam. Cf EncbiridioD, cap. XKU, p. 81, ed, Krab,

1] S, Anm. 2. Andere chaiakteristische Urteile über das Maisen- ehmteiituni Contra epistolam fundamenti cap. IV, § 6; tarn. X, 183 F cuteram quippe turbam non iat«lligendi vivacitaa, sed credendi sim- pliciUs (!) tutisaimam facit. Cf. de utilital« credendi g 21. 25. 26.

t) De baplismo Hb. VI, eap, XXXIV, § «6. Tractat. in Joana. «ugel. tract. VI, § 16; Op. töm. IV, p. M6.

>) De baptiamo Üb. VI, cap. I, §1; Op. Bassani 1797, tom. XII, p. 2I>»>E.F, aber Tractat. in evangel. Joaun., cap. I. tractat. VI, g 15

242 REUTER;

10. Allein und damit komme ich zu der Lösung des bereits angekündigten Thema's dieser Satz wird doch durch die Tragweite der prädestinatiani sehen Gedanken in Frage gestellt Gegenüber den vielen Stellen ^ welche so lehren^ wie eben angegeben wurde, stehen die Erklärungen de eorrept. et gr., cap. Vn, § 12: ab iUa perdüianis nMSsa, guae fada est per primum Adam^ äebemus itUdligere ne* minem posse disoemi, nisi qui hoc donum habet (und doch ist wenige Zeilen vorher gesagt, dass das lavacrum regenercUionis diese discretio bewirke!); § 16: Qui vero perseveraiwri non sunt ac sie a Ade Christiana et eonversaiione lapsuri sunt, ut tales eos vitae hujus finis iHveniai\ proctd dubio nee ÜU) tempore, quo bene pieq%ie frivunt, in istorum numero computandi sunt. Non enim

sunt « massa illa perditionis ^ discreti. Die non

eleeti gehören also jener massa perd. noch an, obwohl sie getauft sind! Weit entfernt, dass eine Weihung der ka- tholischen Ejrche die Scheidelinie wirklich gezogen hätte, ist diese vielmehr durch eine andere noch geheimnisvollere Macht gezeichnet Derselbe Ausdruck (discemere), welcher das eine Mal vorkonmit, um den Erfolg der Taufe zu be- schreiben, findet sich das andere Mal gebraucht, um zur Würdigung der Wirkung der prädestinatianischen Gnade anzuleiten. Einen Versuch der unmittelbaren Ausgleichung zwischen beiden Sätzen, von denen der eine bejaht, was der andere durch seine Bejahung verneint, habe ich nirgends gelesen. Eine solche ist auch unmöglich, solange man bei dem Wortlaut stehen bleibt Wohl aber ist von Augustin der Schein einer Harmonie mittelbar in doppelter Weise verbreitet Einmal geschieht das durch den Gebrauch der Phrasen, in welchen das donum perseverantiae als ein nur von den getauften Katholiken, welche mit den anderen benefidis gratiae schon ausgestattet sind, in Zukunft zu er- hoffendes, als ein letztes, welches zu den bisherigen noch

ib. tom. IV, p. 446 D. Puta te esse militarem, si characterem imperatoris tun intas habeas, securus militas: si extra habeas, non solum tibi ad inilitiam non prodest charaeter ille, sed etiam pro desertore punieris.

ACCrSTraiSCHE STl'DIEN. U. 243

hinzukomiDt , vorgestellt wird'). Der character baptismatis, kütmte man sagen, wird freilich in dem Glrade von dem- jenigen character überboten, welchen das donum perseverantiae eingräbt, dass jener nur als ein Zeichen betrachtet werde, welches möglicher weise sich erfüllen kann, aber lediglich die Erwählten unter den auf diese Weise Bezeichneten (insofern bleibt er indelebilis) werden der Erfüllung gewürdigt. Zweitens dienen dem gleichen Zwecke die Reden von dem verschuldeten 'J Abfall derer, welche nicht (definitiv) beharren. Das scheint vorauszusetzen, dass diese Unglücklichen das donum perseverantiae besassen, aber dnrch ihre Schuld verloren haben. Allein dieser Phrase duiAe sich Augustin nicht bedienen, wollte er diese nicht ia Cooflikt mit der cardinalen Lehre bringen, dass jenes donwit ein un verlierbares sei '). Nichts desto weniger wird von einem Reparirtwerden gesprochen, was doch den Gedanken an ein Entstell tsein zu seinem Correlatuni hat *). Und das ist sogar von einem Verwischtsein schwer zu unterscheiden. Aber nur scheinbar ist der character doni perseverantiae ver- wischt (erloschen) in denen, welche obwohl erwählt, doch der empirischen katholischen Kirche in ihrer Sichtbarkeit bis kurz vor dem Ende des Lebens als Nichterwählte „sich oSenbaren". Auch diese Offenbarung ist nur eine scheinbare, a^einbar (vom absoluten Standpunkt betrachtet, ^ neben dem aber der relative, welcher S. 2b7 beschrieben ist, in seiner Geltung verbleibt) aber auch der Heilsprozess , welchen andere Ei-wählte unter Leitung der Kirche, unter dem Qnäuss ihrer Heilsordnungen durchmachen. Beide species des genus elecloruvi haben von v o r n Ii e r e i n einen specifischen PersÖnlichkeitskern, welcher alle Gnadenmittel vergleichgültigt. Di« Fonneln, welche von einem noch in Anssicht stehen-

") De corrept. et gratis, § 11. 12; cf. § 10- 16,

*) Beck a. a. 0. S. H5, 86. 9ü. 94.

») De dono persever, cap. VI, % 10; multi enim possuot h«bere. aulliiti amittere cf. § II.

*'j De corrept. et gnili«, § IG aut si qui BUiit, qaoruin (fide») defiüt, reparatuT acte quam vita ist« finiatur.

R f. K.-o IT, ». >'

344 BBOTBBy

den, sukünftigen Begabtwerden mit dem aUes ent- fldbeidenden döfNiM jx leden, sind nnr Phimaen der Accommo- dation, Kategorien, wdehe der lannHch endlichen Betnch- tongswene der rimpliees in der empirischen kathoBadjea Kirche nnenüidiriich sind, bedeoten, auf den echten in dem Elemente der Ewigkeit heJmiHchftn prideetinatianiachen Ge- danken zurückgeführt, nichts anderes als das seitliche EffecÜTwerden des Begabtseins. Die decti sind ando« Wesen als die übrigen voeandi und w)cai% bereits seit ihrer Gteburt mit einer besonderen Qrgamsation versdien, durch eine noch viel geheimnisvollere Weihe, als alle Riten der Kirche sind, ausgezeichnet Diese qpricht von dersdben ab dem letzten benefiemm. In Wahrheit ist die|>. die Urvoranf- setzung des I/ebens der eiecU. Freilich nach dem Wordant der Augustinischen Lehre werden auch sie vorbereitet anf das definitive Heil in der Kirche, aber in der Tat ist diese nur die Durchgangssphäre; das gesammte mysteriöse Cere- moniell derselben für sie bedeutungslos, die von ihr bean- spruchte „Vermittelung'' eine nur subjectiv - phftnomeno- Ic^ische ^).

Ja selbst dies Urteil wird ab ein noch nicht ganz rück- haltsloses erkannt Die dedi sind schon ewig decH, ehe sie zeitlich werden. Es giebt Kinder *) Gh>ttes, welche es fiir uns noch nicht sind, aber wohl fiir Ototiy die, ehe sie gl&ubig worden durch die Predigt des Evangeliiims, in dem GMaik- buch des Vaters mit unerschütterlicher Beständigkeit ge- schrieben sind. ;; Diejenigen '), welche nach Gottes vo^ hersehender Verfügung vorher erkannt, vorher bestimmt^ be- rufen, gerechtfertigt, verherrlicht sind, ich sage nicht die noch nicht Wiedergeborenen, sondern die noch nicht Geborenen sind schon Elinder Gottes nnd können nicht verloren gehen/' „Und schon ehe das geschah, sind sie in jener Prädestination Söhne Gottes" *). Ja „alle zu ver-

1) Schmidt, a. a. 0. S. 242. ^) De corrept. et gratia, § 13. ») Ib., § 23. *) Ib., § 21.

AÜQDSTtHieCHB STCDIEH. n. Sib

^tea Gteborenen •) sind erst (nach und nach) iioang gekommen, während aie in Gottes BS ewig waren", alle irdischen Menschen I Hitlichen Phänomene ewiger Existenzen zu be- gliche Prozesse der irdischen Individuen, der ge- ischen Weltgeschichte sind doketisch. Von dem- wird die historisch-katholische Kirche ge- oben S. 238). Was Augiiatin als Katholik ) auf das (ewige) Heil vorbereite, daas aie die i Voraussetzungen des Empfanges desselben [ insofern das (ewige) Heil bedinge, aus welchen r andere sich ergiebt, der numerus electorum stammt I dem ausschliesslich in der katholischen Kirche mden genus vocatorum, die c&mmunio sandorum < ihrer Existenz die externa communio (s. o. \ das wird von ihm wieder in demselbeu Masse ver- Int, in welchem er die Enei^e des prädestinatianischen »dankens anspannt imd zum Ausdrucke bringt. -— Der rche scheint nur die Bedeutung einer mit Sinnbildlichem tcbältigten Ceremonial- Anstalt *) zu verbleiben.

Sowohl Schmidt a. a. O,, Bd- VI, S. 213. 241, 248 Dorner a. a, O., S. 230 haben die Tragweite der idestinatianischen Theorie erkannt, aber meines Erachtens hinreichend gewürdigt, der letzlere hat überdies zu wenig getan (vgl. indes S. 292), mit der oben S, 204 excer- pirten Aeussening die S. 2a0. 231 gemachten Zugeständnisee in Einklang zu bringen. Ich leugne, dass das möglich sei, um 90 entschiedener, jemehr ich überdies eine andere G«- dankenreihe Augustin 's erwäge.

Ich meine jene *), welche er in Ep. CII, Qtuiest. secunda >; De baptismo lib. I, oap. XVI, § 25. !b. Üb. IV, cap, ID, § 4. *-) Cf. contra FanBtum lib. XIIT, cap. XVI; tom. X, 313 C. Ne- que pertorbaretur (Faaatus) eorum multitudine, id qaibus ea non in- Tenirel, qnae observare jaberetor : qnamvia cam eo corporaliter congre- garentnr in Ecclesiam et eadem sHcramenta percipurent. Sciret cum pancia haereditatem Dei, cum multifl autem aignacula ejus participanda etc.

*1 Vgl, Schmiilt, Origenes nnd Augustin als Apologeten. Jahr- bnclKr f. deutsche Theol., Bd. VUT, S. 295. 298.

17*

246 RECTEBy

tom. n, 362 am ausführlichsten darl^. Als Thema gilt bekanntlich der Satz, das Christentum ist so alt ab die Welt, ist die eine wesentliche (natürliche) Religion , welche von An£Eing an unter verschiedenen Formen und Namen existirt hat, in einem bestimmten Zeitmoment den Namen christ- Uche Religion erhalten hat, ist nicht eine particuhiristische Positivität, sondern die allgemeine ^) in allen Perioden unter Gottes sich gleichbleibender *) gnädiger Obhut in mehr oder minder adäquater Gestalt ^) verbreitete Religion des gleichen ^) Heiles. Eine unerwartete religionsphilosophische Com- bination so imiversalistischer Tendenz, dass man vermuten könnte, sie sei nur eine augenblickliche Aushülfe zur Hebung einer Verlegenheit des Apologeten, lediglich hier mitgeteilt, um anderswo zurückgenonmien zu werden. Erstens scheint sie doch in dem auffiQligsten Widerspruch mit des Verfassers dogmatischer Prädestinationslehre zu stehen, denn wenn alle, welche sich „würdig erweisen '', des Heiles teilhaftig werden können, wo bleibt da für die Gnaden wähl eine Stätte? Zweitens gewinnt man den Eindruck, als ob das gemein katholische Dogma von der Kirche durch jene huma- nistische Idee erschüttert, ja die Grundlehre Augustins von der ausschliesslich beseligenden graiia Christi von ihr selbst wieder aufgelöst werde.

11. Allein das, was Ep. CH erörtert, ist keinesweges so motivirt, wie wir vermuteten, ist nicht eine augenblicklich aufgestellte Hypothese , sondern eine feste, dauernde Grundansicht gewesen imd geblieben. Wir finden sie in den ersten wie in den letzten Schriften ^) sei es angedeutet und

^) § 15, tom. II, 365 C: Ita salas rcligionis hujas, per quam solam veram salus vera veraciter promittitur, nulli unquam de- fuit, qui dighus fuit, et cui defiiit, diguus non fiiit. Cf. § 10 Ende.

«) Ib. § 11.

8) Ib. § 10 Ende. § 13. 15. alias occultias alias evidentdus, Bleut congruere temporibus divinitus visum est etc.

^) Ib. 12: Nee quia pro temporum varietate, nunc factum annun- tiatur, quod tunc futurum praenuntiabatur, fides ipsa variatur vel Salus ipsa diversa est.

6) De vera reUgione, cap. X; Ep. CXLIX, §9; Ep. CLXXXVII,

AüOCSTTNIKHE STn)IEN. U.

vorausgesetzt, sei es ausführlich entwickelt, freilich meist mit einer SlodJfication, welche Bchon in £)p. CII, CXLIX vor- bereitet ist Durch die extrem universalistisch klingenden Stellen tom. II, 364 D. 365 A. wird augenscheinlich die Heils- bedeutung des ganzen historischen Christentums vertiiichtigt. Dieses soll aber doch wenigstens als die reinste GJeataltimg der übergeschichtlichen absoluten dem Wesen nach stets mit Hch identischen Religion gewürdigt werden oder als die verhältnismässig höchste Offenbarung derselben in der Geschichte im Unterschiede von der Verhüllung (prius ecculUus, posiea manifestius etc. § 12). Diese Intention muBste den Verfasser um so stärker bewegen, als ihn die FVage der Neoplatoniker beschäftigte, weshalb das Clmsten- tom durch Christum und nach Christo auf so beschränktem Oebiete verbreitet sei. Darum erteilt Augustin nach voraus- geschickter Andeutung, „dass hier ein anderes, noch ge- heimnisvolleres consiUum nicht ergründet werden solle" (ib. § 14, tom. II, 364 D. cf. de praedestinatione sanctorum, cap. IX, § 17), die Antwort, Christus würde wohl grade in der Zeit, in der er, an dem Orte, an welchem er wirklich erschienen sei, haben erscheinen wollen, weil er vorausgewusat habe, dass er wie seine Jünger in jener, wie an diesem Gläubige finden werde. Nun habe freihch schon vor ihm eine prophetische Verkündigung des Christentums stattge- hinden, was, das lasse sich nicht leugnen, die relativ offen- bare Religionsgeschichte nur von Israel nachweise (§15), aber in den heiligen Büchern dieses Volkes würde ja einzelner Nicht-Israeliten gedacht, qui tarnen kujus sacramenti partkipes fuerunt, und es «iei weiter die Annahme berechtigt, etiam in caeieris hoc aique iUac getUibtis alias alias fuisse quamvis

§ 11. § 12.; Ep. CXL, cap. VII. § 20; Tractat, in Joann. evang. tnwt. XLV, § 9; de peccator. merit. et rem. lib. U, cap, XXIX, § 47; gratia Christi et de peccato orig. lib. II, cap. XXXII, g 37; contra dnas epJBtolaa Pelag. üb. III, cap. IV, § 11; de civilate Dei Üb. XVUI, «p. XLVII, ed. Dombart, tom. II, p. 287; lib. VII, cap. XXXII, ib. t<im. I,p. 277; lib. X, cap. XXV, ib. 389; de baptUmo lib. VI, cap. XUV, § 87; contra Faustum lib. XIX, cap, XIII, tom. X, p. 384 D. E. Ea- chiridioD. cap. XXXIU, p. 147, ed. Kiab. Epiat. CXC, § 6. 8.

248 BEUTEBy

€08 ccmmemoraios in iisdem aiMtafitatibus nan legamus. Ja in dem die particulare Qnadenwahl verteidigenden liber de praed., cap. IX; § 17 geht unaer Schriftsteller auBdriickUch auf die dtirte Ep, CH zurück, nicht um die von uns oben erwartete Retractation zu bringen, sondern um unter anderem zu sagen, was er Ep. CU aus gewissen Rücksichten nicht habe sagen dürfen, dass unter „den Würdigen '' nicht solche zu verstehen seien, welche sich ein Verdienst erworben h&tten 19), sondern der göttlichen Gnadenwahl Ge- würdigte. Derselbe giebt also daselbst die authentische Erklärung der Ep. CII.

In der Tat, es lässt sich das Paradoxon rechtfertigen, grade die particularische Prädestinationslehre habe jene universalistisch klingenden Phrasen ermöglicht Um das begreiflich zu machen, ist darzutun, dass in den S. 246, Anm. 5 citirten Stellen und in Ep, CU drei Gedankenreihen in ein- ander gewirrt sind, um heidnischen Humanisten und von Zweifeln gequälten christlichen Lesern zugleich Genüge zu leisten. Ich versuche dieselben von einander zu trennen.

Die erste lässt sich vielleicht in diesen Sätzen wieder- geben. Das Christentum, welches man mit Unrecht als eine particulare, local und temporär bedingte Religion beurteilt, bt in Wahrheit so alt als die Welt Alle geschichtlichen Religionen sind dimklere oder hellere Erscheinungen der- selben Religion, derjenigen, welche zu unserer Zeit die christliche hei s st, de vera rdigione cap. X, das offenbare Bekenntnis der katholischen Kirche ist. Darum ist das Heil, welches diese an die Teilnahme an ihrer Gemeinschaft zu binden scheint, in der Tat ein allgemeines, jedem zugängliches (Ep. Cn, § 1 5), welcher sich desselben würdig macht. Und viele dieser Würdigen kann man kennen. -AUe, welche fromm und gerecht gelebt haben ^) vor Christo, waren Chilsten *).

1) Ep. CCn, § 12. In dem Satze quicunque secundum

ejoB praecepta pie et juste vizerunt, quandolibet fuerint, per eum procul dubio saUvi facti sunt muss ich natürlich die nicht unterstrichenen Worte unberücksichtigt lassen, ausstossen, um die Stelle als Stütze meiner Hypothese verwerten zu können.

*) Contra duas epist. Pelag. üb. III, cap. IV, § 11. Eadem igitur

Die zweite hat ihre Motive in der Grimdüberzeiigtmg 1 der Excluaivität des is dem historischen Chmto als dem einzigen Mittler beschlossenen Heiie, beabsichtigt aber (ugebhch unbeschadet der Gültigkeit dieses Fundamental - ftees) den Ansprüchen der froramen universalistisch inter- euirten Denker gerecht zu werden. Sie lehrt eine historische Friexistenz des historischen Christentums, des christlichen Glaubens, eine Andcipation desselheu. Christum heisst ee ist allerdings in jener Zeit aufgetreten, welche von den Anfängen der Welt weit entfernt ist, aber er hat längst vor dem Moment seiner irdischen Geburt voraus gewirkt Er sollte erst kommen in die Welt, war aber schon da in derselben, g^enwärtig in ihr kraft dieses Voi^ auBwirkens als mediafor auch seiner Menschheit ') nach, ge^genwärtig in dem seligmachenden Glauben Vieler, welche Acheinbar Bekenner einer Volksreligion waren, die formell andere sacra et sacramenta (£p. CU, § 12) hatte als die- jenigen, welche der katholischen Kirche eigentümlich sind, aber im wesenthchen doch dieselben. Die nämliche gratta Christi, welche in den katholischen Sacramenten wirkt, wirkte (und wirkt) io jenen andern Sacramenten der (schein- bar) nicht chrisüichen Religionen. Somit ist die salus jener und die unsrige, die ßdes jener ond die unsrige identisch. Jene ghiubten an den, welcher erst kommen sollte, wir an den gekommenen. Das ist nur eine temporelle Differenz, welche durch Beachtung der Gleichheit des religiösen Gehalts des Glaubens aufgehoben wird.

Die dritte Gedankenreihe ist die extrem prädestinatia- nische, welche wir bereits S. 245 (vgl. S. 208) und sonst be- räckaichtigt haben Die vom Himmel stammende Gnade ist an kein Mittel, an nichts Locales und Temporelles, an

fides eat et in illie, qui noDdum nomiiie, eed re ipsa fuei Ctiristiani et in istis, qui dod boIudi sunt verum eti et in ntrisque eademj gratis per spiritum «anctuin. Auch hier gilt du S. 248, Änm. 1 Gesagte.

I) S. oben S. 209, ÄDm. 2 und Üb. de gratia Christi et de pece. origiwOi üb. II, cap. XXIV, § 28; cap. XXVI, § 31. 32; oap. XXVIII, g 33. 34; de natura et grat. cap. XIV, § 51.

250 REUTERy

nichts geschichtlich Positives, nicht an irgendwelche histo- rische Verhältnisse mit Notwendigkeit geknüpft. Sie teilt das bereits übergeschichtlich bereitete Heil direct den Et- wählten mit; aber diese (von Gott gewollte) Beschränktheit ist grade durch die Unbeschränktheit ihrer Herrschaft be- dingt Nur darum vermag sie in der Zeit vor Christo, Christi; nach Christo eine ixXoyi^ zu bevorzugen ; weil sie nicht durch Raum imd Zeit, nicht durch die Rücksicht auf irgendwelche geschichtliche Vermittelungen bedingt ist Das Heil könnte also ein allgemeines sein, wenn der prädestinirende Gott das wollte.

12. Die beiden letzteren Gbdankenreihen sind von dem religionsphilosophischen Doketismus der Geschichtsbetrachtung beherrscht. In allen dreien wird die epochemachende Be- deutung des historischen Christentums in verschiedenem Grade indifferenzirt In der ersten und zweiten gilt die empirische Geschichte als eine täuschende Verhüllung des wirk- lichen (d. h. intelligibeln) Seins; was dem empirischen Be- trachter darin offenbar zu werden scheint, verheinJiclit grade das wirkliche Sein, das sich stets selber gleiche. Alle drei leugnen jede reale creatürliche Entwicklung. Eine Weltgeschichte, die etwas hervorbrächte, eine perio- dische Weltgeschichte giebt es nicht*).

Die erste ist nicht als fertige mit der zweiten als fer- tigen infolge von Reflexionen stylistisch combinirt, sondern beide sind meiner Vermutung nach miteinander erzeugt, d. h. die erste ist nicht consequent zu Ende gefuhrt, son- dern umgebogen in die zweite, nicht so reinlich darge- stellt, wie dies oben hypothetisch geschah, sondern versetzt mit Elementen der zweiten. Darin erkenne ich ein Fehler- haftes, sofern ich die Leistung nach den Regeln der wissen- schaftlichen Systematik abschätze, aber ein Charakteristisches fiir das religiöse Denken unseres Theologen. Dieses war viel zu sehr von der Macht der Positivität des Christentums beherrscht, als dass er dem Gedankenzuge, welcher in meinem

1) Vgl. Schmidt, Jahrbücher für deutsche Theologie, Bd. VIII, S. 297. 298. 300. 293 (?).

AUGUSTINISCHE 9TDDIEK. n. 251

Schema die erste Reihe (in welcher selbst Justin'a dea Mirtyrera Lehre ') noch überboten sein würde), im Dienste des einBeitigcn religionaphilosophiechen Interesaes hätte Mchgeben können. Das letzlere wird überwältigt von dem concret christlichen, dieses wieder von dem prädeatina- tianischen Gedanken bceinäiisst, dessen Consequenz umgekehrt die Ideen dea historischen Christentums einschränkten. Das ersieht man, wenn man die oben ü. 24G, Anm. 5 citirten Stellen miteinander vergleicht; aus der Vergleichung der Aeusaerungen in dem citirten Capitel des Über de praeiiesti- Hatione sandontm und in § 23 lib. de dono persever. mit der Ep. ClI aber noch ein anderes, nämlich dass er in der Prädestinationalehre das höhere halbesoterische Verständnis der in der Ep. CII entwickelten Theorie zu erschliessen meint, dass er grade darum zuweilen mit Reflexion*) aus pädagogiscJien Rücksichten den prädestinatianischen Q:g- danken abstmnpft.

Wird derselbe aber in seiner ganzen Schärfe so wieder- hergestellt, wie das in den lib. de praedest. s. und de dono persev. geschieht, so ist und damit komme ich auf den § 9 Ende S. 241 verlassenen Punkt wieder zurück die Diaharmonie desselben mit dem vulgär katholischen Dogma von der Kirche, mit Augustin's eigener Lehre von derselben schwerlich zu verkennen. Er kennt electi (nach den S. 236 charakteriairten Erklärungen seilte er solche freilich nicht kennen!), welche der theokrati sehen Volksge- jQieinde Israels, in deren Inatituten (Saeramenten) das Neue

^K >] Engelhurdt, Das Christentum Justin'a des MärtTters. Er-

^Bageu 1878. S. 113.

^P* ») De dono peraeverant. cap. XVI, g 40: „Sed alia est ratio verum tftcendi, alia verum dicendi uecessitas. Causaa lerum tacendi lougum est omnea ijuaci'cre vel mserere: quanturo tameu est et haec ona, ne pejores faciamus cos, qni non lutelÜgunt, dum voluraus eos, qui iotelliguut, facere üuctiores" etc. Aber dieser Gruudsata wird wieder durch das Bedenken erschüttert , es mochte durch das Ver- schweigen des Oeheimuiises der Prädestinalioo die Erkenntnis der Wahrheit der Gnadenlehre erschwert werden.

262 REUTER,

Testament verhüllt war, angehörten, wieHiob '), die comAische Sibylle'), ergiebtnicht nur die Möglichkeit zu, dass es noch vid mehrere religiöse Individuen dieser Art unter anderen Völ- kern g^ben habe, sondern bezeichnet gleiche Fälle als höchst wahrscheinlich *). Jene wie andere müssen also das donum perseverantiae empfangen haben, obwohl sie nicht getauft, nicht beschnitten, nicht durch die remissio pecea- iamm b^nadigt, nicht nach dem Schema der bettefida gra- tiae vorbereitet waren. Nun wird überdies von dem Autor der ganz allgemeine Satz ausgesprochen (Ep, (XÜII § 12 Ende und sonst), dass die Beschaffenheit der aussei^ Uchen signa der verschiedenen Cultussjrsteme der Völker durchaus irrelevant sei in Vergleich mit der einen wesent- lichen gratia Christi j auf die allein es ankomme, dass die so oder anders geartete Formgestalt jener die Mitteilung der gratia in keiner Weise beeinträchtige. Und eben dieser ist es, welcher allein schon dazu ausreicht eben- sowohl das katholische Dogma von der Kirche zu erschüttern, als uns zu der Einsicht zu verhelfen, dass nicht sie, sondern die gratia Christi die Centralidee des Augustini- schen Denkens war. Denn sind die Sacramente in ihrer Formgestalt gleichgültig, so können die katholischen Sacramente nicht unbedingten Wert haben, dann ist das Innehalten der Stationen, welche das Schema der heneficia graiiae vorschreibt (s. oben S. 216), nicht erforderlich zur „Vorbereitung" auf die (definitive) Seligkeit Denn das kann doch begreiflicherweise nur in der katholischen Ejurche lur Gk)ltung gebracht werden. Wenn ein Cultussystem, wel- ches keine katholische Taufe, keine katholische Salbung, keine katholische Ordination, welche ja ausschliesslich den eharacter indelebilis {de hono conjugii cap. XXIV. Mar- hoineko, System des Eatholicismus UI, 108) einprägen

») De civitato Dei lib. XVIII, cap. XL VII ed. Dombart, tom. U, p. 288, § 5-30.

«) Ib. Hb. XVIII, cap. XXIII l. 1. tom. II, p. 249, § 30. Cf. contra Fauntum lib. XIII, cap. XV. Op. tom. X, p. 312 E.

8) Do civitato Doi lib. XVIII, cap. XLVII, tom. II, p. 288, § 15.

AÜGUSTDMSCHE STUDIEN. H. 253

tdl, keine katholieclien Gebete der Oetauftea " keunt, welches in seinem Geßige gar keine AehnlJcEikeit mit dem in Rede ttebenden zeipt, ebenao brauchbar zur „Mitteilung" (?) der gratia Christi ist wie das katholische: so ist doch so deut- lidi wie nur möglich, dasa die historisch-katholische von den Aposteln zu einer bestimmten Zeit gepflanzt« Kirche eben nicht die ausachlieasliche Heil a Vermittlerin " sei. Sie iat doch nur da vorhanden, wo ihre Riten beobachtet wer- den. Ein Religion Bwesen aber, welchem ganz andere eigen- tümlich sind, welchcf^ keinen katholisch ordinirten Bischof, keine katholisch ordinirten Priester, welche ja allein da» ueramentum so spenden, dass die Mitteilung der von Gott EU spendenden virtus sacramenti ermöglicht wird, keinen katholischen Märtyrer- (die ja vorgeblich nur in der katholisch- apostolischen Kirche vorhanden sind!) und Heiligendienst hat , ist doch nicht die katholische Kirche , von welcher man in Augustin's Sinn meint sagen zu können, dase sie als externa communio die communio sanctorum sicher umschliesse, nicht die, um die es sich in allen kirchlichen Contro- verscn handelte. Sagt man mit ihm, dieselbe existirte auch unter andern Formen, so sagt man eben, sie existirte nicht, oder aber man bedient sich einer Phraseologie, welche an die Kunst dea Taschenspielers erinnert. Aber schliesslich fragt man, wozu diescH Reden von so oder anders constru- irten Cultus-Systemen ? Die gratia bedarf gar keiner Mittel, nicht des werkzeuglichen Dienstes, welchen die Kirche Imtet, nicht irgend welcher sacramenia. Ich wiederhole die Behauptung, die beiden Grössen, deren Verhältnis verstehen zu lernen sich diese Studie zur Aufgabe gemacht hat, sind unvereinbar. Das katholische Dogma von der Kirche wird von dem rückhaltsJoa entwickelten prädestins- tianischen Gedanken destruirt.

13. Nichts desto weniger bleibt es stehen, festge- halten von der ganzen Ueberzeugungakraft desaelben Auguatin. Ich brauche nur an die vielen, kaum zu zählenden Stellen in den antipelagianischen , antidonatistischen und antimani- chäiscben Schriften zu erinnern, welche das verdeutlichen, statt eine überäüsaige - Beweisführung zu be-

254 REUTERy

ginnen, die Leser zur Anerkennung der Evidenz der voU- endeten Tatsache aufzufordern. Und diese ist begreiflich genug.

Der geschichtliche Augustinus ist ja fireilich nicht lediglich ein abstract-prädestinatianischer Doctrin&r gewesen; sondern das Prädestinatianische und das vulgär-Katholische in jenem Zusammenwirken , welches keine wissenschaftliche Analyse^ ermitteln kann, in der Einheit, welche das persön- liche Personleben selbst, welche eben diese geniale Indi- vidualität herstellt, giebt das ganze Charakterbild. Die katholische Kirche nicht wie er dieselbe begrifflich con- struirte, sondern sie in ihrer von allem Lehrbegrifilichen un- abhängigen Existenz, in der Grossartigkeit ihrer Organisa- tion, in der reichen Gliederung der Episkopate, mit ihrer die persönliche Selbstgewissheit ersetzenden auctoritativen Tradition, mit ihrem alle Irrungen und Differenzen mensch- lichen Meinens aufhebenden, einheitlichen überlieferten Dogma, in der Pracht ihres mysteriösen Ceremoniells, der FüUe der Gnadenmittel war für den Mann, in welchem neben den Bedürfhissen des abstracten Idealismus die der Phantasie und der sinnlichen Andacht in gleicher, ja in noch ge- steigerter Stärke sich erhielten, ein Unentbehrliches, das Ur- element, in welchem er atmete; erst in zweiter oder dritter Linie ein Gegenstand der Lehre, in erster die Grundvoraussetzung seines Lehrens und Den- kens *), die Bedingung seiner religiösen Existenz. Darum konnte er als Theoretiker die gewagtesten Experimente machen, das tradirte Schema der beneficia gratiote zer- rütten, Ausnahmen über Ausnahmen statuiren, statt der sinn- lich katholischen Taufe die innere geistige als Ersatz bieten, bald von einem character indelehilis reden, bald denselben als „unnütz"*) vorstellen, das eine Mal den katholischen bapHsmus als den magischen Act der Sündenvergebung be- schreiben, das andere Mal als einen wirkungsunkräftigen,

J) Gegen Schmidt, Jahrbücher fiir deutsche Theologie, Bd. VI, S. 238, der hier übertreibt.

2) S. S. 242, Anm. 3 die zweite Stelle.

AÜQUBTIKIECHE STUDIEK. U. 3&6

lue diese Schwankungen und Widersprüche wurden wieder oeatraliairt durch sein Leben in der historifich-ka- tholische» Kirche, die als Gnadenanstalt mit dem Apparat Ton Mittehi praktisch fortarbeitete, nicht geatört durch die dogmatischen Versuche des EiBchofs von Hippo Re- gius ') die ihn, den grossen Menschen, als die noch grössere mit ihrem geheimnisvollen Zauber umschlang. Grade weil das vulgär-Katholischü für Augustiudas Ueber- tn&chtige war, konnte das Prädestinatianische ihn nicht be- irren. Dass das eine durch das andere nicht beeinträchtigt ■werden könne, das war Pir ihn so selb st\'er ständlich, dass die Frage, ob die Lehre von dem Geheimnis der Gnadenwahl ttwa als eine esoterische in den kirchhchen Gemeinden zu behandeln sei, schliesslich von ihm verneint wurde '). Gilt es doch die „alte" Wahrheit von der allein seligma- chendon gratta Christi gegen die neuen Widersacher zu verteidigen! Dazu muss die Prädestinationslehre, dazu die katholische Kirche, ihr Cultussystem als Mittel verwandt werden. Mochte Augustin in Durchfuhrung der ersteren alles Zeitliche und Räumliche vergleichgültigen, mochte er die Gnade an die zeitlichen und räumUcben Vehikel, deren Com- plex die Kirche ist, in der Art binden, dass diese als „die H^smitÜerin" ganz in dem Öinno Cyprian's ') erschien, die altkatholische Vorstellung von ilir erhalten und doch

1} Vgl. oben S. 206.

r I) De dono persever. § 36. 46. 51. 57. 63. Cf. Ep. CCXIV. CCXV. S. S. 251 Anm. 2.

s) z. B. Ep. CXLl, § 5: „Quisquia ergo ab hac catbolica ec- clesiB, fuerit separatus , quantumlibet l&udabiliter ae vivere existimat, hoc Bolo scelere, quod a Christi unitate diajunctuB est, noQ habet litam, eed ira Dei manet super eum." Wenn es de baptlsmo lib. VI, cap. XIV, § 23 beisst: „Nam et in ipsia, qui projiciiintur foras, si ,resipiscant ' et redeant, salua eis, quae recesserat, redit" (s. Torher „quasi oos dicamus homiDes ipsos foraa projectoa aliquid valere vel ad suam vel ad alionim aalut^m. Scd et qui talea videntnr iotus, non Bolum apiritaliter foris sunt, sed etiam corporabiliter in fine Hepaiabuntur"}: u> zeigt sich liier unter Vergleichung von Stellen wie die ib. üb. 1, § 26 Spiritales autem ete. abermals in dem Oe- brauche des foras and intue das Amphiboliscbe,

256 REUTER,

lugkttch durch die originale Umbildung des Qnadenb^rifib gesteigert wurde: die Enthüllung der von uns be- leiehneten Centralidee ^) blieb in beiden Fällen der gleiche Zweck.

14. Die wichtigeren Ergebnisse der ersten beiden Stu- dien *)> welche, wie die beigebrachten Citate zeigen, den Fur»ohuugen Anderer gar Manches verdanken '), formulire ich iu folgenden Sätzen.

a) Dass die Lehre von der Kirche das Hauptmotiv der IMklagianisohen Controverse, dass dieselbe^) die Centralidee de« Aug. Denkens, des Systems^' A.'s gewesen, lässt sich durch die l^uellon nach meinem Verständnis derselben nicht be- wtu«eit Die Kirche war die Grundvoraussetzung seines L^Utu« und Denkens, seine religiös-dogmatische Centralidee ^) abnr tUo von der ausschliesslich beseligenden graUa Christi. a 4a* S. 206. S. 254.

Wänui die von mir verneinten Sätze die richtigen, so wKr^ -^ abgesehen von allen andern Argumenten die Krwartui\g eine berechtigte, dass, falls er ein Lehrganzes zu Ihlkvt^r«^ gt^hraoht haben sollte, dieses als von der Idee der htstorii^oh katliolischen Kirche als der ausschliesslichen Qna\lfM\«^ustaU In^lierrscht sich charakterisiren werde. Nun Imf tWilioh AugUHtin ein Buch, welches in so bewusstem

)> H ^>M^ H |S 24 umi neben vielen anderen Beweis-

Mf^n^tt r U K4V r\i\ cxiv. CCXIV. ccxv.

*^ IHt^ >lv(M^ wirti «ioh mit dem Thema ,,Kirche und Reich

Ä> H. H. ^ HWh^v Ulo Methode, die Bücher anderer Autoren lM«t wtiv Afi ^y^9yki^\s\^\x wt» man die Ansichten der letzteren be- uti^t^t »M>^ ^'^'^ ^^^ *^^***' bVhlor nachweisen zu können, da aber tti«»!^t, t^N VNVÄVH wssn NK^»^m^U>o« «uwimmentrifit oder gar von ihnen »»i\t!i*^t>t hM ^^y^"^ ^^^^ wiU luoiuon i^hischen Grundsätzen nicht in

«^ Nifl ^^M«v^^- TvM Mv MofboiU» der ältesten Dogmenge- m»hi»»^to .U)^^K^vW.'^ Wv vWwUoho Thooloffio, Bti. XVI, S. 211.

^^ m». ^^ii«»!! v^Wn vU*, ^h< s\w ivligiös-dogmatische Centralidee \\\ Aiipiutir»*« ^Vts^yM AV^s«^'^^ ^^t. »Ulf moine» Eracht^ns nicht ab- hUfsfc^VL v>'VfMs.>h^ \^^Ns^^" ^v^^ nW^ UUoKHioht «uf don geschichtlichen

AUGUSTINISCHE STUDIEN, II. 257

systematischen lutereese, im Verfolg dner in dem MasBe cea- tralisireiiden Tendenz abgefisiBet wäre, wie des Origeoes Werk nt^i ä^x'^'j nicht geschrieben. Man ksim ihn allerdings be- aiehungsweise einen systematischen Theologen nennen', aber er ist in diesem Fache mit dem genannten Ale- xsLndiriiier nicht zu vergleichen (obwohl er meines Erachtens, im grossen und ganzen betrachtet, uoch bedeutender war als dieser). Der letztere hatte viel stärkere Interessen jener Art Das haben wir stets zu erwägen, wenn wir uns nicht selbst in die Gefahr bringen wollen, einerseits das Urteil über das Diaharmonische seiner Gedanken zu über- treiben, andererseits die Anforderungen an seine Leistungen in einer irgendwie systematischen Darstellung zu überspannen. Sein Enchiridion ist aber doch jedenfalls ein derartiger Ver- such. Nichts desto weniger kann ich die Herrschaft der Idee der Kirche als der Centralidee darin nicht erkennen. Der Verfasser erklärt cap. II, p. 6 ed. Krab., es solle hier über daa fundamenhir» cathoHcae fidei Auskunft erteilt werden, als dieses aber wird Christus (p. 7) bezeichnet, als Schema der Einteilung der Dreiheit fides, spes, Caritas. Und der, wenn auch nicht wissenschaftlich -dogmatische, doch religiöse Stammbegriff ist der des Heils, welches hier nicht aiis- drücklich an die Ordnungen der historisch-kathoUschen Kirche als verfassungsmässig-liturgischer Anstalt gebunden wor- den ist Die Kirche wird ja freilich gewürdigt, aber in dem Sinne des Begriffs der communio sandorum cap. XIX. XX. XXI., mit Betonung des Prädestinatianischen cap. XXIV, p. 128. 129. Auch cap. XXII handelt von der Ecclesia, aber in welchem Sinne, zeigen die Sätze: Ideo post comme- morationem sanctae JEcclesiae in ordine ctmfessionis pontttur ^iremissio peceatorum. Per hanc enim sbU Ecclesia, gvae in ierris est. Vor allen aber beweisen die lib. de cor- reptione et gratia, de dono perseverantiae, de praedestinatione sandorum, also diejenigen Schriften, welche den Ertrag der Controversen seines Lebens bieten, dasa nicht die Idee der 'Kirche als der Qnadenanstalt in den späteren Jahren seines ILebens die dominirende gewesen, sondern die der prädesti- iktianischen Gnade. Diese wird hier nicht als durch die

258 REUTER^

Kirche zu vermittelnde in klarer DurchRihrung des Gedan- kens erörtert; nicht einmal eine Apologie der Kirche ab Kirche wird versucht; sondern diese nur den kirchlichen Gnaden- mitteln (vgl. oben S. 205) gewidmet und zwar in der Art, dass jeder unbefangene Leser erkennen muss^ die Lehre von der prädestinatianischen Gh:iade sei das Urdatum seines reli- giösen Bewusstseins. Sie soll unbedingt aufirechterhalten werden, alles Andere muss ihr weichen. Wohl giebt Augustin in den merkwürdigen Stellen de dono persev. § 29. 30, de prtMdest. Sand. § 8 die Möglichkeit eines Fortschritts seiner dogmatischen Erkenntnis zu, ja die Möglichkeit dog- matischer Fehler, deren Bekenntnis nur ein injustt^s aique invidus ihm verargen könnte, aber als dasjenige Lehrcapitel, in welchem sie sich etwa finden, wird nur das auf Sünde imd Gnade bezügliche in das Auge gefasst und als die schliess- lich massgebende Lehrart betrachtet er die, welche in den letzten Schriften ausgeprägt ist.

b) Vieles vulgär Katholische ist durch Augustin umge- stimmt, aber längst nicht alles. Manches hat sich nicht so- wohl dieser Umstimmung entzogen, als es vielmehr die auc- toritative Position für ihn geblieben, eine ihn beherr- schende Macht geworden ist S. 227. 228. 229. 231.

245. 254.

c) Der Begriff der Gnade wird in dem Artikel von der Kirche in einem doppelten Interesse verwandt. Einmal giobt derselbe die Möglichkeit, zum Zweck der Abwehr der Kinwondungen der Donatisten einen Lehrtropus zu bilden, wt^lchor die grösste Aehnlichkeit mit dem origenistischen *) hat (S. 225); sodann den Gnadenmitteln der historisch- ki^thoÜHohon Kirche, welche längst vor ihm den Katholiken idN lloilnanstalt galt, eine erheblich stärkere Wirkungs- kwUH •) «iizuschroiben , das Heil in Christo an sie in der

M Dtti» Urtoil hatte ich längst gefällt, als ich dasselbe bei \\\A\\%^, AufftuKt^ dor christlichen Kirche, S. 691. 616. 618 Anm. 44 m\|ttHlmit(^t tViul.

»^ loh trtUVo hier Eusammen mit Dieckhoff a. a. 0., S. 99. AMumU %\\\\ Ht^weia für die Berechtigung meiner Erklärung oben

At'GUBTINlSOHE STtiDIE». II. 269

Art zu binden, dass eben diese Kirche die excluBire Ver- mittlerlD zu sein schien. S. 27 ff. 42. 43.

il) Der numerus eleciorum ist nicht unbedingt einge- schlugsen in die Grenzen der externa communio der histo- riich-kathoiischen Eirclic. Es gab electi liier auf Erden, nelcke der letzteren nicht angehörten (S. 244. 251), nichts dtsto weniger aber nach Masagabe der Theorie von der Exi- »teaz des Christentums unter ganz andern religiÖs-Uturgischen Formen (e. S. 252) als geschichtliche an jenen (Formen) Iwleiligte Individuen und weiter nach der Norm dea Lehr- >Uies von dem Erwäliltsein inChriato (s. S. 210) durch die yotia Christi selig geworden sind geworden zu sein icheinen, da aie sub specie aeternt betrachtet das un- abhängig von jeder Gliedschaft an einer geschichtlichen religiös- liturgischen Gemeinschaft schon waren (s. S, 244).

e) Die Lehre von der Prädeatination in der reinen Ge- Htatt, in welcher sie an den Stellen erscheint, welche alles OeschicbtUche vergleicligUltigen, und die Lehre von der Kirche als hiatorischer verfassungsmäsBiger liturgischer HeUs- flostall, Heils Vermittlerin lassen sich nicht miteinander aus- gleichen.

Die Lehre von der Prädestination und die Lehre von der Bedeutung der Kirche als communio sanciorum in dem Sinne, in welchem diese Formel von dem Gedanken von dem numerus electorum beherrscht wird, sind ebendeshalb nicht erst auszugleichen, weil sie schon an und für sich ho- mogene Grössen sind.

f) Die Formeln tenerc ecclesiam, esse in ecclesia, welche letztere nur auf Grund der Kenntnis der metaphy- sischen Kategorie „Sein" hei Augustin verstanden werden kann, zeigen durch die denselben anhaftende Zweideutigkeit, welche eine schärfere Kritik enthüllt, ebensowohl das Aus- einandergehen der Lehre von der prädestinatianischen Gnade und der Lehre von der Kirche, wie das Inciuanderspielea der in Bezug auf die eine, wie in Bezug auf die andere den Autor beschäftigenden Gedanken. S. 214. 24u.

g) Der Terminus corpus Christi, als welches die ' vorgestellt wird, fasat bald den Begriff der *«-

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Kritische Uebersichten Her die kirehengeschicbtlichen Arbeiten

der letzten Jahre.

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reformationsgeschichtlichen Arbeiten Eng- lands aus den Jahren 1876—1878.

Von Dr. BudoUT Baddenst^ in DreBden.

L Karl« d'Aubigne, Historj of the Refonnatioa in Europa. TrausL by W. CfttCB. Vol. VII: Gene?a, Denmark etc. London 1876, Longmans. Vol. Vlli (Schlass des Werks') : Spain, Eogland, Ger- tnanj. With Index. 1878.

a. J. A. Wylie, History of Protestantisra , vol. II, London 1876, Cawell & Co. ; vol. 111, 1877.

3. Fh. Smith, The Student'a EccIeBiafitical Histor? {fnai the Foun- dation of Christ, io the eve of the Reformation^ London 1676

A. O. O. Perry, Ä History of the Engliah Church (ftom the accession

of Henry VIII to the silencing of CoQToeation in the 18** Century).

Ebenda». 1878. fi.B. W. Dlxon, HiBtoTj of tbo Church of England from the abo-

lition of the Roman Jurisdiction. Vol. I: Henry VIII, 1B29— 153T.

London 18T8, Scnith, Eider & Co. B.T. Imo, Historical Sketches on Henry YIIl. London 1878, Qrif-

fith ä Farran. r. M. CreigtatOTi, The Tudors and the Reformation, 1485—1603.

(A. u. d. T. : Epochs of Engl. History). London 1876, Longioaiu.

') S. oben S. 105-124.

262 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. I. BUDDEN8IEG,

8. J. J. Taylor, A Retrospect of the ReligiouB Life of England. Second edition re-issued with an introd. chapt. on recent development by Dr. Martineau. London 1876, Trübner.

9. W. D. Killen, The Ecclesiastical History of Ireland firom the earliest period to the present time. London 1876, Macmillan & Co.

10. J. Morris, The Troubles of oor Catholic Forefeithers, related by themselves. Second series, London 1876, Borns & Gates; third series, ebend. 1877.

IL Ch. Bogers, The Life of Gkorge Wishart, the Scottish Martyr. Edinburgh 1876, Paterson.

Unter den kirchengeBchichtlichen DarsteUungeD unserer Periode kommen zunächst mehrere Fortsetzungen der in unserer früheren Uebersicht besprochenen Arbeiten in Frage. Der 7. Band von Merle d'Aubignö's Reforma- tionsgeschichte unterscheidet sich nach der Seite der Vorzüge und Mängel in nichts von seinen Vorgängern. Merle, der warmherzige, beredte Ultraprotestant, erinnert vielfach an Macaulay, den stilgewandten Whig: der rhetorische Glanz bedeckt nicht mehr die Mängel soliden Wissens; auch Ma- caulay geht immer mehr der lange behauptete Platz unter den Standard historians veiioren. Dieser 7. Band setzt die Geschichte der Reformation unter Calvin (von seiner Rück- kehr nach Genf 1540) fort, giebt eine kurze, lebendige Skizze seiner dortigen Wirksamkät ^) und verfolgt die reli-

1) Ein Artikel in Fräsers Magaiine, Juni 1876 untersielit Cal- Tin*s Cvf'iiftnr Titigkeit einer eingehenden Untersnchimg auf Grund der Genfer Ratsacten. Die Charakteristik Cshrin s ist im allgemeinen eine günstige, ^Calrin war kein geisUiclier Antokrat, noch weniger ein politiselier DietaKv« umui soihe um rielmehr den Apoeld Grenfe nennen« und in der Tat erinnert sein Verhihnis xnr Genler Kirche niekt wenig an dasjenige des Apostels INmlos za der Gemenide Ton Tbetssalonieh." Für den Tod Senret's wird Cfthrin TeiantwtMtlich ge- maclit; mau bdibe ihn aber mckt uaek dem Massstabe des 19., son- dern deä^ It^. Jahrhundertss in dem man dis Priaeip der Gewissens- fifeiWit aocJb uKrh; ai^rkamite« su. l^urteiksL Dr. Willis (Sei^ Tettt» <ic Cabriu : » study ot au im^Mrtaat ep<vk ia um» earhr bist, of tbe ReKvnaÄXJOi: Loinkhi 1>TT, H. S^Rin^iCo/ xäebt letztere Frage in l'iittT^Uvh*,^:^, iLaobd-fm ^r i-jLrvii «iise rnibs^fre Bes^^biokigwng mit Spüxvsi u:>i H^iTAty ^u Server t ;il.5 vkoi Et;:^i(^rk«f^ vie» BIwtnmIaitles

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giöse NougöBtaltung der Dinge tluriih Dänemark, Schweden und Korw^;en, Ungarn und Polen, Bübmen und die Niederlande. Der 8. Band beschliesst das ganze Werk mit einem auB- fuhrlichen Index ') und giebt das Erwachen des reforma- toriscben Geistes in Spanien, den Fortgang der Reformation in Deutschland bis zu Lutlier's, in England bis zu Hein- rich'a Vlli. Tode, der als Mensch, Christ und König ver- dammt wird. Die englischen und die deutschen Partien, die fiir diese Uebersicht lediglich in Frage kommen, sind vielfach ohne den notwendigen Einblick in den wirklichen Verlauf der Dinge gearbeitet. Die neuen Arbeiten, nament- lich das anagezeichnetc Material der State Papera und die deutsche Specialforschung haben nicht genügende Beachtung gefunden; es hat faat den Anschein, als ob absichtlich, weil de dem einmal eingenommenen Standpunkt gegenüber ge- lrisse Modificationen bedingt hätten *). Die Keformation ■ehuf absolut Neues, sie verlief makellos in lediglich positiv

ToUin'a) sind nicht genügend ausgenutzt worden. Calvin habe cn Zweideutigkcitcu seine Zuflucht genommen, um seine Zwecke (£r- grcifiiDg nnd Hinrichtung Servet'a) zu erreichen; aber „bei seinen Lebzeiten sei ihm niemals und von keiner Seite ein Vorwurf" aus der Sache gemacht worden (3. 339), Dagegen gkubt „M. A., Cambr." in einer Zuschrift an dcnGlobe (15. Oct. 1876) auf Calvin 's eigene Worte hinweisen tu müssen, opp. Catv. Vlllr S. Ii46: „Sacvitiam meam in quo accusca, audire cupio, nisi forte in inagistri tui Servcti morte, pro quo tamen me fuisse deprecatum teates sunt ipsi iudicee, ex quo- nun numero tuuc duo erant strenui eius patrotd", woraus sich für M. A. ergiebt; „Calvin was not gnilty of the death of Scrvetus."

•) Der 12. Band des Hook'schen Werkes (vgl. die Uebersicht von 1875 oben I, rv. S. 804f.) ist gleichfalls Sclilusa- und lediglich ludeibond, das Muster eines englischen Index.

') In Poie'scher Art, aber mit dem bestechenden Zauber Merle d'Aabiguä'Bchei Sprache ist einer Bcihe von Bpauischen Märtyrern ein Denkmal gesetzt worden; indem Merle im Schiusskapitel in Be- Etätigmig einer Bergenroth 'sehen Hypothese die Verfolgung der an- geblich wahnsinnigen Königin von KaatUien als die Folge ihres pro- testantischen Bekennermutes darstellt und damit eine spanische Pto- Ifstantjn bereits 20 Jahre vor den Anfängen Luther's in Deutschland Bchaftt, bleibt er bis zuletzt seiner Tendenz des absoluten Gegensätze* H^wüchcu Papst und Evangelium treu.

264 KBITI8CHE ÜBERSICHTEN. L BUDDENSESa,

aufbauender Richtung ohne alle destructive Tendenz. Ihm ist die Beformationy in welcher durchweg die beständigen Be- rührungen der politischen und religiösen Factoren verkannt werden, ein Drama höchst ein&cher Construction, ein Ejunpf, in dem Gott auf der Seite der Protestanten, auf römischer der Teufel ficht Einer weiteren Würdigung dieser religiösen und apologetischen, aber ungeschichtlichen Darstellung der Reformation bedarf es nicht Auch Dr. Wylie hat seine Geschichte des Protestantismus durch zwei weitere Bände fortgesetzt und vollendet Aus abgeleiteten Quellen (z. B. Merle) schöpfend, sind sie ohne wissenschaftlichen Ertrag ^) ; die Bedürfiiisse einer People's Edition haben zu einer ge- schwätzigen und leidenschaftlichen Darstellung geftihrt

Von allgemeinen Darstellungen der Eärchongeschichte habe ich Robinson ') und Milner ^) nicht einzusehen ver- mocht Robinson behandelt im 7. und 8. Bande die Re- formation; es ist ein Neudruck seiner schon oft angelegten Eirchengeschichte ; dasselbe gilt von Milner's Arbeit. P hiL Smith arbeitet für den Murray 'sehen Verlag Compendien zum Schulgebrauch. Sein Manual of Eoclesiastical History gehört dieser Gattung an; ohne originale Forschung zu bie- ten, behandelt es noch die Vorstadien der englischen Re-

1) Dasselbe gilt von desselben Ver&ssers Rise, Progress & In- bldiou^ Working of Jesuitism" (London 1877, Cassell & Ck).); es ist eine ausführlichere Wiedergabe mehrerer in seinem 2. Bande bear- beiteter Partien und Weiterentwicklung der dort gegebenen Ansätse. Das denselben Gegenstand behandelnde Cartwright'sche Buch: „The Jesuits: their constituticm and tcaching; an histor. sketch" (LfOndon 1876) ist eine vervollständigte Ueberarbeitung der in der Quar- terly Review erschienenen Artikel, welche Gründung, Greschjchte und Verfassung des Ordens mit grellen Schlaglichtem auf seine theo- logische, namentlich ethische Verderblichkeit giebt. Zum Zenith seiner Macht sei der Orden erst durch das vaticanische Concil gekommen, welches einen ponüficalen Caesarisinus mit dem Orden als einer Art Praetorianertum zur Seite proclamirte.

*) History of the Christian Church. By J. C. Robinson. 8 voll. London 1876, Murray.

3) History of the Church of Christ. By Rev<J Milner. Ed. by Stokes. 6 voll. London 1876, Religious Tract Society.

k

DIE BEF0RH.-GE8CmCHTL. ARBEITZN fiNQLANDS. 1S7S— 78. 266

formadon. Die Fortaefzung, welche Perry gegeben, ist eine durch die praktische Zusammenstelluitg ihren Zwecken entsprechende, im übrigen aber etwas breite Compilation aus den Einleittugen der Rolla Series. Der hochkirchliche Standpunkt des Verfassers macht ihn parteiisch und blind fiir die Macht des religiösen G^edankena bei der Opposition gegen das Staatakirchentum. Den Papisten feind, feindlicher den Puritanern wird Perry in seinem Urteil oft ungerecht Dabei leidet er an einer gewissen, von Amerika neuerdings importirten Rohheit im Dogmatisiren ; die Lehre von der Rechtfertigung nennt er Solifidianism und behauptet katho- lisirend und im Widerspruch mit den Schriften St. Panli tmd der reformatorischen Theologie ihre Identität mit dem Antinomiamus. Von ungleich höherem Werte ist die Arbeit von Dixon, der im 1. Bande seiner Refor- mationsgeschichte die Jahre 1529 1&37 behandeli Diese wertvolle Studie eines UltraanglikanerB iat ein Protest gegen die herkömmliche Auffassung der glorreichen Reforma- tion." Für den Verfasser und die Littled alesche Schule handelte es sich darum, nicht nur die ununterbrochene Ein- heit der Kirche von ihren Anfängen an durch das 16- Jahr- hundert hüidurch bis zur Gegenwart, sondern auch die Re- formation als eine harte und einseitige Massregel nachzuweisen. Eine Reform war nötig das ist die einzige Coucession dieses Standpunktes , aber sie hätte von innen heraus, nicht von aussen kommen müssen. Die Gewissenstat eines Luther fehlt der englischen Bewegung: darauf hat die moderne hochkirchliche Schule wiederholt hingewiesen, aber von diesem richtigen Standpunkte aus vergessen, den tatsächlichen Verhältnisaen und der naturgemässen Entwick- lung Rechnung zu tragen. In der Tat hatte in England wie in andern Ländern der religiöse Geist sich wiederholt, aber vergeblich zur Umkehr aufgerafil (in WicUf und den LoUarden), und wie die deutsche und schweizerische Ent- wicklung zeigt grade Wiclifs Geschichte, dass ohne die energische Sympathie des Laientums alle ernsten bessernden Anfänge unterdrückt worden wären. Dixon aber hält dafiir, die ,j sogenannten" Ursachen der Reformation sämmt-

266 KBITISCHE ÜBERSICHTEN. L BUDDENSma,

lieh übertrieben worden sind. Jedermann rede von der Verderbnis des alten Systems ^ dem Einfluss des deutschai Protestantismus und der treibenden Kraft der neuen hu- manistischen Ideen ; und jedermann ^^habe sich daran ge- wohnt; das Alte dem Neuen gegenüber zu stellen^ als ob das zwei einander widerstrebende Kräfte gewesen wären " '). Vieles davon müsse man aufgeben als geschichtlich unwahr. Schon beim Beginn der Reformation hätte das alte System Expansionskraft genug bewiesen, die neuen, Wissenschaft und Kunst umgestaltenden Ideen au£sunehmen, und hätte nie in den unversöhnlichen Widerspruch mit der religiösen Ent- wicklung kommen dürfen, wenn nicht absichtlich und ge- waltsam zum Bruche getrieben worden wäre. „In England wenigstens scheinen keine Kräfte gewirkt zu haben, die

1) So s. B. Marie, wie oben gezeigt; den gleichen Standpunkt in gemilderter Form vertritt Gladstone mit der ganxen Schärfe ein- dringender Beweisfohrong und mit geschickter Grappirong und Wertung der einschlagenden Verhältnisse in seiner reformationsge- Bchichtlichen Studie „The Sizteenth Century arraigned before the Nineteenth^* in der Contemp. Bev., Oct 1878. Der Aufsatz ist ein Beitrag zur ritualistischen Frage und eine directe Entgegnung auf die selbstbe- wussten Bemerkungen des Abb4 Martin, der den Ritualisten durch idealisirende Schönfärberei den letzten Schritt in die „wahre Kirche hinein" leicht zu machen gesucht hatte und von Gladstone diese derbe Lection über die grundlegenden und trennenden Gredanken des Bomanismus und Protestantismus hinnehmen muss. Von diesem Gegensatz legen auch die „Origines Protestanticae or Suggestions fbr an bist inquiiy into the origin of the prot. relig." (London 1878, Longhurst) Zeugnis ab; aber der Gegensatz sei älter als das 16. Jahr- hundert; denn die schöpferischen Anfange des Protestantismus ge- hörten keineswegs diesem an; der Protestantismus sei so alt wie die Eürche, und was grundleglich in ihm sei, das seien nichts als gno- stische und manichäiscbe, paulicianische und priscillianistische, katha- rische und albigensische Gedanken, die vom Gegensatz gegen die Kirche ihr Dasein gefristet. Der Gegensau sei also so alt wie die Kirche selbst, und darum sei Vemiittlung eine Unmöglichkeit. (Als ob ein zürnender Katholik hinter dem Anonymus sich Terbärge ! Und doch scheint nur ein verbissener Anglikaner hier zu reden, der „je weiterhin er die geistvollen Geiianken Bossuet's in depotenzirter Kraft reproducirt ", mehr und mehr die Littledalesche Schule verrat.)

nicht Bcbon vorher sich lange gemig und mit demselben Grade der Kraft geäussert hätten, als ein Zufall die Reform plötzlich herbeiführte" (I, 3 und 4); darum „ist für vieles, was geschah, Revolution" der rechte Ausdruck. Wenn die Kirche ihren eigenen Dienern überlassen worden wäre, „würde der gegenwärtige Zuatand der Nation ein besBerer sein" (I, 7). Von diesem Standpunkt nörgelnder Misgunst aus sucht nun Dixon die wichtige und schwierige Frage nach dem Verhältnis des Klerus zu der reforraatorischen Be- wegung zu beantworten. Obgleich die Leihmg der Kirche in Fragen der Disciplin und der Verwaltung der Kirchen- güter ihm genommen wurde, verblieb ihm die Reformation der Lehre, zwar nicht in seiner berufenen Gesammtvertretung (Synoden, Convocationen u. s. w.), sondern in einzelnen ad hoc gebildeten Coramissionen. Die Reformation verläuft Dixon nun in zwei Strömungen , zuerst derjenigen der HerauB- bildung von Formularies of Faith, dann der Acts of Uni- formity of Religion; und darin liegt die Eigentümlichkeit der Dixonschen Darstellung, dass er mit Benutzung vor- züglicher Quellen (namentlich der einschlägigen State Papers) die Gleschichte und Fortbildung dieser autoritativen Formu- larien in den Lehr- und Disciphnfragen und der einzelnen Acte kirchhcher Glesetzgebung verfolgt Dixon erblickt mit andern in Heinrich VIII. die causa raovena der Neu- entwicklung, aber sein Charakterbild weicht wesentlich von dem herkömmlichen , besonders von dem enthuaiastischen Froude's ab. „Allen voran stand der König, mehr als irgend jemand der Mann seiner Zeit: ein Mann von Kraft ohne Grösse, von grossem Geschick, aber ohnn idealen Gedanken- flug, peinlich, aber unscrupulös, gegründet auf sich selbst; habsüchtig und verschwenderisch; eher versclilagcn als scharfsinnig; von massloser Leidenschafl und unerträglichem Stolze, aber alles Ehrgeizes im edeln Sinne bar: ein Cha^ mkter erniedrigter Grosse. Die einzige Eigenschaft, die ihn nicht zum blossen Revolutionär werden Hess, war seine Vorsicht, unter constitutioneller >md legaler Form zu han- deln." So hatte ihn kaum der Tod vom Erzbiscliof Warham jiefrei^ als er zu Th. Crumwell, seinem Werkzeuge, sich ein

268 KRinSCHB ÜBERSICHTEN. L BUDDENSIEO,

zweites atussuchte; damit das Haupt des Triumvirats seine Wünsche unter formell gesetzlichem Schutze ausgeführt sähe. Cranmer war der Mann; er ;; übertraf beide an Fähigkeit^ er besass viel von der Leidenschaftslosigkeit des Diplomaten^ litt aber dabei an einer Unentschiedenheit und einem Mangel an Schlagfertigkeit; die ihn oft in die EÜüide unbedeutender Männer lieferte und häufig die Zweideutigkeit seiner eigenen Haltung verursachte. Diese grossangelegte, zaghafte und ungeflige Natur .... wurde die Feder, die Hand, die Stimme der Männer der Gewalttat und Verschlagenheit, die damals die Geschicke des Staates und der Edrche in ihrer Hand hielten.^' „Es ist ein Unglück, wenn solch ein Charakter aufgefunden und ausgenutzt wird; denn er ist fähig, mit

klarem Gewissen den schändlichsten Verrat zu begehen

Seine Vorzüge dürfen uns nicht blind machen gegen die Tragödie, die sich unter seinem Primat abspielte, uns auch nicht vergessen lassen, dass er erst der Sklave Heinrich's und Crumwell's, nachher Somersefs, Paget's und Northum- berland's war, dass unter ihm der Reichtum der englischen Ejrche sich in Armut verwandelte, und dass er den grauen- haften Verbrechen zweier Regierungen keinen Widerstand entgegensetzte, ja selbst seine eigenen Hände nicht ganz frei davon hielt. In Lehrfrageu wandte er sich von einer Posi- tion zur andern, mit der ganzen Schar der Neuerer an seinen Rockschössen, bis er zuletzt bereit schien, die Ea- tholicität der Kirche an die Sacramentirer aufzugeben. Und dennoch wurde im 16. Jahrhundert keine Veränderung vor- genommen , die nicht schon im vorhergehenden vorge- schlagen, und die nicht schon ausgeführt worden wäre, wenn der Erzbischof Anmdel nicht ein anderer Mann ge- wesen wäre als Erzbischof Cranmer." *) (I, 155 156.) Das

0 Das Buch von Waters: Genealogical Memoirs of the kindred families of Thomas Cranmer , Archbishop of Canterbury 1533 1556 etc. by Chester W." (London, Robson & Sons) ist eine genealogische Studie, welche u. a. eine originale -Biographic Cran- mer's und seines Sohnes aus noch unpublicirten Quellen giebt; der Letztere hat bisher keiner biographischen Untersuchung unterworfen

DIE SEFOBM.-QESCmCHTL. AEBEITEN ENGLANDS. 1878—78. 269

genüge, um den Gebt dieBer hoc ii kirchlichen Reformationa- historik neusten Datume zu kennzeiclinen ; von Lutherschem und evangelifichem Geiste ist aicht viel darin zu Hpiiren. Das haltlose Schwanken zwischen der Anerkennung der be- rechtigten Eeform und des noch hochwertigen AJten ver- rückt dem Verfasser, der übrigens flieseend und interesHant schreibt imd die besten Quellen benutzt, so dass wir eine „gelehrte" Arbeit vor uns haben, den klaren Einblick in die Gestaltungskraft und die Berechtigung der refoiinatori- Bcben Ideen; und damit wird die Auffassung mancher wich- tigen Erscheinung (z. B. der ganzen „Lollardie") entweder unhistorisch oder tendenziös. Das Letztere gilt in voll- stem Masse von den um die Person Heiiu-ich's VLU. sich gnippirenden Skizzen, welche Dr. Lee veröffentlicht bat. Die- ser fanatische Vorkämpfer des Anglikanismus geht viel weiter ab Dixon, sein gemässigter Geisf^Bgcnosse ; nachdem nämhch die Froudesche „wohlwollende Deapotentheorie" in ihrer An- wendung auf den Reformationskömg fast allgemein verwor- fen worden ist, sucht diese neueste anglikanische Schule sich mm Meister der rcformationsgeschichtlichen Situation da- durch zu machen, daaa sie ins Gegenteil umschlägt Hier wird einem die Tendenz in so widerlicher und ungründlicher Weise auigetragen, dass die innere Unwahrheit ihrer Con- struktion uns auch unempfänglich für die Vorzüge derDar- itellung macht. Lee, der Verfasser des berüchtigten „Di- rectorium anglicanum", sieht in der Reformation nur „einen Triumph der Bosheit, des Verbrechens und der Tyrannei", Mne „irreligiöse Isolirung Englands" von Rom. Dieser OebtlJcbe der enghschen Hochkirehe hat sich dabei für seine Schrift das Material Brewer'a, Croaby's u. a. entgehen lassen,

weiden köiuieD, ireil von öiux nicht tlnij Geringste bekannt nax; wie der Sohn Helanchthon's, war dieser Spross des ersten prolestantischon Pri- mas von England ein unwürdiger Charakter, der schlioBslicli 1598 im höchrten Elende starb. Das Ganze bildet einen Teil des von dem- ■elbcn VerfaBscr 1877 veröfifenl 11 ctiteu Werkes ; „Geiienl. Memoirs oftho _ fitiact &milieB of Cbicheley, thcir anccstors aud desceudatits."

270 KRTTISCHE ÜBERSICHTEN. I. BUDDENSIEa,

schöpft aus höchst untergeordneten Quellen ^) und ist voll Leichtgläubigkeit und Unvorsicht in der Benutzung an- rüchiger (z. B. Harpsfield's und Sanders'). Zu den bei- den Vorgenannten, auch zu Perry, steht Creighton vielfach im Gegensatz. In sehr geschickter Zusammenstellung bietet er auf 96 Seiten überraschend reiche Belehrung; Cranmer ist mit viel Sympathie behandelt, Wolsey dagegen unter- schätzt. Die Untersuchungen über das Prayer-Book sind aber ungenügend; das gegenwärtige trägt nach den Aen- dei*ungen der Hampton-Court Conferenz und derjenigen von 1662 von dem Prayer-Book Eduard's VI. einen durchaus ab- weichenden Charakter*). Das Taylor' sehe Buch ist ein

1) Vgl. die Correspondenzen über diesen Punkt Academy, Nov. 30 und Dec. 14, 1878 (die Recension von Gardiner und Lee's Replik).

<) Green, der bekannte und vielgelesene Bivale Macaulay's, steht in den hierher gehörigen Partien zu Dixon und Lee gleichfalls in einem mehr sachlichen Gegensatz. Seiner Short History ISsst er jetzt eine „History of the English People" (Liondon 1878, Mac- millan & Co.) in 4 Bänden folgen , von denen der 2. (enth. The Mo- narchy, 1461—1540, The Reformation, 1540—1603) unsere Periode in Untersuchung zieht. Wäre Green kein Oxfordman ", man müsste ihn für einen Schüler von Heinrich Wuttke halten ; während Dixon ge- flissentlich alle Bewegung, die unheil- und die segensvolle, von oben nach unten geschehen lässt, gehen hier die bewegenden Kräfte vom Volke aus: Geschichte ist Selbstdarstellung der Volkssele. Diese Me- thode kann für England wenigstens den Anspruch auf Originalität und Neuheit machen, aber sie ist von Green weder consequent durchgeführt (vgl. z. B. das „England der Elisabeth*^), noch hält sie sich von den notwendigen, aus ihren Voraussetzungen entspringenden Mängeln frei. Was Heinrich VHI., der doch wenigstens ein Patriot vom Kopf bis zur Zehe war, seinem Volke gewesen, ist nicht genügend in Rech- nung gestellt, und weil der „Historiker des englischen Volkes" zu eingehenden Detailstudien, selbst über die folgenreichsten historischen Momente nicht kommt, findet sich auch im einzelnen oft eine Auf- fassung von Hauptercignissen, die zwai* original, aber auch ungenau ist und der allseitig anerkannten Tatsächlichkeit widerspricht. Der Bruch Heinrich's VIII. mit Katharina ist unzweifelhaft der Ausgangs- punkt seiner folgenreichen Frondirmig gegen Rom. Nach Green ist die Heirat Heinrich aufgedrungen worden von Isabella*, Heinrich VII., der gleich nach dem Tode seiner Königin sich nicht gescheut habe, selbst seiner verwittweten Schwiegertochter Anträge zu machen, sei

DIE ItEPOEM.-GESCHICHTL. ARBEITEK ENGLANDS. 1876-78. 271

Wiederabdruck, vennehrt durch eine Einleitung Dr. Mar- tineau'a, die in ihren zeitgemässen Betrachtungen über Er- scheinutigen der Gegenwart zu den Ergebnißaeu des auf höchet umfasaendem Wissen und syetematisirender Gelehr- samkeit bendienden Tayler'aehen Buclies doch nichts neues fügt Voll zarter Pietät für die religiöse Arbeit seines eng- lischen Volkes giebt Tayler eine Geschichte der nationalen Cultur nach ihrer religiösen Seite, nicht eine Geschichte der Theologie. Die Schilderung des englisclien UniversitätslebeoB, der höheren Bild ungaan stalten, der kirchlichen sowohl wie der nonconformistiBchen, CromweH's Interesse an Oxford'a Entwick- lung sind sehr interessante Studien '). Von dem umianglich

3ber dkse spaniache Ofiorte entsetzt gewesen, und Julius II. habe die zir»te H^rat erat gebilligt, naclidein von spaniscber Seite ihm die Ungültigkeit der erston Heirat nacligewtesen norden sei. Das altes ■lad Punkte, die, wenn sie der Tatsüchltchkeit entsprächen, Heiurieh ganz andere Waffen für seine spätere Haltung in die Hand gegeben hätten, als die elenden Ausflücbte und fadenscboinigen Argumente, die er ins Feld führte. Eine Glanzpartie des Buches, was Gruppirung der Tatsachen, Oiiginahfät der Auffassung und Schönheit der Darstellung angeht, ist die Schilderung Englands unter EUaabeth , in welcher Grecn's Volkstribunie einmal das „Weib" über der „Röoigin" yer- gUct- Uebrigens ist das gunze Werk, indem es die Gesamtgeschichte Englands in nur 4 Bändeu geben will, so coiutruirt, daas von neuen Erträgen für die reformationsgescbichtljclie Specialforschung wenig lu verzeichnen ist ; es lag das wobl auch nicht in des Verfassers Absicht. 1) Das Reed'sche Buch: „Storj of Christianity from the Apostles etc." (.London 18TT] ist eine kirchengeschichtlicbe Erzählung für populäre Zwecke, ohne wissenschaftlichen Wert, und The Story of Beligiou in Engid.", by Brooke Herford (London 1878, KeganPaul & Co.) ein „book for young folks", das einen we:üg ver- sprechenden Titel hat. Miss Watson'sCompiktion: Knox and the Reforaiation Times in Scotland" (Glasgow I87a,Dunn& Wright) verdankt ihre Entstehung lediglich dem Patriotismus ihrer enthusiastischen Ver- üuserin; el>enso sind die Stars of the Reformation; Sketches of emi- nent reformers etc. byj. Milton Smith (London 1878, Partridge Ä. Co.) ohne originale Studien. In die ClHsse der „goody books" sind bu rechnen J. Lloyd, Sketches of Church Ilist. in Scotland (London 1877, S. P. 0. K.) mid E, Nanglea, Hist. of the Reform,, I. Ger- many, 11. tireat Brit., III. SwitEcrland (London 1877, Warne). ~ J. J, Blum, Sketch of the Reform, in England (London 1877, Teggl

272 KKITISCHE i^ERBICHTEN.

angelegten Buche, welches Dr. Killen über die Entwick- lung der irischen Kirche veröffentlicht hat, gehören nop die mittleren Partien in diese Ueberaicht Der Präsident des Preabytcrian College besitzt nicht die nötige historische und theologische Objectivität , die religiöse Kraft des Mittelalters selbst in ihren Ausschreitungen zu bereifen. Indem Killea von dem Gegensatze der ältesten irischen Kirche gegen Rom ausgeht und die Entwicklung dieser Differenzausgleichung durch das ganze Mittelalter hindurch verfolgt, legi er für die Reformationsperiode wesentlich Gewicht darauf, dass die ent- sittlichenden EinäUsse des Papsttums, des Indulgenzenweeens, der religiösen Verfolgungen, und namentlich die grausame päpstliche Behandlung der von der englischen Tyrannei Ver- folgten die gleiche nationale Erbittenmg gegen das unter- drückende herrische England ab gegen Rom erregten. Darum war auch der Einäuss der reformatorischen Ideen auf Irland von England aus nur ein beschränkter. Andrer- seits war die Masse des irischen Volkes nicht, wie es in Deutschland und auch in England der Fall war, durch die rasch sich verbreitende Kenntnis des Wortes Gottes oder die weite Verbreitung evangelischer Schriften für die Aufnahme des Evangeliums vorbereitet. In einem „derartig gearteten Lande erregte die Verkündigung der königlichen Suprematie die Aufhebung der Klöster, die Vernichtung solcher Lieb- lingsreliquien, wie des , Stabes Jesu', Widerstand anstatt beilUlligen Enthusiasmus; und die Gewalttätigkeiten des re- formjrenden Bischofs Browne erweckten viel eher Gefühle des Unmuts als der Teilnahme." Die protestantischen An- lUnge in Ulster, die Crom well' sehen Expeditionen mit ihrem unglücklichen Ausgange und die furchtbaren Leiden und Verfolgungen der mächtigen sich befeindenden Parteien ')

und J. H. Blunt, The Beform, of the Chnrch etc. I: 1514— 1547 (London 1878) Bind mir unzugÜngÜch geblielKn.

1) Eine popQläre DarHtellung dieser Kämpfe giebt R. S. Brooke, Recotlectiona of the Irish Church, sei. I. I87T; ser. 11. 187S (Dabliii, Hodges Poster & Piggix), ohue Anspruch auf Wissenschaft liehe Be- handlung zu machen. Von gleicher Tendenz und Ansführnng sind

DIB BBFOBH.-QESCgiCRTL. ABBETTEH ENOLAITDB. 18Tfl-78. 273

finden interessante Darstellung. Das Gegenstück zu dJe- aen irischen Verfolgungswiiren bieten die tüchtigen Arbeiten, welche seit einer Reihe von Jahren Pater Morris über die Verfolgungen der Katholiken von seilen des reformirten England veröffentlicht. Nach den Acten des High Court of ComnuseionerB for Ecclesiastical Cause» in York, unter dessen Competenz die Verfotgungssachen fielen, erfuhr der katholische Norden Englands eine sehr harte Behandlung. Nachdem der Anistand Rob. Aske's unter Heinrich VlII. noch nicht lange mit grausamer Hand niedergeworfen worden war, riefen die katholischen Sympathien dort eine zweite Erhebung, viel enei^e- und auBsichtsioser als die erste, aber tur die ka- tholische Partei viel folgenschwerer, hervor. Die Furcht vor weiteren Ausbrüchen des religiösen Geistes brachte in die Verfolgungen System, und die High Court Commission in York nahm eine ganze Reihe von Repressivmassregeln mit äusserster Strenge vor; die ganze Pro^iz hatte sich ausnahmslos der reformirten Staatskirche zu unterwerfen, systematische Belästigungen und Verfolgungen begannen, und ein ausgebildetes DenuacJantentum ahndete jede Abweichung. Ich kann auf die Einzelheiten nicht eingehen, die zum teil die rührendsten Zeugnisse von katholischem daubensmut unter der fanatischen protestantischen Verfolgung ergeben ; im allgemeinen arbeitete die Verfolgung im Süden mit mehr Erfolg als im Norden; dem Hauptträger des katholischen Widerstandes, Richard Holtby, einer wahren Wüstenfigiir, dem Gegenbjlde des Pater Gerard im Süden, hat sie nicht nnmal seine Freiheit nehmen können. Auch Dr. Roger liefert einen Beitrag zur englischen Martyrologie in seinem Bache über G. Wishart; zu den biographischen Details von Foxe und Buchanan hat er nichts Neues hinzugefügt. Das Resultat seiner Arbeit faast er selbst in die Sätze zusammen: „Wishart nahm die Gabe der Prophetie für sich nicht in Anspruch; er verrichtete keineprieaterlicheuFunctionen; er war

J. H. ThoüiBOn'B The Martyr Graves of Seotland, ger. II (London 1877) imd Notice of historial Persons buried in theChurch of St. PeWr etc. ^ D. C. Bell (London 1877, Murray).

J

274 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. L BUDDEKSma,

ein Anhänger der Versohnungslehre; er conspirirte nicbt gegen Beaton.^' Aber N. Pocock wirft Roger mit Recht vor ^), dass es ihm nicht gelungen sei^ seine G^ner zu widerlegen (Burton^ Froude, Lorimer und Tytler), wie denn überhaupt der Wert des Buches nicht in seinen historischen Partien liegt; wertvoll sind aber die beig^ebenen^ sonst schwer zu erreichenden Originaldokumente: Mitteilungen über die erste Verfolgung Wishart's (aus einem Cotton-Manuscr.), Wishart's Uebersetzung der Confessio helvetica^ die auf einem Tractate basirt, welcher wahrscheinlich schon 1548 in London in black letter gedruckt wurde. Dies ist insofern wichtige als Wishart's Uebersetzung bereits den Uebergang von der stren- geren Zwinglischen Lehre (von 1536) zu der calvinistischen Form (von 1548) darbietet, in dem Passus von der Taufe: ^^Sacro lavacro infantes nostros idcirco tingimus, quoniam e nobis, qui populus Domini sumus, genitos populi Dei con- sortio reiicere nefas est, tantum non divina voce hac desi- gnatos, praesertim cum de eorum electione pie est praesu- mendum.'^

m.

L J. Eadie, The English Bible, a history of the yarioos engl, transla- tions of Scripture. 2 voll. London 1876, MacmiUan.

2. Fr. Fry, A bibliographical Description of the Editions of the New Test. Tyndale*s Version in English ; with numerous readings, com- parisons of text etc. London 1877, Sotheran & Co.

8. [Parker], The First Prayer-Book of Edward VI. , comp, with the successive revisions of the Pr. B. Oxford & London 1876, James Parker & Co. Daiu : An Introduction to the Hist. of the success. revis. of the Pr. B. Ebendas. 1877.

4. W. H. Kartlake, Tho Litany of the English Church, considered in its history, itii plan etc. London 1878, Pickering.

6. W. M. Hetherlngton, Tho History of the Westminster Assembly of Divincs. 4^^ ihI with woto» otc. by R. Williamson. Edinburgh 1878, JamoM Oommol,

e. A TnMityso mndo by Johftu I^mbert unto K. Henry VIII. conceruyngo \\\h npiuiou in tho Siicramout of the Aultre etc. Auno dorn. 1538 {q(. Acttd.. iJ-l. Nov. IST7\

») Vgl. Acad., Mär« 1870.

DTE SETOKH.<OE6CRICHTL. ARBEITEN ENOLAKDS. l8T«t-T«. 376

7. J. Hm«r, The 39 Articies of thc Chureli of Eiigk&d. A bist. ä ipecul. expoaition. Vol. I. London 1878, Hodder & StODghton.

Ueberhaupt habco aich in den drei letzten Jahren, in unzweit'elhafteni Zusammen Imnge mit der tractsnaniacbeii Be- wegung, um Bibel, Bekenntnis, Prayer-Book und das Altar- ritual eine ganze Reibe hiatoriacher Studien gruppirt. Iter verstorbene Dr. Eadie batte die Resultate der bisherigen Bibeluntersucbiingen in etwaa breiter Sprache, aber doch mit Beherrschung des Gegenstandes ') zusammengestellt und die Geschichte namentlich der Tyndaleschen Uebersetzung, ihrer fünlinaligeD Heviaion, die Arbeiten Cüverdale's, Rogoi-'a, die Oreat Bible, die Genfer, Hheimaer und Douaysche Ueber- Ktzung in den Kreis seiner Untersuchung gezogen. Inzwi- «heD sind seine Specialstudien, soweit sie die Arbeiten Tjii- d»le's betreffen, weit überholt worden von dem sorglUltigeQ qnd grmidleglichen Buche Fry'a, das fortan auf diesem Oehiele als Standard work anzusehen sein dürfte. Fry hat in selbstlosester Weise sich den oiTuüdendsten Studien unter- lOgeOf freilich auch füi- Jahix: hinaus weitere Forschungen »nf dem von ihm bearbeiteten Gebiete entbehi-lich gemacht. Nachdem er in einer früheren Ausgabe des Tyndaleschen Neuen Tcstamentä die Provenienz des ersten vollständigen englischen Neuen Testaments aus einer deutschen Druckerei (von Peter SchöfFer zu Worms, dem zweiten Sohnedes bekannten Mainzers) ik sicher erwiesen, hat Fry seine umfassenden bibbographischen Kenntuisse einer Beschreibung und Vergleichung der vierzig Ausgaben des Tyndaleschen Neuen Testaments (1525 1566), I »wie zwei Ausgaben der bischi .fliehen Uebersetzung zuge- viuidt und deren gegenseitiges Verhältnis zu bestimmen ge- sucht Er hat nicht um- fast alle 42 Ausgaben selbst Zeile Rir Zeile nacligesehcti, sondern auch die speciellsten \''er- . Eichungen zwischen den verscliiedenen Ausgaben der ein- :n Jahre voi-genommcn und kommt zu dem Schlüsse,

mT**""

> Da^pgPD kXJ. R. Dorc: „Old Bilile»^, an accouiii of tbe varioua mi- of thc Ettgl. Uible" (London ISIS, Fikcriug) eine vorurteüs volle, tseiwchaftiiche Arbeit, ZaiUthr. (. K.-O. IT, i. 19

276 KBinSCHE ÜBERgICHTEK. I. BUDDEKSXEG,

dass die sogenannte G. H. Ausgabe vom Jahre 1535 1534 (von dem Monogramme G^e^* H auf dem zweiten Titelblatte), welche die Notiz trägt ;,yet once agayne corrected by Willyam Tindale^', die letzte, beste und reifste Textausgabe der Tyndaleschen Uebersetzung ist. Die Roger'sche Ausgabe (Thomas Matthew) von 1537 ist im grossen und ganzen eine Wiedergabe der letzten Handausgabe Tyndale's; das- selbe gilt von den Ausgaben der Jahre 1551 1553, deren Noten sämmtlich von der Voraussetzung ausgehen, dass G. H. als die Standard edition zu betrachten sei. G. H. aber basirt auf der Martin Emperowr Ausgabe von 1534, aus welcher nicht nur die Noten, sondern auch die Irr- tümer, selbst die Abschnitte (mit den Anfangs- und Schluss- zeichen) mit herübergenommen sind. Auf diese genauen bibliographischen Studien Fry's werden nun vorläufig alle weiteren Arbeiten über das Verhältnis der Tyndaleschen Testamentsausgaben unter einander und zu anderen zurück- gehen müssen. Interessant ist fiir uns Deutsche die Be- merkung, dass Tyndale, der englische Flüchtling, in der un- vollendeten Kölner Ausgabe von 1525 die Sätze der Luther- schen Rechtfertigungslehre noch mit Entschiedenheit vertritt, und auch seine Noten zur Ausgabe von 1534, soweit sie die Lehi'e betreffen, noch entschiedenen Lutherschen Geist atmen, der sich wesentlich von den Calvinistischen Ideen unter- scheidet, die in den Einleitungen zu späteren Ausgaben (seit Eduard VI.) zum Ausdruck gelangen. Schon in der wich- tigen Ausgabe vom 27. Oct. 1548 wird damit der Anfang gemacht und (in den bekannten Juppe'schen Ausgaben) seit 1552 stehen sämmtliche begleitenden Noten im Dienste eines Bjyptocalvinismus, der stark mit Zwinglischen Ideen *) ver-

1) Wie weit und tief diese Einflüsse in einem früheren Stadium des englischen Reformationswerkes gegangen sind, ist eine Zeit lang controvers gewesen. In der englischen Uebersetzung! der Confession, welche Zwingli 1530 Karl V. überreichte, wird genaueres darüber mitgeteilt, vgl. : TheRckeninganddcclaracion of the faith and beleif of Huldr. Zwingly bischoppe of Zürigk . . . sent to Charles V. that nowe is Emprour of Rome; holdinge a Perlemente or Cownsaill at Auga- brough with the cheif lordis & lemed men of Germanye. The yere

DIE It£P0BII.-SE8CHICHTL. ARBEITEN BNOI.ANDS. 1S7S— TS. S7T

setzt ist Die maasgebende Ausgabe von 1552, von Eda- ard VI. privilegirt, läset in ihren Noten einen interessanten Einblick in die rein Calvin istischeii Ansichten der Theologen tun, in deren Hand die Revision des Prayer-Book unter Eduard VI. lag. An diese für die Geschichte der eng- lischen Bibel epochemachende Arbeit reihen sich schicklicli die Forschungen, welche Parker uns über das Prayer-Book bietet; zwar seine Neuausgabe des ersten Prayer-Book's Edu- ard's VI. hat, seitdem Cardwell 1838 die Ausgaben von 1548 1552 nebeneinanderstellt«, lediglich den Vorzug der übersichtlichen Anordnung und hübscher Ausstattung '), Da- gegen haben wir in der Einleitung zu diesem First Prayer- Book, welche Parker dem Textbuche bald hat folgen lassen, ehien böcbst schätzbaren, von ungemeiner Belesenheit zeu-

d OUT loi-de MDXXX in tbe mooethe of Julje .... Traaslüted & imprynled at Züryk in ÄUrche a. D. MDXLIII," Vgl. Acad., Sept, 21, 187P. Der Uebersetzer, wahrBcbeinlich ein unter den Verfolgungen der Act of the 6 Articles leidender Priester, giebt in einer Eiiileitang (vom Jahre 1543] interessante Streiflicbter über die tiefgehenden Wirkungen dieser Acte, die bisher als unvirksame Maearegel ge- golten hat, und neist durch seine vollxtändlge Uebereinstimmting mit Zwinglischen Ideen nach , inwieweit die schweizeriachen Gedanken Plan gewonnen ; denn sclion die Tatsache der englischen liebe i'setzung deutet auf ein aligcmeiBercs Verlangen nach der so gefussten Be- kenntaisschrift hin, wie ja auch zwölf Jahre später, als der schwei- icrische Charakter der englischen Itefonnation entachiedeu war, Th. Cottesford dieselbe Confession für seine Landsleute übcri^tzte. Eine andere zwingt ianiache Abhandlung Über die biblisch und gottes- dienstlich berechtigten rituellen Formen vom Jahre 1543 (Oor Savioor Jesui Christe hat not overcharged bis chirche with maoy ccrem»- nies .... esaye X, MDXLIII in Febru., vgl, Acad. ebendas.) bewdM dieaeo Einflusa weiter,

1) unter dem Teito des die obere SeitenhStftR füllenden ersten Pnjer-Book's finden sich in kleinerem Druck samintliche Revisionen Ton 1552, ans Eliaabeth's Regierung, der Hampton- Court Confereni, der Laod'schen achottiachen Liturgie von 1637 und des Prayer-Book'i Ton 16C2, der Grundlage des gegenwärtigen, „The Book of Common Pmyer, its history & contents", by C. Ives (London 1878, CollioB, Sem & Co.' ist eine Compilatio» für Schulzwecke aus Wheatley's ver- brdteten „Rational lUuatrations of the Prayer-Book".

lö»

278 KRmSCHE ÜBERSICHTEN. L BCDDENSIBa,

^enden Beitrag zur Geschichte des englischen RefonnatioDB- iituals ^). Diese mehr als 500 Seiten zählende Einleitong enthält in ihrem historischen Teile unter allen auf diesem Gebiete erschienenen Werken die genaueste Darstellung nidit nur der vorgenommenen Aenderungen, sondern auch der Aen- denmg«notive und -methode. Parker behandelt zwar die Rubriken^ die gegenwärtig umstritten werden, eingehender, im übrigen giebt er aber in gleichmässiger Behandlung die ganze Gheschichte des englischen Rituals von dem ,, Order of ihe Oommimion^' vom 8. März 1548 bis zum Standard Prayer-Book der Restauration von 1662 ^) und macht an den einschlägigen Stellen Mitteilungen über sämmtliche et- schienene Ausgaben, Abdrücke, Uebersetzungen u. dgl. Auch die 42, und schliesslich die 39 Artikel sind in Behandlung

1) Zu dieser Greschichte enthält auch das im übrigen rein poli- tische „Chronicle of England during the reigns of the Tudors, 1485—1559, by Ch. Wriothesley", ed. by W. Douglas Hamilton, vol. n (London 1877, Camden Soc.) mehre beachtenswerte Notizen. Seit •Mai 1548 wurde in St. Paul's die englische Messe eingeführt, noch ohne eine autorisirte Version des lateinischen Textes, und in derselben Kirche wurde das neue Prayer-Book, welches erst zu Pfingsten 1549 zur officiellen Einfuhrung gelangen sollte, schon mit der Fastenzeit desselben Jahres in Gebrauch genommen, lieber die weitere Ein- führung der neuen Religion unter Elisabeth lässt sich der Chronist gleichfalls aus ; seit dem 14. Jimi 1559 wurde das Prayer - Book Eduard's VI. in verschiedenen Londoner Kirchen wieder in Gebrauch genommen, nachdem bereits am 1. Juni durch eine Proclamation der Königin der kircliliche Gebrauch der Landessprache angeordnet wor den war.

2) Auf dieser Ausgabe basirt das gegenwärtig im Gebrauch stehende. Wie sehr dasselbe dem Geiste und dem Ausdrucke nach von den früheren Fassungen des Prayer-Book, namentlich dem ersten Eduai-d's VI. abweicht, zeigt Pocock in seinen „Priuciples of the Reformation shown to be in contradiction to the Book of C. P." (London 187B). Damach wären die Schlussrcvisoren des Prayer-Book von 1662 nicht mehr von demselben protestantischen Geiste beselt ge- wesen als die leitenden Theologen Eduard's VI., und „die englische Kirche ist deshalb keine protestantische mehr." Ob auch Dean Stan- ley unter demselben Titel: „The Principles of the Reformation ", im Christian World Pulpit, Dec. 1876, denselben Gegenstand behandelt, resp. die Positionen Pocock's angreift , habe ich nicht in Erfahrung bringen können.

IBM.-OESCHICBTL. AltBElTEN ENGLANDS. ISTG-TP. 279

jezogen, obgleich sie niemala im eigentlichen riinne des Wor- tes einen Teil des Prayer-Book bildeten; grade deshalb ver- niast nuin die Untereuctiung darüber, wann und wie es Uesen Sätzen gelang, sich einzudrängen und zu behaupten. 4m auBlulirlichöten ist der Einfluss Cosin's und Sancroft's luf das Prayer-Book der Restaui-atiün behandelt, sodass man liesen durchschlagenden Untersuchungen gegenüber jedenfalls licht mehr mit Bischof Laurencc in dessen Bampton-Lectures 3ehaupten darf, dass schon Eduard's Prayer-Book alle wich- igen Punkte der gegenwärtigen Fassung" enthalte. Parker tiat bald, nachdem er diese Behauptimg auligestellt, Gelegen- oeit gehabt , sie gegen Lord Selbonie ') zu verteidigen in leinem Briefe an diesen Vertreter des vielbesprochenen Kids- iale-Judgement *). Beide Schriften behandeln im wesentlichen üe Frage , ob den sogenannten advertisements EÜsabetli's von 1566— 16G2 und damit auch noch gegenwärtig Gesetzes- kraft innewohne, oder ob sie nur Tageszwecken dienten. Sel- [K)me bejaht den ersten, der angegriffene Parker den zweiten Fei] der Frage, die in ihren weiteren Conseqnenzen gegen- wärtig recht eigentlich eine Zeittrage des enghschen Hoch- drchentums ist. Dagegen hatKarslake seine eingehen- ien archäologischen Studien auf die englische Liturgie in lirer Gesammtheit ausgedehnt und die Genesis ihrer ein- Eelnen Teile in ausführlicher und übersichtlicher Weise gegeben. Ohne in seinen Untersuchungen über die Orientali- nnen und occidentalen Fonneln und Glaubensregeln Neues SU bieten, vei-folgt er doch die Herkunft der einzelnen eng- ischen Formeln aus den altkirchlichen Schätzen in über- Eeugeader Weise und liefert daduroii interessante Beiträge über das Verhältnis des englischen Ritualgrund buch a zu seinen urchristhchen und mittelalterlichen Vorgängern. Wllliamson hat, nachdem die Auffindung umlangreicbea . Materials die alte Ausgabe wertlos gemacht hat, sich

') Note» on some passages iu Ihe liturgical history of the re- I Kugl. Churcli, By Lord Selborue, I^ndon 1877, Murray. *; U. d. T.: Did Queeu Elizabeth take „other order" in tbe „ad- Tertisementa" of 1566? By J. P. Oxford 1878, Parker & Co.

280 KHITISCHE CBEHSICHTEN. I. BfDDENHIlS^

einer Neubearbeitung dea bekannten Hetheringtonschen Buches unterzogeu, Sie ist iliin nur teilweise gelungen; seine con- aervativeo Neigungen haben das alte Buch noch gerettet, während der veränderte Stand unserer Einsicht in die Ge- schichte der Confeasion ein neues Buch forderte. Vielleicht wäre es ihm dann auch möglich gewesen, nachdrücklicher „die eigentümliche Bedeutung der Assembly, durch welche dieselbe sich von andern Specialconvocationen , z. B. der Synode von Dortreclit unterschied, hei-vorzuheben , nämhch die ener^sche Absicht der Väter von Westminster, die englische Kirche auf so breiter Grundlage imd mit so weit- herziger Toleranz zu reorganisiren, dass England nicht nur in sympathischen Contact mit den übrigen protestantischen Ländern Europa'» käme, sondern auch die Vormacht der protestantischen Sache in Europa zu sein vermöchte"'). Der Aufsatz ,L amber t'a über das heilige Abendmahl ist bereits in der letzten Ausgabe von Foxe, Acts and Monu- ments, zum grössten Teile abgedruckt Hier haben wir das neu aufgefundene Original. Lambert selbst erÜtf den Feuer-

i) DbbBucH vonD an i e 1 : „History of tlie Prajer-Book"(LondoD 1877, Gardaer) habe ich nicht eiuaeben köuneu. Lediglich rituelle DetaU- fragen finden ihre Erledigung in einem Artikel der Church Quart. Rcv., Ja:i. 1878: „The anglicau form of Ordination", welcher die Be- hauptung ausführt, die Reformatoren Eduard'a VI. seien von dem Ge- danken ausgegangen, dass auf Joh. 20, 22—23 der Ursprung de» Prieslertums , auf 2Tiin. 1, 6 7 derjenige dea Episkopat» sich gründe; ferner in Blcw: „The Altar Serrice of the Church of EngL in the 2* year of Edw. VI." (London 1877, Pickeriug) und: „A Gate- chiam on the Ornaments Rubric" by C. S. Grueber {London 1877, Parker] ; diese wahrscheinlich im Zusa:nmeuhang mit der trac- tariauischen Bewegung stehenden Studien gchco davon aus, dass die bekannte Omumentsrubric sich nicht lediglich auf 'las erste P.-B. Eduard's VI. (1H9) beziehe und dass demzufolge aller rituelle Schmuck, der im „zweiten Jahre" Eduard's, d. h. 1548 gesetEmässig war, auch jetzt noch anzuwenden wäre. Der ritualistischen Bewegung verdankt auch die Arbeit von Jelf; „Rituaüsm, Romanism and the EngUsh Beformation " (London 1876, Longmans Sc Co.) ihre Entstehung; ich kenne nur cinzelue Partien derselben, welche in Citateuforra sich be- reits in deutschen Arbeiten finden, wage aber nicht, darauf hin ein Urteil über ihren Wert abzugeben.

DIE KEFORIf.-GESCHlCHTL. ARBEITEN ENGLANDS. 1B76-18. S81

tod im November 1538 wegen seiner Abweichungen von der Lehre der TransaubBtantiation, und zwar namentlich auf Betreiben Cramner'a, der personlich mit ihm über eine Lehre disputirte, die er seihet nicht glaubte, und ihn filr An- nchten verdammte, für deren AufrechterhaJtung er selbst nicht viel spfiter den gleichen Tod erleiden muBste.

Was endlich die historischen Untersuchungen Miller's anbetrifi^ so treten dieselben vollständig liinter seinen Specu- lativen Versuchen" zurück. Bei letzteren handelt es sich um ein Systematisiren der einzelnen (in diesem ersten Bande nur der fünf ersten) Artikel unter gewisse leitende dog- matische Gesichtspunkte , die der Natur der Sache nach ■u UnzutrSglichkeiten flihren und gewisse Artikel in die Zwangsjacke des Systems stecken. Die neue Nomenelatur, wie Ecclesialogie, Armatialogie, Prognoseologie und Prothe- ■iolo^e kühlen einigemmssen das Verlangen nach weiteren, idbit historischen Forschungen.

IV. L li. Tjtina^i, The Life and Titnea of the Rev. John Weslej,

H. A. 3 roll. Fourth edition, London 18T7, Hodder & Stough-

ton. 1 The Life of the Re». George Whitefield, B, A. 2 voll.

Ebenda«. 1S77. 1 J. Forter, A comprehensiTe Historj of Methodism, Ciucinaii

I67G. 1 W. C. Holden. Historj- of MelhodiBm. Londou 18T7, Weslej-an

Conference Office.

Die nachreformatorische , an den Namen Wesley's sich kofipfende Bewegung ist in den letztvergangenen Jahren wiederholt zum Oregenstand der Untersuchung gemacht wor- den, und grade gegenwärtig (Sommer lti79) macht eine an Wesley anknüpfende Arbeit des tätigen Expremier Qlad- Rtone ') ungemein viel von sich reden. Aber man kann lagen, dass der Umfang und die Zahl dieser Arbeiten im

>) The Evangetical Movement; its poreotage, progrese and issue. fly W. E. Gladstone. British Quart. Review, July 1879.

3S3 KRinSCBK ÜBERSICHTEN. T. BUDDENSÖS, ~'

allgemeinen m keinem Verhältnis zn ihrer Gut<t stehe. Das Tyermann'ache Buch zwar ist eine solide Arbeit, ea li^ bereits in 4. Auflage vor, ist also keine neue Erscheinung ' ). Dieselben Eigenschaften besitzt in erhöhtem Masse die neue Arbeit Tyermann's, das Leben Whiteiield's. Es ist eine vollständige und erschöpfende Biographie; das Material wohl gesichtet, die wanne Detail Schilderung ansprechend, das Ur- teil unparteiisch und schart', das Gebotene ziemlich vollstän- dig; auch dies wird die Standard biogi'aphy für methodi- stische Bibliotheken werden. Die Arbeit Purtei'a bleibt hinter derjenigen Tyermann's zurück; sie ruht aut' einer gewissen Engherzigkeit der AulVassung und leidet an „dügmatischer Rohheit". Das Holden'sche Buch ist aus zwei einiger-

I

1) DasHelbe gilt von dem mit eDthuaiaatisclier Wärme von eiuem Methodisten für Methodisten geschriebenen Buche vou Ste- vens: „The History of the Religions Movement of the 18"> Cent., ealled Mpthndism", 3 voll. (London 1877 1878. Wesleyao Con- ference Office; gilt als Standard editiou für diese Kreise), Die schaif- BÜmige Studie von J. Bigg in ißi Contemp. Rev., Sept, I87G: „The ChurchmanahipofJohnWeBley", bietet fürdieBeurteilnngdes „Kirchen- maimes" Wcsley interesBante Gesichtspunkte. Auf Macaulay's und Ckilliflgworth's Arbeiten fussend beweist Rigg , dass Wesley die apostolische Succession als Fabel betrachtete, da«a er zu keiner Zeit sich der high sacramental doctrine zuneigte, und dass ihm deabalb nach seiner Bekehrung das eigentliche Kirchcoideal verloren ging; alle Fragen der Disciplin waren ihm irrelevante; er beabsichtigte die Oriiuduug einer Oemeinschaft, welche Glieder der verschiedensten Be- ketiulnisse in sich vereinigen sollte ; dazu hoffte er im Verlaufe der Sache einen grossen Zuzug von Geistlicben aus der englischen Hoclikirche, ao dass die Glieder seiner Gemeinde, auf diese Weise mit den Sacn- menten wirksam versorgt, in der Hauptsache in der Hochkirche blai' ben konnten. Gegen Ende scbes Lebens kehrte er bewusst zu den, Positionen seines Anfangs zurück und protestirte namentlich gegen seine, die Sacramente austeileudcn Geistlichen, „mehr jedoch darauf hin, das3 sie nicht von ihm autorisirt seien, als darauf hin, dass ihnca die Ordination durch einen Bischof fehle". Die weiter hier- her geböiigoi Arbeiten von Stevenson: Memorials of the Weslej family*' (^London 1876, Partridge), femer Uockin: „Wesley and modern Wesleyanism " (London 187(J . Hayes) und endlich di^ „Curious Letters on tbe Wesley family", im Quiver, Jan. 1878 hab«? ich nicht in diu Hunde bekommen können.

DIE 11EP0BM.-GE8CHICHTL. ARBEITEN ENGI^iNDS. 1B7B-T8. 283

massen dieparaten Teilen zusammeugeechweisst ; es ist zum Besten der aüdafricanischen Methodiatenmiaaion geschrieben und ist ohne allgemeinerea Interesse wie ohne wissensehafl- tdien Wert.

Was schliesslich an biographischen Details über die Idtenden Perwinlicbkeiten der lieformatioa geboten worden iat'), hat keinen Anspruch auf eingehende Ei-wähniuig in dieser Zeitschritit. Ebenso wenig hat die Erasmusliteratur fflne nennenswerte Bereicherung ertiahren *) , obgleich Eng- tand diesem Manne, soweit man das aus den Neudrucken seiner Werke schlieasen darf, neuerdings ein ganz besondere» Interesse entgegenbringt.

■i Gi bsOD Crai g : Half-Leiigtb Porträts " (Londou 18(ü, Samp- ln, Low Sc Co.) enthält MitteiluDgen aus Lutbcr'a Jugendleben. Biroes: „M&rtin Luther, tiic prophct of Germany" (London 1877, Wnlejan Conf. Office) ist lediglich Compilation, uicht einmal aus den betten Quelleu. „MeUucton bs Educator", in Fraser'a Magazine, Ok. 1876 stellt in einer pädagogischen Studie Mclanchthoo «Im den Ixkuoteu praeceplor Oeraiiuiiae hin.

*) Daa Moria« Encomiam hat Veranliissung zu einem Artikel in l^ule^'s Blagftz., Mai 1S77 „Erasmus" gegeben, der darauf hinweist, JiH Eiaamn«. ein vir integer sceterisquo pums, iutellectaetl seinen Zeilgenosseii weit voraus gewesen sei wie kein anderer und die Ge- brechen seiner Zeit in einer Weise gegeisselt habe, die auch noch fnr ^e nnsure ganz und voll gellen könne. Neuerdings hat E. Copner (iae wohlgelungece Uebersetiung der berühmten Satire gedruckt; „The Fraise of Folly, transl. with eiplan. notes by E. C," (London 1878, Williiims & Norgale). Die Johnson' sehe Arbeit endlich; „The whole fiuniliar CoUoquies of Erasmui, ed. with notes by E. J." (London 1877, Heeres & Tunier) ist eiu Neuabdmck einer recht guten UdieiMtiiuig der Gespräche des Erasmus von N. Bailey.

ANALEKTEK

i^^^^i^s^^^^^^^^^^r^

1.

Heber eine den Brief an Dio^net enthaltende Tflbin^er Handsrhrift Psendo-Jnsün's.

Von

Dr. phil. Karl Johannes Nenmann

in Halle a. S.

Von der im Jahre 1870 verbrannten Strassborger Jnstin- handschrifty bekanntlich der einzigen, welche den Brief an Diognet enthalten, waren bisher zwei Abschriften bekannt, das Leydener apographon Stephani und das verlorene apographon Benreri, von dem wir durch Stephanus und Sylbnrg Kunde haben. Auf der Tflbinger Universitätsbibliothek befindet sich, wie ich ermittelt habe, eine dritte Abschrift desselben Codex.

Der Tubingensis ist eine Papierhandschrift des XVI. Jahrh. in klein Quart und fahrt die Signatur M. b. 27. Er besteht aus 186 numerirten Blättern. Vier nicht numerirte Blätter stehen vom und fünf am Ende. Sie sind leer; nur auf dem ersten hat Martin Crusius, der frühere Besitzer, den Inhalt der Miscellan- handschrift angegeben und mitgeteilt, dass er dieselbe am 8. Juni 1606 habe binden lassen. FoL 1^ 87^ hat M. Bernhardus Hausius aus Ejiielingen im Badischen, ein Schüler des Martin Crusius, für seinen Lehrer abgeschrieben. Das 1. Stück, foL 1* 14**, beginnt mit den Worten raSe dal ra ntQUxofifva ir ToTg ngoxTixoTg rrjg olxov/Ätytxfjg Tghijg avroSov, inl d'foioahv ßaaiUtag, xarä reazoglov {u(>crixot. Fol. 6** 8^ ist leer, und fol. 9^ setzt da ein, wo 6^ aufhört. Dies erklärt sich durch die Annahme, dass Crusius den 2. Quatemio später erhalten hat als den ersten, eine Annahme, welche durch die Worte des Crusius selbst fol. 1^ margo bestätigt wird. Sie lauten: Misit mi ^ Durlaco M. Bernh, Hausius, gustü seil, ex eodice manuscr.

NEÜHANN, KINETÜB. HANDSCHBIFT DEB GP. ADDIOOVET. 986

Graeco, jm ipse D. D. Joanni Pistorio ibi iJescribit. Accepi 14. Januar. 1580. Tybingae. M. Crusius. Fol. 15. 16 sind wieder leer. Fol. 17' 47* (n* ist leer) folgen Epistolae ali- quot, ex Ephesinae terliae agnodi actis (. qui libir manuscri- piuS, et tietustus admodum, phorcae in bibliotheca Reuchliniana asserualiir .) coUectae, anno SO. Crnsiiia bemerkt dazn, dciss er dieselben am letzten November 1580 von Hausius erhalten habe. Fol. 48—50 Bind leer. Fo!. 51*— 87» (leer sind fol. 51*, 66S 67*) enthalt wieder eine ÄbBchrift des Hausius; die Hand lätist daran keinen Zweifel. Hit diesem Stücke werden wir uns weiter QQten genauer za beschäftigen haben. Daraus, dasa Crusias nichts hinzugefügt bat, gebt hervor, daes er dies Stück zugleich mit dem Toransteh enden am letzten November 1580 erbalten hat. Fol. 87*, 88—90 sind leer. Eb folgen fol. 91» 169* Almönov livSoi (sie) Barharo-graece, &x impresso Veneliis exemplari, und fol. 170* (170* ist leer) 184 politische Verse 'aiav^waig lüv xvpiov r^^äif Itjaov x^iazov. Diese beiden Abschriften hat Cruaiua im Jannar 1585 von Daniel Schnhmaier erhalten. Pol. 184*. 185 igt wieder leer. Endlich enthält fol. 186 Eicerpte m MaximuB Margunius de processione spiritus sancti von der Hind des Crusius.

Fol. 51* enthält die Wort«: Liber Graecus Joannis Eeuch- ÜM pliorcensis, emptus ä pdicatorib. ex consensu carthusienstum ftident. Codex hie dklus S. Justinus compleciitur folia 200 U 60. Fol. 5'2 enthalt eine Inhaltsangabe der Benchlini sehen Hudachrift, die ich vollständig mitteilen muss. Sie laatet: Tov o/ini iovmtvov, <pti.oao(pov xal ^ugjvpog tciqI /loi/a^X'"? '<>*' iHti, [| Tov uviov \iiyoQ napuimixog ngog VXXtjyag. \\ Tov aiiov &#(OiS niaitlog Tiigl 1^5 OQ&tii Vftokoyiaq (sie), ijroi ntpl rpöJo;. II Tov airov npös ?).).-^yag. || Toü avroü npö; itöyi'ri- lor. II T^s aißvV.jjg i^-9'giuag ari^oi. \\ X^Tjafiol rtüy iXXtjyf mw SuSy. II jiSr/vciyo^oti a&^r,vaiov ifiXoaötpov /(nuriltcof' npt- tßtüt Ttfp'i TÜf /QiOTiayüy. \\ Tov aiiov ntgi äranTÜanog. || AnlypaifOy intaioXiZv ypufpna<!iy nw^ä yv^i/Xilov tmaxinov äXt- Scm)(t/(u; Tigog yiaroftoy. || 'Ex tov ßiov tov Iv äyioig np<r Tßäy &ioäii)poii iniOxOTiov H^nrjg, avy^'puif^yTog nttga SiiaiXtlov InidxCnov ffi^atjg, üyiipiov uviov. || (Fol. 52*:) Tov ayiov xv~ fÜXov Tiifii niaitiag. \\ ytöyog oTT/XiTivTixog itaiä ä^fiiyltuy, || naga löiv apfitvloiy nupaXoyU)g yiyofttya hui So^al^Ofjiyu. || ^kiyxog aa<frjg liÖv xaia ta/,iaXtjTtay (sie) x«J rijg tfXvat^tag icü»- ioyfiätbiy avKÖy. \\ 'E^OfioXöytjoig tov äytov KvpiXXov. \\ 'A3^a~ raSffni iniaxonov ngog ioßtavoy (sie) uvyovinoy nigi ij^^; n/arnag ÖQ9oäö^ov. II 'EgiLTTjffig aiß'irj^mvov (sie), ^roi tuxwßkov. \\ Sißiijfiaywy , i;rO( taxtußhi/ir (sie) npog n;»- op&öäo'^oy nlaiiy arri^tdig. || Maxafiof 9foäiäQOV itiiaxönov Ka(itöy ntffi noXXär

366 ANALEKTEN.

<fvatiaäv. [| 0iotiov mQt tov üAu(i. Ij Ma^if-iog tiä aoifiZ aoXo- fitövTi xaJgfir nfpi iiüv jioXhdv xu'i «(ripüfO/iixiuK, (sie) || ElM Ver^leichung mit der Bsäulireibuug des Codex Argeatorntensis bei Otto, corp. apolog. IIP, p. XIII sqq. zeigt, <lass UausiuB ans ihni daa Seinige abgeschrieben bat. Die Inbalta übersieht ist toh 'Aytiyguffov inimoMäv an voUätüudiger nud genauer als die sum- marisciie Angabe bei Otto, p. XIT. Hausius hat jedoch nicht al]e Stücke abgesehrieben, die sich iu dem Codex Reuchlins fan- den, sondern nur folgende: 1) lovaityav J.oj'os npof 't1Xr,ya^ (fol, öS" 56'' med.); 2) Tor uiVotJ (sc. 'lovaiiyov) ripöc ätö- yv^ov (fol. bQ^ med. 66" med,); 3) Xpjjf>;UO( tiüv iXi.rjyait» StÜy (fol. 67' »7" med.). ^

Von den X^ijaftni ttär fXXfjvixMv itiöiy habe ich eine volt Btäodige Abschrift genümmen. Es sind Excerpte ans der 9eooo(fi6 eines Anonymus. Bei weitem unvollsiändigere Auszüge aus der- selben &fiiao(fia hat üustav Wolff aus einer Neapolitaner und Florentiner Handschrift im Anhange zu seiner Ausgabe der Fra^ mente von Porpbyrios" nfp! rfe fV i.oyiajy tpiXoooqiag heraofr gegeben. Es ist der Mühe wert, die TQbinger Excerpte voll- ständig ZQ publiciren, und ich werde dies nächstens tun.

Den köyng n^üg "EXk-rji'iiq habe ich mit der ersten Otto'schea Ausgabe verglichen und den Brief an Diognet mit der zweit« Qebhardt-Harnack'schen. Von meinen CoUationen wird Herr Prot Harnack gelegentlich Gebranch machen. Ich beschränke mid auf Folgendes.

Das apographon Hansii (S"") stimmt häufig mit dem apo- grapbon Benreri (Br"') auffallend überein. Es ist aber daraus nni anf die Lesart dea Argentoratensis zu schliessen und nidit auf engeres Verwandtschafta Verhältnis zwischen H"* nud Br°" ; vielmetu sind beide unabhängig von einander direct aus dem Argentoratenöi geflossen. U°" kann schon darum keine Abschrift von Br°" sein weil es Alter ist. Crusius erhielt das apographon Uausii bereits aa letzten November 1580. Dagegen ist das apographon Beureri enri nach IbüG angefertigt worden; denn Stephanus bemerkt im Jahn 1692, er selbst habe vor 6 .lahren, also 1586, den Argentoraten»! benutzt,Beurer aber nach ihm; c f. Stephan, edit. praef., p. lun. p, 9% Es wäre aber möglich, dass Beurer das apographon Uausii bennW hätte. Diese Möglichkeit wird durch die Angabe des Stepbaui 1. I. p, 97 'eodem (sc. exempl.) usi sumus' noch nicht unbedingl ausgescbloBsen ; wohl aber durch Stellen, wie p. 161, 11 Gebbardti Harnack. Hier bot Br'"' in Uebereinstimmun^ mit dem Aüff (nach den CoUationen von Cnnitz und Beuss) iii; i^;, nährend

an Stelle dieser Worte leeren Ruum gelassen hat FJÜ die Annahme aber, dass H"" und Er™" aus ein und deraelb« Abschrift des Arg. geflossen seien, bietet sich gar kein Anhalt

HEÜMANW, KINE TÜB. HÄNDSCHRIFT DER EP. AD DIOQNET, 287

Das apographon Hansii, die älteste Abschrift des Argento- I ntmsis, dürfte in einzelneu Fällen die Angaben von Cunitz und I SeuBe rectiüciren. Im Wesentliclien nird es dazu dienen, ein I Ztngnis Ton der Genauigkeit abzaleg-en , mit welcher die Strass- I biujer Gelehrten ihre Collationen angefertigt haben.

Epistolae Reforntatoniin.

lll. ■)

:itgeteilt von Otto IValtz in D.irpat.

1

In der Hoffnung, über einige zweifelhafte Punkte der deut- schen ßeformationsge schichte urkundliche Äuf]clfi.rung üu finden, ^orcbblattert« ich im Sommer 1879 die Handschriften vei-zetchnisse 4ec kaiserlichen öffentlichen und der akademisohen Bibliothek in St Petersburg. Unter anderm war mein Augenmerk auf die so schmerzlich vermisaten Briefe Spalatin's an Martin Luther ge- richtet. Da stiess ich im Catalog der lateinischen Manuscripte der öffentlichen Bibliothek unter Q. 15 n. 12 auf folgende Ein- leichnung: D. Martini Lutheri et I^U. Melanthon. ciiistolae ad Georffium Spalatinum, qui Saxontae duci ac deetori Fride- rico ab epistolis et sacris fuU circa annum Christi MDKVIII. tt autographis fidtiiter deseriptae circa annum MDXLIV et tequ«ntUiu8 annis a Michaile Chüiano Noribergense , SpalaHni oifnalo. Ex kts nuUaa hactenus impressas, nee in Caüestini, ntc Äurifabri, neque in Manliana vidi neque in Peticeriana iditione ex bibliotheca Martini Friderici Seidelii, cßnsiliarix Branderüiurgici. 4'^. Der Titel klang vielTeraprechend. War ich dem Briefwechsel der Heformatoren mit dem kursächsischen Hof- kaplan endlich auf der Spur? Zu meiner grössten Enttäuschung bestand der verheissungä volle Band aus einem dünnen üeftchen van einer Hand des 17. Jahrhunderts, das nicht viel mehr ent^ bielt, als eine AuCzählnn^^ der Briefe, welche in den c<>ild. b'A hia 56 a nnd c im Corpus reformatonim I, CII gesammelt sind.

:. oben Band U, S. UlfT. SOUfT.

268 ANALEKTEN.

Nur einige kurze Angaben über vier nnbekannte Uelanchtbon- schreiben liesaen eich hier gewinnen.

Dagegen bot der Codex E. 842 der St. Petersburger Cff(>nt- lichen Bibliothek eine eehr willkommene Ausbeute. Er trägt die Aufschrift: Epistolae Marlmi Lutkeri, Philippi Mel. et älioruvi, □mftuat 247 Quartaeiten und stammt aua der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderte. In dem gut geschriebenen Copialbuch stehen ausser den nachfolgenden bisher ungedruckt«n Briefen 21 Erlasse des rectoT academiae Vit eher gensis , welche hin und wieder Me- lanchthon's Namenszug aufweisen und grossenteils unbekannt sind. Dann finden sich Ergänzungen und gute Varianten zu schon Ter- fiffentlichten Schreiben unserer beiden Reformatoren. Man ersieht daraus aufs neue, in wie Terstümmelter Form so manche wichtige Schriftstücke Lnther'e und Melanchthon's uns überliefert sind.

Melanchthon an Paul Eber ').

8. Juli 1540.

Egregia ßde et doctrina piaedito magistro Paulo Ebero in aedibus Phüippi Melanch. amico cbarissimo.

S. D. Postridie poatquam a me disces-sisti, mi Paule, ingressi Bumns profecturi Isenacum; vectationem tuli mediocriter, quam Bcis alioqui mihi Jucundam esse. Itaque dolebam me non pro- fecturum esse tecum praesertim cum hie nnlli usui sim. Et tali meo tempore non possum non magno desiderio affici domesticoe consuetndinis et restri. Quanta vis morbi ^it audivisti coram, qui etsi nonuihil remisit, tarnen adhnc haeret. Sed oro deum, ut caiisae medeatur. Et is quidem, qui me in tantum luctum conjecit '), nunc poUicetur, se obtemperaturum noatrorum studiia.

De conventu nihil habemus ä'^töXoyor, nondum instituta est collocutio ac ne spes quidem est disputationis praesertim verae ot Candida«. Epiacopus Mutinensis missus a Romano pontifice ad regem Ferdinandmn negat posse principes aliquid constituere de rebus ecclesiasticia sine authoritate romani pontiflcia, promitttt synodum in Germania. Haec praetexuntnr tantum, quia metannt liberam liberae nationis coUocutJODem. Btsi Qermania plns satis

b

1) Vgl. Chr. H. Siit: Dr. Paul Eber, der Schüler, Freund v AmtsgenoBse der Reformatoren. Heidelb. 1843.

t) Landgraf Philipp von Hessen durch seine Doppelehe.

WALTZ,EPISTOLAEREFORMATORUM. HI. 289

iubtt hypocritamm , qui cootra conscientiain defendant tlSoiXo-

lualar et opes suaa, potsDciam aat volaptates tneantnr.

Episcopus Vuirceburgensis electus est quispiam de Bibra, tpmi praedicant esse placido et tranquillo ingenio. Uanc ob cuBam fortasEe praelatus est Mauritio et Danieli. Habnit uter- qiig qnaedam suffragia. Meae uioti et fiüae salutem dicito, qass ipaim et filium tibi commeDdo. Bens vale. 8. Ju)ii. Isenaci. Anno 1540.

0. M. Cod. cbartac, bibl. pobl. Petropolitanae nr. E. 842 f. 125 >).

Melatichthon an Paul Eber.

14. November 1540. Epregia doctrina, Tirtute et fide piaedito magistro Paulo

Hiatoriam conventus tanc scribam, ubi congresans incboabitnr. ^ua hactenns otiosi Granvelium eispectamus, cnius voluptatem *) ^e bodant. Sed qaaDtum illi largiantar, quantA« Eint sima- lationea procemm, saepe iam eiperti anmus ravTa. ^loi i^

6i diBpatatio procedat video non breve certamen fore. Qaare ■ili breri intelliges noa accepisse tuas literas, condncito iatiiic Hrtro nomine tabellariDia, qni lit«ras et a mea familia et a (hoveTi, Chiliani, Chamiciani *) et Schabelii ') forniliia »dferat.

') Nach deniEelben Codex f. 17 gebe ich einige Varianten nod Er- riuDngeit za dem Briefe Melancbthon'» an Lnther vom 25. Juni 1530. Cotp. RefartD. II, 125: „qaomioaB ad soa sciibas. Scripsi tibi initia NKTeotoB in prooemiie conventos: in propositione, in commemoratione luJoniiD pnbliconuD, in coostitiiendo ordine rernm delibcrandarum. Tarde prooedont ista at acilicet apnd Gennanos et potios habnit pedes coa imiiu generia Bchismata. De Tnrcis novi nihil habetor, tarnen bnc iflertnr, eem adbnc domi parare eipeditionem. Certe adversarii noatri it» nobia minantur, ot oatendant se proreum oblitoB pericnli Turoid nnfirmabia com de pane dominico."

») Volnntatem?

s) ae£* iv yoihna, »«,ro.. llias 17, 514 = 20, 435. OdjBSee 1, aS7 = 16, 129; 1, 400-

•) Ändreaa Frank ans Camestz, Professor in Leipzig. Schon 1518 hatte ihn Melanchtboo kennen lernen,

') Nieol. Scheabel, Professor in Leipzig.

J.

2B0 ANALEKTEN.

Jltsi enim exerceor cura earom rerum, qaae hie impendent» tarnen non possam ubliviaci domestica; nee tantnm iam praesentia xx)gito, sed fatura. Eelypsis in libra (agoaxonoiofj ir rtj yiykau ififi iigicit mihi soUicitudinem, quanqnam, ot dicam vere, qnod res est magis publieae tranquillitatis, cura angor. Mitto ad te fiiseir colnm literamm, ut distribuas iis, quibos inseriptae sunt. Hör- taberis etiam singulos, ut respondeant per tabellariomy quem istic condnces, ut jam seripsi. Scotos quispiam apud nos est nomine Macabeus, huic salutem dicit Jacobus Scotus, qui huc ex nrbe Boma adyenit, eique mittit duo numismata. Putabam missnrunL ei aliquot aureos, cum has drachmas argenteas protulit. Diceat. ei me eonditionem ipse quaerere ac beue sperare. Saluta meis verbis meam conjngem, filias, ministrum, Fraxineum. Mitto tibi InlyQafA^a a Christophoro Pannonio ^) compositum meo jussu, ut historiae mortis ^ Antonii Angli ') praefigatur. Bene vale. Die 14. Novembris 1540.

Omnino peto, ut istinc tabeUarium conducas. Saluta Stige- linm, quem volo adomare epicedion Eobano. Fraxineo dicas, Budaeum ^) mortuum esse et renovari crudelitatem in Galliis.

it>. M. Cod. Chart, bibl. publ. Petropolitanae nr. E. 842 f. 42 sq.

Nr. 3.

MelBnchthon an Paul Eber.

15. November (1540).

Magistro Paulo Ebero.

S. Heri obsignato fascicnlo literarum narrat mihi Dolseius ^) desiderari hie exempla confessionis nostrae et apologiae, etsi nos quaedam advecta hie distribuimns. Quare statim, ubi has literas accipies, nuntium conduces, cni hie merces numerabitur, acjubebis adferre latinae confessioni« exempla quindeeim, ac eirciter. Nee mittes plura quam Tiginti, nee onerabis nuntium fasee nimis

1) Ohristophonifi Preyss Pannonius. Album acad. VitebergeDS. ed. Foenrtemaim: ,, Chrifitophorus Breies posoniensis" 1536, p. 161.

*) moras; cod.

3) Album a. a. 0., p. 149: ,,D. Antonius Anglus Theologiae Doctor ozoniensis 20. Jnnii" (1533). Melanchthon adscripsit: ,,Bobertu8 Barns/' Corp. reformat. III, 1155. II, 940. Luther's Briefe von de Wette IV, 994. 630«; V, 217. 323.

^) Jo. Sleidani commentarii. .Ed. Am Ende II, 196.

^) Der kursächsische Rat und Bitter Hans von Dokig.

WALTZ, EPiaTOLÄE REFORHATORUM. lU. 391

f magno, praetium etiam significes. NuntJns petat Ljpsiae literaa a fotoilÜB Camitiani ') et licentUti Scabelii '). Deum orate, ut terram rigare velit foecundis imbribus et ninbus. Hie durat siccitas adeo, nt eqni per medium Bbenum incedant feinoribus Bitantee Biipra aqnas. Vitum admoDeas mgi npoaödov, Misi esim öaioxrjv. Hiüchto dicea bic adesse ipsina veteres amicoa Xleresbachinm et GrTiiaeiim, quibuscmn de ipso oliquotiea amanter ^locutus sam. Menin filium tibi commendo, qoem jübebis acri- \on. Salula familiam. Bene vale, die 15. Novembris (1540).

'' 0. M.

^H Cod. chartac. bibl. pabl. PetropoUtaiiae nr. E. 843C. 44.

Nr. 4.

Melanchthon an Justus Jonas.

2. December 1540.

Clarissimo viro domiao doctori Justo Jonae S. D. Magno desiderio literarmn vestrarum teDeor. Nam praeter quae Scotua Aleaius ^J attulit, prorsus nnllas istbinc accepi- mna, cum qnidem poyt Älesium legati ducia Fomeraniae per Vitoe- bergam iter fecerint. Advenit adbuc aranvetlanus, qui orationem habuit de concordia eatis prolixam dictisque mioas regaliter ad- didit *), Dt inqait poeta. Ndiic delit>eratur de ordiue disputaclonis. Nobis igitur hactenos fuit otiuni et an processura alt dispntatio etiam nunc dubito, etsi odsnnt poiiti&cii ac externarum nationum theologi multi. Epiacopi dau Feltrensia et Mutinenaia. Sum ab utroqne inritatua in colloquium, aed nondum eoa adii. Sedeo domi et aut acribo aliqaid aut coofubulur cum amicia Oaiandra, Wenceelao, Grynaeo, Capitoue et aliiä multiä manipularibua nostris. Te etiam atqae otiam rogo, nt scribas ai desunt tabellarii, qni recta ad dus iter faciunt, eures Vito Norinbergam literas mitti. In Belgtco atrociasimum edictum contra nos positum est. InteriiD noB Bomniamus nonniliU laigitnroa nobia esse illos ipaoa edictorom anthores. Deus gnbemet voa. Bene vale.

1) Der Leipziger Professor Andreas Frank aUBCameDtz. Abgesandter dM Herzogs Heinrich ron Sachsen.

>) Der Leipziger Professor Nicol. Si^heubel, Abgesandter des Herzogs Heinrich von Sachsen.

') Aleiander Alesius Scotns, Abgesandter des Kurfürsten Joachim, Markgrafen von Brandenburg. Album acad. Viteb., p. löl.

*) Dictisqae minas regaliter addit. Ovid. Metam. II. 397, ztüMiii. L K.-a. IV. a. 20

292 ANALEKTEN.

Salntem dicito reverenter dominp doetori MartmOy doniM pastori et eonun conjngibos honesüssimis.

Datae Wormatiae die 2 decembris 1540.

Cod. chartae. bibl. pnbl. Petropolitanae E. 84211 190.

Nr. 6.

Melanchthon an Paul Eber.

(27. December 1540).

S. Deus pater liberatoris nostri Jesu Cbristi, conditor omniom rernm, det ecclesiae soae, politiis, qnae sunt hoepitae yerae e^ clesiae Cbristi, literarom studiis, tibi et omnibos amids annam tranqüillum faüstnm et felicem ^). Scripsi prozime ad te bisto- riolam conventus *), nimc quod scribam nihil habeo, nam ne nimc quidem adhnc ulla publica dispntacio inatituta est, quam adTei- sarii miris technis impedire conantnr. Postqnam enim trium principum legati respondenmt, se probare doctrinam ecdeaianui nostramm in duobns articolis de labe originis mom luiji iauu^ avytjg Trjg Ix nlarewg ac Eccianae formulae sabseribeie nolneront» insidiose qnosdam ad suam sententiam retrahere eonali aoni Nam et senis Palatini ') animum tentabant et quia yidebant, ooi omnes pariter instructos esse ad illa Ecciana sophismata dilnddi seorsim singulos trium principum theologos examinare coeperont» ut aliquam dissimilitudinem sententiarum aucuparentor. Etsi solus Alesius omnium nomine palam respondere potuisset, nihil fuisset in ea re periculi. Ac jam auditus erat Palatinus theologos*], qui cum nihil largiretur Sorbonicis et constantiae et eruditionis laudem adeptus est Haec cum gererentur, nostri scripserunt ad Granvelum et ßgaßevrug ac petiverunt, ut coUoquiom promissmo institueretur tandem ac ne permitteretur adversariis suffngii praeripere. Sed ut libera cuique sufihragatio secnndnm formulaio

1) Glückwunsch zum neuen Jahr, welches nicht mit dem 1. Januar sondern mit dem 25. December, d. h. mit Weihnachten begami.

s) Am 17. December 1540. Corp. reformat. UI, 1238, mr. 209i

3) Friedrich von Fleckenstein, Abgesandter des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz. In einem Briefe an Luther vom 28. December IMO nennt ihn Melanchthon senem de Fleckenstein virum graTem et antiquae vir tutis, et cancellarium. Corp. ref. III, 1258.

*) M. Heinrich StoU. Vgl. Joachim! Camerarii de yita Fb. X«* lanchthonis narratio rec. Strobel, p. 187. Camerarius war ICtte D^ cember in Worms. Corp. Ref. III, p. 1234. 1236.

WALTZ, EFISTOLÄE KEPÜKUATORUH. m. 293

HtgoneDsem *) et liteios impeiatoria relioquatür neve libertas dicendae seDtentiae post ogitatas controTsraias adimatur. Hac petitione impeditum eet priTatnm examen. Heri alia forma con- ^essus aliena a formnia Hagonensi propoaita est a praesidentiboB et Oninvelo, quam nostri non accipient.

Eiemplum petitionls et alia commanicabo tibi, nbi rediero. Spero adTersariaB sna importunitate impBditnroa coUoqninm. Bens Tale. Quaeso, ut hae literae diligenter eures. Solutee *) dominam IC dicas ei praeceptorem athJetice ralere.

Cod. chartac. bibl. pabl. Petropolitanae E. 843 f. 122.

^H Melanchthon an Paul Eber.

29. December 1540,

Maestro Faalo Ebero.

S. Celebrantur hie mnltorum sermonibna res maiimae gestae in Asia et Aphryca. Tarcicns tyrannus feitar amisisse Syriam, TiinataDDm patrem aiant a ßlio vnlDeratimi esEe et petere a noatro imperatore Carolo aaiüia contra classem Turcicam. Uis liistorüs eiteinonim reguornm cum hie convivia peratrepant, tarnen in nostra quid agatur, nemo seit. Legati Palatini, Harcbionis elec- ioTia et Juliacensia repudianint articulos Bccianoa, ut Quper aeripd. Postea niliil actum est aiiöXoyoy. Mitto tibi Tereiculos, qu08 corabis eicudi in pagella, qaae possit affigi parietibuB. Salutem opto noatrae canjugi, filiabus et familiae, Müichio, Tito et meo ministro. Bene vale. Die 29 Decembris 1540.

0. M. Cod. cbartac. bibl. publ. Petropolitanae E. 842 f. 121.

I" Ante bidonm dedi ad te literaa, in qnibua breviter c Bormvi ea, quae secuta sunt proiimos literas datas vestro tabol-

Nr. 7.

Ein Ungenannter (Caspar Cruciger?) an Paul Eber.

29. December (1540).

<) Id d«n offici«llen Schriftstücken der Wormier Terhandlongeo n' biKDcht HelancbthoD die Fonn „Baganoeuaem" oder „HagenoeDsem . *) Salutem; cod.

294 ANALEKtEir.

lario. Proposaenmt ßgaßenrai novam coUoqaii formam alienali a formnla Hagonensi. Quam com nostri repadiassent et se non 6886 di8C688Tiro8 a formiila EEagonensi 6t literis imperatoris dixii- senty significayerant quidam Granvelem vehementer cupere, ut ab aliquibus delectis ab utraque parte informetnr, pollicentes eam coHocutiottem non fore praejuditialem nobis ueque qnicqaam pacis- cendom esse aut mutandom in doctrina. Dixerunt non poese ilostros honeste funiliarem informationeiii recusare, quam et Tnreis debeant. Eo nunc decnrrimt^), ne, quoniam publicam dispnta- cionem impedionty nihil egisee yideantar ac nostros apud Caes»- rem deferant, quod desint publicae concordiae et abhorreant & moderatis consilüs. Nostri autem responderunt, se non posse & forma colloquii Hagonoae praescripta ex mandato principom ac dominonun suorum discedere et decretum esse ezpectare respon- sum TfSy ßgaßevTwy, qni quid responsori sunt adhuc expectator. Habes historiam horum dierom. Spero autem brevi finem fore hornm puerilium actionom et deom patrem liberatorem nostri Jesu Christi dissipaturom esse impia adversariorom consilia et eode- fliam suam contra farorem diaboli conseryatamm esse.

Mittit dominus Philippus domino Luthero exemplar duanoa epistolanun exhibitarom praesidentibus % qoas si leges, cognoiees «X eis totam historiam. Mittit et tibi epigramma Stnrmii ad Chiliaanm et suum % Bene yale. Saluta omnes amicos et me excusa, quod nihil scribam eis. Yalde enim impedior occupatio- nibos et magis ab ipsis otiosis literas requiro.

Wormatiae die Mercurii post natalem domini.

Cod. chartac. bibl. publ. Petropolitanae ur. £. 842 f. 124.

Ein vormanung und warnung D. Martini an die Juristdll auf dem predigstuel zu Wittembergic.

13. Feb. Anno 1543.

Hie ist noch eins vorhanden, davon ich wamung thun muä etc. « ^ .

Diese derbe Yermahnong ist abgeschmackter Weise in die

1) decuerunt; cod.

«) Vgl. corp. reform. III, 1254 Dr. 2106 übergeben hora post

Srandium uff montag Job. evang. (27. December) und p. 1256 nr. 2107. Eelänchthon überscfaickte sie an Luther am 28. Deoember 1540. Corp. lef. a. a. 0., p. 1258.

8) Abgedruckt im Corp. reform. X, 565 nr. 176, A and B.

WALTZ, EPISTOLAE REFORMÄTORUM. m.

Tiachreden Lnther's anf^^enommeD. Vgl. Lutber's Werke kug. 62, 245—247.

Cod, chartoc. bibl. pnbl. Petropolitanae nr. 510f, 27*|— 29.

Graf Hermann von Neuenahr an Melanchthon.

21. September 1543.

Domino Philippo Helancli.

Salve plurimum tit omatiseime. Cum impeT Coloniae essem ttqne iDvisere vellem statim literas a parente accepi, qnibos lectis cogebar etiam jejunus Colonia discedeie et ad revereudisai- ffiom quam plnrimum me conferre. Itaque non potui, quod mazime deaiderabam, tao trui jncundisäimo coUoquio et vicisEim tibi es, qnae inter Caesarem et Jnliacensem tractata Bnnt eiponere. Nunc itaque, com minister meus Quilleimus Beczkenn Coloniam proficis- ceretnr, hanc quantulamcnnque scribendi occasionem nactus, ea tantummodo ad te perscribere volui, quae et co^itu neceasaria et non ideo mnltie cognita, mihi tam.en perspecta forent. Primna aathor pacis inter Caesarem et Juliacensem inchoandae fait Hein- ricuB dui Binnsvicensis , cuius animus qnalis omnibus lippis et tonsoribae notum eat. Huius hortatu Juliaceneia in caatra venit (Tenlo oppidnm Caesar tnm obeidebat) commeatu satis amplo a Caesare dato. Foatea tamen praecibus Juliacensie motus reve- rendifisimum archiepiscopnm Coloniensem , coadjutorem ^) suam, parenteral meum et Groperum misit, qni apud CaeBarem pro dnce intercederent. Itaque diu biduo antequam in conspectnm Caesaris veoiret apud QranTellam commoratas est. Tertia die poetquam venerat in castra ad Caesarem dnctoa a Granvella, BrnnaTicenei et legatis reverendissimi. Ibi tamen sapplei ad genua Caesaris procidens venia donatus elt a Caesare, poetquam M deliquisee confessos eat, ac poathac ae in Caesaris poteatate fntnrum promisit Bemisaa est etiam nosa omnibna consUiarüs sobditis et militibns ejus, qnjcnnqne in Caesarem vel in ejus Gubditos aliquid hostUe moliti fnerant. Postea inter Caesarem et dncem bis conditionibua convenit ^).

>) Adolf, Graf von Holstein und Scbanenburg.

i| Wilbelm, Graf von Neuenabr und Mors.

>) 7. September 1543. Wen. TeBcheninaclieri Annales Cliviae, p. 336. SIeidani commentarii. Ed. Am Ende II, 323. L«odii annale«, p. 262. SUtepapen (Menr; VIII) vol. IX, 500Bq.

SM

L CMwi ämtatm OMiiam «t mmMm Zrtnmie Iniiter. Dufoi ek ri|g:MMii]M» «t am inre tao, qiod ad pmalBS ditiofBfls kikott^ efdal

IL FoedaiB ei wutamomm, quyt dn m GaDia perä^ ifriia atto«

HL Dax ei igaa aobdiii, aiye Bol»fle8 aiTe dTÜataa, foedus caai Brabaotia iaeant» iia vi qideiiiiqoe Brabaoioe laeaerii» hosiis aii ei doda tjm aobdütnnnL Idqae foedna mTiolalnliter a poeieris eiiafli ser? etnr«

UIL Dax ei ijoa aobditi contra Caesarem non militabunt amplioa neqoe inimieoa CaeBaria ei qua snbditomiii allo modo Jafabniii ei eeoninL

y. Dnx in caioliea fide conaians permanebit neqne Latiie- raoam baereaim in düionibna ejus pnllnlare patieiur.

VL Caeaar dncatom Joliae dad restitait excepta Heinberga et Zitier ^)y qnae adbnc ad tempua retinens poatea tarnen dnd redditoma est.

yn. CapÜTi omnea liberi aint.

yill. Omnia bona Joliacendam a Brabandis conseenta et oeenpata etiam reddantor.

Hae 8unt conditionea pacta yolgarea, reliqnaa nbi Moraam *) reneria ex me audiee. ünam te celaro non possnm, qnam aegre et grariasime tulit reformationem nostri arcbiepiscopi a Bucero eompositam *}. Atque bac de causa patri meo et coa^jutori in- jnnxit, uti enia verbia archiepiacopo praeciperent, ne quid amplins ante conventum principum et imperatoris proximum temere in religione mutaret, nere amplins snbditos suos damnata iUa doctrina oorrumpi atque inflci pateretnr. Item promisit, se per religiosos

t) Sittard.

*) Moen.

*) Uober den Streit des ErzbischofB mit der römischen Curie im Jahre 1582 geben die Papiere von Simaocas folgende Notizen. Legajo E. 854 f. 164: „Loa memoriales que die el legado en Ratispona por el roei de Jullio 1582 . . . y la rcspuesta de su W»^ a ellos." Schon ?or einigen Monaten hahe er (der Legat) kai. Mat. verständigt Yon den •ehummen Maasnnhmen „deir arcivescovo di Colonia e vescovo Mona- •terien.) luo fratoUo, in uiurpar Tauthorita apostolica, incarcerar linuntii apottolici, levar le bolle apostolice a corteggiani e infiniti altri disordini in ?Uipendio ddla scde apostolica, di S. S^ e della justitia, S. Bq« de- •iderava per ria di justitia castigarli." Antwort: ,,En lo del arcobispo de Colonia y el obispo su horniano, la dilacion, que en esto su M^. ha pueito, ha sido por buonos respettos." Kais. Mt. überlasse dem Papst zu tun, waa ihm gutdUnke. Legajo E. 857 f. 74: M. Mai an Karl V. Bomae 19. Scpt 1582. „El negocio del arcobispo de Colonia se bizo como V. ma^ roandaya, y porque no stava en reputacion de muy buen eecleiiaatico fue bion menester prevenir a todos los cardinales, los quales por servicio de V. Ma<*. fueron le muy propitios."

WÄLTZ, EPISTOLAE.BEPOBUATOBUH. in.

297

doctos et neutri parti addictos viios proiimü imperialibog comitiiB reformationem universalem promul^tornm. Habe« nova satü mnlta, de quiboa censniam tuam et jadicium tuum eipecto. Baue r&le. Bebnrgi ') ipso die Mathaei lö43.

Tili amantissimns

^^B UerraanDua comeB a Neimar.

^K Cod. chartac. bibl. pnbL PetropoUtanae E. 842 f. 196,

^1 Anschlag Melanchthon's.

1. JnU 1544. Äcerrimi et BaeTissimi dolores ex splene orti corpuB meum oppreeserunt '). Ideoque hodie prael^ere Don posBum, qnod ai^nificandnm auditoribus duii, quanim etiam praacibna mcam Titam commeiido.

Frimo die Julii anno 1&44.

©<!. >) ^^ Cod. chartac. bibl. publ. Petrapolitonae E. 842f. 91.

^F Spanischer Bericht über Luther's Tod.

■^ 10. Aprü 1516.

^^ Besolucion j memoria de cartas llegadas a la corte en i Hsdrid fechas a diez dias de abril 1546.

Beginnt: „Qne en las cosas de Alemana se espera que arria bnen resolacion." Kacbdem das Ton nnd Treiben Kaiser Earl's T.

1) BedbQT, Bedburg.

*) VgL Corp. reform. V, 431, nr. 2078, wo Melaocbthon ao Vitoa Theodonu schreibt, „ei spleo eiolceratas est, nt metao, de vits mea actiuQ est".

3) Melanchthoo's Scbreibcn dat. Witteobergae pridie idus Mali anno 1544, welche« im corp. refano, V, p. 392, nr. 2942 ohne Adresse abge- druckt ist, findet sich im cod. chartÄc. bihL pabl. PetTopolitanae nr. 510f. Sa mit der Änbcbrift: „De btgamia. Fhilippna Helaochthon ad magi- stTTun Andream Deibolt." Gut« Varianten. Ein DDgedrackter Brief Hel&nchthon's vom 19. Febr. 1557 wird im MisceUank atalog der kaiserl. öffentl. BibUothek za St. PctersborgCl XVII. MisceUanea I' Q. nr. 176 au^efBhrt.

298 AKA^SKTSN.

wILbrend seines Speierer Aufenthaltes im Man; 1546 sdemlich dusfthrlicb enftblt ist, heisst es in dem Bericht:

„Martin I^utero mono a los 14. de hebrero de una enfer^ medad furiosa y repentina. Dexo siete h^os, que huvo de mia abadesa, qae ayia catorze anos, que era profesa y era noble de la casa del daqne de Saxonia aanqae bastarda. Pocos dias antes que miiriese ayia escrito una exortacion a los principes luteranos amonestandoles que no soltasen al duque brauzwiq diziendo que por mano de dies estava preso poniendoles muchos exemplos de la sagrada escritura para proverlo.

Su mgt entro en Batisbona a la dieta, que alli se tiene con los principes del imperio a diez deste mes de abril . . ."

Cod. chartac. Est. 15. 2, nr. 99 f. 278 i). Beal biblioteca de San

Lorenso del EsooriaL

Nr. 11.

Melanchthon an Johann von Berg.

18. Juni 1548.

Epistel^ P. M. ad Ma. Joannem a Berga.

8. D. Cariasime frater, Über Augustanus nui^c in manibus est multorum, de quo ego et alii collegae jussi sumus scribere nostras sententias. Non respondimus pugnaciter, sed pie et mo- derate et tarnen praecipuos errores taxayimus. Fortassis yolent principes yidere quid scripserimus. Quare siyidebitur ita, venies huc ad describendum. Nam ego pluribus exempla mittere cogor et non ita multi sunt, qui recte describere possint. Erit über Augustanus dassicum novorum motuum. Et jam Argentorati tgunt cives decretum fecisse, BQspanos non in urbem recipiendos esse et pontem Bheni interruptnm esse, ne Hispanicae copiae a4 urbem ea parte accedere possint. Fuit ante bidnum conjunctis % -^ CH in Y ^f qnae proprio denunciant bellum tractui Germa* niae superioris inter Bhenum et Danubium.

Bene yale. 18. Junii anno 1548.

0. M. Cod. Chart, bibl. publ. PetropoUtanae E. 842 f. 38 s).

i) Dieser 485 BL starke Codex trägt die Aufschrift: „Belaciones 4e cpsas succedidas en la Christianidad desde el ano de 1510 hasta el aöp de 1558." Er enthält Briefe, Berichte und zahlreiche gleichzeitige Drucke.

«) Chiflfern, deren Schlüssel fehlt.

') Nach demselben Codex f. 28 ergänze ich das Schreiben Melanch-

WALTZ, EPISTOLAE RETOEMATORrU, Dl. 299

Fehlende Briefe Melanchthon's.

^- -fiftü. JUelanchthon Geori/io Spalalino.

De missa jam ante miai postjllas; mitto tibi unam, illi daaa. ^s Totis nondum absoiutus Über eat. De buUa coenae etc. Cod. chartac. bibl. pnbL Petropolitanae Q. XT, n. 12 f. i. ^- PhH. m^nchthon Georgia Spatatino.

Parabola ista eiponit InnfiöyrifAa molti vocati, paaci electi. ^am com ejicitur is, qui veatia nuptialis non fuit etc. Nolite floriari, qaod fllii Abrahae sitis et Jo. VIII otc.

Cod. cbart. biM. pnbl. Petropolit. Q. XV, or. 12 f. 11, ^' Jftil. Melanchthfm Georgia Spalatino.

m SpaJatine, nibil aeque cupio atque vobis amantiss. de "^QfitiB, si qua in re possum, gratißcari. Neque etc. Ego taus anm, vale 1622.

Cod. Chart, bibl. publ. PetropoUt. Q. XV, nr. 12 f. 11. ^- Iftß. Mdanckthon Magno Duci Megapolitano.

Georgias Sabinus beri binc cum quodam amico eipaciatos «Bt intra tridaum reditnrus, ego igitar ipsius nomine ago etc. Titemb. prid. Cal. Febr. 1529. Vgl. indes Corp. B. II, 567. Cod. Chart, bibl. poW. Petropol. Q. XV, nr. 12 f. 12.

Briefe uBd L'rkunden zur Geschiebte des aoti- Domistlschen Streites.

[itgetoilt Ton P&rrer &. Kaweran in Klemzig bei ZüUichaa. Erste Äbteilang.

^P Ilitget«üt

^K Torben ^gliiither ond

Torbemerknag. Ueber die Oescbicbte des Streites iwigchen ither ond Johann Agricola sind wir durch die reichhaltig«

thon's »om 3. October 154« im Corp. refonn. VII, p. 159, nr. 4375; „Qood literis nequaquam vel compreheodi vel committi pownnt ea, qaat inleiTOgaB, Coram narrarem multa, quae aciie te."

SOO AHALEKTEN.

Publication Fdrstemann'e in seiuem Neuen Urkundenbuche (Harn. borg 1842, S. 291 3f>6) bereits mit einem so nmßnglicbea Material an Briefen, TerföguDgen und sonstigen Urkunden bekannt gemacht worden, daes man beim Durchlesen der dort mitgeteilten 39 SchriftstQcke nobl zunächst den Eindmck empfängt, wir seien hiemit ausroichend und in vollem Umfange aber jene Streitge- schichte nach Veranlassung und Verlauf orientirt. Dass aber auch hier noch eine sehr nmfangliche Nachlese möglich, ja er- forderlich sei, lehrte mich der Einblick in einen bisher, wie ea scheint, ganz unbeachtet gebliebenen Codex der Erlanger Univer- sitätsbibliothek, auf welchen Herr Prof. D. Plitt in Erlangen mich freundlichst aufmerksam gemacht hatte. Derselbe, in folio Nt. 1665, auf dem Einbände die Jahreszahl 1594 tragend*), enthält in Abschriften von einer and derselben Hand eine Brief- sammlung aus dem Nachläse Job. Agricola's, welche die Jahre von 1526 1566 umfasst, also den grOssten Teil der Lebens geschichte Agricola's betrifft. Die Hauptmasse der hier zusammen- getragenen Schriftstücke bezieht sich jedoch eben auf den antd- nomistischen Streit, über welchen unser Codex nicht nur die Mehrzahl der von FCrstemann aus dem Archiv in Weimar mit- geteilten Urkunden gleichfalls bietet, sondern auch noch d&zn eine nicht unbeträchtliche Zahl von Schriftstücken gesammelt hat, welche FOrstemann in Weimar vergeblich gesucht und als ver- loren gegangene bezeichnet hatte. Diese Ergänzungen, welche sich zu den im Neuen Urkundenbuch gesammelten Acten des antin omisti sehen Streites aufSnden Hessen , veröffentliche ich in n Blattern als einen Beitrag zur Befonnationsgeschichte,

1] Gleichen EiDband mit derselben Jahreszahl und derselben Chi&e EM zeigen drei Codices der Ednigl. Bibl. zn Berlin, in welchen sich eine Abschrift des Honotosearon Agricola's , einer barmoDiatischen Evan- gelien Auslegung , befindet. Diese Chiffre, welche auf dem Einband eines anderen gleichfalla Agricola- Schriften enthaltenden CoJei vollatäadiger EMGMZBHZBVL lautet, weist aof die Tochter Joachim's II. Elisabeth Mttgdttlene, geb. 6. Nov. l.W?, vermählt am II. Jan, 1559 mit dem Herzog Franz ütto von Braunsohweig^LÜneborg, aber bereits am 29. April 1559 Witwe geworden , als welche sie ihren Wohnsitz in Berlin nahm ; sie starb am 22. Aug. 1595. FQr ihre besondere Vorliebe fOr den Hof- prediger ihres Vaters spricht ausser jenen Abschriften, die sie von Agri- cola's Briefen und Schriften sich anfertigen lieas, Ktich die DedicaÜon der erst 1586 veröffentlichten Predigt Agricola's Tiber Mnttb. 5 „Aos- legang des | heiligen Sehligmachenden | Enangelij, am tag aller Heili^a | . Berlin, durch Nicolanm Voltzen". [Die Herausgabe besorgte der Berliner Diaoonus Martinas Stral.] Auf ihren Tod dichtete Agricola'a Suho, Philipp Agricola Eisaleben, ein „Klag Gedicht Über den Todt Elisabeth Hagduenen, Hertzog Francisci Ottonis zu Brsunschw. Wittwe"; vgL Kirchner, Die Kur^rstinnen and EQuiginoen anf dem Throne derHohen- ■ollen ], 34öff.; Küster. Alt o. N. Berlin I, 95.

l!

ttAWERiU, BRIEFE ZUM ANTINOMISTISCEBaj STREIT. I. 301

tmd zwar zunächst die ÜTkuoden aus der Zeit vom Be^an des Streitm bis zq dem Arrestbruch Agricoia's und seinem Entweichen nach Berlin im August 1540; eine zweite Abteilung soll dann die bei FOrstemann sehr unvollständig vorliegendea Acten der VsrhaDdlnngen zwischen Berlin nnd Wittenberg in den Jahren 1540 1541 nachfolgen lassan. Ich bemerke noch, da^s ver- schiedene Stücke in Cod. EtI. 1665 mit Cod. Qoth. 1048 Qber- einetimmen; aus letzterem habe ich auch uuter Nr. 9 einen Brief entnommen, der sich in dem Erlanger Codei nicht beßudet. Da die Abschrift in diesem inhaltlich so wertvollen Bande leider von «inem des Lateinischen ziemlich unkundigen Abschreiber gefertigt worden ist, so findet sich eine Fülle sinnloser Lesarten vor, die ich, soweit die richtige Lesart des ursprünglichen Textes sich zweifellos aus dem Zusammenhange ergab, nicht erst in den Teit aufgenommen habe; ich habe in solchen Fällen, zumal ich es mit Abschriften, nicht mit Originaüen zu tun hatte, einfach verbessert. Ebenso habe ich die Buchstabenhäufungen in den deutschen Texten, die wohl nur von dem Abschreiber herrühren, z. B. „mier" statt „mii", „ßia" statt „er", die doppelten „n" nnd „t" am Schloss der Worte, zu beseitigen gesucht, um die Teite lesbarer zu machen.

[Gleichwie FOrstemann seine VeröfTentlichungen über den antinomiatischen Streit mit Schriftstücken beginnt, welche eich auf die [Jebersiedelung Agricola's von Eisleben nach Wittenberg beziehen, so seien auch hier den auf den Streit bezüglichen ür- konden zwei Briefchen Lutber's vorangeschikt, welche die BQuk- kehr des Freondes nach Wittenberg betreffen.]

Nr. 1. Martin Luther an Else Agricola.

13. November 153G. (Cod. Erlang. 1665, fol. 5.)

Meiner freuntlichen lieben geuatter Elsen, Magister Eisslebin, der tugentsamen Frawen vnd sonderlichen gonnerinne aller from- men leuten.

Uein arm Paternoster, liebe Else, liebe geuatter, auch fast mein liebe Tochter. Mein her Kethe lest dir sehr viel guets sagen vnd ist dir ja von hertzen holdt. Den sie deiner wolthat nicht vergieset, vnd kan ich auch wass dartzuthun (als ich grosse hofiiunge habe) dass dn wieder zu vnss anher gen Wittenberg kommest, das werde ich nicht lassen. Denn ich gedencke deinen

s. J

302 ANALEKTEN.

Maustet helffen antzubringen, so best ich kan, wie er dir wol wirt sagen. Hiemit Qot befohlen ynd gleubest, dass ichs mit dir ynd den deinen treulich meine, so weit mein yermngen reicht ^). Gk)t helffe vnss (wie er den thuet) allen ynd bore *) ynser gebedt. Amen. 1536. Montag nach Martini.

Grasset mir auch yon ynseretwegen deinen lieben Sohn ynd Tochter ynd Schwester ').

Martinns Lnthems D.

Nr. 2.

Martin Luther an Johann Agricola.

15. December 1536. [Cod. £rL 1665, foL 6.]

Yiro hnmaniss. in Christo M. Johanni Agricolae, ministro Christi in Ecclesia Eisleben fratri sno.

G. et pacem in Christo. Ea quae scribo tibi, mi Agricola, nemini neqne dixeris neqne scripseris. Sed mutos maneas, donec hnc yeneris, ubi andies, quae audire necesse est Quare te oro, nt yel die Innocentinm yel sequente post Natalem Christi hie assis in domo mea, non tuo sumptu. Ita est mandatum. Aderit et Amsdorfius et Spalatinus, forte et alii. Yale in Domino F. 6 post Luciae 1536.

T. Mart. Luther D.

[Dies ist der Brief, welchen Luther in seinem Schreiben an Johann Friedlich 3. Januar 1537 de W. V, 45 erwähnt Agricola's Antwort auf diese Einladung Luther's haben wir in seinem Briefe bei Burkh., S. 268

Sauch in Cod. Erl. 1665, fol. 6^), bei welchem als richtiges Datum L8. Dec. nicht 18. Oct zu lesen ist Daselbst ist auch zu verb^sem in me fovendo" statt „ferendo", „confirmo" statt „continuo". Der Brief Luther*8 an Agricola, Ztschr. f. bist Theol. 1861, S. 619 (Burk- hard t, S. 268) ist vermutlich gleichzeitig mit dem von uns als Nr. 1 publicirten geschrieben, vgl. daselbst die Worte: „wie er dir wol wirt sagen", also yom Anfang Oct. auf den 13. Nov. zu rücken.]

^) Der Codex liest: so wirt mein vermugen recht.

«) Cod.: hört

8) Die Frau des Eislebener Bürgers Andreas Drachetedt.

KAWERAU, BRIEFE ZUM ANTINO MISTISCHEN 8TRKIT.

Johann Agricola an Martin Luther.

2. September 1537. [Cod. Erlang. 1665, fol. 9ff.l

Viro Dei D. Martbo Latbero patri sdo amantiasimo.

Facem & Deo. Non leviter movit meum animum, quod post- qoun eihibnUaem robis legendnin illud ipsum scriptum '), quod jun tjpis stanneis a Lnffto eicuditor, Vos ad me diiietis in die aancto Pentecostee in templo, esae bonam Ecriptum, Dass wehre nicht vnrecht, nunc vero mutatam ease vestram super ea re sen- tfloUam. Ego in toto opere hoc unnm simpHcisaime secutas sum, qood cDDcio de morte Domini noBtri Jesu Christi perterrefaciat •t deprimat mentoB ot coDscientios hominum, hoc est, doceat poenitentiam. Bnrsnm quod coacio de reaurrectione Christi engst itemm et coDBcientias morte Christi perterrefactas et depressas mentes atque conscientias, hoc eat, doceat remiasiooem peccatorum. Haec est doctiina Apostolorum omntum , maiime vero Pauli et Bamabae. Id qaod eat cornere Äctonim 2., in couTeraione Pauli et Actorum 1 7. Est etiam doctriua vestra. Conatituatar quaeao judex D. Joatus Jonas, ut totum librum diligenter inspiciat atqae cansam cognoücat. Is si repeierit errorem pugnantem cum vera religione, cum sacris üteris, denique Evangelio Christi, facile patiar et librum et ejus autorem dare poenas. Nullius enim pravi aut falsi dogmatis mihi sum conscius. Gratia Deo. Sed cnpio ei animo currere et perfici gloriam Christi. Bene valete ChriBto commendati.

2 Septembris M. D. XXX7II.

V. H. dd.

Johannes Agricola Kialehen.

iKnrffirat Johann Friedrich erwähnt in seinem Schreiben yom ct. 1537 eines Verzeichnisses dessen, waa Agricola „bisahero vnd alw^" gelehcet habe; Förstemann bemerkte dazu, N. ürkanden- boch S. 311, ea sei sebi zu bedauern . daas sich dasselbe nicht erhalten habe. Wir frenen uns. es im Folgenden Nr. 4. sowie die gleichfalto fllr nrloren gehaltene Eingabe Agricola's an den Enrf^rsten in Nr, 5 jetzt nitteikn tu könnM.]

') Agricola meint folgende Schrift: Drej Sermon] vni Pre- digen. I Eine Ton- Abraham vod | dem Heidnischen weiblin am Sontagl Reminiscere inn der fasten. [ . . . Joan. Agricola Eialeb. | Wittenberg. 1537. i. . . Gedruckt zu Witem- | berg durch Hans ILnfft.| a.D. XXXVII. 38 Bl. 4". Widmung an BrDck, „Datum. Wittemberg den 1. Jnnij 1537". Die darin enthalteue Predigt von der Auferstehung

J..

804 ANALEKTEN.

Nr. 4.

Joh. Agrlcola'8 Verzeichnis, wae er bisher gelehrt habe.

September 1537. [Cod. Erlang. 1665, fol. 10 ff.]

Lex debet habere summam autoritatem in jnstitia camis.

Principio propter jostitiam Dei, quae vnlt sibi satisfieri, ita nt seyeriter pnniantar omnia delicta admiasa contra Legem DeL

Hac pertinent yoces Moysis ,,Qm ncn fecerit, juste morietur^.

Item ,,üt fiat nltio sanguinis effosi''. Item „üt tollator malom de medio yestri". Item „üt tollatur malum de terra *'.

Deinde propter necessitatem. Alioqni enim bonis non posset bene esse. Et ut conseryetor publica pax atque tranquillitas.

Tertio nt extent certa supplicia constitata per Legem in politia et oeconomia, quae sint ezemplo malis, ne se dent tnr- piter in yita.

Qoarto ut sancti, olim per promissionem de füturo semine justificatiy habeant suae fidei exercitia et probationes, et jam per praesentiam Christi renoyati habeant occasionem mortificandarum et cruciflgendarum concnpiscentiamm, quae reliquae adhuc sunt in came, ne caro ferociat, ne ducat jugum cum gentibus, ue seryiat Diabolo, ne amittat Spiritum S. et illa bona, quae obyene- runt nobis per gratiam Christi.

Sunt etiam sumenda haec exercitia fidei.

Primum ab exemplo Patris, qui est in coelis, juxta illud yiEstote misericordes, sicut pater yester misericors est''.

Secundo ab eiemplo filii Dei, Domini nostri Jesu Christi, Bom. 16 (y. 3). „Christus non placuit sibi ipsi, sed sicut scri- ptum est, Opprobria exprobrantium tibi occiderunt super me.'*

Tertio ex Decalogo, ut habeat disciplinam juyentus, erudiatur et praeparetur Christo pro legis paedagogia.

Quarte ex ecclesiasticis caeremonüs.

Quinte ex quotidiana consuetudine legum politicarum, quibus

Jesu Christi begiunt auf Bl. Diij; sie war am 16. April 1536 zu Eis- leben voD ihm gehidten worden. Anstössig waren dariu wohl besonders Stellen wie etwa Bl.Gt>: ,,Danimb leret auch das Euangelion kr^- tiglich recht rewen vnd büssen vber ynser schwacheit.** Bl. Dij: „Das Euangelion ... ist Duplex Beuelatio, Es offenbart vom himel. Ersttich, Justitiam Dei, wie man for Gott from werde . . . Zorn andern, Offenbaret es auch vom himel herab, Iram Dei, den ewigen fluch u. s. w." Also hier bereits dieselbe Lehre von den Wirkungen des Evangelii, die er her- nach in der Vorrede zu den Summarien ausführlicher entwickelte. YgL Corp. Ref. III, 886, wonach die anstössigen Predigten anfangs Juli cr^ schienen waren.

KAWKHAÜ, BttlEPE ZUM AMTIHOMiaTISCHEN 8TEEIT. I. 306

obstringimnr et obligamor, ubicnnqiie locorum »Uerimna. „Cui Tectigal, Yoctigal."

Seilo ei coDBuetndine oeconomica. Da hat Caro geoang taschaffen. „Hnlier sahabttur per filionun generaüoDem."

Terain in regno conscientiae , in agone et certamine spiri- toali nalloiD debet habere regnum Lei, Hoyses aat uila creatura, S«d cum conciones Legis Toluerint conscientiam turbare et Teiare Diminin conspecta snae indignitatis atqne imbecillitatia, atqoe eam ndigere ad eitretDam deaperationem, tum mens debet ee attoUere et dicere ad Legem, qnod Christufl diiit ad Petmm „Vade post me Satbaoa" et anbjiceTe: Christue est contnendus mihi, quem coDEtituit mibi pater omnis consolationis redemptorem et media- torem, in eo toIo acqaiescere.

Haec docui semper, doceo adhtic in hac schola. Et libena Qtar hac dietinctione, qaoties opus fuerit mihi, sicnt eaepe, gratia Deo, qnando cum came mea luctandum mihi eat

Henae Septembri 1537.

Nr. 5. Johann Agricola an Kurfürst Johann Friedrich.

27. October 1537. [Cod. Erlarg. 1665, fol. 12 Kl Durchleuchligater bocbgebomer Chnrfuist gnedigster her. Ich habe anfenglich da Ich mich Tndertbeniglich mit Kadt vnd gelieiss meinesa lieben Vaters D. Marthini Latbers B- Churf. g. Zi dienen begeben, gesncbt vnd gebethen vmb E. Churf. g. Viterhertze vnd ist meine meinuoge gewesen, dass mich E. Churf. t- nicht begeben noch verdammen wolt, Ich wurde von hohes odtf Niedriges Standes Leuten fnrbracht vnd angegeben, sie hrtle den zuuor meine vorandtnortunge gnediglich aogehort vnd TDinommen. Den Ich sähe gleich für mir in der vorenderung meines wesena wie mirs ergehen wnrde von denen, die Ich TorÜess, Äucb zu denen Ich kommen wurde, vnd ist an mir an einem Ordt dasa Sprichwort walir worden, , Mancher reufTt den Todten Lewen Beim Bart, wen er lebete, so gothurste ex in nicht usehen'. Nach dem dan Aller dieser handel von der Beise gen Osteneich *), die leb mit B. Churf. g. gehorsamlicb geleistet,

■) Agricola begleitete im Oct. mid Nov. 1535 den EnrT&nten nach ^m, TgL Föritera., N. Urkondenb., S. 293. 312. For^ee. SammL

306 AKALEKTEN.

erwachsen tbuet alss solte Ich auf derselbigen Beise bin vnd wieder die Lahr dess Enangelionss Torkehret, ynd gefelficbet Tnd numebr augenscheinlich gespueret, das viel frommer Leute seint» hinder ynd für mir, den es hertzlich leidt, dass mir Got im himmel, £. Churf. g. auf erden gnedig ynd D. Martinus Lutherus gunstig ist, habe Ich mich allewege auf £. Churf. g. Zeugnuss, Tnd Trtel, Alss die solches von Gk>ts gnaden auch yorstebet, beruffen. Hemachmalss ymb yorbdr yüd erkentnuss meiner Lahr, die Ich Itzt im Drucke hette ^}, gebeten, Aber nichts den meiner bogste yorachtunge ynd ynfreundtliche gebehrde, Also auch, das mich etslicbe fast ybel in die leuthe getragen, erlangen muegen. Biess itzt nach E. Churf. g. negsten abtzug yon Wittenberg. Da bat mir D. Martinus Luther gantz freuntlich ynd gunstig an— get^eigt, Man habe mich zuuor nicht yorstanden. Aber nun seh^ er dass er [ich] in der substantz der Lahre nicht mit ihne yneinig sei yndt sie [sei?] mit mir wol zufrieden. Er wolle aucln^ die andern zusammen fordern, das wir ynss durchauss yorgleicbeiB. muchten. Dieweil Ich aber meine ynschuldt biess hieher Qot^ haben ausstragen ynd befehlen muessen, Alss dem der Allein^ der ynschuldigen anliegen erkendt ynd erhöret, Wil Ich nocbB. eines aufs ynderthenigste ymb E. Churf. g. yater hertze bitteia ynd wass ich allewecre gelehret, hiemit yberschicken Damit Icti. gegen Got, ynd E. Churf. g. der Auflage, so mir ynguetlicb be« schehön, muege entschuldiget sein. Mit demutigster bitt E. Churf. g. wolte mir meine hohe not, die mich hiertzn dringet, gnedig-

1787, S. 131. Po^matom Joannis 8tigelii über IV, Jeuae 1568 G 4*». Am 18. Sept. 1535 war er durch folgende noch unbekannte Verfügung des Kurfürsten dazu verordnet worden (Cod. Erl. 1665, fol. 4^): „Von Gots gnaden Johans Friederich Hertzog zu Sachsen vnd Churfurst etc. Wirdiger lieber Andechtiger. Wir geben Euch gnediger meinunge zuer- kennen, dass adss verleibnnge des Almechtigen wir bedacht vnd willens sein, vnss zu Römischer Königlicher Majt. vnsem gnedigsten hern, gern Wien zuuerfuegen. Weil wir euch dan alss für einem Prediger gerne mit vnss haben weiten, so ist ynser gnediges Begehren, Ihr wollet auf des Wolgebomen vnsers Radts vnd lieben getrewen Albrechten, Gra- fen vnd hern zu Mansfeldt vorgehende erleubnuss , darumb wir ihm in- sonderheit geschrieben, vnss zu gnedigen gefallen vnbeschwert sein, solche Reiss mit vns zuthun, vnd euch alss für einen Prediger gebrauchen zu lassen, vnd auf Sonnabents Dionisij schiersten, der da ist der z [lies : ix] Tag des Monats Octobris gegen Abent bei vnss zu w ei mar erscheinen ttd ankomtneUf vnd folgende berurte Reise neben vnd mit vnss zuthun vnd furzunehmen, wie wir vns zu euch gnediglich versehen. Daran tbuet ihr vnss zu gnedigen gefallen. Datum zum Trockenbom [kurfürstl. Jagd- haus bei Eisenach]. Sonnabendt nach Exaltationis Crucis Anno 35. Dem wirdigen vnserm lieben Andechtigen Em Johan Eissleben Magister."

1) Gemeint sind die kurzen Summarien der Euangelien; Förstern., N. ürkundenb., S. 296 ff.

KAWBRAD, BRIEFE ZUM ANTINOMISTISCHEN STKEIT. I. 307

tich zu guet halten. Den Got weiss, wie michs aufs h6gste be- tmebet bat, dass B. Chuif. g. frommes vnd getrewes hertze, welches in diesen geBchwinden leuSten allerlei wichtige beudel vnd grosse bescbwerunge haben muss, soll mit vnwarheit meinet- halben balt im anfange vnrnbig gemacht werden, ü^ wil Ich E. Churf. g. nach bogsten vormugen, wie Ich schuldig Treulich vnd vleisig abdienen so weit mein leib wendet. Befeie e. Chnrf. g. in Gottes des Almecbtigen Schutz vnd schirm, vnd mich E. Cbiirf. g. 27 Octobris M. D. XXXVII

E. Churf. G.

Vndertbentgster willigster Job an Agricola Eissleben.

Nr. 6.

Johann Agricola an Martin Luther.

Vor dem 1. December 1537 ').

[Cod. Erlang. l(iiJ5, fol. IS'ff.]

V>TO Dei D. Martino Lutbero patri suo amantisBimo.

Pacem a Deo. Cunvenit me hodie D. Fhilippus Melanch-

thun subindicans fore, ut quaedam propositiones , nescio qnorum,

pablice aedantut, id tguod summo qnu possum depiecor opere.

Etei enim ego eas minime agnoscam. tameu furtasse fieri poterit,

quin in me detorqueantur. Alioquin quod ad genus doctrinae

attinet, sancte coufirmo me futurum esse in veatra potestate.

Kgo etiim perpetuo sensi et sentiu adhuc sentiamque, quoad viiero,

TOS synceriuris et erangelicae veritatis, quae bis poEtremis tem-

poribus orbi illuxit, esse verum anspicem et Organum. Itaque

lestro jndicio stabo et cadam pro Dumini voluutate. Agnosco

i vos menm patrem, qni müii corpore et animo profuit sem-

In ea sententia toto tempore vitae raeae permaneöo. Bens

1) Das Uatuiii «rgiebt aicli daraus, daaB Agricüla die beabsichtigte VRGfientlichQng von „Antiminii cüjuBdamPropositioneK" env&bnt, wd^ Luther am 1, Dec. 153T trat:: vürstcbender Bitte Agricola's wirklieb ans- niirtt; »bL Förstern., N. UrL-nndenl)., S.313. Ccuciger am 27. Nov. „Kaper etiam, a Doctore appellatus de pioposltiunibus Ulla, dissi- ■wluc ac diFfiteri cuepit, cum jtulam conalet de au^tore . . . Itaque D»rtot diiit, ae jstas propoEitiones publica dispntatione excutiendas pro- VUMtoroni." Corp Ref III, 454.

^Itutti. L K.-G. IV, i. 21

308 ANALEKTEN.

yalete et date hanc gratiam humiliter peteuti mihi Ego yicissim efficiam, nt me obsequentem dicatis et memorem.

V. P. dd. filius

Johannes Agricola Eissleben.

Nr. 7.

Johann Agricola an Martin Lutlier.

26. December 1537. [Cod. Erlang. 1665, fol. 17 b ff.]

Facem a Deo. Ex Tultu adeo vestro depraehendi et ex sennone amici ccynsdam intellexi, vos de mea voluntate plDrimmn adhuc dubitare. Ego yero, siqnidem res eo me yocat, aliad si scirem, qui[qQod?] firmare meam apud vos possim [possit?] fidem sanctus [sanctius?] quam jus jurandum, id pollicerer yobis, pater, me revera et ex animo sie sentire neque diyersum nllo unquam tempore sensurum esse, quemadmodum lingua et manu in templo nuper testatus sum. Futurus enim sum omnino citra controYer- siam in yestra potestate. Froinde yos rogo per Christum, at yestro filio fidem habeatis neque jam plus satis adflicto addatis adflictionem. Hoc erit gratum Deo officium non aspemari spiri- tum contribulatum. Erit exemplum Ecciesia dignum, cum spiri- tuales praeeccupatum delicto susceperint in spiritu lenitatis et mansuetudinis. Me denique summa erga yos observantia perpetao deyincietis. Bene yalete. Ipsa Stephani M. D. XXXVIU (d. i. 26. Dec. 1537). V. F.

dd.

Johan Agricola Eissleben.

[Die Briefe Nr. 3, 6 u. 7 köunen als IllostratioD gelten zu dem, was Agricola von sich am 31. März 1540 bekannte, dass er „non jnn das dritte JarLnthem mit fnessen lassen vber sich her gehen, yhm auch nachgekrochen wie eyn armes hundelin*'. Förstemann, N. Ürkonden- buch, S. 319.]

KAWERÄU, BBIEPE ZDM ANTINOMISTISCHBS STREIT. L 309

Nr. 8.

Martin Luther's Aussöhnung mit Agricola.

12. Januar 1538 ')■ ICod. Erlang. 1665, fol. 19t>.]

Bespoiuio ReTerendi Domini Lutheri.

Ui Domine Islebi, db quid horum ie celem: est Tevum, de tu parsona fait suEpicio, veiam quia audio tuam confessiooeiii, ntis est. Sam coutentua de te, coram nie es Über, et credo itiu reliquoB nostroa dominoe ac Patres fore contentoB. Nam n hoc loco id pablice dictum volo , dos esse amicos et Don diaMQtire inter nos. Neque necesse eet hob inter nosmet ipsoa noidere, vorare et abaamere. Satis njolestiarum parit nobia Dia- bolia foris, satie periculi ab extemia eat, ueque dubium est, quin idutit multj exploratores seu speculatores noatrae discordiae, qdbus fortasse gandium Qagnum eeset, ai inter dos hujuamedi aljquid fieret. Quare etiam vor omoes admonitj)E volo, ut noa- Bines sitis iu doctrina et alter alteri maDum poirigat et hoc Koe dolo et simulatione, sinceie et pure, alioqnin tarnen apertum nit, et erumpet simuiatio, ut quae nnrnquam diuturna esse po- tent. Creditote mihi, cum concordes simus, tarnen satis labonim bahebimns. Nam Diabolus non quiescit.

M. Lobbitzes '} eigene hant der vort Lutheri ad Islebium poat liahitam dispntatioticm Anno 3^.

1) Die AnaHöbtiDiig fand, wie wii ans Crucig^r's Bericht Corfi. Bef, III. 4S2 ersehen, im AnscbluBS an Lother'B zweite DisputatioD am 12. Jan. 1538 statt. An demselben Tage (Sonnabenth Nach Epiphanic im ]i>38. Jan) schiieb H. Liborins Magdeburg an Stephan Both [OrigiDal in der Stadtbibl. in Zwickan M. 33]: „Von New gezcitten, weis ich nichta aw ftcbreiben denn Heäte bath mser frommer ber vnd vater doctor mar- tinnB, die andere dispotacion gehalten Contra poEitionem Ejslohij, Item uigr gcorgiuB karg, der mit mit ist scnlossprediger eeweazen leith gelangen Im schlosz von wegen einer boazen Terroriachen lere, que eicellit emlobij errores, Eiosdem doetrine dicunt esse doctoiem Jaco- imcQ Bchenck, qnid tandem aeqnetur eiperiemnr jn breuj." [üeber den BriefRchreiber, M. Liboriaa Magdeburg, »gl de W. IV. 287. Bnrkh., S. 197, Alb, p. 45. Tifichr. Först-Bindg. IV, m4. Binde. Coli. lat. I, 161: m. 241. Hildebrand. Die Hanptkircbe St MariÄ zn Zwickau ri842), S XIH. Ueber G. Karg und J. Schenk vgl. Seidemsnn, Jakob ächenk, S 27 ff. 30 ff.)

*) Diesen mir nnbekannten Namen bietet derCodei; möglichenrüse liegt ein VereeLen des Abschreibere vor. Vielleicht Cnlditz?

310 ANALEKTEN.

Nr. 9.

Caspar Aquila an Johann Agricola.

Nach dem 12. Januar 1538 ^). (Cod. Chart. Goth. 1048, fol. 59»>.]

Clarissimo et vere pio viro, Domiuo Mag. Jo. Ag. Islebio, sacrae theologiae professori et christianae doctrinae doctori, amico SQO summo.

Nunc tandem immensis gaudiis rocreata est anima mea equi- dem suavissime mi Islebi tui causa plurimum moerore consternata. At cum nunc te belle et perbeate yivere audio, exturbandas censeo procul animo omnes molestiarum moles, imo animus mens gestit et erumpit potius in congratulationem et gratiarum actionem Deo canens, quod te tam misericorditer respexerit, idque praeter Zoi- lorum expectationem, sie e rictu dentium Satanae (qui te deglu- tire moliebatur) te emergere fecit, et tam subito imo stupendo miraculo te ita erexerit, ut merito lividi hostes contabescere pal- lido Yultu tremuloque pectore, imo pavida conscientia possent, modo Ulis non adamantina frons. 0 horrenda atque crndelia secula, 0 delicatas aores, quae sie proclives sunt mox, ubi casu quis exercitandi ingenioli causa ad latum unguem ab iis dissen- tit, repente haeresim vel pestilens dogma severe in vulgus pro- clamitant quamyis ne pilum quidem liceat iiobis ab orthodoxa fide discedere, et maledicta lila Caritas seu concordia, quae ob externam beneyolentiam quorundam velit tantillum connivere, ut fidei arx periclitaretur. At optarim in omnibus majorem cando- rem praesertim in hoc negotio, quo te supra modum quidam in- yidi virulentis convitiis proscindant, ut putare possis vix Satanam tam atrocia ac amarulenta contumeliarum tela tartareis portis posse excutere. Horreo et contremisco totus, imo rigesco in glaciem, cum talium obtrectatorum veneficas sannas observo. Hoc non est tollere alterius onera atque fovero fragiles impingenter, ut resipiscant, sed funditus ut spumans aper Domini vineam con- culcare ac prorsus demoliri.

Sed satis de istis. Ego, mi Islebi, laetor et argui gaudium pectoris, te placere summo patrono D. M. L. ot aliis purioris Ecclesiae columnis. Malis enim displicerc laus est, inquit Seneca.

1) Dieses übcrschwängliche Schreiben, das in der uns vorliegenden Abschrift undatirt ist, kann wohl nur in jene kurze Zeit des Waffen- stillstandes zwischen Luther und Agricola vom 12. Januar 1538 an ge- hören. Luther's versöhnliche Stimmung war schon am 27. April d. J. wieder tiefem Mistrauen gewichen ; vgl. L a u t e r b a c h' s Tagebuch, S. 70.

KAWERÄÜ, BRIEFE ZUM AKTINOMISTISCHEN STREIT.

Qaid nobis com iis morosis et tristitiUB ingeniis? Satis est, imo reginm eat (ait Anlisthenas) male iiudire tum cum benefeceris. Tu es egregins doctor tum in schola Tbeologorum , tum in con- tione pioram liominum, et hoc in Bumrao optimo doctoris looo, inter Dei sanctns. Nescin quid pius animus in to possit dosi- derare. Imo coelestts pater tibi tuisque cham pignoribus bent- gniter prospexit, ut mägnificas aedes bona tranqaillitato inbabitare qoeas, taceo quod Frinceps nostor clementias. Elector ex animo bette TGÜt et,singulari quadam te amplectatur humanitate, Ita ut dici audeam [andiam?], tu fere soltis es, quem dii omnes (i. e. optimat«s) amant colunt evelinnt.

Dominus Jhesus dirigat stndia tua ad Eccleslae emoliimentum . regai sni gloriam. Amen.

Nr. 10.

Johann Agricoia an Martin Luther.

August 15ä8? ') [Cod. Erlang. 1G65, fol. 24.] Pacem a Deu. In illa rapsodia indigestn hori u me vobis fblata hoc sequor et haec est mea sententia, quam rogo ut ha- initer et amanter cngnoscatia.

In libris vestris existunt duo modi docendae poenitentlae t remisaioDiä peccatorum, hoc est docendae jnetificationis. Alter tias est per legem et Evangelium.

Sine lege per Evangelium tantum alter, adeu ut docenda t Ecclesia de motte et i-osurrectiooe Christi, id qaod est cernera fpiuime in sermoae vom Leiden Christi'). Item Quod sit Chri- I sacramentum et exemplam. Jam quaerendum est, uter modornm proxime accedat ad LfftMlrinain Äpestolorum. Nam Ecclesia est ccmgregatio Sanctomm

1) Ffir diesen nie fiir d«n folgenden Brief fehlt es an einem ge- n&genden Anhalt, um ein bestimmtes Datum bezeiclinen zu können. Aus der OrcIniiDg der Briefe iiu Codex geht nur im allgemeinen hervor, dass cie in die Zelt zwischen Janaar 15äJ8 und August 1539 gewiesen werden sollen. Non erbellt aber aus den Tischreden Lutlier's, du» im August vod September 1538 Ägricola besonderen Anlass gegeben haben mnsEi, daM «ich Lntlier's Zorn gegen ihn mit erneuter Heftigkeit richtete; vgl. Lanterbach, S. lU. 132. 138. Tischr. Först.-Ilinda. lU, 363. 870- 372. 306, Daher termn tun gsw eise nnsere Datirnng.

*) Sermon von der Betracbtung des heil. I-eidens Chrieti 1519, Werke Jenaer Ausg. I. leü^ff.

J

312 AKALEKTEN.

in spiritu consentiens de ea doctrina, quae est ab Apostolis tia-

dita. Haec quaeatio mea quidem sententia videtor esse digna,

quae pie, religiöse et diligeuter agitetur; et ut certi aliquid con-

stitnatur, ne Ecclesia, quae post nos Tentora est, haereat, cum

viderit utromqüe dici et doceri. Cupio enim ex animo certam

formam doctrinae transmitti ad nostram posteritatem.

Haec simplici animo sentio et scribo. Bene valete. Qood

ad doctrinam attinet, qua nihil feci indignnm Ecclesia, appeUo

ad omnes cives Islebianos, qui me excusabunt Interim orabo

Ps. 7.

Issleben.

[,, Dieser Brief, deu Ich aufs cinfeltigst geschrieben, hat den Rein entbrant."]

Nr. 11.

Joh. Agricoia an Jonas, Cruciger und Melanchthon.

Aagust oder September 1538? [Cod. Eriang. 1665, fol. 22]

Aut sensus cordis mei fallit me, idque minime spero, ant

ego possum hoc vere et coram Deo confirmare, quod nnnquam

credidi fore, ut ego in D. Lnthemm, quem patris imo Dei loco

habui semper et habeo adhuc, nllo unquam tempore incurrerem.

Taceo quod studio aut voluntate aliquid susceperim, quo offendi

possit. Et postquam sensi me in eum praeter spem meam in-

cnrrisse, feci omnia sedulo et ex animo, quae jnssus sum et quae

pie atque juste facere videbar, ut ejus animum mihi denno pla-

carem. Pertuli autem multas difficultates , sed nuUa res accidit

mihi magis acerba in vita, quam cum intelligo ad versus me ge-

rere hostilem animum, a quo summa debebam parentis ofßcia

expectare. Verum cum animadverto hoc totum negotium suspi-

cionibus gen, qaasi scilicet aliud alam in pectore et aliud prodam,

adeo ut nihil mihi commodet neque summa mea obcdientia, qua

testatus sum me perpetuo futurum esse in D. Luther! potestate;

neque preces neque jusjurandum, quod etiam apud gentes sacro-

sanctum habetur; neque praesens factum, quod in Schola Vuite-

bergensi pure ac sinceriter doceo, super qua re ad auditorium

provoco: statu! totam rem Deo committere et expectare aequissimo

animo, quae me propterea pat! oporteat. Is enim suo quodam

tempore, ut est justus Judex, monstrabit me nihil hie astute

cogitare aut fingere. Uli sit honor et gloria in secula. Amen.

[Oblatum scriptum Jonae, Crucigero et D. Philippe]

[Im Jahre 1538 erschien zu Erfurt folgende, offenbar gegen Agricoia gerichtete Schrift seines ehemaligen Oollegen in Eisleben. Caspar

KAWEHAU, BRIEFE ZUM ANTIMOMISTISCHEN STREIT. I. 313 '

Gatt eh Vom Gesetze vnd | EaaDgelin wie wir alle vn- { ter Sünde, Twit, Teoffd, I Bind gefangen, widdernnifc, | von Gottes genaden, wie | wir alle durch CbriBtQm [ vnd Eein Eaangeliuiu | sjod ledig rnnd | loa wor- den. ; 7m Eisleben gepredigt, dnrch den i EccK'si asten | Doctor Caspar Goethel | Aofls newe vbiTsehen | vnd gegeben. [ Anno M. D. XXXViij. | Am tag Aller heiligen. 4 Bg. 8". (AmSchltiBS: Gednickt znErfTordt dnrcta Helt^ior Sathasea jno dei Archen Noe, H D. XXXViij. Die Vorrede Göttfls trägt das Datum : Eisleben am xiij. Nrncmbr. M D. ixivij. Ein Exemplar dieser seltenen Schrift anf der Eänigl. BibI xa Berlin.)

Gnttel nennt zwar Agricola nirgends mit Namen, aber die Polemik Ut deutlich genng. In der Vorrede belsst es, Viele bemühten sich Jetzt nach grossen Künsten ond studirtcn. duch verfehlten sie immerdar die rechte Kanät nnd Weisheit. Er lialte Luther für seinen hBchaten Prä- eeptarem, dessen Lehre Ton Gesetz und Evangeliam er hier Tortragen wolle, wie sie in seiner Anslegang von Jea. 53 and zum Galaterbrief zu finden sei. Bl. B y: Da« Register vom Gesetz odder zeben geboten, mus 2Dm ersten, als dienätigHtc lere, einem Christen für gelegt werden. BtJ: Damm ists unrecht und nicht zu leiden, so man wollte also pre- digen, wie Etliche vor Zeiten getban haben, und auch noch Etlicfaa thon, sprechende. Ob du schon nicht die Gebote hältst, Gott und den Nächsten liebst, ja ob du gleich ein Ehebrecher bist, das schadet nicht, so du allein gläabcst, so wirst du selig. Bvüj'': Alle die, so da nicht wollen zulassen, dass man dem rohen, wilden, unbündigen Volk soll Mosen mit dem Gesetz, sondern allein von Gottes Gnade, Vergehung der bänden, das trestlichc Evaugeliom predigen, irren und fehlen weit, verfahren sich selhnt und alle ihre Scbülei- erbärmlich, Vgl. nnt^n Nr. 17 und die Anmerkung daselbst.)

^r Nr.

^blsputatio M. Johannjs Agricolae [mit Glossen Luther'sJ.

H 1. Februar 15^9 ').

H [Cod. Erlang. 1665, foL 20ff]

^M 1. Joaatbas [H. Eisieiiea] non peccavit concedens *) mal [dicens

^gTBtiiDi] iD Silva [in populu stuito]. ld«oque juste a poeaa libera-

>) FBt die Datirang dieser Thesen haben wir einen ganz sicheren Anhalt. Tischreden lU, 377 (Fbrst.-Binds.) lesen wir nämlich: „Anno 39. den letzten Januarii anfn Abend las D, Martin des Eislebens Propo- sitiones von der näcbstkOnftigen Disputation, die doch gar ungisreiiut waren, von Jonatha, Sani. . . . Des andern Tags war die Disputation, da ward Eisleben ofientlich zn Schanden." Vgl. ferner die Bemerkung Latber's im Briefe vom S. Februar 1539 an Hdanchthou: „Hittimus diBcntationeni Eislebii cum meu libello contra Antinomos est." de W. V, 15Sj, Köstlin II, 4ä8.

So im Cwlei: aber wolil richtiger: „coniedons".

314 AKALEKTEN.

2. Saul [Luthenis] vero rex [Tyrannui] turbäYit Israelem [Ecciesiani] cum interdiceret popalo osnm mellis (cf. 1 Sam. 14, 27. 24).

3. Frudenter dictum est, finem principalem in omni re, in omni actione spectandnm et expetendum esse,

4. Adeo nt Cjrsilum ^) [Lntheram] existiment jure interfectum esse [dass ehr todt wehr], eo quod utile [legem] honesto praetulerit,

5. Nisi adsit mandatum divinitus missum [ich darf es nicht öffentlich vorthedigen] , quod jubet nos facere contra regnlam prae- ferre utile honesto, ut hie vivam, ne moriar.

6. Hoc modo ait Hieremias propheta, non esse dimicandum Ezechiae ^) [Eisleben] cum rege Babylonioram [Luthero], sed dedi- tionem faciendam [snbyertendum]. (Jerem. 38, 2. 17.)

7. Et excusatur Aeneas [Eisleben], quod Didonem [Phiiippum] de se optime meritam et jam farentem [contra Eisleben] desemerit

[dass sollenss wol erfaren].

8. Facit enim multa Dens [per Eisleben] contra Begulam [Lntheri], ut innotescat ejus potentia,

9. Quod vocet ea, quae non sunt [Eisleben] tanquam sint, ut subdatur ei omnis caro [Lutberi].

10. Lex Dei [Erangeliam] data est [non est lex docenda, sed

Erangeiium], uon tantum ut foris coSrceat impios,

11. Sed multo magis, ut OStendat [per passionem Christi] pec-

catum, ut agnoscentes iram Dei quaeramus gratiam, sicut scriptum est ,conclusit Deus omnia sub incredulitatem , ut omnium mise- reatur*. (Rom. 11, 32.)

12. Et quanqnam illa ipsa agnitio peccati et terrores fierent mors aeterna [sed nondnm sivit post gratiam acceptam], nisi accederet Terbum de gratuita misericordia:

13. Tarnen non debet Lex [Erangeliam] removeri a praedi- catione poenitentiae [do kompt ess].

14. Paulus enim Rom. T arguit gentes mentione legis

[Efaugelii, ut sequitnr].

15. Et ait revelari iram Dei de coelo per Fvangelium [hie est locus] super omnem impietatem.

16. Et paulo post dicit ,per legem [Evangeiü] cognitio pec- cati'.

17. Est autem revelatio irae ipsa Legis [Evangeiü] praedi- actio.

1) Der Athen» r Kyrsilos, der für seinen Rat, sich den Persern zu unterwerfen, jresteini^ft wiinlc. DeniOKth. XVIII, 204. Kordes, Agri- cola's Schriften, S. i>43 V^\. Herod. IX, 4 u. 5, wo derselbe Mann Lykides genannt wird; auch Cic. de offic. 111, 11.

2) Statt „Kzecliiao" müsstc es „Zedekiae" heissen.

KAWEHAÜ, BRIEFE ZITM ASTIN OMISTI8CHEN STREIT.

Haue Jispntationemproposuit Witebergae Islebins optimo aniino. Sed haec sunt scolin, Lutheri. Tu vide , qno spiritn, se enim ipsum appellat Saulem. ütinam non Sit propheta sui ipsius. Primua enim res in Isynel tur- piter desiit vivere.

Nr. in.

Caspar Böhme ')-«n Andreas Friedrich^).

29. August 1539. [Cod. Erlang. 16G5, fol. 26 '■ff.]

Honefito et erndito juveni ü. Andreae Friderico, Witenbergae bonis aitibus iDcumbeiiti suo.

Yebementer anxit animoa noistros, optime Andrea, tyrannia inter Lutberum et Agricolam gliscens, neque extinctaia, quod flqaidem arbitrabamar, tandem aliquando factum iri. Demiramur ueqcß possumos non summe detestari Teatrorum coucionatoram importunitatem , qui publice traducunt hominis doctrinam, quam ipai nunquam audierunt, neque rursum aatis eieorari nostrorum non dico impcritiam, sed inäaniam. Qui volentes esse legis doc- tores nnnqauin, ut nunc apparet, recte inteJIexorunt Islebium tarn dare omnia de hac re explicnntem, ut etiam idiotae et muUor- culae palam fate.-intur, enm nunquam hanc peccatorum conünna- tionem docnisse. Vide er(,'ii, quid odiuni, invidia et imperitia Taciant. Nos i-orto spondemus operam nostram, neque enim pos- somne in hac causa deeese Agricola«. Modo res candide agatur, 8Bd in 8umnia[m] iuvidin[m] adducta sunt omnia. Nihil agitur etiatu apud nos ex animo, omnea sunt eaacerbati, ut scis odio implocahili perseqnuntur ita tarnen, ut nihil minns facere videri veiiut quam hoc. E medio pnlsa est charitas, vi gerttur res. Cetenim conailium tuum de libello a me coUecto ') et tibi

H

') Prediger an der Nicolai kirche der N«uBtadt EiBleben; vgl, Kruiuha Pdratemann. N. ürk., S. 316.

») Neffe Acricola's, später Ratsherr in Eisleben; vgl. FurBtem. ft. ft. 0., S. ■62^.

>) Die im Briefe erwähnte Sclirift fiöbiDc's, eine SamulaDg von AascptQchen Agricola's aus seintn Eiülcbener Predigten, durch nelche bewiesen werden sollte, „enm nuniquam pcccatomiti confirmat^' cniMB", btßndft sich abschriftlich im Cud. Erlang., fol. 10- dirter leicbhaltigtn Sammtnng gtaäge es als Prube einige Pi hier anfznfübren. Fol. 70: „Qni snmu alTectnm sequi volunt,

S16 ANALEKTEK

tnn&mittendo, nt clam excudatnr, pro nostra medioeritate expen- dimns. At non Yidetar nobis fieri posse sine nostro et AgricolM mcommodo. Cayendam eniin est, ne bac ratione, qnam ta pro- ponis, causam in miyus adducamas discrimen, et babeant adver- aarii, quod adyersam nos jactent, nos scilicet in tenebris agere et folgere lucem. Ideoqne premetur apud me dintins, donec ttmpus, locus, bomines et causa ipsa meliorem quod spero aliquando futurum occasionem offerat. Interim Deum pati^m oaelestem precemur, ut Satbanae conatus reprimat et Tbeologis mentem det meliorem, ut in Ecclesia Cbristi servatoiis nostri pax (et) concordia per cbaritatem mutoai^gconstet augeaturque subinde. Amen. Va]e feliciter. Datum Islebiae 29. Augusti Anno 1539.

Caspar Bohemus.

Nr. 14.

Johann Agricola an Caspar Böhme.

24. September 1539. [Cod. Erlang. 1665, foL 25 ff.]

Optimo atque doctissimo viro, D. Caspari Bobemo amico ««WMK> 9U0. S. D.

KxUtimaveram fore ut mea moderatione et animi constantia ttMtftltm iandem quorundam ii^urias gladlatorio omnino animo ad tk^ vuott fooientinm, perpetuo babens in ore illud Euripidis

Y«^w cum Yideam rem ex suspicionibus natam affectibus M^Vkt «4^^ tyrannide geri, statui rumpendum esse jam nunc si- IHiV^UHM iUuv) diuturnum et totam rem publicandam. Questus sum ^ k¥>¥m «i(kml nostrae Scbolae Bectorem. Item apud D. Pome-

ii^>H^ v^^'l^^ «IblhH^rdere, iUi non sunt Christi, etiamsi jactent Evan- Mkv¥M UU «wttt «inondi." Pol. 72»»: „Vae tibi Chorazin. Ulas cm- ([km. vWxv^xvt \^hri*tiw. quachabentEvangeliora et taraen nepilo quidem ttbw^U.^ »ttMl uw^UortH»» U^HMrn sich nicht. Und gut eben den Städten, - k . - vr «1««, inn«i-i «t persecutores jam sunt

rzog Georg, Ferdinand, Wittenberg, wehe dir

V».«N>.V. K^*^^t^^« iH»"" »"^ "-"^ ^"^". Evan^eliomB nicht ge- ^>w,,*4 \U muUo |?ravi\w punientur, qm habuerunt Evangelium, et ^s* >«\HO^t tV^u^tU!» ojus. quam qui non habjernnt"

^^ Vunp iVst 714. 715 vgl. Corp. Bef. XVIII, 361: „Nunc ne- x>>«,^ ^^^^ ^^Mowtibwj». osst^ »orvis fortunae."

TUWEEAU, BBIEPK ZUM ANTIN0MISTI8CHEN BTRETT.

lanum, ficcteaUe noatrae pastorem '). Sed siirdU nniro fabuUm. Had Torachts vnd spottet mein noch dartzu. Proinde volui ad totam Ecclegiam iBlebieDEem, quae tae multos annos doceiitem audivit, cognitionem causae deferre latine breviter et ^rmanice aliqDanto copiosius, ut omnes intelligatis, qaid id quibaadam, qui snnt cotmonae Ecdesiae, desiderem. Neqne enim patiar in me baerere istaa calumnlaa et blasphemias, quas de nie andire coacta eet Ecclesia Cbristi. Et tu potes mibl esse optiioua testis, me magno studio boc egisse, ut iliuBtrarem Kloriam Christi et doctri- nam justificationis. Vnd Jost Buckor uuss sagen, dz do leb Allereret babe müssen zu Eisslelien prO'ligen, Ich gesagei habe, Wolan muss Ich ia den predigen, so luh das treiben, dass die leatho sehen müssen , dass sie nach nicht rechte Christen eint. Ilaec toi nou est hominis impü, ut illi mo fingunt, neque ^us qui jübeat homines facere pro sua libidiie quidris. Sed reprimo me. Nam Rena Tindieabit tandem meam innocentiam et paniet bilia^nes atque mendaces.

Bene vale et ora Deum, ut mo liberet a panconim quomn- dam potentia atque tyrannide atque ostendant, qui sint veri An- linomi. Amen. Litteras ad Ecclesiam scripta» curabis sb omnihus legi , qnemadmodum ad omnes scriptae sunt. Wittenbergae, MitwDCb nach Uauritij im 15 C. vnd 39 Jahre.

T. Issleben. [Scriptum ad omnes Ernditos Europa« comniutatis tBotuni Dumiui-

i

Zu gedenken, was M. Fröschel von wegen des Eislebens gegen Doctori Martino Luther werben soll.

Nach 31. Miiiz 1540. [Cod. Erlang. \mh, M. 28ff.l EreUich dass der Eisleben M. FrOschels eamt der andern Diener der Kirchen zu Wittenberg Werbung, von Dootoris Mar- tini wogen nii ihn gothan, cum debita reverentia hat angehöret und angenommen.

Zum Andern, so saget der Eisleben, dass er vier Schriften, daria er sieb ober Unwahrheit, die ihm zugemessen wird, aus

1) Vgl Förstemann a. a. 0.. S. 33f>. Ob aWr liier Bchon an dtn Rector Oeorg Curio gedacht werden darf, da dieser erst am Hi. Oc- tnber aein Kectorat antrat? Im Sommcrhalbjalir war der Agricola be- freundete Jorist Melchior Kling Rector.

318 ANALEKTEN.

Noth beklagen thut, vor Bartholomäi des 39. Jahres vorgehabt. Eine an den Chnrfürsten zu Sachsen, die andere an die Prediger der Herrschaft Mansfeld nnd die Stadt Eisleben, die dritte ad omnes eruditos Europae, die vierte ad totam Germaniam; und die Doctori Sebaldo seliger ^) , hernachmals dem Pfamer Pomerano und D. Philippe zu Händen gestellt und sie aufs fleissigste ge- beten, sie wollten es dem D. Martine anzeigen oder Bath schaffen. Denn er sollte, wollte und könnte den ünglimpf und solche Un- wahrheit nicht auf ihm bleiben lassen. Dass auch D. Pomeranus zum Eisleben hat vor seinem Abreisen nach Schmalkalden ^ ge- sagt haben, er sollte es klagen, wem er wollte. D. Martinus hätte wol 12 mal gesagt, er wollte, dass der Eisleben dem For- sten klagete, wie denn auch geschehen. [31. März 1540, vgl. Förstemann, N. Urkundenb., S. 317.]

Derhalben es nicht heimlich oder meuchlig geschehen ist, denn es hat ihn nie Hehl gehabt, wie es der Handel zeigen soll.

Es bittet auch der Eisleben fleissig und demüthig, der Doctor wolle ihm der Weile nehmen, sich nicht übereilen. Denn Eis- leben sagt, es sei quaestio facti. Sei er ein solcher, wie ihn D. Martinus macht, so leide er billig, was ihm zu leiden sei. Sei er*s aber nicht, so werde er billig solcher Auflagen und Unwahrheit entschuldigt Und erbietet sich darauf zum Verhör, vor wem und wo er soll, denn er könne Erkenntniss dieses Han- dels nicht allein leiden, sondern bitte auch darum, und ist von Herzen froh, dass er dermaleinst zu Handlung und Unterredung kommen solle. Nam Isleben provocat a Luthero male informato ad melius informandum.

Joan. Agricola Eissleben.

Nr. 16.

Caspar Böhme an Johann Agricola.

13. Mai 1540. [Cod. Erlang. 1665, fol. 66 ff.]

Optimo doctissimo viro D. Jobanni Agricolae, artium libe- ralium Magistro, amico suo. Witebergae.

S. D. P. Gratiam et pacem a Deo patre et servatore Jesu Christo. Doleo mehercle tuain vicem, non possiini enim non aegre

1) Der Jurist Sebaldus Münstorer, der im October 1539 zu Witten- berg an der Pest gestorben war. Corj). Ref. III, 802. 839.

2) Bugenhagen nahm im März 1540 an dem 8chmalkaldener Con- vent teil. Corp. Ref. III, 986.

KAWEEÄC, BRmPE ZUM ANTINO MISTISCH EM STREIT, 1. 81»

I tuum infoitonium , (juod te nunc versat. Quantinam autem HÖH videam , qaomodo ex bis maus te evolvere possis (nam ho- maua auiilia omnia desperavi) magna tarnen milii spes est, Chri- atani suo tempore te ex iatoruni faucibiis erepturum, modo erecto et (quod minime dabito) candj^io atiitiio tuam causam agas. Si enim Ciirbtus pro te passns est atque e morte perpetaa, infemo et peccato sna passione liberayit , non deseret te etiam iu hac motte, in quam conjectas es. Deglutiant sane ad momentam jsti Bleut infernua viventem, evoment certe tanquam reviviscentem ei mortais, Sed quid ego in silvam ligna feto, cum tu istarum rerum adeo abundes, ut ego ceutesimam partem adaequi uequeam. Bogavi pro te, logo et rogabo Cbriatam, ut ipso banc litem inter vos dirimat feliciterqne componat, addanique tantam improbitatem orationis, donec peräciam, neque dnbito, qain ta idem facias mecnm et cnm moltis aliis ChristiaDiB.

Eioriebatur superioribus diebus hie fama, te iu carcerem detruaum, quod certe amiuum meum percuüt. At tarnen addnci nun qaibam, rem vere s\c babere. Omnia bic adferuntur incerta. Nihil tutum, nihil tacitum, nisi quüd luto et lapidi dlieris, nihil denique ddam. Omnia sunt exacerbata. Odeiunt te cane pejus et angue. Praeterea odium in caninam facundiam omnes praeci- pitavit 0 quod hominea nunc sub praetextu verbi Dei et reli- gioDis defendendae causae odium eiercent agreste at ita institnuut aninium, ut sub Christi nomine se ulciscantur.

D. Lntberus in te plane est eKacerbatus, causam habes om- oino eiolceratam. Adhnc persuasi sunt, te esse virum deplora* tum, ut qui in Spiritum sanctum pecces. Secl Dii meliora.

Proinde de causa nunc nihil certi suribere possum, Äudiea Ol Mauritio multa, plaeraque tibi per tuos scribi arbitror. Uogo anlem, mi Ägriuola, si qua ratione fieri potest, ut cum Lutbero in gratiani redeaa, primuin propter acandala, quae ex hac contro- Tersia uaflcuntur. Deinde ut viam istis calumniandl praecludas, qni nt induiernnt animum ut omnia etc. Alias plura. Has literaa, mi Agricola, tibi uni scripsi. Spera in Daum, et ipse cum ten- tatione faciet proyencus, et dabit bis quoque Qoem.

Tale cnm tota domo tua felicitei. Christus sit tecuni. Ora

me misero peccatore. Idem ego faciam. Äpnd Neapolita- >)> 13. Maji Anno etc. 40.

T, Qaspar Bohemus.

1

320 ANALEKTEN.

Nr. 17.

Caspar Böhme an Johann Agricola.

22. Mai 1540. [Cod. Erlang. 1665, fol. 68. Cod. Ooth. A. 1048, fol. 57.]

Optimo et doctissimo Viro D. Johanni Agricolae philosophiae Magistro, domino et patrono sqo. Ynitebergae.

S. D. Non possum non dolere, mi Agricola, de pervena quorondam perreraitate, qni omnem moYent lapidem saltem at tibi aegre fooiant, atque eo rem dedoxenint, nt nisi Dens te tonmque causam respiciat, actnm de te sit. Sed ta confirmabis te verbo et promiseione Dei.

Porro qnod nuper scripsi, nihil tatum plane esse et nemini fidendum , id mihi per hosce dies accidit. Nam Hanss Durch ^) ille sdlicet amicis yerbis per filium snum Andream Koskaw a me extortiit literaa, quas ante aliquot hebdomadas ad me de ne- gotio tuo misiati , recepitque se mihi optima fide postridie ad me r^misaurum. Verum quid agit bonus homo? £as literas offert GuUUo')» qui oommunicatis inter se consiliis ad D. Martinum Lttih, iinnamittit Postea scribit mihi factum, quod non parum iM>mmovit MitU> itaque tibi ejus ad te [me] chirographi lotf^mplum» ne putes id meo nomine fiictum. Accessi itaque bonum ytrum «ixpo.HiuUviqu6 cum eo, cur et qua fronte tale dam me ailtl^i^i (\«oinu8, ot a^eci, si hoc coeptum parum feliciter cederet, IM^ m^ ai|runuM\to usurum, quo aliquando Doctor Lutherus adyersus U^M)7iuu\ Huoorn Saxoniae usus esset '). Sed nihil respondit, ^M4^ui qu\ul oupiatt hanc controversiam sie dirimi posse. Verum tu M^V)iii vivuuu Kt quod dicit literas misisse Wittebergam yf W<Moh» ^^t moudaoissimum mendacium. Wer weites ihm be- (M^Wut H\H> \uuuu As'unt, ut te tuosque funditus perdant. W(«^|uuiilur %^ non vatiniano, non noyercali, non agresti, sed )^au^ \U.^Miw odi\v Quid sit futurum, non possum afßrmare.

^\ ^.UKh^uu Ottix^h. auch Dorr» Thur, Duwr geschrieben, war Mans- MaiM^W* KäwiWv m Ki»UlH«. de W, III, 128; VI. 703; ygl. im fol- IP^nWu Sv^hiUlÄlwk Nr. Iv^ *Üo Worte: „Johan Duhr gemeiner Hern

*\ OÄi^vAr i^nttoK oinst A»:riivlA*s Mitkämpfer gegen Witzel, jetzt vvw\M ämwv^ \\u>*\>NNh«li\'!\jit«u iJoiTuer, einer von denen, die beständig bei I uUwi >s\|^u \hu bet#t^Mv Luthor widmete ihm die Schrift wider die AwIvuvvuHM Y,:! Korst eiuAuu. N l'rkundonK. S. o27. 332. de W.

*\ \)jl l wtht^r's Schritt »»von heimlichen «nd ge;?tohUnen Briefen" \Ni>.fc. KoMliu» Luther \h lÄV

KAWERAD, BRIEFE ZUM ANTINO MISTISCHEN STREIT. I 321

I iDcipiant me quoqaa oiliase propter te. Opus est ergo nobis JD^ indefessa et seria oratione. Ego semper fui et aum in ea sententia, ut recte sentiam et doceam conscientias de cognitione Cbristi. Etrogo indesinentei' patreni cuelestem, ut tibi et Luthero adtiit, ne tuis osoribue plus quam decet credit Nam omnia aub pmeteitu religionis aguat, ut säum expleant odiDiu et sese ulci- Bcautur. 0 Sott , eripe dos ex illa malitia mundi ! Islebiae 33. Haji Anno 40.

T. Caspar BoLiüdus. Qaod si hod ceäsaverint urger» hnnc furorem, praebebnnt mihi occasionem opportune tempore ad D. Phil, hac de re scri- bcndi. Dens custodiat te et D. Luthorum a viris maligRiB et Unguis dolosis, Amen. Salata hoDe^tiss: conjngem tnam et totam tum domum. Ora pro me miaero peccatore.

[Nachfolgendes nmfSnglicbes Schriftstlick geben wir nur im iouDge.]

Nr. 18. Johann Agrlcola an Landvogt Bernh. v. Mila.

11. August 15i0. [Cod. Erlang. 1665, fol 49—62»'-] „Üestrenger und ebrnfester HEr Landvoigt, ehrwürdige uud bochgelahrte Herrn, ich armer tiedrilckter bitte um Gottes willen, K. 0. nnd E. wollten meine Klage, dazu mich meine hohe Notb- ittiR verorsacbt, gutwillig anhören und vernebraen und balt sich kSnIich also." Jobanu Friedrich habe an den Grf. Albrecht ein Bohreiben ungefähr diesee lubails geticbtet (vgl. FSrstemann, K. Crkundenb. , S. 343: 10. Juli 1540). Nachdem die Com- misBarien des Handels in Irrungen zwischen Iintber und Eisleben berichtet hätten, dass dieser ihnen eine „schlQpfrige" Antwort gegeben hätte, also dass man ihn nicht ergreifen kGnno, wo er Msse, so befehle er, dass Albrecbt bei denen, die um nächsten und meisten von Gelehrten und Ungelehrten um Eisleben gewesen wären, gute Forschung nud Erkundigung nehmen sollte, wie es sich hiernm hielte, der Sache desto eher abzuhelfen. „Nu läse ich in seinen Wbrden beruhen, was I. Churf. Gn. Commissarien von der schlüpfrigen Antwort des Eisleben den Churfürsten ba- ricbtet oder nicht berichtet haben, und sage, waa ich mit meinen Aegen gesehen, auch in diesen acht Tagen die Actores, Richter and Zeugen selbst dämm angesprochen zu Eisleben und sie ver- uah&flt, dass sie ihm nicht zu viol tbäten. Denn eie hatten

J

322 ANALEKTEN.

einen Richter im Himmel. Zudem hätten mich mehr Leute ge- höret, die sollte man auch darum fragen. Nämlich dass der Graf zogefahren und die niedergesetzt, dass sie Richter und Zeugen in dieser Sache auf Churf. Befehl sein sollten, welche zutoi Actores gewesen und noch sind, die auch zuYor D. D. M. Lntherom nehen Andern, die sie angehetzt und dazu yermocht, Unwahrheit und Lügeu berichtet haben." Er bitte daher, solchen Zeugen nicht Glauben zu geben, sondern sie als untüchtig zu yerwerfen, denn Niemand könne zugleich Actor, Testis und Index sein. Vielmehr wolle man „diese nachgeschriebenen angezeigten Pfairr- herm, Stadtyoigt, Stadtfreunde und Bürger der Stadt Eisleben, des Landes Mansfeld und anderer Oerter befragen lassen, wess sie dieses Handels Wissenschaft tragen.

Den Pfarhem zu heddrissleben Magister Krausen,

Den Pfarhem zu Schraplaun M. Jörgen,

Den M. von Steuden,

Den Pfarhem yon grossen Omer,

Den PfiEurhem zu Eidenbom (Erdenbom),

Den Pfarhem zu Rissdorf aufm Berge ^),

Den Pfarhem zu S. Annen binnen Eissleben Caspar Bohem,

Em Giemen zu S. Niclass,

Caspar Schmidt Rendtmeister ^),

Johan Duhr gemeiner Hern Cantzler,

Andreas Kosske sein Sohn,

Paschen Rincken Stadtvoigt,

Magister Jobsten,

Wilhelm Rincken,

^) Ueber die hier aufgezählten Ortschaften, deren Geistliche er zu Zeugen vorschlägt, vgl. Kr um haar a. a. 0., S. 6. 7. Noch heutigen Tages sind Pfarreien zu Hadersleben, Schraplau, Steuden, Grossen-Oemer, Erdeborn und Ober-Risdorf. Ueber Er Kiemen zu St. Niclass vgl de W. V, 794

s) Unter den Laien, welche Agricola als Zeugen benennt, sind manche auch sonst bekannte Namen: Caspar Schmidt, Rentmeister des Grafen Albrecht Krumhaar, S. 71; Paschasius und Wilhelm Rink, S. 74 ; Johann Dürr, vgl. den vorigen Brief Nr. 17 und Krumhaar, S. 75. Bartholomäus Drachstedt war Agricola's Schwager, und auch die Moshauers, welche bald hernach angeführt werden, waren mit Agricola verschwägert. Denn da nach dem bei Dreyhaupt im „Saalkreyse'' aufgeführten Stammbaum der Drachstcdt's jener „Schwager" Agricola's mit einer Moshauer ver- heiratet war, so muss wohl auch Agricola's Else eine Moshaaer gewesen sein. Die Eichenheuser kenneu wir aus Förstem. N. ürkundenb., S. 291, den Stadtschreiber Hans Albrecht aus Köstlin II, 606. Krumhaar, S. 271. Ueber Mag. Erasm. Reinhold vgl. Corp. Ref. III, 982. de W. VI, 690. Voigt, Briefwechs. d. her. Gelehrten, S. 514— 546. D. Lude- wiger ist der Eislebner Arzt, der in Luther's letzten Stunden zu Hülfe gerufen wurde. Krumb aar, S. 277.

KAWERUA, BRIEFE ZfM AN TINOMISTISCHEN STREIT.

Wolf Eötten öf. Älbrechts 8. Hana Brückner Bicbter, Jacob Heynnit Stadtvoigi, Wolf B nickener, Wichart Eichter, M. Erasmus ßeinboldt zu Wittenb.

I D. Jobst zu Halle,

D. Ludowiger zn Eiaaleben, Alexiuss Meinhart, Bartelt Drag- stadt, Jacob He i de 1 bergen , Michell Lamprechte» , Adam Mosb- h&wem, Christoffel Mosshawer, Hannen Sieferdt, Hansen Krausen, Andresen Muller, Niclasa Ferckman, Burchardt Perkutan, den Bvchsseme ister, Hanss Stalen vom Schlosse, Uanss StaleD am Hsrcke, Fatiess Konnige, Antonius Westphalen, SchuBsellkorb Bergricbter, Hanss Weiner, Merten RoBswiirn), Burchart Sichart, Caspern Claiu, Niclass Eeslingen, Mathesen Blanckenberg, Nico- 1 Treffer, Jobst Eichenheuser, Niclauss Stauben, Jörgen Feur- Iwn, Uannsen Weissen, Merten Arendt, Osawaldt Muller, Hanaen Himler, Martinum Tburknecbt, Georgen Schmaler, Bartelt Wiede- , Jacob Ludtwiegen, Peter Moren, Gebhart Bichlingen, Peter Baben, Hansen Albrecht Stadtäcbreiber, Hansen Lucasa, Pawell Schencken, Georgen Arndt, Moritzen Hofachuster, den Mahler ■ofiu Stein wege,

Vund daas gantze Kirchspie! zu S. Niclawesa weih vnnd i, da Ich in die 11 Jahr geprediget habe." Diese alle solle 1 darüber verhören, ob Agricola jemals gelehrt -habe, dass ntan das natürliche üeeotz zur BuHse nicht führen solle-, ob er nicht vielmehr gelehrt habe, dass .„das Gesetz und Schwert stets bluten solle; allein im Gewissen, da die Gerechtigkeit statt habe, solle

I€B keine Gewalt noch Begiment haben, sondern allein die Gnade-" Agricola führt im Folgeaden eine lange Reibe von Aub- iiprüchen an, deren er sich in seinen Eislebner Predigten bedient habe, über welche alle er auf das Zeugnis seiner Zuhörer sich beruft, Aussprüche, aus denen hervorgehen soll, dass er wider die Sünde und Schalkbeit der Menschen gepredigt habe. [Ver- mutlich die Sammlung, die ihm C. Bübme am 17. Februar 1540 übersendete. Föratemann a. a. 0., S. 316.] Er schüeaat dann mit folgenden Worten:

Befehle mich hieniit E. G. n. E., die mich ohn Zweifel wohl werden entschuldiget wissen diese» meines Ansuchens, sintemal die hohe Geschwindigkeit dieses Handels fürhanden, wie ich sebe und erfahre, daas er von meinen Widersachern getrieben wird ohne alle Gottesfurcht, ich geschweige, dass man ordentlich nach recbtlicher Mass und Erkennlniss hierin verfahren sollte, wie zu- vor auch ein Zengniss anher kommen ist, verzeichnet mit den Worten „aus einigem Herzen und Munde", so doch über fünf

ZciUchi. r. K.-Q. IV, i. 22

j

324 ANALEILTEK.

oder sechs nicht dmmb gewnsst habeiL Dat(^Il ^nttenbeig Mitt- wochs nach Cyriaci 1640. £. G. n. B.

williger Johann Agricola Riasleben.

Nr. 19.

Aufzeichnung Agricola's Ober seine Uebersiedelaog nach

Berlin.

[Cod. ErL 1666, foL eQ\]

Lipsiae bis, Vuitebergae semel locntns est mecnm Joadümii a Bochow et Andreas Stolpins, nt in Marchiam commigraiem; me inyentnmm nidom apud Principem. Et ecce yeni, yidi, Tid Anno 40 sub mortem Mariae [16. Angust]. Et consecnta est mirabilis metamorphosis, imo xaTaoTQoq^ri potins foelioiss. GBe beat snos Dens in opportnnitatibas. Nota tibi reliqna. Hallelnia.

[Das Stück befindet sich im Cod. Erl. irrtflmlich als za dem Briefe des Caspar Böhme vom 22. März 1640 gehörig; yielleicht stammt es aus einem Briefe, den Agricola von Berlin aas an Böhme richtete. Vgl. dazu Agricola*s Worte in der Widmung zu seiner „Historia des leidens ynd Sterbens '' 1643 an Joachim n.: „Do aber nu in dieser meiner rwhe ynd gedflltigem friedlichem aaswarten, was Gott mit mir forhaben wolte, E 0 F G durch etliche E C F G Bethe zweimal zn Leiptzik vnd ein mal zo Wittemberg bey mir gnedigst anregen Hessen. Ob ich nicht ge- neigt ein mal die marck, darinne so wol lentte als jensid des berges weren, zu besichtigen, vnn ich darauff mich erhnb, Txm E C F G alsbald im bofiflager antraff, welche mir gnedigst yeter- lich vnd Fürstlich dermassen geboten in E C F G lande zn bleiben, das mir zuuolgen gebflren müste" u. s. f.]

4.

Dicta Nelanthonis.

Mitgeteilt von Otto Waltz in Dorpat

Tischreden, wie von Luther, sind von Melänchthon nicht fiberliefert Aehnlichen Wert indessen, wie die nnnüttelbara

WALTZ, DICTA MKLANTH0K18.

iniui^en, welche an Luther'a Tisch von treuen Anhängern

acht wuiden, haben flflchtige Nachschriften gelegentlicher

«rkangen aus Helanchthon'a Vorlosimgen. Schlägt man den

Band des Corpus Raformatorum nach, so findet man nicht

ige derartige beiläBÜge Aussprüche des Praeceptor Germaniae,

»e von einem Zuhörer des Jahres 1557 aufs Papier geworfen

Jen ^). Sie sind teile unterhaltender, teils belehrender Art,

'en bald persSnliche, bald allgemeine Verhältnisse und geben

ihrem beitereu, angenehmen Erzahlerton ein allerliebstes Bild

] der Vortragsweise Melanchthon''s. Wenn die originelle An-

Ichauung, die bewegliche Phantasie, das tiefe deutsche Gemüt,

br sprudelnde Humor nnd die geniaJe Kraft den „Oesprächen"

Imther's ihren Reiz verleihen, so spiegeln diese Aenssemngen die

niTerg] eichliche Bildung, die hohen, edlen Bestrebungen, den

wifflenschaftlichen Gmst, den freien harmonischen Qeist, den

dabenswflrdigen Witz nnd die leutselige Ader von Melanchthon

ff.

Inhaltlich bedeutender nnd nicht frei von polemischen Ans- l ist eine andere Sammlung Melanchthon' scher Dicta, welche •Kh unter den Schätzen der kaiserlichen öffentlichen Bibliothek m 8t Petersburg befindet und im Jahre 1556 in Wittenberg ligelegt wurde. Sie trägt folgenden Titel: Hoc in libeUo con- judicia B. Martini, Fhüippi et aliontm äociissimorwn Deinde etj/nmlogiae pteraegue dictatae a I^üippo. ÜUimo historiae et facetiae sätu dignisstmae.

Onmia conscripta et observata Vitebergae ab ApoUine tero Sunder shusano. Anno MDLVI. Die Papierhandschrift, welche vor mir liegt, hat die Nnmmer 610 und umfasst 357 Blätter in 8". Apollo Speiser, der Schrei- ber und erste Besitzer des Coden, besuchte offenbar die Vor- leeangen in Wittenberg, doch forscht man in dem Album dieser Hochschule vergebens nach seinem Namen. Ein Umstand, der lieh leicht erUärt, wenn man die Becto rata erlasse liest, welche ^ber klagen, dass zahlreiche Zuhörer sich der Einachreibung entuehen.

Aus dorn reicbeu luhalt der angeführten Sammlung traf ich die nachfolgende Auswahl. Es war meine Absicht, nur biogra- fluEch oder sachlich Bemerkenswertes mitzuteilen. Manche an ach interessante Nachricht scbloss ich ans, weil sie nicht nnter-

>) Hiatoriae quaedam recitatae a Philipps Melantbone intfr pablicaa lectiones, p. ÖlSsqq. Sie werden mitunter borichtigt, erweitert oder er- giazt durch den gleich zu beschreibenden Codei. So begegnete die

L 581/2, Nr. 219 erzählte Geschichte einem Grafen von Henncberg in nberg. Cod. PetropoL 510, f. 234t'. Maolius, p. 492.

326 ANALEKTEN.

zeichnet oder nicht datirt war und sich ihr Gewährsmann nicht mehr feststellen liess.

Keine Aufiiahme fianden die Lnther zugeschriebenen Aus- sprüche.. Denn sie sind nicht ans erster Hand geschöpft und mögen im Lauf der Jahre die mannigfachste Yerändemng durch Copisten erfahren haben. Und sollte es nicht besser sein, irgend einer Aeusserung des Beformators zn entraten, als mit einem Wust Yon Spreu ein Körnchen Lnther'scher Wahrheit in die Oeffentlichkeit zn bringen?

Nr. 1 (f. 17). D. PhilippuB in ezplicatione evangelii die oircnmciaionis domini (1. Januar) anno 1666 sie dizit.

Das das opus positus planetarum yergebens sei gemacht sein, hoc mihi nemo persnadebit. Et qui citant Luthemm fi^ciont Uli maiimam iiguriam. Ego plus cum illo disputayi de bis rebus, quam qnisqnam istorum asinorum eum viderit, qnia mihi fuit familianssimus per triginta annos.

Nr. 2 (t 67^). De oenlia

Leo habet ocnlos /a(»itf7rot;^, Luteri ocnli erant ji^a^onroi et habebant leonem in ascendente (sicl). Et tales plenimque sunt ingeniosi, ego in multis hoc obsenrayi et plemmqne yerum est Es sein braun angen, circuit circulus g^YUS.

Nr. 3 (f. 71). De versione chronicomm Carionis latina judi-

cinm Philippi IL

Latina yersio cronicorum Joan. Carionis mnltum germanizat, sicuti et ipse qui vertit ad me scripsit, se data opera fuisse li- beriorem in yertendo et se multis in locis libenter germanizasse ; alias est bonus et doctns homo.

Nr. 4 (f. 73^). PhilippuB de snia loda.

Cum mentionem faceret dicti Gratiani imperatoris, quod extat in epistola apud Ambrosium, loquimur de deo non qnantnm de- bemus, sad quantum p<v8sumus, dicebat: Scio quidem quendam meum libellum locorum communium nominare bona tennia. Bene scio esse tenuia et Tere ille dicit, neque ei ideo irascor, quamris ex contemptu faciat

Nr. 5 (f. 74). Phüippiu de Hienmymo.

Im Anschlus^ an seine Enahlung über Hieronjmns bemerkte Melanchthon:

WALTZ, DICTA MELANTHONIS.

Ego novi egregiiun et doctum viniiu, qui ad me ecripsit MDTentu Augustano. Tpae erat in Cypru et ibi vertit multos fibrös Lntbori in Itolicain linguaiit et sparsit ibi seiuinEi ductrinae. 9mt mihi et Lutheio notiBsiiima.

0. M. 56.

Nr. 6 (f. 76). Fhilippua Uelan. de se ipso. 1^0 habui priujceptoreni optimam grammaticum '), qni adegit ■e ad grammaticani et ita me adegit, nt jam nemo pateretnr, Kcponebat mihi aliqaos versus ex Mantuano, ibi cogebar de sin- lalis partjbus et verbi« reddere ratiimem, et quoties orrabam bbat mihi piagas, et ita me fecit grommaticum. Una lectione wpiasime ter vel quater castigabar , aniabat mv sicat filinm et Igo amn ficisBim iit patrem , et spero nos brevi conventuros in litai aetema.

14. Sopterab. A". 56.

Kr. 7 (f. 76 "■). Phüippus Mel. de Rodol, Agricola "). Otile est, Bodolphi Ägricolae scripta notu esse omtiibiis. Et memoria ejus propter Erasmuni gratior esse debet, de quo PMfo »aticinatns est. Cum eniiu Hegius scripta pueromm Bü- felpho ostendiseet et is anteferret Eraami scriptnm caeteria, cum pdeni eum non tioseet, juseit vocari paerum et adpreliendena tum dpillitio in vertice, aliquantisper eum intDens inquit: „Tu >ria olim loagnns." Uacc narravit gaepe anjicis tpse Brasmns. (D. M. 16. febru. 1555.

Nr. 8 (f. 79). De Sebastiano Francken ^.

Sebastianus Franck der böse ieckor , estne tolerandnm in Wleaia illud paradoxum, quod scripsit ille nebulo? Fuit moechus t scortator, ea ist ibm die Stadt Ulm und Basel verbtitten wor- ^ at deinde voluit avribere paradoxiim et rcformare ecclesiam. ITni dico in ipaius contumeliam, qnia nunc est mortnns, sed

') Vgl. Jo. Camerarü de rita Pli. Mdanchthonis narratio rec. Stro- Uini, p. 6. Nebenbei bemerke leb, dasn BretscliD«ider nicht nnr des OuKrarins Ausgabe der Melanchthaabriefe ricbtig gewürdigt, sondern ■nek im Jahre 183!) den Verbleib der Originale ausgekundschaftet und 184S im Corp. reformatoruni X der gelehrten Welt vetkOndigt hat. Leidn ist Bretacbneider's Vorrede vom 29, September 1S42 in einigen Muowi Arbuiten nnbcriicksichtigt geblieben.

1) Vgl, Corp. ret. 111, ü73Bqq.; XI, 438aqq. >} F. 194^ derselben Handschrilt findet aich unter der Ucberschrift iptjatamm primus aator" unter anderem folgende Notiz: „Claua mortane est in hospitali zu München in miaeria aatis magna."

328 ANALEKTEN.

propter ipsins libmm, qoi est in manibns multomm et est gntos, qnia maledicit omnibus, non solmn enim papae maledicit, sed multo acerbios Lnthero.

0. M. 1555.

Nr. 9 (f. 79). De eodem.

Paradoxa christiana. SobastLanns Franck der lecker hat ein buch mith einem solchen tittel lassen ausgehen, in eo scribit, omnia peccata esse paria. Cito periit ille liber sicuti et ipse cito periit

O. M. 56.

Nr. 10 (f. 80). De Sebaatiano Franoken.

Der lecker, der Sebastianus Franck, ille moechns et defiran- dator molta miscnit yalde tetra, erat stellio, er machte gülden nnd lief darnach daryon. Habebat miseram coiyngem et interim adulterium committebat cnm aliis. Er hat geschrieben paradoxa, darein setzt er auch: omnia peccata esse paria, wie Epicnms sagt Ego etiam interrogatos, au etiam ipsins scripta essent vendenda, com negarem, da wurden sie bald eingelegt hie und zu Leiptzigk.

0. M. 1556.

Nr. 11 (f. 80^). PhilippuB de nationibuB.

Italus sapit ante factum. Gallus in facto. Germanus post factum. Wir sein grobe tolpel.

Nr. 12 (f. 80^). Conatantinopolis.

Jam est stabulnm Turcicum. Olim in ea urbe fuit pluri- mum doctrinarum, et quod adhuc habemus aliquid literarum, gra- tias agimus huic urbi. Ego saepe audiyi a Capnione, se accessisse ad publicum lectorem Argyropolum, a quo audiyit narrari Thncy- didem. Cumque Capuio diceret, quod yellet esse ejus discipulus, jussit eum Argyropolus graeca legere. Quum legisset paginam unam Capnio, exclamavit Argyropolus: „Nostra Graecia ayolayit iuxta Alpes.'* ^)

Nr. 13 (f. 207). Capnionis inoiyilitas.

Capnion sodit in meiisa ducis Wirtebergensis , dux apposuit Uli de feriua, ille voluit esse civilior et excipere cultello, excidit

1) Vgl. Corp. rcfonnatorum XI, p. 237. 238 und Geiger, Johann Reuchlin, S. 27.

I WALTZ, DICTA MELAMTHONIS. 329

Uli in cjatbun, postea voluit illud comgere alia civüitate et eiimere ciütTO, effudit cyatbnm immensum. So geht ea lu in der weltt.

Nr. 14 (f. 237). Lajidgraviiu de studiia. Bz Landgrafio ego audivi ante 12 annos quod diceret: Ego posthac magia amabo studia doctrinarum , quia, si illa studia negligerentnr, postea quilibet euos entbusiasmos et revelationes jactaret.

Nr. 15 (f. aeGb). V. D. M. J. Ae. •) Das hatt graff Oiintber von Sclinartzburg also gemacbt: tTnsere Doctores machen ittel errores. Ei hatts vennste invertirt. Es ist leider auch war, quanquam aliqua saltem ei parte.

(D. M. Ä". 66.

Nr. 16 (f. 267). Be hiBtoriots germanicis.

Ex Bein jemmerliche germanici historici et plane insnlsi. Nost«r historicns dicit de Budolpho *): unnd Radolphus war ein demütiger man, er bletzt sein wammes selbemn, plane iuanlse dictum est. Historiam scribere Don est parum momenti.

0. M.

Nr. 17 (f. 267''). Capnlon conicripsit chronicon. Hemini Capnionem recitare, cum ipse et Bodolphus Agricola et DalbnrgiuB episcopufl esaent in anla Palatinorum et loquerentnr de lebns gestia principnm, petivit ab eis princeps, nt aibi colli- gerent epitomen chronicorum et distinguereiit monarcbiaa , qnod fecenint CapnioQ et Agricola °). Et credo istum libmm adbnc esse in bibliotheca principum Palatinorum.

O. M.

Nr. 18 (f. 268). De Oaiandro. Oslander cnm discederet e Norimberga diiit, se habere cau- sam et se Don reUe ibi manere, qnia nihil iUts placeret, quam

II Bekanntlich Teibnin dei manet in aetemam.

1) F. 194i> dereelbeo HandBchiift heiMt ea: „Quäle est illod in historia Lndonci regü, ea hatts zwar ettnan ein grober Schwab ge- eclirieb«n, inquit ille historiographiu inter caotcia: und kunig Ludwig war ein demntiger man, dan er pletzt aein wammcs selber, ita ille ine- ptna Bcriptor pntaTit hnmititateni egse, wan einer sein wanunes plebit; ddnde inaolBe ntitoi nomine pletsen hoc loco . . -"

>) Corpus reformat. m, 675.

830 ANALEKTEN.

qaod de YitebergeiuiibuB diceretur. Se et sibi yelle quaen principem quendam, cai placeret

Nr. 19 (f. 268). De interitn fllü papae PauLi 8.

Papa PaalnSy qoi fait erndissimus in omnibtts doctrinis, ipse etiam fait magicas et scripsit ad filiom, ut illom diem cayeret, et cayit eum; cam autem jam orepnscalnm adesset, jussit sepor- tari in aggerem, ut ibi videret aedificia. Cum autem requieyit in 8U0 CDbiliy excitarunt ministri tumultum et ipsum interfecenrat ac per fenestram suspenderunt testicnlis tanquam hominem libi- dinosum.

0. K.

Nr. 20 (f. 268). Elegantia pingendi.

Elegantia in pingendo etiam summum decus est, man mns dannoch auch schreiben, das maus lesen kan. Ego bis mann mea descripsi epistolam ad Romanos , cum possem melius graece pingere, unum exemplar dono dedi D. Caspare Crucigero, alterum Eobano.

a>. M. 56.

Nr. 21 (f. 269^). De morte duois Friderioi.

Quando dux Fridericus sapiens princeps moriturus erat, jussit sibi scribi maioribus literis sententias consolatorias in ta- bulam et eas diligenti meditatione inspexit ac consideravit et tandem ita tranquille mortuus est

a>. M.

Nr. 22 (f. 270). Quo studio legerint horas canonicas.

Heidelbergae habui hospitem doctorem theologiae, qui legebat horas canonicas et inter legendum incidit in alias cogitationes, tuno saepissime me interrogavit, Philippe ubi sum? Ego maiori diligentia animadvertens saepissime ei locum indicabam in quo pealmo esset

<Z>. M.

Doctor Martinus ^) qnoque serioribus negociis occupatus so- litus est legere uno die horas canonicas a se tota septimana

1) An einer anderen Stelle heisst es f. 256^:

Luthema legit horas canonicas.

Luthems diebos Sabbathi, cum esset v^uos a concionibus, initio solebat oonsomere totnm diem legendis horis canooicis septies eo die, sorgebat

■WALTZ, DICTA MELANTHONIS. 3^0

' ntgleeta«. Ibi AmlisdorfSas ad eum diiit: est fatuitas tob legere Tel recitare ono die horas canonicas, poetea intermisit

Nr. 23 (f. 271). Do veteribui collegili. Olim fiiorunt collogia talia in quibus erat adolosceotia con- cliua, wie noch die klostec sein. Wan mana itzundem sagt, ao Gpricht man, er sej des tenffela unnd sej adiaphoriBticum.

Nr. 24 {f. 272*'). De doctore Martino et Jona.

Ad Sühweinitz aute coenam venerunt D. MarÜDUB, D. Jonaa iina cum Jacobo, qui est pastor in ßroma. D. M. autom propter cruditatem in cubicnlo vomnit. D. Jonas eum eicusare voleus ad aerrum purgantem oubiculum diiit: Lieber knecht laa dicbs niubt irren, der doctor pflegte alle tage zu than. Hoc audicns Juobns concionator de Brema i1i!.it: o quam pulchra oicusatiol TuDc D. Jonas accipit enm cullo ot inqiiit, Tace tn. Deindo vulait in mensa repeture, sed Jonas probibuit. Hane tandem iloctor Jonas, cum adbuc in lecto cubaront ipsemet recitavit. Hoc est, quando po^teriura intelliguntur ex prioribus.

0. H. 55.

Nr. 25 (f. 273). Fhilippns ad Calvinnm.

Dicebam ad Calvinnm, sicut est bonus bomo et amo eum. Ciklfine, es minime stoicus. Dtcebat Calvinus . . . (Scbluss fehlt.)

Kr. 26 (f. 274^). Tria mira docia Sazoniae.

Dnx Albertus Saxoniae dixit com principos gloriarentnr de boIb nibibua. Ego habeo nnam urbem '), iu qua habeo tria inira.

Primo babeo monachos, qui non habent ^'ros et tarnen mul- tum fmmenti.

Secnndo habeo monachos, qui non audeut contrectare pecu-

mime sectmda. AmbsdoriTins dic«bat ad enm, si non poBsunt intermitti traditiones eiae peccato, pcccaati cum non Icgeris trtatuto tompcire, sin Bon peecatam, cor te big maceraa? Com oreacerent ei uogooia omnino ftbjecit.

In demselben Cudex f. U: Hiserla Lutherl. Ante daclam niorem Icctum babutt non Btmtum per totom annnni . qnl mdore computniit. Ipsedisit, Ich war niudi! und nrbcittst den tagmicb ■be nnd fiel also ina bett^ und wnste aichts dmnib.

1) Glosse Ltpeiam rc. Ch. Corp. refonnat. XX, 6iil, nr. 'JS.

332 AKALfea^Tttl.

niam et tarnen multum habent pecuniae. Tertio habeo momcho^ qui non habent mores et tarnen maltos liberos.

Addebat Philippas : Ego qaoqae, cam moreretor parens missas sam cam pecania in monasterinm ad monachos, ot rent reqoiem. Monachns, cam non änderet contreciare peconin^ jossit coigici in cncallam.

O. M. 1556.

Nr. 27 (f. 232 b). Urbanitas in dictU.

Cam essemas in conventa Batisponensi in cauaa Juliacessi, conyenenmt omnes principes, imperator Carolas conspectis flüi salsissime dixit: Ecce ego nanc toties de rebas maximi momffliii pertinentibas ad religionem et ad imperinm proposni deliberaticHifli et nanqaam potai efficere, ut omnes conveniretis O^S^ti enni Jaliacenses impetraverant a principibas omnibas, at ipsi sais oo^ poribas convenirent), nunc, qoia est contra me, Yidete proh am qaantas namerus principam advolarit. Illi, qni stabant pn^i janaam, se sabducebant Eadem in cansa jassit imperator dka seniori electori Saxonico, Er solt sich baten ftir den Frantioseii die jangen kondt man heilen, aber In den alten nicht ^). Yohiit significare, se nunc Juliacensi juyeni condonare hoc debitnm, sad ipsi, si simile aliquid moliretur aut straeret, non condonatoroB neque passurum.

Nr. 28 (f. 239^). Das mos ist ▼orsaltsenn.

Quidam concionator aulicus (Glosse: Eisleben), com sibi habenda esset concio de bonis operibus per totam concionem mire captabat applausus potentum, et cum inter caetera recitaret dicta quorundam, qui dicunt: Man mus gute werck thun, illadebat ilgcoytvo^iyog das mus ist yersaltzen, id est, es gilt nimmer. Hoc dictum accipiebatur cum magno applausu, nihil anqnam dic- tum erat venustius, ingeniosius aut urbanius. Ich het gesagt, das mus ein grosser nar sein, er verstund viel was er sagt^ der phantast. Multi docti ante 20 annos me reprehenderont, qood dixi, Bona opera esse debita, quod ipsi intellexerant ea esse coacta. Quidam dicunt, Non debemus quia nitro facimns. Ey nicht also, es ist das ultro eben schwach, das wil ich dir auch sagen. Es ist grobe, stinckende, eselische bachanterej dicere non esse debitum, sed ultro facimus. Christus inquit, qnod debuimas feci-

1) In ähnlich „orbancr'S aber beziehnngsreicherer Weise Hess sich bekanntlich Kaiser Karl Y. über Papst Paul HL zur Zeit des schmal- kaldischen Krieges ans.

WALTZ, DICTA MELANTHONIS, 333

muE. Et Paulus, debitoros BumuE. Noiite amare ietas cavilla- tioQes. Aliqui acribunt;, Man sol gute werck thun, waus oim gelegen ist, hetten sie nur darbey gescfariben, wans eim sanft thut. Eün teils grobe macker sEigen , es sein keine bona openi in latrone gewesen, bona opera beissen nicht, wan einer auf den ikbendt spacirn gobt und gibt etwan ein pfennig um gotte willen. Id latione fuernnt bona opera 1) lila mirauda fides lucens in eo quod videt iUnm aimul pendentem esse Christum. 2) Cum fide «8t com'ancta dilectio, item, refutatio alterius latronis.

Nr. 39 (f. 264). Jama Erasmi AoterodamL

diiit: Stomacbus meus est Lutlieranus ac mens clinstiana. Est fostivissime et sapientissime dictnm et est bella niliigaitas in vocabulo stomacbus. In specic quidcm sigiiiücat, ^0 propter ventricnliim cogor edere camem, sed reote hoc diceio 'nilt, ego tarn snccenseo pontificiim sceleribus quam Ltithoms, unt per stomacbum intelligit indignationem, quia bilosis, quo» pieci TDCant h^vxö^-ovg statim o)(aestnat bilis in oriflcio yentri- MÜ, dcnt nsitate dicitur, kleineu leutten ligt der drock nalie, «t cholericis, qui sunt praecipitiu trae, jach znmig, sud me;i Dubr mntabat regitlaris^ime, quiii erat sapientissima et dixil, jai'li urnig, et renun est, omnis ü|i;/oJ^o; est fatnus. Er weis nicht, *ut ei zornig ist, was er thnt, er thnt oft das ihn hernach

Nr. 30 (f. 237''). De Durero. DnrernB dicit, se juyenom amasEe prodigiosos ductuu, j;tm Potent senem studete simplicitati naturae, ut eam efüngero et ßxprimere aliquo modo posait, et dolore se, qnod tarn pi'ocul ad- ^Dc abesset a naturae perfectione.

Idem diiit, se a multis pukhris viria et viigiuibns impetrasse, 1t pat«rentur, ae nndos et nudaa depingi, ut lineamenta et pro- {Mjrtdonem imitaretur.

Dnrerns, cum Ma^iimilianns carbone imaginem aliqnam doli- Qeasset, qu^m ab ipso pingi volebat, et carbo aliquoties fractua esset, ipse postea eipeditius pinxit eandom imagincin. Ibi Haxi- miliinns quaeaivit n Durero, quo fieret, ut ipsius carbo non Ciangeretor. Subridens Duierns luapondit: Gnediger kelser, ich »oU nicht gerne, das ihr so mahlen kündet, wie ich, quasi di- 1 wiet, in bac re me exercni, tu habes graviora negocia. Alind 1 Ht sceptrmn, alind plectrum.

334 ANALEKTEK.

5.

Miscellen.

1. Ueber die Verbreltmii; ^^^ Begtnen in Hesse

und deren Grandsfttze.

Kos Fulradüs archipresbiter Sedis in Fredeberg, Johannf pastor parrochialis Ecclesie in Grüningen, Dytwinns plebanus i Bettinhusin pro tnnc kemerarius dicte Sedis recognoscimus i tenore presoncium constare cupimus yniuersis, qnod requisicioi honesti viri dominj Hey. plebani MjnzbinbCergensis) ad nostrai necnon discretomm yirorum dominomm Bertoldi primissarij Myi zhinb(ergensis) Heynr(ici) de Hulzb(eim) yicary in Grüningin Cm radi dicti Rost Cünradi campanatoris Jobannis notarij dicti Opi« presenciam quedam venit mulier in babitu pycardomm et beck nanim a Sancta Ecclesia dudum reprobata, fassa, qnod oljm i tempore reprobacionis ipsius babitus perseuerasset sine mutacioi nee non ipsum yellet mutare quoquomodo et si cremari debere Item fassa quod alias mulieres et iuuenculas ad enndem babitu gerendum incitauerit dixitque, castitatis babitum illnm esse i sine eo nallus teuere posset votum continencie videlicet pau gryseo et albo, Similiter fassa quod in Ecclesia talium juuei cularum crines absciserit atque diuersis doctrinis ipsas ad huiu modi ritum et babitum gerendum instruxerit; ipsa autem requisi qua intencione et auctoritate illud faceret et vnde haberet dis a deo se babere. Siquidem pro biis rt yidebatur erroribns * quibusdam aliis forsan increpacione quorundam postmodum item nobis presentibufl aliisque fidedignis . . personis videlicet domifl Rudolfe plebano in BeldirsbCeym) Wickero plebano in HnlzbCeyi Cänrado de Oberinbobin milite Gerlaco de Lundorf Scult« Mynzbinb(ergensi) Jobanne Geljn dicto Sbwarzben Scabinis ibide yenit dicta mulier dixit si quos articulos erroris babuerit ag« yellet penitenciam ac fide data promisit instructionibus et iussioo bus . . plebani sui necnon meis Fulradi et meis Dytwini pr« fatis in omnibus obedire et pro dicta rebellione seu inobedienci a dominis nostris Sancta Moguntineusis sedis judicibus inpetrai beneficium absolucionis. Uiis enim minime expletis in dicta pei tinacia ftdei promissum non aduertens quod violauit loco iun menti factum perseuerare non formidat. Et ut bec omnia di reant euidencius sigilla nostra precibus prenarrati dominj He;

^V MISCELLEN. 886

^lebani Myniliinb(ergensis) huic dcripto annt appensa snb anno ^ominice jncaraacionis M*ccc''xLv*.

Die im Archiv der Stadt Minzenberg in OberhesBen COroaaherzogtum Hessen) befindliche Original tirknnde ist mir von S». Erlaucht dem Herrn Grnfen Fr. zu Solms-Laubach mitgeteilt. I^ie Siegel sind abgefallen. Die ürknnde selbst ist durchge- «"isaen. Auf der EücVseite stehen von einer Hand des 15. bis Ifi. Jahrhunderts die Worte: „Hec Ütora continet varia nullius ▼tilitatis ", d. h. keine Aufzeichnungen Über Güter und Kanten. T>er in der obigen Urkunde genannte Pfarrer von Minsenberg biess nach anderen gleichzeitigen Urkunden Hejnemannus, So z. B. in einer von 133S, wo neben ihm Bertoldus capel- lanna prime misse und Tbeodericns et Arnuldus vicarij «iosdem Ecciesie vorkommen.

Elberfeld. W. Crecelius.

2. HieronTinna tob Prag la KSln.

In der ersten Matrikel der Universität Köln ist Hieronymns lon Prag unter dem 2. Rectorat des Johannes Vogel (24. Man biä Ende Juni 1406) eingetragen.

Die Bectoren worden damals auf ein Vierteljahr gewählt. So war es Johannes Vogel schon im December 1405 geworden, vie die folgende Auizeichnnng in der Matrikel lehrt:

SnbseqDcntor de Anno domini millesimo Quadringentesimo qninto jn sabbato ante vigiüam Beati apostoli Thome Ego Jo, Vogel electUB fui in Kectorem apud predicatores Colonie etc.

Nach Ablauf der gesetzlichen Zeit wurde er wieder ge- wählt:

Adnertendum quod de anno predicto ') die ixiiü. mensia Uartij celebrata niissa apud carmelitas fai iterato electua in Sectorem.

Unter den während dieses 2. Bectoralos Immatriculirten steht nerat Hieronymus von Prag:

Primo dominus Jeronimus de Praga magister in Artibns Parjsiensia, soluit medium de quo Symon Bedellus habuit vnum ilbiun Bt aic remanaerunt duo penes me.

33S AKALEKTEBT.

Noch «in anderer Böhme ist nnter demselben fiectorato ein-

NkoUns de Praga Bohemas, jaraoit et nihil dedit ^«tft tote panper, amore magistri Andree de Werdena coius •xtitit intitalatos. filberltid. W. OreccUus.

-^•o^^e^

\\^^\ t*» Frl^'dr. Andr. Pertbes in Goih».

FitersnehuDg des Buches Von geisüirher Annat.

Von Albrecht Blteclü.

Die Schrift, welche man bisher als Tauler's Nachfolgiuig des armen Lebens Christi" kannte, hat der Dominikaner Hänrich Seuse DeniSe zu Graz im Jahre 1877 unter dem Titel: „Das Buch von geistlicher Armut" herausgegeben imd in einer begleitenden Abhandlung dessen Herkunft von Tauler bestiilten. Zur Herstellung dos Textes hat er mehrere Hindschritlen aus dem 15. Jahrhundert benutzt, welche älterund 'olUtändiger als diejenige sind, welche der erste Heiaus- geber Dan. Sudermann (Frankfurt 1621) hat abdrucken lassen. In jenen Handachriften lautet nun der Titel des Buches teils »uf die Armut, teils auf die geistliche Armut; zugleich ist '0 derselben das Buch durchaus nicht mit Tauler in Ver- Undung gesetzt Vielmehr ist dessen Name dem Buche nur durch Sudermann angehängt worden, der dieselbe Willkür Mich bei der Herausgabe anderer myaÜschcr Schriften geübt hat (Denifle, Einleitung, S. l). Durch diese Tatsache wird das Gewicht der Girimde erheblich unterstützt, welche Denifle ans der Vergleichung dieses Buches mit den Predigten Tnu- ler's schöpft, um die Annahme, dass er der Verfasser sei, zu *idorlegei]. Diese Beweisführung krönt nun aber der ge- lehrte Herausgeber durch eine positive Vermutung über die Herkunft des Buches. Nämlich aus der in dem Buche durchgehenden Betonung des Gedankens, dass die christliche Vullkommenhcit die voUätändige äussere Armut cinBcldlessc, wi darans, dass Tauler in seinen Predigten r i

338 BTTSCHL,

Wert der inneren Armut oder Abgeschiedenheit von der Welt hinhält, folgert er, der Verfasser sei viel eher für einen Anhänger der EVaticellen, also einen FranciskaneivSpiritaakn zu halten, als fiir einen Dominikaner. Allein dieser Gedanke Tauler's wird auch in dem Buche von der Armut nicht verleugnet „Daz ist ein notdurft zu dem himelreiche, dtf man der dinge von innan ledig sy; und daz sind gute leate^ (50, 16; 53, 30; 55, 20). Femer verweist Denifle sdbst auf Aussprüche Tauler's, welche dem Qrundgedanken des vorliegenden Buches zustimmen, dass die höchste Armut zu- gleich äusserlich und innerlich sein müsse. Dieses ist ja auch die gemeinsame katholische Lehre. Es ist also nicht ersichtlich, warum eine Schrift, in welcher dieser Gedanke überwiegt, franciskanische und nicht dominikanische Art an sich tragen soll. Soweit eine Abweichung zwischen Tanler und dem Buch von der Armut auf diesem Punkte obwalte^ ist sie nur daraus zu erklären, dass Tauler's Predigten an die Laiengemeinde gerichtet sind, das vorliegende Bach aber auf die Mönchsgemeinde berechnet ist Den Laien, die im weltlichen Berufe bleiben sollen, konnte Tauler von seinem Standpunkt aus nur die innere Armut einschärfen. Das Buch von der Armut aber brauchte sich nur beiläufig darauf einzulassen, dass man selig werden könne, auch wenn man die Dinge zu seiner Notdurft besitzt, weil es sich nur an Mönche richtet, welche eben nicht einmal ihre Notdurft zum Eigentum haben. Dieser Gesichtskreis wird im Eingang zum zweiten Teil eröffnet. Hier wird dem niederen Grade der Liebe zu Christus, nämlich der Erfüllung der zehn Ge- bote, der andere Grad gegenüber gestellt, das wir halten seine Räte, d. i. seine Lehre des heiligen Evangeliums, in der er uns geraten hat ihm „nachzufolgen in einem armen Leben" (93, 14). Der Arme und Vollkommene, wie er in diesem Buche beschrieben ist, wird auf Ahnosen angewiesen (6, 28), er muss seine Lebensnotdurft heischen (111, 9). Denn die zugleich äussere und innere Armut (5, 19; 106,19), auf die es ankommt, soweit sie möglich ist (6, 14), ist eben insofern eingeschränkt, als man die Notdurft des leiblichen 1 Lebens zu erbetteln hat, wenn man auf ihren Besitz ve^

i

ÜNTERSÜCHÜKG DES BUCHES VON GEISTI^. ARMUT.

Bebtet hat. AuBserdem wird hier erwogen, wie arme Men- ■dien, die in „Sammenungen" sich befinden und einer dem uidem gehorsam sind, sich trotz ihrer Abkehr von allen Creaturen in Abhängigkeit von Menschen begeben dürfen. Dieses Verliältnis wird nämhch gutgeheiaaen unter Anderem, wenn man wm Brot geht durch eigene Notdurft und die des firudera {ll, 36). Also das Buch ist eine Anleitung zur Frömmigkeit für Bettelmönche; und hienach ist es nicht or- schtlich, warum die Anweisung zur vollständigen Armut, welche ebenso gut für Dominikaner wie für Franciskaner zweckmässig war, mehr von einem tVanciakaner als von «ncm Dominikaner herrühren sollte. Dieses gilt auch in Hinsicht des Umatandes, dass die Armen, d. h. Bettelmonche, vor Verbindungen mit reichen Leuten gewarnt wei-den, als vor einem Werke des bösen Geistes und einem Zuge zur Hölle (7,11; 13, 28; 111,28). Denn schon 17 Jalu-e nachdem Tode des heiligen Franz (also 1243) hatte der englische Benedictiner Matthäus Paris in seiner englischen Geschichte zu rügen, dnss die Bettelmönche beider Orden sich an die Vornehmen hinandrängen , um sie für ihre Interessen auszubeuten *). Diese Umstände bieten also auch nichts dar, um über den dominikanischen oder franciskaniachen Ursprung des Buches zu entscheiden. Tauler betont dio Aufgabe der vollkomme- nen Armut nicht, nicht weil er Dominikaner war, sondern weil wir ihn nur aus seinen an Laien gerichteten Predigten kennen. Der Verfasser des Buches von der Armut, indem er die vollkommene Armut als die Aufgabe des BettelmÖn- choB behandelt, könnte, bloss nach dieser Rücksicht be- urteilt, ebenso gut Dominikaner als Franciskaner sein.

Deshalb ist die Vermutung von Donifle, das Buch sei franciakani sehen Ursprunges, nicht durch genügende und überzeugungskräftige Gründe empfohlen. Liesse sich jedoch diese Vermutung durch andere Beweismittel sicher steilen, an würde seine Abstammung von Tauler in der bündigsten Weise widerlegt Denn, wie sich mir ergeben hat'), so

1) Gtcseler, K.-G. II, 2. S, 331. ^■) Oeschiehte des PietinmuR I, 468—472.

340 RITSCHLy

trfigt die Mystik in den beiden Bettelorden ein verachiede- nes Gepräge; diese Verschiedenheit richtet sich nach den Begriffen von der Seligkeit, welche einerseits Thomas , an- dererseits Duns aufgestellt haben; endlich ist der im 17. Jahr- hundert so genannte Quietismus nichts anderes als scotistische, / d. h. franciskanische Mystik. Nun ist es mir au^efisJlen; dass Denifle (S. xxv) von manchen Sätzen in dem Buche den Eindruck quietistischer Art empÜEmgen hat Er selbst hat wohl nicht geahnt, dass diese Beobachtung sich mit seiner Vermutung über den frandskanischen Ursprung des Buches berührt. Ich nehme jedoch davon den Anlass, zq prüfen, ob nicht das Buch die Merkmale an sich trägt, welche der scotistische Begriff von der Vereinigung der Sele j mit Gott und der Seligkeit an sich trägt

Denifle hat bei seiner Vergleichung des Buchs von der Armut mit den Taulerschen Predigten die Voraussetzung be- folgt, dass jenes das Werk Einer Hand sei. Hing^en stelle ich zunächst fest, dass es ein Conglomerat verschiedener Ab- handlungen ist Eine Andeutung davon bietet schon das Inhaltsverzeichnis dar. Im ersten Teil des Buches reicht das Thema der Armut direct nur bis S. 22. Dasselbe wird auch erschöpft durch die Ausfuhrung der drei Sätze: Armut ist erstens von allen Creaturen abgeschiedenes Wesen, zwei- tens: freies Vermögen, drittens: lauteres Wirken. Ausserdem umfjBUSst die Grundschrift im zweiten Teil in S. 93 119 die Darstellung der vier Gründe, die zu einem armen Leben antreiben, erstens: die Lehre und das Leben unseres Herrn Jesu Christi, zweitens: die Vollkommenheit der Tugend, drittens: dass man sich und allen Creaturen sterben müsse, viertens: die Vollkommenheit eines schauenden Lebens. Gegen diese Grundschrift, welche wohlgeordnet, ohne Wiederholungen verläuft| und sich durch grosse Bündigkeit des Stils auszeich- net heben sich die anderen Abschnitte des Buches schon durch die Ueberschriften ab. Indirect beziehen auch diese AbBchnitte ach auf die Armut im Sinne der Grundschrift, und das Subiect des äusserlich und innerlich Armen ist auch m den Müind&ren Abschnitten der Gegenstand, um den sich aUfift dreht Indessen im e^-^-^n Teil lautet der Titel des

CNTKKSCCHUNO DK BOCHES VON QEISTL. AHlfUT.

I

ibträgliciieD TractatCB : Im Menschen iet ein natürlich, em gnädelich, ein göttlich Werk {S. 22 90). Dieser Einteilimg Mitsprechen die Abschnitt« S. 22—27, 27—54, 55—90. Die Ungleichheit ihres Umfanges ist dadurch begriiadet, dass die Wichtigkeit ilirea Inhaltes sich steigert. Dieser Tractat (S. 22 90) ist im allgemeinen dadurch als ein Zusatz zu der Grundschrift erkennbar, dass er eine Menge von dem Stoff vorträgt, welcher in der Grundschrift erst im zweiten Teil ab Anleitung zum armen Leben vorkommt. Der nach- trägliche Tractat im zweiten Teil (S. 119—194} schildert vier Wege, welche den Menschen in ein schauendes Leben flihren, ist also dem vierten Motiv zur Armut in der Gruud- Bchrift untergeordnet. Dieser Abschnitt ist aber voller Wieder- holungen dessen, was in der Grundschrift vorkommt, und ist auch durch die breite, redselige Darstellung nicht bloss von ihr, sondern auch von dem nachträglichen Tractat im ersten Teile verschieden.

Die Grundschrift stellt, wie die oben bezeichnete TUnteilung ausweist, ein sehr geordnetes und übersichtliches Gefüge dar (S. 3—22, 93—119)- Die Armut innerlich und äusserlich, als die Ledigkeit von aUen Dingen hat den höch- sten religiösen Wert durch ihre Gleichheit mit Gott. Gott ist von den Creaturen abgeschiedenes Wesen, ist freies Ver- mögen, ist lauteres Wirken. Die Armut ist dieses alles auch; sie ist aller Creaturen ledig, indem sie nur an Gott haftet; sie ist recht edel und frei und verleiht der Sele ein Vermögen über alle Dinge, indem sie die Vereinigung des Geistes mit dem göttlichen Geiste in sich schhoastj sofern die Armut endlich in Gott verflossen und vereint ist, ist sie ein gtülstehendes und unbewegliches Wesen und bewegt doch mit Gott alle Dinge (3, 9 ; 9, 29 ; 22, 1). Im einzelnen werden diese drei Gesichtspunkte durchgeführt wie folgt. Ist einmal der neuplatonische Gedanke gültig, dassGott (I) von allen Crea- turen abgeschiedenes Wesen ist, so ist die Bestim- mung des Menschen, wegen seiner Seligkeit Gott zu erkennen und zu lieben, nur zu erfüllen, wenn er mit Gott dieses leistet „Er soll Gott mit Gott erkennen und Gott mit Gott minncn; aaders vermag er ihn nicht zu erkennen und zu mimten,

J

B42 RIT8CHL,

davon or selig sei, und soll seines Erkennens arm sein'' (3, 31). Zwar ist das Erkennen aus der vernünftigen Unterscheidiuig in Bildern und Formen für den natürlichen Menschen nütz- lich und gewährt ihm Lust (94, 3); aber in dem Stande der Armut, wo der Mensch durch den Anschluss an Oott gooiniUltigt und für die Mannigfaltigkeit nicht mehr da ib^ hat er auf jene Erkenntnisweise zu verzichten (4, 3). In gleicher Art überschreitet die Armut auch die Linie der Qnaden und der Tugenden. Die Gnade, nämlich das Licht^ das Qott aus sich selbst in die Sele giesst, um sie vonLeib- liclikoit in Qeistliclikeit, von Zeit in Ewigkeit, von Mannig- faltigkiüt in Einigkeit zu ziehen, diese Gnade wird im Mo- ment der Einigimg mit Gott selbst in Gott verwandelt Auf dic«('m I^inkto ist die Sele auch an Gnaden arm (4, 27). An dor 'l\igend ferner sind die Werke creatürlich, die Mei- nung ihIot Abgeht gi^ttlich. Sofern nun Gott der Grund und djui ZioJ der Tugimd ist, verträgt sie sich mit der Ar- mut AIht ein lauter armer Mensch begreift alle Tagend in dorn oiufiioheii Act der Liebe, nachdan er sich in den oi\>iitürtiohim l\igeudwerken ausgewirkt und die Bilder aller t^innc'lnoai Tu^nuleu verloren hat (5, iX Im zweiten Teil (^104« ^8 - 10^« i^) winl dieser Umstand so erläutert, daas \W juni)<^ Moii^'^lu nachdem <^ sich in Ji&k Tug^iden ge- übt« t^Hni durcli die Vcrxichtloistung anf den Bedts sich AUcK dt>r M^^Nglk^lxki^t« iiuj!»?!n> Tugend, r. & BarmlienEigkeit «n ^Hn^x^Ä^iu K^^K\ ^iasi^ er ä> in ein UnTermogen komme, ^\M;n er dn^ l\\pi'«H) nk^hl mehr nach dem lUobsseren Worke \xW d^Mxi 7.u:^Ii« :^\sxkäm nur nivh im Wesen« d. h. nach dtH^ ;Uk^'^>^^i)^o«^ lJh?K^:^;Ab5ik*'hl K>»tzi. IKfis. ZnfdleB also ist h)^>^^ An)v KMk\ ^^x^^.n ihifn ^«o^^*^ Minne, d. 1l Ukhe wa \^>Mi A^xiiw^xo'-v. K.: jCv Ä^itiki«:: Km?e nnJ «r kein Year- >•^>.\^'^x vm>Kv V**i. n;cv:'i*i ja virita ich der Materie, son-

;,X^'iÄssi 'iv, s^'v V\.Cxv;\\ J> ^ .:i..; xj^ii sKiir Ti^iend hie :,^N\ .^.* .v\^ .v -\v^ ;,r»,x xyr.T?y»i^ ijcüä. iv:aiaen: in der ein- iv,>s^ i\s\VKVvsi, h: ^%jk> "^^ ♦.»iO?> jüL iVt«s wirkt er alle

p,\Nt;^^K'^, ,^ i'/ Xtji 4^v^>- Aiv^^öxMaiiiiisi is^öB den

OMTEBSOCHDNG DK8 BDCHB8 VON GK18TL. ARMUT.

Dingen erreicht 08 der Arme, dass er, was ohne daa eigene Zutun ihm zuMlt, als Gabe Gottes zu seinem Besten auf- ninimt, es sei lieb oder leid, sauer oder süss, es sei an Äl- moaen zu viel oder zu wenig tiii' acine Notdurft (6, 19j 95, 30). Unter diesen Bedingungen ist die rechte Minne der Ausgang von eich selbst und von allen Dingen (7, 34). ^ Ist Gott (II) freies Vermögen, ßo ist auch Armut freies Vermögen, da ihr Adel Freiheit ist. „Armut ist allei- Dingo Bbdig, davon ist Armut frei und edel." Denn indem die f Selc nur Gott anhangt, so gicbt sie allen Gebresten und alleu geschaffenen Dingen Urlaub, und dringet in das un- ^schaffene Gut, und gewinnt Gott mit Gewalt. Gott näm- lich muBB sich der Sele geben, welche alle Dinge lässt; denn es ist seine Natur, dass er sich der Kelc gemeinsame, die sein empfänglich ist. Und wie es vurhor hiess, dass der Arme in seiner Abgeschiedenheit oitCB als Gabe Gottes zu seinem Besten aufnimmt, so sind einer annen ii^ele in ihrer Freiheit alle Dinge gleich, lieb atso leid, schelten als loben, Armut als Reichtum, Weh als Wohl, Feind als Fi-eund. Ebenso ist Freiheit der Gewinn der wesentUchon Tugend, wie sie oben erklärt ist. Endlich die Freiheit giebt niemand als Gott der Vater, denn sie ist eine Kiaf't, die sonder Mittel aus Gott in die Sele fhesat, und der Sele alles Vermögen verleiht (8, 8 9, 7). Wenn nämlich die Sele in der Reue und in der Erleuchtung durch den heiligen Geist die Frucht der Wahrheit schmecket, so giebt sie die natürliche Freiheit ihres Willens zu den Dingen auf; da,nn nimmt Qott ihren Willen uad kleidet ihn mit seinem Willen, macht ihn frei und allver- mögend mit ihm nach dem Spruch: „Wer an Gott haftet, wird F-in G^iat mit ihm " (9, 20). An diese Erfirterung über die Ar- mut als Freiheit worden zwei Exeu rse angekiüpft. Zuerst fragt es sich, inwieweit dazu der Verkehr mit anderen Menschen passt, der die Abhängigkeit von denselben mit sich bringt. Der Veriaaser scheut sich nicht, hier die Folgerungen aus der einsiedleriachen Stellung zu ziehen, welche der Armut zukommt. Der Arme soll uichts Dircctea zur Besserung eines andern tun, und soll keinem besonderes Vei'trauen sclien- ken; auch das Hittengeaetz der Cliriatenheit verpflichtet ihn

844 RTTSGHLy

nicht ssu äusseren Diensten g^en den Nächsten, da er in seiner Gottesminne als der wesentlichen Tagend aUes wirkt) was die Christenheit in äusserlicher Weise vollbringt Indeem wird für die klösterliche Gemeinschaft zugelassen, daaeaach der in GK>tt freie Arme fiir sich und die Brüder Speise heisch^ für sich und die Brüder der Tugend obli^ und sich ühii- gens gegen sie zu äusserlichem Liebeswerk herbeilässl^ wenn er von Gott dazu gemahnt wird (9, 36 16, 11). Der zweite Excurs beschäftigt sich mit der ungeordneten Frei- heity welche der Freiheit in Gott gleich zu sein behauptet) aber in Wahrheit ihr entgegengesetzt ist (16, 12 20, ll) Es handelt sich hier um mehrere fehlerhafte Formen Ton Frömmigkeit^ unter denen neben den äusserlich Devoten ohne Selbsterkenntnis die antinomistischen „freien Geiste ^^ hervor ragen. Für die Charakteristik der rechten Freiheit ergiebt sich in diesem Zusammenhange noch, dass dieselbe mit De- mut und Geduld und mit FurchÜosigkeit ausgestattet ist (16, X6; 17; 3); während es neben Hochfahrt^ Ungeduld und Angst im Leben ein Merkmal beider Formen ungeordneter Freiheit ist; dass sie „urteilen über andere Leute'' (18; 26; 19; 14). Ist Gott (HI) lauteres Wirken, so ist auch Armut lauteres Wirken. Dies ist zunächst nur ein anderer Ausdruck für die Freiheit in Gott. Deshalb wird der Ge- danke wiederholt; dasS; wenn der Mensch die Dinge ye^ lassen hat und Gott allein anhanget; dann Gott sich ihm geben muss. Aber zugleich heisst eS; dass Gott ihm auch alle Dinge wiedergeben muss. Und so ninmit der Arme an den vier Formen des göttlichen Schaffens teil. Er macht aus nichts etwas ; d. h. es werden; indem GK>tt in ihm wirkt, alle guten Werke, die Christus und die Heiligen je gewirkt haben, ihm eigen. Er macht aus etwas anderes, d. h. indem er dem eigenen Wirken entsagt, das in der Zeit vei'läuft, imd sich in Gott kehrt, so macht er aus Zeit Ewig- keit. Er macht etwas besser als es zuvor war, d. h. die guten Werke, die er zui* Vollkomnieuheit der Liebe erhebt Er macht etwas zunichte und macht anderes, d. h. er überwindet seine Untugend mit Tugend (20, 12 21, 40). Diese etwas funii;ilistischc Darstellung empfangt aus dem

ÜNTEBSüCHDVO DES BDCSBS VON GEISTL. ABHÜT.

Eweiten Teil der Gnmdschrift noch einige Ergänzung. Menschen Beetes, heisst ee hier, ist, dass er aller eigenen Werke ledig seij denn dann iet er ein bloeses Werkzeug Gottes. Und alles, was Gott von uns haben will, ist, dasB wir miissig eind und ihn Werkmeister sein lassen. Wären wir zumal müeaig, bo wären wir vollkommene Menschen. Darum ist alles Gute von ßottj und was nicht von Gott Ut, ist nicht gut; ja, wenn ein Mensch betet, und es ist nicht von Gott, so ist es nicht gut. Man erkennt aber diese Stufe der Gelassenheit an Gott an deu drei übernatürlichen Tugen- den, Glaube, Zuversicht, Liebe, uni^ was diese mehrt, giebt sich als Zeichen göttlicher Wirkung kund (lOI, 19 lOa, 13). In der leitenden Darstellung des ersten Teils folgt noch eine theoretische Erörterung darüber, wte die Armut zugleich als lauter, einfach, unbeweglich und doch als Wirken vorzu- stellen sei. Dieses wird nach Analogie mit der bekannten aristotelischen Deänitdon von Gott beantwortet, der selbst unbeweglich alles bewegt (22, l). Hier begegnet ferner der Satz, dass der Mensch zusammengelegt Ist aus Zeit und Ewigkeit, Denifle hat an dieser in dem Buche noch sonst vorkommenden Vorstellung Anstoss genommen. Er nennt sie eine absurde Lehre (S. xxxix), indem er sie von dem Ursprünge der Sele vorsteht, und sie mit der „einzig rich- tigen", nämUch der aristotelischen Lehre von Tauler und Thomas vergleicht, dass die Sele zwischen Ewigkeit und Zeit geschaffen sei. Aber über die Erschaffung des Menschen urteilt der Verfasser der Gruudschrift hier gar nicht. Der Mensch kommt für die Ewigkeit in Betracht einmal nach seiner Bestimmung, dann aber so, wie er in dem Stande der Armut als lauterem Wirken erhoben wird mit den obersten Krätzen aus Zeit in Ewigkeit". Aus dem zweiten Teile der Grundschrift ist noch folgendes Cha- rakteristische hinzuzufügen. Der Arme erscheint wegen seiner Stellung zu Gott als Mittelpunkt der moralischen Welt So wie er schon prädicirt ist als der, welchem alle guten Werke von Christus und allen Heiligen eigen sind (20, 28), so heisst es nun, dass alles sein Geben und Nehmen lohnbar, d. h. verdiensthch bt; nämlich alle Liebe, welche ihm Men-

346 RITSCIILy

sehen beweisen , hat ihr Motiv nicht in natürlichen V^faält- nissen, sondern nur in Gnade. Davon ist sein Leben 8o fruchtbar; denn alle die ihm Liebe beweisen; die verdienen Lohn an ihm, und er bringt nicht allein sich ins Himmel- reich, sondern manchen Menschen mit sich (96, l). Was bisher aus dem Buch von der Armut mitgeteilt ist, bezieht sich mehr auf das Ziel und weniger auf den W^, auf dem das Ziel zu erreichen ist. Hierüber giebt nun der zweite Teil die Auskunft^ dass unter Voi-aussetzung der Heiligung, d. h. der Nachfolge Clu'isti, der Hebung in den Tugenden und der Mortification, die Schauung, die Contemplation, ier Weg ist, auf welchem die Vereinigung mit Gott erfolgt „Hat sich der Mensch gekelui zu dem besten Teil, das ißt Gott, der ist dann allein sein Gegenwurf, und da drucket er sich in und verbirget sich vor allen Creaturen; und die heissen die verborgenen Gottesfreunde" (112, 25). Allerdings ist dieses Öcliauen ebenso lauteres Leiden Gottes, wie die Armut selbst (119, 3). Das heisst, in dem Masse als die Schauung Gottes erfolgreich ist, ist sie von dem Ziele, näm- lich der Aufgebung des Willens in Gott, nicht zu unter- scheiden. Man kann sich davon überzeugen, wie die con- teinplative Haltung der J\Iaria Magdalena nach dem Hohenliedc „Der minnenden Sele Buche" gedeutet wird: „Unser hcrr kan nur mit müssigen lüten gesponsieren, wan sponsieren ist nit andres wan ein biwonunge des minnenden mit dem geminten, und die biwonunge mit got mag nit gesin, danne vor abgeschcidcn sin von allen creaturen . . . Und danne wurt die sele geküsset von gol, so ihr begierde erhaben wurt über alle zitliehc ding und alleine hanget vor dem antiitz gottes : so bütct ir got sin antiitz und küsset sie. Und küssen ist nit anders wann vcroinungc liebes mit liebe, und da gaifet eins duz ander an und eins ist also verglefFet uf daz ander, daz eins aiie daz ander nit enraag, also gar sint sie mit niinnen zusanien f^cbunden/* (113, 17.) In dieser Dar- stollunü; geht Schauunir und Gelass>onhcit des Willens in Gott in oinandcr. Don lU\u:iiin dor Schauun<]^ oder Selbstverleug- nung l'eriior knii}>t"t der Verfasser, nach dem Vorgange des lioilij^tMi IVrnliard an dio ,, stete innerliche Betrachtung des

B ÜMTEKSüCHUNG DES DUCtlES VON GEISTL. AKMUT. 347 '

LeideoH imeerea Herron", durch welche die leibliche Lust überwunden wird. Denn indom der Mtiiach sich senkt in das Leiden dea Herrn, so wird er geläutert, und in der Lauterkeit entspringt ein Liclit, und dassolbo brennt und verschmilzt an ilim alle leibliche Lust . . . Und wer davon allei-wcge göttliche Lust will haben, der halte seinen Mund an die Wunden unseres Herrn und sauge daraua. In der Watrheit, ist er stets au dem Kaugen, so fliesBt er über von göttlicher Lust. Die Wunden unsei-cs Herren stecken also voll Üiisßigkeit, in Wahrheit, der es recht wüHste, alle Menschen kehrten sich zu dem Leiden des Herrn (96, 15). Indes- sen dieses Lustmativ, welches dem natürlichen Streben der AfeDschen iiaeh Trost gleichgesetzt wird, gilt blos» iui' den Anfang des Weges zur Armut. Für die Höhe der Voll- kommenheit ergicbt sich die uin[;ekelirte llegel. Uie Armen uämlich sind t'ortwühi'end im ytorben, davon aber worden sie mch an Gnude, was sie selber nicht wissen. „Und es geschieht wohl, dass es einem Mensehen dünkt, daus er von Gott und von allen Creaturen verlassen sei, und keine Gnade habe; aber der Mangel und die Verlassen- heit ttidtet die Natur zu Grunde, und der Grund wird er- füUt mit unaussprechlicher Gnade; denn wie das öterbeu ist, darnach ist auch die Gnade" (111, 11).

Der Gedankenkreis, welchen ich vorgelegt habe, i^t sco- tistisch. Ich brauche nicht die Grundsätze des Duns üboi' die Seligkeit zu wiederholen, welche in der Geschichte des Pietismus I, S. 47u angegeben sind. Eutscheidend fiir die Ueboreinstimmung des mystischen Seh riitaf ellers mit dem franciekanischen Schultheologen ist einmal, dass er den Willen de» Menschen als die Function der Vereinigung mit Gott darstellt, und die Schauung Gottes niir sofcm sie den Willen zur Willcnlosigkcit in Gott führt, ferner, dass er die Wahr- nehmung des Gnadensiandea in der Luat nicht als wesent- liches Merkmal der wirkhchcn Seligkeit rechnet, sondern das Qcfuhi der Verlassenheit durch Gott als mögliche Begleitung derselben zulässt. Durch diese Ueberoinstiinnuing mit Duna K Scotus ist die Abi'assung der Grundachi'it't im Buche von der Armut durch den Dominikaner Tauler dcdnitiv ausge-

S48 BITSCHLy

schloflseiiy welcher ¥de Eckhart die thooretiache Erkenntnis als die Function der Vereinigung mit Gott setzt Der Eindrack quietistiBcher Art, welchen Denifle von manchen Zügen des Buches empfsrngen hat, ist durch die Analyse des Buches voll- ständig erklärt Denn was man späterhin Quietismus genamit hai^ ist die Mystik des Franciskanerordens. Und schon in die- sem Document des 14. Jahrhunderts b^;egnet ein Zug, welcher im 17. Jahrhundert mit zur Verurteilung des Quietbien Mo- linos Anlass gegeben hat, nämlich der Grundsatz, dass maii die Communion so häufig wie möglich zu suchen haba „Wer Ernst hat, das Leiden unseres Herrn zu betrachten, der gehe fröhlich zu Gt>tte8 Frohnleichnam, denn es ist ihm gar nütze, und er wird gar reich an Gnaden. Ach, wer alle Menschen könnte dazu bringen! In Wahrheit sie würden alle selig und vollkonmiene Menschen.^' (97, 36 98, 23.)

Der scotistische Typus beherrscht auch die Abhandlung, welche den noch übrigen, um&ngreicheren Abschnitt des zweiten Teiles ausftillt (S. 119—194). Sie bezieht sich auf die vier Wege, welche den Menschen leiten in ein arm, vollkommen, schauendes Leben, l) dass er allem dem ab- geht, was wider Gott, dessen Ursache Gott nicht ist (Ur- sachen der Sünden, zeitliches Gut, Ehe, Amt) und was nicht Gott bloss (an sich) ist; 2) dass er tritt in die Fusstapfen Christi; 3) dass er sich in den geistlichen Tod b^ebt; 4) dass er sich hütet, durch Gefallen an leiblichem oder geistlichem Gut aus der einfältigen Lauterkeit gesetzt zu werden. Die Darstellung lässt, wie oben gesagt ist, eine andere Hand erkennen, als von welcher die Grundschrift des Buches herrührt Indessen kehren alle Gesichtspunkte des ur- sprünglichen Verfassers wieder: die Armut als Abwendung von den Creaturen und ausschliessliche Zuwendimg zu Gott (185, 33 187, 13), die Freiheit in Gott (129, 28), welche aber eigentlich das lautere Wirken Gottes in dem- jenigen ist, welcher seinen Willen an Gott aufgegeben hat (131, 15; 137, 6; 167, 36; 193, 25). Durch diese Betrach- tung, namentlich an der letzteren Stelle, wird die Anleitung dazu überschritten, dass man durch die äusserliche Uebung in dem Bilde Christi, dessen Leben und Lehre eben die

DHTBBBIJCXIUKQ DES BCCHES VON QEISTt. ASHDT. 849

Annut imterlicli und äusaerlich darstellt {190, 16), und durcli die Seissige Betrachtung seiner Leiden das Minnofeuer in sich erweckt, welches alles der Wahrheit Ungleiche ver- brennt (123, 21; 155, 17; 156,30). Es ist jedoch nur der Anfang des vorgeachriebenen Weges, dass man aus den Wunden Jesu die sein Leiden vergeltende Gegenliebe saugt (128, 5; 134, 23) und die Gegenseitigkeit der Liebe zwischen Gott und sich selbst erfährt (183, 13). Denn wenn „dar- nach die wirkende Minne alle Ungleichheit abwirket, so steht dann eine süsse Minne in dem Menschen auf, und das heisst die leidende Minne, die dann in einer stillen Ruhe Gott lei- det. Und sie wirkt nicht mehr, vielmehr Gott wirket und sie leidet. Und dann ist die Sele in einem ewigen Eindringen in Gott, und Gott zieht sie mit ihm selber in sich selber ond macht die Sele eine Minne mit ihm. Und dann wird der Mensch zumal Minne mit Gott, und der ihm einen Na- men geben sollte, so wäre das sein allereigenstcr Käme: Minne, denn es ist nichts anderes an ihm als Minne" (193, 24). Die eben geschilderten Erfahrungen sollen auf beiden Stufen mit Lust verbunden sein. In der lauteren Liebe gebiert sich göttliche Freude (150, 39). Und die vor- her angeführte Stelle kurz vor dem Schluas des Buches geht dahin fort, dass in der einfachen göttlichen Minne zugleich die allergrösste Lust obwaltet, die man in der Zeit haben m^ (193, 36). Nichtsdestoweniger bewährt sich in den Schluseworten dieses Tractatea der Gesichtspunkt des Duns, dasB die Lu&t keine notwendige Begleitung der Seligkeit in der Vereinigung mit Gott bildet. „Der Mensch soll nicht mit Minnen auf der Lust bleiben, also dass er Gott minne um Lu£t; vielmehr soll er Gott minnen um Gott, und soll auf alle Lust verzichten, und soll Gott allein anhangen ohne alles Warum. Und also ist seine Minne vollkommen ; denn minnete er Gott um Lust, so minncte er ihn creatür- licher Weise" (194, 1 6). Dieser Gedanke ist nur noch nicht so in den Vordergrund gerückt, wie es im späteren Verlauf des Quietismus geschah. Der scotistlsche Gedanke, dass der Wille die Function der Vereinigung mit Gott ist, zieht auch das Mistrauen gegen Visionen nach sich. Denn wer

360 RITSGHL,

sich der Visionen annimmt, gebt noch mit bildlichem ¥<»• stellen um, und dies ist ein Zeichen davon, dass der Ghnmd des Menschen nicht einfältig und gottförmig ist (192, 19; 193, 33). Damit stimmt überein, dass im ersten Teil der Gnmdschrift eine Form der ungeordneten Freiheit ans ia Wertschätzung der Visionen abgeleitet wird (19, 39). Die- selbe Uebereinstimmung findet sich in der Beziehung, dass ia vollkommene arme Mensch, indem er sich nicht den Liebes- werken gegen Andere zuwendet, darum doch die OesetK der Kirche hält, weil er in dem wesentlichen Liebeswerkin Gott begriflcn ist (126, 17—37; vgl. 11, 18). Ebenso wird auch in diesem Tractat das Recht der „in rechter, abgeschie- dener Gleichheit mit Gott'' Stehenden auf den häufigen und ungehinderten Genuss des Abendmahls au£recht erhalten. Denn da sie als solche dessen würdig sind, so mögen sieee empfangen, wann sie wollen. Den Anderen freilich darf das Sacrament entzogen werden so lange, bis auch sie erwählet werden zu rechten Eandem (145, 9 35). Diese Bestimmiuig geht über die Grundschrifk hinaus. Sie verstösst zwar nicht gegen die Bedingung der wahren Frömmigkeit, über niemand zu urteilen, da sie nicht gegen gewisse Einzelne sich richtet, sondern nur eine Gruppe bezeichnet. Allein diese Fürsoige für die kii'chliche Disciplin ist bei einem Vertreter quietisti- scher Mystik befremdend.

Der nachträgliche Abschnitt im ersten Teil (S. 22—90) unterscheidet sich von der Grundschrift durch die He^vo^ hebung der Erkenntnis in dem Vorgang der Einigung mit Gott. Wenn nämlich der Mensch mit seiner natürlichen Erkenntnis einen wahren Unterschied aller Wahrheit in sich hat, so soll er allen Unterschied aufgeben, und sich ein- tragen mit Ein in Ein, und in dem Ein soll er verbleiben, und soll es anschauen in einem einfaltigen Anblicke. Und wenn es zu dieser Anschauung Gottes in seiner Einfachhdt kommt, so lallt ab alles natürliche Gewerke, und ist müssig und sitzet und ruhet in einer lautei'en Stille und da ist der Geist gekommen in seinen ersten Ui'sprung, daraus er ge- flossen ist (25, 34 26, 7). Diese lautere Erkenntnis wird als der Ursprung des walu*cn Lebens bezeichnet (26, 23),

tWTERBÜCBUNG DER BDCHE8 VON GEI8TL. ARMUT.

foner als der Gtrund der vollen Woltorkenntnis ; ein göttlicher Mensch vorsteht in einem lauteren Inncbleiben in Gott alle Dinge, denn wer Gott verateht, der versteht alle Dinge (38, 23). Specieller wird folgende Auskunft gegeben; das Sprechen des göttlichen Geistes in den Menschen ist ein blosser Vorwurf göttlicher Wahrheit, in die der menschliche Geist geruckt wird ohne Sinnlichkeit, so dasB der Geist ge- fänigt wird mit dem götthchen Geist. Der Geist des Men- schen geht aus sich selbst nach seiner Geschaffenheit und wirft eich in ein lauteres Nicht. Und das Nicht ist das göttliche Bild, das in den Geist gedrückt ist und bleibet da, und mag nicht zu Niclit werden, und das nimmt Gott und einigt ea mit ihm (44, 27). Diese Beschreibung des höchsten Voi^augea ist verschieden von der in der Grundschrift mass- gebenden Vorstellung, dass der Wille des Menschen mit Qottes Willen bekleidet und in ihn aufgesogen wird (9, 23). Demgemäss habe ich von den eben mitgeteUten Sätzen zu- erst den Sindruck empfangen, dass sie thomistisch gemeint seien. Indessen ist das doch nicht der Fall. Die Einigung mit Gott in der einfachen erkennenden Anschauung, welche die mit- geteilten Sätze bezeichnen, wird unmittelbar darnach umge- setzt in die Beziehungen des Willens. Des Menschen Geist ist auch darin ein Geist mit Gott, dass er alles geistigt, was Gott geistigt. Das heisst, Gott hat alle Dinge geschaSen aus Liebe, und als Gott alle Dinge schuf, waren sie gut. So soll (in der Einigung mit Gott) der menschliche Gebt adle Dinge wirken aus Liebe, und alles was er dann tut, ist gut und ein Werk Gottes. Der Geist des Menschen spricht hiemit alle Dinge wieder in Gott, so er in allen seinen Werken die Ehre Gottes meint, und in dem, was ihm be- g^net und zufällt, allerwege in einer lauteren EmplUng- Uchkcit Gottes steht, dass er höre, wemi Gott sprechen will In diesem gelassenen Wiedergeben aller Dinge in Gott macht er sich zu einem Freund Gottes (45, 1 34). Schon hieraus ergiebt sich, dass die in diesem Tractate her- vorgehobene intuitive Erkenntnis Gottes nicht als die Haupt- sache, sondern als das Mittel iUr die Vereinigung des Willens mit Gott gemeint ist Das wird demnächst durch eine spe-

35S

adOe Aittfalinii^ der OoUHifiwuMbdttft Q beBtÜ^ in wd- dier das Besnlftiit gmnz aeotatiich w bnftet: Wer «in Freund wiD aein djvin, daas er ein Ckiat Gott will sein, der rnn» alle Dh^ lassen von "Mhmfm^ und seine Minne allein mit Oott vereinigen (53, 10). H^mHiA kommt der aoo- tistische Gesichtqmnkt unter dem dritten Tliema des Tractidei von dem gotflichen Werk im Mensrheni' sa Tolkr mid entnheidender Odtong, in der pridit^en Sdulderong der Ydlkommeoen, wdche der Grondsdirift am nichstpn tnäf ond die ich mich nicht enÜiaUen kann, in der Anmerkimg so- znföhren*). Uebereinstunmend mit der GhrondBckrift

1) Dieser Titel ist der gwurinssme Anspriiek aller ntM^SMga wad ketzerischen Vertreter der mjstisclien y^fimiwiglrffSt^

*) S. 56, 6 ~ 57, 2. Aber die menschen die aDen dingen m gant nsserlich und inneriich, und dar sa einen fliasigen inker babent in sich selber, und Ingent was got weDe von in haben, dem sint sie gnng in alle wise, und sich beknmberent mit guten inneiiichen be- trachtnngen in dem liden nnsers herren, ond was sie dar an hindert, dem gant sie abe und nement nn war der rechten waAeit, die got ist, mid der gebent sie stat in in sa worckende. Und dar sa fibent sie sich osserlichen in aUen togenden die sie TermSgent, ond was sie nit yermügent mit den wereken, das Yollenbringent sie mit dem willen^ und got nimet ihren willen für die werck, wan sie tont alles das sie Yermügent, and daz sie nit vermügent das vordert got nit an sie. Und die menschen sint uf dem wege der vollekomenheit, ond sie krie- gent mit nieman noch orteilent nieman, mer: sie beyelhent alle ding gottc, wan sie sint recht verzigen ir selbs ond aller dinge. Und da- von nement sie sich keines dinges an, ond in dem osgange ir selbes und aller dinge so kummet der geist in sie and sühet sie sa male an sich and vereiniget sie mit ime, daz sie ein geist mit ime werdest Und daz sprichet der götliche geist in den menschen, das er aller dinge ledig werde. Und in der ledikeit and blossheit so mag got würcken ane alle hindemisse. Und daz werck, das got danne würcket in einer lutem seien daz ist edeler, dann alle die werck die got it* gewÜTckete in zit oder in ewikeit, und daz ist dar umb: do got alle ding gescbuf, do hat er kein hindemisse an sinem werck; aber da« werck daz got in der seien würcket, da mag er an gehindert wer- den von frihtiite des willen. Und von dem daz sie iren willen ver einiget mit gottcs willen, so ist daz werck also edel. Nu mochte man sprechen, waz daz werck sy. Es ist nit anders denne ein ofTcnbarunge gottcs in der seien, daz sich got der seien zouget Und got ist der würcker und das werck, und daz er würcket da«

DKTEHSUCHUNQ DES BTJCHES VON QEISTL. ARMUT. 36a

' auch die Unbeweglichkeit des mit Oott vereinigten . gelehrt (80, 25). Eb kommen in diesem Tractat einige Unebenheiten vor. Neben der Formel der Orundschrift , dasa der Mensch aus Zeit und Ewigkeit zusammengelegt ist (22, 12), welche in dem nachträglichen Abschnitt zweimal (48, 29 ; 83, 6) wieder- kehrt, findet sich dazwischen (51, 32) die zwar ähnlich lau- tende, aber sacbiich ganz verschiedene Aussage, dass der Mensch geschaffen ist von Zeit und von Ewigkeit; jenes gilt fiir den Leib, dieses für den Geist, der aus Gott ge- flossen ist (51, 38), wie es aucli schon oben aus dem Beginne des Tractatea (26, G) angeführt worden ist. Femer gehören diesem Tractate die oben (8. 338) angeführten Aeusserungen darüber an, dass man auch bei nui' innerer Armut gut und andächtig sei und selig werde. Kurz vor diesen Stellen (50, 16; 53, 30; 65, 20) wird jedoch gegen die Meinung, die volle Armut sei nicht für Alle bestimmt, für gewisse Leute sei anzunelimcn , dasa Gott sie zur Ehe und zu zeit- lichem Besitz bestimmt habe, geantwortet, das beste, näm- lich die volle Armut, gehöre allen Menschen zu, und Gott wolle es geben, wenn wir es nehmen wollen (46, 30 47, 4). Ea ist eine wunderliche Ueb ertreib ung, dass eigentlich alle Christen Bettelmönche sein sollen! Indessen hat man diese Aeusaerung als ein unwillkürliches Zugeständnis des Gedan- kens zu betrachten , dass das Christentum auf eine einzige R^el des Lebens gestellt, und dass die katliolische Ah- atofung des vollkommenen gegen das unvollkommene Leben bedenklich ist. Uebrigens wird dieser nachträgUche Tractat im ersten Teil trotz mancher Abschweifungen und Wieder- holungen ein Continuum sein. Sein Verfasser unterscheidet flieh aber endlich noch durch einen Umstand von dem der

ist er. Und dar umbe EÜliet got die scle von ollen dingen, daz ne sina werckes enpfenglich ey, und die cnpfenglicheit und daz wcrck gottee macliet die scie ein gcist mit gotte, und daz ist dax aller liebste du got Ton dem menschen «il haben, daz er also stände daz got alle st möge in in nürckcn anc alle faindemisse ; uf daz er ein geist mit ime werde.

u

Gl

dttft die lasiere Wirkm^ Gottes m Imsmsn WiDoi crpiOit v«ide n don iMisirai YciUlei da ¥ffairhfii in Demt, Gedidd nd Fudido^keil, Gbabe, Zirr^stlit und Mimie (& M4. 346> DicBer ist in BODteMEk Quiftwaas nodi mdit so ivcit %f getilA^ m auf die bloae paaBFe Fem der reÜgiMen EkfiJmaig xa rede Den. Aber der Ver&aer da naditni^Bclien TractafteB in enten Teile da Bodia weis sdion twi anderen Merkmale^ daaa der Menscli von Gott berülnt seL Dieaelbe& besielia darin: Wenn Gott in die Sele koonnt, so ofienfaait er sA mit einem neuen, nocii nie eifiüirenen lichte, weldba mt Hitze in den Leib aoslHiciit, das der Menadi mit leihfidn Greföhlen da göttlichen lichtes gewahr wird; denn das u- torlicbe Licht ist kalt, aber das göttlidie Licht ist heiai Zweitens bewährt sich die göttlidie Offisnbanmg darin, daa sie aDen Zweifel ansBchKeast Denn natmrlicbes Lidt ist zweifelhaft und ist ein Wahn, aber dia Lidit imd diese Be- findong (Elrfahrong) ist ohne aOen ZweifiJ imd ohne allen Wahn in einem ganzen Wissen (89, 30 90, 4).

Eine Idee kehrt in dem Bache von der Aimnt hanfig wieder, welche ich in einer Darstdlang scotistischer Mystik nicht erwartet hatte, nämlich der Satz von der Gebart des Sohnes Gottes in der zur vollen Gelassenheit gelangenden Sele In den späteren Urkunden des Quietismus war dieselbe mir nicht entg^engetreten. Hingegen ist es bekannt, dass die Dominikaner und Thomisten Eckhart und Taaler einai sehr eigentümlichen Gebrauch von dieser Idee machen. Eck- hart (in der Ausgabe von Pfeiffer S. 205) sagt: Der Vater gebiert seinen Sohn in der Ewigkeit ihm selber gleicL Das Wort war bei Gott und Gott war das Wort, dasselbe in derselben Natur. Noch spreche ich mehr: er hat ihn ge- boren in meiner Sele. Der Vater gebiert seinen Sohn in derselben Weise, wie er ihn in Ewigkeit gebiert und nicht anders. Er muss es tun, es sei ihm lieb oder leid. Der Vater gebiert seinen Sohn ohne Unterlass, und ich spreche mehr: er gebiert mich nicht allein seinen Sohn; mehr: er gebiert mich sich und sich mich und mich sein Wesen und

UNTER 8DCHÜNG DES BUCHES VON GEISTL. ARHUT.

seine Natur. Tauier (bei C. Schmidt, S. 127) sagt: In dem Grunde der Sele gebiert der hinunlische Vater seinen einge- borenen Sohn hunderttausend mal schneller, denn ein Augen- blick nach unserem Verstände, und in dem Blicke der Ewig- keit allezeit neu in dem Adel, in der unaussprechlichen Klarheit seiner selbst . . . Dann kommt die väterliche Kraft und rufet den Menschen in sich durch seinen eingeborenen Sohn; und wie der Sohn wird geboren aus dem Vater, also wird dieser Mensch in dem Sohne von dem Vater geboren and fliesset wieder in den Vater mit dem Sohne und wird dns mit ihm. Diese Aussprüche bezeichnen nicht bloss den Wert der mystischen Schauung, sondern eine Wirklich- keit, in welche die schauende Seie versetzt' wird. Ich habe sie, gemäss der Bedeutung, welche dei- Sohn Gottes bei Thomas behauptet, so verstanden, dass die mystische Einigung, in welcher die Sele auf ihre Creatürlichkeit Verzichtet, ihr die ewig vorgesehene Stellung in der intelligibeln Welt sichert '). In einer mystischen Theologie , welche sich auf Duns Scotua gründet, ist für dieeen Gedanken kein Raum, weil der Franciskaner lehrt, dass Gott die Dinge nur er- kennt demnach, dass er sie wül. Die Combination einer a priori für Gott in dem Sohne vorhandenen inteUigibeln Welt ist für Duns nicht gültig, und eine mystische Theorie aus seiner Schule wird, wenn sie von der Geburt des Sohnes Gottes in der Sele Gebrauch macht, damit notwendig etwas anderes meinen, als die Dominikaner ausdrücken.

In der Grundschrift des Buches von der Armut be- gegnet die Formel im ersten Teile nicht. Sie gehört demnach wohl nicht zu den conatitutiven Ideen der Etcotisti- schcn Deutung der christliclien Vollkommenheit. Hingegon kommt die Formel im zweiten Teil der Gnindschrift vor, sowie in den nachträglichen Tractaten. Im zweiten Teil der Grundachrift kommen fiinf Stellen in Betracht, Zu- erst wird die Geburt des Sohnes Gottes mJt dem Eintritt der Seio in den Stand der wesentlichen Tugend combinirt Hierüber heisst es 91, 32: Wer weiss, ob er alle Tugend

') GcHcliichte äen 1'ietinmu.s 1, 4TI.

856 BITSCHLy

habe? Hierauf antworte ich, wie Si JohanneB spricht: wer in Gott geboren ist, der mag nicht sündigen. Denn in dem- selben Augenblick; wo Gbtt der Vater seinen Sohn in die Sele gebiert; vergehen alle Sünden und alle ' Ungleichheit^ und werden in ihm geboren alle Tugenden in eine Gleich- heit Gottes. Deutlicher heisst es 102^ 28 : Wenn der Mensch durch das Werk, welches Gt>tt wesentlich in der Sele wirkt, dazu kommi^ dass er alle zufällige Tugend kri^, dass er kommt in das Wesen der Tugend, dass Gott in ihm nach wesent- licher Weise alle Tugend wirkt, das ist, wenn der himmlische Vater seinen Sohn gebiert in die Sele. Andererseits heisst es 100, 31: Wenn der Mensch also bereitet wird mit allen Tugenden und mit einem armen Leben und mit dem Leiden unseres Herrn, so kommt er auf den vierten Grad der Voll- kommenheit; in dem hört er in einem stillen, heimlichen Sprechen das ewige Wort, das Gott der Vater spricht in den Grund der Sele .... Und davon sprach unser Herr: wer mich minnet, der hört meine Worte, das ist das Gt)tt in ihm wirket und er es leidet Schon diese Sätze weisen darauf hin, dass die Geburt des Sohnes Gottes nur eine Wertbezeichnung der in dem Willen vor sich gehenden Vereinigung der Sele mit Gott ist Für den Verfiasser der Grundschrift des Buches von der Armut ist also die Formel nur eine hochgreifende Darstellung der Wiedergeburt des Einzelnen. Dieses bezeugt auch 110, 12. In der Blossheit, wenn die Sele entblössct steht von aller Anderheit, so ist sie empfänglich zu gebären den Sohn in der Gott- heit, dass sie dann eine Mutter Gottes wird. Nach der WtUHO vfw Oott der Vater gebiert seinen Sohn in der Qottlioii, alno winl der Sohn geboren in der blossen (ge- lasaonoii) Solo und dio Solo wieder in Gott. Und davon sprach Gott unmT Horr: t>s sei denn, dass wir wiederge- bonui wortloii, ho nu'i^M) wir nicht kommen in das Reich Ootto», Dio Moinung von FA>khart und Tauler ist die, den loiilioJion Aot dor Wiinlt^rgt^burt in die Stetigkeit der ewigen Zo\igung dtw SohnivH an» doni Vater iimzudeuten, und in die oinfacho Idoiititüt nut tloin t^wigtni Vorgang aufizunehmen. Die (^o^Mis(»itigkoit »iwinohon dor ^h^I«* und Gott in dem

UNTERSUCHUNG DES BUCHES VON GEISTL. ARSnjT. 357

Vorgänge der Geburt des Sohnes Gottes, welche der Ver- fiisser des Buches von der Armut denkt, lässt den ewigen Vorgang nur als den Typus der immer von neuem sich wiederholenden Wiedergeburt erkennen, bei welcher die Mittätigkeit des Menschen nicht auszuschliessen ist Unter dieser Bedingung wird der Abstand zwischen dem Sohn Gktttea von Natur und dem Sohn Gottes aus Gnaden ganz unumwunden anerkannt 118, 15: Indem Gott durnh den Propheten David die Kinder Gottes Götter nennt, da be- weiset er, dasa wir nicht Gott sind von Natur, vielmehr das8 wir göttlich sind von Gnaden. Denn nach dem jdasa der Vater gaffet auf seine Natur, so gebiert er den Sohn von Natur, also ist es auch, so Gott die Sele angaffet und sein Wort in ihr spricht, so gebiert er einen Sohn von Gna- den und also sind wir Götter und Kinder Gottes.

Ebenso ist es in dem nachlrfigiichen Tractat des zweiten Teiles. Zunächst 137, 25: Wenn die niederen Kräfte hinaufgeführt werden in die obersten Krätite und die obersten Kräfte in das Wesen der Sele, worin Gott ist, wie in seinem eigenen Hause, da gäbet er in (teilet seine Gaben mit), das ist dass er sich gebiert in dem Wesen der Sele, da das Wesen der Sele allein empianglich ist der ewi- gen väterlichen Geburt (vgl. 170, 3. 20). Der Vorgang ist aber ein wechselseitiger 118, I: In dem einigen Werke, das Gott in der Sele wirket, ist sie schwanger geworden des ewigen Wortes, so sie bloss steht von aller Anderheit. Und dann gebiert sie Gott, wenn sie hinaufgezogen wird mit hitziger Minne in das blosse göttliche Wesen, und da liegt sie im Kindbett und gebiert den Sohn in der Gottheit, In dem nachträg- lichen Tractat des ersten Teiles begegnen die beiden Formeln von der Geburt des ewigen Sohnes (30, 20) und von dem ewigen Wort, das Gott in die Sele spricht (65, 36-, 69, 2. 19) in gleicher Bedeutung mit dem lautern Wirken Gottes in derselben. Diese Linie der Vorstellung scheint überboten zu sein 60, 20: Wie Gott seinen Sohn gebiert in ihm selber und in alle Dinge, mit derselben Geburt fuhrt Gott den Menschen durch sein Leiden (dessen Betrachtung) und durch alle Tugend in ihn (Gott). Und wie Gott ewig

358 RITSCHL,

ist an seiner Gebui% also ist auch das Elinilihren ewig. Und niemand mag den Menschen hindern; denn so wenig Gott gehindert werden mag an seiner Geburt, er gebäre ewi^ch sein Wort^ also will Gott den Menschen nicht irren lassen, der sich mit ganzer Minne in sein Leiden giebi Diese Stelle hat ein Gepräge, welches an Eckhart nahe herantritt Aber sie steht isolirt in dem ganzen Buche, itnd erscheint deshalb als Nachbildung eines fremden Musters. Umsomehr ist dieses anzunehmen, als derselbe Tractat noch die Deu- tung der Formel darbietet, welche deren eigentlichen Sinn verrät 70; 21: Wenn die Sele dazu kommt, dass sich das ewige Wort in ilir gebiert, und sie sich mit demselben Wort wieder in Gott gebiert, so ist sie ein Sohn Gottes, nicht ein natürlicher Sohn, wie das Wort in der Gottheit, vielmehr ein gnädelicher Sohn, so spricht sie: Vater, verkläre deinen Sohn mit deiner Klarheit. So spricht eine Stimme, das ist, das ewige Wort spricht in ihr: ich habe dich verklärt und ich soll dich noch mehr klar machen. Das ist ganz im Einklang mit der Grundschrift Es kommt darauf an, die Geburt des Sohnes Gottes in der Sele als Wertbestimmung der Vereinigung des Willens mit Gott zu gebrauchen, so dass die Nachbildung des innergöttlichen Zustandes ausdrücklich gegen denselben specifisch abgestuft wird. Diese Abstufung mm wird von Eckhart und Tauler grade abgelehnt, indem sie die Wiederholung der Geburt des Sohnes in der Sole mit dem ewigen, innergöttlichen Vorgang absichtlicli idcntificiren imd in denselben einschliessen. Hierin bewährt sich der Grundunterschied der Tendenzen beider Formen der Mystik. Unter der Voraussetzung, dass das innergöttliche Verhältnis zwischen dem Vater und dem Solme auf die Seiböterkenntnis Gottes zu deuten ist, leitet die thomistische Methode der Mystik die Function der speculativen Ver- nunft zu einer Einigung mit Gott an, welche der innergött- lichen Urform von Gottes Wirklichkeit gleich ist, also mit ihr identificirt werden darf. Unter der gleichen Voraussetzung über die Herkunft des ewigen Solmes aus dem Vater fühii. die scotistischc Methode der Mystik, welche der Function des sich an Gott lassenden Willens die Einigung mit Gott

UNTERSUCHUNG DES BUCHES VON GEISTL. ARMUT. 359

zuweist, eben nicht zu einer Identificirung mit der auf die Selbsterkenntnis Gottes gegründeten Zeugung des ewigen Sohnes. Die scotistischen Mystiker erreichen also mit der vorli^enden Formel nicht die gleiche Höhe, wie die Tho- misten; sie haben dieselbe vielleicht auch nur auf Anlass ihres Gebrauchs durch diese Schule adoptirt. So wird am leichtesten die Stelle 60, 20 zu erklären sein. Die Idee, in welcher die scotistische Mystik nach ihrer Art die gleiche Höhe mit der thomistischen Idee von der Geburt des ewigen Sohnes in der Sele erreicht, ist darin zu finden, dass die Armut „in ime selber ein stillestande wesen unbewegenlich ist und beweget doch mit gott alle ding, wan armut ist verflossen in got und vereinet-, was danne ein ist, daz hat ein*würcken" (22, 7). Das ist das höchste mögliche Prä- dicat der menschlichen Sele, wenn deren Wille 3ic Function ist, um mit Gott vereinigt zu werden. Die Vorstellungen, welche in diesen beiden Formen der Mystik die höchsten Prädicate der Vereinigung mit Gott bilden, sind eben nicht gleichnamig.

[17. Mai 1880.]

Die See von Schwabisch-Hail und der ürspm^

der deutschen Kaisersag^e.

Von

Dr. phil. Daniel YOlter.

Ein einziger^ allerdings in vollem Sinne gleichzeitiger ChroniBt Albert von Stade ^) ist es, der zum Jahr 1248 in längerer Ausführung uns von dem Dasein and auch von i& Lehre dieser Sectirer Kunde giebi Allein so eingehend er sich auch verhältnismässig mit dieser ihm selbst m6^kwä^ digen Bewegimg beschäftigt, so reichen seine Angaben doch nicht hin, um in derselben etwas anderes als eine isolirte Erscheinimg sehen zu können, aus augenblicklichen Verhält- nissen rasch geboren und mit denselben rasch wieder ver- schwimden. Den tieferen Zusammenhang, in welchem das Hervortreten dieser Sectirer mit den übrigen geistigen Strö- mungen jenes so ausserordentlich erregten Zeitalters steht, erkennen wir nicht.

Der feindselige Gegensatz zMdschen imperium und sacer- dotium, der um die Mitte der vierziger Jahre des 1 3. Jahr- hunderts in dem gewaltigen Kampf zwischen Innocenz IV. und Friedrich II. seine Spitze gefunden, erklärt wohl das Aufkommen dieser antiklerikalen Predigt in der hohen staufisch gesinnten schwäbischen Reichsstadt grade für diese Zeit und an diesem Oil, allein diese politischen Verhältnisse können doch nur als die nächste äussere Veranlassung zu jener Erscheinung angesehen werden. Die Bewegung ist ja ta

») Mon. Germ. SS. XVI, 371 sq.

vOlTER, die SECTB von BCHWÄBraCH-HALL. 861

Grunde keine politifiche, eondem eine kirchlich -theologische und erhält erat mittelbar durch die Anwendimg ihrer kirch- Bch - theologischen Grundsätze auf die augenblicklichen Zeit- verhältnisse auch eine pohtieche Seite.

Unmöglich darf das Verhältnis umgekehrt gedacht, darf angenommen werden, daee erst die politische Parteinahme ilazu geführt habe auch auf kirchlich - theoIogiBchem Gebiet ein entsprechendes Programm zu schaffen. Vielmehr musa das letztere mehr oder weniger bestimmt bereits vorhanden gewesen sein, so dasa der ausbrechende kirchcnpotitische Streit nur zu weiterem Nachdenken, zu präciserer Formu- lirong and zu praktischer Anwendung desselben den Anläse gelben hat.

Wir haben damit ganz im allgemeinen den Charakter der Bewegung gekennzeichnet und angedeutet, auf welcher Seite die Wurzeln derselben zu suchen sind, aber ein bestimmteres Ei^bnis wird sich, so lange Albert von Stade unser ein- ziger Gewährsmann ist, nicht gewinnen lassen.

Eine ergänzende Quelle jedoch, welche die gewünschte Auskunft giebt, glauben wir gefunden zu haben in jener „Epistola ftrairis Ämoldi ordinis praedicatorum de correc- tione ecclesiae", welclie Winkelmann mit einem andern ano- nymen Schriftstück ähnlichen Inhaltes einem Codex der Wiener Hofbibliothek entnommen und herausgegeben hat ').

Um hier gleich das gegenseitige Verhältnis der beiden letzteren Schriftstücke näher zu bestimmen, so sei bemerkt, doss Sprache, Anschauung, Beweisfiihrung und Schrifterklä- rung in beiden genau dieselben sind und dass wir es in dem zweiten nur mit der genaueren Ausführung einer ein- zelnen bereits in der Epistola vorhandenen Aufstellung zu tun haben, mit der Behauptung nändich, dass in Papst Inno- cenz rV. der Antichrist erschienen sei, für die hier nur der eingehende Schriflbeweis geliefert werden soll.

Durch diese beiden Sclu-iftatücke, namentlich die Epistola werden die Nachrichten Albert's von Stade über die An- schauungen und Bestrebungen jener Sectirer in einer Weise

I) Berlin, HJtUer & Söhne, 1865.

I

362 VÖLTER,

vervollRtändigt, dass wir nicht nur den Charakter und die Urheber der Bewegung deutlich zu erkennen vermögen^ son- dern auch die Spur^ die zu ihrer letzten Quelle föhrt^ und den Weg, auf dem sie sich fortgepflanzt hat.

Ehe wir darauf des Näheren eingehen, gilt es vor allem zu zeigen, mit welchem Recht wir die Epistola Amoldi mit jener sectirerischen Bewegung in Schwäbisch -Hall in Ver- bindung bringen.

In allen wesentlichen Punkten stimmt die Predigt jener Sectirer, wie wir sie aus Albert von Stade kennen, mit den Aufstellungen der Epistola überein. Hier wie dort finden wir die Behauptung, dass der Papst, die Bischöfe, die Prä- laten, überhaupt der gesammte Klerus Ketzer und Simonisten seien, dass sie in Todsünden befangen das Sacrament nicht vollbringon können und das Recht zu binden und zu lösen verwirkt haben und dass darum durch göttliche Verordnung ihr Amt sammt der Schlüsselgewalt den Predigern übertragen sei, welche die Wahrheit statt der Lüge verkündigen und die göttlichen Gnadenmittel gewissenhaft verwalten.' Darauf, dass der Haller Prediger den Papst nicht direct als den Antichrist bezeichnet, wie wir es in der Epistola und mehr noch in dem ihr angehängten Schriftstück finden, darf kein Gewicht gelegt werden. Es kann das doch seine Herzensmeinung gewesen sein, die er eben in fireier Predigt vor versanmiel- tem Volk nicht ofien, sondern nur verhüllt auszusprechen wagt, wenn er sagt, er möge des Herrn Papstes nicht geden- ken, denn er sei ein Mensch von so verkehrtem Wandel und so schlechtem Beispiel, dass man von ihm schweigen mUsse.

Bei jenen Sectirem wie beim Verfasser der Epistola findet üiüh femer dieselbe ausgesprochene Parteinahme ftir die llohrsnstaufen, und wenn der Haller Prediger Friedrich H. und Hcincn Sohn Konrad als perfecti und justi rühmt, so \ns'mv\\i\ai die Epistola den Kaiser als einen vir caihdicus ah (mmi infidditate extraneus. Ja selbst zu der Fürbitte iMiiim Prodigers fiir Kaiser Friedrich und seinen Sohn könnte iiiHit in der Epistola ein Analogon entdecken, indem dar Vuri'ttttHor (lerHolben die Appellation, mit dar er sich der

DIE SECTE VON SCHWÄBISCH -ILALL.

Ungebür der Hierarchie gegenüber an den Herrn wendet, in jener PsalmeteUe vorgezeicimet tindet; „Deuu Judicium tiiuni rcgi da et justitiam tuam tilio regia, jitdicare po- [iiiluni tuum in justitia et pauperes tuos in judicio" (Pa. 72, I. 2).

Dem entspricht denn auch die Begünetigung dieser pre- ilicaiores durch Friedrich H., bzw. König Eonrad, von der Mwohl Albert von Stade als auch die Epistola zu berichten Weiss. Zwischen den Naebrichten des Chronisten über die Lelire jener Scctirer und dem Inhalt der Epistota findet also eine völlige Uobei-einstiiiiiiiung statt, und was die letztere mehr enthält, involvirt nicht nur keinen Widerspruch gegen jene, »oüdorn ist nur die zum Verständnis des ganzen notwendige Ausfiiliruiig. In zwei Punkten, in Betreff des Ausgang-s- |)uiiktca und in Beti-eff des Zieles der Bewegung, mues eine i«jlche Ergänzung der Angaben des Chrünisteu durch die Gptstola als bcsunders erwünscht erscheinen. Sowohl nach Albert von Stade als nach der Epistola gründet sich die Etliche Vollmacht der predicaiares und iiir Kampf gegen die Hierarchie auf unmittelbar göttlichen Auftrag, aber man aieht sich bei ersterem vergebhch nach einer näheren Be- gründung dieser Behauptung um. Die Epistola dagegen zeigt, 'lasö mit der, durch einen förmlichen Urteilsspruch Christi sitigclei toten Verwci-fung der Hierarchie und Einsetzung der Predicaiores die durch die Weissagung vorhergesagte Heim- suchung der Kirche sich vollzieht, dass es also apokalyptisch- ^'«chatologiBcho Speeulationen sind, welche die Grundlage der ■^wcgung bilden. Was andererseits das Ziel der Bewegung »«trifli, 80 ist aus Albert von Stade allerdings leicht orsicht- lich, dass eine Reformation der Kirche angestrebt vrii-d. Die »Hierarchie und ihre Mißbrauche BijUen abgeschafft werden; ^bcr da die Misbräuchc nicht deutlich gesehildert werden, »o ist auch nicht deutlich erkennbar, worin die erhoffte Ucaserung im einzelnen bestehen soll. Aus der Epistola sieht nian, dass nicht bloss der unwürdige Lebenswandel und Jie ungereehfc Handhabung der geistlichen Gewalt ist, was iler Hierarehie zum Vorwurf gemacht wird, sundern nament- ^cb die Bedrückung und Ausbeutung des armen Volkes,

364 VÖLTER,

und dass darum die erstrebte Reformation weeeDtlich auch socialer Natur sein boU.

Auch die äusseren Umstäadc Bprechen für einen Zusam- menhang zwischen der Haller Erscheinung und der Epistola. Wird jene von dem Chronisten zum Jahr 1248 aufgeführt, so ist diese etwa um dieselbe Zeit anzusetzen. Winkelmann möchte ihr Datum genauer dahin bestimmen, dass sie nach dem Juli 1248 geschrieben sei. Allein seine Argumentation be- rulit auf einem Miaverständnis. Unter den 25 Anklagen nämlich, welche in der Epistola gegen die Hierarchie er- hoben werden, laufet die letzte: „Vicesima quinta herea« inobedienciae , qua dominum revocantem audire contempse- runL" Dies bezdeht Winkelmami auf die Zurück Weisung des Unterwcrfungsiingebots , das Friedrich U. im Juli 1248 durch den König von Frankreich der Curie hatte machen lassen.

Allein diese Anklage auf Ungehorsam hat wohl einai andern Sinn. Der dominus revoeans ist nicht der seine Unterwerfung anbietende Kaiser, sondern ist Gott, der die Yordorbene Hierarchie von ihrem Irrwege zurückruft. Nur dadurch, dass sie diese Stimme Qottea nicht hören will, macht sich die Hierarchie des Ungehorsams schuldig.

Der terminits ante quem für die Abfassung des Brieß» ist jedenfalls der Tod Friedrich'a U. im December 1260, während man als terminus a quo das Concil von L^on vom Juni 1245 wird bezeichnen müssen, das ja den Bann des Kaisers und das Interdict in den ihm anhängigen Gebieten im Gefolge hat.

Näher wird zu sagen sein, dass die Epistola wohl vor das Auftreten jener Prediger in Schwäbisch- Hall zu setzen ist. Hier treffen wir die Bewegung bereits im vollen Gang. während die Epistola den Anfang derselben bezcicbnet, ii der Verfasser in ihr offenbar zum ersten Mal mit seinem Reformprogramra an die Ocffentlichkeit tritt und Propaganda besonders unter seinen eigenen Ordonsgenossen zu maclien sucht. In der Rede des Haller Predigers könnte man sogar eine directe Bezugnahme auf die Epistola enthalten finden. Wenn derselbe nämlich erklärt, er wolle die Behauptung,

DIE 8ECTB VOH SCHWÄBISCH -HALL.

d»BS dem Papste die Schlüsselgewalt entzogen sei, weil er ein unapoBto lisch OB Leben führe, durch eine glosula beweisen, d. h. er wolle dafür don Schriftbeweia führen, so ist es naheliegend, dabei eben an unsere Epistola zu denken, die ja grade das Versprochene leistet

Was die Persönlichkeiten betrifft, die an der Spitze der Bewegung stehen, so nennen sie sich nach Albert von Stade predicalores , woraus freilich noch nicht ohne weiteres zu Bcbliessen ist, dass es Dominikaner sind. Dagegen wird Wohl angenommen werden dürfen, dass sie dem geistlichen Stund angehören , denn sonst würde sich wohl kaum der Erfolg erklären lasssn, mit dem sie die Leute zur Predigt Und Messe heranziehen. Der Umstand, dass sie nicht an einem bestimmten Ort auftreten, soodem umherziehen, läast an Bettelmönche denken.

Die Epistola nennt die von Gott erlesenen Hirten der Gläubigen gleichfalls praedicaiores , bezeichnet aber genauer den Dominikanerorden als das göttliche Werkzeug zur Refor- mation der Kirche. Dem Schlüsse, dass wir es deshalb auch in Hall mit Dominikanern zu tun haben, könnte man ent- gegenhalten, dass nach Albert von Stade jene Haller Pre- diger sich nicht nur in Gegensatz stellen zu den Cisterzien- «em und Minoriten, sondern auch zu den Dominikanern und diese als falsche Prediger, als Verkehrcr der Wahrheit hin- alellen. Allein dieser Einwand ist nicht wirkungskräftig. Auch der Verfasser der Epistola betiachtet keineswegs den Dominikanerorden, so wie er ist, als das von Gott erwählte Werkzeug und die einzelnen Dominikaner als die lauteren Prediger der Wahrheit, sondern auch der Dominikanerorden ist nach seiner Ansicht einer Reinigung bedürftig. Die wah- ren von Gott bestellten Hirten der Gläubigen sind nur die- jenigen seiner Mitglieder, welche aufrichtige Nachahmer der Apostel und treue Erhalter ihres Ordens sind. Vollends aber musste eine Zurückweisung, die Arnold von seinen Ordensgenossen erfuhr, ihn in eine oppositionelle Stellung gegenüber denselben bringen.

Auch einen zweiten Einwand, den man durch den Hin- weis erbeben könnte, das.i lu Hall kein Dominikanerkloster

366 voLTEm,

sich befunden habe, lialten wir nicht für stichhaltig. Dw ^ Name Haller Sectc ist, selbst wenn wir uns bloss an den Bericht Albert'B von Stade halten, zum Mindesten ungenaa j Der Clironist sagt keineswegs, dass diese praedicaiores von i Hall ausgegangen seien oder hier besonders ihr Wesen ' getrieben hätten, sondern an den verschied cnstcn Orten hat sich nach ihm das Nämliche wiederholt. Wenn der Chronist grade Hall nennt, so hat dies darin seinen Qrund, ' dass er eben von dem Auftreten jener praediaitores grade in dieser Stadt und von der Predigt, welche einer dei«elben hier hielt, genauere Kunde hat.

Mit Sicherheit lässt sich Albert von Stade nur bo vieJ entnehmen, dass die Bewegung im Wesentlichen auf Schw»- ben sich beschränkte. Das scheint wenigstens der Schluss seiner Erzählung bestimmt anzudeuten, wenn es dort heiest, dass die ganze Agitation dem König Konrad nichts genütrt habe, indem er dennoch aus Schwaben sich habe nach Bayern zurückziehen müssen.

Aus der Epistola ist in Betreff des Ortes ihrer Ent- stehung nichts Genaues zu erfahren. Es kann dabei wohl nnr Deutschland und Italien in Frage kommen. Der Umstand aber, daas die Handschrift der Epistola in Wien gefunden wiu-de, dass der Verfasser den Weg zu dem in Italien sich aufhaltenden Kaiser als einen harten bezeichnet, und endlich die deutsch-nationale Tendenz des Schriftstückes lassen vir- muten, dass die Heimat Aruold's Deutschland gewesen, und hier ist natürlich bei einer solchen Kundgebung vorKugsweise an die treu hohen staufischen Gebiete, die Städte in Schwaben und am Rhein, zu denken. Wenn Albert von Stade be- stimmt Schwaben als den Schauplatz jener Bewegung be- zeichnet, 80 entspricht das also vollkommen den Vermutunjren, die man schon nach der Epistola allein über die HeiniBt ihres Verfassers erheben darf. Näher wird sich die letzten: nicht bestimmen lassen,

Dominikanerkloster gab's in Schwaben in grosser Zahl ')

^_ Toi

Li

') Vgl. die Liste bei Qiielif uml Eelianl, Scrijitiires ord. priiM

«^

irWÄBISCH-HALL. 367

3^5 .iigsburg, Freiburg, Pforzheim

er

tat «I

r Zusammenhang zwischen der 'Opistola Amoldi imzweifelhaft er- > näher als das einleitende Pro- -timmt, so gilt es nunmehr die j'istola bietet, zu benutzen, um die 11 welche jene Bewegung mit an- damaligen Zeitgeschichte rückwärts » A.. :l)arer Verbindung steht

m^r inh-eschatologischen Charakter der

is aufinerksam gemacht, und es ist Fl zu verfolgen, welche zu der Haupt- ausserordentlich mächtigen geistigen 11.

11 Floris*), dessen Wirkungen hier zu

System der Verkündigung der Epistola

und in freier Fortbildimg oder viel-

üiiterer Zeichnung hier zur Anwendung

lesische Seher am Ende des 12. Jahr- folgende Weltentwicklung vorausgesagt nunmehr aUes in der Erfüllung begriffen, : um das Bild, das Joachim so imvollständig vielfach nur mit losen, hie und da sich ..n angedeutet hatte, nun zu bestimmter, ihrung nach dem Leben gelangen. . der Epistola huldigt der joachimitischen An- ! <ji Status der Welt, dem des alttestamentlichen •>in doB neutestamentlichen Buchstabens und "ilis inteUedtiS, von denen jeder vorangehende iione Typus des folgenden und jeder folgende

■Mcliim von Floris ist zu vergleichen: Friedrich,

(ichung der dem Abt Joachim von Floris zugeschrie-

wo. zu Josajas und Jercmias in Hilgenfeld's Zeit-

fl, 349— 363 u. 449—514. Hahn, Gesch. der Ketzer

. Bd. m, S. 72—175. Reuter, Gesch. der rel. Auf-

tttlalter, Bd. II, Buch 7.

i

366 yÖLTER,

die hShere ErMlimg des vorangehenden ist. Auf dieser Onmdfmechauiing beruht die ganze Methode der Bewei£- fiihning und Schriflerkläning bei Joachim und in der EpistoU Freilich werden in der letztem diese drei status nicht on- mittelbar selbst genannt, wohl aber die ihnen entsprechenden sieben Zeitalter, von denen daa sechste mit dem zweilen atattis und daa siebente mit dem dritten Status bei Joachim gewöhnlich identificirt wird. Der Bestimmung Joachim's ge- mäss, nach welcher der Uebergang vom zweiten zum dritten Status, bzw. vom sechsten zum siebenten Zeitalter ums Jahr 1260 erfolgen soll, glaubt denn auch der Verfasser der Epi- stola, dass nunmehr (also c, 1247 oder 124«) der sechste Tag der Heimsuchung seinem Ende sich zuneige und cUä siebente Zeitalter der Gerechtigkeit und Ruhe herauf leuchte

Freilich, ehe dieser Uebergang sich vollzieht, mnas ein grosses Strafgericht über die römische Kirche um ihres Ver- falls willen hereinbrechen, ja die Kirche hat zuvor den ganzen schweren Kampf mit der vollen Macht des Antichrisl zu bestehen. Hier weichen nun sofort Joachim und der Verfasser der Epistola von einander ab. Während ereterer jenes Strafgericht als eine Züchtigung sich denkt, ausgeführt durch die ungläubigen Christen , die Ketzer imd die Sars- zenen, die Vorläufer des grossen Antichrist, und zuletzt durch diesen selbst, versteht der Verfasser der Epistola darunter einen wirklichen Gerichtsact, der dadurch zustande kommt, dass er (Arnold) auf Antrieb des Wortes Gottes im Namen der Armen und Gläubigen gegen die Hierarchie und ihre Verbrechen appellirt an Christus als höchsten Richter und Herrn, der ihm denn aucli nach vierzigtägigem Harren e^ scheint und die Absetzung der Hierarchie, die Uebertragucg ihrer Vollmacht an die praedicatores und die Zurückerstat- tung aller geistlichen Güter an die Armen als Urleil ve^ kiindigt-

Joachim hatte noch unbestimmt gelassen, wer der gross* Antichrist sein werde. Auf dem päpstlichen Stuhl bat tt ihn jedenfalls nicht gesucht, denn der Kampf desselben solUe sich ja grade auch gegen den Papst und die romische Kirche, besonders freilich gegen den gläubigen Rest und

DIE SECTE VON SCHWÄBISCH -HALL.

lessea Führer wenden. Die Epiatola dagegen sieht grade D dem Gericht, das sich an Papst und Hierarchie vollzieht, üe Verdammung des Antichrist und seiner Glieder, imd in Papst Innocenz IV. diesen selbst. Es kann freilich auch für die£c Auffassung ein allerdings misTcrstandener Ausspruch Joachim's massgebend gewesen sein. Schon frühe, ehe man von den Schriften Joachim's selbst genauere Kenntnis besass, hatte eine AuBserung desselben grosses Aufsehen erregt. Er !«tte nüLmhch dem König von England und dessen Bischöfen gesagt, „auf dem päpstlichen Stuhl werde demnächst ein Antichrist, der, den der Apostel Paulus als den Menschen der Sünde imd des übermütigen Frevels bezeichne, erschei- nen; er sei schon geboren" '). Es ist aber dabei zu be- denken, dasB Joachim mehr als einen Antichrist kennt, dass nach ihm dem maximtts antickristus mehrere untergeordnete voraoBgchen werden ; und dass er einen derselben auf dem hei- ligen Stuhl sich dachte, ist bei seiner Ansicht von dem Ver- derben der römischen Kirche, vornehmlich des Papsttums Klbst, leicht zu erklären.

Für diesen Kampf gegen den Antichrist und seine Vor- liofer wird nach Joachim Gott eine besondere Hülfe er- wecken. Die näheren Aussagen darüber sind freilich uelir unbestimmt und achwankend. Nach der Concordia sind es iBwei Prediger wie Moses und Elias, die in der sechsten Zeit aus dem Rest der Kirche sich erheben werden, unterstützt ^n zwölf anderen apirltualen Männern gemäss der Zwölfzahl <Jer Patriarchen und Apostel. Dieser populus sanctus, dieser *"do juslorum scheint nach Joachim aus dem Cistercienser- o»den hervorgehen zu sollen und wird durch volle Nacb- Mimung des apostolischen Lebens und den Mangel alles stehenden Besitzes seinen auszeichnenden Charakter erhalten. '-^ der Expositio in Apoc. ist von zwei oder gar drei ordines *le Rede, die in verschiedener Weise näher gekennzeiclmet Werden.

t) Döllioger: „Der WuissagUDgaglnube und das Proplictciitum in der christlicben Zeit", imHiskir, Taflclicnbuch, 5. Folge, 1. Jahrg., 1871, S. 321.

ZeitKkriR (. K.-O. rv. 8. ^

.^I^ ^

370

Audi bieracUkMl gJchderVcriiiwprderFjWBtolmjmJoadm an, beiiält scli aber im Inlaneaae der Amrendmi^ auf die VethSÜtnime der Gegenwart im ehtaehicn eine freiere An»- legwag vor. Nach ihm sind gleichfiilb Moaes und Elias im Alten, Petma und Paulus im Neuen Testament Typen fvr die praedieaiores der sechsten Zeit, aber die Zweizahl hit nach ihm keine Bedeutimg, sondern jene Vorbilder dienen nur dazu, um im allgemeinen den Charakter der za er- wartenden Prediger zu kennzeichnen. Ebenso hat die Zwölf- zahl bebn Ver&sser der Epistola nicht wie bei Joachim den Sinn, dass dadurch grade zwölf Manner angezdgt würden, die sich in dieser letzten Zeit erheben sollen, sondern es soD darin nur das ausgedruckt sein, dass diesdben ein Leben ^eich den zwölf Aposteln fuhren werden.

Diese verheissenen Prediger, die Joachim naturgemäss nicht genauer bezeichnen konnte, sind nach der Epistola die fraires ordinis praedicatarutn, also die Dominikaner, denen deK Ver&sser selbst angehört, und zwar ganz der Bestim- mung Joachim's gemäss speciell diejenigen unter ihnen, welche aufrichtige Nachahmer der Apostel und treue Erhalter ihres Ordens, nämlich mit seinem Grundsatz der Bettelarmut sein werden.

Bei Joachim stellen sich nun diese Prediger keineswegs in unmittelbaren Gegensatz zum Papsttiun und zur Hierarchie, sondern nur mittelbar dadurch, dass sie die Wahrheit ver- kündigen, die bei den Prälaten nicht mehr zu finden ist Die geistliche Vollmacht des Papsttums fallt allerdings ihnen im dritten Status schliesslich zu, aber nicht infolge eines Kampfes mit demselben, sondern von selbst auf friedlichem Weg durch allmählichen Übergang. Ihre eigentliche Auf- gabe ist der Kampf mit dem Antichrist, den ja Joachim wenigstens seiner Spitze nach nicht innerhalb der Kirche finden will. Anders freilich als bei Joachim müssen bei der Ansicht, welche die Epistola vom Gericht und vom Anti- dirißt hat, diese Verhältnisse sich hier gestalten. Nach der Epistola ist die Tätigkeit der praedicatores unmittelbar gegen Papst und Hierarchie gerichtet, indem sie, durch welche der ßlius ipse cum spiriiu sando redet, jenen Urteilsspruch

DIE SECTE VON SCnWAIllSCH-IIAI.L. 371

!bristi zu verkündigen und zu vollstrecken haben, der die Ab- ; der Hierarcliie und die Übertragung der geistlichen tewalt an sie selbst erklärt. Die Gläubigen von der Hio- lureisaen und um sicli selbst zu scharen, ist ihre cliste Aufgabe, Der Verlasser der Epistola läsat bei die- 1 Kampf die praedtcalores vom römischen Kaiser, specicll Frie<lrit:h IL unterstützt werden und diesen bei Durchsetzung der Kirchenreform und Herauffiihrung der letzten glück- I liehen Zeit unmittelbar bcteiligl und iateressirt sein. Nocli lehe Arnold überhaupt an die Öffentlichkeit tritt, begiebt er f Kch an den Hof Friodrich's II., um diesem Beinen Plan vor- liegen, und oben dadurcli, daas dieser nach seiner Ansicht niit einer so wichtigen Rolle bedachte Fürst jenem PLin »eine Billigung erteilt, erhält er Mut und innere Gewiss-

w

Nacb Joachim steht das röniisehe Reich in dem letzten Kampf allerdings auch auf Seiten der Kirche, aber es findet diilxä seinen Untergang. Der Verfasser der Epistola weicht also hier wieder etwas von Joachim ab, und doch achöpfl w auch liir diese seine abweichende Ansicht den Beweis aus •loAchim. Die siebente Zeit der Ruhe und des Friedens ist niinlich nach diesem im Alten Testament vorbildlich bezeich- net durch die von Cyrus ertaubte Wiedererbauung Jerusalems, indem nun die Epistula dorn Kaiser die Rolle jenes Perser- Bönigs zuweist, kommt das gewünschte Resultat zustande lad muss Friedrich II. als der principaiis ticfensor ecdesiae '^*"Bcheinen.

Der Kampf selbst wird von beiden Apokalyptikern **ls gross und mühevoll, als eine Zeit schwerer Not und "•-^riingsal bezeichnet, aber das hier wie dort im wesentlichen ^leichmässig geschilderte Ergebnis desselben ist imi so herr- ^cher. Joaciiim preist diese letzte Zeit als das Zeitalter der ^--iorecbtigkeit, der Wahrheit, des Friedens, des heiligen Gei- stes. Die Epistola schreibt demselben gleichl'alls vollkom- *nene jwtitia, veritas, pax und die iileniHilo spirilunlis i/ra- tiae zu. Es war trciUch in der ganzen Anlage des joachimi- tiscbon Systems begründet, dass, wie der erste status au%e- lioben ist durch den 7,weitt:n, so auch der zweite aufgehoben

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werde durch den dritten, und es t'elilt nicht an Steilen, wu Joachim der Notwendigkeit eines solchen Fortschrittes »cli keineswegs vei-schliesat, Hondem den zukünftigen Bruch mit der bestehenden Offenbanuigsperiode als unvermeidlich er- acbeinen lässt

Aber an anderen Stellen erächeinen diese Äosfiagen wie- der zurückgenommen und abgeschwächt, so daaa das evan- nelium des zweiten st€Uus im dritten nicht etwa eine Weiter- lübrung erleiden, sondern nur zur vollen Durchfiihmng ge- langen würde. Dies ist auch die Ansicht der Epistola, denn was sie von der letzten Wendung der Dinge erwartet, ist nichts anderes als die Wiederherstellung des ursprünglichen Standes der Kirche, die Wiederkehr der apostolischen Zeit mit ihren Gaben tui' die Gesammtheit der Gläubigen. Hier unterscheidet sich die Epistola besondei-e deutlich von dea franciskaniaclieu Veriiasscm (Verfasser?) des Jcrcmias- und Jesajas-Commentars, die der Conscquenz des joacliimitücheD Systems viel tiefer sich bewusst einen radikaleren Umschwung der Dinge prophezeihen und damit die Vorstufe bilden zu dem gleichfalls einer franciskanischen Feder cnlAtammtpJi Tntroductorius , in dem die Aufhebung und Ersetzung dee gegenwärtigen Evangeliums durch das ewige geistige in ver- messener Sprache gepredigt wird.

Auch in der Frage, wie die Kirche in dieser letzten Zeit geordnet sein werde, stimmen Joachim und die Epistola mit einander überein. Sie zeigen wenigstens die gleiche Unbe- stimmtheit. Die geistliche Vollmacht gebt nach Joachim ao den populus sanctus über, aber ob damit Papsttimi und Hierarchie auch an und fUr sich aufgehoben sein oder nur in gereinigter Geatalt, vertreten durch die von Gott erwäld- ten pracdicatores fortbestehen werden, bleibt zweifelhaft. Der Verfasser der Epistola lässt gleichfalle den &rdo pranli- catorum an die Stelle von Papst und Prälaten ti'eten, aber es scheint doch nur ein Wechsel der Personen, nicht des In- stitutes zu sein; denn er kann sich offenbar nicht von der liie- rarchischen Vorstellung losmachen, wenn er dem Worte, das» der, welcher Christum mit Wort und Tat bekenne, gro« heissen werde im Himmelreich, mit Beziehung auf diese

J

DIE 8ECTE TÖN SCHWÄBISCH -HALL

*efate Zeit den Sinn unterlegt: der wird ein Prälat werden >H der ecclesia sanctorum.

Auf diese mehr idealen Fragen, die bei Schilderung der letzten Zeit in Betracht kommen, scheint übrigena der Ver- &s8er der Epistola einen verhältnismäsBig geringen Wert zu legen. Im Mittelpunkt des Interesses steht ihm ein anderer Paiikt, der bei Joachim fast in den Hintergrund tritt, näm- lich die mit der gewünschten Kirchenreformafion notwendig verbundene Erfüllung eines socialen Programms; die Zurück- cratattung aller kirchlichen Güter an die Armen. Die Bcsäcnuig, bzw. Beseitigung des durch die Kirche wesent- lich verschuldeten socialen Notstandes wird mit allem Nach- druck gefordert, und wir werden nicht irren, wenn wir hier die Haupttriebfeder entdecken, die den kühnen Dominikaner bei Beinern Auftreten bestimmt. Den advocatus pattpervm nennt er sich selbst, die Ausbeutung und Bedrückung der- selben durch die Hierarchie bildet einen Hauptteil seiner Klagen, den pauperes, die er auch gradezu mit den fideles identiÜBirt, soll die von ihm erstrebte Reformation der Kirche wesentlich zugute kommen. In diesem Teil des Programms U^ ohne Zweifel auch die Stärke desselben. Aus ihm vor- nehmlich erklärt sich die Tatsache, daas es unter den Massen zünden und eine Bewegung ins Dasein iiifen konnte, die rasch zu einer nicht zu verachtenden Stärke anschwoll und wohl noch grüssere Dimensionen angenommen hätte, vielleicht au dnem Bauernkrieg des 13. Jahrhunderts angewachsen Wäre, wenn nicht der Tod Kaiser Friedricli's II. ihr den festen Boden entzogen hätte, noch ehe sie weiter hatte um «ich greifen können.

Man sieht aus dieser Vergleichung ; das apokalyptische Bild, das dem Verfasser der Epistola für seine Ausführungen zur Vorlage dient, ist dasjenige, wie es in den echten Schrif- ten Joachim 's, namentlich in der Ooncord. Vet. et Nov. Test. zutage tritt, und es darf vielleicht als eine Anspielung auf diese joachimi tische Schrift angesehen werden, wenn der Verfasser der Epist<>la seine Berufung einlegt an den heiligen Leib des Herrn und die Wahrheit heider Testamente sammt ihren (blossen. Mit den beiden pseudo-joachimitischen Com-

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mentaren dagegen , dem etwa gleichzeitigen zum Jeremias imd dem wahrscheinlich erst um 1266 verfassten zum Je- sajas zeigt die Epistola keine engere verwandtschaftliche Beziehimg, ausser soweit eine solche dadurch bedingt ist, dass auch diese Joachim's Schriften zur Grundlage haben, oder da- durch , dass in beiden Fällen Bettelmönche die Verfasser sind. Einzelne Belege daftir werden sich im weiteren noch finden.

Die Fortbildung, welche die Epistola Joachim gc^nüber aufweist, erklärt sich durch die persönlichen Verhältnisse ihres Verfassers, einmal dadurch, dass er jünger als Joachim ist, zweitens dadurch, dass er ein Deutscher ist, drittens da- durch, dass er Dominikaner ist.

Der erste Umstand bestimmt den Verfasser der Epistola, das Gericht in die Gegenwart zu verlegen. Für diese Zeit hatte ja Joachim selbst dasselbe vorausgesagt, und der grosse, alle Verhältnise erfassende und besonders das kirchliche Le- ben tief erschütternde Kampf zwischen Kaiser und Papst schien denn auch diese Vorhersagung zu bestätigen. In diesem Fall musste aber auch der Antichrist in einer Per- sönlichkeit der Gegenwart gesucht wei"den und zwar not- wendig in einem der beiden grossen Widersacher Innocenz IV. oder Friedrich IL Dass der Verfasser der Epistola im Papst den Antichrist sieht, hat seinen Grund darin, dass er ein Deutscher, vielleicht gar ein Schwabe und dem deutscheu, dem schwäbischen Kaiserhause treu ergeben ist.

Der gleichzeitige pseudojoachiniitische Commentar zum Jeremias aus der Feder eines nichtdeutschen, wohl italienischen Franciskaners wählt grade umgekehrt. Obwohl er Papst und Hierarcliic fast noch härter verurteilt als die Epistola, sieht er dennoch den Antichrist nicht in Innocenz IV., son- dern in Friedrich IL Diese Verscliiedculieit in der Auf- fassimg bei gleichen Voraussetzungen kann nur auf Rech- nung des nationalen Momentes gesetzt werden. Durch diese Stellung zu Kaiser und Papst ist aber noch ein weiterer charakteristischer Zug in der Anschauung der Epistola un- mittelbar bedingt. Das Strafgericht, das über Papst und Hierarchie hereinbrechen sollte, konnte nicht mehr vom Antichrist erwartet werden, wenn man diesen im Papst

DIE SECTB VON SCHWÄBISCH -HALL.

selbst erblifkte. Es unmittelbar auf den KaiBer zu über- tragen war bedenklid», da der Erfolg des Kaisers g^enüber <(cm Papet kein sulchor war, da^a man darin den richtenden Arm Gottes deutlich hätte sehen können.

So blieb nichts übrig, als an die Stelle der mehr äussor- liuhen Vorstellung einer züchtigenden Ileimsuehung die spiri- luale eines aus dem Munde Christi hervorgehenden Ver- Werfiingsurteils treten zu lassen.

Freilich sclirumpft bei dieser Auffassung das eschato- lygischo Bild, das Joachim mit so grellen Farben gemalt hatte, bedeutend zusammen, es wird blass und matt und verliert fast ganz seinen ausserordentlichen Charaktei-.

Endlich ist für die Beui-teilung des Standpunktes der Epistula der Umstand noch von Wichtigkeit, dass der Ver- fasser Dominikaner ist. Man war ja heransgetbrdert, die Prophezeihung Joachim's von den Ultimi praedicatores , von dem ordo justorum oder den duo ordines, in denen das apostolische Leben zu erneuter, walu-haftigcr Darstellung ge- langen soll, auf die in der ersten Hälfte des 13. Jahrhun- derts auigekommenen Bettel ordcn zu deutcD. Dieselben haben es auch verstanden, aus jener Prophezeihung für sich Kapital zu schlagen, imd wie die Commentare zum Jeremias und Jesajas die Weissagung Joachim's besonders fiir die Franciskaner in Anspruch nehmen, so sehen wir in der Epistola die Anwendung speciell auf die Dominikaner ge- macht. Aber nicht bloss die häretischen Parteien innerhalb dieser Orden haben sieb auf Joachim's Prophezeihung be- rufen, man hat in denselben allgemein darauf bezügliche Sagen gepflegt und selbst an officioller Stelle ein Anknüpfen daran nicht verschmäht, wie die Vorreden zu den Lebensbeschrei- bungen des heiligen Dominicus von Constantin von Orvieto, Humbert') und Dietrich von Apolda*), sowie die gemein- same Encyklica *) der Generale beider Bettelordcn vom Jahr 1255 beweisen.

Die Bettolurden waren auch in der Tat der geeignete

0 Mamachi, Amialea ord. praed., Tom. I, Appond., p. 264.

s) Acta Saiiüt. Aug., Tom. I, p. 551.

■) Wadding, AnnBlt» Minor., Tom. UI, p. 380,

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Boden für die Pflege joacfaimitischer Ideen. Wie die Apo- kalyptik stets dem Zerfallensein mk den herrschenden Verhält- nissen ihren Ursprung verdankt, so waren ja auch die Bettel- orden aus einem; wenn auch stillschweigenden Protest gegen den kirchlichen und besonders den socialen Zustand der G^en- wart hervorgegangen. Wenn sie auch frühe zur Genugtuung der Päpste von ihren ursprünglichen, dem Keim nach doch mehr oder weniger revolutionären Bahnen durch ihre eigenen ausserordentlichen Erfolge abgedrängt worden sind, so hat es doch nicht innerhalb dieser Orden an Eiferern gefehlt, welche an der vollen Strenge der alten Regel festhielten, und in denen der Trieb zur Reform sowohl dem kirchhchen System gegenüber als auch gegenüber dem eigenen seinen ursprüng- lichen Gnmdsätzen untreu gewordenen Orden immer au6 neue wieder zur Geltung gelangte. Besonders im Frands- kanerorden, der ja in originaler Weise unmittelbar aus den Anschauungen und Bedürfnissen des armen, gläubigen Vol- kes herausgeboren ist und auch fortan mit dem Volke selbst in engster Verbindung blieb, hat sich eine mächtige, an- dauernde Strömimg dieser Art geltend gemacht Aber auch im Dominikanerorden, dem das Princip der Bettelarmut erst aufgeimpft ist, und der durch seine vorzugsweise gelehrte Richtung dem demokratischen Geist der Franciskaner gegen- über eine mehr aristokratische Haltung sich bewahrt, hat cs^ wie der Verfasser unserer Epistola beweist, an solchen Ele- menten keineswegs gefehlt. Grade aus der Stellung des- selben als Bettelmönch und speciell aus der Stellung zum Princip seines Ordens erklärt sich der mit so grossem Nach- druck hervorgehobene sociale Teil seines Programms. Wenn er in der starken Betonung des socialen Misverhältnisses und in dem energischen Verlangen nach Abstellung desselben über Joachim liinausgcht , so trifft er darin umsomelir mit den Veriassem des Jercmias- und Jesajas - Commentars zu- sammen. Es ist das eine Ähnlichkeit, die nicht etwa auf eine Abhängigkeit des einen Teils vom andern sich ziu'iick- führen lässt, sondern sich einfach dadurch erklärt, dass wir auch in jenen Verfassern Bettelmönche imd zwar Fran- 'skaner der strengeren Richtung vor ims haben.

DD! SECTE VON BCHWÄBISCH-HALL. 377

Resultat der biflherigen Untersuchung zuBammen- ind können wir sa^u : der Drang nach Reform, welcher ier apokalyptischen Richtung des Zeitgeistes zugrunde lag, al in jenen Haller Sectirem zu einem praktischen Ausdruck ^langt. Auf deutschem Boden, in Gliodem des Domini- Eanerordens finden wir die häretischen Erstlinge aus Joachims i&retischem und doch in seltsamer Verkennung der Tendenz Ja katholisch sancüonirtem Samen.

Wir sind zuletzt den Wurzeln dieser merkwürdigen Be- legung nachgegangen und in aufsteigender Linie zu der Quelle gelangt, aus der sie mit so mancher ähnlichen Er- «heinung jener Zeit gemeinsam entflossen ist. Aber es gilt aun auch den entgegengesetzten Weg zu machen und die Frage aulzuwerfen, ob denn wirklich, wie es nach Albort von Stade den Anschein haben könnte, die ganze Bewegung plötzlich viillig wieder verschwunden ist, oder ob sich nicht Spuren entdecken lassen, in denen wir die Nachwirkungen Jorcelben zu erkennen vermögen. Die Katastrophe, dio das elaufische Haus ereilte, in erster Linie der schnelle Tod l^riedrich's IL, war allerdings für die apokalyptische Bewegung m Schwaben ein Ereignis von niederschmetternder Gewalt, ^u die Person dieses Fürsten waren alle Hoffnungen und '■'Tvartungen dieser Apokalyptiker geknüpft, sein unerwarteter lingang scheint ihre völlige Vernichtung zu bedeuten.

Allein eine Bewegung von solch apokalyptischein Cha- aktcr ist nur unter der Voraussetzung möglich, dass der 'pokalyptische Geist schon tief sich eingebürgert und grössere vreise des Volkes erfasst hat. Mit der Annahme eine» plötz- ichen spurlosen Verschwindens einer derartigen Bewegung ffäre also die Annahme eines plötzlichen radikalen Um- schwunges der ganzen geistigen und geistlichen Stimmung 1er Zeit unmittelbar verbunden. Das ist nicht denkbar, lenn die apokalyptische Richtung eines Zeitalters ist immer ufs tiefste mit der ganzen Gestalt desselben, mit seinen po- tischen, socialen, religiös-sittlichen Verhältnissen verwachsen, ie durch allmähliche Entwicklung entstanden sind und da- er nur wieder durch allmähliche Entwicklung, nicht abor lit einem Schlage sich ändern können.

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Rasch eintretende Ereignisse und Umstände können daher den Laut; den die apokalyptische Bewegung genommen hat, hemmen, ihre Richtung verändern, ihren Inhalt umbilden, nicht aber diese Bewegung der Geister selbst mit dnem Male aus der Welt schaffen. Wenn wir von diesem Gedan- ken geleitet uns mnschauen, so findet sich allerdings nirgends eine Spur davon, dass die Bewegung, wie sie in den letzten Lebensjahren Kaiser Friedrich^« in Schwaben geherrscht; in ähnlicher Weise sich auch fortgesetzt und nur darin den veränderten Verhältnissen Rechnung getragen habe, dass man eben die Rolle, in der man sich Friedrich II. bei Her- auffiihrung der letzten glücklichen Zeit beteiligt gedacht hatte, nunmehr einfach auf seinen Sohn, den König Konrad, übertinig. Das ist auch von vornherein unwahrscheinlich, denn für die hochragende, auf die Zeitgenossen mit übc^ wältigendera Eindruck wirkende Erscheinimg Friedrich'» konnte niemals weder in Konrad noch in einer andern Per- sönlichkeit ein auch nur annähernd vollwichtiger Ersatz als Figur in dem eschatologischen Zeitbild gefunden werden. Theoretisch liess sich wohl die Umdeutung der Weissagui^ von Friedrich auf seine Nachkommen vollziehen, aber prak tisch für den Glauben der Massen musste sich ein solche Versuch sofort als erfolglos herausstellen.

Wenn wir auf diesem Wege vergeblich suchen, ^ stosscn wir dagegen nach einer anderen Seite auf eine Er scheinung, die nur unter Voraussetzung einer apokalyptische! Richtung des Zeitgeistes ihre Erklärung findet. Wir meinei die deutsche Kaisersage.

Es wird kaum nötig sein, daran zu erinnern, dass di Sago sich nicht auf Friedrich Barbarossa bezieht, sonder dass es die Person Fricdrich's II. ist, an welche sie sich ar knüpft »).

Die Frage nun, ob zwischen der bisher behandelten apc kalyptischcn Bewojjjung in Deutschhuid und der deutsche

1) Vgl. hioriilxT M i c Im; 1 s <•, n : Die Kitttiiiiisor Kaisi'rsaj^e ", in (k- ZcMtschr. f. thiiring. (Ji^scli. isr)4, 2 u. (i <•<) r;:: Vo i.ijjt : „Di«' doutscl* Kiiis»Tsag(«'S in (Uv Ilistor. Zcitsclir. 1H71, IM. lMJ, 131—187.

DJE SBCTB VON SCHWÄBIBCH-KALL.

Kaisersage ii^ndwolcher Zuf ainmünhann; stattfinde, ist gleich- bwleutcnd mit der andern, wie und wo die Sage entstanden ist Wenn man dieselbe mit Voigt kurz definirt als die Sage vom Fortleben und Wiederkommen Kaiacr Friedric.h'B II., Bo künntc man zunächst auf den Gedanken geraten, dieselbe miichte einfach dadurch aulgekomanen sein, dass man sich nicht Tergewissem konnte, ob der Kaiser wirklich gestorben wi oder nicht.

Eine derartige Unaiclierheit kann allerdings in der ersten Zeit nach Eintritt eines solchen Ereignisses herrschen, wenn bei mangelhaften Verkehrsverhältnissen die gewisse Kunde sich nicht selmell und gleidimässig verbreitet, oder wenn das Elrcignis vun irgend einer Seite absichtlich vcrheimUcht oder in Ab- rede gestellt wird Aber es wird doch immer der richtige Sachverhalt bald ans Licht kommen, und wenn dies nicht ivr Fall sein sollte, wenn was übrigens bei Friedrich II. nicht einmal zutrifft die betreffende Persönhchkoit nicht öavs gewöhnlichen, constatirbarcn Todes gestorben, sondern iitf rätselhafte Weise aus der Welt verschwunden sein sollte, w lässt sich dnch auch unter diesen Umständen kein Trieb •"ütdeckcn, der stark genug wäre, um den Glauben an das fortleben und die Wiederkehr dieser Person in weiten "Vi-ciscu des Volkes zu erzeugen und wach zu erhalten auch *" öinor Zeit, wo menschlichen Berechnungen zufolge über ■•en Tod gar kein Zweifel mehr obwalten konnte.

Auf einem anderen Weg sucht Brosch ') die Entstehung •or Sage zu erklären. Er kommt in Anlehnung an Jakob ^urckhardt*) auf den Gedanken hinaus, dass das ideale iild, das die Italiener von Fricdrich's Person entworfen, das l-cutBche Auge so geblendet habe, dass ihm aus der historischen '^^igur eine mytliologischc geworden sei. Alloin auch auf »lese Weise kann das Wesenthche an der Sage niemals seine tirklärung finden. Wcim eine Erscheinung eine mächtige Wii'kuug auf ihr Zeitalter übt, sn kann sieh allei-dings

') Itroäuh: „Die Friedricbsagc der Italioncr", in Hisl. Zi-i »«IH, Dd. 3r>, 8. 17—31. *) Cultiir der Rciiaissnucc in luliuu, S. 3—6 der I. Ausg.

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ereignen^ dass im Lauf der Zeit einzelne historische Züge an i&r ins Heroische und Mythische gesteigert werden; aber der Gedanke^ dass diese Person fortleben und wiederkommen müsse^ wird auf diese Weise nie entstehen. Wenn man be- denkt, dass der Glaube an die Wiederkunft Friedrich's 11. bald nach seinem Tode im deutschen Volk so stark und bo verbreitet war, dass mehrfach falsche Friedriche auftreten und unter den Massen Anerkennung finden konnten, so muss entschieden angenommen werden, dass eine andere, stärkere Macht als die einfache Neigung zur Sagenbildung es war, die diesen Glauben erzeugte. Um auf die richtige Bahn zu kommen, muss man sich g<^nw&rtig halten, da» die Sage in der oben angegebenen kurzen Fassung nie ezi- stirt hat, sondern dass gewiss überall, wo die Sage lebendig war, auch der Zweck des Wiederkommens genannt wurde. Jenen ersten Gedanken hat immer ein zweiter b^ldtet, der dem ersten in Wahrheit vorausgeht und ihn bedingt, nämlich der , dass Friedrich 11. sein Werk vollenden, seinen Kampf gegen Papsttum und Hierarchie zu Ende ftibren müsse. In diesem Gedanken, der in der Tat auch überall, wo die Sage überhaupt deutlicher ausgeprägt erscheint, einen stehenden Zug derselben bildet, ist gewiss die Genesis der Sage zu suchen.

Wenn man dem Kaiser Friedrich 11. nach seinem Tode noch eine Aufgabe vorbehalten wähnte, so sah man das Werk seines Lebens offenbar als kein vollendetes an. Zu diesem Resultat konnte man nur dadui'ch kommen, dass man das Bild, das Friedi'ich's Leben bot, mit einem idealen Bild, das man sich davon schon gemacht hatte, verglich und demselben nicht entsprechend fand. Und wenn man von hier aus zu der Annahme sich verstieg, dass der gestorbene Friedi*ich fortleben imd wiederkommen müsse, um das, was noch an jenem Bilde fehlte, zu ersetzen, so kann der Grund hicfür nur darin gesucht werden, dass man in der Rolle, die man dem Kaiser zugewiesen, nicht eine zufallige, willkür- lich entworibnc, von irrtunistahigcn Menschen ersonncnc, son- dern eine notwendige, gottgewollte, im gr)ttlichen RaüJchluN^ und Weltplan vorgesehene erblickte. Damit werden wir hiueJ"'

W ME SECTE VOK BOHWJiBIBCH-HALL. 381

fcefijhrt in die Kreise der Apokalyptiker des 1 3. Jahrhunderte, Wt&r deren luystiBche SpeculatioDcn die gewaltige Erscheinvmg I Friedrich's II. von eclbat als eine Hauptfigur Bich bot Dieser 1 hochragenden Gestalt, in der die welterschütternden Kämpfe B^r Zeit ihren Ausgangs- und Mittelpunkt hatten, musste in Uen apokalyptischen Entwürfen, zu denen die Zeichen des ■Jahrhunderte herauszuibrdom Bchicnen , eine so wesentliche ^Bolle zufallen, dass seine Person gcwisacrmassen zum Eck- iMcin wurde, auf dem sich das escliatologische Bild aiiferbaule, BUJD Prüfstein, an dem aich die Wahrheit oder Fabclibeit MfifiiifiHif II entscheiden musste. Starb der Kaiser, ehe er die Bbm zugedachte KoUe, die je nach dem Parteistandpunkt der Apokalyptiker eine sehr verschiedene sein konnte, wirk- lich ausgespielt hatte, so war, wenn man von dem eschato- logischen Bild, in das man aich hineingeleht und hineingo- steigcrt hatte, das die Weissagung füi' sich zu haben schien und sich wolil auch schon in manchem seiner Ziigc bewälirt haben mochte, nicht abgehen wollte, die Annahme des Fort- lebens und der Wiederkehr Friedrich's II. unausweichlich. Steht somit fest, wie die Sage sich entwickelt hat, so ^It es nunmehr nach dem Ort ihrer Entstehung zu fragen.

Voigt'), der den apokalyptischen Chai-akter der Sage als selbstverständlich voraussetzt, ist der Ansicht, dass die- selbe ausgegangen sei von den itaÜenischcn, speciell minoii- tischen Joachimiten. Sie, die schon zu Lebzeiten des Kai- sera mystische Betrachtungen an seinen Tod geknüpft, hätten an das Fortleben und die Wiederkehr Friedrich's 11. ge- glaubt, weil sie von ihm die Vollendung des antichristlichen Unheils erwarteten. Von Italien sei die Sage nach Deutsch- iand gekommen, um dann, nachdem sie hier alle itallenisclien Züge abgestreift, eine völlige Umwandlung in gliibellinischem Smn erfahi'en und in der I'ci-bou des 1283 aufti-eteiidcn fal- «hen Friedlich eine leihhafte Gestalt gewonnen habe, wieder md Italien zurückzuwirken.

Kiezler") sucht die Voigt'sche Ansicht zu vervollstän-

) A. a. 0., S. 136. 147 f.

deBtschcii KaiauiHiigi: ■■, Ilhl Zlwlir. IIS74, Bd aa, S. G3ff.

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digen. Er findet in der deatsehen Kaisenngey wenigstens in der ausführlichsten Rdation deradben bei Johann von Winte^ thor ursprünglich sich widerq>rechende Züge vereinigt nnd glaabt daher^ dass diesdbe nicht dne einfisM^iey sondern fm doppelte Quelle habe. Die erste Gestalt der Friedridissage sei aUerdings von den italienischen Joaehimiten anj^egang^ welche an die alte, aus der ersten christlichen Zeit bis ins Mittelalter ach fortpflanzende Sage vom Antichrist ange- knüpfu diesen in Fnedrich ü. erblickt und daher an dessen

^^^ «

Wiederkehr zur Fortsetzung des Kampfes mit der Eircbe g^ubt hätten. Neben dieser m ItaUen entstandenen Sage habe sich aber in Deutachland von einem ganz neuen An- knüpfungspunkt aus eine zweite gebildet In dem Zeitraum zwischen dem Tod Friedrich s II. und dem Auftreten Hdn- rich's Vn.y als es keinem deutschen Herrscher gelingen wollte, die Eüaiserkrone sich aufs Haupt zu setzen, sei die aus der alten Antichristsage hervorgegangene Zweagsage vom letzten römischen Kaiser wieder erwacht, der sich alles unter werfen, glorreich herrschen und zuletzt eine Heerfiüirt nach Jerusalem unternehmen werde, um hier seine Krone auf dem (>elberg niederzulegen. Mit der IVutung dieser Sage auf Friedrich II., der in jener Zeit tatsächlich der letzte römische Kaiser war und augenscheinlich es auch bleiben sollte, sei der Glaube an seine Wiederkehr zur Ausführung des Zugs in das gelobte Land umnittelbar verbunden gewesen. Die Züge dieser beiden ursprünglich getrennten Friedrichs- sagen seien viell'ach zusammengeflossen und in dieser ge- mischten Form liege uns die Sage vor in der Relation des Johann von Winterthur, wo Friedrich zugleich als der Pfeffen- feind und als der nach Jerusalem ziehende christliche HeU dargestellt werde. Das erste dieser beiden entgegengesetzten Elemente stamme aus der italienischen, das andere aus der deutschen Friedrichssage.

Riezler's Ansicht hat in der Tat etwas Vertiihrerisches Allein bei näherer Prüfung erweist sich der Gedanke, von dem aus er anrunientirt , als durchaus unrichtig. ^^^*' ches auch der Ikxlcn sein mochte, auf welcliem der Gbube an Friedrichs Wiederkehr erwuchs, er mochte italieniscb

DIE SECTE VON SCHWÄBISCH -HALL. 383

' oder deatech, klerikal udcr ghibbUmlFicli sein, in jedem Füll kunnte der Wiederkehrende, dessen Lebenswerk der Kainjil' mit dem Papsttum war, niclit auslerB gedacht werden , denn fila Feind des KleniB. Nur die Beurteilung dieser Feind- wJiaft künntc eine verschiedene eein. Man konnte in ihr ji! nach der Parteisteihmg ebenso gut die Absicht einer Vernichtung der Kirche als die Absicht einer Reformation der Kirche enthalten finden. Die letztere Auffassung liegt der Sage überall zugrunde, wo sie auf deutschem Bo- 'icn ims entgegentritt, bei Johann von Winterthur s(>- *ruhl als auch in der früheren Relation des Rcimchroniston 'Htdkar '). Die Feindachaft gegen den Klerus bildet somit deinen Oegensatz zu der Heeri'ahrt nach Jerusalem. Wenn ' •■ nian daher für das Bestehen einer italienischen Stammsagt', ^j Dach der Friedrich U. als Antichrist wiederkehren soll, nichts "W *piter anzufulu'en weiss, als, wie es bei Riezler der Fall ist, ^p ''as Bedürfnis, das pfaffenfeindliche Element in der Kaiser- W ^'^0 zu erklären, so kann man dieselbe füglich fallen lassen. '-'d man bei Erklärung der deutschen Kaisersage in der Tat ' ^»Uiz von Italien abzusehen hat, ob ihr Ureprung allein in *-^ut9chIand zu suchen ist, wird die folgende Untarsuchung **iigen.

Den Beweis für seine Ansicht will Voigt hauptsäcbhch

**^r Chronik Sahmbene's entneliraen, der nicht bloss Zeitge-

*^*«88e, sondern selbst eingeweihter Joachimit gewesen. Allein

t" ^^hon Brosch*) hat nachzuweisen versucht, dass tur ein

I'*3ervoi^ehen der Sage aus den Kreisen der italienischen Joa- ^himiten oder des italienischen Volkes überliaupt keine Be- I ^wae sich beibringen lassen und dass namentlich bei Öalim- I tene keine Bezeugung datiir sich finde. Die Stelle, aui "Welche Voigt den grösstcn Nachdruck legt, ist die Erzählung Halimbene's zum Jahr 1284'). Hier wird die Aufregung

1) üeber beide siehe weiter untcu.

*) A. a. 0., 8. 18.

') Mon. bist, ad prov. Farm, et Plac. pcrt, Parma 1857, p, 307 (■t 306: „Item miUcBimo mprapoaito iiisguuerunt nimorcH, qutxi Fri- dcriciM secunduB, qiii qufintiiun fuerat imporator, in Alemannia viveret, ■ITiem «cqiicbntur thc-otonicoram maxinia multitudo, quilius larga manu

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geschildert, welche die Kunde von dem 1283 am Bhein auf- |g tretenden falschen Friedrich in Italien hervorrief. Aber diese Stelle beweist grade für die italienischen Joachimiten aa& schlagendste, dass der Gedanke an ein Fortleben mid an eine Wiederkehr Kaiser Friedrich's ü. unter ihnen keines- wegs ursprünglich heimisch war, sondern dass es erst eines äusseren Anstosses, einer Importation von Deutschland be- durfte, um auch nur bei einem gering^i Teil derselben einigen Glauben zu erwecken. Jene sibjUinische Weissagung, der sich nun auf einmal diese Joachimiten erinnerten, war bisher keineswegs von ihnen auf ein Fortleben und Wieder- kommen Friedrich's II. gedeutet worden. Salimbene selbst hat, wie Brosch ^) zeigt, sie sich ohne solche ausserordent- liche Annahmen ausgelegt und ihre Erfüllung in ganz ein- fachen, rein äusserlichen und zufalligen Umständen gesucht Ist die deutsche ELaisersage also nicht aus der Mitte der italicmschen Apokalyptiker hervoi^egangen, so ist sie, da ihr apokalyptischer Charakter unzweifelhaft ist, wohl über- haupt nicht in ItaUen ursprüngHch zuhause.

Jene Stelle Salimbene's spricht sich allerdings über das italienische Volk nicht mit gleicher Deutlichkeit aus wie über die italienischen Joachimiten. Aus andern Nachrichten Sa- limbene's geht sogar hervor, dass der Glaube, der Kaiser lebe noch, schon vor der Zeit, da jener falsche Friedrich in Deutschland auftrat, unter den Italienern stark verbreitet war. An einer Stelle erzählt SaUmbene *), viele hätten geglaubt, Friedrich sei nicht todt, während er doch wirklich todt war, und er sucht diesen Glauben dadurch zu erklären, dass

faciebat expensas. Et adeo invaluenint et divulgati fuerunt isti ru- mores, quod plures civitates Lombardiac miserunt speciales nuntios ad videndum et cognoscendum, utrum ita esset nee iie: etiam marchio Hestensis misit nuntium specialem. Aliqui ctiam Joachimitae aliquam adhibebant fidem, quod possibile esset pro eo, quod Sibylla dicit: Oculos ejus morte claudet abscoiidita, scilicet gallicana gallina, super- vivetque sonabit et in populis, vivit et non vivit, uuo ex pullis pul- lisquc pulloruin supcrstite."

1) A. a. 0., S. 19. 20.

^) A. a. 0 , S. IGC».

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tlanfred was keineswegs richtig bt abBichtlich den Tod seines Vaters verheimlicht habe. Femer erzählt er ') und Jamsilla') stimmt darin mit ihm überein , dass Jtwa 1259 sich in Italien ein falscher Friedrich in der Per- wn eines Ereraitea erhob, den die eiciliachen und apulischen EJarone gegen Manfred aufgestellt hätten. Hierher gehört luch die weitere Nachricht, die wir einer Mitteilung Bo- Qaini's*) verdanken, dass nämlich am lU. August 1257 Abdello dl Gentile und Acoppo di Bonaggiunta zu Sange- mignano dem Goldschmied Braccio sechzig Scheffel Getreide versprochen, wenn er constatireu könnte oder ea sich her- ausstellen würde, dass Friedrich II., der todtgeaagt werde, noch lebe. Brosch macht aich vergebliche Mühe, die Be- deutung dieser Nachidchteu abzuschwächen. Man kann aber diese in Italien herrschende Unsicherheit über den Tod des Kaisers gewiss nicht anders erklären als durch das Vorhandensein einer aus apokalyptischen Anschauungen ent- äoBseueu Sage. Allein keine jener Nachrichten beweist, dass nir uns nun auch am Ort befinden, wo diese Sage ihren Ursprung hat, und dass wir es hier nicht ebenso wie in der Srzählung Salimbene's zum Jahre 1284 bloss mit den Wir- coBgen einer in der Feme entsprungenen Sage zu tun haben. Dass vielmehr dem so ist, das scheint die Tatsache zu lehren, Haas man sich in Italien des apokalyptischen Ursprunges iea umlaufenden Gerüchtes gar nicht mehr bewusst ist, da Salimbene es lediglich aus äusserUcben, zum Teil nicht ein- mal zutreffenden Umständen zu erklären sucht, und femer daraus, dass uns hier von der Sage selbst, die gewiss von Anfang an bestimmt ausgeprägte Züge hatte, nichts mehr ent- gegentritt als die blosse Unsicherheit über den Tod des Kaisers. la dem an zweiter Stelle angeführten Fall zeigt oamentlicb der Umstand, dass die apulischen und sicilischen Barone das Gerücht, Friedrich H. lebe noch, erst aussprengen und sich alle Mühe geben müssen, um nur dürftigen Glaa-

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ben zu eprecken, ganz deutlich^ dass die Sage jedenfalls hier in Unteritalien y wo man ja auch das Qrsh des Kaisen unmittelbar vor Augen hatte, ihren heimischen Bod^i nicht hat. Voigt') beruft sich fiir seine Ansicht femer auf eine Stelle bei Jans dem Enenkel; in der es heisst, dass über die Frage, ob Friedrich II. gestorben sei oder nur entfernt irgendwo in der Welt sich aufhalte, in Welschland allent- halben noch ein Streit sei.

Es ist allerdings auffallend, dass Enenkel hier nur Italien, nicht auch Deutschland als Ort nennt, wo die Sage cursirt, und man könnte darum in der Tat versucht sein, die Stelle fiir den italienischen Ursprung der Sage geltend zu machen. Man könnte annehmen, dass Enenkel zu einer Zeit schrieb, da die Sage in Deutschland noch nicht verbreitet war. Allan die Sache lässt sich auch anders erklären. Auch wenn die Sage ausserhalb Italiens, wenn sie in Deutschland entstanden ist, so ist doch der Kern derselben, das aller ausmalenden Züge bare Gerücht vom Fortleben des Kaisers schnell in dem ersteren Lande eingedrungen. Aber während die Sage in ihrer Heimat, so lange kein falscher Friedrich sich erhob, nur in der Stille sich bewegte, ohne eine öfientliche Bedeu- tung zu erlangen, wurde jenes Gerücht in dem vom Partei- kampfe zerrissenen Italien, insbesondere in Oberitalien, sofort von den Factionen aufgegriffen, von den Ghibellinen mit Hoffnung, von den Weifen mit Schrecken, und musste so sofort eine gewaltige Aufregung hervorrufen in diesem Land, fiir das die Frage, ob Friedrich noch lebe, eine viel grössere Wichtigkeit hatte als für irgend ein anderes. So mag es gekommen sein, dass Jans dem Enenkel in Wien, das ja Italien so nahe Hegt als Deutschland, die Wirkungen der Friedrichssage eher und stärker in die Augen fielen als in letzterem. In jedem Fall kann neben einer Autorität, wie Salimbene sie in dieser Frage repräsentirt, eine Berufting auf Enenkel nicht ins Gewicht fallen, und man kann letz- terem gegenüber mit Brosch*) noch die Tatsache geltend

1) A. a. 0., S. 141 142, wo auch die betr. Stelle initgeteilt winl ») A. a. 0., S. 24. 25.

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aacben , dass eine ganze Reihe achtungs werter italieniechev iesclücbtaaclireibcr und selbst Danto dor Sage mit keinem Vorte gedenken, was sicli kaum erklären lieHse, wenn die ^agc in Italien wirklich zuhause wäre und nicht bloss vor- ibergehond, wenn auch eine Zeit lang mächtig, auf dieses Land gewirkt hätte.

Mehr als alle bisher angeführten Argumente acheint aber die folgende Erwägung gegen die Ableitung der Sage aus Italien zu sprechen.

Die Rolle, die innerhalb der Endentwicklung der Zeit in ujwkalyptiscben Kreisen Friedrich II. zugewiesen wurde, konnte, wie wir bereits melufach bemerkten, je nach der 'oliÜBcben Stellung der Apokalyptiker eine sehr verschiedene ain. Man konnte in ihm und das wird allerdings das F «wuhnliche gewesen sein einen der Antichriste oder gar en Antichrist erblicken, aber er konnte auch, wie die 'pistola Amoldi beweist, als der Bekämpfer des letzteren kigeseben werden. Mag das Endbild so oder so gestaltet «Wesen sein, in beiden Fällen wird man bei unerwartet duiellem Tod des Kaisers nur die Alternative gehabt haben, ntweder das eachatologische Bild zu ändern oder zur Auf- 'vchterhaitung desselben die Wiederkehr des Kaisers zu- aülfe au nehmen. Zu ersterer Auskunft werden sich aber ^wiss viel eher die Gegner des Kaisers entschlossen haben, Hie durch seinen plötzlichen Tod allerdings auch in ihren Berechnungen getäuscht, aber doch nur angenehm getäuscht worden waren, dagegen weit schwerer diejenigen, die auf die Person des Kaisers all ihre Hoffnungen gesetzt, und denen sein rascher Hingang diese säramtlich unbarmherzig zu vernichten schien. Wenn in solchen Kreisen der Glaube an ein Fortleben und Wiederkommen dos Kaisers auftauchte und mächtig wurde, so ist das psychologisch leicht zu ver- stehen, denn auch in diesem Falle ist eben der Wunsch der Vater des Gedankens,

Diese Aufstellungen finden wir denn auch durch den historischen Tatbestand nach beiden .Seiten vollständig be- stätigt

388 YÖLTBS,

AIb itaUeniBclier Joachimh sah Saümbene ') und er aetzt in der SteDe, auf die wir uns hierbei statien, diesdbe Ansicht bei jedem Joachimiten offenbar als adbstverständlidi voraas in Friedrich 11. den in der Endentwicklung der Dinge vorgesehenen harten Bedränger der Kirche. E2r hatte diesem Kaiser eine furchtbare Rolle vorbehalten geglanbl, deren Darchfuhrang sein Tod augenscheinlich ontadbndL Nichts desto weniger schreitet er mm nicht zu der Annahme forty dass Friedrich 11. zur VoUendang seiner Aa%abe wieda> komm^i müsse, sondern er beruhigt sich bei dem emmal vorhand^ien Tatbestand and weiss die sybillische Weissagong über den Tod Friedrich's, wie bereits erwähnt wurde, sich auf ganz einfachem, natürlichem W^e auszuixen.

Dasselbe sehen wir noch viel deutlicher an folgendem Beispiel In dem kurz vor Friedrich's Tod wahrscheinlich von einem italienischen Minoriten verfassten Commentar zum Jeremias ist Friedrich 11. gleichfalls als der grosse Kirchfin- feind eine Hauptfigur des eschatologisch^i Bildes, das nun eben durch den plötzlichen Tod des Kaisers eine Störang erleidet In dem bald nach Friedrich's Tode verfassten, mit dem Jeremiasconmientar aufs engste verwandten Commentar zum Jesajas wird nun keineswegs, um das firühere Bild unver- sehrt festhalten zu können, das Fortleben und die Wieder- kimft des Kaisers posüilirt, sondern einfach am früheren Entwurf so viel verändert, als die neuen Verhältnisse es mit sich brachten.

Auf der anderen Seite zeigt der Inhalt der deutschen £[aisersage auf das deutlichste, dass sie nur Kreisen ent- stammt sein kann, die mit ihrer apokalyptischen Stinmiong eine streng ghibellinische Gesinnung verbanden, die also nicht Befürchtungen, sondern Hoffnungen an die Person des Kaisers knüpften. Niemals und nirgends findet sich die Version der Sage, dass der Kaiser fortlebe und wiederkehre;

1) A. a. 0., S. 51: „Homii cum audirem (den Tod Priedrich's) et vix potui credere. Eram enim Joachimita et credebam et expectabam et sperabam, quod adhuc Fridericus maiora mala esset facturus quaiQ illa, quae feccrat, quamvis multa fecisset/^

»

DIE SECTE VON SCHWAB I8CH-HALL. 389

weil er der Antichrist sei und die letzten Drangsale über die Kirche hereinfuhren müsse, sondern überall, wo die Sage überhaupt genauer uns entgegentritt, ist dJe Auffassung die, dass der wiederkehrende Kaiser die PfaSen vertreiben müsse, zum Heile nicht bloss des Volkes, sondern auch der Kirche, Keine Spur aber weist darauf hin, dass man unt«r den ita- lienischen Apokalyj)tikem also von Friedrich II. gedacht; mehr kann aus Salinibene, sowie aus dem Jeremias- und Jesajas-Commeutar grade das Gegenteil erwiesen werden.

Damit haben wir wohl den entscheidenden Beweis gegen den italieniscfaen Ursprung der Kaisersage gewonnen.

Musa man also von Italien absehen, so kann die Heimat der Sage nur Deutschland sein. Auf Deutschland weist schon jene Stelle SaUmbene's, für Deutschland spricht femer die Tatsache, dass die Sage stets einen deutsch- nationalen Cha- rakter trägt, auf deutschem Boden nur in ausgebildeter Ge- I stalt uns entgegentritt und hier allein eine tiefere und nach- luUtige Wirkung hat. Eine andere apokalyptische Bewegung aber als die, welche uns in jenen Haller Hectirem entgegen- tritt, lässt sich um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Deutsch- land nicht entdecken, und wenn wir daher sie zur Erklärung ^e» Ursprungs der deutschen Kaisersage heranziehen, so wird e Verglcichung beider ergeben, dasa der Inhalt der ersteren Bit den wesentlichen Zügen der letzteren völlig überein- omt.

Es genügt zn diesem Zweck die Sage in den beiden Ältesten Fassungen zu benützen.. Zum ersten Male finden -wir eine deutlichere Form derselben im Bericht des Reim- chronisten Ottokar ') über jenen falschen Friedrich, der in den Rheingegenden aufgetreten war und in Wetzlar nach Otto- kar 1276, nach andern Berichten wahrscheinlich 1285 in Gegenwart König Rudolfs verbrannt wurde. Als die Asche des Scheiterhaufens untersucht und ein kleines Bein darin gefunden worden sei, da habe es im Volk geheissen: das sei von Gottes Kraft, dass er leibhaftig noch soll bleiben

'■) Die betreffenden Stellen bei Victor Meyer, Tile Kolap !,Vr«2lar 1868), S. 84 ff.

390 VÖLTER,

und die Pfaffen vertreiben. Auch habe man sich der Worte erinnert, die er gesprochen, dass er ^ müsse die Zeit leben, die ihm Gott gegeben, die soll noch währen alle Zeit Also ein durchaus antihierarchischer, ghibellinischer Geist bildet den Grundton der deutschen Kaisersage, und es lassen sich schon in dieser kurzen Relation der Sage bei Ottokar die Gedanken und Hoffiiungen erkennen, die an eine Vertrei- bung der Pfaffen geknüpft wurden.

Wenn Friedrich II. von Gott zu diesem Werke aus- ersehen sein soll, so kann es sich dabei nicht um eine Zer- störung, sondern nur um eine Restauration der Kirche han- deln, imd wenn es, wie Ottokar zeigt, der Pöbel und das gemeine Volk ist, das diesen leidenschaftlichen Glauben hegt, so hofflt dasselbe offenbar durch seine Tat von seinen Blut- saugern und Bedrückern erlöst zu werden. Also eine kirch- Uche und sociale Reform ist's, was mit der Vertreibimg der Pfaffen verbunden gedacht wird.

Dieselben Züge, nur noch viel ausgeprägter, trägt die Sage bei Johann von Winterthur *). Nach dem Tode Lud- wig's des Bayern, als die Kaiserherrlichkeit abermals vor der hierarchischen Anmassung sich hatte beugen müssen, tritt die Kaisersagc, den Unmut und die Hofihung der Na- tion in sich zusammenfassend, aufs neue hervor.

Er wird kommen, so schildert Johann von Winterthur zum Jahre 1348 den wiedererwachten begeisterten Glauben, imser Heiland Friedrich IL, in gewaltiger Majestät imd wird die verrottete Kirche läutern und verbessern. Er wird kom- men, denn er muss kommen. Und wäre sein Leib in tau- send Stücke zerschnitten, ja wäre er zur Asche verbrannt, so wird er doch kommen: denn es ist im Rate Gottes also beschlossen und wird nicht anders sein. Wenn er das Reich wiederum hat, wird er die Tochter des armen Mannes dem reichen Mann zum Weib geben, er wird die Nonnen ver- heiraten und die Mönche zur Ehe anlialtcn, den Witwen und Waisen und allen Beraubten wird er das Ihrige wieder-

1) Job. Vitoduranus im Thcs. bist. Holv., S. 85; vgl. Mcycr, S. 85.

H DIE SECTE VON SCHWÄBISCH- II ALL. 391

erstatten und allen ihr Hecht zuteil werden lassen reich- lich und vollauf. Die Prieater aber wird er mit Bolcbum Ingrimni verfolgen, daas sie, wenn sie nichts anderes haben, mit Mißt ihre Tonsur bedecken werden, damit man sie nicht als Priester erkenne. Und diejenigen Geistlieben, welche die BatmsprUcbe wider ihn verkündet haben, zumal die Bettel- möQche, wird er vum Erdboden vurlilgen. Darnach, wenn er diea alles wird vollbracht haben, wird er mit grosser Ötreit- macbt über das Meer ziehen und auf dem Oelberg das Reich niederi^;en.

Neben dem Gedanken einer Kirchen Verbesserung sind hier besonders stark die socialen Erwartungen hervorgehoben, die mit dem Sieg Friedrich 's über die Hierarchie verknüpft gedacht werden. Einen neuen Zug enthält eigentlich nur der Sclduss, der aber durchaus kein widersprechendes Ele- ment hereinbringt, sondern dem Gemälde nur den abschliessen- den Hintergrund giebt.

In beiden Fassungen hat also die Sage wesentlich den gleichen Charakter, und wenn wir ihre Grundgedanken iierausheben und zusammenfassen, so sind es genau dieselben, die jener apokalyptischen Bewegung in Schwaben zugrunde liegen: Friedrich ist das von Gott erwählte Werkzeug, um <lie hierarchische Macht zu brechen und eine neue glückliche Zeit idealer kirchlicher und socialer Zustände herauf zufuhren. Zeitlich grenzen beide Erschein luigen ohnedies unmittelbar aneinander. Denn wenn einerseits jene apokalyptische Be- we^ng in den letzten Lebensjahren Fricdrich's II. spielte, so ist andererseits die Entstehung der Kaisersage unmittelbar nach seinem Tode anzusetzen. Bei dem Auftieten jenes lalschen Friedrich im Jahre 1283 zeigt sich der Glaube an des Kaisers Fortleben und Wiederkehr schon tief im Volke vorbreitet, und es muss darum angenommen werden, dass er nicht eben erst Platz gegriffen, sondern schon längere Zeit beständen und sich eingebürgert hat. Die oben angeführten, dem Jahre 1257 und 1259 angehörenden Nachrichten aus Italien zeigen denn auch, dass die Sage um diese Zeit bereits hierher vor- gedrungen ist

Unter diesen Umständen rauss das Hervorgehen der deut-

392 VÖLTER,

sehen Elaisersage aus jener in Schwaben herrschenden apo- kalyptischen Bewegung evident erscheinen.

Der Schluss der Sage bei Johann von Winterthur stammt, wie Riezler gezeigt hat; zweifellos aus der alten Sage vom letzten römischen Elaiser. Aber es spricht nichts dafür, das die Apokalyptiker; in deren Mitte die Kaisersage entstanden ist y durch jene überhaupt den Anstoss zu ihren fintwürfai empfangen hätten^ sondern, wie wir nachgewiesen haben, ist es die joachimitische Apokalyptik, von der sie ausgingen, imd die sie in selbständiger und eigentümlicher Weise wdter- bildeten. Jener Schluss ist daher wohl auch nicht als ein ursprünglicher Bestandteil der Sage anzusehen, sondern ist wohl nur ein späteres Anhängsel an dieselbe. Dafür spricht auch die Tatsache, dass er sich erst bei Johann von Winter thur, noch nicht aber in der älteren Relation der Eaisersage bei dem Reimchronisten Ottokar findet Wenn man die Wiederkunft Kaiser Friedrich's 11. zur Herauffuhrung der letzten glücklichen Zeit erwartete, so lag es nahe, in ihm auch den letzten E^aiser zu sehen. So mag die Erinnerung an jene alte Sage wieder wachgerufen und der Anlass ge- geben worden sein, ihre specifischen Züge an die Friedrichs- sage anzuhängen. Eine Quelle der letzteren in eigentlichem Sinne ist sie also nicht, sondern als solche haben wir nur jene apokalyptische Bewegung in Schwaben zu erkennen. Dass aus dieser die Kaisersage hervorging, lässt sich um so eher verstehen, als wir es hier nicht mit einem klei- nen abgeschlossenen Kreis von Apokaljptikem und mit Spe- culationen von rein theoretischem Wert zu tun haben, son- dern mit einer Bewegung, die praktische Ziele verfolgt und eben deshalb in weiteren Elreisen des Volkes Eingang fand und die Massen in Erregung setzte. Bezeichnend ist denn auch, dass die Sage an derselben Stätte, wo jene Sectirerei Wurzel gefasst, nämlich in Süddeutschland, vorzüglicb ihre Pflege fand ^), und dass einer der falschen Friedriche, der 1295 in Esslingen verbrannte *), hier sein Wesen trieb. In

1) Vgl. Voigt, S. 160.

«) Ueber ihn Voigt, S. 149.

DIE SECTE VON 8CHWABISCH-HALL. 393

dem Moment^ da der Tod Friedrich's 11. den Lauf; den jene apokalyptiscbe Bewegung bisher genommen hatte^ unterbrach, hat sich die Entstehung der deutschen Kaisersage vollzogen. Jene Bew^ung hatte sich so sehr mit der Person des Kai- sers verknüpft und an seinet Gestalt ihren Angelpunkt ge- ironnen^ dass ihr mit dem Hingang Friedrich's auch die eigene äussere Weiterentwicklung abgeschnitten war.

Wenn aber der Tod des Kaisers auch den äusseren Fortgang der Bew^ung aufhalten konnte , so vermochte er doch nicht den Olauben, der ihr zugrunde lag, zu zerstören. Dessen blieb man gewiss, dass die geho£R» Entwicklimg der Dinge, die man mit Friedrich's Person verbunden dachte, durch jenes Ereignis nur angeschoben, nicht au%ehoben sei. Dieser Glaube, der in der deutschen Elaisersage seinen Ausdruck gefunden, hat von Jahrhundert zu Jahrhundert, wenn auch den jedesmaligen Bedürfidssen des Zeitalters sich anpassend, 80 doch in seinen Grundgedanken sich gleichbleibend das deutsche Volk b^leitet bis an die glorreiche Schwelle der G^enwart als sein ureigenes Gut und Erbe, als Tröster und Mahner, fast möchte man sagen als ein Stück seines besseren Ich, als Glaube an sich selbst, an seine hohe Bestimmung.

Kritische Uebersichten

Aber die kircheB^eschichtlichfo Arbeite!

der letzten Jahre.

^s^^^^^^t^t^

IL

Oeschichte der Beformation in Italien.

Die Literatur der Jahre 1876 bis 1879 *)•

Von Prof. Karl Benrath in Bonn.

1. K. Benrath, lieber die Quellen der italienischen Reformations- geschichte. (Bonn 1876.) 31 S. in 8^

2. Bmesto Masi , I Burlamacchi e dl alcuni documenti intono t Renata d'Este duchcssa dl Fcrrara. Studj sulla Riforma in Italia nel secolo XVI. (Bologna 1876.) 276 S. in 8^

3. a) K. Benrath, Bemardino Ochino of Siena. A Contribution towards the History of the Reformation. Translat^d from the Gemian by Helen Zimmern. With an introduetory preface by William Arthur, A. M. (London 1876.) 304 S. in 8«. - b) Desgl. (New- York 1877.)

4. Alex. Gordon, Bemardino Tommasini (Ochino). (Theological Review, Oct. 1876, S. 532—561.)

5. Ij. Ruffet, Bemardino Ochino de Sienne. (Revue Chr^tienne 18h, S. 212-231. 282-292.)

6. CA. EEase, Prozess und Märtyrertum Pietro Camesecchi's. (Jab^ bücher für protestantische Theologie III, 1877, S. 148—188.)

7. Derselbe, Baldisara Altieri. (Ebd. S. 469—517.)

8. La Rivista Cristiana, Periodico mensile, anno IV, V, VI, VH (Firenze 1876—79.)

8a. n Sommario della Sacra Sorittura, Ti*attato del Secolo X^^ ristampato con Prefazione del Prof. Emilio Comba. (Rona*' Firenze, 1877.) Xlll und 135 S. in 8").

1) Vgl. für das Jahr 1875 die Uebersicht oben Bd. I, S. 613-^*^*^

GESCmCUTE DEK REFORMATION IN 1TAI4EN. 1870—79. 395 I

B. Dtttlogo dl Giaoopo BiocamaU OBsaneae, Neudruck i

Zeilachrift „II Seminfitore " (Rom 1877, Juiiuar, Febrnar, Märe, April). Vgl. über den Verfasaer der Schrift ebendaa., Juaiheft, Art. vou O, Cocorda.

10. Karl Benratb, Aus den Akten der römischen Inquisition (Bei- lage zur Allg. Zeitung uo. 76. 83. 88, 9G. 99. 102. 107, 126. 134. 135 des Jahrganges 1877.)

11. J.Bomiet, ProcÄa d'Antonio Bruccioli (1648—59), (Bulletin Idsto- ri<iuc et littöraire, Paris XS76, S. 3—14.)

IS. Spigolature aul regno di Carlo III Duca di Savoja, per Gau- denzio Claretta (Archivio Storico Italiauo 1876, Diap, 2 u. 3).

13. G. Oajupori, Vittoria Colonua, (Atti e Meinorie delle Deputalioni di storia patria dcll' Einilia, Nuova seric. Vol, III, Modciia I8T8. 45 S.)

14. E. Maai, Vittoriu Culunna. (La Rnsaegna Settimanale di Politica, Scienae, Letlere cd Arti, Roma 26 Gen. 1879,)

IB. A. V. Drufiel, Herzog Hercules t. Ferrara und seine Beziohungeu XU dem Kui'fdrsteu Moritz von Sachsen und zu den Jesuiten. (Mün- chen 1878, 51 S.) (Sep.-Abdruck aus den Sitzungsberichten der Münchener Akademie, Hiator. Classe 1878, IV.)

16. Doni. Berti, Di Oiovanni Valdäs e di taluni anoi diacepoli ae- coudo nuovi ilocumenti tolti dall' Archivio Veneto, [Reale Acca- demia dei Lineei, anno CCLXXV 11877—1878),) Roma 1878, Sal- ^■iucci. 24 8- in 4". '?• li. FoBBerini, II primo procesoo per la Riforma Luteraua in Pirenzi! (Arel.ivio storico italiauo, 1879, I, S. 337—345.)

^. K. Benrath , Akteu aus römiachen Archiven in Trinity College Library, Dublin (Sybel's Historische Zeitschrift N, F, Bd. V [1879], 249-262,) Dasselbe in italienischer Uebersetzung: Rivista Cristiana 1879, S. 457—464,

Auf dem 80 lange vernac-hläasigten Felde der italienisclieii Leformationsgeschichte hat »ivh in den letzten Jahren mehr Leb- alligkcit und Teilnahme gezeigt. Einheimische Oolehrte fangen , der Bewegung gröBaere Aufinorksamkeit zu acheDken und ritbcb auf diesem Gebiete das zürnende Wort Guerrazzi's zu do- [ mentiren, dass man es den Fremden überlasse, die Erinneningen f der italienischen Geschichte zu sammeln. Dies ist um so erlreu- UcbcT, da die Kräfte der einheimischen Forscher unbedingt mit antreten müsaen, und zwar in weitem Umfange, wenn es ge- lingen soll, die Wiu'zeln und Verzweigungen der Reformation in dem Italien des sechzehnten Jahrhunderts in umfastsendem Masse und zuverlässig an den Tag zu legen. Die griisse Wieb-

396

ti^^eü denrtig:er StodSen, andi in praktariier Beneimi^ wird melir und melir anerkannt Die Entwickfan^, wddie dti nationale Leben in ItaEen in den letalen sdn Jaliien ge- nonnnen hat, ruft in weiteren Kienen die Uebeneugimg wwch, da» anch im neunirfinten Jahrfanndert eine led^^ poütiadie Umwilzai^ für ein Volk nur eine Enm^enachaft ▼on sehr aweifidhafiem Werte ist, und daas es za einer dauernden and fimchdiringenden Eraeoenuig des VoIkdebeDB anch einer rdigiöeen ^medergebort bedarC Und da Hegt ja nichts nSber, als innerhalb der lüstorisdien Entwickfaing der italienischen Nation sdber aof diejenige Bewegung snrack- zngdien, welche im sechsdmten Jahrhondert die Anfinge dner religidsen Emeoemng und Verti^ang herbeigefnbit hat bis diesdbe dann fireilich nur zu bald durch die blutige Faust der Reaction in ihrer ersten Blüte geknickt worden ist Aber auch solchen Beobachtern, welchen dieser Greoichtspankt bei dem Blick auf Italiens Vergangenheit fiemer liegty empfiehlt sich aus anderen Gründen das Studium jener Bewegung, sei es auch nur in ihrem Untergange War es doch die Zeit der damaligen Reaction, welche die Beziehungen zwischen der römischen Curie und den italienischen Staaten und Fürsten so gestaltet hat, wie sie dann im grossen und ganzen dreihundert Jahre lang bestehen geblieben sind. Um zu erkennen, wie Papsttum und katholische Kirche, deren flinfluss durch den Humanismus in der Zeit der Renaissance völlig gebrochen zu sein schien, doch Schritt für Schritt das Terrain wieder erobert haben, bedarf es einer genaueren Einsichl in Wesen, Umfang und Durchführung der Gegenreformation in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts. Nach dieser Seite hin ist nun durch das italienische Ministerium Ende 1876 eine Massnahme erfolgt, die hoffentlich nicht verfehlen wird, auch die auf die Geschichte der Reformation gerichteten Stu- dien wesentlich zu fördern. Der Justizminister Mancini erliess zu der angegebenen Zeit an die Directoren der sämmtlichen Staatsarchive ein Rundschreiben, durch welches er die Auf- merksamkeit derselben auf die obige Frage lenkt und wört- lich sagt: .... „Zu den ruhmreichsten Blättern in den An- nalen Italiens muss man diejenigen zählen, welche Beispide

I

GESCHICHTE DEK REFORMATION IM ITÄUEN. 1876-7B. 397

von Bürgennut und Standhaftigkoit einzelner und ganzer Re- gierungen berichten, die es gewagt haben, sich wacker einer Macht entgegenzustellen, welche der Existenz und Unab- hängigkeit der Nation furchtbar geworden war. Aber die Documente, welche von solchen Erweisungen nationalen Le- bens zeugen, . , . liegen zum grössten Teile unbekannt da. Ich glaube den Interessen der Nation einen nicht geringen Dienst zu leisten, wenn es mir gelingen sollte, aus den ver- schiedenen Archiven der Hauptstädte eine Sammlung von bisher uuedirten und wenig bekannten derartigen Documontcn zusammenzubringen und zu veröffentlichen." Als Gegenstände, die besonders ins Auge zu fassen seien, nennt der Minister: die Beziehungen zwischen dem Hause Savoyen und der Curie, die Streitigkeiten zwischen Venedig und Paul V., den Wider- stand Neapels gegen die Einführung der Inquisition u. dgl. Für unser Gebiet würde besonders der letzte Punkt in Be- tracht konunen, und es liesse sich von einer genaueren acten- mässigen Darlegung jener volkstümhchen Bewegung in Neapel (1547) neues Licht tür die Erkenntnis der dortigen religiösen Zustände gegen die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts er- warten. Auch von dem mittlerweile begonnenen Druck von

Alarin Sanuto's Diarien dürfen wir uns wertvollen Gewinn für die Vorgeschichte unserer Periode versprechen.

In der unter No. 1 verzeichneten Antrittsrede versucht Üeierent einen UeberbUck über die Quellen zu geben, aus «lenen eine Darstellung der Geschichte der italienischen Re- i'ormaüon vornehmhch zu schöplen hat. Dieselben teilen sich in zwei Hauptgruppen : zunächst hat man sie in den Schritten und schriftlichen Zeugnissen aus dem Kreise der Vertreter der Bewegung selbst, sodann in den Documenten über die Bewegung zu suchen; bezüglich der Ilauptzeugnisse beider

-Gruppen folgen eingehendere Ausführungen ').

1) Zn Note 23, S. 37 sei hier bei^fiigt, daas das unvollstaadige

KTcneichnia der Schrifteu P. P. Vergerio's, wie Siit es giebt, iu dem

KXDL Jahrgänge des Serapcums durch £. WcHer ergänzt worden bt

pilGttlerwcile ist such das „Sommario della Sacra Scrittnra", welches

f S. 14 arwähut wird, in der italiealscheii Form vod neaem anB

liekt gebmcM worden (vgl No. 8 a).

398 KBinSCHE ÜBERSICHTEN, n. BENRATH,

Die unter No. 2 verzeichneten beiden Arbeiten von Hasi begrüssen wir als einen sowohl der Form^ als auch dem In- halte nach höchst schätzenswerten Beitrag. Freilich^ Fran- cesco Burlamacchi, der hochherzige, aber unglückliche Poli- tiker, steht nicht in direkten Beziehungen zu der religiösen Bewegung seiner Zeit, wie dies auch von Masi richtig er kannt und betont wird im Gegensatze zu Eynard. Allem die allgemeinen Betrachtungen, S. 66 ff., imd die Darstellung der Bewegung in Lucca, wie sie später zu Gbwaltmassregeln und zur Vertreibung von zahlreichen edlen Familien geföhrt hat ^), berühren unser Gebiet um so näher. Die zweite Ai- beit desselben Verfassers über Renata (oder, wie gleichzeitige Documente sie nennen, Renea) von Ferrara macht nicht den Anspmch, das Thema zu erschöpfen, sichtet aber in ge- schickter Weise das Vorhandene, stellt es klar und anspre- chend dar, ergänzt imsere Kenntnis dieser edlen Frau, ihrer Leiden und Kämpfe, durch Mitteilung von imedirtem Mate- rial, vornehmlich Auszügen aus den Berichten der herzog- lichen Gesandten am französischen Hofe, und wdst u. a. nach, dass das Zerwürfiiis zwischen ihr und ihrem Gatten Ercole U. wenigstens nicht ausschliesslich in der Verschiedenheit der religiösen Ansichten beider seinen Grund hatte *). (Vgl. unten n. 15.)

Bei dem allgemeinen Interesse, welches besonders ein hier

1) Der zweite Band des Inventario del R. Archivio di Stato in Lucca (Lucca 1876) giebt zum ersten Mal Auskunft über dieje- nigen im Archiv vorhandenen Actenstücke, welche der Tätigkeit des poffizio soprai beni degli eretici" ihre Entstehung verdanken. Dieses „offizio" wurde errichtet, nachdem das Consiglio Generale unter dem 27. September 1558 sechs zum Protestantismus übergetretene, nach Genf geflohene vornehme Luccheser als Rebellen, ihre liegenden Güter als dem Staate verfallen erklärt hatte. Die Tätigkeit dieser nenen Behörde hat 10 Jahre gedauert.

8") Auch die kleine Studie von J. Bounet: „Une Mission d'An- toine de Pons a la Cour de France (153&)'* führt uns in den evange* lisch gesinnten Kreis am Hofe von Ferrai'a und giebt zum ersten M»l einen Brief der Anne von Parthenay an ihren Gatten, sowie ein aus- führliches Schreiben Renata's an denselben aus dem Archive des Hauses Este wieder (Bulletin hist. et litt^r., Paris 1877).

V GESCHICHTE DER REPOIiMATION IN ITALIEN. 1S7n-79. 399

l>erührter Pwnkt, nämlicli die Anwesenheit Calvin's am Hofe voi^ Ferrara, erre^, mag darauf hiiigewieaen wei-den, dasB der Reformator nicht, wie Masi S. 162 angiebt, „poco dopo l'Agosto del 153Ö" sich auf den Weg nach Italien gemacht, sondern sich noch Anfang 15;J6 in Basel befunden hat wobei denn freilich, d.i er im Juli desselben Jahres, schon Burückgekohrt , jenen denkwürdigen Besuch in Genf abstat- tete, nur eine sehr kurze Zeit für den Aufenthalt in Ferrara herauskommt Das stimmt auch mit dem Nachweis Masi's, wonach die traditionelle Erzählung, welche Calvin dem von Rom zurückkehrenden Herzoge unter dem Namen Charles d'Espeville vorgestellt werden lässt, ohne Halt ist, ja den Tat- sachen widerspricht ').

Die Uebersetzung von des Refci-entcn Bemardino Ochiro von Siena" ins Englische (n, 3a und b) ist im allgemeinen genau nach dem Originale (Leipzig 1Ö75) angefertigt; an cbigen Stellen sind Verbesseningen angebracht, und der biblio- graphische Anhang ist durch Angabe einiger alten englischen Üdwrsetzungen von Schriften Ochino's ergänzt worden. Von den zahlreichen Beapreehimgen, welche das Buch in deutschen, ■tKliGniBchen , französischen und englischen Zeitschriften er- ^bren hat es sind ihrer mehr als dreissig zu meiner Kenntnis gelangt -^, glaube ich nur auf eine ausdrücklich "ufinerksam machen zu sollen, nämlich aul" die unter n. i ^■erzoichnete, welche selbständiges Studium des Gegenstandes '■lariut und auf eine wichtige Frage näher eingeht. Gordon ^Qcht nämUch in den theologischen Ansichten Ochino's aus der späteren Zeit, insbesondere bezüglich der Lehre von der l^aufe iui Catechismus" (l56l) und der vom Werk Christi '1 den „Dialogi XXX" (15G3) direkte Einflüsse vonseiten Lelio Sozini's nachzuweisen, ja er findet Spuren davon schon "n „Dialogo del Purgatorio", welcher kurz nach der Ueber-

1) Mao vgl. dazu die BemcrkuDgen *od Marc Monnier in: „Les IWi&eudes", Biblioth^quc Univeraclli; et Revue Sulssc I, November 1877, S. 343. Die obigen Arbcitea Masi'a sind auch im Archivio Storico Umbardo (1877, S. 720 ff.) ala sehr gecliegeo anerkannt worden. Vgl. Ref. Anzeige derselben in der Beilagti zur Allgem. Zeitung, 13. Oc- lober 1876.

400 KBITISCHE ÜBEBSIGHTEN. IL BEMBATE^

nähme der Züricher PfBurstelle geschrieben ist Obwohl Re- ferent den persönlichen Rinflii88 Lelio's auf Ochino nicht ak 80 durchschlagend ansieht^ wie etwa Trechsel, der in jenem eine Art von bösem Qenius seines Landsmannes erblickt, so scheint es ihm doch auch, dass gewisse Gtedankengänge dem älteren Sienesen, deren An&nge freilich tiefer und weit zurückliegen, durch den Umgang mit dem jüngeren fortent- vdckelt worden sind. Allerdings wird es, wie interessant auch eine Untersuchung hierüber für die Geschichte der soadnischen Lehrentwicklung sein mag, doch schwer üUea, hier mit dem Ansprüche auf objektive Gültigkeit positive Aufiitellungen zu geben oder unausweichliche Schlüsse zu ziehen. Uebrigens constatirt auch Gordon (S. 556), dass Ochino's Dialogi XXX von der specifisch sozinischen Bekämpfung der Trinitätslehre „keine Spur enthalten '^

N. 5 ist seinem Hauptteile nach eine Bearbeitung von des Bef. Monographie imd imifasst die Zeit bis zum Abschluss des Genfer Aufenthalts Ochino's 1545. Neu und dankens- wert sind die S. 289, Anm. 1, imd S. 291, Anm. 2 aus Genfer Acten gegebenen Nachweise über persönliche Verhältnisse Ochino's imd über die Heirat und Familie seiner ältesten Tochter, deren Namen Aurelia wir hier er£Eduren und von der wir hören, dass sie einen der Emigranten von Lucca, Lorenzo Venturini, heiratete und 1623 in Genf als Witwe mit Hinterlassung mehrerer Kinder starb.

Zwei Darstellungen aus unserem Gebiete von Carl Alfred Hase enthält Jahrgang 1877 der „Jahrbücher für protestan- tische Theologie". Der Verfasser giebt Altes imd Neues, vor- vdegend ersteres, alles aber in sehr lesbarer Form. „Prozess und Märtyrertum Pietro Camesecchi's" (n. 6) eignet sich sehr wohl zu gesonderter Bearbeitung, zumal seit durch Manzoni's dankenswerte Veröffentlichung ein so reichhaltiges Material bequem zur Hand ist. Der Verfasser hält sich dabei genau an das, was or selbst (S. I5ü) als Norm aufetellt: „Ich werde . . . nur einige neuere Mitteilungen Cantü's, welche sich auf Carnesecchi beziehen, hinzunehmen, im übrigen aber mich durchaus auf den Inhalt der Prozessacten beschrän- ken**, - und 80 bringt or deim demjenigen, welcher die

ORSCmOHTE DER REPORHATIOIT IN ITAUEK.

„Eretici d' Italia" (1866 f.) und den „Estratto del ProceBso di P- C," (1870) kennt, nichts Neues ').

Was den Inhalt der zweiten Abhandlung (n. 7) an- geht, so erhalten wir in der ersten Hälfte (S. 469 490) €äne

1) Einige Kleinigkeiten mügen hier im Vorbeigehen richtig geit«llt werden. Dr. Gibbings (nicht Gibbing, S. 149) hat nicht „einige der DobUner Originalacten beschrieben und zum Teil herauagegeben", son- dern er bat drei der dort befindlichen SchlusHurteilc wörthch mit Ueber- »etKung veröffenthcht. Cameseccbi trat nicht im Jahre 1536 in Neapel dem FreundeskreiBe, welcher sich um Juan Valdei bildete, nahe", sondern ist erat 1540 bei einem Besuche in Neapel „in das Reich Gottes eingeführt worden" wie er das später in einem Briefe an Giulia Gonzaga ausdrückt. Mit dieser letzteren verlahrt der Verfasser willkürUcb; er nennt sie rälschUch Gonzago (S. 153. 163. 164. 165. 166) und macht sie auf Kosten der Catarina Cybö zur „Herzogin von Camerini" sollheissen: Camerino , während doch GiuhaHeraogiu von Trajetto und Fondi war. Bei dieser Gelegenheit möge ea ge- stattet sein , bezüglich der Pagiah;nng des obigen, als Quelle für die ganze Periode ao wichtigen „Estratto" eine Bemerkung einfliessen zu lassen. Der Herausgeber desselben hat im Jahre 1873 dem Ref. einen Abdruck zum Geschenk gemacht, in welchem der Text mit S. 49 an- rängt und mit S. 429 endigt. Nach diesem sind die Citate in des Ref. „Bemardino Ochino" mit den Seitenzahlen versehen wordeu. Damit stimmt die Paginirung der Ausgabe Ubercin , welche Eduard Boehmer vorlag, als er seine „Bibliotheca WiSeniana" I8T4 heraus- gab. Allem verschieden davon ist die Numerirung der Seiten in dem G-esammthande Xder „Miscellaneadi Storia Patria", Turin 1870; dort beginnt der Teit des „Estratto" auf S. 193, während der ächluss auf S. 573 steht. Der Satz ist übrigens ganz übereinstimmend , so dass aar die jedesmalige Differenz von 144 bei Zählung der Seiten zu be- riicksichtigen bleibt, Die zweite Arbeit Hase's ist überschrieben: „Baldisara Altieri." Warum nicht Baldassare Altieri? Freihch ist auch schon in das ächlusaurteil von Camesecchi's Prozess eine Form „Baldissara" von Hase eitigeschruuggelt worden (S. 174), während so- wo! Maszotü als Gibbings die übliche Form darbieten. Irrt Ref. nicht, so bat der Verfasser jene Form aus Beilage I zu Meyer, lx)kamer- gCToeinde I, herübergcnommeu, während Meyer selbst, sowohl dort in der Ueberschrift, als auch mehrmals im Text die übUche Form giebt. Leider liegt die Nomenclatur auf unserem Gebiete vielfach im Argen tunaomehr Grund, nicht willkürlieh zu verfahrea! Schlimmer ist noch, dass der Verfasser trota Meyer, Gerdes, Cantö und M'Crie den Geburtsort seines Helden von Aquila im NeapoUtauischen nach Aqni- leja m Istryeu (sie! S. 492) verlegt.

ZtdUtia. f. s.-a. IV, j. 87

402 KBmSCHE ÜBERSICHTEN, ü. BEN&^T^

ansprechende Zusammenstellung von meist bekannten An- gaben über die erste Entwicklung der reformatorischen Be- wegung in Venedig. Zu dem Briefwechsel des Burkhard Schenk wird dabei aus dem Weimarer Archiv noch einiges Neue hinzugefugt, auch eine gleichzeitige deutsche üebe^ Setzung des im lateinischen Original schon durch Seckendorf bekannt gegebenen Briefes von evangelisch gesinnten in Bo- logna an Planitz '). S. 490 tritt Altieri selbst auf. £r mag woU den Briefwechsel der Brüder in Venedig mit Luther geführt haben, zu dem diese Zeitschrift (II, 1877, S. 150 ff.) inzwischen einen neuen Beitrag, nämlich die Antwort auf Luther's Brirf vom 26. Juni 1543, gebracht hat. Ich kann nicht umhin, dabei auf eins spezieller einzugehen. S. 507 heisst es: „Einen iat^- essanten Einbück in die Stimmungen und Motive, welche im Senat Venedigs in der kirchlichen Frage sich geltend mach- ten, giebt eine Sitzung desselben im Jahre 1546 über die Anerkennung des englischen protestantischen Gesandten Ar- chiew.^' Es folgt dann ein Bericht über diese Sitzung in Gbstalt einer Bearbeitimg dessen, was Cantü, Gli Eretici d'Italia III, S. 133 mitteilt. Als ich die Stelle zuerst bei Cantü las, fiel mir auf, dass jener „Archiew", der dort auch den Vornamen Baldassare trägt, als Gesandter einer „Lega tanto potente" bezeichnet wurde. Das konnte sich doch nicht auf England, sondern nur auf den Schmalkaldischen Bimd beziehen, als dessen Vertreter beim Senat freilich, wie wir schon aus Seckendorf (Hist. Luth. III, p. 614) wissen, nicht ein Eng- länder, sondern unser Baldassare Altieri bestimmt worden war. Altieri war bis dahin Sekretär des englischen Gesandten, und dieser hiess, wie sich aus dem Calendar of State papers

1) Das Bedenkeu, welches Ref. in dieser Zeitschrift (I, 469) gegen die Echtheit des angeblichen Briefes Melanchtlion's vom Jahre 1539 geltend gemacht hat, wird durch eine Anmerkung auf S. 488 zii ent- kräften gesucht. Hase meint, Melanchthon habe 1541 Contarini gegen- über „doch nur in Abrede gestellt, kein Schreiben an den Senat ge- richtet zu haben". Das entspricht nicht dem Wortlaute; denn (üe „operetta ossia epistola data fuora intitulata al Senato Veneto" ist js eben unser Brief, welche Aufschrift auch immer man ihm später ge- geben haben mag.

GESCHICHTE DER REFORMATION IK ITALIEN. 1876-7». 403

ergiebt (Henry Vin, Bd. Vll— IX, sind an mehreren Stellen Depeschen von ihm gednickt aus der Zeit zwischen dem 4. April I54ß und 16. April 1547): Edmond Harvel. Nach dessen Abgang hat Altieri selbst zwei Depeschen an den Lord Protector gerichtet (11 August und 26 August 1548, im Ga- lendar mitgeteilt), bis dann imter dem 1 1 . August 1 550 Francis Yaxley aus Venedig schreibt, Jener Doppelgänger des eng- lischen Gesandten, welcher zugleich Doppelgänger unsereB Al- tieri ist, muss daher in das Reich der Mythen verwiesen werden. Cantu hat seine Angaben aus Roinanin's, Storia dncumentata di Venezia, Bd. VI, S. 214 (F. (Ven. 1857) geschöpft und sie in seiner willkürlichen Weise zugestutzt. Hase seinerseite behandelt wiederum Cantü in willkürlicher Weise, indem er aus dem Gesandten einer „Lega tanto potente" einen „Ge- sandten eines so mächtigen Staates" macht, nnd dies ist um 90 andatlender, da bei Cantfi imd nach ihm bei Hase wenige Zeilen vorher ausdrücklich darauf hingewiesen war, dass die protestantischen deutschen Fürsten jetzt, nachdem sie neuii- undzwanzig Jahre lang ihren neuen Glauben bekannt, sich vereinigt hätten („in Lega"), um an die verschiedenen Mächte Gesandte zu schicken. Das ganze Misverständnis möchte sich darauf zurückfuhren, dass Romanin in dem von ihm benutzten Cod. DCCVII, dass. VII il, der Marciana statt „Baldassare Altieri" „Batdassare Archiew" vorfand oder irrtümlich gelesen hat. Man beachte dabei , dass bei Ro- manin erst von dem Pimktc an nach dem Manuscript citirt wird , wo der Bericht über die Verhandlungen im Sonate selbst seinen Anfang nimmt, während die beiden vorangehen- den Sätze in mehr oder minder freier Weise von ihm beige- liigt sind

Die „Rivista Cristiana" in Florenz (n, 8) hat auch in ihren letzten Jalirgängen mit Vorliebe die Geschichte der Re- fiirmation berücksichtigt In dem Jahrgang 1876, S. 49 67, hat Ref- die nahen Beziehungen Vittoria Colonna's zu der reformatürischen Bewegung und einigen ihrer hervorragend- sten Vertreter dargelegt, indem er besonders das Material in dem Auszuge von Camesecchi's Prozess benutzte. Dagegen hat der Marchcse Campnri mittlerweile (n. 13) die stetige

404 KBITIBGHB ÜBKBSGBTEir. IL BBSBATI^

Bechtgl&abigkeit der hochbegabten Frau zu retten gesadtt, wogten wiederum Masi (n. 14) begründete Emsprache e^ hebt Comba hat in demselben Jahrgange der „Brrista'' die Veröffentlichung der VerzeichniBse solcher Angeklagten dei S. Uffizio in Venedigs welche wegen der Religion eingezogen waren^ abgeschloBsen, und eine Darstellang Yon dem Ldwo des Alberigo Qentili begonnen (S. 425), dessen religiöse Std- long er bereits S. 10 ff. in einem ofienen Briefe an C. QaatA gegen des Letztem Misverständnisse und Unterschiebungen klar gestellt hatte. Daneben finden sich noch zwei belange reiche Actenstücke abgedruckt , das ^^CcmpendiMn hiqm- ,8Uorum", oder genauer gesagt, der Auszug aus demselben, welchen wir Antonio Caracciolo yerdanken, eine sehr wichtige Zusammenstellung, auf die Ranke zuerst aufineiJL- sam gemacht hat; femer der Bericht über die Beschlüsse der Synode von Chanforans oder Angrogna yom Jahre 1532, welchen Herzog bereits in den „Romanischen Wai- densem'^ mitgeteilt und Ref nochmals mit der Handschrift in Dublin coUationirt hat findlich mag noch ein Artikel des Ref erwähnt werden, welcher mit Hülfe yon Documen- ten, die er im Stadtarchiy yon Siena gesucht und gefun- den hat, der dort colportirten Behauptung entgegentritt, ab habe Ochino aus einer unehelichen Verbindung hergestammt (S. 386 ff.). Der Jahrgang 1877 der „Rivista" bringt in drei Artikeln den Abschluss der Comba'schen Studie über Albe- rigo Gentili ^) und in den vier ersten Heften den Abdruck der italienischen Ausgabe des Sommario deUa Sticra Scrü- iura", einer Schrift, welche in den Protokollen der Glaubens-

1) Durch die Bemühungen des Professors Pietro Sbarbaro ist das Gedächtnis dieses Vorgängers von Grotius auf dem Gkbiete des Völkerrechts jüngst lebhaft aufgefrischt worden. An zahlreiche Er- örterungen in der Tagespresse haben sich Veröffentlichungen in Zeit- schriften (darunter von Pierantoni im Giomale Napoletano 1875, Hft. 5. 6) angeschlossen, und in anerkennenswerter Weise ist das vor- handene Material in dem Werke von Speranza, Alberigo Gentili, Bd. I (Roma 1876) zusammengestellt und verarbeitet worden. Nicht so unbefangen wie dieser Historiker urteilt Ale ss. de Georgi, Della vita e dellc opere dl Alb. Gentili, Parma 1875,

QBBCHICHTS DER BEFÖBHÄTION IN ITALIEM. 1B18— I», 405

>roze8ee jener Zeit eine Rolle spielt und durch Boehmer lIs auf der Züricher Stadtbibliothek vorhanden nachgewiesen vorden war. Nachdem der Abdrucfe in der „Riviata" voll- indet war, ist die Schrift auch besonders erschienen mit Vor- rede von Comba (n. 8a), Es ist nicht dieses Ortes, auf die ttwas verwickelte Frage nach der Provenienz der Schrift anzugehen, über die uns Comba im dunkeln läast; es sei nur )emerkt, dass Wilhelm Möller in der Theol. Liter .-Zeilg. 1877, n. 25 zu den von dem Ref. (Feuilleton der National- ^itg., 18. Januar 1877) gegebenen Nachweiaungen über die jchickaale dieser merkwürdigen Schrift in Italien noch die -linweisung auf gewisse Anklänge hinzugefügt hat, welche iwiscben Stellen des „Sommario" und Stellen aus Schriften jutber's hervortreten. Dank dem doppelten Neudruck durch >>mba, können wir jetzt schon auf sechs verschiedene Aus- ;aben des Werkchens zuruckblieben, welche in italienischer Sprache erschienen sind, nämlich ausser den beiden Neu- Imcken die von Tiraboschi resp. Lancillotti, dann die von liederer beschriebene, eine von dem Bischof G. M. Gliberti 'eranataltete und endlich die in Zürich vorhandene Aus- übe. Von englischen Ausgaben sind mir durch die Geiällig- teit des Herrn Professor John E. B. Mayor in Cambridge der verschiedene bekannt geworden, die sich auf der dor- igen Bibliothek von St. John's College befinden. Von fran- zösischen Ausgaben habe ich schon in jenem Artikel der National- Zeitung auf eine von 1523, die im britischen Mu- leum bewahrt wird, hingewiesen, während nach einer Notiz m Bulletin de la Sociötö de l'histoire du Protestantisme fran- ^ '), eine zweite Ausgabe von 1544 bei dem Apotheker Jrilhon in Toulon confiszirt und jüngst eine dritte durch ;inen Baron Türkheim in Paris edirt worden ist (Druck 'QU J. Fick in Genf), Bezüglich der erstgenannten franzö- ischen Ausgabe, nach welcher ohne Zweifel die italienische tecension übersetzt worden ist, sei noch bemerkt, das» die >edingungBweiBe ausgesprochene Vermutung MöUer'a, die lahreszahl 1523 liesse sich auf ein tjpograpliisches Versehen

1) 15. September 1879, S. 417.

406 KKTTOCHE ÜBEBSKSTEH. IL BBÜRATH,

zuruckfiüireii, unsutüiaft ist, da die Jahreszahl nicht in M- fem, sondern in Buchstaben auf dem Titel angegeben ist wie dies auch in der sdur instructiTai Anzeige des „Sem- mario" von Dr. Düsterdieck in den Otött GreL Anzeigen (1878, Stuck vom 5. Juni) oonstadrt wird.

Im Jahrgang 1878 der ^Rivista^ teilt Bonnet, S. den in lateinischer Uebersetzung bc^neüs bekannten (in den „Opera Olympiae Moratae*^ 1580, p. 175 ff gedruckten) Biief der Olimpia Morata ^) an ihre Schwester Vittoria in der ur- sprünglichen italienischen Form mit Ebenda publizirt Ref. den Wortlaut des Urteils der römischen Inquisition gegen Mario Oaleota vom Jahre 1567 und completirt dadurch eine in den „Atti dell* Accademia di Archeologia, Lettere e belle Arti^ in Neapel erschienene Veröffentlichung Scipione Volpicella's ^). Der durch drei Helfe der „Rivista" von 1878 hindurchgehende biographische Artikel von B. Pons: „Bemardino Ochino di Siena^', ist ein Auszug aus des Ret. Monographie '). Die „InfamuUione mamiaia a Papa demente dal Vescavo Tea- Uno", welche S. 281 292 desselben Jahrganges steht, giebt dieses wichtige Actenstück zum ersten Male, aber nicht ohne Fehler wieder *). Bei der grossen Bedeutung, welche die Ver- breitung der heiligen Schrift in der Volkssprache für die re- formatorische Bew^ung im 16. Jahrhundert auch in Italien

1) Der gelehrte G. Campori hat mittlerweile iu Bd. VIII, Hft. 5 der Atti e Memorie della Regia Deputazioue di Storia Patria in Mo- dena nachgewiesen, dass der Beiname von Olimpia's Vater Moretto ", nicht ,,Morato^ gewesen sei.

*) Mario Guleota, Letterato Napoletano del Secolo X\^. Me- moria lett^i all* Accademia etc. Napoll, Stamperia della R. Universita. 1877. Dazu ApjHJudice, Atti etc. 1877.

^) Eld in Pari», Librairie Generale, 1878 erschienener sauberer Neudruck von Ochino's Dialogo del Purgatorio in der französischen Ausgab<» von 155^ enthält von S. Vli XLll eme Vie de Bemardiu t>chin von einem migeniuniten Autor und eine Reproduction des in Kupfer gestiHihenou Portniits UchinoV von De.sn.n:hers.

^"1 Si> ist u.a. S. 28*2, Z. o zu lesen „ajwstata", nicht „aix)stoli'*; in Z. 5> liat ilus Muniiscript des Britischen Museums richtig ,, trovuto '*, nicht „tnittato**; Z. .*k> muss es heisseu: », ordinario", «»tatt „oi*dine*' u. dgl

GESCHICHTE DKR RKPOKMATION IN ITALIEN. 1876-79. 407 I

[ebabt liat, wird man init Interesse von den bibliograpliischon Hach Weisungen C o m b a' b über Volgarizeatnenti delta Scrittura stampati intomo a' tempi della Ri forma", L 449 ff. und 477 ff. desselben Jahrganges Kenntnis nehmen. ■879 wurden in der „Rivista" von Artikeln, welche unsem ^enstand berühren, die folgenden gedruckt: „Poesie re- yse di Antonio Brucioli", Mitteilungen bisher unbekannter tcbtungen Brucioli's durch den Ref.; „Antonio Brucioli e jsimo de' Medici" von demselben, wo gestützt aui' Docu- inte des mediceischen Archivs in Florenz das VerbältniB i Bibel Übersetzers zu Herzog Cosimo gezeichnet wird. Ein Artikel von Comba wirft, anknüptend an Mitteilungen des Ref. und dos Pf. Murcno aus Daunou's Essai historique but la puiBsancc temporelle des Papes, die Frage auf : „Paleario ■i litmttj) maiV" ohne sie zu beantworten '). Eduard Böhmer weist (S. 249 251) die Anschuldigung auf anti- trinitajischc Meinungen zurück, welche Berti (vgl. n. 16) gegen Juan Vald<is erhoben hat. In den beiden letzten Heften (S- 457 und 497 ff.) hat Ref. die Veröffentlichung des Pro- tokollbuehes der römischen Inquisition aus den Jahren 1564 bis 1567, einer Fundgrube für Notizen über die Unterdrückung der reformatorischen Bewegung jener Zeit, begonnen.

Der „Dialogo di Giacopo Riccamati Ossanese" (n. 9) ist äusserst geschickt geführt, um den Zuhörer von dem guten Rechte der „Lutheraner" bei ihrem Vorgehen zu überzeugen. Während der Zusatz zum Titel ^) grade das Gegenteil er- warten läBst, gehngt es dem WortfUlirer Riccamati selbst,

Klber

^ des 1

) Privatmitte [langen von Herrn Boiinet setzen mich in Stand, bomerkcu, dann die NachfürGchungen, welche der Director der Pa- Arcbjve auf den Wunsch dJesca Gelehrten nach dem Originale ■on Daunou wiedergegcbenon Äutenstüekes angesteUt hat, ohne Bwult&t geblicbeu xind. Damit iet freilich die Unechtheit des Docu- tnenteB noch nicht erwiegun,

*) Diakigo . . . nd qnale ai scuoprono Ic aatutic [con] chei Lu- Aemii ü iforzano d'ingaunare le persoiie scmpüci et tirarle alla loro i via che harebbero lia tonorc Preocipi et Ma- lt) per iBtirpare de gli statt loro le pcali deUe hcresie. Coaa in hjmpi ad ogul qoulitk di persuuc nun wilo utile, ma grande- necessaria da intcudere.

408 KBinSCHE ÜBERSICHTEN. IL BENRAI^

den ah^inbigeQ Mutio so weit zu bringen, cUuw er ilun ge- stellt: . . ^mir acheinty Ihr habt mur heute so schwere und nnmiBige Irrtümer au^edeckt, dass ich mich bei dem bkMiea Gedanken daran, in welcher Finsternis ich gelebt habe^ jM Tor mir selbst schfime. . . . Nicht ohne Ghiind machen die Priester und Mönche solchen Lärm, um die Verbreitung dessen, was die Lutheraner lehren und wollen, zu verhindern und der ganzen Welt die Augen geschlossen zu halten. Wem Ihr aJso wisset, was diese lutherische Lehre ist, und wenn Dir sie geprüft habt (wie ich mit Sicherheit annehme), so bitte ich Euch, tut mir den Gh&llen und gebt mir etwas Liciit davon/' Riccamati zeigt sich bereit, ihm zu beweisen, daas in dar Tat die lutherische Lehre nur in entstellter Form Ton ihren Feinden verbreitet werde, und übergiebt ihm ein Büchlein mit den Hauptlehren, indem er ihn ermahnt, vor der Lection desselben Otott um fk'leuchtung anzuflehen und aar Vergleichimg die heilige Schrift neben sich zu l^en, um sich bei jedem Citate von der Zuverlässigkeit desselben zu über- ■eugen. Dieses Büchlein ist nun eine „Somma^^ der lutherischen Lelir€4i, von welcher der Herausgeber bisher nichts weiter als dcoi Titel mitgeteilt hat, und zu welcher der Dialogo ^' ttur die Einleitung bildet Erst wenn die „Somma^^ bekannt Muacht bt, wird ein Urteil auch über die Herkunft des ^IHak^go'^ möglich sein, da derselbe direkte Angaben darüber uicKi enthält Das Einzige, abgesehen von der vermutlich I^Hi^Uuiymen Bezeichnung des Verfassers, ist die am Schlüsse KHä^!4:U^t^ Jahreszahl 1558. Diese Angabe stimmt sehr gut ^^ Uvr Zoitlage, wie sie sich im Dialog selbst (z. B. S. 68 \jbt vk**' Au*tuhrung des Mutio) abmalt; ebenso mit der Aus- t(ihAAUW[ Kkvamati's auf S. 100: „O infelici loro" u. s. w. Vish 3Ms."lK'iut nur die italienische Provenienz des „Dialogo" 4viW4 *u *Ii*1hui: denn auf welches andere Land könnte das- Si4*^v yv^^>iu was S. 99 über das Vorgehen der „Prencipi, ,^ .,.,;! .Mr Alut uiH^istniti" in Sachen der Religion gesagt ist? .V.*-^ ^^t tiviUch nicht gefolgert werden, dass das Werk .^x^\ u st*Uv'ii ijvslruckt worden sei; wie schon J. Bonnet >v%^^•***^*^'^'^ s/ r S 109 f.) bemerkt, würde die Wachsamkeit y,. X t^i--* '** iv^*^^'*' Z^i^ j^® derartige Publication dort

GESCHICHTE DEK REFORHATION IN ITALIEN. 1B16— TS. 409

"unmöglich gemacht haben. Umsomehr drängt sich immer "wieder der Gedanke vor, dam Kiccamati ein Pseudonym, dtiAS vielleicht doch P. P. Vergerio der Verfasser und die Schrift vom Auslände her in Italien eingeführt worden sei Freilich Sndet sie sich nicht verzeichnet in der Liste von Vei^rio'e Werken bei Sist, und auch nicht in dem complctirten Ver- "^"1'"''' von Weller (Serapeum, Jahrg. 19). Noch eine Be- meitung zum Schluse. Unter dem Mutio D. (Dottore?), welcher mit Riccamati die Unterredung fuhrt, will der Heraus- geber den bekannten literarischen Kloptit'cchtcr Muzio von Cape d'Istria, den Feind Vergerio's, Ochino's und überhaupt sUer „Ketzer", sehen. Ich glaube, mit Unrecht Denn unser Uutio D. ist zwar ein guter Katholik, aber ein unbefangenes, ehrliches Gemüt; schwerhch würde der berüchtigte Ketzer- feind so haben gezeichnet werden aollen. Möchte Herr Co- corda bald in der Lage sein, die „Sorama" selbst zu ver- ÖSentlicben, und so ein wertvolles Ei^eugnia der italienischen HefonuationBliteratur wieder in seinem ganzen Umfange be- kannt machen ').

In zehn Nummern der Beilage zur Allgemeinen Zeitung in der Zeit zwischen dem 17- März und 15. Mai 1877 bat Ref. über Schriftstücke aus der Dubtiner Sammlung von In- luiütionsacten Auskunft gegeben (n. 10). Von Actcnstücken, die für unsere Periode von Belang sind, finden sich dort mitgeteilt, teils im Auszuge, teils in wiirthcher Uebersetzung, Ulmer aber mit erklärenden Austiihningen versehen ; das Ur- tel g^en Don Pompeo de' Monti (N. 76); der Prozess und Kwnigungseid des Don Nicoiao Caraccioh (N. 83); verschie- dene Urteile gegen katbohschc Priester (N. 96 und 99) ; das g^BD Mario Galeota (N. 102) und Fräi Tommaso Fabiani {N. 107) gefällte; der Prozeaa gegen Hieronymus Arcesius aus Antwerpen und Gregorio Perino aus Arezzo (N. 126); endlich dflr „Glaubensact" vom 21. September 1567 (N. 134 und 135).

Die Bedeutung der unter n. 1 1 verzeichneten Darstellung

1) Ein Exemplar von „Dialogu" nebst „Somma" befindet sich auch tai BritiBb Hnseuin. Es gehört derselben Aasgabe an.

410 KRITISCHE ÜBERSICHTEN. H. BBNBAT^

von Brucioli's Prozess, welche Jules Bonnet in dem va ihm hcniusgegebenen Bulletin der Gesellschaft ftir die sciüchte des französischen Protestautismus g^eben hat, iaor zeichnet sich selbst durch die folgende Bemerkung deB Vo" fassors : ,, Je me bome k complcter les articles de M. le pastos G. V. Pons (Kivista Cristiana 1875) par les notes qneji prisos moi-mome dans les papiers du Saint-Office au oonveBt des Frari."

Unsere Kenntnis der reformatorischen Bewegung in Sir voyen und Piemont^ die auch nach Ricotti's ^^Storia de Monaix'hia Piemontose^' und Carutti's ^^Storia della diplomaat deUa (\>rte di Äivqja" (1875) noch sehr lückenhaft bldbl, hat eine klouio IV^rcichorung erfahren durch die Mitteilung eines bisher unln^kannten Documentcs über lutherische Pre- digt eines Fni Piülavicino 1528 in Chieri (n. 12).

Die unter n. 13 und 14 verzeichneten Beiträge zur Ge- ; si*hiohte der religiösen Bewegung in unserer Periode kommeo zu eutgegengi^setzten Resultaten: der Marchese Campori glaubt die hoi*hbeg:ibte, in ihrer Zeit so hoch hervorragende Vittoria Colonna von dem Makel befreien zu müssen und bi^fivit zu haben, dass sie protestantische Neigimgen, wenn auch nur vorülHn-gi^hend, gehabt, während Emesto Masi con- statirt, dass sie sieh allenlings der Bewegung auf religiösem Gebiete bis zu einem gewissen Punkte angeschlossen hatte, ohne ihr dies irp.nid zum Vi>rwurf zu machen. Campori giebt daWi einigi^s neue, bisher imbekannte Detail, besonders über ^'ittoria*s B<vJohuiigiui zu Oolüno aus den Archiven in Mantua luid XIiHiena, darunter achtzehn bisher ungeilruckte Briefe, von ihr st^lbst zwischen 1523 imd 1546 geschrieben. Ref- hat Si^lbst (Kivista Cristiana 1;S7G, vgl. oben S. 4i>3 f.) die Fn\gi* Whandelt und betindet sich dabei ganz auf dem Ötond- punkte Masi's.

Nach der Zoiehiumir v DriiffeTs is. n. 15) wird das Bild dos Politikers Kivolo von Forntra, welcher im Gegen- siUz zu soinor liiinaliliu Konata als oiii uiilKilingtor Vertretei dor Intorossrii do> päpstlioliou Stuhlos uiul dor Koaction aul doin ivlii;ios<.'n lioMcto hiiiico>tollt zu winlon pHogt, diK'h sehi nioJitizirt wonU n müsson. LXt Dissens zwischen bilden blcibi

GESaUCHTE UEE REFORMATION IN ITALIEN. 1876-79. 411

ja bcstefaon, aber als raasagcbondes Prinzip bei Ercole's Vor- gehen erscheint nicht Bigotterie auf seiner Seite, sondern dae Interesse seiner ontikaiaerlichen Politik, und lange Zeit sieht er seiner Gemahlin ihre protestantischen Neigungen nach, bis undlich seine poUtischcn Pläne es gebieterisch fordern, dose «ich Renata wenigstens äasserlich sich den Bräuchen der katholischen Kirche anberjuemc.

Gegen eine Bemerkung Berti's in der Abhandlung über I Vald^'s (ii. 15) hat sich in der „Rivisfa Cristiana" Prof. I üduard Boehmer gewandt (s. o. S. 407). Die von Berti mitgeteilten AetenstUcke (LoiHinzo Tizzani's Geständnis vom Im, Dezember 1553 die ZuBammenstcUung der an ihn zu l^ehtondcn Fragen —■ das Ergebnis des Verhörs vom 27. und 136. October 1553 sowie die Oeständnisse dreier Gesin- I mingsgenossen und einiges andere) büden ganz interessantes ■Vuerial für die Kenntnis der i-eligiösen Bewegung in Neapel, ff Aber sie reichen weder aus, um bezüglich der dogmatischen Stellung des Valdiis und seiner sogenannten Schule bestimmte Schlüsse zu ziehen, noch sind sie in ihrer Tragweite er- kennbar, so lange genauere, an die Namen der meisten hier Clcnannten zu knüpfende Exeurse fehlen, die Herr Berti eben nicht beiliigt Es scheint mir, dass die näcliste und dring- lichste Aufgabe für unser Gebiet darin liege, betreffs des Entstehens, der Richtimg, des Umfangs und der Untei-drückung »ier religiösen Bewegung grade im Neapolitanischen das jetzt zu Gebot stehende nicht unbedeuttmde Material zu sammeln nnd zu bearbeiten Inzwischen wird mau auch solche Bei- träge wie den von Berti gelieferten mit Dank entgegcn- üeimaen.

Des verstorbenen Florentiner Bibliothekars L. Fasserini kleiner Beitrag (n. 17) ist von geringer Bedeutung, Es liaudelt sich dort um einen Girolamo Buonagrazia, welcher unter dem l'J. December 1531 vorbannt wurde, imd dessen Urteil aus •lern Outral -Staatsarchive mitgeteilt wird. Der durt erwiilmte Brief an Luther scheint verloren zu sein.

In Sybel's Historiseher Zeitschrift hat Ucl'. (vgl, n. Ifi) Aus- kunft über das Schicksal und die Bcdouttmg der Jetzt in der I.>ublincr Universitätsbibliothek vorhandenen Originalacten aus

412 KBrnSGHE ÜBERSICHTEN. IL BSNBATB^

römiflchen Archiven gegeben, von denen unter n. 10 Ph>beD verzeichnet sind. Bei dem Abdrucke der wichtigsten Doch- mente des Protokollbuches der Inquisition von 1564 bis 1567 in der ^^Rivista Cristiana'' ist dieser Artikel in italieniBcher Uebersetzung als Einleitung reproduzirt worden.

Die zusammenfassende Darstellung unserer Periode in cap. 2 4 von Leop. Witte's „Italien'' (n. 19) stützt sich vornehmlich auf M'Crie und Ranko; wobei noch einige neuere monographische Arbeiten benutzt wurden ^).

Zum Schlüsse sei hier eine in ihrer Art einzige Schöpfung erwähnt; welche für die Erforschung der Geschichte der Re- formation in Italien von grosser Bedeutung zu werden ver- spricht: die seit April 1877 in den Besitz der Stadt Florenz übergegangene und in der Nationalbibliothek jener Stadt auf- bewahrte Büchersammlung des Grafen Piero Guicciar- dini. Der ursprüngliche Zweck, welchen dieser Abkömm- ling des edlen Hauses ^ der ehrwürdige Patriarch unter den italienischen Protestanten, verfolgte, ging dahin, die Ueber- setzungen der Bibel in italienischer Sprache, wie sie seit dem 15. Jahrhundei-t bis auf unsere Tage erschienen sind, in mög- lichst grosser Vollzähligkeit zu sammeln. Indem er nun aber zu diesem Zwecke besonders während mehrfachen Aufent- haltes in der Schweiz, in Frankreich imd in England Ka- taloge und Bibliotheken durchstöberte, erweiterte sich ihm unter der Hand der Charakter der Sammlimg dadurch, daffi er auch eine Reihe von anderen seltenen und interessanten Schriften aus dem Bereiche der Reformationsgeschichte, be- sonders der italienischen, in seinen Besitz brachte. Und so hat er denn achtzehn Jahre lang, ohne jemals Mühe und Kosten zu sparen, mit dem Eifer des Bibliophilen und den reichen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Gedanken durchge- führt, alles zu sammeln, was auf die Geschichte der Refor- mation in Italien Beziehung hat, und es ist ihm gelungen, seine Bibliothek auf mehr als dreitausend Bände zu bringen. Indem nun dem literarischen Publikum der Zugang zu der-

1) Ref. hat in der AUgemeinen Zeitung (1878, N. 185) das Buch eingehender besprochen.

GBSCmGHTE DER BEFORMATION IK ITAUEN. 1876—79. 413

selben jetzt gestattet ist, so hat man damit einen firucht- bringenden Mittelpunkt für weiterreichende Studien auf un- serm Felde gewonnen ^).

0 Ein Artikel über diese Bibliothek vonT. P. Rossetti, welcher selbst die Ordnmig derselben übernommen und den Katalog ange- fertigt hatte, ist in der Vedetta Cristiana vom 1. Mai 1877, Florenz, erschienen, abgedrackt in der Rivista Cristiana 1877, S. 253 AT., wäh- rend die Freunde der italienischen Greschichte in Deutschland bereits vorher durch einen Artikel des Ref in der Kölnischen Zeitung (7. April 1877) über den Gegenstand in Kenntnis gesetzt worden waren.

Bonn, Ende 1879.

ANALEKTEN.

1.

Strassbnrger Beiträge zur Geschichte des Mar-

bnrger Religionsgesprächs.

Von

A. Erichson,

Director des theol. Stadien - Stiftes St. Wilhelm in Strassbnrg.

I.

Hedio's Itinerarium.

In den jüngst verflossenen ersten Octobertagen') waren es 350 Jahre, dass der Landgraf Philipp von Hessen das Eeligionsgespnicli zu Marbarg veranstaltete. Es wird nicht nnwillkommen sein, wenn wir bei Gelegenheit dieser Säcularerinnerung, ansser einigen Briefen B u c e r' s (die in der zweiten Abteilung folgen werden), einen noch immer ungedruckten Bericht über dasselbe veröffent- lichen, zumal, da dieser Bericht die bisher bekannten nicht nur an Umfang, sondern auch an Anschaulichkeit übertrifft. Es ist die Relation des Caspar He dio, sein Itinerarium Marpurgense. Dass man von der Existenz dieses Manuscripts schon früh Kunde hatte, beweist die Notiz D. Mayer's (bei Selneccer, De Lntberi vita, 1 687, p. 231): servat acta hujus colloquü hibliotheca argentora- tensis academiae manu Hedionis descripta. Doch so wenig wie diese Bemerkung, aufweiche nur F a b r i c i u s (Ccntifolium luthe- ranum 1728, p. 103) aufmerksam macht, scheint eine Erwähnung in Roehrich's elsässischer Reformationsgeschichte (I, 323) beachtet worden zu sein. So hat erst J. W. Baum dio Relation HedioV aus der Verborgenheit gezogen, indem er in seiner Biognraphie Ca- pito's und Bucer's einige Stellen derselben mitteilte. Die von dem gelehrten und unermüdlichen Forschor benützte Handschrift befand sich unter den Copien von Briefen und Actenstücken aus dem 16. Jahrhundert, welche ein Strassburger Pfarrer Oseas

*) Gcßcln-ieU^n im Octobcr 1879.

ERICHSON, HEDIO'S mUERARIDM. 416

Schadens im A-nfang des 17. Jahrhunderts mit grossom FleisB verfertigt halt«. Diese Si'unmlung, die aus zwei Foliübänden be- stand, wurde unter dem Titel Epistolne thenlogicae in riaso meixime sacranientaria in der Bibliotuek des protestantischen Seminara aufbewahrt. Der Bericht Uedio's würe mit den flbrigen Schätzen dieser Bibliothek im Jahr 1870 unrettbar verloren ge- gangen, wenn Baum denselben nicht fQr seinen Thesaurus cpi- sloticus lUformatorum Alsaticorum hätte abachreiben lassen. Oaa Original, welches Schadaens vor \ngen hatte, ist in keinem hiesigen Archiv auTzu finden.

Der Leser wird sofort erkennen , dass in diesem Tagebucti «in Document von grossem historischen Wert vorliegt, welches zahlreiche in den übrigen Berichten fehlende Umstände anführt, wie I. B. über die Eeise nach Marburg, den Verkehr der ßo- formatoren unter einander und mit dem Land^afen. Hinsicht- lich des theologischen Qesprachb selber tragen iHe Äufzeich- onngen Hcdio's den Charakter eines während desselben aufge- nommenen Protokolls. Wie bekannt, wollte Zwingli Notare zum Cnlloquium zagelassen sehen, damit eine actenniüssige Relation der Verhandlungen zustande käme. Allein Luther ging auf diesen Wunsch nicht ein: er wollte es selbst den Zuhörern nicht go- Btatten, Wort für Wort alles nachzuschreiben, weil er befürchtet«, solche Aufzeichnungen würden nur Stoff zu weiterem Streite dar- bieten. Nichts desto weniger war manche Feder während der Unt«rrednng tätig, wofür die iu vielen Punkten ganz auffallende Uehoreinstimmnng der verscbiedenen Berichte zeugt Offenbar beruht die Relation Hedin's auf derartigen Notizen, die er im Colloquium selbst nahm und zwar in der lateinischen Sprache, deren Gebrauch ihm das rasche Nachschreiben erleichterte. In der Eile nicht leicht übersetzbare odor besonders charakterietischs deutsche Bedensarten behielt or einfach so bei, wie or sie hOrte. Es ist nicht wahrscheinlich , dass H e d i o späterhin noch eine Beinachrift verfertigte. Dass es ihm, wie dem auch sein mag, mehr um Genauigkeit als um Eleganz und Correctheit des Stils zu tun war, das bezeugen zur Genüge die vielen unvollständigen, abgerissenen, Dichte weniger als immer klaren und grammatisch richtigen Sätze. Dieser eigentümlichen F-ntst*hungsurt des Itincrarium mag es ancb zuzuschreiben sein, dass darin ein oder der andere kleine ümstind verschwiegen bleibt, welcher dem im übrigen sehr gewissenhaften Berichterstatter sonst kaum hatte entgehen können. AiifTallend ist auch, wie rasch der Bericht ohne eigentlichen Ab- scbluss abbricht; nicht einmal die fünfzehn Marburger Artikel iinden hier Erwähnung '),

>) AIe ungi!dr[ickt wird von neueren SchriftoicUcm (Hagenbach, Oekolanipad. S. 140: Schmitt.DnsHcIigionBgcspriich itu Marburg. S. 91;

1

416 AKALEKTEN.

Itinerarium ab Argentina Marpurgum super negotio Eucba

ristiae.

Initio octobris 1529. Ex mss. D. Casp. Hedionis i).

Ulostrissimus princeps Hassiae pro bono Beipnblicaa totins dermaniae institait, nt ad ultimam diem Tbris Marpnrgi oon- venirent Lutherus et soi; Zwinglius et Oecolampadios et alil Utraque pars annuit principi.

September 1529.

8 die Septembrisy Zwinglius et Oecolampadins yenerant Jr- gentinam: satis homaniter accepti a fratribos et civibus.

Dominica ante Cmcis, qnae fait 12 Tbris, nterque coneionem habuit; Zwinglius a prandio de veritate; Oecolampadins ad ye- speram, locum ad Galatas tractavit, in Christo nora creatora» fides per dilectionem operans. Die Cmcis qnae fnit 14 7bris decreto senatns i^jonctum est Hedioni et Bucero ut abirent cnm Zwinglio et Oecolampadio.

Die 19 accinximns nos itineri. Erat a Tiguro 2koingUus et CoUinus, ülrichtis Funk Senator. A Basüea Oecciampadm et BudcHfus Frey Senator. Ab Argewtina Jacobus Sturm Senator et dao concionatores Hedio et Bucerus,

V. Bommel, Philipp der Grossmütige II, 223) eine Baseler Hand- schrift angeführt und als der ,, ausführlichste und hinsichtlich des Dia- logs genaueste Bericht'^ gepriesen. Es war uns vergönnt, mit diesem Document, von dem die Bibliothek in Cassel eine Copie besitzt, niher bekannt zu werden. Ein Blick in dasselbe genügte, um zu zeigen, dass wir hier keine neue Quelle, sondern den bekannten Bericht Bul- lin gcr's vor uns haben. Das Casseler Manuscript führt den Titel: „Historiola vom Marpurgischen Gespräch durch die fümembsten Theo- logen deutscher Nation gehalten 1529." (Mss. Hass. 109. 11 Folioseiten.) Das letzte Blatt trägt die Archivnote : Dies Autographon hat mir [näm- lich Hm. Schmincke in Cassel] H. Doct. Iselein aus Basel communidrt» welches er aus einer alten Copie hat abschreiben lassen." Diese beiden genau mit einander übereinstimmenden Handschriften, die Baseler und die Casseler, unterscheiden sich von Bullinger's Text dadurch, dass statt der schweizerischen Dialektsprache des 16. Jahrhunderts die Schreibart eine modernere ist, und dass gewisse Einzelnheiten, vielleicht aus schonender Bücksicht gegen Luther, ausgelassen, und die lateinischen und griechischen Ausdrücke vermieden sind. Ich weiss nicht, welche Gründe v. Bommel, Schmitt und Hagenbach zu der Annahme berechtigen , dass der in Frage kommende Bericht den Baseler Ratsherrn Rudolf Frey „vermutlich" zum Verfasser habe. Bullinger hat vielmehr seinen Bericht selber vcr- fasst nach den Nachrichten, die er sorgfältig gesammelt hatte.

1) lieber Hedio ist ausser der bekannten Literatur zu vergleichen die Schrift von C. Spindler, Hedion, essai biographique et litt^raire, Strasbourg 18G4 (fehlt in der 2. Aufl. der Rcal-Encykl., wo auch das Todesjahr Hedio's falsch angegeben ist: 1553 für 1552).

EBICHSON, HEDIO'S ITWERAHIUK. 417

18. Sept. '). Prima die seita hora liatten mir bk fug im Stegrciff. In Monte Concordiae, aujf Bern Kodjersberg *), pranai stt- niQs; noctu ad Hernstein ^) Tenimna, quae an est senatuG argen- tinensis; eecunda ad Hombach*); ibi Äbbas bumauiter nos ei- cepit. Tertia ad Lichtenberg^); ibi patria astronomi; qnarta ad Meisenheim, oppidum ducia Bipontini; qninta quievimua ibidem; Besta ad S. Querd ^) ciTitatem Landgravii septima ad Brecfien. Die Dominica, quae fuit ante Hicliaelia, equitaviinus nsqne ad Giessen. Feria aecnnda circa qnartam noctu venimue usquo ad Marpurg ''). Ibi princepa in arce noa bumanissime eicepit, quemqae sno nomine salutanE. Maue hoc eat feria tertia con- cionem habuit D. Oecolampadiua ex Ps. 2: „quare fremuenmt etc. etc."

Feria quarta mane concionem habuit Zuringlius- In prandio apud principem Helvetii duo senatorea et duo concionatorea; noctn bqjns diei Ärgentinensea com principe coenati , nbi princepa ipee me jiisait coucionari Gnita mensa. In coena sanctissime de multis

») 18 Bept Schreibfehler für 19. scpt., sowie oben 19 fiir 18. Prima die, nämlich der ßeiee,

*) Eocberaberg, ein der Stadt Strassbnrg gehÖrigeB ScbloBS. bei Tracbtenheim. Von dem Weg Qbei „Wachelen" (Wasselnbeim), den die Strassburger xneist vorgeech lagen, hatte der Landgraf abgeraten und den näheren Über Kochersberg und „Herflcben" (Herren stein), angezeigt, nach- dem er sich „nmb die beste Gelegenheit des Wegs erkundet und auch ein Frej sicher lebendig gelait beetelt" habe (Philipp an Buoer, 10. Sept. 1529. Mw. St. TbomaBarchiT.)

>) Feste Herrenatein, bei Neuweller, im Unterelsasa, ebenfalls im Besitz der Stadt Strassbnrg, die daselbat einen Vogt hielt. „Dabin", «chrieb der Landgraf an Bucer im Brief vom 10. Sept., „haben wir be- ■telt, das der bachgeboren fQrst her Ladwig Pfalzgrave bey Rhein . . . Miner lieb reisigen schieben euch allesambt glaitlicb annehmen and nach Biuwr NidderjjTaveschafil Cazeneinbogen bringen lassen wirdet."

*} Benedictinerabtei, jetzt Althombach, unweit ZweibrÜcIcen.

S) Amtstadt mit Schloss und Featang. Jetzt im BeeieruugBbezirk Trier, Kreis St Wendel. Der daselbst geborene Astronom kann kein an- derer sein als Johannes Lichtenberger Eremita. welcher in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts lebte und dessen pronosticatio ", Jbü 1488 an, anzählige Male aufgelegt worden igt. Lother schrieb 1527 eine Vorrede zu diesem „WeissagungsbUchlcin". Vgl. Hain, Beper- toriom bibliographicom. N. 10080 Hutteni opp. ed. Boecking, VH, 406. Friedrich, Aetrologle und Reformation (Mönchen 1B641. Die Angabe Hedio's entscheidet die unter den Gelehrten streitige Frage nach der Heimat dieses Astrononien, die also, der Behauptung Joecber'e (Ge- lebrtenleiikon) zuwider, nicht mehr im anterelsSäsiscben Dorf Lichten- berg XU mcben ist.

■) St. Goar, am Rhein, vulgo St Owehi.

'') Feria secunda. also Hontags. So wird durch Hedio Tag und Stande der Änkmift der Schweizer und Strassbnrger Theologen zuverlässig beuDgt Es war der 21. September, gegen 4 Uhr abends, wonach die ludlaaSge Angabe des 29. Septembier zu berichtigen ist. i KflUeiu. r. K.-a. IV. I. 28

418 ANALEKTEN.

disseruit princeps. Principio ut restiterit veibo, et fugarit con- oionatorsB. Et qnnmodo in jejunio circa arcem doos anales a^ittarit et posthiw comederit non sine lemorsu. Urbanm Jthegius auia scriptis hicrifecit. De negotiö Kustiroram clemeDte locutus est; doliiit i1li. itinocentoä occisos, ipse multos libersvit a murte. De Münttero egregium testimonium. Inqait etenim s6 percupere finem vitae tttlem; nam totus in^emaerit proptcr pecciita äua ad Deiim. Testimonium Domini a Prunschmiff citat, non recantasse Munlseriim nisi quod agnovit errata et petiit o Deo misericordiam. Nota consiliiim Hessii, quando Sikmgtros extiilit corain nisticis, ut easent pacatioies. Ä suis subdttis nihil male audivit. Ipse allocutus est et promieit, si gravati eeaent, H vellü relevaro. In Casscl untiquam sepem demoliti. Ibi |)ulciire disäerait, male e^nsse aediRuaDtes, et vicissim demolientes, inuin- snltis majoribns.

Rogavit me ut a Moi/ontia abierim et mirabatnr cur Argtn- linense capitnlum ') me petiiaset.

Fecia quinta ego post octavam uoncionem habui , loco 1*11011 1 Cor. 16: State in ßde, memisi scbolarum et totius negulit, nee displjcuit Gymnasio Marpurgensi ut audio.

Eadem bora PhUippus et Luthems advenenint cum suis, Mi- ronio , Justo Menio; a prandio L»f herum Oecolampadius alln- cntiis eat; itom Phäippum. Deinde Bucerus et ego utrumqu« dalutavimus. Ego Gerbdlii literae reddidi; qautj dum legeret, inquit, itt fdireibt non gniten Statten, man ^fi olfo finM, fo ftattf iit fadf 6eft baß. Ad Biicerum auteia inquit subridenB ac digito mi- nitans : tn es neqnam. Pkilijipits numeru plurali me aUoqnebatur: Valde delector videre tob, tos estis Hedio. October 1529.

Feria seita quae fult 1 Octobris, hora eeita couunissi sunt Oecolampadius et Lulkertis ex \mn parte, item FhÜippus et Zwinglius ex altera p.nrte: qiii presentc principe, in domo prin- cipiä juusi sunt amiue conferre. Noule auperiore ad?eait diu Wurtenberifensis UWichua noctu bora nona. Ex coitcessis Philippi.

Concessit verba nihil aliud posse quam si^niflcare.

Cterque conaensit upiritum S. operari Justiflcationem mokante verbo.

Qnod peccatnm originale sit morbus, quem nmnoR contrabont ex Adam geniti; quo morbo fit, ut mts noamet amemns m>gis

$l>racli nnt bei '

ElUCHSOK, HEDIU'S ITINEKABIUM. 419

Deiim. In sacramentu EuuljariEitiat) de sjiirituuH miuidu- itioue Qon ili:jsentiiint, iguod mandncnie ait eredore.

I^iiifiinis nun valt oredere ÄufirustiDO, etiämEii dicat corpns ^hriiiti oporteio esse in uno )ucu.

CoDuedit, caro non prüdi'üt quicquam, de üarnali iutellectu et JDdiüio dictum: ut sit generaÜG aeatentia.

Daliiit coi'pos in coena disuipuliä, iion ....') ingerebut se uri diäctpuiorum , sed abscuaditd modn. Zteingtius negut Istam absi^onditum moduu probari puäse ex suriptari». IViilipptts probut per verba, boi: est uurpcs meuiu. Nils dicimus petitiotium prin- cipii. PhÜippus nou f.anutidit uorpcä oportere esse in uno loco: prubat, ascendit ut üupleret i.mnia. Zwinglius dielt, corpus Christi non posse in multia locia, uon abroga ....

Hac die Doctu princeps auper conßordia itit locntus est l%i- lippo, öus 3[)tn bie Zlugeii ^mb ii l'cr gange ti *). Büdiens ad Füratenb: *) et WuTtenber^um . inquit, Ijatt mid; öet Scnffcl juni Disputirer ue. mad^t. luquit inter alia, ^e non mori capere propter iätam sen- tentium, velle tanieu so medium annum in leuto dtcumbere, ut äublatnni esset dissidium. Fürstenberg , nam astabat cervisia, robpondit, se epotaturum pocnlum. Hac die Fürstenii: retulit, hie esse artificem HIoö, ber Jiiterfngleti faciat, Bct ein« Suvt^ nier. fd^l)i^c ntaureii ^c^l »'i^i Kainadf brennet, utib nHin eine dngel)!, fo mürfft fic ron ^Ijr bei IfunÖe« ftein.

Ego liuu eodom die PhiUppiirn in itinere iillucutus suin , nt juvoret quo dissidium illnd componatur. Hespoudit, se daturuni ■iperam , qnod si omninu cunveniri nou possit, ne tarnen conten- tiones subindc gliscant. Inqnit autem Deum tmmisisse ejus modi parotis mos ut excitomur.

Bttcenis hodie , cum multu i;um Luthero contulisset, andüt landem: ia bift bcs Seuffcls, unii fo äu ein redeten iSlauben t^aß et scripturam, trudes otiam me .Satlianau, qui opinioni tuae re- pugnu, A prandio bujua diei aimul fuerunt, sed soli, Lvt/tervs, Uecolanipitdius, FliÜippus et Zteinglms. Philippus aliquoties dixit: crede mihi, mi Ztoingli, e'i poesem aententioe vestrau accodere,

') Ka feblte tiu langen^ii Wurt iti Scljailaeus' Abschritt, wubrschein- licU drctinucriptioe.

*) Kein anderer Bericht schildert iu so aDucbaulicbur Weise die Üe- nühangeu des Landgraftm, die Gemüter vereühnlich zu stiiumea.

■] Graf Wilhelm Ten FQrstcnberg, aus Ha^lach im Kiozig- tal (1492 -154H}, ein trcntr Freund der Eiifürmation , wegen seiner Be- ziehnngen zur RticLuBtadt ätrrta^liiirg von den Gegnern Graf vun Strass- linrg" genannt. Nach dem Harburger UeBpräch gab er den Obcrüuider Tbculogen dHH Geleit bia liierbe'. Vgl. itbur ihn: Iseliii, Hist n. gi'O- irraph. T^iihun; Nunduekcr's Aetenetuckc; ober seinen Anteil an der I fieT'itinatiuii In Metz und Uiugegeiiü sielje itu „Ev.-prot. Kirch L'nbdtcti " -|..LutL"den Aufaiitz: WunJeruiigLU in I.uthringen" Ittn, H. 1911

420 ÄNALEKTEN,

lubentor faciam, nihil veritus. Lutlierus tiatt gefagt: ob fdfon Tlugustin \aQit, quod corpna Chriati Don poasit esBe in multia loci»^ se tarnen non credituriim *).

Die Sabbathi quae fmt 2 octobris, conveDirnns coram prin- cipe, CanceBarius rogavit DomJDe principts, ne quis suos aSectus quaerat, aei gloriam Chriali. Et egit ^ratias pro advanto.

Lutkerus jusaoa dicere poat finem sormonis Caiicellarii inqait: fjodrgeborn» jÜTft, gnädiger Sita, non dabito bono animo factam et institutum colloquinm. Ante duos snnos denegaram, quia sciebam utrinquo satis acriptum neque sapereaaB argumenta ab aliqua parte. Meque atatniase sententiam meam, ita ot aic mon- aaruE sim usque in finem vitae meae. Neque animuB erat u)i- quid ultra acribere. Verum in comitiis Spirenaibtis , procursnte domino FhiUppo, onnui : non quod Telim eententiam mutare, quae apud me firmiaaima est, sed ut ostendam rationem fidel meae et ubi alii errent Äntequam vero initium fiat, qnaedam mibi indi- canda sunt, quae jactantnr ab Eccleaüs Turicensi, Baaäeemi. Argentinensi ; in quibua videntur errare, ai aic Bat; hoc est, de Trinitate, de peraona Cbriati. Nam dicunt qni mandncat meAm camBm, id est divinitatem ; item de peccato original!. Item noLint me, quod non recte seatiam de purgatorio. Item de jnstificatione per fidem.

Zvnnglius et Oecolampadius reapondenmt, ae recte EMitire in hujus modi; recte aemper docuisse: testari hoc libros et Ec- clesiam. Cupere tarnen ut initio ag&tur de causa Euchariatiae, propter quam convontua sit institutus : sub finem libenter de re- liquia et de toto negotio se disaeituras.

Lutherus baec admisit, aed cum protestatione, quod cum libris ietomm non concordaret, et velit hoc indicasse, bamitt man ia- Iteiin nid;l fage, (Er habe ttas IHauI nidjt boifftn aixftlfun *). Et re- citare fundamenta istorum:

1) quod per consequentiam velint evincere.

2) corpus non potest esae in duobua tocis, et argumenta de infinito corpore.

3) ratio naturae; non quaeso quomodo Christus sit Deus et bomo , et illae naturao jungi potuerint , Deus enim plas potest quam omnes cogitationes noetrae. Verbo Üei cedere oportet. Probent ipsi, hoc corpus meum, ibi non esse

■) Die ZGge, welche uns die drei letzten Abnchnitte ii a nur durch Hedio aufbewahrt *) I.et/tcrcB etienfallH nur bei Hcdio.

ERICH80N, HEDIO'S ITDJERARIUM. 421

corpus Christi. Non vnlt audire rationem; omoinu rejicit argomentA carnis: geometrica argumenta: £in tf)i« tan nit ein lljor faffen, ein lad) für ein pitger, ein fup '). Ideo petit ein be^enbi^e SerDeifung.

Oecolampadius.

ReepoDdit a argumenta Lutheri: ait cap. 6 *) oxpUcare re- liqiioa lucos. Cbriatus non ibi locoliter. Nun vult ex ratiune ?el Geometrica loqiii, sed qnia Biunmam lidai habet, loquitur ex . .') Gdei, quia Chriätua resurrexit; sentontia nostra uün nuva Mt, nec Indivina, etc.

Luttierus.

Otcolatnpadius recensuit multos loqaendi modoB in auriptura; ut ego 8UID vitis, 2. ad spiritualem mandncatiunem bortatur. 3. pa- tres nobiscum. KeHpondit, non opua multis verbis ad rem: cou- uedit multas esse uetapboras, sed ibi eüse, bau prubent. Ne io- qaantur, quod sclmus; si dicei-et demoiiutTative : Ego siun vitia, crederem quoque. Generalis vok patitnr motapbnram. Hiu est demonstratio, ergo probetm esse mi'taphora. Hoc nemo unquora Tolnit probare. Deinde quod spiritualis mandiiuatio secludat cor- pocalem, üas bos leiblii^ ef(«n foll nil fein. 3. i'.oacodit patres a parte eorum interprelari , si odmittimiia iuterpretationem. Sed qoando eo addacat, ni probaat, quod corpitci pro Bgura corporis. Tnlt ut ad rem loquantur sine ambagibus. Oecolampadius.

Beapondit, Ego vitis, etiam demoustratio est Res potest esse. Quomodo Sit?

Lutherits.

NoD negat figuras : sed vult, ut probet hie esse. Ex potitione principii; arguit quia dicit ... de spirituali manducatioDo; ergo nou ait corporalis miLuducatio. Vultis at cor mcum in boc aedi- Qcctar. Hoc est nou velle probare , binc ßdes mea solidatur quia non probatis vestra. (Tiiiirrcn ijcivalligeii (le^ tiab idj. Heim bidj. Hoc semper desideravi, qnod non probatis probanda. Oecolampadi uS-

Ita diii in seito capito ... de spiritnali manducatione , ab- (ioeet a corporali > ergo non est, dehortatur a corpurali.

^lace

') Ein Thier. obcrtändische Hnndart fnr eine Täre. Zd ergänzen: eine Kuppe, ein Kopf, d. h. dae kleinere liann nicht du grössere fassen, die HuKtic den Leili Christi nicht, ein UelieLteG Argument dvr Schweizer, welches l.Qther liier verwirft. „So ein gruaser Leib hnnt nicbt in so Ueiner Utwtia seyn" (Hj'caninB, Hist. rcrorm.).

») Namlicli des Evangelionis Joljannis.

1) Bomma (?)

*^ ANALEKTEN.

Luthcrvs. Sententia tua est, quod per spiritualem mauducationem a cor- pi>rili deterreat. Respondeo, Judaoos Capemaitas voluit docere, »L'it comedi sicut panis et caro in einer Sc^äffcl »). Quando Chri- sSttm corporaliter in paiie manduco, ift n\i humilis intellectös, ;wii beneficium spiritiis sancti, ergo non est humilis et abjecta, ;»iKi :»iblimis manducatio : quia homo potest illis verbis credere, ibi «isse corpus Christi.

Oecolampadius. Oecdampadius dicit putant fidem esse, quod Christus sit in fctte. Opinio, non fides est. Malum est nimium attribuere ele- KenUv Augustinus de doctrina christiana.

Lufherus. Rursus indicabo verba: quum de corpore loquor quod pro sobts traditur, non de humili. Si tantum cum pane agercmus, a^uc non esset humilis intellectus. Sod si acciperem ein Sixo\\ fyüm; baptizare aqua 2), non oportet advertere quid dicatur, :?otl quis: quia Deus dicit: osculetur vorbum ^). Simile de principe jubente equum befd?Iagen, humile est ein £)uffeifen, humilia sunt, ite . . . esurientes etiam humile est. Baptizate in aqua. Aqnae HOB lotionem sed Spiritui S. tribuimus. De elemento in se loqiii, concordes sumus, n>tr muröigcn nit bas Brot, sed verbum et qui öhcit» Jesjus Christus est. Sicut si princeps mittat servum eifm att|f5uK^laaen . ^a tpüxb bas eifm gcipüröigcf, bas es bcm pferb an fufi hHHi^t U^r^i9e bas <lxtn^, et alia multa facit. Quoties loqui- mur d^ corpore Christi; loquimur de corpore, quod est ad dex- ttiUtt patris, Libenter accipiemus sententiam vestram; sed quia ctH loK^ nfci^inb affertis; rogat principem ut ignoscat *). Ista ^^bu UM c^perunt: vos dicatis.

(Wwiii^miMMiius respondit et assumit simile. Huc spectat Lu- 4.14^^ ^uo<i v«rbum afferat corpus in panem.

irtxi >»K oitt s«?hwi>ynincn braten*' (Collln). Luther beschwort

vs.> u>i 5\i vlw />»in^UÄnor, dass sie ihm die Ansicht unterbreiten:

^^ ,;^ v'^t^vxti \kcrdo Kmillao ant suillae carnis instar zerrissen un<1

. \jvyiN.vs* xwh Colli n: „einen Strohlialm .Mufliehen. ex jus« u

'S ss.cv. vt^5.:*nx*»t nc' .J^ptiraro aqua, ist auch ein iiusserlich gering

V. ,„v> '.^M>vN v;x'^t achten aut das, was gesagt wird, sondern

. vn* vovs-. 's*.>v\>^vr^ Vollständiger bei Colli n: „quum Dens .... . ....,u>v >>.v»x^vm^: quum praeci])it quid. j)areat juun-

>,^ ^, ., .,,,.-nv N'.^^V '• . nihil ultra curiosi".

y, ^, . i ^.. ^ vxv>-- ^^^<> könne. Nur bei Hedio losen wir , . .. V : ^^i^'iv ^, in ourc Meinung annehmen, aber

EIHCHSON, HEDIO'S iriNEEAKriM. 433

Koupondit Luflierus bus i^ red;! Simile, priDue])s committit ein £ifiR , Ho^Hfin et ulter afQ^eret aureum. Nns äDtea didicinjas UDSum Chrieti.

Lntkcrus.

Hoc argumentum in se hnbethnc: Quia mandiicationem spiri- tualem hHl)emus, non opus corporali. Respondeo, non inquiro, an nBCossarium nee ne, nobis non commissum. Passem non bapti- zari: nee credere in Christnm. Hnitis modis se nobis dat. 1. in praodiratione. 2. in baptismo; quoties frater conaolationc egot. 4. in sacramento , toties mandncntur corpus Christi. Quia ipse jubet facere '). Si jnberet firouro comedere, facerem *). ServoB non inqnirat de Tolnntate Doraini. Oportet oculos clandere. Oeadamj'oditis.

Ubi scriptum est, ut clausis ocnlis ambnJemus in ecriptura, mi Doctor?

Ltdlienis.

Si Mntum uniiis ^) uon pr^batur quicquam, Si abstuleritis tustnm, egi) cuntentnü. Acque ista verba dixit: hoc e^t corpus meam, qui dixit in eapite sexto Jobannt». Oecolampadiiis.

Vellet ut clare in scriptura ageremus, et locitm luco conferre- mns. Ita facit Augustinus. Oecolampadius manet cum hoc, qnod dixil

Lwlherus.

Et ego manofl apud moum textom. Zwinglitis.

Praejndicium. quia non vnlt a sententia codere. Non vnlt cedere nisi locus addncatur qui probet, hoc exse Gguram corporis. Praejndicium hereticorum, Helvidii negantis solum Jesum Slinm Mariue, non probetur ox scriptura. Collatio scripturae nocesiiaria. Ktai non habeamne, hoc est Rgura corporis: liabemuä tamen quia ubducit a rorporati *). Idoo adsumus ut loca videamns et quia abdncit a corporali, oportet intueri locum. Hinc sequitur quod in coena ae non dedit corporaliter. Tandem cognoscitis, spiri-

\

1) „Codi scriptum est; accipitc etc. faciendain oninino est et creden- dom. Man mau so thun, sacpe incnlcabat" (Colün.)

*) SatiB aciens hoc rase niihi salutifcram "(Colli n). Die folgenden täAxe bis „mi Ductur?" uur bei Hedio. *

3} Ein Wort i:<t hier in Avi Feder gcbliolut.. „Ditit cciam hl mattii mensibae diaceptartnt. tarnen omaino esse inutllc." (Ghapflodiae colloqnii ad Marborgani, luitgcteilt durch Seidemanu. in dor Zeltscbr. f. bist Theol. 1874, S. 118.)

*) sc mimdneatiunc.

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. SiM m hoe conoordM, qsed

^B -anü ')■ Vetens ein ^

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_ ^M kiboit, nt e^ : mire «on-

- ^ BnngeliBta intendit, dii-

^^■lanatia rerbiB. Quomodo

_. ^ Mbt Isffit graeoe, qua

in ooelnm Tidebitia ni

tsi Aognstinoa. Tti-

y Mfcntlidi, IriMid;. Spiii-

MJM uro. De hamili in*

^"^"^^^^ fntdMn diBplicuflinDt, qmi

Kursus indicAbn >cH<i .^^^^^^^ ad bonnm jubot Deal

nuljis traditur, n»n do hc^J^^^^^ «rt^»- Tutum absst, ■(

Adbiic. non cssot biimilU fVliM^^^j^^ npngiut Orucula d>-

bitptizuro aqua *), '"**-*^^^^Jlniin» (piritua est: non

ScDtentiu tun est, qiiniY pnr-ili dctorroat, Ilospnndp n»n i-iitnodi sicut {janit^ ot tttuni coriioraliter in ]iuiiq Hud bcncDcitim spiritiiü stni' Md i»iiblimis manducuti» ibi esse corpus Ohiisti.

Occolampadius dicit pnt panc. Opinici, non liden fvL^ mcnto. Au(;ustiiiUi' do dort;

luis; quia Deus dir ■• jubentp equum bcfd ito . . . osnrientes non lotionem sod Sjum; «nnciirdes sumas, n;tt cjii; fncit, ■Tcäus Clii'istDs vfA diiÄ.jiifdjIagtii , fta n.'üiS >l:: foulet. lUörÖigc &ar niiir do (nirpore Clu tram p.itriti. Lihentr ein lofcn rcrfinnB äff. i vorba me ceperunt: .

Oci-iAnmjmdhis thcriis. i|in>d verbniii

. Bognt, nt non aegn libentsT ridit bdv

^^.«M in gntinm Doi et prin-

^^^ p^rsm. Qnod si omnino

k ^^ _d pro fivtribDS lubeantair,

^^^-.iHiB HfllTidii. Ex scrip-

^ ') ..inid wi.> ein gchwrjnr f^irli liiiT über ilk' /wJiigUiuiixJf ..'kr I,iil. Cliristi vvrf- ^ «•■«'tf"" (Wiirand). ,

'I /.ii civäiizi.11 nach 0<

l>i>iiiiiii, spiritualo est". ..tlitiiti^. l"iiK. »Ut i..a.i ni(iM< nu-ht ...li- auf ilni. n-ftlehrr n^tlirt,-

'*) Kiill lu'iiuwn: „(iBculiiiuir" liiinuhir i|uid, unwiiillrtit li.aiinii,'

^ uBumitnr. S«d lue fn, Hnndncara , dieitii tollBrt,iIriW,fIeiW,») fani Spfftl, _ ^ ibi wt

<^^^ Itqoitnr Dana, ibi n- ^^^^ai B »djicit corponlem ^M^^^ MgdiBH flde hoc coipos, ^-^ Chriiti) nnima credit

. ^^ ft •* "^ '*'''< ^ . ^■^ ^ nibnm Dei,

._ (Collin). flbrigcn BcriclitCD

•Ins 1 1 I

inlicli. .Um

(-WtMlitcr. Collin). - •^"S^lMi Collin.

•■ \ ISON; HEDIO'S rriNERARnJM. 42 5

lit corpus; si accipio corpus Christi in ulnas,

habt ^lofen, memens gutt, an bcm tfb ntt ge«

i dicitis, Deum nihil proponere incomprehen-

Virgo Maria, Remissio peccatorum, hcgusmodi

orpus meum hoc est. Semitae toae in aqois

i:i non cognoscentor '). Si vias ejus sciremns,

rohensibiliSy qui admirabilis.

Zwinglius.

ux scriptora, qnod signatum pro signo. Jezie- abradat crines, etc. ita erit Jerlm, hoc est Jerlm, Pascha jaxta analogiam, figora Jesu Christi, tiiles loeationes alibi, qnod hie etiam . . . qnia quae prohibent istom intellectum Qaupt, ber jfirfl, pt^ct B). Solenne illis prophetis, nt hac in pro- in Jesaias, Est pro significat Ergo qoia collatio iirae, nt est pro significat accipiamus. Et in hoc ^) utitnr Bhetoricis. Habet firma argumenta, si /itis Deum jubere ista ^). Cui jubet corpus suum im etc., in hoc scimus placere Deo, ut fsusiamus, 0 verbo interne, sed de extemo yerbo: et dicimus ilo Sit, quia Dens prohibuit, ut camem suam cor- viamus. Verbum aequivocamus. Probatum yerbum afferre aliquid. MeHanchton ^ concordat cum Zwing- ri.'i nihil aliud, nisi significant. Medulla verbi, bos tFert. Bogat ut Torbo adyertant: nam aequivocantur. i'ista audit, mors Christi est nostra justificatio, non dit, quia caret medulla. Verba haec in hoc tautum ificent voluntatem patris. Bejicitis nostras glos&as, Non ero vobiscum yisibiliter. Non est yerum, quod •hit Dens nobis incomprehensibilia. Quod Christus ot homo: fideli non incognitum. Spiritus sauctns in te: de Maria, quia audit yirtutem operantis Del, Sed hic^ discipuli dubium habuerunt de mandu-

obl heiaien: „quia", wie bei Cöllin. Aosspnich bat nur Hedio.

7. 20. 5, Ift , 14-16.

inemng, Miimtig.

'furoelter Sati: „si juberet Deus ista vcl ista; natu sciuiub

1 talia non jubm'' (Coli in).

ohton 0(mcoraat: coret medalla, nicht als eine Zwischen- •tlioDB an&nfasflen; Zwingli führt dessen Ansicht als eine mit .bereinstimmende an.

426 ANALEKTEN.

catione carnali : igitur de spiritiiali loquitur üt . . . ^). Ad illa verba: ubi verbum dei, manducatio est: tamen Papa illa habet. Ego credo verba credita. Christas de corporali mandncatione nihil docuit. Alind docere: aliud percipore. Haec ad intellec- tom. Etiamsi ederem, inquit LutheruSt purnm panem. Accedat Terbum ad elementum, qnod verbum. Si papista dicit. Non est sacramentum , quando verbum accedit ad elementum. ^Ilfo at verba prolata intelligantur et sciantur in fide mea. Ita sacra- mentum est ein inncrHc^e Bcbeutung, ein ^eid^en gebraucht in einer f^anblung. Ostendit quod hoc fratribus debeat dari testantibos Christum pro se mortuum. Quod ore manducetur corpus: ab lioc sermone valde admirafcur. Si ibi est, non est ad manducationem corporis sed animi. Quando conjungat disparata? Quod ego lo- quor, non convincetis vel philosophia, vel Rhetorica. Melanchtxm annuit Judaeos non intellexisse de spirituali intellectu, sl Christus respondet. Christus respondot ut eis medeatur: illi laborabant hoc morbo. Loquor igitur de intellectu spiritualis intellectos. Si aliter ufKptXoyiXnai, orgo vim facit scripturae. Verba, quac loquor, Spiritus et vita sunt. Verba id est Ijanbeln, non de verlw quod loquuntur.

Lutherus.

Vos a semita; objicitis Bhetoricam et non potestis pati quod loquor Dom Strofj. Ex leziechele et Pascha: allegoriae. Demon- strativa verba multa sunt. Deutelei nulla est. Aequivocare Yorbum , non feci sciens. Do verbo , non dicimus , nostris verbis prolatis adduci *): sed de institutione Christi dicimus; verba non nostra, sed Domiui sunt. Simile quum jussu do- mini servus pascit equos. Si ego dicerem, hoc est corpus meum , fieret corpus Lutheri , bas gel^ört an (Salgen % Facite. Hoc verbum facit, ut manus non est mea, sed manus Christi. 3d? feyn ein 75uh ober Sd^alf *). Ita etiam de baptismo : ite et baptizate: hoc opus non est meum, sed Dei. Simile, ber ^iirft, ber einen anbern fd^Iegt, ibi aüe feufte bes fürften feufte. Non per- mittimus ein pergeben gefd^meft in istis verbis. Si dixeritis monti . . etc., fiat. Non dispute, an est: sit, sed contentus sum , quia Christus dicit. Da fan ber CEeuffel nid?t für. Volo verba einge

1) apparet (?).

*) Zu ergänzen: corpus. Nicht durch diu Worte, die wir ausj<])rcclitn. konjiüt der Leib des Herrn in da« Brot, sondern Kraft der Einsetzan? Cliristi.

■^) Nur bei Hedio.

4) d. li. es kommt nicht auf nieinr Würdigkeit an. Nicht als Be- teuerung zu fassen, wie Ebrard (Das Dogma vom Abcndm. 11, 32*2) vermutet: Sonst will ich ein Schalk hcissen.

EEICnSON, nEDIO 8 ITINERAßruM.

tjabm, non in meam pnt^Rtntem, sed poteätatem etjnasionem

;i. Ad aliud nrgiimeDtum : Qnod Christus ordine dixcrit,

idit ') scopus concionis fides ; et tninen possum interim de bia-

Quod aniraa corpus mandiicel : ubi verbum Dei, ibi reqniritnr nilucatio spirituulia, quia reqairitur fides; quod non faciunt, *qmd ad meV Seiplid; feib in Hlortt. Summa iidei, es gebiiret ung anfers lieben iSoltfs ») ju glofiercn, niai r.ngat absurditas contra fidem vel articulos fidni. De beatji virgjne. Spiritus S. anperveniet. Uaria interrog^t qnomodo fa<;iani sicnt Abraham: contra spem ia »pe. Non intelligo. Eicido a fide ^). 3d? würb ju eiiicm Harren brob. Si bic trnpum facitis: cur mm in hoc, Ascendit in cocium. Adhuc rogat, quia tam inrirma fundamentit, nt cedant et dent gloriam Deo.

Zwinglius.

1. Et noH rogamns ut detis gloriam Doo et rotiuquatis pe- titionem principü; 2. ubi probetur vestrum themu, iiiquiritur. Ego diligooter colligain verba veätrü: ne aegre faratis. 3. viiitis inc abducere : ego in Loc loco sum : ex hoc non ainnin mc ab- dacero, ^hr nwrftct mir an^cr|i (tngen.

iMtlierus dicit Zwinglium invidioae Inqui. Zwinglius: an credat qnod ChrietuB voluit mederi ignoranUbus?

Lutherus: 3f|r ntoUciis übcrbcl&crn. Lutherus yos valtis judi- rme: sinitc aliua. Dunis est die sermo: loquuntur ^) de impoB- «•ibili et absnrdo. Vestrum est pnibare, inquit non meum. /".«- IJicrus. Super locum Julian. 6 quod de mandiicationc carnali.

1

iMtlivnts. Vos liabetis malam Dialocticau

ZTcinciliHs Va locoa brid;! eud; bi'n f\a\s ab.

Luthariis. HSl]inet nit ju \t\[t, bic I^alfe brcdri

bacuJu ad an-

nii^t alfo. y,v fcib in fjcflcn,

iSdjwfiö»), Chriati corpus mors, venenuni et diabolus

>) inUndit (?)

') Eine Randnotv von Oseaa ScbaihiunB' Hand ergänzt hiur:

I n\ä}\.

>) Bi inicrrogu (Collin).

') nninlicb : die Jünger Jesn. Jub. <i, 110.

<■) Dii?Be IctKtcrnn, durcli lii'dio allein aufgezeichneten Worte bcKit^lioo Hcli auf den, wiu i.utber meint, falnc!ipn Gebrauch, diu die Si-bwciBcr voll Job. 0 machten. „In (Luther) nomc wunder, diiBB er (Zwinyli) den >4iriicb rörtmgi'. diewege er wol wiisac, das crietus daselbBt nichts vom AbL-ntiual red-.', BuiiHder vom Glauben" (Osiandor).

«l Wir vi-nniwen hier die Erkifirüng, wclelic Zwingli von der Iledens-

gitb. di<' in di'iii imnM?r mehr sich erbittenden GcF^räub ihm entfahn.'n

in

428 AKALEKTBN.

est indigne manducantibiia. Mors, carcereB etc res nudae: et Ur men si accedit yerbnm, sunt salutares, inqnit Luihena.

Hora secunda: die seeunda octobris.

ZwingUus.

In postUla septuagesimae Lutheri, Caro non prodest quicqnam, Christus de se dixii Yerba Mdanchioms ^)'. Terbo mandncatnr Christus, non esu camali, non apparitione nee signo. Deinde qnia indicatur, ut a particnlari in oniyersale digreesio sit. Item qaod corpus corporaliter manducetor: yidentor nobia sermooas sine fändamento. Qoando yeteres locuti snnt, Christi corpus cibat animam, hoc de resorrectione intelligitur. Christus ascendit in coelom, tarn absurdum quam illud, hoc est corpus menm, dicit Luiherus, ut hoc intelligat, inquirit Luiherus. Tandem si di- citur yerbum , hoc est corpus menm, ibi est, utut sit is, qui pro- ferat In hoc rogat lAdherum, se intueatur, nam in hoc Papatus invehitur. Hoc non conforme huic, quod dixit Melanchion , yerba tantum significaro; aut ego non recte intelligo, ant illa qnae dicta sunt absurdissima.

Luthents.

Postilla Lutheri, Philipp. Non tractant quae ipsi scribant aut scripserint: sed ut probent Oecolampadius et ZunngUus, qaod non ibi manducetur corporale corpus. Hoc admisit^. Etiamsi fidei yestrae essem , et sentirem corpus Christi inutile, tarnen ad- huc non confutata ista verba, hoc est corpus mecum: quotquot contra nos scripserant, scripserunt quasi nos loquamur de sacra- mento sine yerbo. Non dicimus, quod corpus Christi cibat cor- pus ut alius cibus; sed tenemus corpus Christi pro cibo aeterno qui non consumitur sed qui transmittat ^) corpus nostrum. De yirtute yerboriun, yerba tantum significaut, yerbum humanum yox est, Caesar Maximilianus mortuus est Sed adjicimus quum di- citur aliquid, bie I^od; ITTajeflät *), non fit yirtute nostra, sed divina. Quando autem Deus dicit, accipite, facite, dicite yerba haec: ibi fit, ipse dixit et facta sunt. Discemamus dicere nostrum et

war und die sein Gegner bo fibel aufnahm. Was nun folgt, bis zum Schluss der Morgensitzung, nur in diesem Beriebt.

^) Die Anmcrkungv'n Melancbthon's za Job. G.

>) Was nun folgt, von hier an bis zur nächsten Rede Oecoluuipad's, berichtet Hedio mit einer Ausführlichkeit, die wir bei keinem andern finden. Coli in z. B. beschränkt seine Mitteilungen auf den Satz: „da erhub sich ein Zaugg von der Gewalt der Diener des Wortes, wie viel sie verra<>chtond".

J») verwandelt, verklärt.

*) Ein sehr mang«.'lhaftcr Text, dem sich kein klarer Sinn abgewin- nen lässt.

^^^^^" EHICHSON, REDIO'S ITTNEKARIUM. 429

JQSsionem Dei; item nou dicit, nt mali debeant boc agere: adluic bodie DeBcimus, qtiis credat vel non credat. Etiamsi Petrus <ic- cedat et velit miasare: ego nescio an credat. Dien ergo, in Cbristianitate facere sacramentum. Ibi Deus fiindat sacraman- tum, nuD in nostra aanctitate, eed in verbo suo. Ita et Anabap- tiatae et Donatistae. Baptismus eniai fnudatiir io mea fido, sed in ietia vorbis, ito et baptizate: vult autem uti ministerio nostro. Han possumuB prnhibere, ut malus eacordos faciat aacramentam. Ergo papatni nihil accadit vel dacedit, alia via aggrediendus est. l^iiippc et tu loqaare: ego vero fessua sum. Qaod hodie qnao- Bivit, quando in his duobna non ubique tropus: asceDdit in coe- Irtm et boc est corpus meum: ideo qnaesivit, an alicubi corpos in tropo accipiatuT? cum tarnen potiierat meÜDS in coelo. Coe- Imn tinim citias tropnm ferret. Assamptus est in coelnm: et Dubes sDScepit.

Zieinglius.

Abaurdum adde qaod impü agtint boc '). Lufherus.

Hoc etiam contra tob est: qnia sie nee tos baptizabimini, nee audietis verbum, nee accipietia coenam, quia nescitia probi- t»tem. Eiplicavit de Paulo noleote baptiznre '), In vorbo Dei rainifitrant pii et impü. Probat Matth. 23 de Phariaaeis '). Judas proditor est , et tarnen apostolittum habuit. Augustinus contra Donatistas ait: qiiod non probis tantnm conimitti debet, qnia ^n- damentum nostrnra situm est in verbo Dei.

Zwinglius. Aliud est, quando Pharisaei doceitt, et aliud, qnum sit qnod Christus loquitur. Ministerium praedicandi majoa est miuiaterio biptij;andi; ad miniaterium pertinent ista verba: Hoc est corpus mnm.

Luthertis. Sive SeljciBotll oBer SaframcnUDorlt accipias, verba iata manent: Hoc est corpufi maum.

Oecolampadius. Vt bodie locutua aum de C cap. .Toliannis, ita nou sum ad- hoc satiatus. Oecolampadius bc^crt mau fod nit frcccnllid; ciuhtut^ H[Bn in 6i* fi^rifft *), Adducit autem Inciim -loh. 3 do Nicodemo.

1

I) das« die Ungläubigen etwas Heitigra verricbtcn. ») IKor. I, 14—16,

») „in cathedra MobIb scdcnt" (Cnlliii, Wignnd), «) Nur bei Hrdio.

430 ANALEKTEN.

Lutherus.

Beete dictum ab Oecolampadio , qaod nihil adjiciendan. Oportet autem probare , quod nos aliquid adjecerimus. Nam in boc traben iptr ung mttt 6cm ^apft gereufft. Quare autem Christos hoc fecerit, inquirat qoi velit. Multa hnjnsmodi sunt: at con- fiteamur nobis mutuo, ut exerceamur in verbo.

Oecolampadius.

Argumentum Oecolamp : Non convenit, ut spem nostram de resurrectione mortuorum trahamus ad panem.

LutJier:

Bespondit Luthe: quod hoc non faciant. Nam fides spectat hoc praesens corpus, et quod in coelo est.

Oeco:

Lutherus semper idem inculcat: quasi nos panem habeamos sine verbo Dei. Ecclesia fundata est in hoc, Tu es filius Del yiventis, non in hoc, hoc est corpus.

Luth.

Vos offendit, quia semper istis verbis haereo, hoc est corpus meum, non fit temere. Mihi satis hoc est: vos vestra probate. Ego fateor in coelo: fateor enim in sacramento. Lutherus villi Ulis haerere, quod in coelo et quod in Coena sit Christus: non curat quod contra naturam sit, modo non sit contra fidem.

Oecol. Per omnia nobis similis factus est Christus: ut consubstan- tialis patri in divinitate, ita nobis in bumanitate. In hoc con- cordes, quod fatetur praesentem Christum: et sicut in coelo, ita et in Coena.

Luther :

Concedit esse in Baptismo, coena, praedicatione , usque ad consummationem seculi usque venit. Donec veniat; vos distin- guitis humanitatem, divinitatem; hoc non ego curo. Pauperes non ^) semper habebitis. Hoc Optimum argumentum quod vos adduxistis hodie. Substantialiter ut natus est e virgine, est in sacramento '). Non vult se intromittere , ut sit in coelo et ut

*) Bandnote von Seh adäus: „non, debet omitti". Man ergänze den Satz nach Matth. 26, 11. Die Anführung dieses Ausspruches Jesu: „Ilu habt mich nicht allzeit bei euch", nennt Luther das beste Argunieut seiner Gegner. Argumentum hoc unicum iutcr praedicta videtur specien aliquam habere" (Wigand).

2) Durch die oft wörtliche üoburcinstiinniung unseres Berichtes mit demjenigen Collin's, die namentlich an dieser Stelle (dunec vt^uiut in sacramento) aut'fullend ist, wird die Vermutung uns nahe gelegt, dasj

EBICHSON, nKDIO'S ITlNEltARnM. 431

in pane. Dicit bic esse perfeotissimam analogiam fidei; quia hie ßdes est reruro non apparentium. Et quia ibi permicisiu eat Me non scmper liabcbitis, üyil&miQ, pauperos viaibillter: ilJis lavatis pedes, me non semper habebitis. Probat ex simili. Uaoc verbn qtiae locutus sunt vobis quando vobiacam eram. An Chriti- tns ab bumanitate ud divinitawm attraxerit. Et nos ') dici- muti, quod non cognoäcamus Cliristum secundum carnem: quix etiäm iu sacrameuto secandum spiritum cognoscimus. Nisi aiü ncva creatnra, tn cognoscis Christum secundum camem. Non carnalitor, dicebat Piälippus*): id est non Becundum nuatram carnem.

Oecolamp.

Tandem diiit Oecolampadius, non udmittitis tropum et facitis Bjnecdochen ; et contra inteneutum Cutboliuürum noTum »ensum invehitis. 'Datumb.

Lulkerus.

Hoc judicet Dens. Non cogimiis; committimus Deo. S;nec- dothe: SdfiDerbt, fd/eiöt; Kaiibt, Bier, 2I!fe eingcfagic reb, Öos ift mein £eib. Corpus in pane, sicut gladiuä in vagina. lila Ggunt iu DSQ est et teitus urget. Metaphora rem omnino tollit: c-orpiis, id est, Agura uorporis: synecdoche non facit. Propter sophistaa ajBecdocIie udmittitar. Soper quem videris spiritnm desueiidentem, Tidit coliunbum, in qua erat upiritus S. Vestra Ügura tollit nur- leiiin et relinquit testes, bas ifi ba. unö in item ips. Nolla similia Mynecdoclie, sicut Laec, hoc est corpus menm. Luthcrus D. Pfii- lippo, atitmoitet '^d/ b^b midi mäb gemafd^cn. Sequiliir Ztohi'jlius.

Dicta sunt quaedam de Ctiristi corpore iii coelo; sed non satis. Quos praescivit, praeordinavit conformes fleri iniaginis, ßOm. 6, alibi ad Philipp. Giinanivit se ipsiim forma servi sumpta {ti/i^fjoTi. Phüipptts ridet.) Hobr. 2 "). Neoesso fuit in omniboa assimilari fratribus excepto pcccato. Hebr. 4. Ergo habet fini- tam LiiinaDitat«m. Sictit terrcnus Adam, ita et terreni *]. Zvmg-

^

die beiden toiteiiiander befrcuttilcteu Oberländer, abends buch dem Gc- «prach oder in den freien Zwiachenstanden , sowie anf der genicinachnft- licbcn Heimieise, das, was sie nutirt liutten. verglichen , das eine dorcb iJoti andere ergänzend.

i) Worte Oecolamjiad's (Coli in).

>} Melanchtbon hat nur dies eiazi);e Wi>rt in das Hanptgcspräcli vodi 3. und 3. October geiuisclit. obgleidi ihn Luther mehrmaLi auf- furderte, an Keiner Stelle zu reden: ein Umstand, den Hcdio allein er-

a) Rom. 8, 29. Phil. 2. fi ff. Hehr. 2. 17 : 4. 15. MeUnchthon lächelte Wohl Über die Aussprache Zwingli. als dieser diese Stellen Torlos (nur bei Hodiu).

*) IKor. 15, 47.

432 ANALEKTEN.

Uus dicit se cnn dimisaurum ita sennooes. Bespondit ad amiiu. Cui dicit Christi corpus aursam eese et debere esse in uno loco: iU laqDitur ÄugiistinuB. Nilii) novi adfert. ÄngnstinoB Fal^entios. Luiherus edidit Christi corpus ubique esne; ergo infiaituiD (|ai<i- dam. Concladit Zwinglius, Christi corpus esse i& nno loco, nee poase in multis locis.

Liüharua.

Cum patribua inveniemuB, quod jactatur. DicJtis pro TeArs parte, nos pro nostra. Ad dict& Fnuli, per omnia similiG: ibi dixit LtUhems, ergo ooulos nigros, uxorem etc. '). Non mit Mathematicnm Bimilitudinem adoase. Scripsi in libro mM de Hathemnticis similitudinibus: vob legistiB, sed non intelleii^i^ ' Jam non rnlt diaputare de MatJiematica , qnia ego non posGum praescribere. TJt in coelo nt in terra, ne inyestigemiia. Non est , in coenu Domini, ut in loco. Vultis arguero ab accidentibus bl ' Bbm; *) haec argumentatio vitiosa est, iuquit, Bcripturam mitt *«i Ijat Ijerjuljeritigen, mitt urlaub, dicit Luthertts. ZunngKus.

Addacit locoB. Luiherus inquit, lefet Seulfdr obn latein, mt gciediifd). Zwinglius eicusavit se, qaod graeco Testamente usvf Sit. Niun 12 annis usus eo, et Bemel tantum legerit Testamon- tum littiuum '). /lop^^ apud Philipp: utrobique. Christuü «et Bnitus , ut DOS finiti sumus. Concedit Lutherus. Nota simil» Docti Lutheri de Nuce unb ooii bti Sd^l. Ita de corpore ChriBÜ, Dens potest servare, quod corpus non sit in loco, qaod sit in loco, et non in loco.

Dotninica, 3. die Octobris, ante prandiitm. Zutinglius exorsus est. Ut corpus Christi finitum est; ergv in certo loco.

Luiherus. Dixi, quod posBÜ esse in loco et non [in] loco. Dens potflsl etiam meum corpus ponore , nt non sit in loco. lu hoc teito nolla Hathematica potest esse *). Locus quid est in Mathematico. j

') „Er infitit auch in teutscbem Land gewohnt haben wie i (Brent*).

1) flubfltantiam (?)

3) Luther scheint die griechiecbc Ananpracht^ des Schweizen nicbi gut Teratanden zn haben. Das grieohiBche Nene Teetament. denen Bct Zwingli bediente, war von seiner eigenen Hund geschrieben. Der t*"*' Teil deewiben, die Episteln amfa^send, befindet sich noch auf der richer Bibliothek.

*) ,,TernnntFt, |ihiloBophia und matlicmatica gehören hierher ntt (Osiuideri

ERICH80N, HEDIO S ITINEHAiUUM.

Sophistae'), quod unum corpus possit oase in multiB locis: hoc non Tult negare. Quia ego sum, ut metior ojos potostatem? Machinu mondi uon est in loco.

Zmnglim. Dicit Lutherum argnere a posse od esse. Quod respondet de loco, boc oti»m de adverbio loci. Quando Zwinglius petit, ut Litthervs probet CorpnB Christi posso esse in multis locis, uiducit verbs illa, hoc eat corpus meoni. Locus Fulguiitü legi- tur *), quod corpus Christi sit in uno loco.

Objicit Luthcro quae scripserit. l) es tf) olles ooU Seib Cljri^i. 2) Si divinitas otiam non passa in Christo, fo mli{fe es fein £[)rtfius nid^t fein.

Luthertts. Bespondet ad locom Fulgentü: quod probet contra Uanichaeos veritatem corporis Christi. Et ipse legit Fulgontium de coen» Domini. Non vuU improbare, quod doctoros loquantur: dicit au- tem hie Fulgentiom nihil loqui de coena. Defectua eat, quod patres loqunntur in uno loco, et omittuot in alio. Zwinglius. Dicit factum ease quod ex Fulgentio citat, non est igaotnm. Offertnr autem, id est, memoria oblationia. Loquuntur sicut Au- gustinus ad Bonifacium interpretatnr. Metonymia, ein Hai^nen- ntnt. Cras est aacensio *).

Lutherus. Dicit noD esse probationes, sed eiaggerationes. Ärguis nos de petitione priucipit; et tu petis principium. Nota non vult oblatdonem pro memoria oblatiouis iiccipeie. Ztcingtius dolet, qood tantum acripserit. Dicit Osiunder, quid si patres errasaent dicendo oblationem. Ad locum Äugustini dicit, sicut ad Fnlgen- tiiun: et adducit loca in oppoaitnm: et concedit nobis noatrum bcum.

Regula Lvtheri: Quando patrea bquuntur, accipiantnr juita Uoonem scripturae. Quod si videntur contra scribere , adjuventur ^Dssa, ve) rejiciantur.

Oportet esse In uno loco. Hoc Augustini ei collatione re- jicit, Tel inteipretatur. Concedit qaod non est in sacramento, tioqnam in loco.

I) Zq ergänüeii: dicnnt.

>) Ueber den Gebrauch der Kirchenväter Oslander: „dorQbei h5- nten wir ine echier den ganntzen tag zd bis 37 ea snecheten, lasen nnd Terteatscbteo, vrelliches gar tannkweylig za hören war".

>) „Hodie asceiiBio est domini, cum tarnen non ascensio, aed tantnm ueeDdoDis memoria est" (Wigand).

zatuki. t. K.-o. IV, s. 89

434 ANALEKTEN.

Oecolampadius hinc colligit, Ergo non est hie corponli-

ter, awiAartxüig, vere , leiblid^, id est corporaliter, mit iDarliaffttgem £eib.

Dominica, 3 die Octöb: a prandio.

OeccHamp.

Bepetiit corpus Christi non esse in sacramento ut in loco. Oeco- lampadius quaerit sine contentione, quomodo ihi sit corpus.

Lutherttö.

Nos initio scripturam accepimns: haec nihil contra nos: Adde patres, neque illi contra nos. Yos autem tantum duos, Augos- tinum et Fulgentium hahetis: reliqui contra yos sunt Lutherus nescit Doctorem qui nos concordet^ quando nullus vidit nostra. Miramur autem quid de loco disceptemus : quia conclusum et a tota Christianitate acceptum, ut Deus extra loco gerere possii Hoc petit, ut media sumamus, quihus concordemus, ne in populo seditio fiat, et ut tollatur hoc pessimum dissidium. Loci de Trinitate. De signis factis per angelos, per homines. JAähems adducit locum ex Augustino: 3<^ ^^^ unferen f^errgott gefe^n. Id quod dicunt homines propter verha, Hoc est corpus meum. Lu- therus, Admittit ut vocetur Sacramentum sacrae rei signnm: con- cedit sancta symhola esse: et sie, ut amplius aliquid significent, et inteilectui repraesentent. Puerile est, si quis dicat, videndo panem. Dominum vidi: oportet ergo erigere intellectnm. Qui autem purum Signum esse dicit, hoc grave est mihi admittere. Aliud de signis nostratibus et de signis a Deo institutis.

Oecolamp.

Adducit locos aliquot ex Augustino de doctrina Christiana, item contra Manichaeos : simul applicans, anima est sanguis, petra erat Christus '). Oecolampadiics concedit, non tantum Signum esse, sed ibi per fidem esse verum corpus.

Lutherus dicit, juvenem fnisse Augustinum cum scriberet contra Manichaeos, et non habuisse certum textum. Anima est sanguis. Bursum dicit, sicut hodie, oportet doctores Christo subjicere.

Oecolampadius dicit non retractasse. Oecolampadius Sefet fein Sad? in Epilogum.

Lutherus respondit: quia non potest sententiae nostrae accedere Oecolampadius. üt vos non flectit textus noster, ita nos vestrae expositiones. Vult in fide sua manere, nee potest cedere. Com- mittit nos Deo et judicio ejus. Agit gratias quia diligenter sna

1) 8 Mos. 17, 11. IKor. 10, 4. 2 Mos. 17, 6.

BBicrasoK, HEDio's mKESABan. 4:10

nierit, noa .... sed amice. Agit et gratias Zann^io, qni 1 acerbbr ftierit et petit ut igntwcat acerba in se si dixit; Koniem et sanguiDem se fatetni. Vu]t ut üanssa committatar Inntao.

Oeeolampadiys ^letit ut Kccleäiae afflictae respectus habetur; hoc orat per Deum. Zicinfflius rogat Ltitherum ut ignoscat acerbitati: et dich se percupivisee semper amicitiam et adhuc petere. Feie flens bor dicebat: nee esse in Italia vel Gallia *iro8, qnos lib«ntiiis Teilet Tidere.

£f fagt andi inlltenis, Silttt <Sott ut reaipiscatia.

Beapondit Oecolamp : Et tob orat« : aeque enim indigetis '),

Ibst/uiec Slurmius in conventii itu exorstis est:

^odl^tb. j. iSnati. fj. QuandoquiJem Lutherus ioitjo collft- qnii qnaedam diiit, quae in injuriam cLvitatia Argenlincnsis sorripi po£sent, nempe nun rect« praedicari de Trinitate apud eos etc., quodsi tacerem et ex hoc colloquio quidam non pnrgatum arri- perent: ergo cum Benatus decreto, cum duobas coDciunatoribuB hnc mlaena reportarem pro und orrore duos. Idcirco rogo, domi- natio vestra annuat ut M. Suceriis diluat et respondeat ad ob- jecto.

Ibi post parvam deliberationem datum est Bucero nt lo- queretur. Dixit autem in summa sententiam noatram de Trinitat«, de Christo, de Jnstificatione, de Baptismo etc. Et hisco dictis petüt a Doct: Luthero testimonium, qnod ille dare rennit, fere in ista verba dicens: Nihil ego moror ut tob Ärgentinae docea- tis: nolo vester praeceptor esse: habetis scripta et confesBionam

Sub haec Sucerus rogavit, an »eilet frater esse, vel an pu* tatet errare, nt emendarot. Hoc abnuit') committens dos judicio im. Haec acta sunt tertia die mensiü Octobris.

Quarla die Octohris. Mane privatim colloquium cum Brentio et Osiandro habuit Bucerus , an res concordari possit? Interea ego ad Xut/tertm

1) Die zwei letzteren Sätze, sowie din Worte Luther's; „Zwingli solle ihm verzeihen, wenn er in irgend Etwas zd heftig gewesen; er avi aber auch PleiBcb und Bluf. at^hen nur bei Hedio. Wie natürlich, wird nun ferner auch Über das, was sich auf die Stadt Strassbnrg and die gegen dieselbe von Seiten Luther's erhobenen Anklagen besieht, lun Bua- fQ&Uchsten durch den straasbargiscben Gesandten berichtet.

*) Hierauf folgten die. nach dem Bericht Osiander'a, apeciell an die Strassborger gerichteten Worte: „60 reyniet sich unser gayst und euer gaj'st nicht znsBnimen, sonder ist offenbar, da&s wir nicht ainerla; gajst haben, u. s, w." Vgl. auch Luther in seineiu Urief un Jakob Probst.

AKALEKTEN.

Tocabar, cnm qtio de multia dissemi saper causa Eucfaahstiae »1 ' concordiae. Buceri, ZwingUi et Oecolampadii mentio incidit Obiter inter alia, dissidiam Orientaiium et Occidentalinm apod | EuBebium et qnomodo Eucbaristiam sibi transmiBiasent mtitao. Respondit rem hanc esse longe majorem ').

Post haec etiam cum Phüippo collofjuium babui, qui prae sc ferebat couatumm se ut res concurdaretiir. Eodem die pransm cum eia. Aderat Luifiems, Oslander, Jonas, Phüippus, Brtn- tius, Frid. Mi/coniua et praefecfus Xsnaci. In mensa Luihena üibum bonediiit, rdent ") pauperes , itiill «iitem Kutfdjtn Patei nnftt: item gratias siroiliter.

Cum dicitur in Pater noster, sauctificetur nomen tuum, inquit, ias unfci ZCamt für Qiaufcnl Ceufel ocrbampl merbe. Optabant Be- dionem fuisae Witeber^ae aliquundin. Varia cultoquia; de emditds. quis eruditissimus in istis comitiis.

Phüippus de Platoue et philosophis, Lulkerus satis hilahs de puerorum BÜnplicitate dissemit. tucidit meutio Eccii et Erasmi. Z/utherus putabat desperatumm in morte , quia peccatum etun easet abrupturnm. Ä prandie higus diei moi Furstenb: accee* Bit, de quo citabatur Justificari bomtnem ex flde, noD operibus. Quaedam similia addacta: ber <{) ein ftiner Mann, I>er aa% ^Ikct obbcedien madjen (ann ^).

1) Diese Unterredung Luther's mit Hedio teilt Msteivr allein mit *) respondent. Diese Panperes waren „atme Schüler", welebe bd den Mahlzeiten der Vornehmen um die Tiflclie hemmstanden , die GeMt hetHagien oder sangen und nachher anch gespeist wurden.

S) Das Wort Abbrechen bedeutet in der altdeutschen Sprache (Gej- 1er von Eaisersberg, Bröeamlinl, 95b) eine Lieh tschere, LicbtpnUc^ zum Abbrechen des Dochla. lo seinen Deutschen Sinichwärten) (1539. Nr. 749) sagtAgricoU über diese Eedensart: „Das Wort ist fein hnrtg nnd meisterlich geredet, wie wol dunckel" (was gewiss höchst eeltsuo ist). Das Dntzend Erklärnngeu '', die sodann angefflhrt werden, Teml nur ZQ deutlich, wie gross die Verlegenheit des Anslegent war. Eiat- lein (Die SprichwSrter nnd Sinnreden) iat nicht besser daran. Ade Holländer, einem weichen Holz. Lichtpntzen machen, ist kein Leicbto. Hat nicht anch der Landgraf ein äasserat schwieriges Werk u indem er streitige Tbi^logen zu versöhnen suchte?

J

k

KAWERAÜ, BIÜEFE ZUM ANTIKOMISTISCnEN STREIT. D. 437

Briefe und Urkunden zur Geschiebte des anti- nomistischen Streites.

Hitget«ilt Ton Pfarrer G. KaweraD in Idemzi^ bei Zütlicban. Zweite Abteilungi).

Kr. 20. Johann Agricola an Kurfürst Joachim II.

27. Äuguet 1540. (Cod. Erlang. 1665, fol. 82f,]

DüTchlenchtigster hocbgeborner Cburfurst. E. Cburf. g. sind toein annoT gehoraamb vad vntertbenigste Dieoste allezeit znuom. Gnedigster her, nach deme icb aoss E. Cbnrf. g. erftirderunge bieber zu E. Cburf. g. bin kommen , bit icb gantz Tndertbenig- lich, E. Cbnrf. g. walten mir gnedigsten Hadt in meim anliegen nittbeilen, rnd belt sich kurtzlich also.

Icb bin dnrch etzlicbe leatbe, denen zuftiedt nicbt lieb ist, in den Ehrwirdigen vnd bocbgeiarteo D. Doct^rera Marttnum der- maasen getragen, dass er verursacht viel bosess von mir zu sagen vnd auBsznficb reiben. Kan In auch desto leicbter entschuldiget wissen. Sintemal er denselbigen lenbben gentzlicb glauben geben liat. Nu findet sicbs, Gott sei gebbet, wie die bandelunge an ihr selbst nach der lange mit bringet, dass mir in etziichen stucken zuviel geschehen sei. Alas nemblich, dass ich keinen Cate- cbismum nocb kein gesetze in der Kircben zu lehren gestadten eolte. Sondern boI erleubet haben eim Jetzlicben frei offendt- lichen zu sundigen vnd allen mnetwiUen zuuben.

Den waas den andern Articuln vom Gesetze, wie eea febrticb an [ohne] dass Euangelinn gelehret wirt, belanget, sage vnd be- kenne icb itzuodt wie zuuor in Disputacionibus zu Wittenberg vnd in der Scbrifft an die Pfarber vnd Prediger der herachaft Manss- feldt [27. Jan. 1540. Pörstemftnn.N. Urk.-B., 8.315] auch bft- kandt ist worden, das icb ihm zuviel gethan habe vnd bin von D. D. Uartino Lntbero einss andere und bcGsem beriebt worden, vnd •ril solcbes zu ewigen Zeiten bekandt haben, auch hinfurt wieder

438 ANALEKTEN.

[weder] lehren noch treiben. Eonte ich nun bei D. D. Martino erheben, dass er oder andere Yon seinetwegen, wie sie den meiness erachtenss zn thun schuldig, in einer Schrift clerhch aossdrucken, Man hatte mich mit den geschwinden Articuln, wie oben angezeigt, nicht gemeint, vnd wnrden deren Nahmen, so ge- meinet sein sollen, deutlich gemacht, so wolt ich dess zufrieden sein vnd gantz vnd gahr vergessen, vnd D. D. Martinum in aller Demnet bitten, wehre von mir im Articuln vom Gesetz, darzu ich mich bekenne, zuuiel geschehen, Er wolte es mir vmb Gottess willen Vorzeichen vnd meiner mehr besserunge gewertig sein. Den er ist ja der Man, durch den vns Got auss der Finsteninss in dass licht gebracht hat, dass ist einmal wahr.

Sonst ohne dass können £. Churf. g. nach hohem vorstände erachten, dass ich wille [weder] solle noch könne noch wolle, solche beschwerunge auf mir vnd meinen kindem ruhen lassen. Den weil mein Nähme allein auf dem Papier stehet, so mness die Regula Dialecticorum wahr sein, Omne analogen stat pro soo significato famosiore. Item Omnis sermo est intelligendus secundom materiam subiectam. Wie mir viel gelerte vnd andere Leuthe, die ich, wu ess von nöthen, zu nennen weiss, solchess nicht anderss deuten noch deuten [denken?] können, wie ihr schreiben an mich mitbringet. So habe ich noch zwone SchrifPt, eine ad omnes oruditos Europae, die andere ad totam Germaniam ^), wue solche meine Dehmut vnd friedliche suchunge (das ich doch nicht gerne wolte) solte voracht werden, darinne ich meiner hohen Noturft nach mich muste gegen Jcdermenniglichen entschuldigen.

Hierumb wil ich E. Churf. g. als meinen gnedigsten hem in aller vntertbonigkeit gebethen haben, dass wo E. Churf. g. hierinne mittein vnd Radt wissen, wie sie den ohn Zweifel wissen werden, So solle E. Churf. g. meiner zugleich vnd rechte mochtig sein, vnd wilss nach meinem högston vormugen gantz gevliessen sein vmb E. Churf. g. zu vordienen. Got vorleihe E. Churf. g. sterckc in seinem heiligen wort zuuorfaren, zu fordorunge göttlicher ehre vnd zu aufnehmen der reinen lehre in der Christenheit. Befehle mich hiemit E. Churf. g. vnd E. Churf. g. Gottess gnude. Datum Berlin Freitag nach Bartholomei. E. Churf. g.

Vndorthenigster

willigster .lohau Agricola Eisslcbon.

1) Vgl. Abteil. I, Nr. 14 u. 15.

KAWEKAU, BWEFE ZUM ANTINO MIHTISCnEN STREIT. D, 430

i Nr. 21.

I Phil. Melanchthon an Joachim II.

i 7. Sept. 1540 *).

I [Cod. Erlang. ICOÖ, fol. SSt f.]

' Gottea Gnade durch unsern Hemi Jesnm Cbristum znvor.

ircbleucbtigster , hochgebomer, guädig^ter Cbnrfürst und Herr,

i habe Magiatro Jobanni Etasleben warlich treuer guter Meinung

ratheo, er sullte zufrieden eein und Doct. Martinum Luther nicht

rklagen, habe tbia auch ürsach nieiues Bedenkens angezeigt.

ist leider viel beschwerlicher Ärgernias u. unfreundJichea illena zwischen Begcnten n. GelahrteD diese» Theila, dasa ich ; erschrecke, und ist daran wohl zu sehen, wie grosse n. sorg- he Anfcchtnnge die Christenheit haben muss, wie allezeit lli- irien anzeigen. E. Churf. On. wiäson sich ohne Zweifel auuh

erinnern, dass ich gesaget *) : so ich mich von Wittenberg be- ben, hatte es nicht gefeilet, es hätten etzliche Leute Crezänh gerichtet zwischen D. Martin« und mir, welches zu vemieidon ch E. Citurf. dn. fQrstlich n. christlich gerathen. Dieweil nun

Eislebon weg ist, wollte ich herzlich gerne setiio Sachon dahin :bten, das» wir nicht an einander wuchsen. Dieweil er aber Sger ist und will eine Kevocation von Doct. Martino haben, t wol zu acliten, dass er die nicht erhalten wird, d weiss darauf nicht zn arbeiten. Ich wollte auch, dass E. Ch. I. ordentlich die ganze Sache wüsaten, wie sich alles zugetragen, ichten auch ihm [an] Doct. Martino, mir n. Andern unser Herz gen Eisleben sehen, ich hoffte, E. Ch. Gd. würden Eisleben oh ratheii, dass er zufrieden wäre u. erregto nicht mehr Ge- ])(. S. Paulus spricht IThetiS. 5 [v. 13} wir sollen die Lehrer der denn andere u. sehr fürtrefflich lieben und mit ihnen friedlich n. Darumb ich und Eisleben billig auch Doct. Martini schonen Jen, wenn wir gleich bei weilen angetastet sind. Nu habe ich te Hoffnung gehabt, so Mag. Eisleben ans dem Arrest nicht cogen wäre , die Sache wäre bald zu gutem End bracht. Ich loige aber, so er ausbleibet, es werde zn Gegenschriften kommen d zn weiter Vorbitterunge andere Personen darein geraenget, 3 Eislebeu itzundt in seinen Schriften in gemein hie die Theo-

1) Diea iflt der Brief, denFöra temann, N. Urk,-B., S. 345, ab nicht hr vorhanden rcglstrirCc. Ich bemerke , dmta ich diesen und die ihfolgenden deuteclicn Drisfe in modernerer Schreibweise mitteile. Es Ite mir bei Btnntsitng dcx Erlanger Codex an Müsse, um von aämml' tea Nnmnium diplumutisch genaue Cupiun za ncbmen. Es vrird das bl nur ein geringer Mangel sein, da es sich um Ätisclirift«n handelt.

in der SchreibweiBB dentUch den Stempel einer späteren Zeit an sieb gen. *) VenuQtlichbeiseinemBesacb in Berlin: Schmidt, Melancbth.aSöT.

440 AKALEKTEN.

logen angreift, die solches in Wahrheit nicht umh ihn Terseholdsi haben. Wenn ich nn wtLBste, wie dieser Sachen weiter m rsünn wäre, wollte ich gern mein einfältig Bedenken anzeigen. Und bitte EL GL Gn. wollen selbst aus ffirstiicher Tugend auf solche Wege gedenken, die nicht weiter Zwietracht nnd Gez&nk bringea. So th&t Mag. Eisleben aach daran bequemer , dass er nicht n solchem Gez&nk der An&iger würde. EL Gh. Gn. in ünterthänig- heit zu dienen bin ich allezeit willig. Gott bewahre K Gh. Gn. Datum Wittemberg 7. Septemb. 1540.

EL Gh. Gn.

unterth&niger Philippufl Melanchton. Dem Durchleuchtigsten u. s. w.

Nr. 22.

Johann Agricola an Phil. Melanchthon.

17. Sept. 1540 0. [Cod. Erlang. 1665, fol. 107b.]

Glarissimo viro, D. Philippe Melanchthoni , domino et amico 8U0. S. d. Nunc demum intelligo vere a Salomone rege diel, , Facies hominis facies leonis'. Neque enim desunt ezempla, saepe ad unum conspectum atque colloquium hominum capitaliter dissi- dentium gravissimas atque periculosissimas causas cum bona gratia finitas atque compositas esse. Ego a vobis contemptus in medio vestrum versatus, ad nullum honorem Scholae Vuitebergensis, etiamsi ad me maxime tum ridere (redire?) eum oportuerat, ad- missus et ad nulla sodalitia yestra vocatus, coactus sum credere, quod Yos omnes me summe odissetis. Effecit etiam hoc silentium intor nos, ut vos suspicaremini me multa astute et hostiliter cum cogitare tum conari, quorum neutrum verum esse res ipsa nunc testatur.

Kxhilaravit me tuum scriptum ad Electorem Brandenburgensem, Dominum menm clementissimum, in quo cupis ab omnibus hominibns conspici posso D. Lutheri et tuam erga Islebium voluntatem. Profoctus sum ogo, cum adliuc esscnt caniculae dies neque tum rerum soriarum quicquam agerotur in Consistorio ^), ad illustrissimum

1) Dieser Brief wurde gleichzeitig mit dem bei Förstern, a. a. 0., S. 345, mitgeteilten Schreiben Joachim's an Melanchthon gesendet. Bei letzterem ist das Datum irrig angegeben ; es ist gleichfalls vom 17., nicht vom 18. September.

2) Diese Stelle ist Zeugnis dafür, dass Agricola bis zu seiner Flucht aus Wittenberg, trotz des gegen ihn eingeleiteten gerichtliclien Verfahrens,

KAWESAD, DRIEPE ZUM ARTINÖHIHTISCHEN STREIT, ü. 441

'rincipem Electorem Braadenbnrg'eiiaem , saepeaumeTo ab ejus dlfiitudine praeter meritniu meum invitatus, et ecce., in hone Bqae dient nie retinet non dimiBstirus , oisi bene aedato hoc omeetico dissidio. Mora est tnolesta mihi, sed quid facias? 'erstladet enim sibi optimus et püssitnus PrincepB, omnino fore t ejus Celsitudmi tribaatnr beneficium constitutae intei uoa pacie. :go in ea re nihil patiar in me defore, nt tandem ex hac causa ommode aliqnando exeatur.

Tu es ipse optima» testis me numqnam pugnaase in toto hoc legotio. Dispntavi publice. Dixi coram toto auditorio me ageie ^atias Deo, quod de illo interno officio Logis reperim rectins lentire.

Eitat praeterea ejus rei testimonium a te in meam gratiam scriptum editnm typisqae stanneis excusum '). Et tarnen ea rea mir&bUi qnadam metamorphosi aubitide excitavit novas Tragoedias. Pioinde ei animo quaero concoidiam et accipio qnod datia in Scripte Luc transmissD ') , quod si antea de boc acripto factus faissem certior, jam diu ad oscula pedum Lutheri me dedisaem. Fac itaque, nt ailjuves optimi Principis cünatus in le minima mala. Hoc etit exemplum Ecdesia dignom, ut de praeteritia sanciamuB aftyTjtnlay.

Beliqua coram. Num statim ubi cognovero vestram super ea K Toinntatem , ad tos Tecnrram äagitaboqne , etiam importune, ilimisaionem a Principe Electore. Bene vale, vir clariaaime. Sexto P^iat Exaltationem Cmcis. Ei Grimnitio ') M. D. XL. T. dd. Isleben.

"n den Sitzungen des Wittenb. CoDHUtorinniH teil gcnoinraen hat. Ueber "^e Stellnsg im Canaiat^inDm vgl. Mejer Id Zeitschr. f. Kirchenrecht >8T6, 8. 49f. Krafft. Briefe ond Docnmentc, S. SO. Snmmei's S«iidaehr. der Tischreden, Mscr. Dread. A. 180. 4". Bl. 2««: „Princeps 't Elector pÜM. tarn infioitaa matrimunii et lieentiae casus vidcns, or- ^Üwrit et coQstitatt consiBtorinm, qul [ao] CBOsaB iodic&rent et detenui- ^«rait Scilicet D. Jnstum Jonani. D. Chtliannm Goldstain, D. BBsilium ■t H. Eissleben " {laut freundlicher llitteilnng des sei. D. Seideinann] = ^hr. FBretem.-Bind. IV, 85. Binds. CoU. lat. II, 375.

>) Eine sehr beachtenswerte Andeutung; denn wo hat damals Mc- landithon in einer Druckschrift sich fflr Agricola irgendwie engagirt? Die Worte weisen auf eine Dmchschrift , in welcher Agricola üßentlich bekkDDte, dass er „de illo interno officio Legis" jetzt za richtigerer Erkenntnis gekommen sei, die aber nicht von ihm selbst, sondern von Helanchthon ihm zn Liebe verfasst worden sei. Förstcmann a. a. 0., 8.326. Esiatdasdie vonKordes. Agrieola'sSchriften. I8l7iS.2G9-275, «bgedrnckte Schrift „De dnplici legis discrimiue 1539'': vgl. K5stlin U, 468.

>) Er meint eine Abschrift des Gntacbtens vom 8, Juni 1540, Pörstemann S, 334; siehe Nr. 24, S. 443.

s) Das beliebte Jagdrevier der branden bnrgiscben Kurfürsten. Leu-

J

442 ANALEKTEN.

Nr. 23.

Phil. Melanchthon an Joh. Agricola.

1. Octob. 1540 0- [Cod. Erlang. 1665, fol. 109»>.]

Clarissimo viro, D. Joanni Agricolae Islebiensi, amico veteri. S. d. Quod suspicatus es te in odio esse apud nostitM» profecto erras. Adfirmare enim non solum de meo animo possra sed etiam de Luther! yoluntate, qui toties de te, de oonjoge ioa Lonestissima et liberis amantissime locutas est. Sed est illim qnaedam Achillea vehementia in causis, qnas agit, quam in non solas expertus es. Itaque cum non dnbitarem tibi placatnm fot% etiainsi impetus Uli initio fuissont acres, semper foi bortator, ut accusationem omitteres, ac nnnc nt abjicias hortor. Scripsi ad illustriss: Principem Marchionem Electorem, quid mihi ad eju litoras responderit D. Lutherus, et ostendi meam epistolam scriptam, quam ita mitti jussit. Deliberaris igitur, quid faciendom putes. Ego quidem judico te prudenter facturum, si te ex hac contentione evolvas, quod quomodo fieri posse arbitrer, in epistola ad Prin- cipem significavi. Fortasse de mea fide et animo dubitas, sed Yore adfirmare possum me fidoli animo haec scribere. Et judico hoc consilinm non inhonestum fore. In Tragoedia inqnit ille de Herculo: ,Paulisper obsequendo iratum viceris.' Hoc consiliom nee impium nee inutile tibi esse doxi. Et scis me non rudern esse similium plagarum, in quibus dissimulandis censoi publicae tranquillitatis babendani esse rationem. Haec scripsi amicissimo animo ^) ot scio tibi bono volle alios. Ideo facüius te expedies ex hoc nogotio.

Bene vale. Calendis Octobris 1540.

Philippus Melanthon.

Nr. 24.

Joh. Agricola an die Sachs. Commissarien.

c. 4. Oct. 1540. [Cod. Erlang. 1665, fol, 97b f] Meine willige Dienste zuvor. Ernveste gestrenge hochgelahrte achtbare besondere Herren u. Freunde. Nachdem sich eine

tinger op. ed. Küster 1, 190. 191 erzählt von Joachim II. Venatoria nohihssima Grimnicense, Schonbecccnse, Copenicense, Netzlingcnse, Rustorpianuiu, Custrincnsc, Postanii)ianuiu , Zossanum .... frequontibus venationunJ exercitiis . . providobat, ne agricultura turbarotur. 1542 vcröffcntlichU Agricola vier Predigten, die er in der Adventszoit 1541 „jtzt zu Scböni" beck, jtzt zur Grynmitz" „in der jagt" gehaltcm hatte.

1) Dies ist das Ikgleitijchreibon zu dem von Förstemann, S. 346, mitgeteilten Schreiben ^lelanchthon's an Joachim II.

^) Im Codex steht dafür das unsinnige Wort connio.

BKIEFK ZUM ASTINOHISTISCHEN STEBIT. IL 443

ihCD dem hochgelahrten, achtbarn Ern Marüno Schrift Doctur, und mir etzliche Gebrechen, die r eacb als Chorf. Commissarien zu VerliOr kommen, und ich lägers Stand gehalten, u. big daher unentächieden angestanden id nicht liebers gesehen, denn dass dieselben verglichen bei- leget, du ichfi an mir nie erwinden lassen, habe ich endlichen dacht, wie eigentlich ') es eei, dasä die Lehrer UottcB Vfoita n einander stehen und nicht einander vielmehr treulich helfen d beistehen sollen. Weil ich mich denn zu dem durchlench- nsten hüchgebomen Fürsten u. Ilerni Joitchini Markgrafen zu undenburg n. ChurfQrsten etc., meinem gnädigsten Herrn , be- ben, dazu mich die Noth gezwungen, weil ich des Orts zu ittenborg heine gewisse Beanldunge noch sonderlichen Zugang, .von ich mich, Weib und Kinder in die Länge aufhalten sollen, habt, u. S. Ch. Gn. der friedliebende ChurfUrst mir so viel iwegen gemilcht, dass ich meine erhobene Klage gegen gedachten ■B Doctor Martinum fallen lassen sollte, da S. Ch. Gn. mir audi ipei der Antwort, so die Theologen zu Wittenberg iHr Doctoren artinum schriftlichen vor euch einbracht *), die mir bishero vor- dtfln blieben, angezeigt, daraus ich so viel ersehen, dass, wo b die hievoT gowusst, mich vurlfingst znfrieden gesetzt. Weil ich ?iin eine Zeit lang anch ein Prediger Gottes Wort^ gewesen u. ülch Ämpt zu Ausbreitnnge des heiligen Worts u. Beaserunge er Christlichen Kirchen auf den Beruf, so ich vom hochgedachten leinem gnädigsten Herrn, dum ChurfOrsten zu Brandenburg, ei- tngt, nicht unterlassen kann, u. über das Gott von uns allen rdert, dass einer gegen dem andern ein treu cbristüch Herz tben, n. ob ihm was wiederwürtiges begegnet, verzeihen 1, will ich demnach Gott, dem allmilclitigen Gott, zu Gehorsam seiner heiligen christl. Kirche zu raehrer Befriedung auch isbreitnng des göttl. Wortes willen, auch auf Unterhandelnng Batfa mehr hnchgedachten m. gn. Herrn obgemeldte meine läge wider Doctoren Martinuin hiomit, am bestftn- I vor euch thun soll oder map, ganz und gar fallen auch alles Widerwillen u. lieden, so sich daraus zu- tragen, vergessen, u. Ductorem Martinum als meinen Herrn n. itor erkennen, ihm Ehre und Willen nach meinem Vorstände d Vermögen erzeigen, u. von dem Gesetze Gottes der Witten-

■) Vielleicht ist zu lesen; ergerlich.

*) Gemeint ist das Schreiben der Wittenb. Theolupen Jon.iB, Cni- er und Bogenhagcn vom 8. Jnni 1540, FßrBtemanu a. b 0., 8.334. dieaem war ja so viel zn Gunsttin Agricola's elng«rämut, dnss I.ntber «einer Scbrilt wider die Antinonivr niandies nicht ilirect als ADfloge m Agricota gemeint, üondem nur „eine Folge geiriuclit" habe. Auc^h die Schrift nicht nur gegen Agricola, eondum auch gegen Antinomer Löneborg und Poiumem gerichtet gewesen.

444 ANALBKTEN

bergischen Kirchen gleicbmftasig wider die Antliiomer lehrea. Habe aüch vor, an die Kirche m Eisleben die rechte wahre Meiniag ?on Gottes Gesetz auf die Weise, wie so Wittenberg uid it» Gott LobI anch im ChurfQrstentamb zu Brandenburg daron geldoi n. geprediget wird, zu schreiben und zu bekennen ^). Bitte enfifa, meine besondere Herrn und Freunde, wollet dies mein Schreibet und Entbieten an mehrgedacbten Em Doctorem Mariinnm ge- langen u. gute Vorftger sem, dass er den Handel seineetheüi auch also von Herzen, wie ich allbereit gethan, wollte m Bube stellen, u. mich vor seinen Discipuln erkennen, auch mich« meia Weib u. Kinder ihm wollte lassen befohlen sein und wie er forbin viel gethan, dass ich ihm dankbar, nochmals befördern. Desgleicbeii bitte ich auch, wollet mich bei meinem gnädigsten Heim den Churf&rsten zu Sachsen Torbitten, dass S. Ch. Gn^ was in dieser Handlung vorgelaufen, mir zu keinen Ungnaden rechnen senden allezeit mein gnädigster Herr sein u. bleiben wollen. Das bin ich williges Fleisses umb euch zu verdienen willig. Datum *). Den Ernvesten gestrengen hochgelahrten achtbam Em Bnrcbart von Aglen ') Bitter und Landvoigt zu Sachsen , Gregorien Brock und Benedicten ^) der Rechte Doctorn zu Wittenberg, meinen besondem Herrn und Freunden.

Nr. 25.

Joachim II. an HIeron. Schürf u. Bl. Sindringer.

4. Oct. 1540. [Cod. Erlang. 1665, fol. 111.] Hochgelahrte liebe Käthe und Getreuen. Nachdem Ihr auf unser voriges Schreiben ^) in Sachen zwischen D. Martine and

1) Vgl. Johann Agricola's Bekenntnis vom Gesetze Gottes, 9. De- cctnbcr 1540 bei Forste mann, S. 349.

s) Das Datum fehlt im Codex, der wohl ans Agricola's Concept sdne Abschrift erhalten hat. Aber in den nachfolgenden Briefen Joachim's Nr. 25 und 27 vom 4. October finden wir dieses Schreiben erwähnt Da es offenbar erst aus Anlass der Briefe Melanchthon's vom 1. October verfasst ist, so muss es am 3. oder 4. October geschrieben sein.

3) So im Codex; es ist aber nur ein wunderliches Versehen des Ab- schreibers, dem der Name „Bernhard von Mylen'* wohl unbekannt war, dass er ihn in dieser Weise corrumpiren konnte. Das Schreiben vom 5. October bezeichnet unsem Brief ausdrücklicli als an „Bernhardt von Mila" gerichtet.

*) Dr. Benedict Pauli, Jurist zu Wittenberg, vgl. Förstemann, S. 339.

ft) Wohl nicht mehr vorhanden.

KAWERAD, BEIEFE ZUM ASimOHISTISCRBN STREIT.

lag. Job. Eisaleben Fleiss vorgewandt, daas die Irrnnge zwiachen hnen machten aufgehoben werden, wollen Wir Each nicht ver- isltflo, dass Wir dieserholb indesB weiter an den bochgelahrten Ern Philippom Melanchthon lassen Bcbreiben '), Uns sein B&- lenken, wie dem Handel abzuhelfen, zn vennelden. Da Uns in einem Wiederscbreiben ^} etzliche Artikel, wie die Sache bei- olegen, angezeiget und unter andern sonderlich, dasa Mag. Eiss- aben seine Klage wider Dootorem Martinum gegen den Com- lüearien aollte fallen lassen, darauf er laut eingeschlossener !op«i an die Commissarion schreibet, sich der Klage verzeihet, ind wird die andern Artikel aucb laut des Philippi Schreiben eneihen. Wie wir denn aolclies weiter an Mag. Philippum efariftlicb gelangen lassen. Weil denn nnnmals Eisaleben gar bgestaoden, gesinnen wir gnädiglich, wollet neben dem Herrn 'bilippo gegen D. Martine auch Fleiss haben, daas er der Sache im allerlei OmstAnde nnd sondorlicb guter Einigtceit und Friede wischen den Lehrern des göttlichen Worta willeu, nnd dass Eiss- eben dem Allen, wie es D. Martiu selbst vorgeschlagen, gefolget, .nch wollte vergeasen und des Eisaleben Freund sein. Denn Nil wollen ihn also weiaen, daas er dem, so er an die Com- aissarjen schreibet, soll allewege folgen und zu keiner Weiterung Jrsacb geben, auch seines Vermögens Doctori Martino dienen und Reverenz erzeigen, wie Ihr denn daneben andere mehr Umstände rerdet anzuzeigen nnd zu zeigen und zu der Sache das Beste EU reden wissen. Daran thnt Ihr Uns Gefallen in Gnaden zu er- kennen. Datum etc.

An Doctor Hieronymus Schnrpf und Doctor Bleichart Syn- äikua *)

I

W Nr. 26.

H Job. Agrfcola an Phil. Melanchton.

V 4. Oct IbiO.

" [Cod. Erlang. 1G65, fol. lOe*.]

Clariseimo viro, D. Fhilippo Melanchthoni , domino et amico lummo Buo.

S. d. Habeo gratiam tibi, vir clariasime, qnia antiqoum obtinos n me colendo et adjuvando, maiime vero qnod tibi curae sint

t) 17. Sqitembet 1540. ») I. October 1540.

*) Auch hier bot der Abschreiber den Namen entstellt; ea ist offen- lar der bekannte Bleikard Sindringer genjelmt.

446 ANALEKTEN.

nxor et liberi. Ego vicissim efficiam, ut homini g^nto atque memori beneficium dedisse videre possis. Quod ad yolimtiteD D. Lutheri attinet, quam tu magnifice praedicas, hoc habeto. ijgo nnmqnam fugi nnmqaamque defugiam ejos autoritaiem« praeBertiB com a vobis mihi significatam sit ^) me a Luthero Ulis cradelitNS et atrocibns scriptis non peti. Scripsi ad Judices ^ me ab accn- satione desistere, dieweil ich [in] dem, darüber ich klage , nidit gemeinet werde. Ad Ecclesiam Islebiensem informabo seriptoB, quod prius ad yos mittam. Neque enim pudet me saepe id« scriptum retexere atque errorem fateri, modo aliquod commodni ex ea re perveniat ad Ecclesiam. Cupio enim Evangelii Terüaten in omnes partes valere, ut illustretur gloria Christi, teque rogo it dicas Luthero patri nostro, er habe mir genug das Gesetie ge- predigt, dass er einmal das Blatt umkehre und predige mir du Evangelium.

Beliqua intelliges ex literis illustriss : Principis ^. Salnta meo nomine D. Jonam, Pomeranum et Crucigerum eosqne rogi, ut mihi condonent, si quid a me contra eos vel duriter ?el inci- viliter factum aut dictum est. Ego vicissim focile oblirificar humanorum affectunm, qui saepe rapiunt hominem etiam eo quo nolit. Sumus enim homines et nihil humani a nobis alienom putare debemus.

Yale bene Christo commendatus. Ex Berlino, 4. Octobris 1640.

T. Isleben.

Nr. 27.

Joachim II. an Phil. Melanchthon.

4. Oct. 1540. [Cod. Erl. 1665, fol. 101^ f.] Dem hochgelahrten ünserm lieben Besondem, Em Philippo Melanchthoni, Magister zu Wittenberg.

Joachim etc. Unsem Gruss zuvor. Hochgelahrter lieber be- sonder, Wir haben Euer Wiederschreiben Mag. Job. Eisleben be- langende Inhalts vernommen, u. befinden daraus Euem hohen getreuen Fleiss in diesem Handel auf Unser Schreiben angewandt

i) In denj Schreiben der Theologen vom 8. Juni 1540. Den dr«i Verfassern desselben sendet er hernach seinen Gruss. 5i) Vgl. No. 24. 8) S. No. 27.

KAWEBAU, BRIEFE ZüH ANTIMOUISTISCIIEN STREIT. IL 447

Dasa Wir Euch gnadigUchen dank bahren. Weil Ihr denn aus D. Martini selbst Angaben etzlicbe Mittel anzeiget, dardurch der Sachen gar abzuhelfen: als Hag. Eisleben ') gegen den Com- missarien fallen lasaen u. an die Kirche zu Eisleben durch eine Schrift die rechte Meinung vnn Gottes Gesetz bekennen eolUe, haben Wir ihm solche» fürgehalten. Darauf er dasselbige alles bewilliget und schreibet an die Commistiarien lauts eingeschlosseneT Copei, dadurch er der Klagen gar absaget u. fallen lasset, wie Ihi daraus zu boSnden. Darneben will er auch förderlich nach seiner [Llcke] Beilager'), welches in Kürze als den nächsten Sennt^ über acht Tage geschehen soll, (welches Wir dann bei ihm abo verfügen wollen, dtiss es nicht nachbleiben soll) an die Kirche zu Eisleben auf die Meinung, wie der Vorschlag meldet, schreiben; wie Euch dann dasselbige, ehe es ausgehet, auch zuvor soU fiberschickt werden, [der] Zuversicht, Doctor Martinas n. Ihr werdet mit demselben wol zufrieden sein. Weil er denn Uns, Doctori Martino u. Euch hierin allentLalben gefolget hat, gesinnen Wir 30 Euch nochmals gnädiglichen, wallet dies also Doctori Martino anbringen n. ihn von Unsertwegen ersuchen, dasa er nnmals nicht allein Uns zu Gefallen, sondern auch umb guter Einigkeit u. anderer Umstände willen diesen Handel wollte gar 20 Ruhe stellen u. vergessen, den Eisleben vor einen Freund , erkennen u. halten. So soll er sich wiederumb aller Gebühr o. Reverenz gegen ihn erzeigen, wie wir ihn nicht anders denn also geneigt finden. Und weil der Eisleben Unser Rath und Diener worden, wollen Wir ihn also halten u. weisen, dass er seinem Zuschreiben nach an die Commissarien allezeit soll lohen, des Handels nicht mehr gedenken , auch von Gottes Gesetze der Wittenbergischen Kii-cheu gemäss u. wie in Unserm Churfürsten- tumb Gott Lob itzo auch geschieht, u. wider die Antinomer, wie er uns denn solches sonderlich zugesaget u. Reverenz geben, lehren n. predigen. So denn in der christlichen Kirchen lant Euem Schreibens, welches Wir auch also wissen, die Einigkeit der Lehrer so hoch von Nöthen und nützlich, die Wir auch alle- wege suchen u. Unsers Vermögens gerne fürsetzen, wollen Wir Uns auch versehen, Doctor Martinus werde es numals seines Theils in dem, so zu dieser Einigkeit gehöret, an ihm keines Theils erwinden lassen. Wie Wir denn zu Euch Vertrauen haben,

>) Ea mnss offenbar heisBen: ab ilaBe Mag. Eislcbcn die Klage a. s. f.

*i Ee stand keine fürstliche HDcbzeitsfcier damals in Berlin bevor, an die man zunitcliet denken mikbte; aber die äcbriftatiicke Nr. 31 und 33 zeigen, dass Agricoln's Tochter in JL'nen Tagen sich vermählte, und dass Agricola um dicftcr Hochxeit willen nach Halle reiste.

448 ANALEKTEN.

dasB Ihr ihm hierzu andere mehr Bewegen werdet sn machen wissen. Daran thnt Ihr zn dem, dass dies ein christlich gut Werk, 80 Euch Euer Profession wol anstehet» Uns sn angenehmem gnten Ge&llen in besondere Gnaden za beschulden. Datum.

Nr. 28.

Phil. Melanchtbon an Joachim 11.

9. Oci 1Ö40 *) [Cod. Ell. 1665, foL 104 f.]

Gottes Gnade dnrch unsem Herrn Jesom Christnm zuYor. Dorchlenchtigster hochgebomer ChorfÜrst, gn&digster Herr. K Ch. Gn. füge ich zu wissen, dass itzund D. Brack n. D. Benedictes nicht zu Hans sind. Na wird ohn derselbigen Bath der Land- Yoigt Magister Eislebens Schrift Doctori Martine nicht fiber- antworten. Mich wundert auch, dass Mag. Eisleben nit an m. gn. Herrn den ChurfCbrsten zu Sachsen geschrieben. Und wie- wol am Ende in seiner Schrift vielleicht das Arrest tacite ge- meinet, so wäre dennoch gut gewesen, dass expresse davon etwas gemeldet wäre. Ob sie nun bemeldte Schrift wollen überant- worten, das will ich in Kurzem hören. Mein Bedenken wäre aber, dass diese Schrift würde eingehalten, bis dass Mag. fis- leben an die Kirche zu Eisleben gestellei Die wollte ich D. Martino weisen. So denn Doctor Martinus derselbigen zu- frieden, wäre das Übrige leicht auszurichten. So aber diese Schrift itzund überantwortet würde und hernach Mag. Eisleben etwas Hesse ausgehen, daran Doctor Martinus Misfallen hätte, möchten sie darüber mit Schriften beschwerlicher an einander wachsen, welches fümehmlich zu verhüten. Doch was die Com- missarii bedenken werden, will ich E. Ch. Gn. fürderlich zu- schreiben. Denn die auch gerne wollten, dass nit weiter Ge- zänk aus dieser Sache würde. Gott bewahre E. Ch. Gn. allezeii Datum Wittenberg 9. Octob. des 1540. E. Churf. G.

unterthäniger Diener Philippus Melanthon.

1) Dies Schreiben ist gleichen Inhalts mit dem im Corp. Ref. III, 789 mitgeteilten Briefe Melanchtbon 's an Agricola, der gleichfalls das Datum des 9. üctober trägt, aber, wie man nun deutlich erkennt, irrtümlich dort in's Jahr 1539 gesetzt ist. Die daselbst erwähnten „literae ad commissarios *' sind also das Schreiben Nr. 24.

KAWBRAU, BRIB™ ZUM ANTIKO MISTISCHEN STREIT. U. 449 Nr. 29.

Joachim II. an Phil. MBlanchthon.

Nach dem 9. Oct 1540. iCod. Erlang. 16G5. fol. 96 f.|

Joachim etc.

Unseni Gruss zuvor. Hochgelahrter und besonder, Wir haben Euer letzlich Schreiben, Mag. Eisleben heUngende Inhalts ver- nommen, Q. insonderheit darauf vermerkt, dass Eisleben die Schrift an die Kirche zu Bislehen auch mit fertigen an unsem Ohm, Schwager u. Brn<ter, dem Churfürsten zu Sachsen, desgleichen des Arrests halben auch was schreiben sollen. Anf welch Euer Bedenken die Schrift gen Eisleben lauta eingeschlossener Copei durch den Magister alsobald gefertiget. Gesinnen demnach gnädig- lieben, wollet die Baren Copeien in *) Eurem nächsten Schreiben nach Martino Doctori also anzeigen und verlesen lassen, u. wo ihm die gefällig, so will der Eislehen die alsbald in Druck aus- gehen u. ediren lassen. Es hat auch mehr gedachter Meister an den Churfärsten zu Sachsen die Zeit, da wir Unseni vorigen Boten bei Euch gehabt, lauts der andern einverwahrten Copeien geschrieben*), u. ist itzo der Antwort täglich gewartig. Daes er aber des Arrests dazumal in dem nächsten Schreiben nicht gedacht, ist die ürsach, dass Ihr in den Vorschlagen davon keine Vermeldnnge gethan. So wird auch solch Arrest, wo der Handel hingeleget , an ihm selbst aufgehoben. So dann der Eisleben nunmals allen den Mitteln, so Doct- Martinus und Ihr zu Hin- leguDg des Handels fUrgescblagen, gefolget u. sonderlich an die Commissarien und Kirche zu Eisleben geschrieben, u. ihm darüber D. Hartinus it^o entboten, dass, wo er nicht wider den Doctor oder die seines Thells sein, schreiben, lehren oder predigen, son- dern es mithalten würde, dass er wiederumh auch Sohn u. Freund, D. der Handel hintan gestellt sein soll, dcss sich Eisleben erheut D. schreibet, wollen Wir Uns anch versehen, dass die Sache nomals gänzlichen gerichtet werden soll, wie Wir denn noch- mals gesinnen Eueru Fleiss, wie Ihr bishero gethan, dabei zu haben. Das sind wir in besondem Gnaden gegen euch zu er- kennen geneigt Datum etc. Dem hochgelahrten unserm lieben Besondem, Ern Philippe Melancbthoni Magister zu Wittenberg.

Abwesens ") Uoctori Jonae oder Doctori Pomerano oder auch Üoctori Bleicbarten.

) Das „in" mos« getilgt werden.

) Bei Pöretemann a. a. 0., S. 347.

) Melanchthon reiste in jenen Tagen (17. Octobcr?) nach Worms ab.

450 ANALEKTEN.

Nr. 30.

Joachim ii. an Job. Bugenhagen.

6. Nov. 1540. [Cod. Erlang. 1665, fol. 112»» f.] Joachim M. eq Brandenbnrg GhurfQrst mana propria. lieber Herr Doctor. Ich habe Euer Wiederschreiben yorlesen u. hätte Mich gleichwohl einer andern n. bessern Antwort versehen. Denn Euch im ersten Schreiben alleine das Wort disputative vor des Kopf gestossen. Sonst wäre die Bevocation des Eisleben wol m bessern gewesen, dass Mich gleich dafür ansiehet, dass Wir wieder zurück handeln. Denn wie sichs mit dem Wort disputative 0 zugetragen, habt Ihr aus Meinem vorigen Schreiben genugsamb verstanden. Die weil Ich aber hie vor Euch zugeschrieben, dies Ich wüsste, dass es dem Eisleben Ernst sei, dass er mit D. Luthero vertragen wäre, dass es auch Eisleben machen sollte, wie Hub nur selber haben wolltet, auch dass Ich Euch die Sachen habe selbst in Euer eigen Hände vertrauet mit der Zuversicht, Dur würdet es auch also machen, die weil der Handel [Euch ?] vertrauet, dass es umb so gleich sei, wie denn Mein voriges Schreiben mitbringet, demselben nach habe Ich weiter mit Eisleben gehandelt und ihB (als der getreue Unterhändler, welcher dieser Sache mit alloii Gnaden meint und gerne vertragen siehet) dahin vermocht propter bonum pacis, dass er eben die Worte den mehrem Theil, wie Ihr begehret, in die Bevocation setzen soll, damit Ihr zu befinden, dass es ihm ein Ernst sei, dass auch dem, das Ich einmal von Mir geschrieben, nicht soll zugegen oder zurück soll gehandelt werden. Derhalben ist Mein ganz gnädiges Begehren, Ihr wollet helfen zu örtern einschlagen (?) u. diese Sache zum guten Ende- vertrag helfen bringen, u. es nunmehr auf Eurer Seiten auch nicht mangeln lassen, sondern den D. Lutherum von Meinetwegen bitten, Eisleben wieder anzunehmen u. ihm zu vergeben. Er sollt*s, ob (xott will, nimmer thun, u. sich bei Mir bessern. Denn er soll an Mir einen guten Zuchtmeister haben. Auch dass sich D. Lutherns, dieweil es eine vertragene Sache sein soll, sich auch der Worte halben, die Eisleben soll geredet haben wider das

1) Agricola hatte, so scheint es, sich die Revocation dadurch er- leichtern wollen, dass er die zu revocirenden Sätze als nicht positiv von ihm gelehrt, sondern nur disputative zur Erörterung gestellt, hatte be- zeichnen wollen. Aber diese milde Form Hess man in Wittenberg nicht gelten In seiner Schrift an die Kirche zu Eisleben muss er vielmehr sagen: „Von diesem brauche habe ich disputirt vnd geleret, das be- kenne ich, und hab auch fest darob gehalten, n. s. f." Förstemann, S. 350.

KAWBRAÜ, DKTEFE ZUM ANTlNOMISTrSCIIEN STEETT.

Bacb, das der D. contra AutinumoB geschrieben, zu achreiben nmb Meiner getreuer Unterhandln nga willen u. Mir zn sonder- licbem Gefallen unterlassen nmllte. Denn unser Herr Christns spricht so: Sündiget dein Bruder wider dich, so strafe ihn zniscbon dir n. ihm jillein, u. so er dich höret, so hast dn deinen Emder gewonnen.

DioA-eil nun Eisleben hören will u. hat sieb gewinnen loäsen, sollt man ihn behalten und nicht gar unterdrücken.

Item Ihr Theologi lehret auch Mich u. Meinesgleichen, Wir sollen barmherzig sein u. Unsern Mitbrüdern ihre Fohl von Herzen vorgeben. Derhalben so wollet solches bedenken n. dem, das Ihr gelbst prediget u. lehret, auch nachsetzen u. Mir n. andern nicht UrsacL geben zn gedenken: 0 wenn so viel dran gelegen würe, dem Mitknecbte zu vergeben, nenn er darumb bittet u. Gnade begehret, die Gelehrton wOrden es auch wol thun. Oder es möcliten bOse Bnben sagen. Ja sie sagen wol davon, sie thuns aber nicht. Nam dicere et focere multum differunt, et sapienti panca (?).

Diese Meine christliche Erraahunng wollet Mir zu gut halten n. nicht anders denn gut gemeint aufnehmen u. diese Sache helfen zu gutem Ende führen , den Lehn von Gott nehmen. So will Ichs für Heine Person gegen den Herrn D. Martino, Euch n. den Euem in allen Gnaden erkennen n. in Gutem nicht vergessen. Datum eilends CQln au der Spree Sonnabends nach Omnium Sanctorum.

Lieber saget D. Lutbeio, dass Icfa ihm lasse bitten, er wolle sich in diesem Handel mimehr also erzeigen, dass Ich befinden inügc , dass er umb Meinetwillen anch etwas thun wolle. Ich schicke Euch anch hiemit des Eislebens Bevocation mit seiner eigenen Hand geschrieben. leb bolfa, Ihr werdet mit zufrieden

I An Doctor Fomeranum ').

^^^^P Joachim lt. an Joh. Bugenhagen.

^^^^ 27. Nov. 1640.

K [Cod, Erlang. 1G55, fol. llö»- f.]

" Joachim M. zn ürandenbnig Cbnrfürst etc. mann propria etc. Ideber Er Doctor. Ich habe abermals Eure Schreiben Inhalts

i) Ire Codex: „Doctor PomeraniBn". Es scheint, als i

452 ANALEKTEN.

vorlesen a. daraas so ?iel vermerket, dass Gott Lob! dnrch Bnre fleissige u. getreue Unterhandlungo dieses Handels so weit bracht worden, dass er zu guter Endschaft u. freundlichem Vertrag ge- reicht Welches Ich warlich mit Freuden u. ganz gerne ve^ nommen. Thue Mich auch gegen Euch gehabter Mfihe, auch gegen D. Martine, dass er sich umh Meinetwillen in diesen Ver- trag begeben, ganz gnädiglich bedanken. Will auch solches g^en Euch beiden in allen Gnaden eingedenk sein u. in Gutem nimmer vergessen. Hoffe auch, dass durch diese Versöhnung viel Guts, das dem Allmächtigen zu Lob u. Ehren, auch zu Ausbreitong seines göttlichen Namens u. Worts gereichen sollt, erfolgen werde.

Dass ich Euch aber so lange mit der Antwort verzogen, ist aus der Ursach geschehen.

Erstlich, dass mich der Bote mit Eurer Antwort nicht in meinem gewöhnlichen Hoflager hat antroffen.

Zum Andern, so ist Mag. Eisleben zu der Zeit nicht bei mir gewest, sondern auf seiner Tochter Hochzeit zu Halla.

Derhalben habe Ich Euch nicht beantworten können. Und dieweil nun die Sache, Gott Lob, auf endlichem Vertrag stehet, u. Ich dieselbe bei Mir vertragen halte, will Ich unterlassen Mich mit Euch weiter umb das Wort dispntative einzulassen (ent- halten), und will dahin wenden, was von uns beiden deehalben geschrieben worden, solches sei allenthalben gut u. der Sachen zum Besten gemeinet.

So viel nun die Hauptsache belanget, wiest Ihr Euch zu er- innern, dass Ich je und allewege von Mir geschrieben, dass Ich wüsste, dass es dem Eisleben Ernst, dass ers auch machen sollt, wie ers nur selber haben wollte. Doch dass es auch umbs Gleiche und mit nichten thulich (?). Demselben nach so hat der Eisleben dieselben Artikel gewilliget u. auch in dieselbige Schrift gesetzt, dass er solches disputiret u. gelehret habe ^). Desgleichen auch die Petition fast mit den Worten, wie Ihr ge- beten u. Meines Erachtens verbessert, bineingesetzt.

Zudem sollt Ihr Euch gewisslich verseben, dass dieselbige Schrift dermassen u. wie Euch dieselbe hiemit thue schicken, mit keinem Woi-t oder Buchstaben soll verändert werden.

Dieweil aber D. Martinus die Sache ganz bei Euch gestellt, u. dieselbe numohr Gott Lob ! zom Beschluss und Vertrage kommen, so ist Mein gnädiges Begehron, Ihr wollet auch helfen fördern, dass der D. Martinus auch allen Unwillen über Eisleben fallen

Schreiben No. 29 Melanchthon nicht mehr in Wittenberg gctrofFcn, so dass nun die weitere Correspondonz nnt Bugenliagon gcRihrt werden ronsste.

1) Man vgl. die Anm. zu Nr. 30.

KAWEIIÄU, BRIEFE ZUM ANTIN OMISTISCnEN STREIT. IT, 45:1

lasse and ihn nieder annehme n. sein guter Freund u. Förderer sei. Dass auch, diewei) Eisleben die Klage bei den Commisäarien hat abreuuntilrt u. fallen lassen, n. die Sache in andere Wege gütlich vertragen ist, dass anch hiDwieder dem Eisleben sein Arreet ge- 5Siiet werde (qnia cesaaute causa cesäat et effectus.). So erbeut sich Eisleben, er will gegen Eucli gegen Wittouborg kommen über das, dasa ers in Schiüften tbuot, n. D. Martinnm selbst persönlicli um Verzeihung bitten u. sii^li also njit ihm u- Euch versöhnen. Und da Ich Mich denn in Meinem vorigen Schreiben erboten, des Eisleben Zuchtmoister zu sein, demselbigen will Ich nachsetzen, u. hoffe zu Gott, Ich will einen frommen Mann aus ihm ziehen, und da er geirret, soll ei Bii:li betisem IL nimmer thun. Donn Ihr sollet das gewiss sein von Mir, dass Ich nicht gerne in Meinem Lande falsche oder vorfnhriuche Lehre leiden woüt, sondern in allewege helfen fordern, dass reine Lehre erbalten werde, wie Ich donn mit Wuhrbeit aclueiben mag, dass Ich solches bei Eisleben nicht anders finde.

Derhalben, lieber Er Doctor, so wollet nun diesen Handel vollends gar abhelfen o. zu gutem Ende Iriiigon. üas will Ich in allen Gnaden gegen Encb erkennen n. in Gutem nimmer ver- gessen. So thnt Ihr ohn Zweifel dem Allmächtiguu ein Wohl- gefallen. Hiemit seid Gott befohlen. Und saget D. M. viel guter Nacht von Meinotwegen, u. Meinen gnädigen Grnss u. Willen, u. dass Ich bitte, er wolle allen Unwillen fallen lassen u. es lassen eine vortn^jene Sache sein und bleiben. Amen.

Datum Cöln an der Sprew Samstag nach Cathai'ina Anno etu. 1540.

^^^^B Andreas Friedrich an Jali. Agricola.

^^^^r 13. Dec. 1540.

W [Cod. Erlang. 1G65, foi. 133 f.]

m lutegenimo viro D. Johanni Agrlcolae Berlin! , patrone suo

Mmper colondo.

S. Qnia tandcm futuma sit istius negotii eventas, omnes scire «JeEideramus. Magna est expectatio bonorum, ut aliquando, qui dudnm inter rngiontes leones delituit, umergat Daniel et Regibus vaticinetur. Quod quidem propediom confore nemo dnbitat. Hie apud nos magnum est hau de re ailontium. Et, nt mihi videtur, injectuB eat scrupulua iatia, qui nunquam sperabant lalebio rem

454 ANALEKTEN.

tarn esse sorio aut ^) ut per hone modum res aliquando »d cm- cordiam deduceretur. Quod ipsi ne fieret, quo modo <Hn» movere lapidem sint conati, tu melius scis ac ego. Aliqnäw est exhibita Bevocatio 111 a tua. His adeo placuit, nt pfae gao^ yix a lachrymis temperarent sibi, auf dass es doch eooBal id- hörete. Ali! nimium esse recantatum %jant. Ne» non desinimus bene precari tibi et Deum obsecrare, nt Ecclesiam suam et te aliquando a tyrannide liberet. sperabamus hinc a te nobis aliquid adferri, quod taeite potuissemus, sed fefellit nos spes. Nunc prima haec sicubi convenimus, Eheu habesne aliquid de ülo mysteiio? Atfoe hoc mihi plerumque acddit, quem subinde liteiais aeäpor« cxiiti- mant. Unde quae nostra in te sint studia. fiicfle conpoere pote. Quare si salvos cupis nos, vir integer, hac expectatM»e et si^ citudine liberabis nos. Quando quidem.

Res est solliciti plena timoris amor.

Ego semel atque iterum, postqoam ex noplüs filiae tue redümus % Gasparem ') nostrum c^mveni, qui non hibbs de te ac de Salute sua est soUidtus, vir b<Hiiis et coBStaas nee c»- temnendus, si qui ministri verbi habentior bob ^spnmamiL h graviter et multum conqnestiis est mihi de saevüia ast simiiltite potitts nostrorum phansaeomm, quos merito ita appcDoL Itaqve n^vit me vehementer, nt, si scriberem ad te aliquasdov o^mmoM- fiiceran te, ut et tu aliquando meminis» tjis vcüs; se niiifl magis in hac vita velle, quam liberatas ex kk ca!amititib«$ libe- rum sit ei tecum aut in vicinia aliqna cohahhare. Xob potest did, quam male afficiant hominem laborilKis» eaecaat misefua, ncc habet unde fere vivat Indignx sunt istisi$ iti opera^ qui mijo- nbus praeesse pot>:^t Eg*> n^n sohtm roeo, xd per Ckiistam ohsecD}, ut ex te coosilium capiasy bonmn vinzm ex tantis BMtetös eripias hocque ei, abi commod^j poteris, per epcstolom oeteadas. Ita et meam operam uon frnstra ei datam et te b^H&e veüe ei intelliget.

Salutat te cdbjusx mea et amho ^jua liln. Ego quoque meliorem sperj omditzonem quam pD>iiei&ffiai jcribis^ Tale Isleh. Dakie 13. Decembr. Amio 40.

T. ex animo Andreas Fraienchua^

^' <iixc itft irfenbiir niläch: TicIIciciic >r zxl Ie$«n: ao Läkbiu Tftm um tjsst 5tirii} ictam. id^tr: Lik'biu rriiu :;iai ,'«»* jthu rjrii, nt.

-^ V^i lin Xjclj iotT ii»: ji Halle j:»?ttiurti.' H«H:uztic n'ntjr Tjchtcr Agncjiii"i :n » ii.

^\ Cadpar Büiimti.

KAWERAU, BKIEPE ZUM ANTINOMI »TISCHEN STItEIT II. 455

Nr. 33. Joachim II. an Joh. Bugenhagen.

16. Dec. 1540. (Cod. Erlang. 1ÜI15, ful. 1281- f.] , Joachim Markgraf zu Brnndenburg Chiirfürst manu propria 8BC. bb«T Er Doctor. Icli bedanke Mich ganz gnädiglich gegen dem I Martiiin n. Euch, dass Ihr mit der gefltullten C'opeieu, die Ich Euch igescbicket, u. Mag. Eisleben an die Kirclio zu Eidleben Boll 1 ausgehen, zufiieden aeid u. znvürderat ntich, dass der Doctor Hailinus allen Unwillen wil! gegen dem Einleben fallen lassen n. nimmermehr gedenken, aucli ihm, seinem Weibe und Kindern liülflich u. forderlich .sein wil, mit Erbiotunge sulches gegen ge- nannten D. H. u. Eure Person in allen Gnaden zu erkennen u. in Gutem nicht zu vergeBsen. DiewoU denn nun der Allmächtige Guaile verliehen, dasa dieser Handel endlich geschlossen, dass Ihr auch belinden möget, dass dasjenige, das Ich mit Euch allein durch Schrift, Tinten n. Papier gehandelt, vollbracht und nach- kommen sei, so überschicke ich Euch hiemit zwanzig Exemplaria gedruckt des Laut« u. InhaltK von Worte zu Worte, wie die Copei vermag , auch mit des Eisleben Hand unterschrieben '), daj-aus Ihr zu beünden, dass allem dem, waa von Mir geschrieben ond versprochen ist, allenthalben Folge geschehen, der tröst- lichen u. unzweifligen Zuversicht, es werde numehr bei Euerm Tbeil auch keinen Hangel Euerm Zuschreiben nach befunden werden, dasH auch der Arrest, wie billig, geöffnet u. dem Eisleben sicherer Wandel im Churfürstentumh u. Land zu Sachsen vorstattet. Denn dieweil Ihr nun alles gehabt, was Ihr nur selber habt haben wollen, a. vom Eisleben alles geschehen, was Ihr hegehret, so halte Ich darvor, es möge nu wol heissen Cessanto causa cessat et eiTectus. Wiewol Ich es hievor bei Mir , dieweil Ichs von Mir geschrieben, allbereit also gehalten habe. Es sollea auch etliche Exemplaria, die gegen Eisleben sollen geschicket werden, auch von dem W. Eisleben unterschrieben werden.

Derhalben so wollet Euerm Erbieten nach auch don Arrest helfen abschaffen, damit dieser Tragödien einmal ein Ende geben, ihr auch mit übrigen Mühen verschonet bleibet. Das wird ohn Zweifel der Gott, der da beisst Deus pacis , auch reichlich be- lohnen. Denn er spricht ja Beati pacißci. So will Ichs gegen D. M. und Euch in allen Gnaden erkennen.

Was Eure Schuld belanget, habe ich mit Eisleben geredet, u.

45 6 AKALEKTEN.

befinde, dass er Bach Euere gnton Willenb dankbar, dat« es auch an seinem guten Willen nicht gemangelt, Euch genflglidie Be- zahlonge zn thun. Aber es ihm an Darlegunge gemangelt So wisst Ihr auch wol, dass er eine Zeit her bei Euch zn Witten- berg wenig bekommen. Aber wie dem Allen, so hat er seiner Frauen ^) geschrieben, dass sie Euch wird gütlich zufrieden stellen. Darumb, lieber Er Doctor, lasst Euch umb Meinetwillen eine kleine Mühe nicht verdriessen und helfet dieser Sachen ab. Eb soll, ob Gott will, zu allem Guten gereichen.

Und 80 Ihr Meiner wieder bedürfen werdet, will Ich Mich allewege gegen Euch gnadiglich erzeigen u. finden lassen, ffiemit Gott befohlen. Datum Eilends zum Grinmitz Anno 1540 am Donneretage nach Luciao.

Nr. 34.

Joh. Bugenhagen an Job. Agricola.

19. Dec. 1540. [Cod. Erlang. 1665 fol 131.]

Yenerando viro et domino, Magistro Joanni Agricolae Theo- logo, domino suo et compatri in Christo carissimo. Borlini in Aula.

Gratiam Dei et pacem per Christum. Eram ad te scripturus, carissime compater, per tabellionem, qui redit ad vos. Sed per quem potius scriberem ad te, quam per carissimam uxorem tuam et pignora cara tua jam hinc ad te abeuntes?

Tua recantatio recepta est a carissimo patre nostro Doctore Martine ^), D. Jona, M. Georgio Majore, qui nunc Bector est, et in collegio Theologomm, quemadmodum illustrissimo Principi Marchioni Electori promiseram eam suscipiendam fore. Curabo nunc reliqua per Deum et apud illustriss. Electorom nostnim et apud Scholae nostrae Magistratum, quemadmodum brevi scies. Itaque nunc, carissime compater, redintegrato inter nos negotio sanae doctrinae posthac amice aut si mavis amicissime tibi scri- bam, et tu scribes ad me vel etiam (si ita res tulerit) conver- sabere apud nos amicissime.

Quod quaedam scripsi in hoc negotio conti'a te ad illustriss.

i) Agricola's Frau befand sich damals zum Besuch iii Wittenberg, vgl. Nr. 34.

2) Wie wenig Luther in Wirklichkeit sein Mistraucn und seinen Groll gegen Agricola aufgab, zeigt ihis SclireilM.u vom 11. Dcccnibor 1540 bei Burkhardt. S. 365. 306.

KAWERAÜ, BRIEFE ÜDM ANTIN OMISTISCIIEN STKEIT.

Marchionem, Principem menm clementissimiim, postqnam ejus gratia suis clementibus scriptiä ot magnu aerio me plane coügit haue subire curani, primum non cuntra te feci, qaom pro illu- alruisimii Principo ot ditionibus ojus, qtii nunc sunam doctxinam BQScepit et titatur sit Cliriato (,'i'atia , quia intor et noB de doctrina oon coiiTtniebat. Deindo eSöci , ut tua lerauitutio esset purior, syncerior et omDibti« piis esset acceptior, quam ti- bere nunc ipso edidisti, de quo tibi gaudeiidum est.

Nihil ergo nocui tibi scriptis mcia, multo minus nocere volai. Hendacem et calumniatorem tu ipse (id quo certu suio) noii me Judicas. Si (juid immodestJus tibi videtur a me scriptam, lioc ipaum donabis mihi hoc negotium Dei et tuum et pro te syn- cerissime agenti.

Baliquum est, quaudo te tantus Princops tarn impenso amut, ut primum sie in omnibus agas, uo contemnatur tuum miniatorium, quomudmodum Paulus praecipit suo Tiinotboo. Deinde ut noris quam sostinoas porsonam in uulu apud Principem, ut cum Piin- ccps dodus Eit et norit summiim docti'inum ut Ezechias, tam [tnlem?] te et alioa vult [velit?] tibi conrionatores sciens illiid; „Uoati qui audiunt verbum Dei et cnstodiiint illud," Tuum igitur (ut Esajao olim) fuerit recta movere, non routa emendare, curare pro Sana doctrina eccleaiumm, pro ministiis verbi ot sciiolaribiis et pro pauporibus ex boois ecclesiasticis aut aliundo alondis. Ilaboa officium ot ministerium, iu guod Doud et sancti angeli respiciunt Nos oramus pro te, tu vero viciatiim orato pro nobis, ut ad haoc idonoos noH Doua suo spiritii elficiat. Christas sit tecuin, cum uxore et liberis in aotemum. Ex Vuiteberga H. D. XL. Dominica quarta Adventus Domini.

Jobanuee BageuUagius Pomeranus D.

rposthac ruraua tu na. Nr. 35. Barthol. Drachstedt ') an Joh. Agrlcola. 2. Febr. 1541. [Cml. Erlang. leCäfol. L^JÖt.) ' Dem uubtbareu und hoirbgelahrten Herrn Mag. Johann Agri- ciila genannt Bialehen, itzt zu Berlin, meinem frcundliclion lieben Gevatter und Schwager.

Qnade und Friede in Chriato zuvor. Achtbar hocbgolahrter, freundlicher lieber Gevatter, Schnager und alter guter Freund.

>) ücbei Barthol. DracbBt«Jt vgl. die Anioerlmng zu Nr. 18. Weiter

458 ANALEKTEN.

Ich weiss Euch als meinem Frenndo nicht zu verhalten, dass ich mich genugsam kann verwundern Euors Bekenntniss halber. Nachdem Ihr das genug widerrufen und verdammet als ein anti- nomisch Stück nnd Gift, die und dergleichen Bede, das Euangelion muss das erste sein, und an einem andern Ort, das Euangelion sei der Anfang, Mittel und Endo, wie es denn auch D. MartiniiB Postille ') mitbringet, sonderlich im ersten Sonntag des Advents gleich mit den Worten, wie in enerm Büchlein. Ist aber Eure Bekenntniss und D. Martinus Unterricht, die er Euch gethao, recht, so muss er der Doctor an dem Ort der Postillen nicht recht geschrieben haben, und eher ein Antinomus gewesen, denn ihr. Derhalben so war es billig, dass er zum ersten widerrufen hätt ^). Aber dass er den Balken aus Euorn Augen zum ersten hat wollen raus haben, und seinen Dom lassen stecken, deucht mich unbillig sein. Und meines Erachtens habt Ihr in Demuth zu viel gethan, dass Ihr Euem praeceptorn selbst zu demjenigen macht, da er Euch für gehalten hat. Doch weiss ich nicht, was Euch dazu beweget hat, wissen wollt ichs aber gerne.

Einen guten Unterricht wollt ich gome sehen vom Doctor, dass er an einem Ort schreibet, das Euangelinm muss das erste sein, am andern Ort, das Gesetz soll das erste sein. So man saget, das Euangelion nehme an sich das Amt des Gesetzes, wo

sei über ihn Folgendes bemerkt. Er war ein Sohn des angesehenen Mans- felder Rates Dr. Philipp Ürachstodt. Mit seinem Bruder Alexander war er als Kind einmal in abenteuerliche Gefangenschaft geraten, worüber B. Spangenberg, Mansf. Chronik, Bl. 409 ^>. Ueber Alex. Drachstedt vgl. ferner Corp. Ref. I, 873. de Wette III, 476. Dem Bartholomans dedicirte Agricola 1527 seine ,,130 Fragestücke". Luther verwendete sich im Jahre 1541 (?) für den durch Graf Albrecht schwer Geschädigten bei Moritz von Sachsen (de Wette V, 41G). Dass Luther ihm geneigt war, beweist auch der Brief an Jonas vom 13. März 1542, de Wette V, 444. Später war er in die Streitigkeiten der Mansfelder Grafen ver- wickelt, er musste vor Graf Albrecht einen Fussfall tun und erhielt auf Luther 's Fürbitte Verzeihung; Krumhaar, Grafsch. Mansfeld, S. 73. Sein in unserm Briefe erwähnter Sohn Philipp wurde 1537 in Wittenberg inunatriculirt, Album p. 168; er wurde Doctor der Rechte; 15G0 finden wir ihn als Syndicus in Breslau, Bind seil Epp. Mel., p. 469, später als Assessor des Schöppengerichts in Halle, wo er am 12. October 1582 an der Pest starb. Vgl. die Genealogie der in Halle einst weitverzweig- ten Familie bei Drcyhaupt, Genealog. Tabellen, Halle 1750, S. 30— 3§.

>) Drachstedt meint folgende Stelle: „Das Evangelium muss das allererste sein, das muss geprediget und gehöret werden." „Die Pre- diger sollen predigen . . . nichts anderes, denn . . . eine rechte selige Erkenntnis (I!hristi. Wer etwas anders, deim dicss prediget, der ist ein Wolf und Verführer." Kirchenpostille, Evang. des 1. Adv.-Sonntags, Erlanger Ausg. 1827, Bd. X, S. 10. 3.

2) Man erkennt, dass Drachstedt zu den Eislebencm gehörte, die von Agricola's Widerruf urteilten, uimium recantatum esse, vgl. obeu Nr. 32.

KÄWEHAU, BRIEFE ZUM ÄNTnJOlüSTISCtlEN STREIT, ü. 459

ea Bosse prediget, ao stehen aber da die bellen Worte: Dm Eaaa- gelion muss es thnn, and weil [wird?] vun keinem Gesetze ge- dacht ; welche» da recht sei oder nicht, wflr wot notb

Meinen Sohn Philipps will ich Euch in einer KQrze wieder machicVen. Bitte gar freundlich, wollt mich der alten Treue geniessen Usaeo und wieder zu Euch nehmen, nnd za Magister Scbman (?) thun, von nieinotwegeu ihn auch bitten, er wolle neben Euch bei ihm Fleiss haben umb meine Belohnunge. Diu will ich, wills Gott, wenn die Sturmwinde, so Qber mein Schiff- lein zusammen schiahen, vorüber sein , gleich machen nnd ver- dienen.

Ich möchte auch gerne wissen, wie es anch Enerm Weibe und Kindern ginge an dem neuen Orte in Egjpton, Berlin ge- nannt, ob Joseph nun Friede hat vor seinen Brüdern. Ich hoffe, es sei du mit Euch alles beigeieget. Bitte aber, so es Ench wohl gehet, Ihr wollet Euere Gesellen Barthel Drackstedts nicht vergessen und gegen unsern Ilorrn Gott in Euerm Paternoster gedenken, dass er auch aus dem Sturmwinden üngewitter, so er hie zu Eisleben erdulden moss , erlediget und gebieten dem Wüthen Meers, duss es stille möchte werden und auch erlöst und Friede haben, wie Ench Gott Lob geschehen.

Wie es umb mich stehet und gehet, wird Euch mein SoLn iiud der, den ich neben ihm schicken werde, der ihn zu Euch bringen soll, wol berichten. Itzt nicht mehr, denn ich, mein Weib und Kinder wßDäcbon Euch, Eurer Hausfrauen, meiner lieben Mutter und Kindern viol guter Nacht und Zeiten nnd bitten, sie freundlich von meinetwegen zu grossen. Desgleichen thun viel Eure gute Freunde, davon zu lang ist zu schreiben.

fa- Datom zu Bisleben 2. Febniorii Ao. 41.

H E. W.

H Barteidt Drockstedt.

^ Bitt« gar freundlich wollet mir schreiben, wenn Ihr Botschaft babet, ein kleines Zettelein.

fNr. 3(i. Erklärung Agricola's. Ad scriptum Barth olora ei Drackstadü. ICod. Erl. lÜliB M. 138.] Was ich in zweien DispntationibuB zu Wittenberg gehalten, not] in die Schrift [in die Prediger und PfaiTherrn der llerschaft Mansfeld bekannt und recautirt habe, das will ich zu ewigen Zeiten bekannt nnd recantirt haben.

460 ANALBKTEN.

Wer mich aber hierflber etwas mehr beschnldiget, der that mir Gewalt und Unrecht und leaget mich an.

Und wo die Lente, die mich bereits an durch Schrift mit Getteslftsterung und Unwahrheit in die Welt ge- «Bd noTerschfimt ansgeschrieen , nicht mit Kmst drüber Wid mich dag^en öffentlich entschuldigen, so seind sie TmMs, da sie gehen und stehen, und seind die rechten

Johann Agricola Bialeben.

Nr. 37.

Job. Bugenbagen an Job. Agricola.

1. Mftrz 1541. [Cod. Erl. 1665 fol. 138b.]

Yenerando Yiro et Domino, M agistro Joanni Eislebio, niustriss. Principis Marchionis Electoris etc. a concionibus, Domino et <^>mp4tri suo in Christo dilecto.

S, Si mihi, charissimo compater, tarn facile hactenns fii- wel praestare qnod postulas mecum de fide promissa, jam du- ihim aceepisses, quod volebas, id quod nunc mitte ad ülnstriss. t^iK'ipem Marchionem Electorem, licet ad te scriptum ^). Sic ^iü <^Q8 dementia jam dudum per literas jussit, ut ad se mit- Wre«u Te tero in Christo admoneo, ut posthac sis constans et iMW minister Christi, et memineris in aula, quid Christo de- ^#41^ Christus Sit tecum et cum uxore et liberis in aetemum. 1^ W. M, a xl^j. IMar.

Johannes Bngehagius Pomeranns Compator tuus.

^) W;4hi«ch«inlich ist das Schreiben der säschsischcn Räte vom ^ l^VlM^ui IMl (Förstern a DD, S. 352) gemeint, durch welches für V^AHV^ ^'bi^rbcit und Poss in den säcbsischcn Landen erteilt warde. Ksj^büu uiivl .WrU\>)u drängten, denn letzterer sollte seinen neuen J^andes- Va4u .^ut ^kt Uci*.^ nach Regensbnrg begleiten. Am 29. März erwartete v.ii >vivife vK^^him in Wittenberg, Corp. Ref. IV, 146.

I KAWERAV, BRIEFE ZUM äNTINOUISTISCHEN STKEIT. H. 461 ^^^H

ft Andreas Friedrich an Johann Agricola. ^^H

W Hörz 1541. ^^H

V [Cod. Erl. 1665 fol. 140.] ^^H

Ricellcnti Tiro D. Johanni ÄgricoIa Isleben, patrono SQo

crpetuo colendo Berlini.

Hqdc tabellioDem mittit ad te Baswurmius ')• <)ui Bing:iilari ide et diligentia tuo praofuit negotto. Qaamobrem et amo enm ilurimum. Ipse eDim nacta commoda occasBiooe comitem Al- )ertuin conveoit et multa de hoc negotio coram cum eo est lo- :utuB. Nam com bis BacchanalibDS quoüdam Buae aolae ministroa :oiijugio copularet Cornea , vocavit ex urbe nostra aliquot cives, at istis interesaent nuptiis, in <|iiorum numero fuit et BuBwunnina. [bi com de reliquia rebus aemotia arbitrie cum Comite cunferre wepisset, et frontem ejus expecrectam esse i]uae in Principibus inprimia est animadvertenda occasin aensisaet, hujns negotii mentionem fecit, et quaotum ex Kuswuxmio inteUexi, appaniit non tarn ipsius mentionem Comiti acceptam, qaam Comitem ipsnm multa de te diBserendo delectatttm fuisse. A primordio narrare coepit, quo consilio te Vniteberga Islebiam ') Tocsverit, qnantum amaverit, coluerit, maguifecerit seniper propter singularea animi et ingenii tui dotes, quaa in te ut in aliis non item elucere vi- iJsrit. Nee non illa virtutum tuarum commemoratione aliquamdia (ut nnsti ejua /pjffrroioyi'ai') est immoratua. Tandem enbjeoit se cppare, ut hortus ^) quam primum tibi restituatnr, si Lutheraa de vestra coocurdia pauca ad eum scribat; alioquin se factamm Dihil *). Quae omnia copiosius cxponet ipse BuBwormios.

Nos «mnsB itdmiramnr vehementer Comitis verautiam, ne quid dicun graviua. Quae tiia eat prudentia, per hunc nuncium effi- '^ifls, si quidem is Witebergam tningibit, ut fiat voluntaa Domini. Quid nocet eitremum movere lapidem etiam ne quid maneat re- liqui, quo tueri so posBit üXwni;^?

Legit D. Gaspar posteriorem tuam epistolam, quam per Han- Bellam Saonnus ad me dedisti. Dicit Ula esse Erasmica, quae

') Vgl. oben in Nr. 18, S. 323 , unter den Agricola freondlicb ge- sinnten BQrgem Eialebens: „Mert«D Boaswurm",

») Im Sommer 1535.

*] Der Garten Termutlich, den Graf Albreclit Agricola geschenkt, ober den er ihm aber bei seinem Wegzuge 1536 freie TerfQgnng vei- «hrt hatte, vgl. Föratemann, 8, 2Ü3.

*) Charakteriatisch für den bekannten, sebmutzigcn Geiz de» Grafen llbrechtl Et spccnlirtc daraaf, doss Luther sich scbncr dazu ent- Khliesscn würde, einen für Agricola Fürsprache einlegenden Brief an den 3nJen zu richten, und dass ea für Agricola eine arge Demütigung «rar. Ha daraaf zielende« Gesuch an Luther zu richten.

462 ANALEKTEN.

de tranqüillitate Ecclesiae etc. tenuitate tua scribis, sed tarnen est contentuSy omnino se iu ea esse sententia dicit, hanc causam non manere ita sepnltam. Est homo düigens, studiosus et amans sacrae scriptorae; quotidie et eloquentia et in docendo grata angetur; meo qoidem jüdicio, quod nullom est, evadet bre?! ii magnnm virum. Nam quod M. Cicero ex conversatione Crsti^ Atheniensis ezistimat M. filium in omni emditionis genere malbü promovisse , ita facile apparet hunc ex Cratippi sni doctrinae fon- tibüs multom et rigoris [vigoris?] et imitationis hansisse.

Vnonnatiensis colloqoii descriptionem omnino yidere cnpimoB. Rogavenint me ambo et Gaspar et Paceus ^), ut impetrem boe abs te. Feceriß nobis omnibns rem longe gratissimam.

Ego nuper admodum in aedibus socrus meae multa de too negotio cum Paceo sum locutus, pessime de illa nostromm Theo- logorum securitate. et tjrannide. Est contentus, si verba menti respondent; est vir candidus et tibi amicissimus. Malta, quae propter fidem [quam] dedi ei praetereo, conqnestos est mihi

Est in magno Catonis odio et quotidie cum Sjmone locorom communium theologo (ut appellant eum) rixatur. Nam SymoB Ecclesiam melius dispositam post Apostolorum tempora fuisse non- quam ac nunc est constanter affirmat, cum Paceus diversum agat et opponat ea, quae nos invicem saepius sumus collocnti, et ple- raque multa, quae Epistola non capit.

Non displicet mihi te cum Principe tuo clementiss. ad Comitia Batisbonensia proficisci propter multas causas, quas cogito. Com significarem ista Burckardo, subjecit Wanne tröden henger(?), welche schiele Augen wirt dass machen. Lapis qui ab aedificantibus reprobatus est, hie factus est in caput anguli etc. Si certnm diem, qua Lipsiam pertransituri essetis, ostenderes, snmerem a meis rebus tantum otii mihi et venirem eo. Nam ego non minus tuum desydero, ac tu meum colloquium expetis. Salutant te offi- ciociss. Paceus et Gaspar, uterque tuas expectat literas.

Salutabis nostro omnium nomine totam tuam familiam et U- beros, quos videre cupio. Besalutant te socrus mea, quae ta unice diligit, nam hae sunt ejus voces Der liebe Eissleben, reU- qui affines et cognati. Bene in Christo vale.

Datae Islebiae IX. Martii Anno 1541.

T. ex animo Andreas Friderichus.

i) Wenn ich recht vermute, so ist unt<?r Paceus der Pastor Friedrich Reubcr, unter Cato der Senior der evang. Geistliclien Eislebens, Güttel, unter Simon S. Wolfcrinus zu verstehen, vgl. Kruinhaar, S. 71. 345.

KAWERAÜ, BRIETE Zl^M ANTINOMISTISCIIEN STREIT, n. 463

Nr. 39.

»Joh. Agricola an Albrecht von Mansfeld. Nach <ipm 9. Mara 1541. [Cod. Erl. 16(S fol. 1^3 f.] E. W. Q. Q. H. [Edler, wolilgoborner Graf, gnädiger Herr].

Ea hat mir Herten RosBwnnn ') angezeiget, dnas, ob ich wol TOD £. G. gnädige VertröBtnoge Iiatte , nlaobald E. O. bericht wurden, dass die orwacltsene Irrunge zwischen D. Martino nnd mir christlich und götlich hingelGgt wäre, ao wollte mir E. G. den Oarten zu Eisleben oder so viel Goldes, als er würdig, zu- kommen lassen. So sollte ich doch verschafTen, dase D. Martinus Luther an E. G. deshalben schriebe. Nu habe ich zweimal bei ihm angesucht nnd nichts erlan^^en mfi^en '). Was Ursachen weiss ich nicht. Nachdem ich denn wahrliafti glich Bericht gethnn, wie alle Irrunge und Widerwille abgethan und hingeleget, des- gleichen anch getlian der durchlauchtigste hochgeborne Fürst oiid Herr, Herr Joachim Markgraf zu Brandenburg und ChurfUrst, mein ^'nädigster Herr, der sich keiner Unwahrheit fioissiget, und E. G. ohne Zweifel slnder der Zeit woitor Kundschaft bekommen, M ist nochmals meine unterthünige fleissige ßitt an E. G., sie vnllte ihrer gnädigen Zusage eingedenk sein und mir auf diesen Leipziger Ostermarkt den Garten, oder so viel er würdig, zukom- mim lassen. Das verdiene ich umb E. G. nach höchstem Ver- mögen willig und gerne.

Denn im Fall, dass es nicht geschehen sollt, E. G. wollte fürsitslicb ihrer Zusage vergessen und mich und meine armen ifiDdlein in unflbcrwindtichen Schaden führeu. so mDsste ich end- licli gegen Himmel sehen, und mein und meiner Kinder Vater "Mer, welches bis anher allewege floisai^'- für E. 0. angehalten iiat, wider E. G. richten und laufen lassen. Da man alsdann "öhl sehen wird, dass Gott im llimraol kein fürsätzlich ünrecht- tbn anf Erden ungestraft leiden wolle noch solle. Befehle mich hieniit E. G., deren Glück nnd Wohl&hrt an Seel und Leib ich I bewege gesucht habe.

1) Vgl. den vorigen Brief.

*) Vielleicht hatte Agricola l«! der Durchreise durch Wittenberg inOndlieb aein Anliegen bei Luther vorgchraclit. Dann wäre unser Brief •ttf der R«ij!e, vermutlich von Wittenberg aiw, an den Grafen geecbrieben Worden. Dass auch dieses Bittsch reiben erfolglos blieb, lehrt der nach- folgende Brief.

l

464 ANAIEKTEN.

Nr. 40,

Phil. Metanchthon an Joh. Agricola.

8. Soptembei 1541. [Cod. Erl. l(il55fol. 1«''.]

Clarifisimo et optimo viro, D, Jolianni Ägricolae Islebio, doceiiS Eaangelium in ecclosia Borlinensi amico buo.

S. D. Eodem argnmento raspondit illnalriBS. CoineB Alberto et D. Lntfaero ') et mihi aua mann. Dedi epbtolam ad i scriptam genero tao ^). Pollicetnr Cornea Albertos se nomentD- rum esse pretium proiimia nnndinis Lipsicis accepta S7ngrapbi> ut moB est. Si mihi de modo precü dixisses, id qnoqae in no stris literis compleii eaaemus. De ea re cogit«s , ne noTae dia- putationOB oriaotur, QuaeBO te illuBtrias. Principi Harcbioni me eicuBss, quod nuper dou respondi ad ejus literas. Scis post üim pomeridianam narrutionem tempUB ad Bcribendnm mihi defiiisec. Sed cogito mittere ad eum literaa copiosus de illis negotiis. Brut vale. Die 8. Soptembria.

PbUippUS HeloDthon.

Nr. 41. Martin Lullier an Joacliim II.

2. Mai 1545.

(Origiiial auf der Kirchcnbibl, to Freiatadt i. Schl.J *) Dem DurcbleucbtigeeteD liocbgebomen forsten vnd beim Uem

Joachim Marggrawen Zu Brandenburg des H. Ko Beiclis Erb-

kemerer vnd kuiftirsten. Hertzogen Zo Stettin, Pomero: Wenden.

Cassuben, fursten zu Rügen meinem gncdigsten Heim.

G V f ym Herrn Durcbleuchtigater hocligebomer fnrst gn^

digster her Ich hsb E k f g Credentz briefTvon M Eisleben haos-

') Demnach hatte Lntber sich endlich doch etttschloBBen, so Qunitn Agricota's an den Grafen zn HchreibcTi , und damit wai diesem der Eis- Hand, mit welchem er bisher die Zahlung verireigcrt hatte, genomiMf worden,

^) Ein Vergleich dieses Satzes mit dem Corp. lict. IV, 1066 : „cum onpcr ad mc genvr taos, bonestiBaimns juvenis, epistoloe taae eiemplom atn- ' lisset, respondi brevius qaam pro tuae epiatolae prolixitate", ergiebt tut ' Gewisaheit, dasa jener von Bretachneider auf den 13. SeptemDer 1640 verwiesene Brief ent (wie aach Bretschnoider aus anderen Orflndeu ht- roitB vermutete) 1541 geschrieben ist. Unser Brief Nr. 40 ist d»*, Bhi dessen EBrze sich Melanehthon am 13. September eiitselmldigte, Den- nach masB aucli der Brief an Kanzler WeinUben Corp. Bef. Ul, 1092 in's Jahr 1641 gernolrt werden.

■) Qeaiegolt mit granem Wach«, aof welches das Papier mit Lntba^

J

466

taven Tntertheniglich empfangen. Aber yhn selb U Eisleben hab

I nicht wollen Zu mir noch fnr mich komen lassen. Denn ich

1 lengest bedacht mich sein gantz vnd gar Zu eussern, da hab

i vrsachen Zu Solcha wollen mir E k f g nicht verargen Denn

mir E k f g sonst yomand Zuschickten , Der aol mir nicht

n gering sein wens auch ein kuchen hübe were, wil yhn gerne

m. Oder E k f g mngen mira schriftlich anzeigen lassen

sie woUen, wil ich vntertbeniglicb annemen (?) ') Denn

f k f g md allen Jungen berrscbaften bin ich willig zu dienen

Diit ichs vermag, Ynd wünsche von bertzen alles gut Hie

fit dem Lieben G^tte befohlen Amen Sonnabent nach Philippi

i Jacobi 1 5 4 ä

; k f g

Vnterthenjger

Martiniu l-uihwil U.

Hiscelleo.

Die aagebllohe Blendung des Patriarohea Ana- staslna.

In den gangbaren Berichten aber den Bildorstreit ftguriit so

fko sagen anstandslos die Angabe, dass Constantinus Kopronymus

den Patriarchen Anastasius, die Creatur seines Vaters, welcher

sich bei dem Aufstandsrersache dos Artabasdus arg compromittirt

hatte, zwar geblendet, aber dennoch in seinem Amte belassen

Kirchliche und politische Geschichtschreiber sind darin einig;

I UUD Tgl. Pagi, Criticalll, 260, zu dem Jahre 743; Suhroeckh,

1 K.-G. XX, 550; Lo Beau, Hiatoire du Bas-Empire Xin, 413.

' Benke (Ersch und Gruber s. v. Icon ücl asten , S. 123) bt iwax

tosicher, dagegen berichtet Ilefele, Conciliengescbichto IIl, 378

(2. Auflage, S. 410) zuTersichtlich : „Auch Patriarch Anastasius

wnrde geblendet und auf einem Esel verkehrt sitzend durch die

Stftdt geführt" Einen Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses

Berichts hat, «oviel ich sehe, zuerst Ch. W. F. Walch (Entwurf

: Tollst&Diiigen Historie der Ketzereien, Spaltungen und Be-

kleinem Petschaft aufgedrückt war. Den Einblick in das Original vei- düke ich gätigcr Vermittlung des üerm Pastor Felke in Freiatodt. Zorn Inhalt des Brief« vgl. de Wette V, 734. 735, Cory. Ref. V, 757. yarstemann, S. 354. 355 (de Wette VI, 375). Tiechr. lU, 3öö. Zdtacbr. fQr Preuaa. Oescb. □. L.-K. 1S80, S. 399.

■) Daa Pspicr ixt an der Stdle gefaltet gewesen . daher diese« und die nädutfoigenden Worte urdeutlicb xa erkoniieD Rind,

466 ANALEKTEN.

ligionsstreitigkeiten bis auf die Zeiten der Befonnstioii X, ^% Anm. 2) ausgesprochen: „Ich muss hier einen Zweifel Yortngni Theophanes und die andern (welche?), die davon reden, TeiädMi^ der Patriarch Anastosios sei beider Augen beraubt worden, nile doch versichern sie . . ., dass eben dieser Mann dem nfiiig^|Mi bomen Prinz Leo nach einiger Zeit die Krone aufgesetiet Kai|& ein Blinder zu einer so wichtigen und feierlichen Handlung g^ brauchet werden?" Ihm schliesst sich Gfrörer, Allg0m.E.4 III, 1. S. 123 an. Auch Gi eseler scheint Zweifel gehegt in haba^ denn er erzählt nur (K.-6. II, 1. S. 12): „Constantin bestiifti ihn au& schimpflichste." Schlosser in der „Geschichte te bilderstürmenden Kaiser", S. 211, berichtet bloss, der PatriiRk sei gegeisselt worden. Da er die Quelle hierfür nicht angieH bleibt es ungewiss, ob er den Theophanes stillschweigend emeo» I: dirt oder nach seiner Weise neben der Primärqnelle auch fom |^ der secundären heranzieht.

Die ganze Legende von der angeblichen Blendung des Patri- archen stützt sich auf eine einzige Stelle in der Chronographia des Theophanes, ed. Bonn. I, 648, 13 ff. Hier lesen wii: Innixoy di noiraaq tlaryaytv Agraßaadoy avv roig vlotg avxw xat TOig cpiXoig SeSif^iyovg dia tov Sünnlov äfia yüraaraalif T^ y/fvdwyvfAip naTQiagxTI '^vq)'kwd'lyT i dfjfioaiiog xat oyov i^ayaoTQOCpa xad-fjfi&w, oy elg to Innixhy daayaywy inoff nevaey. Allein dem widerspricht derselbe Schriftsteller, da er I, 628, 8 ff. über dieselbe Bestrafung des Anastasius ganz anders berichtet: Kioyarayjiyog yag (jitTa rr^y tov yafjißQOv avrov Aq- raßaodov ayaooßrjy rijg ßaaikdag l7iiXQaTr,aagy Ayaaraatoy t ov- Toy Tvxf/ag avy aWoig ix^Qotg iy Innixw $ia tov 6ü7t7iiw yvfuyoy fxiy in oyov xa&rjjLieyoy il^ayaoTgocpa ino/Linfvaer. Hien kommt Anastasius Bibliothecarius, dessen Version bei dem hohen, nahezu gleichzeitigen Alter des üebersetzers gradem den Wert einer Handschrift hat. Er übersetzt die Stelle von Anastasius* Behandlung (Hist. eccles. im Tbeoph. ed. Bonn, n, 224): „Cumque hippodromium celebraret, introduxit Artabasdum ima cum filiis ejus et amicis ligatum per Dihippium in circum, simnl cum Anastasio falsi nominis patriarcha , percusso publice et in asino verso vultu sedente, quos omnes per Dihippium intro- missos in circum pompavit."

Es folgen die späteren bjrzantinischen Chronographen nsd Compendienscbreiber.

Cedrenus hat für diese Epoche den Theophanes stark be- nutzt und in unserer Stelle gradezu wörtlich ausgeschrieben; er bietet II, 6. 22 ff. ed. Bonn.: Inmxoy de noir^aag tlor^yuytv Toy AQTußaaöoy ovv JOig vioTg uvtov xui roTg (ptXoig SedefAevot^ (if-Ui yli'unrualw tio xptvöiovvuio naTgtag/fj TVff^iyTi c)i^|UO-

467

tjiiof xdi in! ot^u ayriariuöiffiti xit&itofieyia. Ganx obenso schöpft ans Tlieopbanes Zonaras III, 346. 13 IT. ?d. Dindorf.; doch auch er veias nichts von einer Blendung: üT-Tm /i!;y xai toi' naT^iÖQxrjr Ifyaoiämoy änh jnv Junnlov lianx^r^vui xfltiaiti; oyot ltfitt,!i(it»oy äyri(ng6<p(i)g, Vc' op« Jipöf ovpäy, ärffiiaQ oviu nai avToy i9^iüfifftvaty , npvTtpoy dn/toa/ojg rwyff/vra, taait Tr^y npö^jjniv tov äoid/fiov Jtar^iapx'*'' ' 'fp/<«»'<'i' tlg i'gyoy Ußr,ya..

Qsaz offenhar, weder Änastasius, noch Cedronus, noch Zonaraa baben in ibrem Theophanes irgcod etwas vod der BloDdiin^ des Kirche Dil berhanptes TorgefiindeD. Dio Suche liegt noch auf der Hand. Es ist oinfachei Schreibfetater und Theophanes I, fi46, 16 für üfiu Ayuirtaahp lüi Tfiivdfuyj:ftip naiQiüpXfl Tiv^iwS^f t( Zu scbreibun «/m j4yiia%anli>i iiu \fiivdioyVftm nujQiugynj %v- <f&iytt. So kommt der Autor mit seinen Auseuhreihem und sich selbst in Einhlang. Die Blendung des Patriarchen darf aber hinfort nicht mehr unter den Greueln der Bilderstürmer figuriren. Faul Sauerbrei.

2. Die italleoisohe Ueberaelziiag von Lotbor's Schrift

„An den obristliohea Adel dentacdier Nation" nnd

ihr Verfasser.

In Meusel'a Ilistorisch-litterariäclL-bibliogriipbiachera Maga- zin. Chemnitz 1794 (VII. u. VIII. Stück) wird diese „bisher unhekannto "' Uöbersetzung erwähnt. Dem Ueberaetzer uachxu- spüren", meint der Verfasser joner Notiz, Waldau, „wird wnlil vergebliche Mähe sein. Vielleicht war ea derjenige, welcher Melanchthnn'a Locoa comm. Theologicoa italieniach heransgah. Es könnte aber auch ein Deutscher, welcher der itiilieniachen Sprache mächtig gewesen, dio Schrift Luther'a den Verehrern der ver- einigten (gereinigten?) Lehre des Evangelii in WelschJand zu lieh in ihre Sprache ü berge triigen haben" (S. 356 f.)- Uehrigena weist Waldau selbtit aufFneasün's Kirchen- und Ketzerhistorie der mittleren Zeiten, Bd. in, S. 353, hin, wo unaere Schrift er- wähnt ist, und der gelehrte Veesenmeyer hat im „Neueu Lite- rarischen Anzeiger" {in. März 1807, S. 175 f) daran erinnert, dass auch Löscher, llisloria motuum II, liiH, ihrer gedünkt und als Üruckort Bologna annimmt. Die Frage niLch dorn [Tebcr- ijetzer lätist aich Jetzt mit ziemlicher Sicherheit beantworten: es war, wie iub glaube, Bartolomeo Fonzio, ein Minorit auä Venedig.

Deber sein Loben hat de Lova {Degli Eretici di Cittadelhi, Atti deir latituto Veneto Ser. IV, vol. II , vgl. dess. Sterin d^cu- montiita di Carh) V., III, 32811.) einiges beigebracht. Daraus

468 ANALEKTEN.

geht heryor, dass Fonzio gegen 1530 wegen einer in 8. Qeiemii gehaltenen Predigt dennncirt, and auch ans anderen Orttnd« mit dem damals in Venedig verweilenden Giovanni Pietro Canlb |^ ▼erfeindet, in demselben Jahre die Flucht ergriffen nnd dek nach Deutschland und zwar nach Augsburg gewandt hat 2m ersten Mal begegnet sein Name in einem Briefe, den Jaoopo Salviatiy Secret&r Clemens* VII., unter dem 19. NoTember 1531 an ihn richtete (Lettere di principi III, 4) und den er selbst nebst anderen dem päpstlichen Legaten Gampeggi in Augsboi; ▼orzeigrte (Aleander an Sanga, 31. Mai 1532, bei Lämmer, Mo- num. Vat, p. 116). Sodann erwähnt ihn Caraffa in der Instruc- tion vom Jahre 1532 als einen Hauptverbreiter der ketserischen Meinungen in Venedig (Rivista Crist, Florenz 1878, S. 282), der nunmehr auswärts „alla Luterana" lebe. Von einem sol- chen frate italiano, der aus Venedig ist und in Augsburg lebt, berichtet etwas später Vergerio (an den vonet. Senat, 27. Aug. 1534, Mon. Vat. p. 172) und zwar insbesondere, dass derselbe ein Büchlein von ungefähr hundert Blättern in Octav unter dem Titel „Corrottion del Stato Christiano, anno 1533" ohne Angabe des Verfassers und des Druckortes in italienischer üebersetzung herausgegeben habe. Vergerio, der die Schrift selbst gelesen hat, über ihren Verfasser (Luther) jedoch im Unklaren zu sein scheint (a. a. 0., S. 172. 173), nimmt einen deutschen Druckort an, während der Venetianer Giovanni Angelo Odone in einem am 16. Juni 1534 an Butzer geschriebenen Briefe von ihr als einer in Venedig erschienenen Schrift redet (nach Schmidt, Ver- migli, S. 32, Anm. t)-

Es bliebe nun zu untersuchen, ob der „frate italiano " bei Vergerio mit unserm Fonzio identisch ist. Daf[lr sprechen mehrere Anzeichen: der von Vergerio erwähnte Mönch ist aus Venedig Fonzio ebenfalls; jener lebt 1534 in Augsburg Fonzio ist 1530 eben dahin geflohen und seine Anwesenheit in Augsburg wenigstens zwischen 1531 und 1533 läset sich nach- weisen, da er Briefe von dort aus an Butzer schreibt (Schmidt a. a. 0., S. 32, Anm. ***). Dass Fonzio der Sache der Evan- gelischon geneigt war und wirklich diente, geht nicht allein aus diesem seinem Briefwechsel mit Butzer und aus der Aeusserung dos Cochläus (in Aleander's obigem Briefe vom 31. Mai 1532, a. ji 0., S. 117) hervor, Fonzio habe „totum Lutherum in ventro absconditum", sondern auch aus der von ihm selber dem vene- tianischen Orator gegenüber getanen Aeusserung „che havea molti partiti buoni che gli herotici gli faceano" (ebenda) und aus der Art wie Aloander selbst sich über ihn ausspricht. Es scheint mir, dass diese Daten hinreichen, um grade in ihm den mutmass- lichen Uebejsetzer von Luther's Schrift zu erkennen.

MISCELLEN. 469

Bei dieser Qelegenheit sei noch bemerkt, dass das von Ed. Böhmer, üeber die Zwillingsbrflder Jnan and Alfonso de Val- dte (Anhang zu der deutschen üebersetzong von Vald^s' Unndertondzehn göttlichen Betrachtungen, Halle 1870, S. 351, Anm. 1) als auf der WolfenbQttler Bibliothek vorhanden er- wähnte „evangelische Schrifbchen'^ (Opera divina della Christiana Vita) nichts anderes als eine üebersetzung von Luther's „Von der Freiheit eines Christenmenschen'* ist

Bonn. Karl Benraih.

Zu Band lY, Heft 1:

Fra^entc von Uomilien des Pbotins.

Der Satz S. 132: „welch* letztere von H. Haupt Obersehen wurden ** könnte von Lesern, denen der inhaltreiche Aufscitz HaupVs (Hermes XIV, S. 36 ff. 431 ff.) nicht gegenwärtig ist, nusdeutet werden. H. Haupt, dem ich für den Hinweis auf die Handschrift dankbar bin, beabsichtigte gar keine vollständige In- haltsangabe der Hs., wie ich übrigens selbst in den Worten „hat H. Haupt . . . ausführlichere Mitteilungen Ober die Hs. veröffentlicht ** andeutete (vgl. auch meinen Au&atz im 1. Jahr- gang dee Rhein. Museums).

Wflrzburg, Juli 1880.

Dr. phil. K. K. MüUcr.

Druek toq Friede. Andr. Ferihea iu Ooiha.

t

t

I

1

Tatian's Diatessaron und Mardon^s Gommeotar zum EvaDgelinm bei Ephraem Synis.

Ein Berioht

von

Adolf Harnaok.

3ivaiigelii oonoordantlB expositio ÜEUSta a 8. Ephraemo Dootore Syro. In Latinuin translata a R. P. Joanne Baptista Aucher Mechitarista, cujus versionem emendavit, adnotationibus illustravit et edidit Dr. Georgius Mösinger. Venetiis, 1876 Libraria PP. Mechitaristarum in Monasterio S. Lazari (Xu, 292 pp. i. gr. 8«).

Nichts Geringeres als ein Commentar oder richtiger theologische Scholien Ephraem's zum Diatessaron Tatian's liegen hier vor, und das Diatessaron seihst ist in dem Commentare zu einem grossen Teile wörtlich enthalten.

Im zweiten Bande der in das Armenische ühersetzten ^?^erke Ephraem's war schon seit längerer Zeit aus zwei Sandschriften; die heide zußdlig aus dem gleichen Jahre (1195) stanmien^ von einander aher unabhängig sind, eine Expositio evangdii concordantis dieses Theologen veröffent- licht (die Handschrift B ist von einem Erzbischof Nerses ^enhändig; A im Erlöster Haibat geschrieben worden; A ^t durch Lücken und Fehler in stärkerem Masse entstellt). Sie blieb das Geheimnis der des Armenischen kundigen Ge- lehrten; meines Wissens hat allein P. de Lagarde von "^ Notiz genommen. Im Jahre 1841 hat Aucher sie in ^ Lateinische übersetzt; aber erst vor vier Jahren ist diese üebersetzung, nach dem Original revidirt, von Mösinger

Zeitsdlr. t E.-0. lY, 4. 32

472 HABNACK,

pubEcirt worden. In der Einleitang zn seiner Ausgabe sack l! Mösinger den Beweis zu fuhren^ dass die Expoeitio wirkHck von Ephraem stammt^ und dass die Evangelienhannome^ welche ihr zu Grande li^^ das Diatessaron Tatian's ist Das Erste betreffend^ ist festzustellen, dass l) das Qrigioil der Expositio ein syrisches war; 2) die armenische üeber Setzung dem fünften Jahrhundert angehört; 3) Stil, Art der Auslegung, Polemik und theologische Bildung den €reU Ephraem's verraten und sich auch Rückbeziehungen auf ältere Schriftien desselben Autors finden (z. B. p. 83); 4) die Schrift in Edessa geschrieben ist und die historischen ye^ hältnisse, welche in ihr angedeutet sind, mit der Lage der edessenischen Kirche seit d. J. 364 zusammenstimmen (s. z. R p. 287 und die Erwähnung des Valens); 5) dass DionysiiiB Barsalibi (f 1171) bezeuge, Ephraem habe das Diatessaron Tatian's ausgelegt Die Urheberschaft Ephraem's ist in der Tat das lehrt namentlich eine Vergleichung mit den üb- rigen uns erhaltenen Werken desselben zweifellos; das ftinfte Argument ftihrt aber bereits zu der entscheidenden Hauptthese hinüber. Der Herausgeber verweist auf die Ge- schichte des Diatessarons in der syrischen Kirche^ sich auf die gründliche Abhandlung von Semisch (1856) stützend. In neuerer Zeit ist die Frage vom Verfasser der ^^ Super- naiural Religion^', von Lightfoot, Sanday u. A. verhan- delt worden, s. auch Hilgenfeld, Einl. in das N. T., S. 75£; durch die Publication der vollständigen Doctrina Äddaei (Phillips 1876), die der Herausgeber noch nicht hat be- nutzen können er citirt die Äncisnt Syriac Documents Cureton's und die Armenisch -französische Recension der Abgarlegende von Alishan (1868) ist sie aufs neue in Erinnerung gebracht worden, s. Zahn, Gott. Gel. Anz. 1877 6 St. S. 183 f.; Lipsius, Die edess. Abgarlegende 1880; Nestle, Theol. Lit-Ztg. 1876, Nr. 25; 1877 Nr. 4; Gott. Gel. Anz. 1880, Nr. 48. Bekanntlich hat noch Theodore! bezeugt, dass Abschriften des Diatessaron in seinen Gemein- den zu hunderten in dem kirchlichen Gebrauche gewesen sind. Mösinger hat allerdings die Bedenken nicht beachtet, welche gegen die Identität des tatianischen Werkes und der

EvangelienLarraonie der syriscLen KW. seit Credner gel- tend gemacht worden sind; aber man wird ihm echwerlich einen Vorwurf daraus machen können; denn jene Bedenken waren wirklich nicht schwerwiegend. Ist nun der Evan- gelientext, welcher der Expositio zu Grunde liegt, der dea unveränderten Diatesaarons Tatian'a? Der Herausgeber hat es mit dem Beweise leicht genommen; aber in der Sache hat er Recht. Hat er auch wenig getan, um die Expositio und ihren Evangelien fext zu verdeutlichen das Stellen- register S. 289^292 ist unvollständig und dabei gradezu irreführend, da nur die von Ephraem wirklich commentirten Perikopen zusammengestellt sind , so ist doch seine lieber- Setzung allem Anscheine nach wörtlich und genau, und in den AnmerkDngen ist manche wertvolle Mitteilung enthalten, namentlich über den handschriftlichen Befund, so dürftig dieselben auch sind, und so häufig auch der Verfasaer geirrt oder Richtiges übersehen hat. Um zu entscheiden, ob der von Ephraem gebotene, aeinem Ursprünge nach unbenannte Text der des Diatessaron ist, haben wir uns vor allem an die spärlichen Notizen zu halten, die wir über dasselbe be- sitzen: l) das Diatessaron war eine Zusammenstellung un- aerer vier Evangelien man darf dies im Hinblick auf Tatjana Oratio ad Graecos sowie auf die Geschichte des Buches in der Kirche für sehr wahrscheinhch halten; auch Euaebiua (H. e. IV, 29, 6) scheint dies vorauazusetzen; er spriclit einfach von den Evangelien, die Tatian zusam- mengestellt bat. Aus geinen Worten : avmquüi' nva x«i awar- Yioyl,!- ovx o7ö' oniag mit Semisch (p. 4) und Anderen zu Bchliessen, dass er das Buch überhaupt nicht gesehen hat, ist unberechtigt; wir haben vielmehr 2) zu erwarten, daaa die Perikopenzusammenstellung in demselben eine eigentum- liche und auflallende gewesen ist. Diese Erklärung ist wie dem Context, so auch dem Sprachgebrauch des EusebiuB angemessener; 3) in dem Diatessaron, welches mit Job. 1, l nach dem Zeugnis des Barsalibi begonnen liaben soll, fehlten die Genealogien und war 4) weggeschnitten, waa die Ab- stammung Jeau ans dem Samen Davids nach dem Fleisch bezeugte (für beides s. Theodoret); 5) abgesehen hievon kano.

472 HABNACK;

pubEcirt worden. In der Einleitung zu sein Mösinger den Beweis zu föhren; dass die F von Ephraem stammt ^ und dass die Er welche ihr zu Grunde liegt, das Diatev Das Erste betreffend, ist festzustellen, da ' der Expositio ein syrisches war; 2) die Setzung dem fünften Jahrhundert angehör Auslegung, Polemik und theologische ^^. Ephraem's verraten und sich auch Ri' ältere Schriftien desselben Autors finden ( - Schrift in Edessa geschrieben ist und r hältnisse, welche in ihr angedeutet sind edessenischen Ejrche seit d. J. 364 zusar p. 287 und die Erwähnung des Valens' Barsahbi (f 1171) bezeuge, Ephraem ' Tatian's ausgelegt Die Urheberschaft Tat das lehrt namentlich eine Yetf rigen uns erhaltenen Werken desselbr fünfte Argument fuhrt aber bereits ? Hauptthese hinüber. Der Herausgebr schichte des Diatessarons in der syrif- die gründliche Abhandlung von Sen In neuerer Zeit ist die Frage vom natural Religion ", von Lightfoot, delt worden, s. auch Hilgenfeld,Ei durch die Publication der vollstän (Phillips 1876), die der Herausg nutzen können er citirt die Ai Cure ton 's und die Armenisch -fr Abgarlegende von Alis ha n (1866 Erinnerung gebracht worden, s. 6 St. S. 183 f.; Lipsius, Die Nestle, Theol. Lit.-Ztg. 1876, K Gel. Anz. 1880, Nr. 48. Bekan? bezeugt, dass Abschriften des Dir den zu hunderten in dem kircl> sind. Mösinger hat allerdings di' welche gegen die Identität des i

TATIAK'S DIÄTE8BAH0K UND MAKaON's COMMENTAH. 476

tedäcbtnis citirt, wo er der Ordnung aeines Textes nicht letr folgt, ist unverm eidlich ; solche Citate dürfen mithin Usern nur angerechnet werden, wenn sie sich sonst belegen wsen. An ein paar Stellen verweist er aach auf den textus hraectis (s. p. 29. 53. 116); der Unterschied von dem Syroa it dann immer bemerkenswert. Einmal (p. 228) citirt er egen die Harmonie auch die „lectio" (scriptura). Endlich it darauf hinzuweisen, dass die armenische Uebersetzung irar allem Anscheine nach sehr genau zu sein acheint (a. lösinger p, XI), dass sie aber docJi Fehler, Lücken, Um- illungen u. s. w. aufweist (namentlich in Cod. A), und auch ie beiden Handschriften derselben oftmals von einander ab- peichcn. Welche Umstellungen dem Armenier angehören, od welche auf Rechnung der noch im fertigen Arbeit ^hraem's selbst kommen, läsat sich nicht an allen Stellen nt Sicherheit ausmachen. P. 90 n. 4 giebt Mösinger ein- 1*1 beiläufig an, dass gewisse Worte in beiden Handschriften I rubro geschrieben und deshalb ab Citat zu betrachten Ben (s. auch p. 108 n. 4). Es wäre nun sehr wichtig za iJBsen, ob in den armenischen Codices wirklich die meisten ingehencitate so ausgezeichnet sind, und ob Mösinger in inem Text nur das dort Ausgezeichnete gesperrt gedruckt Leider erfahren wir darüber nichts Bestimmtes, dürfen aber eben nach Stellen wie p. 90 n. 4, 108 n. 4, 128 n. 3 voraussetzen. Die evangelische Geschichte ist im Arme- nier in 22 Kapitel eingeteilt. Mösinger hat dieselben bei- behalten.

Doch ist es möglich, zunächst den syrischen Text der Evangelienharmonie aus der Superühersetzung , in der ihn uns Mösinger vorgelegt hat, soweit festzustellen, dass sich nicht nur ein sicheres Urteil über die Anlage des ganzen Werkes, sondern auch über 'den Text einer Reihe von wich- tigen Stellen gewinnen lässt. Dieaes Urteil schliesst aber daa andere ein, dass hier wirklich das Diatesaaron Ta- tian's in syrischer Uebersetzung vorliegt. Somit iet es gestattt^, die Reihenfolge und die Verarbeitung der evangelischen Perikopen, wie sie hier vorliegt, auf den griecbiscben Tatian einfach zurückzuführen, wenn gleich auch

L

476 HABNACK;

hier die Annahme leiser Aenderongen a priori nicht aiu- geschlossen ist Anders steht es mit der Textgestali Die Uebersetzung kann sich an eine ältere syrische ETangeBen- übersetzong angelehnt haben; der Text Tatian's mithin durch sie beeinflusst sein. Im folgenden suche ich in Kürze die Harmonie zu charakterisiren und ihren tatianischen Ur- Sprung zu erweisen.

1) Die Harmonie stellt sich als eine völlige In-£ins-Bil- dung der vier kanonischen Evangelien dar. Sie erscheinen so fest ineinander verwebt^ so künstlich versponnen , daas nirgendwo^ so zu sagen^ eine Naht sichtbar ist Der Uebei^ gang von einem Evangelium zum andern ist nirgendwo an- gedeutet^ auch Ephraem bemerkt ihn in seiner Erklärung an keiner Stelle. Bei aller Eünstlichkeit der Harmonisiik hat der Verfasser mit bemerkenswerter Freiheit gewaltet^ die Texte kühn zusammengezogen ^ Unfiigsames einfisu^ weg- gelassen^ imbekümmert um den Verlust von Worten und Sätzen. Ist es auch nach dem eben bemerkten nicht leicht anzugeben^ was in der Harmonie wirklich gefehlt hat, so geht doch aus einigen Stellen sicher hervor^ dass der Ver- fasser lange nicht den vollständigen Text der 4 Evangelien aufgenommen hat. Die Textgestalt der Harmonie stimmt überein mit der Angabe Theodorets über das Diatessaron, dass es ein verhältnismässig kurzes Buch gewesen sei. Schon hier darf deshalb die Frage erhoben werden, ob ein solches Verfahren einem Schriftsteller noch möglich gewesen wäre, für welchen die Evangelientexte bereits unter dem Schutze eines kanonischen Ansehens standen.

2) Die Harmonie beginnt mit Joh. 1, if. imd berück- sichtigt fortgehends die vier Evangelien. Die Ausnutzung des Marcustextes ist reichlicher, als man nach dem Stellen- register bei Mösinger zu schliessen geneigt ist (s. z. B. Mr. 1, 12 p. 42; 1, 32 p. 122; 6, 8 p. 91; 10, 35 f. p. 178; 10, 46f. p. 181; 11, 13f p. 183f. u. s.w.). Das Matthäus- Evangelium giebt dem Verfasser den Faden, aber Mösinger hat sehr oft dieses citirt, wo die Harmonie augenscheinlich dem Lucastexte folgt Das Johannes-Evangelium, welches

BÜem Anscheine nach ziemlich vollständig aufgenommen ist, ■st in höchet eigentümlicher Weise tn den aynopüachen Text eingearbeitet. So ist die Perikope Joh. 3, 1 14 auf den letzten Aufenthalt Jesu in Jerusalem verlegt und nach Matth. 21, 19—22 gestellt. Den Einzug in Jerusalem (Matth. 21, 1 11) hat der Verfasser erst nach einem Teile der grossen ierusalemi sehen Reden, ja nach Matth. 26, 6—13 folgen lassen; hier ist er durch die Rücksicht auf Johannes bestimmt. Auch sonst ist seine Anordnung in vielen Fällen eine frap- pirende. Wenn ich nicht irre, hat er sich in vielen Stellen durch die äachordnung leiten lassen. Als Probe der Harmonistik, freilich nicht als bezeichnendste, sei die Ver- arbeitung von Matth. 1—4, 11; Luc. 1, 3 3, 23; Joh. 1; Marc. 1 angeführt: Joh. 1, 1 5 eröSnete das Buch, dann folgte Luc. 1, 5 79 (Luc. 1, 1—4 fehlte überhaupt, ebenso Marc. 1, 1—3; Matth. 1, if.); weiter Matth. 1, 18—25; Lnc. 2, 1—14, resp. bis 20; Luc. 2, 21—35, resp. bb 38; Hatth. 2, 1 15; 2, 16 23; nun war wahrscheinlich Joh. 1, 6 18 angefügt (Expos, p. SSsq.). Zwar citirt Ephraem V. 18 bereits p. 3, V. 11 p. 5, V. 14 p. 6, V. 17 p. 7, aber allem Anscheine nach proleptisch. Die Reihenfolge der Verae Joh. l, ß 18 ist vielleicht eine andere gewesen, als wir sie jetzt lesen , und möglicherweise hat auch etwas ge- fehlt, doch ist das nicht sicher. Es folgte Joh. I, 19 28, sodann Lue. 2, 40 52, hieran scbloss sich Matth. 3, 1 10 reap. bis 13, weiter Joh. 1, 29 b (ob noch mehr aus Johan- nes, steht dahin. P. 128 führt Ephraem Joh. 1, 32 an, aber man kann hieraus nicht sicher schheasen, daas ea in der Harmonie enthalten war), Luc. 3, 23a; Matth. 3, 14 bi» 17. Sehr interessant ist die Verarbeitung der Texte in der nun folgenden Versuchungsgeschichte. In dem Anfange- satze: „Statim Spiritus sandus eduxit eum in desertum, ut tentaretur a diabolo" ist die erste Hälfte ^ Marc. 1, 12, das „sandus" stammt aus Luc. 4, l, die zweite Hälfte = Mattfa. 4, ib. Solche Fälle sind nicht selten; sie sind des- halb wichtig, weil sie beweisen, dass auch der Text der griechifichen Vorlage im einzelnen vom Syrer treu bewahrt ist, denn solche Zusammenstellungen müssen dieser selbst

478 HABNACK;

angehören. Es folgt Matth. 4, 2, aber es fehlen die Wcnle xai TiaaoQaxovxa yixrag (wie Luc. 4, 2). Die Anrede da Satan lautet: „Si filius es dei^ die lapidibus isUs, utpam fiant (in hoc momento?)^' eine Verschmelzung, aus Matdi. 4, 3 (iini iVa oi Xld-ot ovroi agroi yiytoytai) und Luc. 4, 3 (iini T(S Xid-ü) T0VT(0j lya y^vijTai agTog). Dann folgt Hatdi 4y 4; 4c f 5 (aber ohne tig Trjy wflav nokiv^ und statt des Wortes bei Matth. : na^aXa/ißanty hat die Harmonie eduxü = ijyayiy Luc. 4, 9); Matth. 4, 6, aber die Harmonie bietet ein£Eich: „projice te deorsum in terram, quia scriptum estj quod cusiodient te, ne unquam offendai ad lapidem pes tuf/^/^ Der Satz ,^iterum sumpsii cum et duxit in fMmtm quemdam excelsum valde et dicit ei: Mea sunt regna omnia; mihi datum est; potestatem habeo ego super onh nia haec; regna et gloriam eorum tibi dabo^^ ist wiederum künstlich und frei, aber treffend aus Matth. 4, 8 und Luc 4; 6 zusammengeschweissty ebenso die Worte: ^,cades in faciem tuam et nie pronus adorabis^' aus Matth. 4, 9 und Luc. 4, 7. Die Worte: „retro vade Satana'^ stammen aus Matth. 4; 10; dagegen der Satz: ,^discessit ab eo (diaibclus) ad aliquod tempus; venerunt angeli et ministrabant et'* ist in seiner ersten Hälfte aus Luc. 4, 13, ?in der zweiten aus Matth. 4; 11. Hieran schloss sich Job. 1, 35 51; mög- licherweise aber 1, 29 51, ob vollständig, ist nicht auszu- machen. Wie die Harmonie die Zeitbestimmungen Job. 1 behandelt hat, bleibt ebenfalls ungewiss. Wahrscheinlich hat der Verfasser hier eine Uebersicht über die 12 Apostel unter der Aufschrift: „Ordo et sol&innitas apostolorum domini" folgen lassen. Dann reihte sich Joh. 2, 1 f an. Diese Probe möge genügen, um das Urteil zu bestätigen, dass wir es hier mit einer ebenso sorgsam wie frei und eigentümlich ge- machten Evangelienharmonie zu tun haben.

3) Die Genealogien fehlen wirklich gänzlich; Ephraem hat sie schwerlich zufällig übergangen, da er grade am An- fange seines Werkes jede Perikope wenigstens kurz berührt

4) Theodoret sagt, im Diatessaron seien die Stellen aus den Evangelien weggelassen, welche die Abstammung Jesu von David bezeugen. Der Tatbestand in Ephraem's Har-

tatun's diätessaron und harcion's cohhentar. 179

monie ist in Kürze folgender: Die Stellen Matth. 9, 27; 12, 23; 22, 42 f. Luc. l, 27; 1, 69; 2, 4. Joh. 7, 42 (und Pa- rallelen) sind nicht zu controliren, da die Perikopen fehlen. Marc. 10, 47 (resp. Mattli. 20, 3Ü. Luc. 18, 3») und Matth-

21, 15 steht „Sohn Davida" im Munde des Bünden und der Kinder auch im Diätessaron (p. 181. 207). Dies sind aber auch die beiden einzigen Stellen und sie haben nichts auf sich. Dagegen lautet Matth. 1, 20 (p. 22): „Qnapropter apparuit ei angelus et üixit: Ne timeas"; Matth. 15, 22 (p, 138): „Mvlier damavit et secuta est eum dicens: Mi- serere mei. Ipse auletn etc."; Luc 2, 11 (p. 27): „Hodie nalus est vobis salvator, qui Christus domini est"; und Luc. 1, 32 (p. 15) citirt Ephraem: „dabit ei dominus deus sedem David." Bald darauf fp. 16) führt Ephraem die Worte allerdings also an: „dabit ei dominus dexts thronum Da- vid patris sui" und spielt auch auf ein e domo David in Luc. 1, 27 an, aber der Ausdruck „thronum" für „sc- deni" beweist, dass er hier aus dem Gedächtnis d. h. nach dem vollständigen Lucas-Evangelium citirt hat Daa Fehlen der Beziehungen auf David an den angeiiihrten Stellen wird aber schwerUcb als ein bloss zuiiiiliges bezeichnet werden dürfen. Dazu kommt, daaa auch sonst Evangeiienworte in der Harmonie zu fehlen scheinen, welche dem Judentum günstig sind. Indessen hält es um der fragmentarischen Be- achaffcnheit der Citate Ephraem's willen schwer, hier ein sicheres Urteil zu gewinnen, und anderseits ist es aus einigen Stellen, die Ephraem aufbewahrt hat, völhg deuUich, dass Tatian einen Äntijudaismus oder Antinomismus im Sinne Marcion's durchaus nicht vertreteu hat. Was z. B. die Be- äehimgen in den Evangelien auf Abraham betrifft, so war Matth. 3, 9 (p. 40), Luc. 16, 22—30 (p. 175), Luc. 19, 9 (p- 180), Joh. 8, 33—58 (p. 196 sq.) in das Diätessaron auf- genommen. Daa Fehlen von Matth. 8, 11 (p. 74), Matth.

22, 32 (p. 194), Luc. 1, 55. 73 in den Citaten Ephraem's wird also schwerlich beachtenswert sein. „Moses und die Propheten" Luc. 16, 31 (p. 175) finden sich, ebenso „Moses" in der Verkläningsgeschichte (p. 155 sq.) und sonst im guten Sinn (p. 36). Dagegen acheint es nicht zufällig zu sein,

480 HABNACK,

dass die Beziehung der Erlösung durch Christas primir aof Israel^ wie sie in den Evangelien henrortritty in den CStata aus dem Diatessaron nur an einer Stelle aufbehalten iit (p. 91 ist MattL 10^ 6 erhalten; MattL 8, 10 [p. 74] und Joh. 3f 10 [p. 188] kommen natürHch nicht in Betnclit)^ Zwar auf das Fehlen von ^lagariX in Mattk 2, 6. 20. 31; 9; 28 (Luc. 22; 30); 9, 33; 27; 42 (Marc. 15, 32); Joh. 12; 13; Luc. 1; 16. 54. 68; 2, 25; 24; 21; JoL 1, 31 liast dch nicht schliesseu; da diese Verse überhaupt nicht too Ephraem citirt worden sind; dagegen ist es kein ^a&fl, dass Ephraem aus dem Diatessaron Luc. 2; 32. 34 (p. 38); Joh. 1; 49 (p. 50); MattL 10; 23 (p. 95); Matth. 15, 24 (p. 138) anfuhrt; ohne ;; Israel '' zu erwähnen. Luc 4; 25. 27 (p. 130) bietet die Harmonie: „in domo Israel'*, aber diese Stellen konnten ihrem Verfasser nur willkommen sem, ja Marc. 6'; 5 hat er gelesen (p. 130): „in domo Israel virkUem aliquam faccre non poterat/' Matth. 4; b (jp 4A) ist citirt; aber ohne die ;; ayia nokig '' des Matthäus^ und Job. 4; 22 fehlt; während doch sowohl 4; 21 als 4; 23 angefahrt werden. Diese Beobachtungen machen es wenigstens wahr- scheinlich; dass Tatian im Diatessaron nicht nur die Davids- sohnschaft entfernt hat; sondern auch sonst noch mit leiser Hand ähnlich Anstössiges beseitigte; ohne deshalb einen hä- retischen Antinomismus oder gar Doketismus zu bekunden. Er hat auch alttestamentliche Citate der Evangelien beibe halten; so z. B. p. 32—36 (Matth. 2; 18. 15. 23).

5) DaS; was oben sub 6) aus dem Diatessaron Tatian'fl mitgeteilt ist; lässt sich an der Harmonie Ephraem's nicht mit Sicherheit controliren. Es scheint; dass dort Joh. 19; 34 nicht unmittelbar auf Matth. 27; 49 folgte; sondern vielleicht Luc. 23; 46 noch dazwischen stand. Doch lässt sich das nicht ausmachen; und anderseits hat sich der Scholiast 72 auch nicht präcis ausgedrückt.

6) Die Mitteilung von Scholz über das Diatessaron (s. oben sub 7) ist uncontrolirbar; da Ephraem zwar die Peri- kope berührt, aber den Vei*s 42 nicht citirt hat.

7) Die Evangeliencitate, die sich in der Oratio Tatian's imd in den Fragmenten seiner Werke finden; sind nicht zahl-

tatian's diatessabon und marcion's commektäh. 481

Otto fiihrt dort sechs, hier drei auf. Unter jenen sind drei lediglich Anspielungen (Matth. 13, 44; a. Orat c. 30; Joh. 1, If., s. Orat. c. 5; Joh. 4, 24, s. Grat. C- 4); aie taaeen keine nähere Vergleichung zu; doch finden sich die Perikopen auch in der Harmonie Ephraem'e. Luc. 6, 25 wird Kapitel 32 citirt. Ephraem hat zwar Luc. 6, 24 der HaJinonie entnommen, citirt den 25. Vera aber nicht; man kann daher lediglich constatiren, dass derselbe auch in der Harmonie gestanden haben muas, da Vers 24 und 25 eng zu- sanuuengehören. Endlich enthält die Oratio auch noch Joh. l, 3 und 1, 5 (Kap. 19. 13). Jenen Vera citirt aie so: nävra vn airtoü xai /agi^ avTov yiyovtv ovSi JV. Tatian hat mithin, wie sehr viele ältere Zeugen (e. Tischendorf z. d. St), das 0 ylyoyty zum Folgenden bezogen; aber auch in der Harmonie lesen wir: „et sine ipso factum est nihil. Quod- cunque factum est, per ipsum vita erat" (p. 5). Tatian und die Harmonie stimmen somit zusammen. (Das vn avrov dort für dl' airov ist wohl ein Gledächtnisfehler). Kapitel 13 heisst es in der Oratio: ^ axoiia td ^wf oi) xaTaXafißävu (daa Präsens machte der Zusammenhang notwendig) ; in der Har- monie steht: „ei haec lax (der Armenier hat an einigen Stellen den Status emphaticus so wiedergegeben) in ienebris hteebat et tenebrae eam non vicerunt." in Fragment I iat eine Anspielung auf Matth. G, 24; in Fragment H wird Matth. 6, 19 und Luc. 20, 34. 35 (Otto führt ftllscblich Matth. 22, 30 an) citirt. Die beiden ersten Stellen stehen auch in der Harmonie, aber sind von Ephraem übergangen ; die letztere lautet im Fragment: ot vioi roS alwyo; ixt(yov ovit ya/iovaty ovtt yofilt^oyrai . , , oi vtoi tov alwyog lovrou . . (Clem. Alex. Strom. HI, 12, 87; Tatian's Name ist hier nicht ge- nannt, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Stelle dem- selben Buche entlehnt ist, dem Clemens Strom. HI, 12, 81 einige Worte entnommen hat). In der Harmonie ist aber diese Stelle ebenfalls in der lucanischen Recension aufgenommen (p. 194), während die ganze Perikope aua Lucas und Matthäus gemischt ist. Soweit sich also aus den uns bekannten Werken Tatian's Schlüsse auf den von ihm gebrauchten Evangelientezt ziehen lassen, stehen dieselben

482 HARNACK^

der Annahme wenigstens nicht entgegen, dass die von Ephraem benutzte Evangelienharmonie eben das Diatessaron Tatian'i gewesen ist. Schliesslich darf auch darauf hingewiesen we^ deu; dass Tatian weder in seiner Oratio noch sonst einen Evangelistennamen genannt hat, aber auch in der Ha^ monie Ephraem's fehlte jede Erwähnung des Matthäus Marcus u. s. w.

8) Die Harmonie hat geschlossen mit Joh. 21, 19—22 (23) und Luc. 24, 49 (Act 1, 4?), s. p. 271, 274 (dn Zeugnis für die Ursprünglichkeit von Joh. 21, 1 23). Die Himmelfahrt war mithin in ihr nicht enthalten. Dies erweckt ein sehr günstiges Vorurteil für ein hohes Alter derselben; der unechte Schluss des Marcus, das Einschiebsel in Luc 24, 51, aber auch Matth. 28, 16 20 sind noch nicht be- rücksichtigt Die Perikope von den Frauen am Ghrabe hat gefehlt; wenigstens bezieht sich Ephraem lediglich auf Joh. 20, 1—18; 21, 19—23 und Matth. 28, 13.

9) Im Folgenden mache ich auf einige interessante, eigen- tümliche oder altbeglaubigte Lesarten aufinerksam. MattL 1, 18: 'Irjaov XgioTov cum »CJEKLM syr utr., aber g^n syr cur. Matth. 1, 25 (p. 23. 25. 26): „in sanctitate ha- bitabat cum ea, donec peperit primogeniium" cum syr cur. Luc. 2, 34 f. lautete also: „-Ecce hie stat in ruinam ei in resurrectionem et in Signum contradictionis et tuam ipsius animam. Pertransibis gladium"' (p. 28 sq.) So auffallend und unverständlich diese Lesart ist, so ist sie zunächst fest- zuhalten. (Der eine armenische Codex [A] liest freilich : per^ transibit gladius ; indessen da Ephraem die Stelle also erklärt gladius quippe, qui sepivit paradisum propter Evam, toUe- batur per Mariam, Vel: ,^pertransibis gladium'^, i. e. negationem, so hat er unzweifelhaft das gelesen, was B bietet, der überhaupt der vorzüglichere Codex ist.) Im sy- rischen Tatian scheinen aber weiter die nächsten Worte nach „gladium" gefehlt zu haben; denn Ephraem fährt fort: Sed Gr accus clare dicit: Revelentur in muÜis cordibus cogitationes. Welch einen textus Graecus hier Ephraem meint^ ob die griechische Harmonie oder ein vollständiges Lucas- Evangelium, darüber siehe unten. Joh. 1, 17 wird p. 36

TATUN*» DIATEßBABON USD UARCION'S COHMENTAB. 483

Icitirt: „Per Moysen est lex; veriias ejus per Jesum fominum nostrum"; doch ist das „ejus" möglicherweise iusatz dea Commentatora. Joh. 1, 29 (p. 4l): „Ecee, hie st agnus dei, Ate est, qui venit, tollere peccata mundi."' tei der Wiedergabe der Perikope Matth. 3, 14 f. (p. 41 f.) rzählt Ephraem : „domintts nosier dextram ejus {seil. Joan- im) sumpsit et super caput suum posuit." Diese Worte sind ■on Müsinger nicht gesperrt gedruckt: es ist daher nicht im- rweifelhaft, daas sie der Harmonie zuzuweisen sind. Joh. , 48 (p. 50): „Ecce vertts scriba Israelita, in quo dolus lon est", eine sonat unbezeugte Lesart. Zu Joh. 2, if. »emerkt Ephraem (p. 53): „Graecus scribtt: Secubuit ei lefecit vinam." Bekanntlich ist Joh, 2, 3 unsicher überlie- ert, aber diese Form bietet sonst kein Zeuge. Matth. I, 3 (p. 62): „Beaii sunt pauperes in spiritu suo", sonst nbezeugt Matth. 8, 10 (p. 74): „Non in aliquo in

srael tantant fidem inveni", so auch B, viele gute Mi- luskeln, syr cur., tat. vet., Op. imperf. in Mi. In ler Perikope von der Blutäüsaigen findet sich, wie es scheint Ja Bibelcitat, der Satz: „quo plures veniebant, ait, tanto nagis morbus invalescebat" {p. 84). Marc. 6, 7 (p. 90. 15) lautet«; „Misit eos binos juxta similitudinem uam"; die letzten drei Worte gehören wirklich zum Text ler Harmonie. Mattb. 10, 23 (p. 95): „Amen dico vo- •is, non poteritis consummare kas urbes, donee venera id «OS." Matth. 11, 4 (p. 100): Ite et narraie Joannt non quod audistis, sed = Zusatz dos Ephraem) ^uod lidistis, Ecce coeci vident et clattdi ambulant etc." ; eincsehi iberraschende Lesart Matth, 11, 25 (p. 116) schreibt Sphraem: „Gratias agotibi, pater coelestis {tnGraeco licit: „Gratias ago tibi, deus pater, domine coeli et terrae"); ene Lesart iat sonst gänzlich unbezeugt. Mattb, 11, 27 p. 117, 8, auch p. 216): „Nemo novit patrem nisi filius, et i£mc novit ßlium nisi pater"; so auch bei Justin, den Clement. HomiÜen, bei Gnostikem des zweiten Jabrhun- lerts u. s. w. Joh. 6, 44 (p, 137): „nisi pater, qui msit me, traket eum ad me {ad ipsum" Ä) Joh. 6, 14 p. 147): En sanus f actus es, exinde noH peccare, ne alio

484 HABNACK;

quodam tibi opus sit'^ eine vielleicht nur verderbte Les- art; in den vorhergehenden Versen ist einiges gekürzt Dies scheint nicht selten vom VerfEusser der Harmonie gesehdhen n sein. Matih. 16^ 13. 14 (p. 153): „Quid de me dicuiäluh mines, guod füius hominis? Bespandent ei: NtmnMÜi dicmitt quod Sit EliaSj alii quod Jeremias.*^ Die Harmonie hat also in Vers 13 mit sehr vielen griechischen Majuakeb und syr cur. fil gelesen; in Vers 14 fehlte ^Imayrri^ ^^ ß^ nrlarrp^. Die Auslassung ist keine zu&llige, da Ephraem in seiner Erklärung nur ^^ Elias'' und ^^Jeremias'' ber&ckacb- tigt P. 156 f. fuhrt Ephraem den Spruch so an: ^0^ dicunt de me homines, quod sim? ei dixerunt: Alii diamt, quod Elias sis, aiii Jeremias, aiii tmus ex propheiisy Aber diese Fassung kommt nicht in Betracht, da Ephraem hier nicht seiner Vorlage folgt, sondern selbst die Worte bei- läufig anfuhrt. Von entscheidender Wichtigkeit ist aber die Textgestalt von Vers 15 20. Die Verse lauten: „Vi» autem quid dicitis de me, quod sim? Simon locutus est: Tu es Christus, filius dei vivi. Et respondit: Beatus es, Simon. Et portae inferi te non vincent. Tu es petray Es liegt hier keine Textverkürzung durch Ephraem vor, sondern so hat die Harmonie wirklich geboten; denn l) das unoxQid-iig Vers 17 lässt auch syr cur. weg; 2) die Worte lauten ,^te non vincent", also war die Phrase di- rect auf Petrus bezogen; 3) Ephraem conunentirt sie auch so, denn er fugt unmittelbar hinzu: „i. e. quod non destrue- tur fides tua. Quod enim dominus aedificat, quis potest destruere, et quod dominus suhvertit^ quis potest suscitare? ^ Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass in der Harmonie alle% was wir zwischen der Seligpreisung und dem Satze „et portde etc.^' im Matthäus jetzt lesen, fehlte, d. h. die ganze Phrase vom Kirchenbau. Nun spricht zwar im folgenden Ephraem vom Baue der Kirche, aber die Art, wie er es tut, beweißt, dass er in seiner Textvorlage dafür keinen Anhaltspunkt hatte, wie er denn auch Petrus und die Grün- dung der Kirche gar nicht zusammenstellt. Augenscheinlich schwebte ihm aus einem anderen Texte eine Reminiscenz vor, aber er hat sie nicht einmal deutlich zum Ausdruck

tatuk'b dutesbason und harcion'b COHHENTAB. 485

gebracht Die Hannonie bot aber Dachträglicli noch die «ine Phraee „tu es petra". So kiirz und einfach lautet sie; denn Ephraem commentirt sie mit folgenden Worten: „iUa petra, quam erexü, ut Satanas in eam offenderet. Econtra S<Uanas hanc petram domirw opponere voluit, ut in eam offenderet, guum Petrus ad dominum diceret: Äbsit do- mine etc." Also was Ephraem richtig erkannt hat der Text, wie ihn die Harmonie bietet, sichert Petrus nur zu, dass er die satanische Versuchung überwinden werde; jede Beziehang auf die Kirche fehlte. Ist es zu kühn ans diesem Fehlen zu schliessen, was schon lange vermutet wor- den ist, dasa im ursprünglichen Matthäustexte jene Phrasen von Petrus und der Kirche wirklich nicht enthalten waren, daas sie erst in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts hinzugefugt worden sind? Denn warum sollte sie, den tatia- nischen Ursprung der Harmonie vorausgesetzt, Tatiau weg- gelassen haben, wenn er sie im Matthäus gelesen hat? Dazu kommt, dass auch der verdächtige Abschnitt Matth. 18, 15^18, wo ebenfalls vom „Binden und Lösen" und von der „Kirche" die Rede ist, von Ephraem aus seiner Vorlage nicht citirt wird, während er doch sowohl aus 18, 19 22, als 18, 10—14 (p. 162 165) anfuhrt. Ich meine, man darf hieraus den Schluss ziehen, dass jene beiden Abschnitte auch noch um die Mitte des zweiten Jahrhunderts im Matthäus nicht zu lesen waren. Luc. 9, 35 (p. 157): „Sic est ßlius meus diledus; ipsiim audite et vivetis"; die letzten Worte sind sonst unbezeugt; Zusätze finden sich auch bei Anderen. Der Text der Verklärungsgeschichte ist teils dem Matthäus, teils dem Lucas entnommen. P. 163 führt Ephraem in seiner Erklärung von Luc. 16, 1 9 folgendes an: „Emite vobis, ait, 0 filii Adami, per kaec transitoria, quae non sunt vestra, id guod vestrum est, quod non transit." Mö- singer bemerkt dazu : quid insertum ait " signißcet, ignoro man wird hier aber an den im zweiten und dritten Jahr- hundert so oft von Kirchenvätern imd Häretikern angeführ- ten Spruch Christi: „Werdet gnte Geldwechsler" erinnert. Mit diesem Sprucli kann jenes Citat zusammengestanden haben, imd auch der Ort (bei Luc. 16, 1 9) ist ein sehr

486 HARKACKy

passender. Indessen lässt sich mit Sicherheit deswegen niciit urteüen, weü die Worte im Armenier nicht in mbro ge- standen zu haben scheinen ; mithin nicht ausdrücklich ak Citat aus der Harmonie bezeichnet sind. Matth. 18 , 20 lautete (p. 165): übi unus est, ibi et ego sum, et ubi dm 8unt, ibi et ego ero'^; der Text hatte hier also einen bedeor tenden Zusatz; Ephraem commentirt denselben durch die Bemerkung: ,^ne quisquam ex solitariis cantristaretur, quia ipse est gaudivm nostrum et ipse nobiscum est/*^ Ephraem bezieht also die Phrase auf die Mönche. Sie wird trotzdem dem ursprünglichen Bestände der Harmonie angehören.

Joh. 7, 8 (p. 167): ,,N(m ascendo in festo hoe^; so syr cur., Tischendorf. JoL 3, 13 (p. 168. 187. 189) bietet die Harmonie ohne den Zusatz des Beeeptus mit «BOrig. Matth. 19, 16. 17 (p. 169. 170. 171. 173): „Quid facianty ut vivam? . . . Cur vocas me bonum. Nemo est honus^ nisi tantum unus pater, qui in codis" (so wahr- scheinlich in der Harmonie ; Ephraem citirt 11. cc. den Text verschieden; vielleicht lautete er: „unus tantum est bonus^ pater, qui in codis est'^); s. zu dieser Fassimg Justin, DiaL 101; die Marcianer bei Iren. I, 20, 2, die Naassener bei Hippel. V, 7 p. 102, die dem. Hom. XVHI, 1. 3. Matth 20, 15 (p. 177): „AtU non habeo potestatem, in domo mea faciendi, quae volo?" Luc. 20, 34 f (Matth. 22, 30 £) lautet (p. 194): „Vaide erratis, quia filii adulti hujus mundi uxores ducunt etc" Joh. 8, 1 11 (die Perikope von der Ehebrecherin) scheint in der Harmonie nicht ent- halten gewesen zu sein; Ephraem fiihrt den Abschnitt Kap. 7, 37 f an und wiederum 8, 37 f. (p. 196 f.) Joh. 8, 58 (p. 197): „Äntequam Abraham eratj ego jam fui (sum?)"

Joh. 11, 8 (p. 200): ^,(Respondent ei): Judaei te qtMerufU occidere, et tu iterum illuc abis" Dazu fiigt Ephraem hinzu: „Sed ubi dolores sunt, ait^ illuc festinat medi- CW5." Luc. 19, 42 (p. 207): „Si cognovisses tu saUem hunc diem pacis tua£, sed abscondita est pax a fade tua."^ Luc. 22, 18 (p. 222): „In posterum (MattL 26, 29) non bibam ex hoc genimine vitis usque ad regnum pairis mei," Luc. 22, 31 (p. 222): ^,Ecce Satanas accepitper-

TATIAN S DIATESSARON UND MARCION'S COMMENTAH, 487fl

B'issioneni, cribrandi vos ut trilicum etc.'' Diese anf-

lemle Losart ist sonst unbezeugt, P. 223 citirt Ephraem

idea als Spruch Christi: (Inimicus) „apud me non in-

t quidquam snum, et ego vici mundum." Die zweite

= Joh. 16, 33, die erste ist sonst imbezeugt.

36 (p. 223): „Qiii non habet glaäittm suum,

Wa/ sibi gladittm." Sonst unbezeugi Joh. 16, 7 (p.

„Si enim ego non abiero, parnclitus ad vos non ve-

( et omnis veritas vobis non innotescet." Joh.

1. 5 (p. 227): „Clarißea ßlium taum et ßlius tuus

rificabit te . . . . Da mihi gloriam a te ex ea, quam de-

mihi, anlequam mundtis (actus esset." Dies ist <lie

iCrkwürdige Stelle, wo Ephraem dem Texte seiner Harmo-

! eine andere unter dem Titel „leclio", also als kaiioni-

Grundtexf , entgegenstellt. Er sagt : quoniam et

io (Mösinger übersetzt dem Sinne nach richtig: „scri-

ra") sie habet et apm-tc dicit: „Ghrißca me ea gloria,

I habui coram te, antequam mundus fieret." Sed et per

: „Gloria ßlium tuum, ut et ßlius tuus te glorißcet"

28). Dieser Text stimmt in der Tat mit dem Recept.

Örtlich. Luc. 22, 41 (p. 235): Et [actus est sudor

13, ut gutiae sanguinis, so Just., Dial. 103, syr cur.

23, 43 (p- 246): „Mecum eris in horto volupta-

Diese Proben ich hoffe die wichtigsten Stellen zu-

engestellt zu haben mögen genügen. Noch sei darauf

ngewieaen, dass die Leidensgeschichte mit grossem Geschick

, Matthäus, Lucas und Johannes componirt ist.

10) Für ein sehr hohes Alter der von Ephraem benutz-

t Harmonie spricht aber auch die Beobachhmg, dass Tatian

1 in der Chronologie an die Synoptiker gehalten und das

annea-Evangelium so eingearbeitet hat, dass er den dort

gebotenen Stoff auf das eine Lehrjahr Jesu verteilte. Es

hlen nämlich nicht nur die chronologischen Angaben bei

Pbbannes in der Harmonie sie könnten zuiUUig von

F Ephraem nicht erwähnt sein , sondern die Johannesperi-

kopenKap. 2 11 sind auch so disponirt, dass man schliesaen

der Verfasser habe sie in den Rahmen eines Jahres

eilt wissen wollen. Die Terapelreinigung (sie wird nach

488 HARNACK,

Job. 2 erzählt) ist in das 16. Kapitel nach Marc 10 ^ 46 £, Is aber vor Matth. 21, 19 u. 21, if. untergebracht (p. 181); |e Job. 4,, 1 42 steht nach der Perikope von dem cananfr sehen Weib (p. 140 f.) u. s. w. Lässt sich auch nicht mit völliger Sicherheit urteilen, so ist es doch überaus walir- scheinlich, dass die Harmonie einen mehrmaligen Aufenthalt Jesu in Jerusalem in dem Laufe eines Jahres angenommoi hui Bekanntlich haben aber nicht nur die Valentinianer, son- dem auch andere trotz der Kenntnis des Johannesevangelinms an der einjährigen Lehrwirksamkeit Christi festgehalten. 11) Mösinger (p. IX) macht darauf au&nerksam, dass der Evangelientext der Harmonie „communüer a textu wr- sianis Syriacae, quam Peschito vocant, differt et cum textu evangelii Syriaci consonat, quod Curetonus edidit, et verskme Peschito antiquius rede asserit", und verheisst in einer be- sonderen Untersuchung hierauf eingehen zu wollen. Der verdiente Mann hat diesen Plan nicht mehr ausfuhren dürfen. Seine Beobachtung ist in der Hauptsache richtig (s. die Hinweise oben sub 9); doch geht die Uebereinstinmiung nicht soweit, als man nach obigen Worten vermuten dürfte. Die Zahl der Abweichungen der Hannonie von Syr Cur. (publicirt von Cure ton 1858, von Tischendorf in der edüio major N. T. VIII. bereits verwertet; s. Rödiger, Monats- berichte der Berliner Akademie 1872, S. 558f und Her- mansen, Disputat. de codice ew, Syriaco, a Curetono typis descripto. Havniae 1859 letztere Schrift ist mir bisher nicht zugänglich gewesen) ist keine geringe. Nun hat aber Zahn in den Gott. Gel. Anz. 1877, St. 6 S. 183f die Ent- deckung angekündigt, dass Aphraates in seinen Homilien das Diatessaron benutzt hat (s. die Ausgabe der 23 Homi- lien von Wright nach syrischen Manuscripten 1869; 19 von ihnen sind auch armenisch erhalten und bereits 1756 vom Cardinal Antonelli ins lateinische übersetzt und edirt worden, s. auch Gallandi, Bd. V. Eine Uebersetzimg der 1. 4., 7., 12., 18., 22. Homilie aus dem Syrischen hat Bickelll874in der Bibliothek der Kirchenväter " [Kempten] Nr. 102. 103 gegeben. Prolegomena in Äphraatis sapientis Persae sermones hat Sasse 1878 veröflfentlicht P. 36 sq.

tätian's diatessaron und maeqon's COMMENTAH. 489

lelt er von dem Neuteatamentlichen Texte, den Aphraates jbt hat. Sasse hat erkannt, dasa derselbe von dem Vul- ^te 80 stark abweicht, daes die Annahme einer beson- i Kecension unabweislich ist; er ist anoli bereits auf die 'andtschaft des Spr Cur. mit dem Test des Aphraatea £Tksam geworden, aber jene Entdeckung Zahn'a hat er nicht gekannt imd daher nicht geprüft; b. auch Nestle, l- Lit-Ztg. 1879, Nr- 13). Es ist also Aussicht vur- ^n, aus einer genauen Vergleichung des Textes der »onie bei Ephraem, der EvangeUencitate bei Aphraates, S/ttiS Curetonianus, eventuell der Pesehito und der -e Ephraems den Text des alten Evangeüenbuches ge- ' festzustellen. Auch die Evangehenerklärungen des raius Baraalibi sind hinzuzunehmen; denn Assemanni

Orient. II, p. 157sq.) sagt, daas jener in seiner Evan- erkläruug den Commentar Epbraem's zu den Evango- »e und da citirt habe (die Commentarii des angeblichen 'bilus werden bei der Herstellung des Diatessaron schwer- ■4:was austragen '). Verfasser muss auf die Lösung

'weitachichtigen Aufgabe verzichten, da ihm die Kennt- <ia Syrischen abgeht und da es zunächst Zahn 's Sache t*ie Entdeckung betreffs Aphraates zu erhärten. Der

Cur. enthält auch die Genealogien ; aber, wie bemerkt^ K^e Verwandtschaft mit der Harmonie Ephraem's keine *»Be, dasB diese Beobachtung der vorausgesetzten Iden- ^"^Bchen dieser und dem Diatessaron Tätian's gefährlich ^^»1 könnte. Das Verhältnis zwischen Sgrus Cur. und Harmonie kann höchstens ein mittelbares sein , aofem ^«beraetzung des Diatessarona in der syrischen Kirche *-ii jenen Text angeschlossen hat. tichlieaelich sei be- ^ dass der Amerikaner A bbot der einzige, der niei- Viesens bisher von Mösinger's Publication Öffentlich Notiz crimen hat in seiner Schrift: „The authorship of the h gospel" (Boston 1880) an ein paar Stellen den Text der Uonie mit dem des Si/rus Cur. verglichen hat (p. 55 n. 4).

■) Beachtenswert ist jedoch die Notiz des Hierou. ep. ad Algas., Ipliiliu habe eine Ew .■Harmonie verfaBst.

490 HARNACK;

12) Die wunderliche, nicht dem Hippolyt entnommene Angabe des Epiphanius, dass Einige das Diatessaron Tatian's das Hebräerevangelium nennen, ist durch die Hannome Ephraem's nicht deutlicher geworden. Der Verfasser von Supemat. Religion hat auf dieselbe grosses Gewicht gelegt; das Richtige findet sich schon bei Weste ott und neuerdmgi bei Nicholson (The gospel according to the Hebrews 1879, p. 12 6 f.). Beide weisen darauf hin, dass 1) das Diatessutm sowohl wie das Hebräerevangelium in semitischer Sprache cursirten und dass sie 2) teilweise genau in denselben Gegenden verbreitet waren. Auf diesen Tatbestand mag die con^ise Notiz zurückgehen, and es erscheint onnd- tig, etwa zu der Hypothese seine Zuflucht zu nehmen, dan manche Perikopen in beiden Evangelien gleichlautend redi- girt waren (im Ebioniten-Ev. fehlten auch die Genealogien). Die Angabe aber, auf die in Supemat. Belig. ebenfalls ein so grosses Gewicht gelegt wird dass Victor von Capna das Diatessaron „Diapente'^ nenne, kommt überhaupt nicht in Betracht, da Victor ja deutlich sagt, er habe in des En- sebius Eirchengeschichte diesen Titel, den Tatian selbst sei- nem Werke gegeben habe, gelesen. Er hat sich mithin in der Zahlangabe geirrt, und diese Annahme ist auch deshalb die gewiesene, weil er ausdrücklich sagt, bei Eusebius stehe^ das Buch sei aus den vier Evangelien zusammengesetzt (s. das Richtige bei Semisch a. a. 0., p. 28 sq.). Auf die Frage nach dem Verhältnis des lateinischen Tatian zu der Harmonie Ephraem's möchte ich hier nicht näher eingehen. Dass es zwei ganz verschiedene Arbeiten sind, ist jetzt noch offenbarer geworden (s. die Beschreibung des lateinischen Tatian bei Semisch p. 32 sq.). Auffallend aber ist neben anderen das eine, dass auch in der lateinischen Harmonie wie bei Ephraem Joh. 3, if nach der Geschichte vom Einzug in Jerusalem gestellt ist Besteht nicht viel- leicht doch eine Beziehung zwischen beiden Werken?

Ueberschlägt man die in den obigen zwölf Abschnittwi zusammengestellten Beobachtungen und vergleicht sie mit dem, was im Eingange über das Diatessaron Tatian's aus- gefiihrt ist, so darf unter Berücksichtigung der Geschichte

TATIÄB'S DIATB8SARON UKD MABaOS'S COMMENTAH. 491

Harmonie in der Byrischen Kirche, genauere Prüfung (rbefafüten, das Urteil schon jetzt als ein begründetes gd- dass wir in der Evangelienharmoiue Ephraem'a das P'^erk des Tatian zu erkennen haluen. Aus dem Commen- Eptiraem's lässt sich zwar lange nicht in wiinschena- jrertem, aber docli noch in beträchtlichem Umfange die pextgestalt des Diatessarons wiederherstellen , es läset sich iTor allem über Plan und Anlage desselben ein Urteil ge- I «innen. Die abatracte MögUchkeit bleibt natürUoh offen, 1 dae Diatessarun im Laufe von zwei Jahrhunderten be- veiändert worden ist , und angesichts der Schicksale, reiche andere akatholische Schriften in der Zeit zwischen I und 400 erlitten haben, erscheint jene Möglichkeit sogar Kheinlich. Indessen führt, soweit ich sehe, auch nicht bine sichere Beobachtung an der von Ephraem überlieferten fiarmonie zu diesem Schlüsse. E& zeigen im Gegenteil die eigentümlichen und durch hohes Alter ausgezeichneten Les- arten und wiederum die Verkürzungen (Fortfall der Genea- logien, der Davidssohnschaft u. b. w.), wie sie noch Ephraem vor sich hatte, dass die Textgestalt des Diatessarons sich wesentlich treu erhalten haben muss.

Ist dies zugestanden, dann fallt freilich ein nicht grade günstiges Licht auf die Integrität des Textes, wie ihn schon die Väter des 3. Jahrhunderts und die ältesten Majuskeln darbieten. Allerdings ist es ja imzweifelhaft, dass Tatian den Text in Rücksicht auf die Herstellung eines einheit- lichen Evangeliums zusammengezogen und frei gestaltet hat, und dass dem gegenüber im Vulgärtexte des dritten und vierten Jahrhunderts das Ursprüngliche oftmals bewahrt ist; aber anderseits ist nicht zu verkennen, dass das Diatessaron an manchen Stellen ältere Lesarten bietet; so z. B. vor allaD bei dem locus celeberrimus Matth. 16, 17 f. Ueberhaupt lehrt Tatian's ganzes Verfahren, dass man mit den Krut- gehentexten bis zur Zeit ihrer Kanonisirung, d. h. bi» c ITÖ und hie und da gewiss noch länger, sehr frei (pfrhtltrt haben muss und dass ea daher schwerlich mehr laBffitk ttt^ dieselben in ihrer ursprünglichen Gestalt genau WiiJhIiü zustellen. Von dem Verfaliren Marcioa's iinffiiifaHul licb

ASS HABNACK,

das Tatian'a niu- graduell und quantitativ; denn dürfte (un Tielletcht auch geneigt sein, die Ausscheidung der Genea- logien nicht auf Rechnung einea dogmatischen Vorurteils bei Tatian zu setzen sie könnten weggelassen sein, weil Bie sich zur öffentlichen Lesung, der doch Tatian mit seinem Werke dienen wollte, nicht eignen; man könnte auch ver- muten, dasB sie in den Evangelienexempiaren Tatian's ooch fehlten ■, so scheint doch die Ausmerzung der Davidssohn- schaft und roaucbes andere (s. sub 4) zu zeigen , dass weh Tatian bei setner Redaction der Texte auch von d<^iiit- tischen Urteilen leiten Hess. Freilich ist ein theologisctier Standpunkt, für welchen an den Evangelien höchstens die Davidssohnschaft und die Oenealogien anstössig waren, keic häretischer. Für die Geschichte des vierten Evangeliums ist et nicht unwichtig, doss Tatian es zwar bereits neben den dm ersten als ein ihnen gleichartigeB Buch verwert«! bat, daas er es aber noch der synoptischen Stoffgruppirung völlig unter- ordnet. Tatian erzählt nach Matthäus; die Johannesperikopea werden, so gut es geht, untergebracht. Der Chronologie des vierten Evangeliums liat also Ta6au noch nicht getraut; dreiBsig Jahre nach ihm wui-de das anders. Ist einiDBl der Text des Diatessarons aus den oben (S, 489) genannten Quellen soweit mögbch festgestellt, dann wird es gelten, ihn mit den Evangeliencitatcn bei Justin und mit dem Evangelium Marcion's zu vergleichen. Durch Zusam- menstellung dieser drei Zeugen wird eine Einsicht in den Text der Bynoptiachen Evangelien, wie er zwischen den Jahren ISO und 170 gelesen wurde, eröSnet werden.

Tatian hat sein Diatessaron wahracheinUch nach seiner Oratio ad Graecos und, wie es scheint, nicht in Rom, son- dern im CWent veitasst. Auch die Geschichte der Verbrei- tung des Buches weist uns dorthin. Anderseits kann a picht zu seinen spätesten Schriften gehören; denn diese und von einem stark ausgeprägten gnostischen Geiste inspirirt gewesen, mögen auch die Kirchenväter seit Irenäua mancbei betrefig desselben übertrieben haben. Kann auch von einem „Abfall" Tatian's nur bedingt geredet werden, ist vielmehr die katholisch werdende Grosskirche selbst zwischen

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^B tatian's dutessabon ukd harcion's COUHENTÄB. 493

^Biid 180 exclusiver geworden, ao ist doch unverkennbar, daae ^ie Anschauungen Tatian's vom ChriBtentum sich im Laufe ■feines Lebens geändert haben. In der Oratio ad Graecos läset sich, miset man sie mit dem Maassstab des Irenäus, "Hoch nichts Häretisches entdecken. Man kann in ihr nur Anknüpfungspunkte aufweisen iiir eine spätere Lehr- KuffassuDg, die ihn aua den Bahnen der zum Eatholicismiu strebenden Grosskirche hinausführen musete. Seine Anti- pathie gegen die hellenische CuJtur und ihre Philosophie, »eine Theorie von der Weltsele, eeine Abneigung gegen die allegoriache Methode und Aebnliches wäre zu nennen. Feste chronologische Daten für das Leben Tatian's zu gewinnen, ist auaserordenthch schwierig. In der Oratio erwühnt er den „erstaunlichen" Justin und den Proteus; aber es ist völlig unwahrscheinlich, dasa er ihren Tod voraussetzt, obgleich man betreflä Justin's dies seit Ensebiua anzunehmen pflegt Tatian ist in Rom der Schüler Justin's geworden und hat ein eigenes äiäuaxaXtTof gegründet, aber noch Niemand hat bestimmt, ob dies noch bei Lebzeiten Justin's oder nach dessen Tode geschehen ist. Nacli Irenäus ist der „Abfall" von der Kirche und die Gründung einer eigenen Schule erst nach dem Tode Justin's erfolgt (I, 28); einer besonderen üeber- _ lieferung folgt Epiphanius h. 46, 1. Auch Celsus kennt eine

^»ätere gnostische Schrift von ihm. Clemens Alexandrinua I <ätirt ein paar Mal eine solche; Tertullian macht einmal eine

beiläufige Angabe; aber chronologische Notizen teilen sie I nicht mit (sie fehlen auch in den Philosoph., im kl. Labyrinth, I bei J. Africanus), Nicht einmal darüber ist etwas ausgemacht,

ob Tatian ein- oder zwei Mal nach Rom gekommen ist Nimmt man den Irenäus beim Wort, ao erscheint das letz- tere als daa wahrscheinlichere. Der Asiat Rhodon nämlich be- kennt nach EusebiuB, h. e. V, 13, 8, dass er zu Rom Schüler des Tatian gewesen sei. Nun sagt Irenäus, dass Tatian erat nach dem Tode Justin's eine eigene und zwar heterodoxe Schule gegründet habe; die Oratio ist aber bereits nicht mehr in Rom, sondeni im Orient geschrieben und ist doch noch nicht gnostisch. Also scheint es, dass Tatian später ^gKch einmal nach Rom gekommen ist. Wie dem auch sein

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mag diese Bemerkungen sollen nur auf die Schwierig- keit der Fragen hinweisen , aus Gründen, die hier m entwickeln zu weit fuhren würde, erscheint die Ansetzung der Oratio ad Graecos entgegen der herrschenden Memung auf die mittlere Zeit des Pius als wahrscheinlich. Man braucht die bestimmte Notiz des Epiphanius, Tatian habe sein Sih- axdktioy um das zwölfte Jahr des Pius in Mesopotamien er- öffiiety nicht nach Hieron. Chron. ad an. 12. M. Aurelii zu corrigiren. Auch die Chronologie des Lebens des Per^nnos ist dem angegebenen Ansatz fiir die Oraiio günstig. Für das Diatessaron bleibt 'die Zeit c. 155 bis höchstens 175 offen.

Angesichts der Geschichte des Diatessarons in der Kirche, die ich hier nicht näher ausführen möchte, könnte der Ge- danke auftauchen, ob nicht das Buch in syrischer Sprache abgefasst worden ist. Indessen 1) alle die ims sonst be- kannten Werke Tatian's sind in griechischer Sprache ge- schrieben; 2) Tatian verrät nirgends, soweit wir urteilen können, auch nur eine Kenntnis des Syrischen ; 3) griechische Recensionen des Diatessarons muss es gegeben haben, s. den Schreiber von min. 72 zu Matth. 27, 49 imd die oben mit- geteilte Angabe von Scholz; 4) Eusebius hätte es schwerlich unterlassen, auf den syrischen Sprachcharakter des Werkes aufmerksam zu machen. Die griechische Abfassung des Dia- tessarons wird also auch für den feststehen dürfen, dem das y,Uitiani" im Muratorischen Fragment unannehmbar er- scheint, der die Berührimgen des späteren lateinischen „Ta- tian'* mit der Harmonie Ephraem's für zuf&llige hält imd somit die völlige Unbekanntschaft des Abendlandes mit dem Werke behauptet.

Ephraem hat das Diatessaron freilich nur in syrischer Sprache gekannt imd jedenfalls muss die Uebersetzung eine sehr alte sein ; sie wird vielleicht sogar früher gemacht wor- den sein als die der vollständigen Evangelienschriften. Ephraem setzt seiner syrischen Harmonie an einigen Stellen einen anderen Text entgegen. Dreimal geschieht das mit der Formel: „Graecus clare dicit" {„Graecus scrihiP^ „in Graeco dicit^% einmal mit der anderen „lectio^^ {scripturä): j, guoniam et lectio sie hahet et apeHe dicit ", ein paai* Mal

TATIAN's DIÄTES8ABON UND MAECION'S COMMEKTAH. 495

■wird neben der Harmonie ein anderer Text ohne auadrück- Üches Citat eingeführt. (Auf das „scri2>tura" p. 61 ist hier nicht einzugehen, da ea mit der Stelle, an welcher dasselbe steht, eine eigene Bewandtnis hat.) Von den drei citirten Stellen des Graecus stinamen zwei wörtlich mit dem Vulgär- texte (p. 29- 116sq.), die dritte stimmt nicht, betrifft aber einen Vers, der auch dort schwankend überliefert ist (p. 53 zu Joh. 2, 3), Aber auch das mit „leciio" p. 228 einge- führte Citat aus Joh. 17 stimmt mit dem Vulgärtexte gegen den Text der Harmonie. Es wird somit walir scheinlich, was oben schon angedeutet wurde, dass Kphraein unter „Graecus" nicht das griechische Diatessaron, sondern den griechiecheD , voltständigeu Text der vier Evangehen verstanden hat. Ist dies vorausausetzen, so folgt, dass Ephraeui den Unterschied zwischen der Harmonie und den Evangelien gewürdigt hat, und dass nur letztere in roUstän- diger Gestalt damals kanonisches Anseheu in der syri- schen Kirche besassen; denn das Diatessaron ist eben nicht „lectio" (scripttfra)- Welchen Text verstand aber Epbraem unter dem Graecus? Dass er eine etwa pünkthchere, sy- rische Uebersetzung so bezeichnet hat, ist doch nicht eben das Wahrscheinhche, vielmehr der Umstand, dass er neben der scriptura noch den Graecus citirt, macht es gewiss, dass er den Urtext zu Kate gezogen hat. Die alte öti-eitlrage also, ob Ephraem des Griechischen kundig gewesen ist, wird in hejaheadem Sinne gelöst werden müssen (s. Zingerle, ÄUBgew, Scbiiften des h. Ephraem übers. Kempten 1870, Bd. I, S. 19 f.). Zni' Zeit Ephraem's war in Edessa das IHatessaron noch im Privatgebraucli , aber im Gottesdienst verwendete man es nicht; Ephraem hätte ihm sonst nicht eine andere E van gebe nrecension als „leciio" entgegenstellen könneu. So fällt auch auf die Abfassungszeit der Doctrtna Addaei von hier aus ein Licht. Völhg verdrängt wurde das Buch erst seit der Mitte des fünften Jahrhunderts, d. h. von jener Zeit ab, wo die „lleichskirche" sich durchsetzte und die Provinzialkirchen nach dem Verlust ihrer Eigenart dogmatiBche Spitzfindigkeitön zu „berechtigten Eigentümlich- keiten" umbildeten.

496 HARNACK,

Nicht nur die Harmonie; auch die Erklärungen , Ephraem ihr beigegeben; fordern ein besonderes Interesse heraus. Zwar im allgemeinen unterscheiden sie sich nidit von den sonst bekannten exegetischen Arbeiten Ephraem'i Es sind Schollen ; Excerpte, die entweder gar nicht oder nur sehr lose mit einander verbunden sind. Ihr Inhalt ist meistens ein rhetorisch-theologischer oder ein polOTaischer; die sachliche Erklärung tritt ganz zurück oder wird doch nur sehr flüchtig gegeben. Interessantere Bemerkungen sind folgende: den Zöllner Luc. 5; 27 (Matth. 9; 9. Marc 2, 14) nennt Ephraem ;, Jacobus'^ (p. 58); die Maria, welcher der Herr nach seiner Auferstehung erscheint und ihr verbietet, ihn zu berühren, identiiicirt er wiederholt mit der Mutter des Herrn. Dies ist keine blosse Flüchtigkeit (s. S. 29. 54. 269 f.). Hat vielleicht im Diatessaron Joh. 20; 1. 18 jjti MaySa- XTjyTj'^ gefehlt? Die Ankimft der Magier verlegt er zwei Jahre nach der Geburt Christi (p. 40). Von dem angulus templi, auf welchen der Satan Jesum gefuhrt; berichtet er, daas derselbe yftamquam Signum" noch heute stehe; obwohl sonst kein Stein auf dem anderen geblieben sei (p. 44) u. s. w. Von allegorischen Erklärungen hat Ephraem sehr oft mehrere zur selben Stelle zur Verfügung. Nicht selten lesen wir; dass ein Vers entweder dies oder dies oder u. s. w. bedeuta So werden manchesmal fünf bis sechs verschiedene Deutun- gen zur Auswahl gestellt. Eine sachliche Einleitung zu der Evangelienharmonie hat Ephraem nicht gegeben. Er beginnt vielmehr mit dem theologischen Gedanken; in welchem seit dem Ende des zweiten Jahi'hunderts die griechischen Theo- logen den Ertrag des Christentums ausdrücken: „Quare do^ minus nosier carnem induü? Ut ipsa caro vidoride gaudia gustaretj et dona gratiae explorata et cognita haberet. Si deus sine carne vicisset, quae ei tribuerentur laudes? Äe- cundo, ut dominus noster manifestum fcbceret, se initio crec^ tionis ne quaquam ex invidia prohibuisse, quominus homo fieret deus, quia majus est, quod dominutS noster in homine humiliabatur ^ quam quod in eo, dum magnus et gloriosus erat, hai)itabat. Hinc illud: Ego dixi: DU estis," Bald darauf geht er zur Erklärung von Joh. 1, 1 über. Den

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blnss des Buches bildet eine Anrede an Gott (p. 279 bis 185), welche in Cod. B. mit „Freces" überBchrieben ist Isnn aber folgen noch (p. 285 288) einige nicht unwich- ! historiBche Bemerkungen. Erstlich über die vier Evan- BÜsten; Verba upostolorum «on aequalia et eadem sunt, on simul evangelium scripserttni. Non enim man- 'Mtn acceperunt scribendi, ut Moi/ses jussus est tabula« tn/icere, sed sicuti propheta dicit : Dabo eis pactum foederis, 1 sicut illud, sed legem meam dabo in menie eorum et corde eorum scribam illam. Attamen occasionibus wocati scripta confecerunt. Matthäus Hebraice evan- gdiwn scripsit, guod postea in linguam Graecam versum est. Marcus autem Simonem^ secufus est et qttum in ur- bem Jtomam profecti essent, ut perfede recordarentur , st forte propter longum temporis spatium aliguid in oblivionem veniret, Marcum orarunt, et scripsit, quodcunque aceeperat. Lucas a baptismo Joannis (baptista Joanne?) exordium sumpsit, nam hie de incarnatione ejus locutus est ei de regno ejus ex David, dum alter ab Äbrahamo incepit. Venu Joannes et reperiens, verba eorum qui de genealogia et natura humana domini scripseruni, varias opiniones ex~ citasse, ipse scripsit, quod non tantum homo erat, sed guod a principio erat verbum. Matthaeus hebraice scripsit evan- geliuni, Marcus latine ab Simone in urbe Roma, Lucas graece, Joannes etiam yraece scripsit Antiochiae (die drei hervorgehobenen Worte fehlen in A), quia in vivis per- mansit usque ad tcmptis Trajani." Diese \^''orte sind natür- lich nicht etwa eiiiei' Einleitung zum Dtatessaron entnommen, wie acbon das Über Lucas Bemerkte beweist, äie enthatten im allgemeinen die herrschende Tradition über die Evan- gelien in Anlehnung an das, was Eusebius in der Kirchen- geachichte zusammengestellt hat. Ueberraschend ist aber die Kacliricht, Johannes habe sein Evangelium zu Antiochia ge- Bchriebeit; sie findet sich in keiner Subscriptio einer Hand- schrift und, soviel mir bekannt, auch bei keinem Kirchen- vater. Den syrischen Ursprung des vierten Evangeliums bat Wittichen aus inneren Gründen erschliessen wollen. Dasa rcuB lateinisch geschrieben habe, steht nicht nur in den

^pHarcus lat

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Subscriptiones mehrerer griechischer Handschriften, sondern auch in denen der Peschitocodices zu lesen (s. Tischendoi^ N. T. edit. VIII. major I, p. 410). Ephraem ISsst nim einen Abschnitt folgen über die Missionsgebiete der Apostel und ersten Missionare. Hier wu-d Johannes nach Kleinaden versetzt; Jacobus Zebedäi nach Gallien (!), Paulus soll nach Spanien gekommen sein; Simon ; Jacobus Alphäi; Mat- thias werden nicht genannt; von Matthäus wird ein Leri unterschieden; von Thaddäus heisst es: y^untis ex septm- ginta Urhae (Edessae) diebas Äbgari, qui hujus loci pra^ fectus erat, quem, quum aegrotus esset, sanavit/' Auch Crispus und Titus werden erwähnt Zu diesem Abschnitte ist Zahn, Acta Joannis (1880) S. LXXHsq. CXXXIXsq. zu vergleichen. Ephraem lässt nun eine Notiz folgen üb« die Zeit der Zerstörung Jerusalems und bemerkt, dass da- mals bereits alle Apostel von Jerusalem entfernt waren. End- lich giebt er eine üebersicht über die 7-4-1 jüdischai Secten. Die drei ersten (Pharisäer, Sadducäer, Essener) be- schi'eibt er nach Josephus in Bezug auf ihi'e Lehre von der göttlichen Providenz. Er fahrt fort: „Rursus alia secta sunt Galilaei, qui semjyer sunt peregrinantes (Aucher hat über- setzt ,quotidie habitatores') et alia Maebuthazi {Cod. Ä,: Mazberchtenses , = Masbothaei) et Sainaritani et Habuh nenses (Ebionitae) in media Israelis" Von den Samaritanem sagt er, sie leugneten die Todtenauferstehimg, beteten nicht in der heiligen Stadt Jerusalem, sondern auf dem Berge Gari- zim an und erwarteten slmplicem qu&ndam prophetam ven- turum, qui disponet et explicabit ea, quae in prophetia Moysi obscura sunt" Ueber die Sadducäer bringt er die Notiz nach, sie seien in den Tagen des Johannes entstan- den (!), „velut justos a popido se separantes et resurrectio- nem mortuorum negantes, in se ipsis confidentes, quia non oportet, ut ajunt, deum ob mercedem gratiae adorari ei coli" Die Joliannesjünger nennt er als die letzte Secte: „de Joanne gloriantur et diaint, cum esse Christo majorem^ qui ipse id iestcdus est dicens: Non est major in natos ex nnäierCy quam Joannes.'* „Haec ergo omuia inimicus fecit, qui dissidia et haereses in x^opulum i)umisit, xd ba2)tismum

TATIAN'8 mATESSABON UND MAHCION'S COMMEKTAH. 499

nrtsfi evacaaret, ne esset credibilis." Mit diesen Notizen, reiche mit den Angaben über die jüdischen Seelen bei "Hegeaipp (Essäer, Gaiiläer, Hemerobaptiaten, Masbofbäer, Samaritaner, Sadducäer, Pharisäer), Justin (Saddiicäer, Ge- nisten, Meristen, Gaiiläer, Hellenianer, Pharisäer, Baptisten), d^i apoBtolischen Constitutionen (Sadducäer, Phari- säer, Masbothäer, Hemerobaptisten , Ebionäer, EsBäer) und EpipbaniuB (KadducÄer, Seibä, Pharisäer, Hemerobaptisten, Nazatäer, Ossener, Herodianer) zu vergleichen sind, Bchliesst Ephraera sein Buch'). In den „Scholien" ist er natürlich nicht auf diese Secten eingegangen ; dort bekämpft er von beiläufigen AuslUllen auf die Ana n er und die pneumato- machiachen Semiarianer abgesehen hauptsächlich die Marcioniten*). Die Polemik gegen äe durchzieht sein ganzes Buch'); sie allein nennt er ausdrücklich fs. p. 41. 122f. 128f 135) und sie meint er fast überall, wo er gegen ketzerische Lehren, ohne sie zu nennen, zu Felde zieht. Die Haaptlehren derselben werden beiläufig erwähnt und zwar in der authentischen Gestalt, die ihnen Marcion gegeben hat

') Die Liste der jüdischen Secten ist mit der des Hcgesippus identisch, nur die EbioDÜer, die sich auch iu der Liste dcT Constitu- tionen finden, sind hinzngefügt (s. Lipsius, Quellen der allcstcn Ketzergeschicbte S. 25f. 30f.). Dieser Tatbestttnd ist für die Ge- suchte der HTpomncmata des Hegesipp nicht unwichtig.

■) Nur eine Stelle bildet eine Ausnahme. P. 220 führt Ephrsem zn dem Verse: „Melius ei erat, n ttatus iton fuisset" folgende Wort«! eine« Gegners an: „Ät ei domitttis crvcem aecendere voluieset, in gtKiiH parient hoc verbum inclinabimuB, num ad praesdeiitiam, an ad m$eienliam «n ad faUaetam, ctmt dixit: MeKue ei erat, si natu» non fmnet. Quae sunt ralionta, quae impedierunt, quomintia poenitentia aeceptatiottem meTtretur?" Mösinger will diese Worte einem HS- tetiker, vielleicht dem Marcion, beilegen. Dasa dieser sie nicht ge- ■chrieben haljen kann, liegt auf der Hand. Sie sind überhaupt schwer- Ueh TOn einem Christen Am nächsten liegt die Vermutung, dass sie Jnlisn's Schrift gegen die Christen und zwnr dem verlorenen zweiten Bncbe angehören. Die Ärgumentittiau erinnert an manche Anstuh- nmgen im ersten Buch [s. Neumann, Kaiser Juliaji's Bücher gegen die Chiieteu S. öf).

•) S. z. B. p. 41. 44. (ib.) 47. 58. 60. 61. 75. 122f. 127f. 128f. 136. 157. 167. 169. 195. 199. 255 f P. 45 sind wnhrscheinlich Mani- chiar gemeint, p. 183f. keinesfalls Marcioniten.

500 HABNACK,

(b. die termini technici: „CrecUor", „Justus", „de»s legis*" ^ „deu8 peregrinus", „coelum teriium", „species corporis*' äe\ Dies Alles ist nun nicht neu; auch aus den früher bekannten Werken Ephraem's wnsste man, dass sich dieser sehr ein- gehend mit den Marcioniten befasst hat Ueberraschend und neu ist es aber, dass Ephraem in seiner Ex" positio an mehreren Stellen einer marcionitischen Schrift Erklärungen von evangelischen Periko* pen entnommen hat und diese zum Teil wörtlich anführt Diese Schrift gehört aber höchst wahrscheinlich Marcion selber an. Dies folgt noch nicht daraus, cUu» Ephraem den Marcion an einigen Stellen gradezu anredet (s. p. 135. 48 f. 58), wohl aber aus einer Vergleichung der von Ephraem citirten marcionitischen Erklärungen mit der von Tertullian adv. Marc. lib. IV. berücksichtigten Aus- legung des Evangeliums durch Marcion. Dieser hat näm- lich nicht nur einen Kanon neutestamenüicher Schriften re- digirt und daneben ein Werk geschrieben, welches den Gegensatz der alten und der neuen Offenbarung aufweisen sollte, sondern er hat auch durchgehends den von ihm auf- gestellten Kanon commentirt, wobei hier dahingestellt bleiben soll, ob dies in einer besonderen Schrift oder in den „Anti- theses^' oder im Zusammenhang mit der Publication des Kanons geschehen ist. Ephraem's Expositio bietet, uns also neben dem Diatessaron Tatian's noch Bruchstücke einer zweiten Schrift aus dem zweiten Jahrhundert, mag sie auch von Späteren etwas überarbeitet sein. Leider aber teilt er sie in einer so abgerissenen Gestalt mit, dass sehr vieles völlig dunkel bleibt. Mösinger hat so gut wie nichts dazu getan, die grossen Schwierigkeiten hier zu lösen. Auch die Aufgabe dieser Zeilen soll es nicht sein, die marcioniti- schen Fragmente durchgehends verständlich zu machen. Nur das wichtigste soll liier zusammengestellt werden.

1) P. 122 f. bemerkt Ephraem zu dem Verse: „Beatus erit venter, qui te poriavif* folgendes: ,, Marcion dicit: His vci'bis solummodo tentarunt, num vere natus esset. Et CO (juod dicitur: Kccv maicr tua et fratres tui quaerunt te, idcm signiflcatur, Quinimmo et corpus suum dedit eis ad

TATIAS'8 DUTESSABON UND HARaON's COHHENTAB. 601

manäucandum? Cur? Ut magniiudittem suam absconderet et opinÜMem eis inderet, se esse corporalem, quia eum noM- dum poterant inieiligere." Diese Worte sind auch in Cod. A. als marcionJtiBche ausdrücklich bezeichnet; es folgt die Widerlegung Ephraem's. Zur Sache ist Tertullian adv. Marc. IV, 19 zu Luc. 8, 20 („Ad hanc primam propo- sitiemem nostram solet ex diverso responderi: Quid enim, si temptandi grali'a nuntiatum est ei?"),' näv. Marc. IV, 36 zu Luc. 11, 27 (auch nach Tertullian hat Marcion beide Stellen mit einander combinirt), adv. Marc. ELI, 1 1 (zu Luc. 8, 20 und 11, 27), Epiph. h. 42. p. 325Bq., Tertullian adv. Marc. IV, 40 zu Luc. 22, 19 zu vergleichen.

2) P. 47: „Kursus qui dominum nostrum per nativita- tem maculam coniradixisse dicunt, ignorant, se in errore versari, neque instrui possunt, qttoniam superbia inftati sunt, sicuti nee timent, quia poenitentiam non ajunt." Hiezu sind die Invectiven " Marcion's gegen Ehe, Zeugung und Geburt bei Tertullian, z. B. de carne 2 5, adv. Marc. III, 11 zu vergleichen.

3) Zur Perikope von der Heilung des Gichtbrtiehigen, speciell zu den Worten: „dimissa sint tihi peccala" hemarkt Epbraem (p. 60): „Quae peccata ei dimisit? Gerte ea, quae in ipsum eommiserat. Quomodo ergo alienus est a lege? Et quid sive ei sive patri ejus debebant homines, qui per nullum opus poteniiae nee in justitia nee in legtslatione eum senserunt? Peccata ergo, quae coram deo legis debita con- Irahunt, quomodo dimisit Jesus, nisi cum illo per generatio- nem eonjunctus esset? Aperie potius per haec dictum est, guod filius ejus est. Quia paralyticus in ipsum pcecavit, punivit eum in carne. Juxta doctrinam Jasowa (cod. A: „Jajswa") dieunt: „Ad quid opus erat domino dicere: dimissa sunt tibi peccata tua." Sanc hoc ei opus non erat, si ille non propter peccata paralysi afflic- tus erat. Et quare ei condonavit, nisi ipsi debitor erat pa~ ralyticus? Aut nisi ipsius debitor erat, quid profuit ei, ut diceret dominus: Dimittuntur tibi peccata tua? Quamvis enim peccata non dimissa esseni, nihil paralytico nocuis- sentt postquam semel a vindicta per misericordiam et boni-

502 HARNACK;

totem liberatus erat^ Ephraem geht hier ohne Zweifel auf eine ihm vorliegende marcionitische Erklärung der Stelle näher ein (s. Tertnllian adv. Marc. IV, 10). Aber was ist die dodrina „Jasowa"? Ich habe mich ihretwegen an Pro- fessor P. de Lagarde gewendet; aber selbst er wusste im AogenbUcke nicht zu helfen. Man könnte vermuten, Ephraem habe in boshafter Weise die marcionitische Meinung so ve^ drehen wollen, dass sie den Sinn bekäme: „Warum hat der Herr überhaupt gesagt: Dir sind deine Sünden verge- ben?'^ In diesem Falle dürfte man annehmen, statt „Ja- sowa" sei „Juliani" zu lesen. Allein P. de Lagarde teilt mir mit, dass die Entstehung einer Lesart „Jasowa'' aus „JuUani" im Armenischen nicht leicht begreiflich sei*). So bleibt diese Stelle zur Zeit noch dunkel. Im Einzelnen nicht verständlich, weil handschrifüich verderbt, ist auch das gleich folgende (p. 6l), wo Ephraem auf die marcionitische Erklärung des Abschnittes Luc. 5, 30 f eingeht; aber die Parallele zu Tei't. adv. Marc. IV, 11 init. ist wiederum frappant.

4) Nach Anfuhrung von Matth. 13, 54 sagt Ephraem (p. 128 f.): „Nonne dabatur et alius populus, aut alia terra, quam Judaeorum? Sed hoc scriptum est, wt Marcionistae mendacii argusrentur et reprehenderentur. Post haec, aü, intravit juxta morem suum in synagogas eorum die sabbati. Et quaenam erat consuetudo ei qui tum advenit? Nam modo in Galilaeam venerat. Nee coeperat docere extra synagogam, sed in synagoga (die Sätze ermangeln des verständlichen Zusammenhangs). Ex cultu enim eorum probatur, quod de deo eorum ad eos locutus est; secus enim extra synagogas eumprae^ dicare oportuit. Ingressus est in Bethsaida (sie)

^) „Durch Mößinger" schreibt P. de Lagarde mir in einem Briefe vom 22. December 1880 „ist bekannt geworden, dass die Mechitharisten im Ephraem nicht gut gearbeitet haben: ich misstraue allen Drucken dieser Leute, denen jede Methode fehlt: vergleichen Sie z. B. in meinen Orientalia II, 48. Die zweite Abhandlung der Orientalia II ist ein Beweis, wie wenig mit einem einigermassen schwierigen Texte in Venediger Ausgabe anzufangen ist."

'TATUJf'B DIATE8SAR0N UND UAÜCION'S COMMENTAR. 603

1 ad Judaeos et nihil aliud in medium protulit, quod ad ipsum dixerunt, nisi hoc unum: Medice cura te ipsum. Ei asswmpserunt eum et foras duxerunt ad praecipitium montis, Nan est vero- simile, guod hoc verbum Christi ad iram eos ex- eitavit." Es folgt nun die Widerlegung Ephraem's, be- ginnend mit dem Satze: „At si de creatore ail eos locu- tus esset, etc." Diese Worte beweisen, dasa wir es hier wirklich mit einem marcioni tischen Stück, nicht aber mit einem Einwurf Jiilian's, wie es scheinen könnte, zu tun haben. Die Erklärung des Stückes bietet nicht geringe Schwierigkeiten; ich verweise nur auf das „Bethsaida" und auf die Dunkelheiten des Zusammenhangs. Soviel ist aber deutlich, dass die Marcioniten die Perikope teilweise für &lach überliefert ansahen imd verwarfen. Im Evangelium des Marcion, in welchem Kapitel 3, 1, mit 4, 31 verbunden, den Anfang bildete, stand Luc. 4, 16 30 wenigstens teil- weise (s. adv. Marc. IV, 8). Tertullian macht hier ganz ftbnliche Bemerkungen gegen Marcion wie Ephraem, argu- mentirt aber ausserdem aus dem stehengelassenen „Nazareth". THeB scheint später von den Marcioniten in „Bethsaida" ver- ändert worden zu sein, um vermein tlicho alttestam entliche Bezdebungen abzuschneiden.

6) P. 135: „At si Jesfis, ut tu Marcion dicis, corpore non erat induttis etc."

6) Zur Verklärungsgeschichte bemerkt Ephraem p, 157: „£t si deus peregrtniis est Christus (s. auch das „peregri- nV8" p. 61), cur Moyses et Elias cum eo loqucbantur? Nwne Christus is est, qui Motfsen ad vitam et Eliam de eoelo vocavit? Et ecce ex priori tempore Justi eos adduxit. 8i autem vi ascendens Eliam de coelo deduxit, non est bo- nu8, qttia ex ulnis Justi rapuit Eliam et testem sibi de- duxit. Et si bonus sine Justo Moi/sen investigavit et ejus potitus est, furto reum se fecit, quia et ossa. quae Justus a fade hominum alscondit, ex scpidcro eruU et eduxit. Et quum vox de coelo fierel: Hie est etc., ubi tum erat Justus? Num timuit et sc ahscondit et nmi prodiit

K»itMhr. (. K.-G. TV. 4. 34

k _

504 HARNACK,

ad vocem ittius? Aut num haec vox Peregrini taäk praäeriü, quia Justus audisset? Sed ecce, super ter- tium coelum est, ut dicunt, et Justus quoque super coelos est. Quomodo ergo haec vox et haec verba eum pet' transierunt, quin ea perdperet? et si percepü, cur iaatä ad omnem hanc gloricUionem, quae de eo pra^icaia est?" Ephraem hat hier augenscheinlich eine Erklärung Mardon'g zu dieser Stelle vor sich; zu vergleichen ist Tertullian ad?. Marc. IV, 22, s. auch IV, 7 init. I, 19. I, 16: „cadm tertium,"

P. 255 f. (zum Ausgang der Leidensgeschichte) b^nedkt Ephraem: „Qui ergo dicunt, corpus salvatoris nostri spe- dem quandam fuisse, ut corpus angelorum, qui in domo Äbrahae ederunt, convicti arguuntur etc*^ Dann zur Sonnenfinsternis: ,^Et si Christus filius erat Pe- regrini, sol in crucifiocione ejus non esset teneibratus, sei iUe Creator lucem abundantiorem sparsisset, quia inimicus a f(me ipsius ablaius esset, et lucem super Judaeos oriri fecisset, quia ipsius voluntatem perfecerunt. Et templum velum pretiosum induisset, quia a querdis inimici sui Übe- ratum, et solutor legis ex eo ejectus esset. At pater Peregrini forsitan adduxit teneh-as? Sed ecce non sunt tenebrae apud cum; neque si tenebrae apud eim essent, eas adduxisset, primo, quia deus bonus est, dein, quia nie dixerat: Dimitte eis, quia nesciuntj quod faciunt" Zur Bemerkung über den Leib Christi ist Tertullian adv. Marc. III, 9. de carne 3 zu vergleicheiL Es geht aus diesen und anderen Stellen hervor, dass Marcion zum Erweise seiner Lehre vom Leibe Christi wirklich die Analogie mit den Engeln, die Abraham besucht haben, gel- tend gemacht hat. Zur zweiten Hälfte s. Tertullian adv. Marc. rV, 42. Hier wie auch sonst frappirt die Ueberein- stimmung in der Polemik Tertullian's und Ephraem's : Ecce autem et elementa concutiuntur. Dominus enim patie- batur ipsorum. Ceterum adversario laeso caelum luminibus floruisset, magis sol radiis insultasset, magis dies stetisset, libenter spectans pendentem in patibulo Christum Mar- cionis"

TATUJl'S UATOBABOV Cn» MAMnil'8 OOiOIBITAl. 605

DieB amd die widitigdai StoDn >X Mit iliMn «cUmM ■dl dieaen Baridit Er madit nicht den Ansprach^ aas dem Commeniar E^hnan's endi^pliend die Schitn gehoben lu haben, die ftr die Gteadiichte dor iltestm christlichen La« leratur in ihm aufbewahrt and. (Mine Zweifel enthält Mö* ■inger's Publication die bedeutendste Bereicherung, welche muere Kenntnis der Oeschichte des vorkatholischen Christen- tnms in den letzten Jahren erhalten hat; auch der Fund des Bryennius muFs hier zurückstehen. Eine eingehende Be- arbeitung des bereits vor bald fUnf Jahren erschienenen Werkes Ephraem's wird hoffentlich nicht mehr lange auf sich ^warten lassen.

') P. 183 f. widerlegt Ephraem zu Marc. 11, 13 f. solche, welche die Perikopc vom Feigenbaum allegorisch auf Jerusalem deuten und in dem Berge, welcher sich ins Meer stürzen kann, den Teufel sehen, liier sind jedenfalls nicht Marciouitcn 'zu verstehen, da die Perikope bei Marcion überhaupt nicht stand und sich auch Ephraem hier mit aeinou Gegnern ganz friedlich auseinandersetzt.

M

Angostinisehe Studien.

Von

Hermaim Beuter.

m.

Die Kirohe ,,da8 Reioh Ootte8'^ Vornehmlich zur Verständigung über de civ. Dei lib. XX, cap. IX.

1. Das Wort „die Kirche ißt das Reich Gottes" lesen wir^ soweit bisher unsere Kenntnis der altchristlichen Lite- ratur reicht; zuerst bei Augustin. Ich überschätze die Bedeutung dieser Tatsache nicht. Denn der dogmatische Gbdanke ist längst vor ihm geneigt gewesen, die Gleichung beider Begriffe zu vollziehen. Gegenüber dem Montanismus mit seinen Zukunftshofihungen und seinen Erwartungen des tausendjährigen Reiches in seiner Transcendenz wird von den Vertretern der kirchlichen Richtung der Blick be- ziehungsweise auf die Gegenwart gewendet ^) imd in der Kirche die Sphäre gesehen, in welcher das Reich Gottes in der Gegenwart eine relative Verwirklichung finde. Bei Irenäus ist auch nach meiner Meinung diese *) Würdigung der Kirche nicht zu verkennen ^), obschon sie nirgends aus-

1) Lipsius in von SybeTs bist. Zeitschr., Bd. XXVIII, S.261, vgl. S. 252. 253.

*) Z legier, Irenäus der Bischof von Lyon (Berlin 1871), S. 284.

8) Die Tatsache, dass Irenäus das zukünftige Reich Grottes, das Reich der Herrlichkeit im Unterschiede von der Kirche auffasst, steht selbstverständlich der obigen Behauptung nicht entgegen. Ueber die Vorstellung einer Entwicklung der Kirche, weiter einer Entwick- lung, welche während der Dauer des Milleniums selbst (sd^r-

REttTEB, ÄUGUSTINISCHE STUDIEN. 111.

(drückÜch Reich Gottes genannt wii-d. Von Cyprian ward die Neigimg zur Gleich Setzung beider nicht gestärkt. Und das könnte befremdlich erscheinen bei einem Autor, welcher die Kirche als organisirtes Institut und dioBes wieder als die Sphäre der Seligkeit gefeiert ha.t, wie abgesehen vun dem Verfasser der Clementiner. kein anderer vor ihni. Ad ^egnum pervenire non poterit, qui eam(eccl.), quaeregnatura «s/j derelinquit, heisat es in der Stelle'), de unitatc. Die &rche und das Reich Gottes (der Zukunft) stehn in einem ■Wesentlichen Zusammenhange; ja jene wird dereinst die- ses werden. Die Mitgliedschaft an der einen bedingt die an dem andern. Das ist ein Gedanke, welcher in überaus älmlicher Weise an manchen Stellen wiederholt worden ist; aber weder in den angeführten Worten, noch sonst sind von dem Bischof von Karthago beide Grössen irgendwie identi- fizirt. Dae ist erat von Augustin geschehen.

Man könnte sich für berechtigt erachten zu dem Urteil, dasa dieaes uns erkennbare Uterarische Factum keine Ge- währ dafür gebe, der letztgenannte habe zuerst so gelehrt, wie wir in dem angeführten Ka|)itel lesen. Darf man nicht vermuten, daas bereits in dem dritten Jahrhundert dieser oder jener denselben Gedanken geäussert hat, sei es literarisch in einer Schrift, weiche nicht auf uns gekommen ist, sei es mündlich? Diese Frage mag denjenigen Fach- genoBsen als verwunderlich erscheinen, die noch immer der Zuversicht leben, ja die Voraussetzung als eine ' selbstver- ständliche betrachten, dasa die Quellen so beschaffen sein müssten, dass eine sichere (csacte) Erkenntnis des Christa I lieben Altertums zu ermitteln sei. „Wir" sollen die Wissen- den werden; folghch müssen die Quellen so reich und so angerichtet sein, dass dieser Forderung Genüge geleistet werden kann. Diese Gedanken sind wohl niemals in dieser Bchärfe ausgesprochen worden; aber sie acheinen mir ge-

liaeres. lib. V, c. XXXll, § 1) stattfindet, b. die scbarfeinnige Erörte- nmg bei Schmidt, Die eachatolog. Lehrstücke, Jahrb. f. deutiche Theol., Bd. XlII, S- 530. 591.

") Bei Rotbe, Die ADfönge der cbristl. Kirche, S. 641.

608 REUTER,

wiflsermassen die verborgenen Motoren mancher Anaprfidie und Urteile zu sein ^). Ich kann es daher nicht fiir üb6^ flüssig halten, an die allerdings recht triviale Wahr faeit zu erinnern, dass die alten Autoren doch keineswegs za dem Zwecke literarisch gearbeitet haben, um einen uniierea Bedürfoissen entsprechenden Quellenapparat darzubieten. "Wie viele haben nichts geschrieben, welche schreiben konnten; wie vieles von dem ist verloren, was geschrieben ist! Und wie manche Verfasser haben sich nicht bewogen gefühlt, über das sich zu äussern, über was sie nach dem Urteile manefaer Wissenden in unserer Zeit sich äussern „müssten'M Das alles sind so viel mir bekannt ist von allen Seüesa in thesi zugestandene Sätze; aber das wirkliche Verfahren der Forscher steht nicht immer damit im Einklang.

Noch neuerlich hat man sich mit der Frage beschäftigt^ wann die Formel f] xa&oXixij ixxXrjaia aufgekommen sei Dass man im Stande sein müsste, dieselbe in aller Bestimmt- heit zu beantworten, scheint manchen selbstverständlich sa sein; denn im entgegengesetzten Falle hätten wir ja kein Wissen. Und wie wäre das erträglich! Nun findet sich das berühmte Wort in der bekannten Stelle der JEp. IgnaL ad Smyrn. c, VIII y in dem Martyrium Polycarpi. Aber die Zeit der Entstehung beider Urkunden ist ja fraglicfa. Einige behaupten, dieselbe, sei es ungefähr, sei es genau zu kennen; aber die, welche gleichmässig das behaiq)ten, stim- men nicht überein. Die einen sehen in dem letztgenannten Document nicht nur die früheste Quelle, aus welcher wir die Kenntnis des Sprachgebrauchs zu schöpfen hätten, sondeim scheinen auch anzunehmen, dass das Mart. PoL tatsäch- lich den Titel m&oXixrj zuerst gebraucht habe*). Andere, welche dasselbe in die Periode der Decischen Verfolgung mei- nen verlegen zu müssen, urteilen, Clemens von Alexandrien ^)

1) S. z. B. die Erörterung Keims, Aus dem Urchristentum (Zü- rich 1878), S. 116.

») Ebendas., S. 114—118.

3) Lipsius, Ueber den Märtyrertod Polycarps in Hilgenfeld» Zeitachr. f. wissenachaftl. Theologie, Jahrg. 1874, S. 201. 213.

Ai'Oü8Ti»i8CHE mimiEir. m.

aei der erste Zeuge für diesen Sprachgebrauch, natürlich mit der (nicht immer auBgeeprochenen) Einschränkung, unter den Autoren, deren Werke wir übrig haben. Denn da^s nicht in einer der tausend titerarischen Urkunden u. s. w., welche wahrscheiiüich in den mittleren Decennien des zweiten Jahr- himderts abgefaeat worden , uns aber verloren gegangen sind, das Wort vorgekommen, also nicht früher vorge- kommen sein könne als bei Clemens, darf doch kein ver- atKndiger Kritiker behaupten. Und doch wird nicht selten von diesem sehr möglichen Falle abgesehen, infolge deasen die naive Voraussetzung befestigt, alle dogmatischen Oedanken einer gewissen Periode müssten in den noch vorhandenen Schriften, welche ihr angehören, ausgeprägt Bein. Das ist aber doch ein so offenbarer Grundirrtum, dass Bur VerdeutUchung desselben ein weiterer Beweis nicht nötig ist. Angenommen, es verhalte sich wirklich so in Bezug auf Clemens, wie soeben angegeben ist, so folgt doch daraus ganz und gar nicht, dass dieser Sehriftfiteller das Wort zuerst literarisch verwendet bat; noch viel weniger, dass dasselbe indem persönlichen Verkehr der Christen, im Gespräch nicht früher gebraucht worden, als in der gleich- seitigen Literatur. Wie man diese Sätze bestreiten konnte, itt mir unfassbar. Nichts desto weniger geschieht dies tatsäch- lich. Die Dlusion, welche die Vorstellung bereitet, die Literatur sei die sichere Beurkundung des ganzen Geistes- lebens jener Generation, die abergläubige Vergötterung ihres Werte» fuhrt nicht wenige Forscher in die Irre. Aber die damaligen Christen waren ja (Gott sei Dank!) nicht so •chreibiustig als die heutigen; sie hatten an viel Wich- tigeres zu denken als daran Bücher abzufassen. Warum könnte also die Phrase r; xu^ahxr ixxXrjaiu nicht in den Gemeinen längst vor Clemens üblich gewesen, vielfach ge- Inuucht sein? Dass die Kritiker das nicht wissen können, ist ja deuthch, denn sie können nur auf Grund hterarischer oder monumentaler Ueberlieferung wissen; aber was sie nicht wissen, kann darum sein *),

1) Zur rechIeD Zeit erscheint Vi acher, UebcT die Oreoicii des tünoriicheik WisBeoB, PreusB. Jahrb. Jahrgang 1S80, Bd. 46, S. 65.

510 BEUTERy

Ich bitte die Leser um Entschuldigung für diese Di- gression. Denn so muss ich die kurze Erörterung darum nennen^ weil sie nicht dazu bestimmt ist^ die Bedeutimg einer Prämisse zu haben ^ aus welcher unmittelbare Folge- rungen in Bezug auf die Beurteilung des Falles gezc^en werden sollen, der mich in dieser Studie beschäftigen wird. Mit dem Augustinischen Sprachgebrauch steht es höchst wahrscheinlich anders als mit jenem oben bemerkten. Wenn dieser Autor sagt ecdesia jam nunc est regnum (Dei)y so darf man schwerlich vermuten , er spreche hier einen sonst schon vulgären Gedanken aus. Die Anschauung von der Kirche als dem bereits gegenwärtigen Reiche Gottes ist^ wie ich wiederhole , nach meinem Dafürhalten , längst Tor Augustin in der Christenheit verbreitet gewesen, aber wab^ scheinlich nicht in einer Formel präcisirt, sondern nur von dem unmittelbaren Glauben vollzogen, vielleicht bis dahin eine schwankende geblieben. Erst er ist wie man ver- muten darf der Producent der Formel geworden.

Um so auffallender ist es, dass in den neueren dogmen- geschichtUchcn Werken davon nicht die Rede ist. Sie alle erörtern Augiistin's Lehre von der Kirche, aber dass er diese als Reich Gottes denke, also zuerst (?) ein höchst charakteristisches Lehrmoment liefere, davon wird geschwie- gen. Weder Neander nochBaur noch Rot he, der als Mono- graph, noch mehr in Betracht der sein berühmtes Werk beherrschenden Tendenz die diingendste Veranlassung, ja die Verpflichtung gehabt hätte, die hierher gehörigen Stellen des Kirchenvaters zu würdigen, hat sie beachtet. Auch bei Nitzsch habe ich eine Verwendimg derselben vergebens ge- sucht. Dagegen hat Schmidt*) wie von seiner genauen

1) Jahrbücher für deutsche Theol., Bd. VI (Jahrg. 1861), S. 247 f. Die Bedeutung der eschatologischen Lehrstücke, Bd. VIII (Jahrgang 1863), S. 280. 284. 285. 295 f. Origenes und Augustin als Apologeten. Ueber die erste Abhandlung (Bd. VI) hat Kattenbusch, Theol Studien und Kritiken 1878, S. 191, Anin. 2, das von dem meinigen (s. 0. S. 14) total abweichende Urteil gefällt, dass sie „nur zum Teil richtig Orientire " (ich bin durch sie nicht grade orientirt, aber gefördert); die beiden andern aber, welche alles das, was er ver-

AUGUSTINISCHE STUDIEN. lU. 511

Kenntnis und Erkenntnis der Theologie dieses Earchenlehrers nicht andei*s zu erwarten war ^eser freilich bis dahin keineswegs unbekannten Tatsache die gebührende Wichtig- keit beigelegt, und Ritschi ^) an dieselbe mit Nachdruck er- innert Dagegen ist von Dr. Kattenbusch ^) die in der Ueber- schrift bezeichnete Stelle in einer Weise ausgelegt, welche erhebliche Bedenken erregt. Zum Zweck der Prüfung seiner Ansicht will ich den gesammten bezüglichen Quellenbestand untersuchen.

2. Wir lesen de civit XX, cap. IX tom. II 374 unten nisi cUio aliquo modo jam nunc regnarent cum illo sandi ejus, profecto non etiam nunc diceretur ecclesia regnum ejus regnumque caelorum; weiter S. 474, § 30: Ergo et nunc ecclesia regnum Christi est regnumque cae- hrum] ib. 375 § 35: Neque enim piorum animae mortuorum separantur ab ecclesia, quae nunc etiam est regnum Christi, Sollen diese Sätze richtig verstanden werden, so müssen wir dieselben im Zusammenhange der Gedanken lesen, in wel- chen sie eingereiht sind.

Der Verfasser beschäftigt sich lib. XX, cap. I, mit der Wür- digung des jüngsten Gerichts, ib. c. V, t II, 361, § 25, mit Erklärung der eschatologischen Rede bei den Synoptikern unter Vergleichung der bezüglichen Aussprüche Christi im Evangelium Johannis. Die ausserordentlichen Schwierig- keiten, welche der heiUge Text bietet, entgehen ihm nicht. Sollen sie beziehungsweise bewältigt werden, so hat man alle hierher gehörigen Reden in den drei ersten Evangelien unter einander zu vergleichen. Denn hier ist das Eine, dort das Andere klarer gesetzt, wie Ep. CXCVII, § 2, Op. t. II, 960, ausführlich erörtert. Aber dennoch bleibt in der er-

misBen mag, aber freilich noch bei weitem mehr enthalten, gänzlich un- berücksichtigt gelassen. Ich erinnere an die schon oben S. 210, Anm. 4 gemachte Bemerkung.

1) Jahrbücher f. deutsche Theologie , Bd. XVI (Jahrgang 1871), S.201f. 211.

«) In den oben S. 510, Anm. 1, citirten „Studien zur Symbolik" a. a. 0., S. 201 (s. überdies S. 191—200).

612 REUTEBy

wähnten Rede des Dunkeln genug übrig. Denn bald ist von der Zerstörung Jerusalems die Rede^ bald von dem end* liehen Gerichte; in dem einen ^ wie in dem anderen Falk von einem Zukünftigen die Rede. Bei Johannes 5, 22 aber (de dvitcUe lib. XX; cap. V; tom. U^ 363, § 4, § 5) verkündigt der Herr, dass die Gläubigen nicht in das Ge- richt kommen. Erwägt man weiter ib. cap. VI^ tom. II, 363| § 10; dass es V, 25 heisst quia venu hora et nunc esi: so wird offenbar ; dass hier von einem g^enwärtigen Ge- richte gesprochen wird. Und das wird gehalten in jeaet ersten Auferstehung ^), welche Luk. 14; 18 angedeutet von Johannes in der Offenb. 20; 5 besonders betont^ von Jostm und Irenäus im Unterschiede von der zweiten; aber doch wie diese als ein eschatologisches Factum betrachtet, von Augustin dagegen als ein fort und fort in der Gegenwart sich vollziehendes geistiges') gewürdigt wird (1. 1. cap. VI, tom. II; 363; § 16). Die prima resurreäio ist die Wiederbelebung der Gmster; welche dem Tode der Verdammnis verfallen waren; aber durch das Evangehiun zum Leben der Seligkeit wieder erweckt werden. Nur die- jenigen erfahren sie jetzt als auf Erden lebende; welche in Ewigkeit selig sein werden (1. 1. 364; § 10). Auferstehen muss in dieser ersten Auferstehung der jeweiligen Gegen* wart der, welcher in Zukunft nicht verdammt sein will (ibid. § 30). Die prima bezieht sich auf den Geist, die secunda auf den Leib (1. 1. 365; § l). In der Offen- barung desselben Apostels wird das nämliche gelehrt; was

1) Herrn. Schultz, Die dogmat. Bedeutung der Liehre von der doppelten Auferstehung; Jahrbücher f. deutsche TheoL, Jahrg. 1867, Bd. XII, 123.

*) Vgl. mit unserem Texte die sinnigen Erörterungen bei Schmidt, Die eschatologischen Lehrstücke in ihrer Bedeutung für die gesammte Dogmatik u. das kirchl. Leben, ebendas. Jahrgang 1868, Bd. XHI, S. 594 f., welche (wie die auf die Geschichte der Auslegung der Offen- barung Johannis bezüglichen Schriften) zeigen 9 dass keineswegs „ge- wöhnlich", wie Katten husch, Theol. Stud. u. Krit. 1878, S. 201, meint, in dem Kirchenbegriffe Augustins der Gedanke übersehen worden, „dass die Kirche das tausendjährige Reich und insofern das Reich Gottes bereits darstellt.**

ACGDSTOflSCHE 3TUDIEN. III.

vaun freilich nur dann begi-eii't, wenn man die Erklärung der „Chiliasten" (1, 1. tom. II, 867 oben) als arge Mißver- ' Btändniase des apostolischen Wortes erltannt hat. Ihre sinn- Kch-phantastiflchen Vorstellungen verirren sich in Illusionen TOD einem irdischen Wohlleben, von einer gt eichgearteten tauaendjährigen Herrschaft der körperlich auferstandenen From- men in der Endzeit Das Anstöasige ist das SenguaUstiBche der ganzen Betrachtung. Erträglich wäre die Ansicht, wenn wenigstens einige der Genüsse, welche an jenem Weltsabbat gekostet werden sollen, als wesentlich geisthche vorgestellt wurden. Diesem partiell vergeistigten Chiliasmue ist miBer Bischof selbst vormals zugetan gewesen (1. 1. XX, cap- VII, tom. II, 367, § 30). Aber auch er ist unhaltbar; M gilt die ganze Grundanschauung umzuändern. Üliue dase man auf Einzelheiten der chiliaatiachen Irrung Rücksicht mmmt, hat man das ganze Fundament ihi-er Denkweise zu enchüttem. Die Voraussetzung , dass das Milleniuiu der Endzeit angehöre, ist falsch.

Die „tausend Jahre" können in doppelter Weise erklärt werden, lib. XX, cap, VII, tom. II, 367, § 20. Entweder ninunt man an, diese chronologische Angabe sei gebraucht, nm auszusagen, dass die in Rede ßtehenden Dinge dem letzten, dem sechsten Jahi-tausend, dem in tausend Jahren verlaufen- den Tage angehören, dessen letzte Stunden jetzt erlebt würden, dem Tage, welchem der Weltsabbat als siebenter erst folgen wird. Oder aber man urteilt, Johannes habe von tausend Jahren geredet, um in runder Zahl alle Tage dieses SScnlums der irdischen Geschichte, der irdischen Weltexistenz m bezeiclinen. Sei es aber, dass man für die eine, sei es dass man für die andere Intei-pretation sich entscheide: in bei- den Fällen ist das Millenium aus einem eschatologischen factum zu einer kirchenhistorischen Periode ') gewor- den, zu einer Periode, in welcher infolge der Wirksam- hAt der Kräfte, welche die irdische Geschichte be-

I 1) Schmidt a. a. 0., S. 595. BitBchl, Ueber die He- ijfitodB der älteren DogmengeBchiclite, ebend. J&hrg. 1671, Bd. XVI,

514 REUTER^

wegen, teilweise dasselbe erreicht wird, was nach chi- liastischer Ansicht lediglich durch Wunderacte erreicht werden soll. Denn jene Bindung Satans ^), von welcher der Apokalyptiker XX, 3 redet, ist bereits geschehen (lib. XX, cap. VII, tom. II, 367, § 15); Jesus hat ihn gebunden (Marc. 3, 27), von der Höhe der Herrschaft über die Gläu- bigen „in den Abginind", d. h. in die Herzen der Gbttlosen gestürzt; hat ihn „eingeschlossen" (IxXeiaey Vulg. clai*si(), d.t ihm eine Grenze gesetzt, welche nicht überschritten werden soll, ihn eingeschränkt. Dass das geschehen sei, erkennt man aus dem kirchenhistorischen Erfolge des Christentums. Denn die Völker, welche in der Vergangenheit in die christ- liche Elirche übergeleitet sind, in der Gegenwart übergeleitet werden (ib. lib. XX, cap. VUI, tom. H, 371 *)), in der nächsten Zukunft übergeleitet werden sollen, erweisen sich als der Macht des Satans Entzogene. Das principiell Ge- schehene wird in seinen Folgen in der weltgeschichtlichen Entwicklung oflfenbar. Anderes iGreilich bleibt verborgen,— die Zahl der Individuen, welche diesen berufenen Völkern angehörig die wirklich Erwählten sind. Dies Geheinmis ist angedeutet in den Worten „er machte über ihm ein Zeichen*' signavit super illum (iatpQ'ytmy inaroi avx^ 1. 1. 368, § 20: ob der, welcher zu stehen scheint, wirklich stehe, ob der, welcher darnieder zu liegen scheint, nicht wieder auferstehen werde, das erfahren wir nicht. Das darf uns an der oben betonten Wahrheit nicht irre machen. Der Satan kann allerdings auch jetzt noch Einzelne verfuhren. Johannes sagt nur, dass er als Gebundener nicht mehr Völker verführen könne lib. XX, cap. VH, tom. II, 369, § 5. § 10, cf § 25. § 30. Die Kirche ist die in der Geschichte existirende Anstalt, welche die beschlossene und

1) Schmidt a. a. 0., S. 597.

2) § 35 : Haec autem alligatio diaboli non solum facta est, ex quo coepit ecclesia praeter ludaeam terram in nationes alias atque alias dilatari, sed etiam nunc fit et fiet usque ad terminum saeculi, quo solvendus est, quia et nunc homines ab infidelitate convertuntur ad fidem etc

AÜGÜßTINISCHB STUDIEN. lü.

^1

:q umfassen- ^^|

^geeicherte Berufung derselben leitet, je länger desto i jder vollzieiit

I Das ist der Gedanke, durch welchen Augustin ein reiches •fitück der überlieferten Eschatologie in Bewegungen der na- 'torlich- irdischen Geschieht« iimgewandelt hat, nicht in 'flüchtiger Andeutung, sondern in jener principalen Weise, [Welche die bisherige Weltanschauung erheblich zu modi- i&dren, die Stimmung der Zeitgenossen zu ändern geeignet "war. Der BÜck der katholischea Christen aoll nicht in der 'ittBherigen Art auf die Zukunft des Herrn gerichtet sein. .'Ke aollen nicht allzueifrig darüber grübeln '). Es ist ja ."wahr: Christus wird dereinst persönlich und in wunderbarer i,Smüicbkeit wiedererscheinen *). Aber von diesem Scbluss- :'fiKtuin ist nach unseres Autora Meinung grade in den wenigsten ') Aussprüchen des Herrn die Rede. Bei weitem die meisten verkundigen das allmähliche Kommen, das tägliche Kommen in der sich entwickelnden Kirche*). Selbst Matth. 24 wird Vieles erwähnt, was in den Bereich ihrer Geschichte gehört'). Wird das erwogen, so darf man urteilen: schon jetzt herrschen die Gläubigen mit Christo. Ist diese Herrschaft gleicli anderer Ai-t als in dem zukünftigen Reiche de civitate lib. XX, cap. IX, t. II, 373, § 30. 374. § 25. § 30, so ist dennoch der Satz ein w^ahrer: schon jetzt ist die Kirche das Reich Gottes (L L 374, § 30), weil die Heiligen bereits in dieser Weltära eine verhältnismässige Herrschaft ausüben *). Also

L ') De civitate Dei Üb. XYUl, cap. Llli, tom. II, 2dT. Sermo pCVn, cap. I, Op. VII, 515. Epiat. CXCIX de fine saecuU ad Hea^- lyiiiiii ib. tom. II, 9()T , welche überhaupt mit den Erörterungeii in ÜOen libb. de civ. zu vgl. ist. (Cf. ep. CXCVII, g 3, Op. t. n, 961.)

») Ep. CXCIX, g 41, Op, tom. 11, 984 «. , ») Ib. § 45, tom. U, 986.

|i. *) Ib. 1. 1.

fl B) Ep. CXCIX, § 24, § ae, § 39.

i;^ «) De civitate lib. X, cap. IX, tom. U, 374, § 30, 35 : Ergo et

l^snc ecclesia regnum ChriBti est regnumque caelonun. Reguant

"lo etiam nunc sancti ejus aliter quidem quam tunc rcg-

ubunt etc. Lib. XX, cap. IX, t. II, 373: Eicepto quippe illo legoo,

516 REUTER,

nicht die Kirche als hierarchisch-autoritatiye Anstalt kommt an unserer Stelle in Betracht; von dieser wird TÜelmeb hier gänzlich abgesehen. Diejenigen, welche jene beüt^eoi sind die sandi] das Subject des regnare ist jene commmmo sandorum^), von welcher wir in der zweiten Studie*) ge- handelt haben.

Und in dieser sind die (irdischen) Einzelnen keineswegs bedeutungslos. Das oft gefidlte Urteil, unser Theolog ve^ stehe nicht die Bedeutung der Persönlichkeit zu wtirdigen, ist ja ein begründetes, aber, wie so viele andere, viel ta allgemein, um völlig richtig zu sein. Was der Buchstabe im Alphabet ist, ist das Individuum im Staate, heisst es de civit. üb. rV, cap. III, tom. I, 131, § 25. Wenn die Guten lange und in weitem Umfange herrschen, wird ebend. lib. IV, cap. lY, i I, 132, § 15, gesagt, so ist das nicht sowohl ihneD selbst als denen nützlich, über welche sie herrschen. Aber auch wenn sie ihrem Stande nach Knechte sind, so smd') sie doch die freien (ib. § 25). Ja in der ganzen zweiten Hälfte des citirten Kapitels geht der Gedanke der irdischen Herrschaft der Guten in den anderen von der sittlichen Herrschaft der Guten über. Der Autor weiss von einenoi Reiche der Guten*), von der sittlichen Herrschaft zu reden. Und diese Kategorie ist der anderen „Reich des Ghiten", welche fi*eilich, so viel ich sehe, von Augustin nir- gends ausdrücklich gebraucht wird, nicht bloss verwandt,

de quo in fine dicturus est: Venite etc. nisi alio aliquo modo longe quidem impari, jam nunc regnarent cum illo sancti ejus quibus ait: Ecce ego vobiscum sum usque in consimmiationem saeculi: profecto non etiam nunc diceretur ecclesia regnum ejus regnumque eae- lorom.

1) Cf. Senno LXXVIH, § 1, Op. tom. VII, 425.

«; S. oben S. 222 f.

3) Proinde bonus etiamsi serviat, liber est; malus autem etiamd regnet , servus est nee unius hominis sed quod est gravius , tot domi- norum, quot vitiorum. Lib. XIX, cap. XIV, tom. II. 332, § 30. § 35.

*) De civit. lib. IV, cap. III, tom. II, 132, § 20: In hac ergo terra regnum bonorum non tam illis praestatur quam rebus humanis. Schmidt, Jahrbb. etc. XIII, 593.

ACGD8TINI8CHE BTDDIEN. m. 617

ondem hat auch an der letzteren ihre Voraussetzung, ^fahrend der Gute, von welchem an der einen Stelle gesagt rird, dasB er herrsche, nicht mit amtlicher Gewalt nsgerüstet erscheint: haben daf^egen diejenigen, welche an lar anderen in daren Besitz auftreten, an derselben lediglich las Substrat, aul' welchem die Gewalt ruht und wirksam rird, welche dem sittlich Guten als solchem beiwohnt. Und "on den sancti wiid die Herrschaft geübt, ohne dass von snem Substrat die Rede wäre. Sie sind eben nicht hierar- iösche Würdenträger, sondern nach Massgabe des Sinnes Besea Wortes in allen Schriften Augustins principiell von lenaelben zu unterscheiden. So wahrscheinlich es ist, dasa br communio sanctorum viele Amtsträger angehören, so tnd sie doch in jedem Falle derselben nicht eingegliedert in Jetracht des Amtes, sondern um ihres persönlich-religiös- ittlichen Wertes ') (oder um ihres Erwähltseins) willen, )arum weil dieser ihnen eigen ist, üben sie jene sittlich- reihende Macht aus, welche die Herrschaft der Heiligen [Cnannt werden kann. Deshalb weil oder sofern die Ge- ammtheit der irdischen sawcfi als Kirche vorgestellt wird, [snn man sagen: schon jetzt ist die Kirche das Reich Gottes; leon „sie sind ^) das Reich Gottes". Indessen selbst sie ind das nur insoweit, als sie von jenen himmlischen {eiligen umkreist sind '), den verklärten Gliedern der com- \nmio sanctorum, welche in Verein mit den Engeln *) nicht

' 0 Cf. Ep. CCVIIl, § 2. § 3. Op. tom. U, 1009.

«) De civil, lib. XX, cap. IS, 375, § 6. Poatremo regnant cum So, qui eo modo sunt in regao ejaa, at siiit etiam ipsi regnum {ob. Cf. de baptismo contra Donat. lib. VII, § 99. Rothe, Die Lnfinge der christi. Kirche und ihrer Verfassung, S. 694, Anm. 3, nto me nou temere dicero alioa esse in domo Dei (eccleaia) nt ipai ÜBBi sint eadem domua Dei.— Schmidt, Jahrbb., Bd, VIII, 597.

») De eivit. lib, XX, cap. IX, lom. II, 375: Noque enim animaa ■Dttnonun Beparantur ab ecciesia, quae nunc etiam est regnom Siriati. 376, § 15; Sed ideo tontummodo martyrum auimas comme- ■oravit, quia ipsi praecipue regnaot mortui, qul usqnc ad mortem WO veritate certarunt, Sed a parte etiam totum caet«ros mortuoB ■telligimus pertinentea ad ecclesiam, quae est regnum Christi.

«) S. unten ä. 520. 521.

518 REUTER;

sowohl im mystischen Zusammenhange mit ;;der Kirche'' leben^ als vielmehr deren substantielle Grundlage bilden^ der Kirche ; welche das regnum caelorum principiell ist Aber so transcendent infolge dieser Erweiterung des Ge- sichtskreises die Existenz derselben ist^ sie gilt doch als eine beschränkte, bedingte, dem Leben eines Pilgers vergleichbar im Hinblick auf das herrliche Reich Gbttes der Zukunft^), in welchem der ewige Friede walten wird.

3. Mit dieser Aussage schliesst des Schriftstellers hier in Betracht kommende Gedankenreihe ab. Er würde schwerlich durch ein dogmatisches Bedürfiois getrieben sein, dieselbe dtuch die Erörterung lib. XX, cap. 9, t II, 375, § 15. 20: Om enim dixisset alUgari diabolum müle annis et postea soZm hrevi tempore, tum recapitulando quid in istis müle annis agat ecclesia vel agatur in ea: Et vidi, inquit, sedes et sedentes super eas et Judicium datum est. Non hoc puiandum est de ultimo judi^io dici, sed sedes praeposüorum et ipsi praepositi intelligendi sunt, per quos ecclesia nunc gu- hernatur etc., zu unterbrechen, wenn nicht der Text der Ofifenb. 20, 4 ihn dazu genötigt hätte. Wenn es daselbst heisst: „ich sah" u. s. w., so darf man, meint Augustin, nicht an das Sehen einer eschatologischen Tatsache denken, sondern an eine solche, welche in die Perioden der kirchenhisto*- ri sehen Zeit einzureihen ist, in welcher wir leben.

Das ist die Stelle, um derentwillen man geurteilt hat*), erst von unserem Theologen sei der folgenschwere Gedanke ausgesprochen, dass die Kirche, die in eben diesem Zusam- menhange noch eigens als die rechtlich verfasste, von den Bischöfen regierte, staatsmäÄsige (?) Gemeinschaft hingestellt werde, das Reich Gottes in der gegenwärtigen Weltzeit dar- stelle". Allein der wirkliche Zusammenhang, d. h. die ge- sammte Gedankenentwicklung, in cap. IV IX, in welcher die uns beschäftigenden Sätze als Einzelheiten erscheinen, ist ein ganz anderer als der von dem unten genannten Kritiker

1) S. unten S. 520.

2) Kattenbusch, Krit. Stud. ziir Symbolik; Theol. Stadien u. Kritiken 1878, S. 201.

ArOUSTINIBCHE BTimiEN. Hl.

vorau;^;eaetzte. Augustin hat dui-chaus nicbt aus dogma- tischer Cupidität, nicht in der Absicht, die Auctorität der hierarchischen Kirche seiner Tage theologisch zu recht- fertigen, jene Worte niedergeschrieben, sondern um sich TOn einer exegetischen Not zu erlösen. Und keineswegs aagt er von der so gearteten Kirche, dass sie das Reich Gottes sei, sondern von jener andei-en, von welcher er t. II,

374, § 35, 375, § 5. § 10 geredet hat, auf welche or

375, § 35 wieder zu reden kommt. Zwiacheneinge- schoben ist nur der von Dr. Kattenbusch inkriminirte Passus, welcher aber schlechterdings nicht den Sinn des Vorhergehenden und Nachfolgenden bestimmen kann. Im Gegenteil, es ist unzweifelhaft, dass die ecclefia, welche von den Bischöfen regiert wird, nicht ohne weiteres identificiit werden darf mit derjenigen, über welche vorher und nachher Auskunft erteilt wird. Der Begriff derselben hat sich wie an so vielen anderen Stellen, so auch in dieser, welche ich zwischeneingeschüben genannt habe, dem Verüasser verwan- delt. Von der unsichtbaren Kirche geht er plötzlich, durch die von dem heiligen Buche autgedrängte Schwierigkeit gequält, auf die sichtbare, dui-ch Kirchenregiment (und Li- turgie) charakterisirte über, von dieser aber wieder auf jene zurück. Und nicht von der ecclesia, guae per episcopos gtiherttuiur , sondern von jener, in qua snncti regnant, sagt er, dass sie das Reich Gottes sei. Ich kann also nicht umhin, die entgegengesetzte Auslegung als eine den wirklich verstandenen Zusammenhang zer- rüttende zu bezeichnen, und bezweifle es, dass der von dem genannten Theologen ermittelte Gedanke in irgend welcher anderen Stelle unseres Autors sich ausgeprägt finde. Frei- lich kann ich mich nicht einer so umfassenden Kenntnis der Schriften desselben rühmen, wie diejenigen, welche mit be- neidenswerter Sicherheit heutigen Tages erklären, dass diese oder jene Aussage, diese oder jene Formel bei ihm nicht ge- lesen werde; aber ich habe doch in verschiedenen Perioden meines Lebens, namentlich in den letzten di-ei Jahren, in dem Grade mit der Erforschung der in Rede stehenden literari- schen Schätze mich beschäftigt, dass ich die Existenz einer

r. f. K.-Q. IV, 4. 35

r Mt

520 REUTER,

Stelle, welche jene yorgeblichen Liehren unseres Kirchen- vatetB wirklich enthalte, wenigstens als höchst nnwahrschem- lich bezeichnen muss.

In dieser Ansicht werde ich durch die Erwägung der Tatsache bestärkt, an welcher ein Zweifel eben nicht er- laubt ist, dass trotz der oben charakterisirten UmstimmnDg des Begriffs des Müleniums die Differenz der Kirche, welche schon jetzt Reich Gk>ttes genannt werden kann, von dem Reiche Gottes der Zukunft, dem Reiche der himmlischea Transcendenz, durchweg bei ihm als eine principale er- scheint ^).

Man kann überhaupt vier Classen von Stellen zu unte^ scheiden versuchen: eine erste, in welcher die Kirche ak gegenwärtige dem Reiche Gottes als dem zukünftigen ent- gegengestellt oder dieses doch, ohne dass die Kirche genannt würde,'al8 ein zukünftiges angeschaut wird ') ; eine zweite, in

1) Einzelne Stellen als Belege beizubringen ist untunlich. Das ganze Werk de civitate bewegt sich auf dem scharf ge£u8ten Gtegen- satz des Diesseits und Jenseits, der Gegenwart und der Zukunft als auf seiner Basis. Schmidt, Jahrb. f. deutsche Theologie, Bd. VI, S. 207. 213. Die Gottesstadt hat nicht bloss einen contradictorischen Gegensatz an der civitas terrena, sondern auch einen pol arischen an der civ. supema und doch ist diese nicht eine dritte. Diese ist nur die wahre Existenzform der irdischen Gottesstadt, welche letztere wiederum sigmficatio {reprcLesentatio wagt er kaum zu sagen) der ersteren ist (lib. XV, cap. II, tom. II, 51, § 30. § 35). Die wahre Gottesstadt ist die der Heiligen im Himmel, wo dereinst (alle) ihre Mitglieder mit wiedererstandenen Leibern versammelt werden.^' Eben- das. Bd. Vn, 277. 278; VIH, 293.

^) De pecoatorum meritis et remiss. lib. I, cap. XAVUI, § 56, t. XIU, 36 : nee esse posse alicui praeter regnum ejus vitam aeter- nam. Haec enim parata est revelari in tempore novissimo hoc est in resurrectione mortuorum etc. Enchiridion cap. X: ad regnum, ubi erit vita sine morte etc., cf. cap. VIII, p. 28 ed. Erabinger: ad capessendum Dei regnum. De peccatorum merit. et remiss. lib. TTT^ cap. IV, § 8, tom. XIII, 92 A: non solum in regnum Dei (dass dieses ein zukünftiges sei, wird hier allerdings nicht ausdrücklich gesagt) non baptizatos parrulos intrare non posse nee vitam aetemam posse habere praeter corpus Christi (= ecclesiam) etc. De gestis Pe- lagii cap. XII, § 28: Sed inter lavacrum, ubi omnes praeteritae ma-

ADGÜBTOaSCHE STUDIEN, in. 521

welcher der Autor die gegenwärtige Kirche und die zukünftige Kirche auaeLnanderhäJt '); eine dritte, welche die dermalige irdische eivitas Dei a) von der dvitas im Himmel *), b) von der in der endlichen Zukunft vollendeten unter- scheidet *) {aber auch von dor Kirche im Himmel ') ist mehr- Cach die Rede); eine vierte, in welcher die irdische Kirche (in der Oscillation der in der zweiten Studie *) nachgewiesenen Bedeutung) als Reich Gottes ■) in verschiedenen Graden der Bestimmtheit gedacht, indirect oder direct bezeichnet wird.

cnlae rogaeqne toUantnr, et regnum, ubi aine macula et niga per- petao manebit ecciesia, tempuB boc medium orationis etc.

I) De civitate lib. XXII, cap. IX, t. U, 374, § 30: Ac per hoo nbi utnimqae genus est, eccleaia est qualis nuDC est; ubi autem illud Boliun erit, ecclCBia est, qualia tunc erit etc. lib, XVIII, cap. XLIX, Sermo CCLIX, § 2. 3, VII, 16Ü. Die reiche StellenBammiung bei Bot he, Die Anfange d. christl. Kirche, S. 697, Ämn, 115. Schmidt, Jahrb. für deuUche Theo!., Bd. VI, 8. 206. 213. Cf Bettact. lib. n, cap. XVIII. Ubicunque in hia libris commemoraTJ ecciesiam non habentem maculnm aut rugam noo sie accipieaduin est, quasi jam sH, sed quae praeparatur ut Bit.

») De civitate Üb, II, cap. XXIX, tom, I, 85, § 25; lib. XV, cap. n,t, II, 51, §30; lib. XXII, cap, I, ib. 484, §25. Schmidt a. a. O. VIII, 293. VII, 277. Sermo CCXIV, § 11, Op. t. VII, 948 T. Sanctam quoque e c c I e s i a m matrem vestram tamquam supemam Jerusalem s an et am civitatem Dei honorate etc, clavea acci- pit regni caelorum. Sermo CCXHI, § 9. Die eivitas Dei im Himmel und die auf Erden vorhandene bilden eine mystische Tota- lität. Daa Gleiche gilt von der ecciesia. EneUiridion cap. XIX, p. 71; cap. XX, p. 73.

») S. Aura. 1 auf S. 620.

*) S. Ajun. 2 Ende und oben S. 222, 518. Ich erinnere au die merkwürdige Stelle II, ep, Ciemcutis Rom, cap. IV, Patres aposL ed. Gebhardt Uamack Zahn Faac. 1 , p. 132 und an die dasu gehörigen Erörterungen Haruack'a in dieser Zeitachr., Bd. I, 343.

6) S, oben S, 217-245. 259.

*) Ausser den im Teite angeführten Stellen (»gl, überdies de civjL lib. XXII, cap, XIX, ed. Dombart, tom. 11, 54S, § 10 : Sic jam vident lancti angeli, qni etiam nostn augeli dicti Bimt, quia eruti de potestata tenebrarum et accepto spiritus pignore translati ad reguom Christi ad eoB angelOB jam coepimus pertiucre, cum quibua nobis e DeicirilasipBacommuniB. SermoCCXIlI,§9,0p- 1. V1I,942 F. Unam com angelis habebimus dvitatem) gehören diejenigen hierher, von

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Sehen wir auf den Wortlaut und ziLhlen lediglich die bezüglichen AuBaagen, so lässt eich ebenso sicher die Gleichheit der Bedeutung der beiden Kategorien Kirche und Reich Gottes als die Verschiedenheit beweisen. Der Sprachgebrauch ist kein fester. Dessenungeachtet könnte die Unterscheidung der durch jene Wort« bezeichneten Begriffe eine conatante Bein. Allein wäre dies der Fall, so könnten wir das eben nicht erkennen. Denn die Erkenntnis überlieferter Gedan- ken ist eben durch Abs Vorhandensein der Worte bedingt. Wir dürfen nur urteilen, unser Schriftsteller habe ein em- heitliches festes Schema nicht gehabt, das Verhältnis der beiden Grossen Kirche und Reich Gottes nicht durch gleichmässig testgehaltene präcise Gedanken begrifflich er- örtert; um BO unzweideutiger dagegen die gegenwärtige Kirche und die Bukünftige, das gegenwärtige Reich Gottes und zukünitige als Antithesen betrachtet ').

denen eimge in der ersten Studie S. 18. 19 eicerpirt worden sind. In den- selben verteidigt der Verf. gegen die Pelagianer, welche die rtfa aelema und das regnum caelonim als Spbüren der niedereu nud höhen Seligkeit unterfichieden {x. B, Senno CCXIV, § 3, Op. tom. VU, 1189; de gralia Chr. et de peccato orig. üb. II, cap. SVIH, § 19), die Teilnobrao an jener nicht bedingt dachten durch die gratis CArüft, dieldeutitiit beider GrÖasen und xeigt, dass die in der Tauft eich voltziehendi; Incorporation in die Kirche" (b. S. 213) notwendig sei, um der nur in dem regmtm caelormn verbürgten vita aetema teil- haftig zu werden. Da hier die Pcdemik das Interesse hat, „die Kirche" als die das Heil vermitt^ilnde Gnadensnstalt tmchxuweisa, ex concessis (b. oben S. 27—29) gegen die Gegner zu argumcntiren: so wird die Bedeutung derselben so gesteigert, dass sie das Reich Gottes selbst lu sein sebeint. S. z. B. de peccatonun merit. et remiM. üb. II, cap. I, § 1, Op, tom. XIII, 49; ib. lib. lU, cap. XII, § 21, tom. Xlll, 102 AB, contra duas epist. Pelag. Üb- 1, cap. Xltl, § 40. Scnno LXXI, cap. U, § 4. Aber das alles sind völlig einseitig^ ja die Wahrheit verhüllende Phrasen; denn die irdisch -historiscb- katholiache Kirche teilt die vüa aetema nicht mit, scmdem rer- heiBBt dieselbe nur. Vgl. oben S- 219. 235. 237. 239. Daneb«B die in den prädestinatianlscfaen Ideen wunclndc Lehre, das Beich Gottes sei nur fiir die Erwählten, z. B. de conept. et gratia § 14. 15. 18. 19, die ja freilich , sub specie aetemi betrachtet, die wirk- liche Kirche sind (a. oben S. 240).

1) De eint. lib. XX, cap. IX, t«m. U, 376, § 10. De hoc «go

AUGUSTINISCHE STUDIEN. lU, 523

4. Und diese werden überdies gehalten und gespannt rch den so vielfach durchschlagenden Gedanken, d^as der irkliche Genuss des ewigen Lebens den irdischen Gliedern si '). Durch denselben wird alles das erheblich einge- was an gar manchen Stellen den Eindruck einer ►erschwän glichen Verherrlichung des äusseren Kirchen- HiB auf den Leser macht. Wie majesUltiach dasselbe auch leheine, wie hoch die ihm beiwohnende Autorität geschätzt rden möge: es ist docli trotz der übematürhch göttlichea Aung eine nur schattenhafte *) Gestalt im Vei^Ieich mit . wesenhaften Sein der Zukunft, trotz aller Erhabenheit 7 die weltlichen Gemeinschaften doch als weltliche jenen 1 wieder homogen. Dazu kommt weiter, dass teils durch das Einwirken Ibevangelischer Gedanken, teils durch die Macht der idestinatianischen Idee in dem Kirchenbegriffe das Katho- Ibch- Hierarchische nentralisirt und dieser nach Mas^;abe deB

regno {also wird ecdesia und regnum als gleichwertig beurteilt) inili- tiae ilonec Teniatur ad illud pacatissitnum regnum etc Senno CCLIV, § 2. Enchirid. cap. X5XII, p. 142 ed. Krabingrr,

1) S. oben S. 239. De civil. Dei üb. XXII, cap. XX, üb. XIX, onp. IV, l. il, 313, g 10. Äbflit ergo ut jnm beatituiüiiem adeptOH eue credamus § 3(1. Quamdin ergo nobia inest hacc infir- mitas quomodo noa jam salvoa et si noudom salvoa, quomodo jatn bcatos fioali beatitudinc dicere audebimUH? üb. XIX, cnp.X, tom. II, 323, § 25. 2(i. Die beatitudo, welche man in einer vita bona hier auf Erden erlebt, ist im Vergleich mit der eiidüchen Seügkeit miseria eu uenoen. Vgl, cap. XI. De diverais quaest. quaeat, LXVII, § 2 über die seufzende Creatur Böm. 8. Senno CCXCVII, § 8, tom. VIII, 1206 Primo hie bonant (vitam), sed nondum bear tarn etc. Vera veritas promittit acm solum vitam ael«mam, sed etiam beatatn ib. cap. VI, § 9. Sermo CCLLX, § 2. ;i, donec venlamoa ad iliam requiem (vgl. de civit. Uh. XIX, cap. XIII, t, II, 329, g 15). Sermo CLVII im Ganzen. Sermo CLVUI , § 8. Enchiridion, cap. XXI, 77, dfi. XXXX, 142. lodeesea kenne ich doch auch eine Stelle (und dieser ähnüche kommen wahracheinlich auch sonst vor), welche einen gaiiK andern Klang hat: £piEt. XCII, g 1, Op. tom. II, 299 D. Non enim te deaolatum putare debea, cum in interiorc homine habeu pcaeeentem Chrietiun per fidem in coide tno.

») Vgl. oben S, 239.

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Orades der HerrBchafl: der einen wie der andern so us^ stimmt wird, wie oben ') von mir erörtert wurde, es zu den daaelbst charakteriairten Schwankungen kommt.

Aebnliche lassen sich auch in den Hb. de civitate Dei m Bezug auf das Titelwort nachweisen. Dies Wort musste im Verfolg der apologetischen Tendenz, an welche wir oben erinnerten, das historische Heidentum als ausschliesslich ein- heimisch in der civitas terrena, das historische Christentimi sammt seiner alttestamentlichen Yorgeschicht« ala aosschlies»- lieh einheimisch in der civitas Dei auizeigen (hb. XVI, cap. II, tom. II, 107, § 25 et ejus ecclesiam, quae civitcü Dei est). Kun sollen aber diese beiden civitates als nicht bloss in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart 1 und Zukunft existirende in Betracht kommen: im ganzen Ver- laut der Weltgeschichte bis an das Ende der Tage') dauert der Gegensatz derselben fort. Allein grade die welt- geschichtliche Wirklichkeit lässt die AusfdhruDg des Ent- wurfs nicht zu. Denn das römiBche Reich in der Zeit, in welcher Augustin schrieb, ist Ja doch nicht mehr heidniscli; die Correlation von Heidentum und Staat ist durch die Eme- tische Krisis der Geschichte aufgelöst. Die historischen Tat- sachen widersprechen also den schriftstellerischen IntentioneiL { Haben gleichwohl diese sich durchgesetzt unter gänzlichem | Absehen von der Aenderung der Dinge in der empirischen I Geschichte? Mit nichten. Dieselbe wird wirklich bertick- sichtigt *), freilich in auflallig untergeordneter Weise *), nicht) desto weniger von den beiden civitates als bis zum Anfang dei , vollendeten Reiches Gottes fortdauernden Realitäten gehandelt

Augenscheinlich wäre das unmöglich , wenn der Gehalt der beiden Gleichungen derselbe geblieben wäre. Uan hat »uch längst erkannt, dass derselbe in den späteren Büchern .

1) S. S. 212—237.

<) De ciTit Üb. XVTII, cap. LIV, t. U, 301, § 25 : qnÜDUDSt duanun civitatum, caelestis atque terrenae, ab initio asqoe ad f iosm penuutarum mortalis eicuTBus etc.

») S. unten S. 538. Vgl. 539.

*) Die libri de civitate Dei erwähnen Conatantiu mwt L V, cap XXI, XXVI, Theodosius ebendaselbst

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AÜGCSTOnaCHE STUDIEN, m.

les Werks verändert sei. Ist AuguBtin, urteilt Ebert ') UK± dem Vorgange B Öhringe r'a *), in dem ersten Teile von 1er Gegenwart, von dem Verhältnis des ChristentumB aeiner Seit zum römischen Stowte ausgegangen, so wird der letztere rom elften Buche an zum allgemeinen Begriff des irdiBchen inchristlicben Gemeinwesens (?), der civitas terrena generali- irt und andererseits wird das Christentum seiner Zeit zum ilgemeinen Begriff des himmlischen Gemeinwesens, der cim- OS caüestis universaÜrt. Aber diese Aussäe stimmt nicht ait dem Texte. Denn auch in iib. XI und in den folgen- Len konmit der Auter nicht nur mehr als ein Mal auf das leidnische imperiwn Jiomanum zu sprechen ^), sondern grade R dieser zweiten Hälfte linden sich ja die berühmten Stellen *) iber den Bau beider Städte, der civitas terrena, welche in ler Form der grossen Weltreiche in der Geschichte sich zeigt 2s ist also 80 evident wie nur möglich, dass vom elften Buche in nicht von dem historisch Heidnischen abgesehen worden; hber fi-eihuh ebenso offenbar, dass von da eine Wendung des ledankena sich erkennbar macht. Die ursprünglichen Glei- iiungen werden nicht verläugnet, aber in den Hintergrund [edrängt durch andere'). Wir lesen nicht, was einer aus-

1) Allgemeine Geschichte der Iiiteratur des MJttelalterB im Abeud- inde (Leipzig 18T4), Bd. I, S. 222,

») Die Kirche Christi und ihre Zeugen (Stuttgart 1878), Bd. XI, ;. 183, 2. Aufl.

») Lib, XVIII, cap. XXII. XXIU, Üb. XXII, cap. VI.

*) Lib. XV, cap. V. cap. VIII -cap. XIX Üb. I, 1.

A) Die weh geschichtlichen Grössen , das Heidentum und das Ihristentuto der katboliacheD Kirche , und die Grosaen der prädestina- ianischeii Lehre (societas reprobonim, societas elect«rum) bleiben teils eben einander stehen, teils reSectiren sie eich, ao zu sagen, in ein- nder, teils werden die einen umgedeutet in die anderen. Lib, XVI, ap. XVII, werden der societas hominum secttndum litminem vivmtiuin je tria Ttffna untergeordnet. Lib. XVI, cap. X, lom, 11, 122, § 10 «Bat es: seit dem Turmbau in Babel apparuit civitas intpwrum; isd das Kapitel schliesst mit den vielleicht nach Massgabe der Vädestinatlouslehre aus2ulegendea Worten: ac deinde illa subjuncta, [Uae omnes filios hominiun id eat ad civitatem, quae vivit Becundum uominem, non secunduni Deum reprobos esae demonstrant. Lib. XV,

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drilcklichea Ankündigung, dasa dieselben abgeändert seien, auch Bur ähnlicb sähe; wolU aber wird tatsächlich geändert Neben der auf das Historische gei'ichteteu apoiogetisctiai Tendenz, in deren Verfolg das in den grossen Weltreicbai angesiedelte Heidentum bekämpft werden soll, bemerken wie eine zweite, welche von anderen Motiven geleitet wird. la der berühmten Stelle Üb. XIV, cap. XXVIII, an welcher der Gegensatz ') der beiden civitaies gezeichnet werden sull, werden freilich Eigenschaften genannt, welche von dem lu- storischen Heidentum, dem histoHschen ChriBtentum ausge- sagt werden können, ja in den Worten tom. II, 48, § 10: BU in principibiis ejus vel in iis quas suhjugat nationüm dominandi libido dominatHt etc. wii-d augenscheinlich an die Herrscher in den heidnischen Weltreichen erinnert, aher doch werden nicht sie ausschliesslich hier beschrieben, und der grössere Teil dieses Kapitels dient zur Charakterisä: zweier Grössen, welche nicht mit dem historischen Heiden- tum und dem historischen Christentum unmittelbar identisck sind.

Sie bezeichnet Augustin selbst, wenn er lib. XV, cap. I, t, I, 49, § 20 (dem dem eben erwähnten sofort folgenden Ks- pitel) sagt, quod (genus humanum) in dm genera distrihMr mus unum eorum, qui secundum kominem (cf lib. X\1, cap. Xsq.), alteram eorum qui secundum Deum vtvtmt- Qfal etiam mystice appellamus duas civiiates hoc esi äuas Sode- tates hominum, quarum esl una. qvae praedestinata eri w aetemum regnare cum Deo, altera aetemum suppUätm subire cum diaholo (vgl. weiter die Stelle I. 1. tom. II, 50, § IG 20; ib. XVT, cap. X). An Stelle der beiden da» historische Heidentum und das historische Christentum um- schliessenden civttates ti-eten unter denselben Kamen «wä Geschlechter der Menschen, von denen das eine allerdingi

cAp. VII, tom. II, 58, § ÜO: Et boc est tenenae propriom cintaiit,

Deum vel Deos colere, non caritate coDsuJendi, s«i dominudi

cupiditate.

1} Von Schmidt a. a. 0., Bd. Vlll, S. 284 nicht richtig au*- gcfaaat.

ArGCBTINISCHE STUDIEN, in.

die Denkweise des historiBchen HeideDtumB zu repräsentiren Bcheint, ober doch nicht in einem historisch-heidnischen Welt- liche lebt , das zweite wohl (seinen auf Erden lebenden Sliedern nach) durch die Gnade Gottes in Christo erzeugt flt, aber doch nicht mit den Gliedern der historischen katho- iechen Kirche sich deckt, denn unter denen, welche Ühristen heissen, giebt ea viele, welche ebenfalls secunäum tominem vivunt ').

Um so begreiflicher wird es, daas der Schriftsteller er- därt, er nenne diese zwei genera hominwn mystice zwei ■ivitates. Er gesteht damit in versteckter Weise selbst ein, UsB er die beiden ursprünglichen Gleichungen, ohne den ^ert derselben ausdrücklich zu verläugnen, doch in freier iVeise auszudeuten sich das Recht gebe. Wenn wir erfahren, UsB man darunter zwei societates zu verstehen habe, welche lurch eine doppelte Prädestination bestimmt seien, so rird damit die zweite oben angedeutete, die Bücher de ci- titate Dei durchziehende Tendenz offenbar, die prädeeti- latianische. So oft diese die vorheiTschende in Augustin wird, :eisst das Netz, durch welches er die empirische Weltge- ichichte umspannen mochte, auseinander (Schmidt); die hei- len civitates erscheinen als verwandelte. Die civitas terrena jat ihre Einwohnerechaft nicht in der Zahl der noch vor- landenen Heiden, die civitas Dei umschlieast nicht die Glie- ier der katbülischen Kirche, ist nicht die katholische Kirche ü» kii'chcnregim entliche und hturgische Anstalt; sondern die jTBtere wird der Name fiir die Schar der Weltkinder, die letztere der Name für die Schar der Gotteskinder, ohne dass ias historische Heidentum, das historische Christentum in Betracht käme. Zu der so definirten civitas terrena gehören Heiden, aber auch katholische Christen; zu der civitas Dei gewisse katholische Christen, aber auch Leute, welche

>) De ciritate Dei Üb. XX, cap. IX, tom. II, 37b, § 23. Ep. CXL, § 29. Op. tom. II, 665 D: Ecce ita factum est; tarnen tarn nulti uon ob aliud volunt esse CbriBtiaiii, uisi ut hujua vitae felicitate fmautur etc. Weitere Btloge in der wiederholt citirten Sammlung bei Rotte a. a. 0., S. 692, Asm. UÜ.

528 REUTER,

Heiden heissen ^). Sie best^t sehen wir auf die auf Erden lebenden Glieder aus denen, welche der eommimo sanciorufn zngehören (lib. XX, cap. IX, tom. U, 376, § 15). Im ZuBammenhange dieser Gtedanken yerstehen wir eni die Stelle lib. X sq., lib. IX, cap. I, tom. I, 410, § 10, welche lehrt in hoc saecülo interim duas civitates per^exas quodammodo esse invicemque permixtas^). Wäre die yon dem Autor ursprünglich vollzogene Vergleichung massgebend geblieben, so würde durch diese Worte die Vorsteümig be- gründet, die Heiden als Bewohner der civittiS terrena und die katholischen Christen als die Bewohner der civitas Bei lebten in dieser Welt vermischt mit einander. Aber der wirkliche Sinn ist ein ganz anderer, nach Massgabe der so- eben nachgewiesenen Aenderung der Bedeutung, welche das Wort civitas erflüirt, ohne dass dasselbe die ursprüngUche gänzlich verlöre '). Die Worte sagen nichts Weiteres aas, als die SteUe Üb. XVIH, cap. XLIX, tom. H, 290, § 20 (wo direct von den empirischen Zuständen der katholiscben Kirche die Rede ist), multi reprdbi miscentur hcnis. Diese aber empfängt ihr Licht aus der Vergleichung mit lib. XX, cap. VII, tom. n, 368; § 20, wo gelehrt wird, dass die electi und non elecii nicht erkannt werden, einander selbst nicht kennen. Beide partes, die pars dei und die pars dia- boli (= duo gener a hominum lib. XI, cap. I), leben mit einander. Denselben Gedanken prägen die Worte civüaks perplexae etc. aus, nur dass hier die Nachwirkimg der ur- sprünglichen Gleichung sich erhalten hat.

0 Vgl. Schmidt a. a. Bd. VJII, S. 301 Mitte und oben 253.

«) Cf. Ep. CXCIX, § 37, tom. U, 943 A : Nunc autem ista mala, quae tamquam summa et extrema creduntur, utrique genti et utrique regno et Christi scilicet et diaboli videmus esse communia.

s) Wie die eine neben der anderen sich erhalte, zeigt z. B. die Stelle üb. XV, cap. XX, tom. II, 85, § 20. 25: Civitatem vero Dei peregrinantem in hoc saeculo (die nicht mit dem historisch -katholi- schen Christentum sich deckende) regeneratio perducit ad alterum saeculum, cujus filii nee generant nee generantur. Hie ergo generare et generari civitate utrique commune est; quamvis civitas Dei (die blBtorische katholische Kirche) habeat etiam hie multa civium milia, qoae ab opere generandi se abstineant etc.

ACODBTHnBCHE BTITDIEN. EU. b29

Ich beabsichtige nicht, die Erörtenmg diesea Themas in einer weiteren Untersuchung fortzusetzen. Das Bisherige dürfte genügen, um den beschrtinkten Zweck, welchen ich im Auge hatte, zu erreichen, die obige ') Behauptung zu stützen, das be- riilimte Wort Auguatina, welches ich aU Ueberschrift dieser dritteo Studie gewählt habe, sei nicht ohne weiteres von der sichtbaren hierarchischen Kirche zu verstehen. Aber daraus folgt nicht, dass der Gedanke an diese von dem Autor völlig abgewiesen sei. Dass sich derselbe ihm doch auch wieder aufdrängen musste, wird begi-eiflich werden, wenn wir seine Staatslehre berücksichtigen*).

5. Die Wahl des Wortes civitas ist doch eine verhäng- nisvolle geworden'), so epochemachend der dabei leitende Gedanke auch genannt werden mag. KattenbuBch *) hat diese Bezeichnung eine glückliche und signihcante genannt. Aber es wird doch fruchtbarer sein , statt dieses oder ähn- liche Urteile auszusprechen, zu versuchen, die Motive zu würdigen, aus welchen sie sich erklärt. „Es stehen sich (in unserem Werke) nicht Lehre und Lehre, nicht Philosophie und Philosophie , selbst nicht nur naturhches Licht und Offenbarung entgegen, sondern die Gera einschaft, welche ihre Basis in Gott hat, und die auf sich selbst beruhende. Der kirt^^hliche Geist, der un Abendlande schon seit dem römischen Clemens eine so eigentümliche und bestimmte Ent-

1) S, 519.

*) Nicht darftelleti. Ich setze vielmehr, um nicht des oben S. 207 bemerkten Fehlere, welchen mancbe Autoren begeben, mich selbst schuldig zu machen, die Darstelluiig bei Köitlin, ZeitBchi. für Christi. Wissensch. a. christl. Leben, Jahrg. 18&6,S. 116: Schmidt a. a. O., Bd. VI. 244 f. (vgl, Bd. VIII, 285—28«. 29(i. 298. 301. 302; Bd. Xm, 593 597); Doruer a. a. 0., S. 291 f. ; Thoro»Biu«, Christi. Dogmengesch., Bd. I, S. 574, voraus und versuche nur par- tielle Berichtigungen zu geben, was freilich ho zu leisten, daM keinerlei Wiederholungen des schon von Anderen Erörterten vor- kämen, mir nicht geglückt ist.

s) S. die vortreffliche Erörterung bei Schmidt a. a. 0-, Bd. XiU (Jahrg- 186S), S. 598; Kattenbusch, Tbeol. Stud. u. Krit. 1B78, S. 201 unten.

i-\ TheoL Stud. u. Krit., Jahrg. 18T8, S. 195.

530 HEUTERy

Wickelung nahm^ zeigt sich auch bei Augustin. Der poli- tische Geist des alten Korns, der selbst den aiü' griechischem Boden mit solch individuellem Selbstbewusstsein auftretenden Stoicismus politisch fruchtbar zu machen wusste^ hat aach dem Christentum die Form der civitas gegeben in realisti- scherem Sinne, als in dem auch Origenes die ixxXtjaia dem Staate entgegensetzt" ')

Indessen scheint es mir doch nicht überflüssig zu adn, dai*an zu erinnern, dass das Wort nicht mit Staat, sondern Stadt zu übersetzen sei: lib. XV, cap. I, tom. II, 50, § 25: Scriptum est de Cain (Genes. IV, 17 Vulg. et ciedificatii civitatem nicht urbem vocavitqtie notnen ejus ex no- mine ßlii sui Menoch. Man beachte die Zweideutigkeit des lateinischen civitas) qtiod condiderit civitatem^ ib. cap. V, init. cap. VIII, tom. 11, 61, § 15. Aber allerdings die erste Gestalt der „irdischen Stadt ^^ wird schon als kleiner Staat vorgestellt, lib. XV, cap. VIII, 1. 11, 63, § 5. 10. Sed eHamti cmiditori civitatis illius iste filius primus est ncUas, non ideo putandum est tunc a patre conditae civitati namen ejus im- positum, quando natus est, quia nee constitui tunc ab unopo- terat civitas, quae nihil est aliud quam hominum muUi- tudo aliquo societatis vineulo conligata; sed cum iUius hominis familia tanta numerositate cresceret, ui haberet jam populi quantitatem, tunc potuit utique fieri, ut et constituerd et nomen primogeniti sui comtitutae imponeret civitati. Da überdies die weiteren Gestalten oder Gestaltungen derselben nur in der Form grosser Weltreiche, zuletzt in dem heid- nisch-römischen Welt Staat offenbar werden und diese An- schauung den Autor von Anfang an fesselt, so begreift es sich, dass das Wort civitas unvermerkt von der Bedeutung Stadt übergeht in die andere Staat (vgl. lib. XV, cap. VIII, tom. II, 61, § 25 rfe rege ejus [civitatis Dei] eodemque conditon [Christo], während lib. XV, cap. XVIII, t. II, 83, § 5. 10 Seth als der erste Anfänger derselben vorgestellt wird, mit lib. II, cap. XXI, tom. I, 73, § 30, nisi in ea republica, cujus conditor rectorque Christus est), ohne doch die Ursprung-

1 Schmidt a. a. 0., Bd. VIII, 284, vgl. 301 unten.

AUGDSTOnSCBE STUDIEN. III. 531

Ucbe ganz zu verlieren, vgl. 1. 1. tom. II, 63, § 20. Qais iiaqite dubüaverit per unitts hominis aetatem tantam tntilti- plicari potuisse genus humanum, ut esset, unde consUlueretur non uwa sed plures civitaics? Nun sollen aber doch der Drsprünglichen Intention nacli nicht die civitas, welche Stxat ist, und die civitas, welche katholisclie Kirche ist, mit ein- ander verglichen werden, sondern das von der civitas terrena umfasste, in ihr einheimische Heidentum und das in „der Kirche "als der civitasDei organisirteChriBtentum im apolo- getiachen Interesse, Allein „die Kirche" als katholische hat nicht mehr den heidnischen Weltstaat als eine feindliche Macht sich gegenüber in den Tagen , in welchen Augustin schrieb. Das imperium Sotnantim unter Honorius ist doch ein cbristliches '). Der ganze Entwurf" scheint also auf einen auf- fälligen Anachronismus basirt su sein. Rr ist wirklich vor- handen, — aus jener Umslimmung zu erklären, welche der Begriff civitas, wie soeben dargetan wurde, vom elften Buche an erfahren hat. Aber in den zehn ersten Büchern wird doch die civitas terretia dem weltgeschichtlichen Hei- dentum gleichgesetzt. Somit scheint jene Anklage beziehungs- weise im Rechte zu bleiVten. Unbedingt bestritten kann dasselbe auch nicht wei-den Aber vor allem psychologisch begreiflich wird die Tatsache, wenn wir un= r,n die Bekennt- niBse über die Machtstellung des Heidentums -) noch in Aogustins Zeit erinnern, welche (hirch viele andere Zeug- nisse bewahrheitet werden kSnnen ='). Sie beweisen, dass aller ofSciellen christlichen Kirchlichkeit ungeachtet das Oebiet de» imperium Roniavtim die Spuren heidnischer Gesittung

I) S. oben S. 529-

«) De civiute Dd üb. 11, cap. 11. Vgl. Sermo CS, § VJ. IS. Op. tom. VU, 547.

■) )ch erinnere nur aD die SammluDgen bei Barckliardi, Die Zeit Coustantin'B, S. 4tH)f.; Krafft, Kircbeugescb. der gertaau. Völ- ker, Bd. I, S. II f.; Ricbicf, Gescb. des weBtröm. lUicIiB, S,179f.; Beugnot, EUstoire de la destructioD du pagauisme cd Occident (Paris 1835), tom. n, «IT. 133, Bedeutaam nacli meiaer Mciuung ist auch daa Zeugnis der Mauichäer bei Augustin contra Faustnm Hnnichaeum lib. XX, cap. I. II. XXIII.

532

imd Denkweise zeigte, daas die QeaetEe adbst des gixwBen Theodorins gegen den alten Coltas nicht imbedingt xor Ans- fbhmng gekommen sind. Die Bedeutung des Heidentimis in der damaligen Gegenwart wird grade durch des Vev&ssers grossartiges apologetisches Unternehmen in ganz beeondero* Weise illustrirt Aber die politische Orösse Roms ge- hörte doch der Vergangenheit^ der Periode an^ in wdcher es in allen seinen Institutionen und in der Literatur das Heidentum repräsentirte. Somit wird es versttndücliy dass ein Autor, welcher die definitive Organisation der christ- lichen Staatskirche auf dem Boden des antiken Weltstsst» erlebte; dass ein so begeisterter Christ ^ wie imser AugUBtin, der Nachwirkung der altkatholischen Vorstellung nicht hat widerstehen können ^ welche den römischen Staat und das Heidentum^ den römischen Staat und Feindschaft gegen das Christentum als Correlata setzte. Es ist wahr^ er hat in anderen Schriften die epochemachende Bedeutung Constan- tin's zu würdigen gewusst; aber ich erinnere noch einmal daran; dass er in den lib, de dvüate Dei desselben nur im Vorübergehen gedenkt *).

Gbade die Lösung des apologetischen Problems , welches er sich ausgewählt hatte , nötigte ihn, welcher den Ghrund- charakter des Hoidontums erkennen; ihn in dessen classischer Repräsentation aufzoigen wollte ; seine Gedanken auf das Rom zu richten, welches diese Bedeutung dereinst gehabt hatte. Je energineher das geschah, um so mächtiger wirkte auf ihn Jone «Itts aus der Zeit der Verfolgung stammende Tradition '). V\\k\ mit dieser verknüpfte sich sein eigener selbständiger UtMlnuke von der Kirche als Qottesstadt (Gottes- staat). Uieno NYt\nligunK deTsell>en war nur möglich, wenn ihr der Staut ivl« hoidninohor, überhaupt der Staat ent- gegtxiVKt>Ht^t»t wxuxle. l^ie ^^*a^^ nach dem Ursprünge des letzt- tortni uiul die nach dorn Tr^prungo des Heidentums hängen zu- sammen. l4etatoiv wii>l uiehi im Verbände einer völlig selbstän- digem etluÄoKen Tutei^uoKuu^» nicht zum Zweck des Aufbaues

»^ S oWn\ H ,v.4 Aum 4

AÜGTISTINI8CBB STUDIEN. HL 533

einer TrigBenschaftLiclien Staatstheorie erörtert. Das mues msa im Auge behalten, wenn man die berühmte Stelle lib. XIX, cap. XV im Zusammenhange der ÄugustinlBchen Gedanken würdigen will. Aber freiUch würde man diese in nicht minder bedenklicher Weiae verkennen, wollte man läugnen, dass die zweite Frage (nach dem Ursprünge des Staates) ein relativ selbständiges Problem fiir ihn geworden ist.

6, Der Verfasser geht ja a. a. O, auf den Urständ zu- rück, um zu zeigen , dass der ordo naturalis ^) durch die Begründung einer Herrschaft der Menschen verkehrt worden, die Verknechtung *) des Einen durch den Anderen durch die Sünde verschuldet sei. Und da alles, was Staat heisat, auf diesen Unterschied basirt wird, so ist auch dessen Ent- etehung nur denkbar als Folge der Sünde. Er ist einem grossen latrodnium ähnlich heisst, es üb. IV, cap. IV in jener anderen Stelle, welche nicht mindei- häutig als üb. XIX, cap. XXV citirt zu werden pflegt, um dieses Kirchen- vaters Unverstand zu beweisen. Auch Dorner a. a. O. S. 297 meint, nach dessen Lehre könne es der Staat zu einer sittlichen Existenz durch sich selbst nicht bringen. Wo er lediglich auf seinem Principe sich auferbane, sei er schon gerichtet. Um die pax terrena z'i erhalten, dazu bedürfe er der justitia. Diese aber vermöge er nicht aus sich zu haben; denn sie stamme nach lib. XIX, cap. XXV aq. aus dar veritas justitiae, welche durch die wahre Gotteaver- ehmng bedingt sei (vgl. XIX, cap. XXI, t. U, 340, § 30. Ubi non et vera justitia etc.). Aber ist das wirklich des Verfassers recht verstandene Lehre? Wenn die justitia ein fiir den Bchon vorhandenen Staat völlig Transcendentes ist, wie kann dieser von derselben sich bestimmen lassen, durch sie be- stimmt werden? Ist er seinem Wesen nach ein latro-

V) De civil, lib, XIX, cap. XV, zu Anfang tom. 11, 333, § 5; ib. § 15 quid postulet onlo creaturarum, ib. 334, § 10. Nullus aatcm natura, in qua prius Deus hominem condidit, serruB est bomi- ais ant peccati.

') 8. vor. Anm, Vgl. die Ansicht der Essener bei Philo, Quod omuig prohos lib. cap. XII.

534 RECTEB,

cinium, wie kann er denn durch jene organisirt werden, ohne au£suhören zu sein/ was er ist? Augustin wechselt nicht selten mit den Massstäben^ welche er anlegt ; er gebraucht am liebsten den absoluten; kann aber den relativen ^) auch nicht entbehr^L Davon wird auch hier ein Beispiel g^eben. Lib. XIX, c XXI erinnert sich A. an sein Versprechen zeigen zu wollen, secundum definüiones, quibus apud Ciceronem utüur Scipio in libris de republica, nw/nquam rempublicam fuisse Romanam. BrevUer enim rempublicam definit esse rem poptdi. Quae definitio si Vera est, numquam fuit Romana resptMica, quia numqmm fuit res populi etc. Quocirca ubi non est vera jtistiiia, juris cm- sensu sociatus coetus hominum esse non potest etc. Ac per Aoc si res publica res est populi etpopulus non est, qui consensu non sociatus est juris, non est autem jus, ubi nulla justitia est : procd dubio colligitur, ubi justitia non est, non esse rem publicam^ aber cap. XXIV, tom. 11, 349, § 30, schränkt er dieses Urteil wieder ein. Nee ideo tamen vel ipsum non essepopulum vd ejus rem dixerim non esse rempublicam, quamdiu manä qualiscunque rationalis multitudinis coetus, rerum, quas di- ligit, concordi communione sociatus. Vgl. Ep. CXXXIII, § 16, Op. tom. n, 544 C. Quando ergo nee hominibus nee ipsis etiam quos deos putabant marum corruptorum et per^ ditorum avaritia rapacitasque parcebat, tunc coepit perire laudabile illud decus salusque (!) reipublicae. Die römische Re- publik besteht also doch ohne die veritas Justitiar, wenn nach dem relativen Massstab geurteilt wird *). Sie besteht nicht, wird ihre Beschaffenheit nach dem absoluten abgeschätzt Dieser wird nun allerdings wenige Zeilen darauf wieder in

*) I)a)»cr or dou hoidnischcn Tugenden, welche lib. XIX, cap. XXV als vitia bcwJcUtiot Äind, dt>ch wieder auch eine sittliche Bedeutung Euschrtnbt. Ep. CXXXVIU, § 17, rempublicam, quam primi Romani coustituenim auxeniniquo virtutibus, ctsi non habentes veram pietatotn erjra 1V\«n oio.; cf. § 1<>. !> spiritu et litera, § 48, Op. tom. Xlll, l.HSU; K>nH o|><rÄ, sino quibus difficillime vita cujuslibet hominis» |>ei»3«imi i»uY»«it«r Vjjl. Schmidt a. a. O., Bd. VIII,

«^ Vjll S^^hwua1 A. Ä O, \Vi VI, S. 247.

I

AUGUSTINISCHE STITIIEN. Ul. 535

Anwendung gebracht, t. II, 350, § 5 : Generaliter guippe ei-

vilas impi&rum carei justitiae veritaie. Aber dieBe

civilas impiortim ist ja nicht gleich der historiBclien respuhlica Romana. Viebnehr haben wir bier wiederum eine Stelle, welche meine obige ') Aeusseruiig über die Veränderlich- keit der Bedeutung des Wortes civitas bewahrheitet Der eine Satz hat ebenso viel Eccht, die Beachtung zu be- aoHpruchen als der andere. Augustin anerkennt also eine yusiitia (ratinnalis konnten wir in Erinnerung an die obigen Worte beiliigen), welche niclit durch die wahi-e Guttesver- ehniDg bedingt ist. Und wenn der Staat einer Räuberbande verglichen wird, so ist das deshalb eine abstracte Be- trachtung, weil ein Staat gar nicht kann gedacht werden unter Absehen von der Rücksicht auf Herrschatt jener ver- hältnismässigen jvstitia. Diese hebt denselben nicht empor über die Iiinie der Existenz, welche er seinem Begri& nach hat, sondern er ist noch gar nicht da, wo jene nicht wenigstens ein Minimum ihrer regelnden Macht betätigt hat. Allerdings Augustins Gedanken bewegen sich rielfach in dar Bahn der Transcendenzen. Alles Weltliche, Creatürliche in Betrat^ht der Schwachheit und der Wandelbarkeit seines Seins muss durch eine höhere Macht gehalten werden, luu nicht in das Nichts zurückzusinken. Der Mensch selbst in dem Urstande hatte seine sittliche und darum reale Existenz nur insofem, als er der ewigen Existenz des unwandelbaren Gottes „inhärirte" *): aber doch wird die dadurch bedingte justitia wiginalis darum nicht als ein UebormenscbHchea, nicht aJa dn dem Menschen seinem Begriffe nach nicht Zu- gehöriges betrachtet, sondern grade als das menschlich Nor- male '). Diese Parallele kann vielleicht insofern daau helfen, unseres Theologen Staatslehre zu verdeutlichen, als sehen, dass derselbe auch in der Anthropologie von

1) 8. 626—528.

>) De civit. Üb. XIV. cap. XIU, tora. 1!, 26, § 15. De geiie»i ad

i Üb. VIII, g 27. Huber, Philosophie der Kirchenvatör,

. 369.

<) Die Beweise gehöreo uichl hierher

t s.-a. IV. i 36

1

536 SEUTEBy

einem transcendenten Principe redet; welches doch in Rück- »cht ' auf das Wesen des Menschen als das dasselbe be- dingende gedacht werden muss. Andrerseits aber ist der Ver- gleich der justitia, welche dem Staate unentbehrlich ist, mit dem ctdjiUarium divinum, mit welchem der ursprüngliche Mensch ausgestattet war^ ein schiefer. Denn der Staat, so wenig er im Sinne Augustinus als Organismus der Sünde') bezeichnet werden darf, ist doch das Institut der Re- action (s. die sogleich beizubringende Stelle) gegen dieselbe imd kann unter Absehen von ihr gar nicht gedacht werden. Dagegen der Begriff des Menschen in stcUu integrüaUs Bchliesst die Sünde aus. Diese Erkenntnis könnte rm vielleicht dazu verfuhren, die Erlösungsgnade als Parallele zu verwenden. Diese setzt ja einen abnormen Zustand vor- aus, mit welchem das uns bekannte latrocinium (= Natur- staat) vergleichbar zu sem scheint. Allein das Eigentüm- liche des Wirkens dieser gratia secunda ist ja dies, dass es ein schöpferisch umwandelndes ist. Das aber darf weder von der justitia („Jf4stüia ea virtus est, quae sua cuique distribuit" de civü,, Hb. XIX, cap. XXI, tom. U, 341, § 6) ausgesagt werden, noch von dem durch sie zu organisiren- den Staate, welcher nicht im eigentlichen Sinne „erlöst" werden kann. Denn da er nur als Antithese g^en die Sünde (cum rede fit, id est, cum improbis aufertur injuria- rum licentia 1. 1. 341, § 20) seine Existenz hat, so würde er diese verlieren, wenn die Macht (die Sünde) gänzlich ge- stürzt wäre, deren Excentricität nur durch seine Ordnungen eingeschränkt werden soll. Allein diese Erwägungen, welche absichtlich nicht zu Ende geführt werden sollen, können doch die Einsicht klären, dass der Staat selbst in seiner unvollkom- mensten Gestalt (ganz abgesehen von der Christlichkeit) von der Idee der justitia nicht getrennt werden kann, der Gedanke der Trennung lediglich dem Bereiche der Abstraction angehört Augustin meint, der Staat würde einem Za^rocimwm gleichen, wenn die justitia nicht irgendwie darin waltete; er nennt an der einen Stelle das, was nicht Staat ist, Staat, während

1) Ritschi, Jahrb. f. deutsche Theol., Bd. XVI, S. 201.

AUGUSTlmSCHE STUDIEN. III. 531t«

r an der anderen den positiven Beweis führt, dass der I Staat nur da sei, wo die physische Gewalt wenigstens ver- I hältnismässig durch die selbst verhältnismässige justiiia I (im Unterschiede von der justitiae veritas) geleitet werde.

Ungeachtet aller anders lautenden (aus der Bchroff pole- I mischen Tendenz erklärbaren) Hyperbeln, jener Stellen, welche wie über den heidnischen Staat ausgesprochene Anathemata klingen, wird derselbe docli andrerseits als ein irgendwie sittliches Gemeinwesen vorgestellt, als sittlich frei- lich nur in demselben Grade, in welchem die relative jusHlia darin herrscht. Erkennt doch unser Kirchenvater in der Familie {domus) das inittum, ja die particula der dvilas (überhaupt, im Allgemeinen, lib. XIX, cap. XVI, tom. II, 335, § 15- Quia igiiur hominis domus initium sive par- ticula dehel esse civilalis). Begreift er doch die auch hier notwendige Unterordnung der übrigen Familienglieder unter den die Strafgewalt ausübenden (1. 1. 335, § 5. 10; cf. Üb. XIX, cap. XV, 334, § 10. Verum et poenalis servitus ea lege ordinaiur, quae naturalem ordinem conservari jubet, turbari vetat: quae si contra eam legem non esset factum, nihil esset Servitute coercendum) pater f'atnilias 1. 1. 334, § 30 nicht ab eine Folge sündlicher Usurpation, sondern als den Zustand des naturalis ordo (1. 1. Quod naturalis ordo ita praescribit , ut nomert patrum familias hinc exortum sit ei tarn lote vulgatum, ut etiam inigue dominantes hoc se gau~ deant appeüari). Erklärt er doch deutlich, die Familie habe dem Staate zu dienen, könne in dieser Dienstbarkeit allein

ibrenZweck erreichen (cap. XVI, 334, § 15. Quia omne

initium ad aliquem sui generis ['.] ßnem et omnis pars ad universi, cujus pars est, iniegritatem refertur etc.), dass der Familienvater müsse nach Massgabe der lex civitatis seine praecepta einrichten, cap. XVI sq. Erwägt man über- dies, dass die in Cicero's Buche na von der Republik formu- Krte Begrifläbestimmung der Republik (des Staates) genehmigt I wird; weiter die von ihm seibat gegebene, lib. XV, cap. VHI, tom. n, 63, § 10, civiias, quae nihil aliud est quam homi- num multitudo aliquo societatis vinculo cottligata (lib. XIX, cap. XXIV, s. oben S. 534); endlich die charakteristischen

538 REUTER,

Aeusserungen über die socialis vita lib. XIX, cap. II, tom. U, 307 oben, ebendas. § 20 De sociaJi quaque vUa de, lib. XIX, cap. XVn sq., so dürfte an der Bei echtigung des obigen Urteils nicht zu zweifeln sein.

Ist der Staat aber so beschaffen, wie er von diesem vctt- ausgesetzt wird, so ist damit die Erkenntnis der Möglich keit eines christlichen Staates vorbereitet , während die- selbe principiell von Augustin hätte geläugnet werden müssen, wenn sein echter G^anke in der Formel von „dem Organismus der Sünde" richtig ausgeprägt wäre. Denn in diesem Falle müsste das Christentum die Vernichtung des Staates erzielen; zu einem Verhältnis desselben zu der christlichen Kirche könnte es niemals kommen. Dieses wird aber von unserem Autor ausdrücklich anerkannt, die Wirklichkeit des christlichen Staates nicht bloss zu- gestanden, sondern gefordert.

7. Den Umschwung, welcher durch Constantin eingelei- tet ^), durch Theodosius vollzogen wurde, versteht er, wie unter Umständen, im einseitigen Verfolg eines bestimmten Inter- esses (s. oben S. 524) beinahe zu vergleichgültigen, so in anderen (bei weitem mehreren) Fällen gebührend zu wüi^ digen. Er weiss sehr deutlich, dass er in einem christlichen Zeitalter 2) lebt, und denkt dabei keineswegs an die Macht- stellung der christlichen Kirche, sondern bezeichnet aus- drücklich das imperittm als ein christmnum *) , spricht von christlichen^), wie von katholischen^) impercUores,

1) Schmidt a. a. 0., Bd. XIII, 593. (Durch Christum factus est alter mundu.s, Sermo XCVI, cap. V, § 6.)

2) Christiana tempora, de vera religione cap. Ill, § 13, Op. tom. I, 95. De consensu evangclistarum lib. I, cap. XXVI, § 40, t. IV, 22. Sermo CV, cap. IV, § 8.

3) De gratia Chr. et de peccato originali lib. II, cap. XVII, § 1^, Op. t. XIII, 324. Orbis ChrisUlanus, Ep. CLXXXV, § 16, t. II, 846 B.

*) De civit. üb. V, cap. XXIV. Ep. LXXXVIH, § 5, tom. II, 289 A. Ep. CV, § 7. 11. Christiauus Imperator dem heidnischen Ju- lian entgegengesetzt. Ep. XLVIII, § 20. Constantinopel ist tod einem Christianus imperator erbaut. Sermo CV, cap. IX, § 12.

6) Ep. CLXXXV, § 15; tom. U, 845 ; § 43, p. 859 A. Ep. CCIX, § 9, Contra epistol. Pannen, lib. I, § 16. Op. tom. XII, 29. Tractat.

ADGUSTmiSCHE STUDIEN. ID. 539

und zwar nicht insofern; als das Privatbekenntnis derselben in Betracht kfime, sondern das Christentum wird von ihm als öffentliche Institution vorausgesetzt Er kennt diesen Zu- stand als einen lustorischen ; er fordert aber weiter als Ethi- ker ausdrücklich; dass derselbe erhalten^ ja gesteigert werde. Denn der Staat ist in demselben Masse nur Staat; in welchem er sich den christlichen Normen unterstellt; der wahre Staat der christliche^); das ist der Gedanken- gehalt der wichtigsten Paragraphen 14 18) der über- haupt denkwürdigen Ep. CXXXVIII und Ep. CV. Aber ihm ist es ebenso unzweifelhaft;; dass die Kirche des Staates bedarf. Denn dieser ist es doch; welcher; obwohl ohne Kri^ kaum zu denken ; nichts desto weniger den Frieden erzielt und begründet; ohne welchen niemand in dieser Welt leben kann '). Ja der gesammte Rechtszustand wird lediglich durch denselben hergestellt und gesichert; d. h. die Bedingung unserer gesanunten Existenz '); vor allem des irdischen Besitzes. Das alles hat man als ein wirkliches Gut (sittliches Gkites) zu schätzen; das aber ist Gottes^).

in Joannifl evangel. tract. XI, § 14, tom. IV, 507. Ep. CV, § 11 : Hoc dicrmt et Imperatores, qoia Christiani catholici sunt. Vgl. de ciyit. IIb. XIX, cap. XIV sqq.: Hinc itaque etiam pax domestica oritor id est ordinata imperandi obediendiqae concordia cohabitan-

timn. Imperant enim qui consxdimt etc. qui imperant,

serviunt eis, quibos videntar imperare. Neque enim dominandi cupi- ditate imperant, sed officio consulendi, nee principandi superbia, sed providendi misericordia.

1) Dorner a. a. 0., S. 303.

«) De civit Hb. XV, cap. IV, tom. n, 53, § 35; cf. lib. XIX, cap. XVU, tom. II, 337, § 15.

») Tract. in Joann. evang. traci. VI, § 25. 26. Op. tom. IV, 452. § 15: Sed quid nobis et imperatori? Sed jam dixi, de homano jure agitur. Et tamen apostolos voluit serviri regibos etc. Noli di- cere, quid mihi et regi? quid tibi ergo et possessioni? Per jura regnm possidentnr possessiones. Ebenso urteilte im Mittelalter Iyo von Chartres, Epistola ad Hugonem archiepisc. Lugd. bei Floss, Die Papstwahl unter den Ottonen (Freibnrg 1858), Anh. S. 171.

*) De civit lib. XV, cap. IV, tom. II, 54, § 5: Haec dona sunt et sine dubio Dei dona sunt.

540 BEUTEB,

Ja de civü, lib. V, cap. XXIV, i I, 209, § 5 scheint sogar der G^edanke angedeutet zu sein, dass der christliche Staat neben der Eorche an dem Reiche Gbttes Anteil haben könne. Wir schätzen die christlichen Kaiser heisst es hier nicht deshalb glücklich, weil sie so lange regiert haben; denn das ist auch von manchen nicht-christ- lichen nachzuweisen, welche ab Anbeter der Dämonen nicht „zum Reiche Gottes'^ gehören, wozu jene gehören. Indessen eine überzeugende Beweisstelle liegt in den Worten nicht vor. Denn ob die Kaiser als Repräsentanten des Staates gedacht seien, ist mehr ab fraglich. Der VerfAsaer könnte sie ab persönliche Verehrer des wahren Gottes den cuUores daemonum entgegengesetzt haben. Allein selbst in diesem Falle ist das, was in dem obigen hypothetisch ge- meinten Satze ausgesprochen, wenigstens von seiner Gedanken- bew^ung berührt.

Dass diese mitunter in die bezeichnete Bahn geleitet ward, dazu wirkten vor allem die eigentümlich starken Im- pube. welche seiner Polemik durch die Opposition der Dona- tbten ^) mitgeteilt wurden. Je schroffer die letzteren die alte Ansicht von dem Staate ab einem pro£Euien, dem Christen- tum firemden Gemeinwesen erneuerten und überspannten'), um so mehr wurde der Apologet des Katholicbmus genötigt, die sittliche Würde desselben darzulegen. Und grade darin hat Augustin mehr geleistet ab irgend ein Autor vor ihm. Neben jenem die vielgenannte Grösse herabwürdigenden Ur- teile, welches wir oben *) kennen lernten, geht ein erheblich anderes her, welches dieselbe unter gewissen Cautelen als göttliche Ordnung *) würdigt.

Hat der Staat aber darum eine selbständige, sittliche Aufgabe? Mit dieser Frage wende ich mich schliesslich

^) Die donatistische Frage bei Optat. Miley. de schismate Donat. lib. III, cap. III, p. 55. Quid est Imperatori cum Ecclesia? Die Antwort ebend. Non respublica est in Ecclesia, sed Ecclesia in Re- publica id est in imperio Romano.

») S. Richter, Gesch. d. weström. Reichs, S. 305. 307. 309. 310.

3) S. S. 533.

*) S. 537.

ADOCSTtNISCHB STUDIEN. Ol.

der Lehre von dem Verhältnis der Kirche zum

Staate'), nicht um sie allaeitig darzulegen, sondern um mein Thema im Auge behaltend in Rücksicht auf liesee zum Vei'ständiiiBBe derselben beizutragen.

8. Wir erkannten oben *), dass der Staat an der justilia in Princip habe; haben aber die Frage, ob dasselbe als du ihm transcendentes zu betrachten sei, freilich geglaubt r veimeinen zu müssen, aber doch noch nicht vöUig ') erledigt. Die Schwierigkeit, welche dort uns hinderte, zu einer letzten Entscheidung zu gelangen, dürfte nunmehr hInweggerKumt werden können. Der Staat wird freiHch durch die justitia als das ihm wesentliche, wenn auch trauscendente Princip geregelt seinem Begriffe nach; aber dieser gelangt erst zur vollen Reahlat durch das Cliristentum, welches die veritas justitiae enthüllt und mitteilt. Daraus folgt jedoch nicht, dass daa in directer Weise geschehen müsse. Das ist im Gegenteil unmöglich. Denn nicht der Staat, sondern die Kirche wurde von Christo gestiftet als Gnadenstätte, als Offenbarerin und Leiterin der wahren Gottesverehrung, welche der Focus der veritas jusiüiae ist. Da die letztere in ihrer maaegebenden Geltung die Existenz des wahren (= christ- lichen) Staates bedingt, bo ergiebt sich, dass dieser, um durch das ihm entsprechende Princip normirt werden zu können, dasselbe von der Kirche zu empfangen habe. Nicht als ob eine definitive Belohnung mit diesem Gut stattgefunden hätte in der Art, dass nunmehr der Staat als Belehnter, als Besitzer dasselbe selbständig zu verwalten, die justitiae verüaa selbst zu erkennen und nach Massgabe dieser Erkenntnisse eigenmächtig sich einzurichten die Fähigkeit hätte; vielmehr bleibt dauernd die l^rche die Mittlerin zwischen demselben und der veritas justitiae. Sie ist es, welche alle diese Er- kenntnisse irrtumslos enthüllt, den Staat mit denselben aus- zustatten vermag. Ihrer Leitung und Recognition hat der letztere sich zu unterstellen; nicht im Bewusstsein der Auto-

1) Dorner a, a. C *) S. 8. 635. 53a *) S. S. 536.

542 REUTEB;

nomie unbedingten Gehorsam gegen seine Gesetze als seine Gesetze zu fordern. Nicht weil dieses oder jenes von dem Staate decretirt wird, ist es echtes Recht, für uns verpflichtend, sondern nur sofern es von der Kirche als mit der christ- lichen Wahrheit übereinstimmend genehmigt wird ^). Denn sie allein gilt als letzte, infallible Autorität, sie allein als supernaturale Grösse hat auch einen absoluten Zweck. Der Staat kann nur einen relativen*) verfolgen, aber nur dann realisiren, wenn er jener sich dienstbar') macht. In diesem Falle kann er vielleicht es dahin bringen, als irgendwie dem Reiche Gottes zugehörig be- trachtet zu werden *).

Ja imter Voraussetzung der unbedingt von der Kirche zu normirenden Katholicität der Imperatoren darf man die paradoxen Formeln gebrauchen : Diese weltlichen Machthaber befehlen das, was auch Christus befiehlt'^, „durch sie be- fiehlt kein anderer als Christus"*). Allein in diesem allen ist ja nur die Eine Wahrheit vorausgesetzt : der Staat bedarf unbedingt der Kirche (als der leitenden Autorität). Neben derselben wird aber auch die andere zugestanden, die Kirche bedarf des Staates, soweit sie in dieser irdischen Welt exi- stirt. Der letztere Satz ist wir wiederholen das ^) ebenfalls Augustinisch. Consequent festgehalten hätte er unter gleichzeitiger Verwendung des ersteren zum Aufbau einer Theorie anleiten müssen, welche das Cor relat Verhält- nis ^) beider Grössen forderte und zeichnete ; aber statt dieses

1) Ep. CV, § 7. Ep. CLXXXV, cap. II, § 8. Dagegen könneu allerdings katholische Imperatoren auch terroristische Massregcln er- wählen, wenn sie selbst von dem terror domini bewegt sind. Epist. XCIII, § 18.

2) Uebertrcibung bei Dorner a. a. 0., S. 303.

3) Die HauptsteUe de civit. Dei lib. XV, cap. II, § 30. Dor- ner a. a. 0., S. 300.

*) S. oben S. 540, Z. 3 von oben. ö) Ep. CV, cap. III, § 11. 6) S. oben S. 539.

'') Dieses wird anerkannt in der merkwüitligen Stelle de civitate lib. XIX, cap. XVII, tom. II, 336, § 10: Civitas autem coelestis vel

ADGCSTDIISCHE STUDIEN. lU.

herzuätellen , bat unser Autor Vürnehmlich , an bei

den meisten Stellen ausscbbesslich die bekannte Autonomie

der Kirche gelebrt.

Und grade die Methode der Darleguug dieser Lehre hat nach meiner Meinung dazu mitgewirkt, daas die Idee der Kirche als der sichtbaren hierarchischen eine so starke Macht in seinem Denken geblieben ist. Selbstverständlich ward der Eindruck des tatsächlichen katholischen Kii'clien- systems (s. oben S. 254), die eigene praktische Kirchhchkeit durchweg als das Primäre vorausgesetzt. Jlochte er in der Anschauung von der communio sanciontm (s. oben S. 224) ein tiixh so bedeutendes Remediura gegen das falsch Katholische haben; da, wo er die Aufgabe hatte über das Verhältnis der Kirche zum Staate zu handeln, konnte er dasselbe nicht verwenden. Denn die communio sanctorum ist über ein solches erhaben. Sie kann in jedem Staate ihre Existenz haben, sie gerät niemals mit dessen Einrichtungen in CoUision. Jeder sinnlichen Wahrnehmbar keit entrückt, ist diese spiri- luale Grosse durch keinerlei säculare Mächte zu bestrei- len, auch nicht dui-ch derartige Kategorien zu bemessen. Sollte dennoch im Ernste jenes Thema zur Sprache ge- bi-ncht werden, so muaste von dem, was in dorn Begriffe der Kirche als communio sanctoruin ausgesagt ist, abgesehen ■werden. Nun scheint aber doch die eben gezogene Folge- rung durch die Tatsache, welche in den IIb. de civitate Dei vorliegt, widerlegt zu weiden. Aber wird sie richtig erkannt, so wird grade durch dieses Werk auch die Richtigkeit meiner Folgerung bewiesen. Denn so o f t hier das Wort civitas Dei in dem Sinne von communio sanctoruin (s. oben S. 621) verstanden und zugleich auf die civitas lerrena Bezug ge- n wird, gelangt der Schriftsteller nicht dazu, ein wirk-

potiua ptLTS cjuB, ({uaü in buc mortalilate peregrinatur etiam

isla pace necesse est utatur etc. aervitur in rebus ad eam pi?r- tineutibus iater civitatem iitTain[|ue coucordia (was, weun nicht <lie absolute, so doch die relative Selbstündigkeit der deitag lerrena 1 würde, wetm der Gedanke der amcordia klar Tollxogeu

544 REUT£R|

lichesVerhältnisi d. b. ein VerhältniB, welches in dem Zusam- menhange der irdischen Dinge besieht, uns erkennbar zu machen. Das Problem, dessen Lösung jedermann mit un- bedingtem Rechte erwartet , welcher die Phrase ,, Verhältnis der Kirche zum Staate^' hört oder liest; wird aber nicht ge- löst, sondern statt dessen ein ganz anderes (s. S. 537. 543). So oft dag^en das eben indicirte wirklich berührt wird, wiikt auf die Darstellung der katholische Eorchenbegriff ein. Um die der ganzen Welt bekannte, sinnlich wahrnehmbare katho- lische Earche handelt es sich in diesem Falle. Und in welchem Glänze erscheint dieselbe! in wie überirdischem! Indem AugusHn, von der Idee der Ueberschwänglichkeit der civüas Dei, von allem dem, was er von ihr auszusagen weiss, von dem Gedanken an ihre unendliche Erhaben- heit bewegt, über das, was man vernünftigerweise nur „Verhältnis der Earche zum Staate^'- nennen kann, an man- chen Stellen in der Tat zu reden unternimmt, überträgt er mitunter ') unbewusst in der Exposition dieißer Liehre auf jene (sichtbare Kirche) das eine oder andere von dem, was von der civit(is Dei in ihrer himmlischen Transcendenz gilt, und ist wenigstens nahe daran, (auch) sie als das schon seiende Reich Gottes zu betrachten.

Ausser dem ersten diese (zeitweilige) Richtung seines Denkens bestimmenden Motive, welches, wie wir zeigten (S. 521, Anm. 6), der Energie der Polemik gegen gewisse pe- lagianische Sätze entstammt, erkennen wir hier ein zweites. Und das war es ja, was bewiesen werden sollte.

9. Aber es fi'agt sich, ob es ausreicht, die Augustinische Doctrin von der Abhängigkeit des Staates von der Kii*che zu erklären. Ist sie lediglich Consequenz der principiellen Gedanken, also ausschliesslich (dass ich so sage) theore- tischen Ursprungs?

Ich bezweifle das, bin wenigstens geneigt dazu, das Ur- teil zu fallen, es habe bei deren Zustandekommen noch ein

1) S. z. B. die S. 521 Aum. 2 beigebrachte Stelle aus Sermo CCXIV.

I 4UGUSTD1ISCHE STUDIEN, ni. 646 1

ganz anderer Factor allerdings in durchaus untergeord- neter Weise mitgewirkt.

Wir haben den grossen Kijchenvat«r doch auch als einen dem Eindrucke der damaligen Zeitverhältnisse unter- stellten, — ab einen »iiklich historischen Menschen zu würdigen und zu verstehen. Es ist wahr, er spricht meist von den Römern in der dritten') Person; man merkt es seiner Darstellung selten au, dass er, der kirchliche Katholik, ein Bewusstsein davon habe, selbst ein Römer zu sein ; die Inter- essen des politischen Patriotismus ") bewegen ihn nur aus- nahmsweise *). Daraus folgt aber doch nicht, dass Augustin tatsächlich aich völlig indolent gegen die politischen Zustände verhalten, gegen deren Einfluss sich gänzlich abgesperrt habe. Diese waren unter dem Kaiser Honorius so schlimmer Art, wie aus den Ergebnissen der (vielleicht noch nicht hin- reichenden) historischen Forschungen bekannt ist. Der rö- mische Staat, von diesem Imperator regiert, zeigte entsetz- liche Carricaturen der pohtischen Idee*). Das damalige empirische Imperium konnte doch niemand für den Staat als Staat begeistern'), war nicht geeignet, den Gedanken an den Selbstzweck desselben zu stärken. Den scharf- sichtigeren unter den Zeitgenoasen konnten die bedenkhchen Risse und Brüche nicht verborgen bleiben, welche den Fort- bestand des bisherigen Staalsbaues bedroheten, den nahenden

tngeliilarum üb. I, cap. XV, § 18. 20. 21, cap. XVin, § 2(J; cap, XIX, § 27; cap. XXIII, § 3G.

*) Vielleicht komme ich künftig uoch einmal dazu, mich in eine daiauf bcisüglicbe Untersuchung einzulaasen,

3) Selbst ia der Ep. CCXÜ, ad Bonifacium treten nie nicht hervor. Papencordt, Gesch. der Hcn-schaft der Vandalen in Afrika, S. 59-

*) S. die Stelle aua Äugustiu bei Beugaot, Hist. de la deatruction du paganisme en Occident, t. II, p. 1.

fi) Das hat mau zu erwägen, wenu man z. B. de cirit. Dei Üb. XIX, cap. V— IX liest; da« hat aber Feuerlein nicht erwogen, der in Srbel'sHiBt.Zeitachr., Bd. XXII, S. 291, urteilt: „Auch ihm Ist da« gesammte öffentliche Leben (vita socialia) uichtA Besseres, als ein Haufe BOcialet Leiden, als eine Wohnstütte des politischen Elends und die Beteiligung daran für den Clirialen mit den acbwersten Ge- sakrupeln verknüpft" u. s. w.

546 REUTER,

Einsturz ankündigten. Wie hätte die Anschauung dieser traurigen Wirklichkeit unserem Schriftsteller Impulse zur Begründung einer optimistischen Staatslehre mitteilen können? Oder hätte er etwa das Bild einer idealen resptiblica im Sinne unserer heutigen, den Staat vergötternden Politiker zeichnen sollen? Es ist richtig, dass das ihm seine Dog- matik imd Religionsphilosophie unmöglich machte; aber man kann doch auch die Frage erheben, welchen prak- tischen Zweck solch eine hyperbolische politische Theorie hätte haben können. Oder hätte er etwa als praktischer Reformator auftreten sollen? Ja, wenn er den Beruf fiihlte, als Märtyrer der politischen Freiheit unterzugehen.

Der römische Weltstaat (im Westreich) würde trotzdem gefallen sein und ist gefallen, die katholische Kirche ist ge- blieben, — um eine neue Weltmacht zu werden. Was konnte unser Autor Besseres tun, als sich bemühen, jene (unvermeid- liche) Eatasti*ophe aufzuhalten durch das Unternehmen, den wankenden Staat durch die unvergleichlich stärkere katho- lische Kirche zu stützen? die moralische Fäulnis durch ver- stärkte Ueberleitung der in dieser sich erzeugenden neuen Lebenskeime einzuschränken? dagegen die Uebergriffe des verderbten Staatsregiments abzuwehren, die auch in diesem sich regenden Inclinationen zum Byzantinismus zu brechen? Heilsamer*) als die Tendenz, diesen auch auf das West- reich zu übertragen, war doch die entgegengesetzte*), den Staat der Kirche zu unterstellen, den Staatsmechanismus, so- weit er noch brauchbar war, im Interesse der letzteren zu verwerten.

Das zu erwirken hatte bereits Ambrosius') mit Erfolg versucht. Ihn hatte Augustin in Mailand wh-ken gesehen, als Mann des Earchenregiments beobachten können. Ich wage die Vermutung (welche ich vielleicht später in eine histo-

^) Dass durch den Verfolg dieser Tendenz eine andere Carricatur, die der K ir eh e , vorbereitet worden ist, wird (was man hoflfentiich nicht anders erwartet) von mir nicht bloss zugestanden, sondern als Fehler beklagt.

^) Vgl. Dorner a. a. 0., S. 303.

«) de Broglie, LYglise et l'empire, ti-oisi^rae partie, t. II, p. 1.

AUGUSTINISCHE STUDIEN. Ol. 547

rische Combination mnzuwandeln vormap) auBzusprechen, dasa unseres Kirchenlehrers Ideen über Staat und Kirche in der AüBchauung der praktischen Erfolge des Kirchenlüraten in Mailand') ihre secundäre Quelle haben.

Indessen dies genauer zu unterauchen ist nicht eine Auf- gabe, deren Lösung durch das Thema dieses Aitikels moti- Tirt wäre. Ich schliesse, indem ich die Resultate deatelben, auf deren Anerkennung es mir vomebmlicb ankommt, in diesen Thesen wiederhole:

a) Die Formel „die Kirche ist das Reich Gottes" ist principiell nicht von der verfassungsmässig organisirten, von den Bischöfen regierten Kirche ausgesagt, sondern von der- jenigen, welche als communio sandorum vorgestellt wird, bestimmter von dem Teile derselben denn der Grundbe- standteil gehört dem Himmel an , welcher hier auf Erden sich befindet.

bj Obwohl von Augustin das tausendjährige Reich in die Zeit der Kirche geruckt, die Dauer desselben in eine kirchenbistorische Periode umgewandelt ist , Keicb Gottes und Kirche insofern identificirt , die bereits durch die (praktischen) Tatsachen des Constantiniachen Zeitalters überwundenen eschatologischen Excentricitäten durch ihn theoretisch abgewiesen sind: so ist nichts desto weniger die Ansicht auch bei ihm die herrschende, dass das in der Kirche gegenwärtige Reich Gottes nur uneigenthch so zu nennen, und das zukünftige Reich der himmlischen Transcendenz davon grundverschieden sei.

Ueberdies muss man, um die einzelnen Stellen richtig zu verstehen, die Doppelbedeutung des Wortes Kirche stets beachten.

c) Die Ubri de civitate Dei haben nicht den directen Zweck, die Frage nach „dem Verhältnis der cbriatlicben Kirche zum Staate " im Sinne des heutigen Sprachgebrauchs zu beantworten, sundem sind principiell zum Zwecke der Verteidigung des Christentums (der chriathchen Kirche) gegen das Heidentum ahgefaast.

1) Richter, Geseb. des »

548 REUTEBy AUGUSTINISCHE STUDIEN. HI.

Die Civi^ Mirena bedeutet erstens den heidnischen Staat, zweitens die bis zum Ende der Welt, also auch in der christlichen Zeit bestehende societas impröborum.

Die civüas Dei ist erstens die historische sichtbare Kirche; zweitens die cammunio sandorum (eleciarum Aht oben S. 517. 521. 524).

Man kann die Staatslehre Augustin's nur mit äusserster Vorsicht und selbst dann nicht vollständig aus den lib. de ck, schöpfen. Sie ist correct nur unter Vergleichang anderer Schriften^ namentlich der antidonatistiBchen aufisubauen.

d) Die Behauptung; nach Augustin sei der Staat der Organismus der Sünde; entspricht nicht den allseitig ge- würdigten echten Gedanken desselben in ihrem Zusammeih hange.

e) Neben der auf Entwertung der sittlichen Bedeutoiig des Staates gerichteten Tendenz zeigt sich noch eine andere^ welche consequent verfolgt bei der Anerkennung des Correlat- Verhältnisses des Staates und der Earche anlangen müsste.

Die erstere entspringt in primärer Beziehung aus des Verfassers dogmatischen Grundprincipien; sein politischer Pessi- mismus wird aber verstärkt durch den Eindruck; welchen die politisehen Carricaturen des damaligen römischen West- reichs bereiteten.

[Göttingen, im November 1880.]

Die angebliche

Marbnr^er Kirehenordnnn^ von 1527

und

Lnther's erster kateehetiseher Unterricht

vom Abendmahl

Eine kritische Untersuchung

von

D. Theodor Brleger.

I.

Es war im Sommer 1878; als sich die für die Freunde der Reformationsgeschichte interessante Nachricht verbreitete^ 68 sei auf der BibUothek zu Wernigerode ein Exemplar der lange vermissten Marburger Kirchenordnung von 1527 angefunden worden. Sah man, wie billig; von der Hornberger Reformations-Ordnung von 1526 ab; weil dieselbe ein blosser Entwurf gebUeben ist und praktisch zunächst gar keine Bedeutung erlangt hat; so erschien diese Marburger Kirchen- Ordnung als die älteste Hessische und erfreute sich als solche einer grossen Berühmtheit. Ob mit Recht; die Frage warf niemand auf und hätte auch von niemand mit Sicherheit beantwortet werden können: denn wir wussten im Grunde überaus wenig von ihr. Aus dem sechzehnten Jahrhundert hat noch niemand eine Erwähnung dieser Marburger Kirchen- ordnung nachgewiesen. Erst im Jahre 1607 stossen wir zum ersten Mal auf sie, erhalten den ersten (und zugleich

550 BRIEOER^

bis zu ihrer Wiederauffindung letzten) auf eigener Kennt- nis beruhenden Aufschluss. Es ist nicht unwichtig zu be- achten, von wem und in welcher Absicht sie zum ersten Mal angeführt wird. Es ist eines der vornehmsten Opfer der Kirchenreform des Landgrafen Moriz, welches den folgen- den Jahrhunderten die Kunde unserer Marburger Kirchen- ordnung übermittelt hat: Heinrich Leuchter, seit 1588 Superintendent und Pfarrer zu Marburg, im Jahre 1605 von Moriz seines Amtes entsetzt, weil er der Einführung der Verbesserungspunkte in Marburg sich widersetzte; er fand wie die übrigen Prediger und die Professoren der Theologie, welche in Marburg und im Marburger Gebiet von Moriz ab- gesetzt wurden, Aufnahme bei Landgraf Ludwig, der ihn alsbald zu seinem Hofprediger in Darmstadt machte ^). In dieser Stellung gab er 1607 seine bekannte Schrifl heraus: „Antiqua Hessorum fides christiana et vera. Das ist: Histo- rischer Bericht vom alten und wahren Glauben oder Religion der Hessen"*) das Gegenstück zu der imter ganz ähn- lichem Titel ^) erschienenen Schrift eines Anhängers der Morizischen Reform, welcher zu zeigen versucht hatte, es sei durch Moriz „keine neue Lelir und Religion in Hessen Kasselischen Teils eingeführt", sondern was verordnet „sei die alte und je und allweg in Kirchen imd Schulen Hassiae angenommene erkannte und bekannte Religion" *). Dem gegenüber unternimmt Leuchter die Beweisführung, dass die Verbessemngspunkte eine Neuerung seien, und dass der (lutherische) Glaube, um des willen er seines Amtes verlustig gegangen, antiqua Hessorum fides sei, die Religion, an welcher

1) Vgl. Strieder, Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten- und SchriftsteUer- Geschichte VIII, Kassel 1788, S. Iff.; v. Rommel, Geschichte von Hessen VI, Kassel 1837, S. 563 ff.; Heppe, Die Ein- führung der Verbesserungspunkte in Hessen von 1604 1610, Kassel 1849, S. lOff. ; Heppe, Kirchengeschichte beider Hessen II, Marburg 1876, S. 9ff. ; Vilmar, Geschichte des Confessionsstandes der evange- lischen Kirche in Hessen, Marburg 1860 (2. Ausgabe 1868), S. 169 tr.

2) Darmstadt 1607 in 4.

3) Vgl. Vilmar S. 319 Nr. 49. ^) Leuchter Vorrede S. 14.

DIE MÄBBURGER KIRCHENORDNUNO VON 1 627.

von Anfang der Reformation an bis auf Moriz in Schriften und Ordnungen unverbrüchlich festgehalten sei '). AU eines der ejstcn Beweismittel muss ihm nun die Marburger K.-O. von 1527 dienen; er nennt sie ein „Kirchenbuchlein", „die allererste Ordnung und Eatechiämus in Hessen"*) und be- handelt sie im weiteren Verlaufe, wo er oft aui' sie zurück- kommt, nicht sowohl als Marbui^r, als vielmehr als all- gemeine Hessische K.-0. oder Kin'henagendo '). Unter seinen dürftigen Mitteilungen steht obenan die Notiz, das» Luther zu dem Buchlein eine Vorrede geschrieben habe; eben diese Notiz verlieh unserer „Ordnung" später in den Augen der Forsclier einen besonderen Wert. Noch wichtiger aber war, was Leuchter aus dem Inhalt der Schrift mitteilte; sie behandle die fünf Religion spun kte : Taufe, Vaterunser, den Christhchen Glauben, die zehn Gebote (nach der Ein- teilung Luther' s) und das 8acrainent des Altars, und aus dem letzten Lehrstück schrieb er die zweite Frage und Ant- wort aus zum Beweise, dass in Hessen damals die Abend- nahlalehre Luther's gegolten habe *).

Leuchter ist aber unsere einzige Quelle; alle Späteren, welche von der ilarburger K.-O. reden, haben lediglich aus ihm geschöpft, keiner von ihnen bis 1878 hat sie wieder zu Gesicht bekommen.

Insofern könnte es überBiissig erscheinen , auf diese spä- teren Aeuserungen einzugehen, wie ja auch die Mitteilungen Lenchter's seit dem Wiederauffinden der Schrift ihren Quellen- wert verloren haben. Dennoch mag es mir gestattet sein, eine kurze Uebersicht über die fernere Geschichte unseres Gegenstandes in der historischen Literatur zu geben, weil ich nur auf diese Weise zeigen kann, wie diese K.-O. Berühmt-

rt und Wichtigkeit erlangt hat. Es ist erklärlich, dans man aui Darmstädter Seite fortfuhr ' rieh auf sie zu berufen: so in den Widerlegungen der Kasseler sog. „Wechselschriften" von 1632 (1634), nämhch

i

>) Vorrede 8, 15.

») 8. 17.

") Vgl. S. 58. 62, m. 74. (87.1 t

*) 8. 17f.

i

6M BRIEOERy

in der ,, Gründlichen Ausführung^' von 1636 und der ;, Special- widerlegung'' von 1647^). Sodann aber scheint sie in die firühere Vergessenheit zurückgesunken zu sein. Aus dem weiteren Verlaufe des 17. Jahrhunderts ist meines Wissens nur noch eine Erwähnung derselben bekannt^ bei Johann Just Winkelmann in seiner Hessischen Chronik (1697)'). Es dürfte auf die weite Verbreitung dieses Werkes zurück- zuführen sein^ ') dass man siebzig Jahre später die Marborger K.-0. in der damals veranstalteten ^^Sammlung Fürstlich Hessischer Landesordnungen" ^) vermisste. Zwar machte der Herausgeber^ der Regierungs-Archivar Christoph Ludw. Kleinschmid dagegen geltend ^)^ nur mit Unrecht betrachte man die Marburger Schrift als die erste K.-0. in Hessen^ da sie 1) nur ftir die Kirchen zu Marburg entworfen, 2) ,, nicht audoHtate summi Episccpi, sondern vielmehr audoritate privata" der damaligen Marburger Prediger ange- stellt sei, wie denn auch die späteren K.-C)rdnungen (von 1539 imd 1566) ihrer gar nicht gedächten. Indessen, durch diese Gründe nicht befriedigt, wiederholte der Director des Gym- nasiums zu Hersfeld Wilh. iWille im Jahre 1788*) den Vorwurf der Auslassimg mit besonderer Lebhaftigkeit Er urteilte zugleich mit einer Sicherheit über die K.-0, als ob

^) Gründliche Ausführung" S. 1018 f., „Spectal- Widerlegung" S. 9; s. eine vollständigere Wiedergabe der beiden langatmigen Titel bei Vi Im ar, S. 333f. 334 f., N. 97 und 99.

8) Gründliche und Warhafte Beschreibung der Fürstenthümer Hessen-Hersfeld, Bremen 1697, IV, 415: „Folgenden Jahrs 1527 ist zu Marpurg ein Kirchenbüchlein gedrucket, unter dem Titel . . ., zu welchem Dr. Luther eine Vorrede gesetzet, und ist solches die aller- erste Ordnung und Catechismus in Hessen."

s) Auch Job. Aug. Hartmann, Histor. Hassiaca I, Marb. 1741, p. 256 hat seine Kenntnis ohne Zweifel ausWinkelmanu geschöpft, desgL Pütter, Erörterungen des Teutschen Staats- und Fürstenrechts 11, Gott. 1794, S. 407.

4) I. Bd., Kassel 1767.

ß) In dem Vorbericht zum II. Band (Kassel 1770) § 56.

^) „Einige Bemerkungen über die Sammlung der Fürstl. Hessischen Landesorduungen in Rücksicht auf die gottesdienstlichen imd liturgi- schen Schicksale der Hessischen Kirche unter Landgraf Philipp dem Grossmüthigen", Programm des Gymnasiums zu Hersfeld. Herbst 1788.

DIE MABBÜHGEB lORCHENORDNrNG VON 1527.

de ihm vorgelegen oder als ob er noch über uns unbekannte Quellenn achrichten verfügt hätte, während doch weder dos eine noch das andere der Fall wa-r. Trotzdem hat man ihm noch in neuester Zeit ohne Bedenken nachgesprochen. Er belehrt uns nämlich, dieses Kirchenbüchlein habe „die eigent- lichen Formulare imd Gebäter zur Taufe, Abendmahl etc." enthalten und sei zum Unterschied von der Homberger Refor- mationß-Ordnung , „welche solche nicht enthielt, die dazu gehörende kurze Kirchenagende gewesen, deren sich die Pre- diger bei ihren Miniat«rialhandlungen bedienten", während „jene überhaupt alles, was die Anordnung der damaligen neuen Kirchenverfassung betraf, anzeigte". Ferner sucht Wille wahrscheinlich zu machen, dasa diese Agende, deren sich „die Gemeinde der Synodalstadt Marburg", der kirch- lichen Metropole Hessens, bediente, auch „in die übrigen Gemeinden Hessens eingeführt und allgemein geworden sei"; auch sei „sie nicht bloss autoritatc privata der Geistlichen zu Marburg", „sondern ohne Zweifel mit Wissen und höchster Genehmigimg des Fürsten von den damaligen ersten Refor- matoren der Hessischen Kirche entworfen und gedruckt worden"; das „sei aus dem ganzen Zusammenliang und der unmittelbaren Verbindung, in welcher sie mit der Homberger Reform ations- Ordnung stehet, und überhaupt aus dem tätigen Anteil klar, welchen der Landgraf an diesem ganzen Refor- mations-Werk nahm"; sei doch schon der Umstand „kein geringer Beweis von dem ihr zuerkannten allgemeinen An- sehen und Aufnahme in Hessen ", dass sie mit einer Vorreda Luther'a begleitet worden; unzweifelhaft habe sie daher auch „fast laufer liturgische Stücke Luther'a enthalten" ').

Ein erneutes Interesse wandte man der Marburger K.-O. erst vor etwa einem Menachenalter zu. Noch v. Rommel war IS30 ziemlich achtlos an ihr vorübergegangen, nur dass er heiläufig die Vermutung äusserte, dieses „evangelische Brevier oder Agende" sei wahrscheinlich infolge der Horn- berger Synode entworfen*). Da war es Hasaencamp,

1) S. 9. 10.

1) Philipp der GroBBmüthige, Landgraf von HeBsen, II, OiesBen 1830,

a 123.

J

664 BRIBQER^

der in seiner höchst verdienstlichen, leider unvollendet ge- bliebenen „Hessischen Eirchengeschichte im Zeitalter der Reformation^^ (1852 55) die Marbuger E.-0. als ^ be- achtenswertes Denkmal in dem Entwickelungsprozess der Hessischen Kirche zu würdigen unternahm. & betrachtet sie als ein Document jener Periode , in welcher in Hessen unbedingt der Einfluss der sächsischen Reformation herrschte, und welche er durch die Jahre 1527 29 imischreibt; denn dass ihr Inhalt der reformatorischen Richtung der Sachsen entspreche, dass namentlich die Abendmahlslehre mit der lutherischen übereinstimme^ das lasse sich schon aus dem Umstände, dass Luther das Buch mit einer Vorrede versah^ im voraus erwarten und werde bestätigt durch die uns er- baltenen Fragmente. Auch Hassencamp nennt die Agende ein ,, besonderes für Hessen verfasstes Büchlein'^ und pflichtet der Vermutung von Wille bei; ^^dass das für die Gemeinde der Sjnodalstadt bestimmte Büchlein allgemeinere Bedeutung gewinnen sollte^', somit wahrscheinlich auch ausserhalb Mar- burgs gebraucht sei ^). An Hassencamp schloss sich in diesem Pimkte Vilmar an^ welcher ebenfalls versicheity die Agende sei ,,ohne Zweifel als Musteragende nicht allein für die nächsten Umgebungen von Marburgs sondern auch fiir ganz Hessen verfasst worden", und der ausserdem her- vorhebt, dass sie „in der Lehre von den Sacramenten sdir bestimmt Luther's Leiire wiedergiebt " *), Endlich Hoppe redet in seiner „Kirchengeschichte beider Hessen" (1876) wieder gradezu von einer Hessischen Ag^ide von 1527 •):

1) I, Marburg 1852, S. 114. II, 1, 1855, S. 307 309. Schon 1846 (in seiner Ausgabe des „Kasseler Katechismus von 1539^, Mar- burg 1846) hatte Hassencamp die Marburger Ordnimg als erste Hessische Kirchenordnung" bezeichnet, S. 3.

^) Geschichte des Confessionsstandes u. s. w. S. 18. Vgl. auch W. Kolbe, Die Einführung der Reformation in Marburg, Marburg 1871, S. 48: „Die vollstäniüge Einführung des evangelischen Cnltas in der hiesigen Pfarrkirche erfolgte zwischen Ostern imd Pfingsten des Jahres 1527, wahrscheinlich am 28. April, dem Sonntage Quasimo- dogeniti. Zu diesem Zweck war in demselben Jahre eine besondere Kirchenordnung dahier gedruckt worden" u. 8. w.

») I, Marburg 1876, Vorrede S. VIII.

DIE MARBURGER KIRCHENORDKUNG VON 1527. 555

da die gottesdienstlichen Einrichtungen der Synodalstadt für das ganze Land mustergültig sein sollten^ so habe Philipp sofort eine Agende die erste Hessische erscheinen lassen^ die denn auch noch 1527 mit einer Vorrede Luther's erschienen sei. Heppe stellt weiter die Vermutung auf, dass in dieser Schrift Luther's „Deutsche Messe" von 1526 (viel- leicht in eigentümlicher Redaction) abgedruckt gewesen sei ^). Im Uebrigen bestreitet er entschieden^ dass der von Leuchter mitgeteilte Satz über das hl. Abendmahl ,,die lutherisch-kirch - liehe Lehre" darstelle, weshalb man nicht mit Leuchter ,,die Herrschaft des lutherischen Bekenntnisses in Hessen von Anfange der Reformation an" mit diesem Satze, der frei- lich die ursprüngliche Abendmahlslehre Luther's enthalte, beweisen könne *).

Wir sehen : man hatte sich gewöhnt, der Marburger K.-O. deshalb eine hohe Bedeutung zuzuschreiben, weil sie 1) die erste Hessische und zwar eine fUr das ganze Land bestimmte sei, weil sie 2) auf Befehl des Landgrafen Philipp entworfen, und von Luther mit einer Vorrede versehen, und weü 3) die von ihr vertretene Abendmahlslehre von höchster Wichtig- keit, um die ursprüngliche Richtung der jungen Reformation in Hessen zu bestimmen.

H.

Heute, wo ims infolge jenes glücklichen Fundes die K.-0. selber vorliegt, sind wir in den Stand gesetzt, das Oebiet unsicherer Vermutungen zu verlassen und uns ein zuverlässiges Urteil über dieses Schriftchen zu bilden.

Vergegenwärtigen wir ims zu diesem Behufe vor allem seine äussere Gestalt und seinen Inhalt.

Da der Neudruck, den wir jüngst erhalten haben, nicht

1) I, 177. «) I, 213f.

556 BRIEQEBy

mit derjenigen diplomatischen Genauigkeit veranstaltet ist, welche wir zu fordern berechtigt sind ^\ halte ich mich da- bei an das Original der Bibliothek zu Wernigerode.

Es ist ein winziges Schriftchen von zwei Bogen in klein Octav, also im Ganzen aus sechszehn Blättern bestehend. Schon äusserlich zerfällt es in zwei Teile, indem 1) schon am Schluss des ersten Bogens (dessen letzte Seite leer ist) der Druckvermerk steht:

1) Marburger Kirchenordnung von 1527. Heraosgegeben Ton C. W. H. Hochhuth. ELassel 1878. (32 S. in kl. 8). Indem ich die zahlreichen kleineren orthographischen Abweichungen vom Original und die Willkür der (zum Teil sinnlosen) Interpunction fibergehe, merke ich folgende Druckfehler an:

S. 11. Z. 7 f. y. o. lies so gar on ernst für sie gebeten hat ywi

der tauffe statt: so gar oft on emai fir sie gebeten hcAf

ynn der tauffe. S. II Z. 3 y. u. solchs statt: solches, S. 12 Z. 6f. y. o. lies da vermanet er dich yhe das du mit ffim

beten soUt, statt: da vermanet er dich auf d<u du etc. S. 12 Z. 9 y. o. lies vnibher statt: vmber. S. 13 Z. 7 f. y. o. lies gruntlosen statt: gruntlosem, S. 15 Z. 5 y. o. lies enpfahe: durch Christum statt: entfake:

durch Christus. S. 16 Z. 2 y. o. lies mit rechtem glauben statt: mit rechten glauben, S. 16 Z. 4 y. u. lies Euangelion statt: Evangelio, S. 17 Z. 8 y. o. lies Denn statt Dann. S. 17 Z. 5 y. u. lies Sonder statt: Sondern. S. 18 Z. 5 y. u. lies Gleubest du statt: Gleubestu. S. 19 Z. 7 y. o. lies Denn statt: Dann. S. 19 unten: Der Druckyermerk yöllig ungenau, desgleichen S. 21

der Titel des 2. Teils. S. 22 Z. 4 y. o. lies vorsamlet statt: vorsamelt. S. 23 Z. 2 y. u. lies sonder statt: sondern. S. 24 Z. 6 y. o. lies on statt: an. S. 26 Z. 6 y. u. lies Das dritte statt: Der dntte. S. 26 Z. 4 y. u. lies Das vierde statt: Das vierdt. S. 28 Z. 1 y. u. lies dratu statt: daraus. S. 29 Z. 9 y. 0. lies vntemander statt: vntereinander. S. 30 Z. 8 y. u. lies wilcher der Herr Christus statt: wUcheT

Herr Christus. B. 31 Z. 3 y. 0. lies Das thut ynn meinem gedechtnis statt: Da^

thut zu meinem gedechtnis.

DIE MÄEBCROER KIRCHEKOEDNUNG VON 1527. 667

©c&ruifl ynn bn ne- \ win löbliiitn üni- | uerfitet TXlax- purg I yni 211. V. ffrij. | iar. am jftj. (ag | 3unij. und 2) der zweite Bogen mit einem besonderen Titel beginnt und auch seine eigene Signatiu' '} wie am Schluae (Blatt a 8' auch hier die letzt« Seite leer) einen neuen Druck- verraerk hat:

©e&rucff ju ITTarpurg | yn Reffen. l}X.I>.XXo\}. Der Titel dieses zweiten Teils lautet: U)as bem q^i-- \ »leymn rolrf nad; bet | prebi^ für ju U'fen. II €Ynfi'§u>i9 | bes Sacraments bes | leibs vob bluls iijrifti. I 2Iudj »ie man es ben francfen v«n ben | f?i'uf(rn vbivteidien foU. || €in fdjön »n- | tetric^l. auf ßra^e onb j Zlnttrort geftellct, vom Sacra- | ment bes Jiltars. [| ZTTarputä. | 1527. Dieser zweite Titel ist ohne Randeinfassung *), wohingegen der erste Titel eine Einfassung aufzeigt, welche man auf den ersten Blick als diejenige des Johann Loersfelt erkennt *), des ersten Marburger Druckei's, welcher noch im Frühjahr 1527 zu Erfurt druckte, aber gleich darauf nach Marburg übergesiedelt sein muss *). Loersfelt ist demnach

S. 31 ist vor Z. 5 t. u die Überschrift ausgefalleu : Die fun/fte frage.

S. 32 Z. 2 V, o. lies enpfahen statt: cmpfahen.

S. 32 Z. 3 V. o. lies Isaie am. xl. statt ; Isaie am. xi. Käme dieser aageblichea Kirubeuordoung in der Tat die ihr bia- ber zugeschriebene Bedeutung zu, so verdicute sie unzweifelhaft einen neueo, diplomatisch genauen Abdruck nun Ersatz des Uochhuthachen. Eine Beschreibung der äusseren Gestalt des Originals hat llochhuth In seiner späteren Schrift: Die Bedeutung der Marburger Kirchen- ordnung von 1627, Kassel 1879, S. IUI gegeben.

1) Der erste Teil hat die Sigoatur a ij, a iij, der 2. Teil : a ij,

2i iij, :i D.

■) Das Gegenteil behauptet fälschlich Hochbutb, Die Bedeutung u- s. w. S 17.

«) So richtig schon Hochhut h S. 35.

*) Erfurter Drucke Loersfell's haben mir aus den Jahren 1523 bis 1527 vorgelegen; sein letzter Erfuder Druck sind vermutlich die 2\iradoxa Franz Lamberfs von Avignon (QVE 1 FRAN, | LAMBE^BT | tns auenionenjis, opnb | sanctä (jefforü Synoftü ) ^ombergi congieeo*

558 BRIEOEB,

mit Sicherheit als der Drucker unserer Schrift zu betrachten, zumal da auch die Typen und Initialen (Initialbildchen) derselben sich in seinen sonstigen Drucken wiederfinden ^).

tä, I . . propofnit u. s. w.), deren Widmung (Bl. 1 *> ) ebenso wie die hier mit abgedruckte Epistola cid Colonienses (Bl. 54 ^) das Datum des 15. Febr. 1527 aufweist (am Ende: €fcuffum €rpIjorbie: per Joljan- nem £oerS' | feit. 2inno faluiifere tncarnaitonts. 1527.) Da Loersfelt die Marburger Rirchenordnung am 22. Jimi 1527 gedruckt hat, fällt seine Übersiedelimg nach Marburg etwa in die Zeit vom April bis Juni 1527. Veranlasst zu derselben wird er durch Lambert sein, da er mit diesem bereits in Beziehung stand. iVgl. übrigens die tod Heppe, Kirchengeschichte beider Hessen I, 196—198 leider ohne Angabe der Quelle mitgeteilte Ordnunge der Universitett " von 1527, wo es am Schluss heisst: „Ein Buchdrucker sol Hermannus Buschiiu bestellen"). Er war zugleich der erste Hessische Buchdrucker (vgl Strieder in Justins Denkwürdigkeiten lY, 1, Marburg 1805, S. 142 f.). Aus dem Jahre 1527 habe ich fünf Marburger Drucke von ihm ge- sehen, auch für das Jahr 1528 ist seine Tätigkeit noch durch einige wenige Drucke bezeugt. Dann aber verschwindet er unserm Gresicht«- kreise und wird (noch 1528) durch Franciscus Rhode abgelöst, von dem sämmtliche Marburger Drucke der nächstfolgenden Jahre herrühren.

1) Von den sechs Initialbildem unseres Druckes habe ich fünf in anderen teils Erfurter teils Marburger Drucken Loersfelt's wiederge- funden. — Die Titelein fassung kommt noch in folgenden aus- drücklich Loersfelt als Drucker auffuhrenden Schriften vor:

1) in dem Nachdruck des Ansbacher Ratschlages von 1524: (Ein xaiii \ fd?Iag, ben etHd?e diixxfi \ Hd?e pfarljerrn , prebi. | ger nn an« bcr götitdycr | fd?rijft ncrjlcbige . . | . . | . . gcmadjt (jabenu. s. w. A. E.: (Sebrürft 3u €r | ffurb burd^ 3ol^an | nein Coersfelt (o. J., etwa 1525).

2) Die fprüd? Sa | lomo , aufs (Ebreyfd^er | fprad? nerbeutfd?t burd? | D. IHart. Cutljer, mit | bcr ^uglegung p^t- | lipps meläd^tf^on. | Illit feyner gunfi | nnb »tuen »er« | beütfd^et | burd? | 3uftum UTenium. | gum anbexn mal nberfefjen v\i | gebrücft mit bem Hegifter. | M. D. XXVI. AJl.: <Sebräcft 3u €rffurb burd? 3ol?an« | nem loersfelt. ^526.

3) in den Paradoxa Lambert's (s. o.).

4) (Db man | für bem fter* | hm flief^en | müge. || Xtlax. Cutljer. | lüittemberg. | ITT. D. X3i. üij. A. E. : (Sebrucft 3u UTarpurg | burd? 3oljä loersfelt. Dieselbe Einfassung führte übrigens auch Haus Lufft, Vgl. : Sermon | Von bem Sa | crament bzs leibs | vnb bluts Cljrt» | jii, »ibber bie | Sdjmarm | geiler. || XlTartinus luter. || IDittemberg | ^526. A. E.: (Sebrurft burd? f^ans | £ufft. Dsgl. 1528 Buyenhagen's Con- fessio.

DIE MAEBURGER KIHCHENORDNDNQ VON 1527.

Man konnte nun versucht sem anzunehmen, dass diese beiden Teile der Kircheiiordnung zwei selbständige Schrift- chen seien, stände dem nicht der umfassendere Titel des ersten Teiles entgegen. Dieser, der übrigens das einzige Band zwischen beiden Teilen bildet, lautet nämlich:

£^rift{i' I dje orbenung | tuic C5 jii ZTTarpurg yn | Reffen,

mit ITeuffen, | Suetamtt rcidjcn, | rii mit Sele nadj |

biv prebigt ge^ | I^aiten ipirb. || (527.

Dieser Titel greift, wie bemerkt, über den ersten Teil

hinaus; denn dieser handelt zwar von der Taufe, aber weder

vom Abendmahl noch von dem Beten nach der Predigt,

während diese beiden Stücke, wie auch schon der Titel des

zweiten Teils anzeigt, in diesem letzteren allerdinga vor-

Der erat« Teil enthält nämlich nicht mehr und nicht weniger als Luther's Taufbiichlein, und zwar in der zweiten Bearbeitung desselben, welche wir wohl dem Jahre

1526 zuzuweisen haben '). Es fi'ihrt (Bl. a 3' ) in der Ueber-

1) Efl ist bezeichncud für <lcii beutigen Stiuid der quelleumäsaigea LutherforBchung, dass Fi'agen nie diese uach dem Datum der sweiten Reccnsion des Taufbüchleins uoch einer Untereuchimg bediirfeu! Auch ich vermag aie augenblicklich uicht endgültig zu lösea. So häufig man auch Originald rucken der ersten Bearbeitung begegnet, so selten scheinen solche der zweiten zu sein; jedenfalls besitzen die mästen der grösüereii deutschen Bibliotheken kein Eiemplar derselben; nur aus Müncheu erhielt ich einen Druck, der ohne Zweifel eine Wittenbetger Originalausgaben ist, dem aber leider der Titel fehlt f 3J 1 S * in 8, ohne Druckvermerk am Schluss; der Teit rot und sehwara; Drucker Nickel Schirlentz? oder Georg Rhan?). Auch in den Briefen Luther's habe icli vergeblich nach Ansknnft gesucht. Ebensowenig geben uns die alten Heiuusgeber äichereu Änfschloss (t^. Jen. Ausg. II, 230«, Altenb. Ausg. II, 3«7, Erl. Ausg. XXn, S90). Kästtiu, Luther IJ, 22. Gib hat sich ohne Angabe von Gr&iden fUr das traditionelle Jahr Iü2(j entschieden. Dieses Jahr wird da« richtige sein. JcdenfttlU war die 2, Bearbeitung im Herbst 1525 aoch nicht vorhnmien; denn am 23. August 1525 schreibt Nicol. Hausmann an Stephan Rndt: Optarem etiam a Luthero ewet, purgari libellum de formula bapiisaiidi (O.G. Schmidt, Niool. Bsiumaun, Leipz. ItfSO, S. 5!i). Damit stimmt, dass noch zwei Witten- berger Drucke aus dem J. löS.'i ^beide auf der Bibliothek la Wolfe

Ol. ^^H

1

560 BRIEOEBy

Bchrift seinen gewöhnlichen Titel: Das (Tauffbuc^lm auffs nevo }U gerieft TXlav. £ut^. Nun geht demselben allerdings eine Vorrede Luther's voraus: ^^Martinus Luther allen Christlichen lesem gnad vnd fried in Christo vnserm Herrn '' (a 1 ^ a 2^ ) und eben diese Vorrede hat Leuchter £ur die der Marburger Kirchenordnung ausgegeben; es ist aber einfach die Vorrede Luther's zu seinem Taufbüchlein, wie er sie aus seiner Ausgabe von 1523 auch der zweiten Bearbeitung nur mit Fortlassung des Schlussabsatzes ^) wieder beige- geben hat.

Schon dieses Verhältnis der beiden Teile legt die Ver- mutung nahc; dass dieselben ein jeder mit seinem eige- nen Titel ausgestattet neben ihrer Verbindung zur ,, Marburger Kirchenordnung'' auch als eigene Schriftchen in Marburg ausgegeben worden sind und diese Vermutung wird durch den Umstand bestätigt, dass der erste T^ noch 1833 in einer Nürnberger Bibliothek in der Tat als selbständige Schrift vorhanden war: so weit ersichtlich, ge- nau derselbe Marburger Druck, nur dass der Titel geändert war, indem er anstatt „Christliche ordenung'' etc. lautete: ,,Das Tauflfbüchlin verdeutscht, auffs new zu gericht durch Marti. Luther. Wittemberg" *.)

Wenden wir uns nach dieser Beschreibimg des Aeusseren dem Inhalte zu, so dürfen wir uns dabei, da der erste Teil

hüttel) die erste Recensiou aufweisen. Dagegen lässt sich die zweite wenigstens mit bibliographischen Hülfsmittehi für 1526 nachweisen: von der Hardt, Autographa Lutheri III (Helmstädt 1693) p. 144 führt nämlich eine plattdeutsche Ueberset^ung von 1526 „üpet nfie togerichtet" an. Auch unter dem bei Weller, Repert. typograph. (Kördlingen 1864) S. 430 n. 3895 unvollständig angegebenen Druck: „Das Taufbüchlin, Wittemberg. 1526" würde hiernach die 2. Bear- beitimg zu verstehen sein. Gegen das Jahr 1527, welches man kürz- lich angenommen hat (H o c h h u t h S..18 f.), spricht, dass Loersfelt noch zu Erfurt einen Nachdruck besorgt hat (s. Well er S. 390 n. 3533).

1) Ich hab aber noch nichts sonderlichs wollen verendem " u. s. w. Richter, Kirchenordnungen I, 9 f., wo dieser Absatz, als nur der ersten Recension augehörig, hätte in Klammem gesetzt werden müssen.

2) Irmischer (Erl. Ausgabe XXII, 1833, S. 290 f.) citirt nämUch folgenden Druck als in der „Schwarzischen Sammlung zu Nürnberg"

DIB KAHBOHGER KIRCHENOBDNOfO VON 1537.

mit Luther's Taufbiichlein identisch ist, auf deo zweiten be- schränken. Und dieser bietet uns nun unzweifelhaft ein grösseres Interesse dar.

Eröf&iet wird dieser Teil l) durch eine Dernianunge Dnb fur^e beutung bes Datcr pnfers (a 1" 213"), eine Paraphrase des Vater Unsers in Form einer Vermahiiung an die Abendmahlsgäste , entnommen aus Luther's 1526 er- schienener Schrift: „Deutsche Meese und <Jrdnung des Gottes- dienstes" '). Darauf folgt 2) Dd& Dater nnfer für bie Finber, Der (EIjrifHic^c iSItiub, Die jcljen gebot und im Anhang dazu

befindlich: „Oos Cauffbud;!in recttcut^t , auffs neiu jn gtrid^t biiT<^ OTattt. Cntlin. IVitttmbcrg. Am Ende: (Scbrncft fnn ber netDtn ßblii^n UniDtTfitet Vdaxputq ym IH. XI, nnij. iar am ^pl. ta<] ^f^ij. 1 Bogen, die letzte Seite leer. Der Titel mit eJDei- Eiufassung. 8." Kese vorzügliche „Schwandsche Sammlung", den Forschern aus der hlofigcn Erwähn im g bei Panzer bekannt, iat, wie mir HerrDlrector Dr. Froromann in Nürnberg auf meine Anfrage mitzuteilen die Güte liatte, in Nürnberg nicht mehr vorhanden; auch ist unbelcannt, wohin oe gekommen. „Einige ültere Bücherfrtiunde behaupten, sie eei nach Pnnkreich verkauft worden." Durchaus verschieden von diesem Loersfelt'schen Druck des Taufbüchteins ist ein Marburger Druck desaeltwu von 1528 (2 Bogen in 8 auf der Königl. Bibliothek «u Stuttgart), deaaeu ungenannter Drucker Franciacus Rhode ist.

0 Erl. Ausg. XXn, 239 f., Richter I, f. Diese Herkunft bat schon Hochhuth S. 29 bemerkt. Dasa die Paraphrase al>er nicht »omittelbaT aua Luther's „Deutscher Messe" entnommen ist, werden wir später Beben. Beiläufig sei bemerkt, dass die Notia Köstlin's H. Luther n, 21, diese Umschreibung des Vaterunsers sei nicht weiter in Aofnahme gekommen, unrichtig ist. Abgeaclien von der weiter Onten zu nennendt^u Schrift, nelche sie für den praktischen Gebrauch weiten Kreisen zugänglich milchte, wozu noch der Druck aus dem J.1527 bei Enders (E. A. VII, 2. Aufl. S. XXXI) und eine Ausgabe der „Laien-Bibel" von 1529 hinzuzuoehmen , ist sie auch in ver- ■ehiedene Kirchenordnungen übergegangen, so in die Frankfiutcr von 1630 (Richter I, 141»' ), die Kortheimer von 1539 (R. I, 288» ), die Agende Herzog Heinrieh'svon 1539 (R. I, 313>-. 313^ ); vielleicht be- neben sich auch die SkchsiBchen Visitationsartikel von 1633, R. I, S39i> , die Goslarsche K.-O. von 1531, R. I, 155> und die Ueuische von 163S, R. I, lli4» auf die Luther'sche „Vermahnung ". Selbst noch die Kirchenordnung Johann CftBimir's vom IT, Febr. 1626 enthält die Paraphra8e(Coburgl62ü,S. 31f.l. Erst von seiner Zeit schreibt See ken- dorf II, f)5> : „paucis in locis hodie retinetur''.

562 BRIE6ER,

(Em fur^er befd^Ius aller gepott (ßottes ZITatt. ptj, ferner Die eynfe^unö 6cs Sacramentes ber Cauff, TXlat. fpj, end- lich (Einfc^uTtö bes Sacramenls bes leibs pnb blvds (C^rifti, 2Ufo audf gebraud^t mirbt, fo man es ben fräcfen pberreidKt Ytm ben ^eufcm. (2t 3 2t 6 .) Somit enthält diese zweite Abteilung des zweiten Teils den Text der fünf Hauptstücke des späteren Lutherischen Katechismus^ und zwar genau in derselben Fassung, wie er sich in der (wshi- scheinlich zuerst 1525 erschienenen und seitdem oft gedruckten) Laien-Biblia findet^). Am Schluss dieser Abteilung steht dann noch Der C^riflen eyniges gepot 3<^^""i^ \^ i^^ nett) gepot gebe idj eudj :c. 2t 6 ** ) ein Abschluss, den wir in der Laienbiblia (wie auch in Luther's Betbüchlein) vergeblich suchen. 3) bringt der zweite Teil folgendes Stück: Po bem Sacrament bes 2tltars ^rage pnb axümoti ju geben fünf sehr interessante Fragen vom Abendmahl, auf dem Titel mit Recht als „Ein schön vntterricht" be- zeichnet. Diese fünf Fragen waren bisher abgesehen

0 Aber auch hier habe ich im voraus zu bemerken , dass die 5 Hauptstücke nicht direct aus dieser entnommen sind (s. u.). Hoch- huth S. 30 vermutete, der Glaube, das Vaterunser und die 10 Gebote stammten aus Luther's Kurzer Form der zehn Gebote, des Glaubens und des Vaterunsers" (E. A. XXII, Iff). Es lag näher an das seit 1522 unzählige Male aufgelegte „Betbüchlein" Luthers, in welches jene Schrift wieder aufgenommen ist, (vgl. über dasselbe F eu erlin- Ried erer, Biblioth. synibol. I, 357 f., Panzer, Entwurf S. 19-3t>, E. A. LXV, 266 f., Mönckeberg, Die erste Ausgabe von Luther's klei- nem Katechismus, Hamburg 1851, S. 69 78) zu denken, wie ich auf dieses früher (Theolog. Lit.-Zeit. 1879, N. 22, Sp. 518) hingewiesen habe, doch mit der Bemerkung, dass „kleine Abweichungen auf eine andere Vo^ läge hindeuten ". Da diese Abweichungen von dem Botbüchlein " genau den Text der Laien-Biblia wiedergeben, da in letzterer sich auch die sowohl in der „Kurzen Form" als auch im Betbüchlein fehlenden Ein- setzungsworte der Sacrameute der Taufe und des Abendmahls den di'ei ersten Hauptstückeu auschliessen (s. den Neudruck derselben bei K. F. Th. Schneider, Luthers kleiner Katechismus, Berlin 1853, S. 80—83), so ist unzweifelhaft die Laienbibel diejenige Schrift, aus welcher mittelbar der Text der 5 Hauptstücke in der Marburger K.-O. geflossen ist. Die Laienbibel bedarf, obwohl man sie in neuerer Zeit wiederholt berücksichtigt hat, doch noch einer genaueren Untersuchung, und ich gedenke eine solche demnächst zu geben.

Dm KARBCRQER KIECHEKOEDNCNO VOR 1527.

von der zweiten, welche Leuchtei* mitgeteilt hatte völlig un- bekannt. Kenner Luther's sehen sofoi-t, dass sie die Lehre Luther's vom Abendmahl enthalten, doch noch nicht in der- jenigen Fassung, welche dieselbe in dem 1525 ausbrechenden Sacramentsstreit mit den Schweizern gewonnen hat. Am Schluse des Glänzen lesen wir dann noch: ^^ait am fl. <8one5 iport bleibt croigtii^.

ni

Dies der Inhalt der Marburger Kirehenordnung.

Man sollte meinen, es hätte sich bei der Wiederautfindong derselben der Forscher eine herbe Enttäuschung bemächtigen müssen.

Denn befriedigte jener Inhalt auch nur entfernt die Er- wartungen, welche wir von einer „Kirehenordnung" zu fa^^ berechtigt waren? Mit dem Tautbüchlein und eiuem nach der Predigt vorzutragenden Gebet erschöpft sich der litorgische Inhalt bis hierher könnte man das Büclilein wenigstens eine Agende nennen; der Übrige Inhalt ist rein katecheliBcher Natur: der Text der fünf Hauptstücke des Qacbmaligen Katechisraus und eine katecheüsche Erklärung des letzten derselben. So viel steht fest: eine evangelische Kirehenordnung in dem schon in jenen Jahren üblichen Sinne liegt hier nicht vor. War doch, seit- dem Luther 1523 mit seiner „Ordnung des GottesdiensteB" und der For»iiiia missae den Anstoss gegeben, bereits eine ganze Reihe von teils liturgischen Schriften und Gottesdienat- ordnungen, teils formlichen Kirchen Ordnungen ans Licht ge- treten ; ich erinnere nur, um der neuen Witten beiger Gottes- dienstordnung von 1525, 26 (Luther's „Deutscher Messe") nicht erst zu gedenken, an die Kirchenordnungen des Herzog- tums PreuBsen und der Htädte NOrdliugen und Stralsund von 1525, Schwäbisch - Hall von 1526. Man braucht nur bei- Bpiebweiae die Uebersclu-iften der letzteren zu lesen '}: „Vom Predigen des Wortes Gottes, von dem Taufen, von dem Kacht-

>) Bichter I, 40 ff.

564 BRIEGER,

mahl Christi und Veränderung der Messe ^ von der Vesper an den Werktagen^ von den Festen oder Feiertagen , von den Eirchenstrafen, vom Bann und Synodo, von dem gemeinen Kasten^ von dem ehelichen Stande von den Abgestorbenen, von den Messpriestem^ von der Schule^ von den Pfiurrherm auf dem Lande ''^ und man braucht diese Ueberschriflen nur mit dem Inhalt der sogenannten Marburger Kirchenordnung zu vergleichen um zu sehen^ dass letztere diesen Namen mit keinerlei Recht fuhrt. Aber nicht einmal eine Gottes- dienstordnung liegt ims in ihr vor: denn auch über die Anordnung des Gottesdienstes sagt sie ebensowenig etwas aus wie über die evangelische Feier des Abendmahls, die Ab- schaffung der Messe u. dergl.

Allerdings, der Titel unserer Schrift erhebt ja auch gar nicht diesen Anspruch: er verheisst nur die ,, Christliche orde- nung; wie es zu Marpurg mit Teuffen, Sacramentreichen und mit Beten nach der Predigt gehalten wird'^ Indessen, nicht einmal diese Verheissung wird erfÜUt: wie es mit dem Taufen gehalten wird, kann uns das Taufbüchlein zeigen, wie mit dem Beten nach der Predigt die Paraphrase des Vaterunsers; dagegen die Ordnung des Abendmahls erfahren wir nicht; denn die blosse Mitteilung der Einsetzungsworte giebt doch hierüber keinen Aufschluss.

Genug, ich wiederhole es, die wiederaufgefundene Ma^ burger Kirchenordnimg hätte schon dem oberflächlichen Be- trachter die völlige Gnmdlosigkeit der hochgespannten B> Wartungen, mit denen man an sie heran trat, zeigen müssen, um so mehr, als sich nun herausstellte, dass sie nicht mit einer Vori'ede Luther*s ausgestattet, als sie keinerlei An- zeichen davon aufwies, dass sie mit Genehmigung des Land- grafen erlassen und für das ganze Hessen bestimmt ge- wesen sei.

Trotzdem ist sie mit wahrem Jubel begrüsst worden!

Ihr Herausgeber Hochhuth hat es unternommen, in einer eigenen Schrift *) ihre Bedeutung ans Licht zu

1) Die Bedeutung der Marburger K.-O. von 1527. Kassel 1879

DIE HABBDKQER KIRCHENORDNUNO VON 1527.

stellen, ihre hohe Bedeutung für die KirchengeBchichte Hes- sens *). Er rülunt ihr nach, dasa sie „una eine zuverläsaige Kunde von der ersten und frühesten Gestaltung der evan- gelischen Kirche in Hessen zu geben vermag " ') ; sie eröÖiie „einen belehrenden Einblick in das Innere der kirchlichen Verhältnisse in Hessen znr Reformationszeit und in die Be- Btrebvmgen der Männer, welchen die Kirch enleitung über- tragen war"'). Indessen, wenn wir fragen, worin denn diese Bedeutung besteht und welches jener belehrende Ein- blick ist, so stoBsen wir nur auf die alten Behauptungen und auf Eine ebenso unerwiesene neue. Hochhuth erzählt una, gajiz wie Wille, dass „1527 eine Agende, ohne Zweifel als Jlußteragende , nicht allein für die nächste Umgebung von Marburg, sondern auch iur ganz Heasen verfasat imd ge- druckt" wurde*); die Herausgabe der Agende sei „jeden- falls in einem praktiachen Bedurfhia begründet gewesen", so namenttich in dem Bedürfnis, „den Geisthchen Formulare der neuen Gottesdienst-Ordnung in die Hand zu geben", was insbesondere fiir die Abendmahlsfeier geboten gewesen sei *). (Dass die angebliche Kirchenordnung eben dieses tat- sächlich nicht bietet, hat Hochhuth übersehen.) Endlich ver- sichert er uns, als Verfasser der Kirchenordnung könne „kein anderer gelten als der Hofprediger und nachherige General-Superintendent Magister Adam Kraft"*). Auf

(35 S.). Vgl. meine Anzeige in Schürer'B Theolog. Liter.- Zeitung 1879, N. 22, Sp. 518—520.

') 8. die Vorrede zu (iem Neudruck der Marb. K.-O. S. 8.

*) Ebenda.

3) Die Bedeutung- S, 34. Ganz ebeneo hatte anch schon ein Anonjniaa (K.) in den EvaDgeliBcheu Blättern", Mainz 1878, N. 49 genrteilt: „das Marburger Agendbüchlein " bewege sich in deraelbeu Richtung wie Luther's „Deutsche Meaae" und seine Katechismen: „es erÖfibet insofern einen belehrenden Einblick in das Innere der Kircben- und Volkazuatände von dlatnaU und iii die Bestrebungen der Männer, welche an der Begründung des neuen Kirchenwpnens arbeiteten."

*) S, 15.

5) S. 17.

S) S. 34. Diea die einzige neue Behauptung, übrigens als zweifel- hafte Möghchkeit schon von dem Anonymus in den Evang. Blättern a. a. 0. aufgestellt.

ä

566 BRIEGERy

das wertvollste Stück des Inhaltes, die fUnf Fragen vom Sacrament des Altars, scheint Hochhuth kein besonderes Ge- wicht zu legen, wiewohl er ganz richtig bemerkt, „der Ge- dankengehalt dieser Lehrstücke beruhe auf Luther's An- schauung"*), wofür zum Beweise aus Luther's fiüheren Schriften einige Parallelen beigebracht werden •) , welche leicht hätten vermehrt oder durch noch zutreffendere ersetzt werden können ^).

Hochhuth lässt ims demnach über die Bedeutung unserer Ordnung im unklaren.

Um so bündiger und zuversichtlicher hat man von an- dei'er Seite her diese Frage beantwortet Die von Wilhelm Hopf herausgegebenen „Hessischen Blätter", bekannt- lich das Organ des Melsunger Zweiges der Hessischen „Re- nitenten ", haben wiederholt *) die Marburger Kirchenordnung gerühmt als einen Fund, „nicht bloss bedeutsam fUr die lutherische Kirche in Hessen, sondern auch für die luthe- rische Kii'che überhaupt '% als ein „fiir die Geschichte des Hessischen Confessionsstandes undCultus hochwichtiges Werk", sehr empfehlenswert, um sich „über den Charakter der so viel beleumdeten Hessischen Kirche ein Urteil" zu bilden. Denn sie „ist die älteste oder doch eine der ältesten zu Recht bestehenden lutherischen Kirchenordnungen ", eine Versicherung, die kaum überboten wird durch die über- raschenden Aufschlüsse, welche uns die „Hessischen Blätter" über die Entstehung der Kirchenordnimg zu geben im Stande sind: „im Auftrage des Landgrafen Philipp hat sie der Re- formator Hessens, der erste Hessische Superintendent Adam Kraft, ein genauer Freund Luther's, ausgearbeitet, und zwar auf Grund von Verhandlungen mit Luther, mit dessen voller

^) 8. 30. Vgl. S. 33: „Der Inhalt der Agende stimmt in dog- mengeschichtlicher Beziehung mit Luther's Sacramentslehre, wie sich dieselbe in den beiden ersten Stufen ihrer Entwickelung herausgebildet hat, überein."

2^ S. 30-34.

3) S. darüber weiter unten.

*) In den Nummern 517 und 531 vom 19. April und 11. Juni 1879.

DIE MARBUK6ER KIRCHENORDKUKO VON 1527. 567

Zustimmung, welche sich in der von demselben zu dieser Kirchenbrdnung geschriebenen Vorrede ausdrückt, und mit unverkennbarer Verwendung der von Luther selbst aus- gegangenen Kirchen- und Gottesdienst-Ordnungen " ^). Ihre Bedeutung aber besteht darin, „dass wir hier in der ersten rechtsgiltigen Hessischen Eirchenordnung sofort die klare und correcte Abendmahlslehre Luther's, zugleich jedoch in ihrer ganzen ursprünglichen Haltlosigkeit und frei von den späteren Subtili täten der Sacramentsstreitigkeiten *) ord- nungsmässig festgestellt finden". Kurz, sie ist „ein Do- cument für den eigentümlichen genuin lutheri- schen Charakter der Hessischen Kirche". Sie ist der „Rechtsboden", welchen Landgraf Philipp der Hessischen Kirche „verliehen" hat. Und wenn sich „die renitente Kirche" bescheidet, sich einfach auf den geschichtlichen Zu- sammmenhang ihres Rechtsbestandes" zu berufen, so ist „diese Berufung" dies das Schlussurteil der „Hessischen Blätter" „entschieden durchschlagender geworden durch die Auffindung der Marburger Kirchenordnung von 1527, welche niemals in irgend einer Form aufgehoben oder ab- getan ist".

1) „Es wird somit niemand" heisst es unmittelbar darauf ein Bedenken tragen, die fragliche Marburger K.-O. eine lutherische

zu nennen, und also auch in der Hessischen Kirche, welche durch sie ihre gesetzliche und rechtsgiltige Ordnung erhalten, ein altes und echtes Glied der lutherischen Kirche zu erkennen, constituirt und in das öffentliche Leben hinein organisirt noch vor der Augsburgischen Confession und noch vor den im Lager der Protestanten entbrannten sacramentarischen Streitigkeiten."

2) Wie sich die „Hessischen Blätter" abfinden mit dem von ihnen zugegebenen Charakter der hier vertretenen Abendmahlslehre, als welche „noch ganz die ursprüngliche Harmlosigkeit der lutherischen Aeusserungen darüber, nicht die spätere, durch die eingetretenen heftigen Streitigkeiten unter den Protestanten veranlasste genauere theologische oder dogmatische Formulirung" aufweist, ja wie sie diesen Charakter für sich auszubeuten wissen das ist zwar für die ihnen eigentümliche Geschichtsanschauung höchst bezeichnend, für den Gegenstand unserer Untersuchung aber ohne jedes Interesse.

ZeiUchr. f. K.-G IV. 4. 38

568 BBIE6ER,

Wir werden nach alledem sagen dürfen: die Bedeutung und 'der Wert, welche man der Marburger Eirchenordnung zuzuschreiben pflegte^ ist nach ihrer Auffindung noch erheb- lich gesteigert worden *) freilich nicht infolge einer un- befangenen Würdigung, sondern teils unter dem Anreiz einer Art von provinziellem Patriotismus^ wie bei Hochhuih; teil» unter dem Druck eines eigentümlichen Confessionalismus, wie bei den Melsunger Renitenten *'.

IV.

Es schien mir dem gegenüber angezeigt zu sein, den wirklichen geschichtlichen Wert der sogenannten Marburger Kirchenordnung zu ergründen.

Eine Reihe von Instanzen, welche man ehemals fiir ihre Bedeutung geltend gemacht, konnten fiir die Forschung, so- bald ihr die Schrift selbst zugänglich geworden war, über- haupt nicht mehr in Betracht kommen, und ebenso hinfiülig erschienen auf den ersten Blick verschiedene neuere Behaup- tungen, l) Dass Luther sie mit einer Vorrede ausgestattet, erwies sich als ein Irrtum; 2) dass sie im Auftrage des Landgrafen entworfen sei, dass sie nicht bloss für Marburg, sondern fiir ganz Hessen bestimmt gewesen, dafür giebt die Kirchenordnung selbst uns keinerlei Anhaltspunkt; vielmehr macht ihr Charakter beides in hohem Grade unwahrschein-

1) Eine Ausnahme machen meines Wissens nur die Darmstädtcr „Renitenten", welche ihrer durch die Einsicht in die K.-O. hervor- gerufenen „gründlichen Enttäuschung" einen unverholenen Ausdruck gegeben haben, indem sie zugleich der Schrift jede kirchenrechtliche und kirchengescliichtliche Autorität absprachen und sie für „ein rein privates" Geschäft erklärten. Da mir ihr Organ, das „Hessische Kirchenblatt" (24. Mai 1870) nicht eneichbar, kann ich hierfür nur die „Hessischen Blätter" (N. 531) citiren. Andere Gründe als die- jenigen, welche schon der oberflächlichen Betrachtung sich darbieteo, haben nach diesem Referate zu urteilen die Dannstädter nicht beigebracht. Wie es scheint, ist ihr abfälliges Urteil nicht ganz un- beeinflusst geblieben von der Warnehmung der zwar Luther'schen, aber nicht lutherischen Fassung des Unten*ichts vom Abendmahl.

DIE MARBURGER KIRCHENORDNUNG VON 1527. 569

Kch. Denn sie stellte sich uns bereits dar als eine Schrift, welche weder auf den Namen einer Kirchenordnung, noch auf den einer Gottesdienst-Ordnung Anspruch hat Ueber- dies fanden wir schon, dass sie zum bei weitem grössten Teil eine blosse Compilation sei: der erste Teil identisch mit Luther's Taufbüchlein, im zweiten Teil das Gebet aus Luther's „Deutscher Messe ^^, die folgenden Eatechismusstücke aus der „Laien-Biblia^' stammend.

So tauchte die Frage für mich auf: kann man überhaupt von einem Verfasser der Kirchenordnung reden? oder bloss von einem Compilator? ist auch nur ein einziges Stück derselben in Hessen, in Marburg geschrieben? D. h. mit an- deren Worten: mein Interesse concentrirte sich notwendig auf die fünf Fragen am Schluss, auf diesen bisher un- bekannten katechetischen Unterricht vom Abendmahl. Wo- her stammt er? ist er mehr oder weniger original?

Dieses Schlussstück lautet 21 7^ bis 2t 8^ folgender- xnassen:

Die crfte frage.

ZParumb ntmpftu bas Sacrament?

2tnttx>ort.

Vatnmh, bas xdi ein miterbe bin, pnnb gemeinfc^afft Ijabe ^ C^rifto, mit allen lieben Ijeiligen, pnb mit allen frommen t^rtjien, fampt y^nen 5U leyben vnb $u fterben*

Die anber frage.

VOas gleubftu, obber mas befenneftu bas ynn btefent Sa»

ctoment fey?

Tlniwovt Z)nter bem brob pnb mein tft albo ber Uyb pnb bas blut I^rifti. €s ift aber nic^t gnug bas ic^s meyfs, fonbern tc^ nrns au^ gleuben, bas mir mein Qcrr C^rtftus bis $u einem geurfffen Stgel, $ei<^en pnb Ceftantent geben ifat

Die britte frage. IDte lauten bie mort biefes Ceftaments, mildjer ber f)err

C^rtfhis gebraust Ijat?

2tntu)ort. Tiifo fagt ber ^err 5U feinen tungern, ba er y^" bas btob iab, Hemets pnnb effets, bas ift meyn leib, ber für eud?

88

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sgi^spsi wUlOl ^^tf ^tc ^ 'an Usc Sifh 21a* . %cadb er,

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'jdf ie€s- r^£T ma& rrrkfri:. 7T■^ vsKa soitai MLmhen zdb. Jf^M nf^^iSc 5zia^ miMi irtr mit eyncm

^r... . .

fcet d^r in il-r A:L^»rn s^z^lz^xÄ'^c. VenruidtschÄit der dS^^^rir. -Unt'^rrTioLt- z^i Gni>ie Il<es»ri>iei: Lehr^ und selbst ««i^^rr Form mit Lithrr Li^ e? laL-t, seine Schriften ru drafchfoni^-ri^rii- im -^^i e? 'üe niEi FrÄg^n selbst, in ihrer For- tfifjjinir^. \f^l LitLfrr a^iiz idndei:, sei es sdlche Sätze bei ihm z»i <:nid(:f:kf:n , welche Wi der Formulining als Grundlage ^<A\fiXiX Ital/^Ti kannten. Jene tunf Fragen selbst vermochte \t'\i in den Ge>^mmtaii5iraben der Werke Luthers nicht zu finden *;, fK^ndem nur eine grosse Anzahl zum Teil frappanter Parallelj<t^:llen, welche zwar die innere und auch sprachliche V^'rwandt.si^:liaft des katechetischen Schlussstückes mit Luther

'; <i<:uii.\n-r durr-hsiicht habe ich die Walch'sche und die Erlange r Aii»»prah«t, in <i»;r Wittenfierger, Jena - Eislebener und Altenburgi^r. 'Irtiin hjiiitrrr vorrw^hrnlich an denjenigen Stellen nachgesehen, wo si- (*i iinf/'ij Ahnchnitt V von Rechts wegen stehen sollten. Die Leipzigs Aiu^ab«; «tnnd mir nicht zur Verfügung.

»

DIE HAKBUROER &IECHENOHDXUHG VON 1537.

entschieden herrortreten liesBen, aber doch über die Ent- ttehang der tuot' Fragen emeo unmittelbaren Äufschluss nicht .«aben •).

Bei diesem überiviegend negativen Ergebnis galt es nun- mehr, weiter nachzuforschen, ob sich unser kateclietiaches Lehrstück nicht in der bereite im Jahre 1527 sehi' reieh- baltigen, beute freilich grüsstentaila unbekannten kateche- tischen (oder auch liturgischen) Literatur nachweisen Hesse eine Untersuchung, welche nur um deswillen um- Btändlich war, weil die in Betraclit kommenden Schriften, meistens von grosser Seltenheit, sich pur mit Hülfe einer ganzen Reihe von auswärtigen Bibliotheken beschaffen Hessen. Die Durchmusterung älterer und neuerer bibliographischer Werke (v. d. Ilardt und Feuorlin-Riederer, Panzer und Weiler) gewährten mir aber bald Aussicht, daaa diese Nach- forschungen nicht vergebhch sein würden.

So gelang es mir, zunächst einer kleinen Wittenberger Schrift aus dem Jahre 1526 habhalt zu wei-den, welche mit dem zweiten Teil der Marburger Kii'chenurduung die grösste Aehnlichkeit zeigte, selbst in dem Titel : VOas bi'in gcmeYnen volcfe nudj fe^r ptcbtg für jU lefon ein für mich selbst überraschendes Ergebnis, sofern ein derartiges Abhängig- . keita Verhältnis der Marburger Kirchen Ordnung ja gar nicht Termutet werden konnte. Jene Hchrift liat mir in zwei Drucken des Jahres 1526 vorgelegen, von denen der eine mizweitelhalt aus einer Wittenberger Druckerei hervor- gegangen ist, desgleichen in einem undatirten Breslauer Nachdruck*), Der zweite Teil der „Kirchenordnung" er-

1) D& ich weiter unten die Herkunft des „Unterrichts" evident xa Migen vermag, ist ea überflüssig, die von mir (jesninineltcu ParaUeleu hier ftu&afiihreu. Auf diejenige Schrift Luthcr's, welche die stärkste Verwandtschitft zeigt, werden wir später ohnehin noch eingehen niüsseu, weil iie, wenn ich anders recht sehe, mit der Entstehung der fuuf Fragen im genauesten Zusammenhange steht.

') I) Was itm ^t- I mcfnent [so] eolde | tiiid; bet prtätg | fnc jn Ufen. I HJittembetg i536. Ohne Dr., 1 Bog. (U) in 8 mit Titel- ein&MUDg, die letzte S. leer, der Ti'Xt beginnt auf der Rückseite des Titel» (Bibliothek ju Wolfetümltel). Als Drueker kann auf Gruud

i

572 BKIEOERy

wies sich jetzt abgesehen von seinen drei letzten Sei- ten — ak ein wörtlicher Nachdruck aus dem Witten- berger Drucke ^) (hinzugefügt ist in Marburg nur bei den Einsetzungsworten des Abendmahls die Bemerkung: „Also auch gebraucht wirdt^ so man es den krancken vberreiehet ynn den heusem/'). Selbst das den fünf Fragen vorauf- gehende Schlussstück : Der Christen eyniges gepot Joamiis 13^% welches ich in der Laienbibel und in den verschie- densten Ausgaben von Luther's Betbüchlein vergeblich ge- sucht hatte y fand sich hier. Es ist demnach evident , dass nicht einmal die Zusammenstellung folgender Stücke des zweiten Teils in Marburg gemacht ist: 1) Vermahnuog und km*ze Deutung des Vaterunsers; 2) Das Vaterunser für die Kinder; 3) Der christliche Glaube; 4) Die Einsetzung des Sacraments der Taufe; 5) die Einsetzimg des Sacra- ments des Leibs und Bluts Christi; 6) Der Christen einiges Gebot Man hat vielmehr in Marburg nur eine

der Titeleinfeussung (auch die Typen stimmen überein) mit Siche^ heit Georg Rhau bezeichnet werden (dieselbe Einfieissang führte Übrigens, doch in einem anderen Schnitt, Nickel Schirlentz).

11) Was bem ge | meynen vol \ de nadf ber | prebtg für | 5älefen | VOiiUmhetQ \ 1^526. Mit Titeleinfassung (aus Randleisten zusammen' gesetzt, unten zwei Hähne, in deren Mitte ein leeres Wappenschild)*, 1 Bog. (21) in 8, letzte S. leer; auf der Rückseite des Titels ein blatt- grosser, vorzüglicher Holzschnitt (Christus und die Jünger) 5 im Texte drei Initialbildchen. {Bibliothek zu München.) Dieser sehr saubere Druck scheint ein süddeutscher Nachdruck zu sein.

ni) Was bem gemey» | nen nolcf nad^ \ ber prebig für | 3n lefen. |1 Breflam = 0. J. u. Dr.; li Bogen (21— B*) m 8, das letzte Bl. leer; sehr rohe Titeleinfassung; Dnicker wahrscheinlich Adam Dyon in Breslau (Nürnberg, v. ScheurVsche Bibliotliek), Von 21 21 Tollständiger Abdruck von N. I, doch mit folgenden Anhängen:

1) 21 7^ B Ib : Eyn gemeine furbit.

2) B Ib B 2* : Ein Christlich gebet zu der kinder TauflF.

3) B 2^ : Zu dem wester hembde.

4) B 2^ B 3^ : Der hunderst vnd ander psalm.

*) Wenigstens ist die orthographische (mid sprachliche) Ueberein- stimmung mit I eine viel grössere als mit II. Abweichend von dem Marburger Nachdruck lesen 1 und H übereinstimmend bei den Ein- setzungsworten des Abendmahls: „das ist der kilch des newen vnd ewigen testaments", welches auch die Lesart der Laienbibel ist.

DIB MARBUKOER mRCHENORDNt'NG VON 1527. 673

Wittenberger Schrift mit et was erweitertem Titel abgedruckt, nur dass man das ÖchluäBstück dea Witten- beider Druckes, ein Gebet ')j durch ein anderes Schluss- stück, eben den „Unten-icht vom Sacraraent", ersetzte.

Sol€m dieses Wittenberger SchrÜlchen die fünf Fragen nicht enthielt (doch kann leicht ein anderer Wittenberger Druck existirt haben, welcher auch dieses Stück aufzeigte), fiihrte die Auffindung desselben noch nicht zum Ziele. Doch gelang es mir bei weiterer Nachl'orschung , das Gesuchte ia ein paar Wittenberger Drucken aus dera Jahre 1525, von denen der eine aus der Druckerei Hans Lufft's hervor- gegangen ist, zu entdecken. Es ist eine in den zwanziger Jahren ungemein stark verbreitete katechetische Schrift (t£iti tröftlidj gefpr^f^budjiein), welche in jenen beiden Di'ucken unter der Uebersclirift „Vom Sacrament dea altars frag vnd antt- ^ort zu geben" die fünf Fragen als Anhang bietet, und «war wöiHich ebenso ivie in der Marbm-ger Kirchenordnung.

1

') Auf „Der Christeiiu eiiiigea gebot Johamiis 13" folgt nämlich in I 21 7* Zt ü'- : „£in £I)nfili(be corbetrad^tun^ Dnti beFentnis ynn iSott, fo man a>\l beten bis tieylige Datcr mifer", eiu Gebet, welches in Luther's Werke aufgenommen zu werden verdiente. (Anfang: „0 ewiger Gott, ich wejs und bekenne, das ich eiu armer grosser sündcr bin", SchluB8: .,Alleyue dein Götliebcr wille geschehe was dein ehre vud preys ist. Amen"). Vgl. für den Ursprung dieses Gebetes deo vou Panzer II, (il n. 1276 und genauer von Irmischer, E. Ä, LXV, 266 u. 3 beschriebenen Augshurger Druck des „Betbüchleius" von 1522 (Nürnberger Statltbibliothek, Solger), welcher als Anhang folgendes Schriftcheu (8 Blätter in S) hat : Jlin Cltriftlid^ | corbelradjtung befantnug | in got. So man wiD beten bas Ijai- | lige catter Dnfer. (Stjogen aug | beit prebtgc Ooctoris ITtaT | tim Suttrer 3u tf ittem | betg Ton bem miriti- | gen nicolao ronn [ Jlmgborff Sicen- | ctaten in beSt> | fd) gcbrad;!. (Ebien ühnlichcn Augaburger Druck von 1522 mit dem- selben Anhang [iu Dresden] beschreibt Ebert, Bibl. Lex. I, lOUSf. n. 12531. Einen andereu, selbständigen Druck des Gebetes keuut Kotermund, Andenken S. 3Gf). Dieses Scbluasstiick bat auch der süddeutsche Nachdruck (N. 11) fortgelassen, welcher dafür KT" U eiu Stück aus der Bergpredigt bringt unter der Ueberachrift: „Das man alle sorge vnaers lebens Gott sollen haymstellen. Aus dem Eoangelio Mathei cap, 6" (bildet mit genau derselben Uebersclirift auch den Schluss der Laicnbiblia bei Schneider S. lOUf).

674 BRIEOER,

Ja; sogar das Motto am Schluss derselben: ^^Jsaie am xL Gottes wort bleibt ewiglich", worin man einen Hinweis auf den Wahlspruch des Landgrafen zu finden geneigt sein könnte, bildet schon den Schluss jener beiden Drucke *).

Somit ist die Marburger Kirchenordnung von Anfang bis zu Ende Compilation!

Man hat Luther's Taufbüchlein von 1526 abgedruckt demselben ein Wittenberger Schriftchen aus demselben Jahre beigesellt und schliesslich den Anhang eines weiteren Witten- berger Druckes als Schluss des Ganzen hinzugefügt

Ist es bei diesem rein compilatorischen Charakter der Marburger Kirchenordnung noch denkbar, dass sie einen olficiellen Ursprung hat, mit Genehmigung des Landgrafen Philipp erlassen ist? Ist es denkbar, dass Adam Kraft ich will nicht sagen ihr Vert'asser, sondern ihr Ur- heber ist? Wirldich, es hiesse einem Mann wie Adam Kraft einen hohen Grad von Naivität zumuten, wollte man ihm zutrauen, er habe dem Nachdruck von Luther^s Taufbüch- lein den Abdruck einer zweiten, anonymen Wittenberger Schrift hinzugefügt, aus einem anonymen dritten Wittenber- ger Druck die schon wiederholt gedruckten Fragen vom

I) 1) €yn troftltd^ | gcfprccb biLi^Icyn auff | frag vnb antwoti ge« ftcUct, I ben glauben vnb bic lieb be i tvcffcnt, Vnb n?ic eyncr ben \ aubem Cl>riftlid? ruter» | rocyfeu fol, gaut3 uüt) i lid? 3U ben artifeln | J>. Vxbam Hcgij I vnb (Stettin \ gers. || lUittcinberg. | \525.

Titeleinfassung mit der Jahreszahl 1524. 6 Bog. (^ - S) in 8; (Kr Text der Schrift selbst schliesst ^ G ^, darauf der Anhang f 7 » bis Jf 8* (mit bedeutend grösserer Schrift). Den (unzweifelhaft Wittenberger) Drucker (Johann Grunenberg ?) kann ich nicht mit Sicher- heit nennen, (v. Ponicknusche Bibliothek in HaUe, defect in Wolfen- biittel.)

II) €iu tröftlid? ge» | fpredibücblciu , auff frag | vnb antmort gc* ftcUet, ben \ glaa>bcu vnb b'xe lieb bctrc» | ffenb , Vnb wie einer | ben anbevn <£l^ri. | ftlid? fol ün« | tcru?eifcn. |1 §um anbern mal überfeinen. |1 IDittcmbcrg. | i525. Auf Bl. <S ^i^: (Sctrucft 3U ITittemberg, Bans £ufft. I 1525.

Titeleinfassniig. 7 Bog. [21— <5: in 8; der Druckvennerk schon (S 6«^ ; darauf 6 G'^ bis (5 7^ der Anhang (mit grösserer Schrift); das letzte Blatt leer. Münclioier Hof- und Staats -Bibliothek.) - Weiteres über diese Schrift s. in Anhang I.

DIE MAKBURGER KIRCHENORDNUNG VON 1527. 575

Sacrament angehängt und dann dem Ganzen den Titel einer „Christlichen ordenung" etc. gegeben.

So liegt die Vermutung nahe zu voller Gewissheit werden wir hier schwerlich kommen , dass der Veran- stalter, der Compilator der Schrift niemand anders gewesen ist als der Drucker derselben, Johann Loersfelt. Schon in Erfurt hatte er sich hauptsächlich vom Nachdinick frem- der, besonders Wittenberger Schriften genähii;: unter seinen 19 Erfurter Drucken, die mir bekannt geworden sind, be- finden sich wenigstens 17 Nachdrucke und Compilationen und vielleicht nur Eine Originalschrift (Franz Lambert's Pa- radoxa). Schon in Erfurt hat Loersfelt Luther's Taufbüch- lein (in der zweiten Bearbeitimg) nachgedruckt ^), desgleichen im Jahre 1525 jenes weitverbreitete „Gesprächbüchlein" ^), dessen beide Wittenberger Drucke aus demselben Jahie eben die fünf Fragen als Anhang haben. Möglich daher, dass auch schon Loersfelt bei dieser Gelegenheit jenen Unteiricht vom Sacrament gedruckt hat (ein Exemplar dieses Loers- feltschen Druckes habe ich nicht auftreiben können). Nicht minder möglich, dass Loersfelt auch schon in Erfurt einen Nachdruck der Wittenberger Schril't von 1526 „Was dem gemeynen volcke nach der predig für zu lesen" besorgt hat. Wenigstens lässt sich eine der letzteren nahe verwandte Schrift, die sogenannte Laien-Biblia, in einem Nachdrucke aus dem Jahre 1527 bei ihm nachweisen ^).

Wenn diese Vermutung von der Autorschaft Loersfelt's richtig ist und die grösste Wahrscheinlichkeit hat sie un- fraglich für sich , so ist unsere „Ordnung" ganz einfach in eine Reihe zu stellen mit den sonstigen, nicht eben spärlichen Marburger Nachdrucken

1) Vgl. Weller, S. 300, N. 3533.

«) €in troftItd?e bisputaliö ic. , vgl. Panzer II, 404. N. 2885. Auch die Parallelschrift des Urb. Regius, Die Erklärung der zwölf Artikel, druckte er 1525 in einer niederdeutschen Uebersetzuug nach. (Vgl. Feuerlin-Riederer I, 360; Scheller, S. 170, N. 6G5. £in Exemplar auf der Ilambim/er Stadtbibliothek.)

3) In einer der weitverbreiteten niederdeutschen Uebersetzungen ; 8. Schell er, S. 182, N. 710.

576 BRIEOER^

Wittenberger Schriften aus jenen Jahren (l527ff). Noch 1527 veranstaltete Loersfelt zu Marburg Nach- drucke von Luther's Schrift ^Ob man für dem sterben fliden müge^' und von Melanchthon's ins Deutsche übersetzten Au»- l^ung des Colosserbriefes ^). 1528 brachte Franciscas Rhode zu Marburg, der Drucker des Marburger Neaen Testaments (nach Luther's Uebersetzung), einen neuen Ab- druck von Luther's Tauf büchlein '). In demselben Jahre erschien hier in Nachdrucken Melanchthon's Schrift g^en die Wiedertäufer*) und, was besonders beachtenswert, der kursächsische Vnterricht der Visitatoren " *). Hieran schlössen sich 1529 die Nachdrucke von Luther's Kleinem und Grossem Katechismus (beide nach der Wittenberger editio prin- ceps) ^).

1) Beide auf der Bibliothek zu Wernigerode. s) Auf der Stuttgarter Bibliothek, Dass Rhode der Urheber dieses (sehr splendiden) Druckes ist, zeigt Titeleinfassung wie Schrift.

3) Vgl. Leuchter S. 21. Hassencamp I, 114; II, 309. Vil- mar S. 19. (Ich habe diesen Druck noch nicht gesehen, ebenso wenig den ebendaselbst angeführten Marburger Druck von Brenz: „Ob weltliche Obrigkeit mit Göttlichem vnd billichem recht möge die Wideiieuffer durch Fuer oder Schwei*d vom Leben zum Tod richten lassen." 1528.)

4) Auf der Landesbibliothek zu Kassel.

^) Das einzig bekannte Exemplar des Marburger Nachdruckes des Kleinen Katechismus auf der Bibliothek zu Wolfenbüttcl , der Nachdruck des ,, Deutsch Catechismus" auf der Latulesbibliothd zu Kassel. Der ungenannte Drucker beider ist Frauciscus Rhode, welcher in demselben Jahre auch noch ebenfalls ohne Neimimg seines Namens Johann Lonicer's lateinische Uebersetzung d«.-^ Grossen Katechismus Luther's (Marburger Bibliothek) und den Ka- tecliismus von Rürer und Althamer (Wolfenbütteler Bibliothek) aus seiner Presse hervorgehen Hess. Ich fuge hier noch einige Nach- drucke der nächstfolgenden Jahre hinzu, soweit sie mir bekannt ge- worden sind. Zunächst erschien 1530 auch der Kleine Katechismus Luther's in einer lateinischen Uebersetzung : Parvu^ Catechisnius fro pueris. Farve pucrj parvum tu ne contetmie libellum. Contitiet hie fntmmi dogmata summa l)ei. Martinus Luther. M.D. XXX. (Mir nur aus Panzer, Anuales typogr. VII, 37G bekannt; ist jedeufall^ die Uebersetzung Sauermann's; s. Müller, Symb. Bücher S. XCVIH und Panzer IX, 88, N. 203.) 1531: Tom glauben vnb guten ipercfcn.

DIE HARBCRGER KIRCHENORDNUTJG VON 1527. 577

Von hier aus fallt auch Licht auf die auSalleade Er- echeinuug, welche wir vorhin beobachteten , dasB die Ord- nung" gar nicht eininal als einheitliche Schrift gedruckt, sondern nur durch einen unifasBon deren Titel aua zwei ver- Bchiedenen Schriften zusammengesetzt ist. Augenscheinlich hat Loerefelt wie das TaufbUchfein so auch jene kleine Wittenberger Schrift „Was dem gemeinen volek" etc. zu Marburg nachgedruckt und beide dann es war das ein wräteres buchhändlerisches Unternehmen zu der „Ord- nung" vereinigt. Nur so erklärt es sich, dass schon am Schlufis des Taul'bilchleinB der Druckvermerk mit dem Da- tum des 22. Juni 1527 sich findet ').

Endlich wird es uns jetzt völlig verst&ndhch, dasa wir im ganzen 1 6. Jahrhundert auch nicht einer einzigen Erwäh- nung der angeblichen ersten Hessischen Kirchen Ordnung be- gegnen, dass keine der späteren Kirchenordnungen auf sie Rücksicht nimmt.

Wollten wir aber die Worte des Titels Christliche orde- nung wie es zu Marpurg yn Hessen mit Teuffen, Sacrament reichen vnd mit Beten nach der predigt gehalten wird" pressen und sie als tatsächliche Angabe fassen, so wäre das winzige Ergebnis dieses, dass man sich damals in Marburg l) des Lutherschcn Taufbüchleina bedient und 2) einer zweiten Wittenberger Schrift gemäss nach der Predigt ein Gebet aus Luther's „Deutscher Messe" und etwa

(Martnirger Bibliothek), ein schou früher niederholt \a Wittenberg gedrucktes anoufmCB Schriftchen (b. Weller, S. 379, N. 3417). Der ungenannte Drucker ist Rhode. 1533: Luther, Dos fünffte, Snlr^e cnnii Siebenb iZapiiel S. tdatttjti, geprcbt^t Dnb ausgelegt. A. E. : «Sebrutf t ju lITarpiitg &uri^ Jranciscum H()obum {Landesbiblio- thtk «4 Kasfel). Endlich nach v. d, Hardt 11, 130; Luther, Auslegung der Evangelien an den fürnemeteu Festen im gantzeu Jahr. (Fol.), von y. d. Hardt wöhl mit Unrecht in daa Jahr 1527 versetrt; vgl. einen anderen Marburger Druck einer Luthcrechrift aua dem Jahre 1531 ebeud, I, 280.

') Somit ist dieser Tag auch nicht, wie man bisher angenommen, das Datum der Kirchenordnung, sondern nur das Datum des Druckes des Taufbücbleins. Doch ioubb erstere, da Loerafelt denselben Sats beimtat hat, xiemlicb in dieselbe Zeit fallen.

578 BRIEOER,

für die katechetische Unterweisung des Volkes jene fiinf Wittenberger Fragen vom Sacrament verwendet habe. Ueber die ganze Ordnung des Gottesdienstes^ insbesondere über den Modus der Abendmahlsfeier oder der Messe eriühren wir damit noch nichts.

Einer derartigen unsicheren Beweistührung aber bedürfen wir nicht einmal , um den Einfluss der Sächsischen Refor- mation aui* die Hessische Kirche jener Jahre aufzuzeigen^). Wir wissen urkundlich, dass im Jahre 1527 in Hessen der Gottesdienst nach Luther's Anweisungen geordnet wor- den ist Wie schon in dem Homberger Reformationsentwiirf für die Abendmahlsfeier Luther's Deutsche Messe " als mass- gebend hingestellt war 2), so gab Landgraf Philipp in seiner Instruction, welche er zu Pfingsten, im Juni, 1527 den so- eben ernannten Visitatoren erteilte, seinem Caplan Magister Adam Klraffi, dem einzigen geistlichen Mitgliede der Com- mission, den Auftrag : er solle Luther's Formula misme und „Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes" mit sich fuhren, weil diese beiden Schriften denjenigen Ritus enthiel- ten, der zu Marburg bestehe; dieser nämlich sollte mass- gebend sein für den ganzen Visitationsbezirk (d. h. tiir das ganze Land); denn in derselben Instruction werden die Vi- sitatoren angewiesen, einem jeden PfaiTherrn anzusagen, „dass er es mit den Ceremonien, Messen vnd allem andern halt, wie es zu Marpurg in der Pfarr gehalten" werde ^).

^) Der bis 1521) (abgesehen von dem vereitelten Homberger Unt<?r- nehmen Lambert's) allein massgebende Eintluss Wittenbergs bedarf für den Kundigen keines Beweises. Selbstverständlich ist mit dieser Tatsache für den späteren Confessionsstand " der Hessisch*^n Kirche noch nichts bewiesen. Wenn es zur Zeit schwer hält, sich über ihn ein sicheres Urteil zu bilden, so liegt das nicht zum wenigsten an den neuereu Darstellungen, welche, da in ihnen an die Steile des reiii geschichtlichen Interesses mehr oder weniger ungcschichtliche Voraus- setzungen und Vorurteile getreten sind, mehr verdimkebid als auf- klärend gewirkt haben dürften. Haben sie doch eine solche Menge von Schutt aufgehäuft, dass selbst der Zugang zu den Quellen und ihrem richtigen Verständnis für die meisten erschwert ist.

i^) Vgl. Credner's Abdruck S. Ü.

3) Vgl. die von Köhler in der Zeitschrift für die historische

DIE MABBtTtGER KIRCH ENORDNl-NG VON 1527. 579

Das Ei^ebiiia unserer bisherigen Untersucliung läs&t sich n folgenden Sätzen zasanimenfassen.

1} Die sogenannte Marburger Kirchenordnung, .n derTat weder eineKirchen- noch eineGottes- iienstordiiung, ist nncbweialich eine blosse Com- pilation; kein einziges Stuck derselben ist in Marburg oder in Hessen entstanden.

■2) Somit können auch die tÜnf Fragen vom Sacrament, welche aus Wittenberger Drucken von 1525 entlehnt sind, nicht als ein specitisch Hessisches Lehrstück oder Bekennt- niB betrachtet werden.

3) Daas die angebliche Kirchenordnung im Auftrage des Landgrafen verfasst, bezw. compilirt, daas Adam Kraflll ihr Verfasser oder Compilator, dass sie nicht bloss fiir Marburg, sondern fiir ganz Hessen bestimmt gewesen sei, sind willküi-- liche Behauptungen.

4) \\'ahrscheinlich ist dieses compilaiorisclie Jlachwerk ein blosses buchhändlerisches Untemelimen.

5) Wäre sie das nicht, käme ihr ii'geiidivelche öffentliche Geltung zu, so könnte man aus ihr doch nicht einmal so viel entnehmen in Bezug auf die damalige Gottesdienstordnung in Marburg, als wir anderweit darüber urkundlich wissen.

V.

Wir haben zuletzt uoch dem Ursprung uud dem Ver- fasser des Unterrichts vom Sacrament nachzuforschen.

Damit, dass er uns zuerst (1525) in zwei Wittenber^r Drucken begegnet, ist zwar sein Nicht- Hessisch es, aber noch nicht sein Wittenherger Herkommen bewiesen.

Theologie 18(i7, S. SUff. sua dem Darmstädtcr Archiv mitgeteilte I netmction S. üb: Cura uf habeas leemn formiilam Lttlheri latiM tcriptam de pto minarum ittii et ctdtu Dei germnniee ah eodem »uf- gatam. Jlli enim libelli te docebwU eum ritum, quem Maifurgi habe- miis. Auf die in dienern Satze liegeode Schwierigkeit (denn beksimt- Uch Btimmen dl? Formida missae von 1523 nnd die „Deutsche Meaae" Tcn 152(1 nicht mit einander übercin: wenn der BitUB der letzteren in der Pfarre zu Marburg 1527 geherrscht hat, au war die erslare aotiqmrt) einxngehen, ist hier nicht der Ort.

580 BRIEQEBy

Doch ist letzteres unzweifelhaft und sein Verfeisser wo- für ich einen ausreichenden Beweis beibringen zu können glaube kein anderer als Luther.

Obgleich Sprache und Inhalt der fünf Fragen auf Luther hinzudeuten schienen^ habe ich allerdings zwischen ihm und Bugenhagen als Verfisisser längere Zeit geschwankt Denn in einer Schrifl des letzteren sind sie in der Folgezeit wieder- holt gedruckt worden. l?on 6er ^etmUc^cn Beicht, pntcrric^t. 3o^an. Pomer. Die ;Jünff frage, oom Sacrament bes 211» tars" ^) lautet der Titel eines 1529 bei Georg Rhau in Wit- tenberg erschienenen und ohne Angabe des Jahres wie unter schwankendem Titel wiederholt nachgedruckten Schriftchens in Sedez '). Es ist eine Schrift mit mannigfaltigem Inhalt, welche auch nicht Bugenhagen Zugehöriges enthält Auf das erste Stück mit der Ueberschrift ;;Von der heimlichen Beicht vnterricht. Johan. Pomer" (Bl. 2t 2— 2t 5) folgt als zweites: ^^Vom hochwirdigen Sacrament des Altars^' (Bl. 2t 6* 23 2"' ohne Angabe des Verfessers*); hier

1) So muss der Titel gelautet haben. In dem mir vorliegenden Exemplar des Germanischen Museums, dem einzigen eines gleichzei- tigen Druckes, welches ich aufzutreiben vermochte, fehlen ausser dem Titel die Blätter 2l5 nmd D^ Es sind vier halbe Bogen (21— D) in 16, jeder Bogen zu 8 Blättchen: die letzte Seite leer. Am Schloss: (Sebrürft 3u IPittembcrg | burd? (Seorgcn Htjam. | D. IH. fjif. iar.

8) Vgl. die einzigen mir bekannten bibliographischen Nachwelse (bei Panzer und Weller sucht mau vergeblich nach der Schrift) bei Feuerliu-Riederer I, 365; II, 62 und Rotermund, Erneuertes Andenken S. 128 N. 57. Köllner, Symbolik I, 507 kennt einen späteren Druck vou 1549 als Anhang zu einer anderen Schrift.

*) Hier der weitere Inhalt:

3. Wie, vnb was man benen, fo franrf ynn tobs nötcn li^en, fagen nnb furlefen fol, Vnb audj nom Sacrament bes maren leibs vnb blnis (Lljnjii. 3oljan. pomer. (Bl. B 2^ <L 3»>. Dieses Stück ist schon 1527 unter etwas abweichendem Titel als selbständige Schrift Bugenhagen's gedruckt; s. Rotermund S. 124 f. N. 24; Vogt, Joh. Bugenhagen, S. 62 und die Auszüge S. 74 f.).

4. Ein tröstunge an Churfürsten zu Sachsen seliger vnd Christ- licher gedechtnis, Freitags nach Misericordia Domini, den letzten seines lebens hie auff erden. Geor. Spalatinus." (Bl. 3»> Dl.)

DIE MARBUHGEE KIHCHEKOBDNDNG VON 1627. 581

finden sich nach einer Einleitung (Vorrede) 'j die fiinf Prägen genau ebenso wie in den Wittenberger Drucken des

5. „Der fumemistc Artickel Christlipha glatibcns, ausgelegt durch Johaii. Pomer" (Bl. D D 6»).

ti. „Folget eine Bchliisredu , welche mng gezogen nei'deu, aus

diesem Spruch, Christus ist vnser gerechtickeii " (Bl. D fjb DT»).

7. „Ein gepel Sftlomouis vmb itimliche noturf!^ seines [eibs nanrng

' prouerbionim 30" (Bl. D 7''),

I 8. „Ein gepet vnd Daucksagung Jobs yiiii seiner trübsal. Job 1."

(Bl. D 8«)

Das erste Stück, den Unterricht von der heimlicheo Beichte, ver- mag ich sonst in Schriften Bugenhugeu's nicht nnchzuweiseu. Er ist rertiohieden von dem „Unterrieht von der Beichte und chriatlicbeo Absolution" von 1525 (vgl, über letzteren Vogt, S. KTff.).

I Die zwei ersten Stücke der Schrift finden sich auch (mit geringen,

I meist nur orthographischen Abweichuugcn) als Anhang za folgendem Drucke von Luther's Schrift aus dem Jahre 15S8 „Auslegung der «ehn Gebot" (E. A. SXXVI, 1—144); Musle. | gmig »er §c- | (jcii gepot, ans bem \ pf, onb jr. £ap. | in Unitxn Sndjs XITofi, | gepredigt burd; | ntart. Svttt. A, E. : öebrucft jn IDit- t temterg fturt^ | öeorgen | Hlfam IStvttgarter Bibliolltek). 16 Bogen [31— P] in 8, mit 10 blattgroaseii Holsscbnitten, welche sümmtlich in den Rhau'achen Octtivdrucken des Grossen Katechismus von 1529 und 1631 sich finden; dieser Druck fiÜlt demnach frühestens in das Jahr 1529. Der Anhang hat auch Wer die Ueberschrift (P p 8»): Jolgef. | Don i>et t\tm- \ lid!»n Sett^t. nn. | lertidjl, [ ^olfan. pomer. | Die Jönjf frage , uom Sa- \ namtnt bes ültars."

1) Bl. y 6»f.: „Wer das Sacrament des Altars, den leib vud das hlot Christi oemen odder empfaheii wü, der aol au ff diese Fünff fragen wissen anttrort zu gebcu, mit solchen Worten wie hernach stehet geschrieben, oddcr mit andern werten, wie ein ig- Ijcber kan, daraus man verstehen fian seinen glauben. Denn solche rede von wort zu wort fodderu wir von niemand, foddem Aber bekenntniase des glaubcns, das wir nicht das heilige Sacrnmeut geben den, die gar nichts wissen was das Sacrament aey, vnd vratu es m brauchen se;. Darümb fragen wir nichts von denen, die wir wiweD, das sie guten verstand liabcu , odder die sonst trey ou vnser frEtgen yhren glauben bekennen. Die andern aber fragen wir nicht alzeit aufT diese weise wie hie geschrieben stehet, sondern einen so, den andern anders, darnach wir die leute jnn yhrem verstand geschicket Beben. Diese fragen sind aber hie jnn dieser forme be- schrieben, das ein iglicher wissen sol, das er schuldig

«um Sacrament wil gehen."

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582 BRIEOEB;

„Gesprächbüchleins", nur dass die Antwort auf die vierte Frage hier einen Zusatz erhalten hat ^).

Allein wir haben zu beachten, dass Bugenhagen weder auf dem Titel noch in der Ueberschrift des betreffenden Abschnittes als Verfasser bezeichnet wii'd; bei dem ersten, dritten und fünften Stück dieser Schrift wird er ausdrücklich als Verfasser angegeben, bei dem vierten wird als solcher Spalatin genannt Schon die eigentümliche Stellung seines Namens auf dem Titel (s. o.) scheint darauf hindeuten zu sollen, dass die „Fünff Frage" nur als ein ihm nicht zugehöriges Stück seiner Schrifk einverleibt sind. Und in dieser Auffassimg werden wir bestärkt durch den Umstand, dass auch Drucke der fünf Fragen erschienen sind, in denen nur die Vor- rede als von Bugenhagen herrührend bezeichnet wird*). Stammt aber die Vorrede zu jenem in Wittenberg in einer Art von öffentlichem Gebrauch *) befindlichen Fragestück von ihm her, so wird es um so erklärlicher, dass das Ganze (1529) in der oben angegebenen Weise in den Rhau'schen Druck einer Bugenhagenschrift aufgenommen werden konnte.

Die Abfassung durch Bugenhagen wird demnach mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden dürfen.

Um so schwerer wird ins Gewicht fallen, dass die fünf Fragen bereits 1525 (wenn nicht schon zwei Jahre früher)

1) Bl. 21 8*: ,. ^^"" CS ist mir nütze vnd heilsam, zu vernewe- ruDg vnd zu gedencken des bundes, den ich hab mit meinem Herrn Jhesu Christo, ynu seinem blute, widder alle meine sunde, not vnd anfechtung, denn so hat Christus' befohlen, das wir solchs thuen sollen zu seinem gedechtnis, Das ist, wir sollen verkündigen seinen tod, welcher ist vnser selickeit." Auf die fünf Fragen folgen dann B 33 2* die Eiusetzungsworte mit einer kurzen Auslegung.

^) Die fünff Jrag pom Sacramcnt bes Tlltars mit einer Dorrcbc 3otj. Pomcrs. 2lud? bahei bas Bcncbicite vnb (Sratias Hürnber^ burdj Kuti. i7erqottin (o. J. 1 Bog. in kl. 8): Feuerlin-Riederer I, 365. fünff frag oom Sacrament bes Zlltars, mit einer Dorrebc D. 3^^- pomcrs. llud} mie man bie (Einf eiligen foü leren beidjten. (o. J. u. 0. in 8): ebenda II, G2; vgl. Köllner a. a. 0. Ich habe keinen dieser Drucke auftreiben können.

^^ Ein solcher ergiebt sich bestimmt aus Bugeuhagen's Worten; 8. oben S. 581 A. 1.

DIB MARBUHQEB KIBCHENORDNÜNG VON 1527- 583

als Anhang zu einer Abendmahlspredigt Luther's in Wit- tenberg gedruckt sind, als Beigabe zu einer Predigt, welch« uns augenBcheinlich einen Blick tun lässt in ihre Entstehung, aot'em sie uns die Motive ihrer Aufstellung klar darlegt. Schon manches Mal hatte Luther in Wort und Schrift gegen den rein gewohnheitamäasigen Genuas des Abendmahls, wie er durch das päpstUche ZwangBgebot der Österlichen Sacramentisfeier befrirdert war, geeitert und im Gegensatz zu der papistischen Wertung des Abendmahls als eines opus operatum seinen AMttenbergem eingeschärft, dass man nur mit hungriger und dui-stiger Sele zum Sacrament gehen dürfe '). Mittlerweile war die Beichte, die bisherige Vor- bereitung zum Abendmahl, in ^Vittenberg vorübergehend be- seitigt worden, und sie als Beichtzwang wieder einzuführen, daran dachte Luther nicht. Wohl aber erschien ihm eine andere Einrichtung in Betreff des SacramentsgenuBsea unent- behrlich, sobald er an eine Reformation des Gottesdienstes iu Wittenberg die Hand zu legen entschlossen war. Es war im Jahre 1523, welches bekanntlich für diese Reform die ersten belangreichen Maasregeln gebracht hat, als Luther am Grün- donnerstage von der Kanzel \'erkündete, es dürfe in Zukunft nicht ein Jeder ohne Unterschied zum Genuss des Sacramentcs zugelassen werden, vielmehr sei hierin eine bestimmte Ord- nung einzufüliren : mit dem blossen Glauben, „dasa unter dem Brod sei der wahrhaftige Leib imd unter dem Wein das wahr- haftige Blut Christi", und mit der blossen Versicherung, dass man des Sacraments begehre, sei es nicht genug zum Sacra- ment: „alle, die nicht mehr darumb wissen und nicht höher Glauben und Begiei-de dazu haben, sollen davon bleiben. Denn es ist nicht viel anders, dass du diesem das heilige Sacrament giebst, denn wenn du es einer Sau in Hals atösaest" „Ich wil es hie noch ein mal geschehen lassen auff diss iar, das yeglicher hynzu gehe nach seyner andacht, aber ein andei' mal muessen wii's also ordnen, das man

») Vgl. z. B. die Sacramentaprcdigleu von 1 J18, E. A. XVI, 18ß"., 1521, ebeuda -241 ff, 1522, XXII, 38 fF. nnd dii; Schrift aus UeinBelten Jahre „Von beider Gestall des Sacraments zu nehmen" XXVIIt, 288ff. (bes. 2fl9f, 314r,

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584 BRIEGEB;

niemand zum Sacrament geen lasse^ man frage yn den vor vnd erkunde^ wie seyn hertz steet; ob er auch wisse^ was es sey vnnd warumb er hinza gehe. Es ist genug, das wir noch einmal durch die finger sehen vnd den alten missbrauch geen lassen ^ aber so das Euangelion nun weiter inn die weit triben wirt, müssen wir zu den Sachen thon vnd den mangel besseren/' ^). Ausfuhr- lich erläutert Luther ^ in welcher Weise die Befragung der- jenigen, so zum heiligen Sacrament gehen wollen, emzu- richten sei: ,,Darumb solt man die leut also fragen, wenn yemant zum Sacrament wolt geen, Aufis erst, was das Sacrament sey? Da soll er antwurten. Die wort spÄ das Sacrament, so Christus gesprochen hat ym abentessen, Nempt hin das ist mein leib . . Dar nach das er zu den Worten das brot vnd weyn hatt eyngesetzt, vnder welchem seyn fleysch vnd blut ist, zum warzeichen vnd sigel, da» die wort war synd. So frage denn weyter, wa zu synd die selben wort gut, die christus da redet vnd ein war- zeichen dran hengt? Antwurt, Dazu synd sie gut, das ich dran glauben sol, nicht das ich dran ein gut werck thon sol, also das meyn glaub mit dem hertzen dran hange vnd ich nit zweifei, es sey also wie die worter lauten. Wie lauten denn die wort? Also, Das ist mein leyb der für euch dargeben wirt, die wort sagt er zu allen, die das sacrament empfahen, darumb mustu an den selben mit dem glauben hafften vnd also sagen, Darumb kum ich vnd be- gere des sacraments, das ich glawbe, das seyn leyb für mich geben, seyn blut für mich vergossen ist, auff das damit meyn glaube gesterckt werde , darumb wil ich das zeichen nemen. Wer das nit kan thon oder nit glawbt, der sol bey leib nit hinzu geen .... Darumb wil ich euch das ^rhin gesagt haben, Diss iar wollen wir ewer schonen. Aber forthin muss es also geen, das man niemand das Sacrament gebe, man wisse denn, wie er glaub, vnnd das er ein sollich gefess sey,

1) Bl. 21 2^ f., ich citire nach dem Hagenauer Druck von 1523 (8. unten S. 589 A. 3); vgl. Walch XI, 834. E. A. XI, 2 Aufl., 199.

^^^^m DIE UARBURGER KIRCHENORDIOIMQ VON 1527- 585

das es fassen kan, vnd er wisse sein glawben anziizeigen." '). Und noch einmal kommt im weiteren Gang der Predigt der Reformator mit Nachdruck aul diese künftige (Ordnung zurück. „Das ist nun von notten eym ycgkliclien Cliristen zuwiasen, das ers kunne abo erzelen, wenn man ylin fragt, das er wisse, wanunb er das Hacrament neme. Darumb sage ich aber mal, das jhr drauff gewamet seyt, wolt yhr jetzt hyn geen, will ich geschehen lassen vnd ewer schwacheit tragen. Aber nur furthin soll ea nicht also bleyben, sunder also ge- ordnet werden, wer das Sacrament wil nemen, das man yhn vorhin frage, was das Sacrament sey, vnnd was er da Bucbe, Das er da antwurt, wie wir oben angezeigt haben, Zum ersten, das die wort Christi vnnd das zeichen des leybs vnd bluts Christi das Sacrament sey. Zum andern, das er daiyn suche sein glawbon zu stercken vnnd sein gewissen zu trösten, das wir vss vns tretten vnnd komen zu Christo. Also must du dich dareyn schicken, das du wissest, wie du des 8acraments brauchen soUist, kanstu das nicht thon, so soll man dir das Sacrameut nicht geben." *).

I>ie8e Predigt Luther's enthüllt uns die ersten An- fänge einer für die Gestaltung des kirchlichen Lebens in- nerhalb des Bereiches der Wittenberger Reformation hoch- wichtigen Einrichtung. Denn der hier ausgesprochene Gedanke Luther's ist, wie man weiss, kein flüchtiger, bald wieder aufgegebener gewesen, sondern ein solcher, an dem der Re- formator mit Zähigkeit festgehalten und den er alsbald prak- tisch verwirklicht hat. Sclion im October 1523, als er sich mit dem Gedanken der Abfassung der Fortnulu missae trog, konnte er seinem Freunde Hausmann von dem Glau- bensTerhÖr als einem feststehenden Stück der zukünftigen

1) Bl. a atf. (E. A. 200 f.).

1) Bl. B li'f. (E. A. iHMf.), Dagegeu predigte Lwther in Betreff der Beichte noch Grüadonnerstag 1524; „Wiewohl ea nicht ge- boten Boll werdea, auf daBs man nicht ein Gewiseen dariiher mache, als müsste man zuvor beichten, ehe man zum Sacra- ment gehe; doch »oll man's ja nicht verachten" u. s. w, (E. A. XI, 171). Vgl. über die Predigt von 1523 noch Seckendorf II, 32» und Köstlin I, 580f.

39»

586 BRIEOEBy

Abendmahlsordnung schreiben *) und in der Tat nahm er dasselbe wenige Wochen daraiif in die von ihm entworfene Formula misscie et cammunianis pro ecdesia WiUembergensi auf*). Dass dieses „Verhör" zu Wittenbei^ wirklich ein- gerichtet ist, bezeugt Bugenhagen ausdrücklich ^)j und schon 1525 ging es (aus der Formula misscui) in die Preussische Kirchenordnung*), 1528 in den Unterricht der Visitatoren*) und in die Braunschweigische Ordnung ^), später in eine ganze Reihe anderer evangelischer Kirchenordnungen ^) als feste

1) ,fEgo diu meditatus sum formam missandi et communicandi praescribere nee potui hactenus absolvere. Propositum tarnen est, futuris diebus communicationis nullum admittere nisi auditum et dextre pro fide sua respoudentem: cae- teros excludemus." de Wette II, 428.

2) . . „petentes (episcopus) non admittat, nisi rationem fidei suae reddiderint et interrogati respouderint, an intel- ligant, quid sit coena Domini, quid praestct, quo usu illa velint potiri. Scilicet, si poterint verba benedictionis memo- riter recitare et exponere , sese ideo venire , quod conscientia peccati aut timore mortis aut alio malo tentationis carnis, mundi, diaboli vexati esuriant et sitiant verbum et signum gratiae et salutis ab ipso Domino per ministerium Episcopi, quo solentur et couforteutar. . . Arbitror autem hanc interrogationem seu explorationem Bufficere, si semel in anno fiat cum eo, qui petit communicari. Quin poterit tarn intelligens esse, qui petit, ut vel semel in tota vita vel prorsus nunquam iuten-ogetur. . . . Nos autem eos, qui respondere non poterunt iuxtA praedicta, prorsus exclusos et alienos volumus ab istius Coenae communione" cet. Op. var. arg. VII, 12 f. (Richter 1,5).

3) S. oben S. 581 A. 1.

*) Artickel der Ceremonien und anderer Kirchen-Ordnung, Richter I, 30^. Am 1. Januar 1525 empfahl Meianchthon das Verhör auch den Nürnbergern (C. R. I, 719). In demselben Jahre suchte Just. Menius es in Erfurt einzubürgern (s. unten). 6) Richter 1, 91». 92»>. 98». 6) Richter I, 111».

■') Abgesehen von den aus der Brauuschweigischen K.-O. abge- leiteten sind es z. B. folgende:

1580: Frankfurter K.-O.: 142».

1531: Goslar'sche K.-O.: 155».

1532: Hessische K.-O.: 164».

1583: Brandenb.-Nüraberg. K.-O.: 202^. 203 b.

DIE MARBURGER KI8CHEN0RDNDN0 VON 1527.

£iiirichtimg, ak welche es auch von der Augsburgischen Confeasion ') bezeugt wird, über (mit der Zeit ein vollstän- diges Katechismusexamen), während Luther nicht müde wurde, es zu empfehlen, wie z. B. in seinen Katechismen*) und noch 1533 in seinem Brief an die Frankfurter *). Näher auf diese Enrichtung einzugehen, ist liier nicht der (Jrt *).

15^3: SächBiBche VisitatiODsartikcI oiid K.-O : 238>. 1Ö34: lAegnhxei Verordiiung, die Sacramente betrclFend; 240^, BrcnÜBctti! K.-Ü. : 244 1) (hier Bectia Fragen id Bezug auf das Sacrament vorgeachriebeii, welche den Wittenberger ganz ähnlich zu sein acheineu ; leider hat Richter die Antworteu nicht mit abgedruckt). IB36: Hannoversche K,-0.: 274'', 1540: Brandenburger K.-O.. 320''. 1543: Schweiufurter K.-O.: Originaldruck Bl. g l*". Vgl. noch die Pommcrschc (1535): 25B'> und die Kasseler K.-O. 'Oll 1539; 301''. Weitere Nachweise bei ZeaschwitB, Sjstem der ehrijtlich-kirchlichen Kateehetik, I, Leipzig I8(i3, S. 568f. ') Aug. Art. XXV. Vgl. Apol. 15» § 62. 250, § 1. *) S. die Vorrede zum Kleinen KatecbismuH £. A. XXI, Ü. T; '^e kleine Vorrede zum Grussen Katech. S. 81 , besonders aber den •^Toasen Katech. S. 142.

s) E. A. XXVI, 306 f. (KatechiamUHTerhör). Vgl. noch Art. Smalc. MJ, S, 1 p. 331 und Luther'e Zusatz zu der neuen Ausgabe des Un- terrichtes der Visitatoreu von 1638 Richter 1, 91».

f) Ueberdies darf auf die sorgsame Darlegung verwiesen werden, »eiche von Zezaehwitz 1, 55lif. 5t>2fi'. (vgl. II, 1, 2. Aufl., S. 56f.) gegeben hat, obwohl dieselbe (meines Erachten«) nicht durchweg von den richtigen Gesichtspunkten beherrscht ist. Dasa Zezschwitz die ersten Anfange des Glauben sexamens " übersehen hat, da er (S. 568) die entscheidende Predigt Luther's irrtümlich in das Jahr 1525 verlegt, ist ein Geringes. Doch durch einen Satz wie folgender erscheint seine Grundanffassung dieses Institutes getrübt: „Nach seiner gcachieht- lichen Genesis gewann das Glaubenseiamen der Reformation die Be- deutung dur in der Probe reiner Lehre, namentlich vom Sacra- ment des Abendmahls, gegebenen Kirchen- und Confeasion a- entschcidung" (S. 356. vgl. 5t>3f.]. Diese Auffassung ist nicht die Luther's. Seine Absicht bei der Schöpfung dieser Einrichtung war duiach diese, nach Kräften dem blos.'^ gewohnheitsmässigen und un- würdigen Genuss des Abendmahls voraubeugen, mochte decaelbe in der Unwissenheit des Volkes oder in falscher Sicherheit seinen Grund bftbea. Damit war zugleich die Abzweckung auf die Herstellung einer

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588 BBIEOEBy

Es liegt auf der Hand; dass es für dieses ^^ Verhör^' emer Anleitung bedurfte ^ da so lange noch kein brauchbarer E[atechismus vorlag nicht jeder Pfarrer befähigt war, in zweckmässiger Weise zu fragen. Eben zu diesem Zweck sind die fünf Fragen entworfen^ wie uns Bugenhagen bezeugt, nicht um wörtlich so verlangt zu werden^ sondern y^äss ein iglicher wissen sol, das er schuldig sei; solche stück und dergleichen zu wissen^ wenn er zum Sacrament wil ge- hen*'*). Sie sind somit die Wittenberger Anleitung zu dem Verhör, und, wie schon bemerkt, eben jener Predigt Luther's, in welcher er diese neue Ordnung zum ersten Mal ankündigte, sind sie in einem Wittenberger Druck des Jahres 1525 angehängt. Jene Predigt erschien gleich 1523 unter dem Titel : £)r6enung vnb Bericht, tt>ie es furter^tn mit i^enen, fo bas ^oc^mirbig Sacrament empfo^en »ollen, gegolten fol tperben. Bis jetzt ist indessen nur ein Hagenauer Druck

evangelischen Kirchenzucht gegeben. Schon die oben mitgeteilten Stellen aus der Gründonnerstagspredigt von 1523 greifen weit über eine „in der Probe reiner Lehre" gegebene Confessionsentscheidung hinaus; dasselbe gilt von dem Inhalte der fünf Fragen. Auch soll sich nach der Formula missae das Verhör nicht auf die oben (S. 589 A. 2) mitgeteilten Stücke beschränken, sondern sich gleicher- massen auch auf das Leben erstrecken: '„Deinde, ubi Episcopos vi- derit eos intelligere haec omnia, etiam hoc observabit, an vita et mo- ribus eam fidem et intclligentiam probent . . . Hoc est, si viderit aliquem scortatorem, adulterum, ebrium . . aut alio crimine manifesto infamem, prorsus ab hac Coena excludat, nisi mamfesto argumento vitam sese mutasse testatus fuerit** (Op. v. a. VII, 13). Endlich, mit welchem Nachdruck hat Luther in seiner Abendmahlspredigt von 1524 das- jenige betont, was er in dem Satze zusammenfasst : „Darumb hab ich also gesagt, dass man das Sacrament keinem geben solle, er wisse denn zuvor anzugeben, was ihm feile und begehre da Stärke und Trost zu holen durch das Wort und das Zeichen." (E. A. XI, 179). Kurz, es sollte erreicht werden so viel wie möglich, was Luther schon am 26. März 1522 in einem Briefe au Nicol. Hausmann als Wittenberger Praxis in Bezug auf die Darreichung der utraque species hinstellte, dass sie nur den digni et timorati gegeben werde („Utramque spe- ciem liberam fecimus, sed üs qui digni et timorati fuerint", de Wette n, 161). Aus dem, was späterhin aus dem Verhör gemacht ist, kann man doch immöglich seine „geschichtliche Genesis" beurteilen. 1) Vgl. oben S. 581 A. 1.

DIE KARBCRGEK KIRCBENOKDNÜKG V'OK 1527.

Kua diesem Jahre bekannt, der jedoch einen Wittenberger rorauBsetzt ') ; in diesem wurden drei weitere Predigten aus der Osterzeit von 1523 [?] angehängt*). Dieselbe Schrift mit den \'ier Predigten erschien 1525 zu Wittenberg von neuem. Aus demselben Jahre existirt aber ein Wittenberger Druck, welcher nur die Gründooners tagspredigt enthält, auf welche allein ja auch jener Titel paest *). Und hier sind unmittelbar an die Predigt folgende Stücke angeschlossen: l) Die Einaetzungs Worte des heiligen Abendmahls („Dis wnd die wordt vund einsatzung des Testaments Jhesu Christi ■»•nsers aeligmachers ") nebst dem Segen Numeri 6 und dem Spruch Pa. 32, 2. 2) Die fünf Fragen, eingeleitet (ganz wie später von Bugenbagen) mit dem >Satze: „wer das Sacrament des altars den leyb vnnd das blut Christi nemert oder em-

I) Von diesem habe ich aber bisher nicht etamal in den mir zu Gebote stehenden bibliographischen Hiilftmittehi eine Spur entdecken können.

') Vgl. darüber Anhang II.

») 1) ©tbenung eni \ Betid;t mit es furtccljin i (mit itjenen fo bat ^odtw'ttbiq Sacra \ mtnt empfoticn moUeii) get^alten fol | merken, eifilid) baxdf Voc. Vtlat \ tinum Suttjer pggegangcn, | mit fun&ecm fle>-6 nnnS | nnft barob ]ul;alten. || ^tc" Jtxc £[;rif)«nlid; predig , bit Dffer | ^enns t^rifli, cnS ^aptflnd vn- | f«s Slaubens betreffen!), gang | tjeylfam onft RuSlidf 3nlef*n. [| (^agenaiD iucd; 3ol[anfiem i Sererium. ünno jjiij. A. E. : if £7 § S I Perbum Homiiti mutiet in elernum. (Bibliothek tw Wolfenbütlel und Gtrmanisehea Museum. Ohne Titelcin&sanng ; 8 Bogen, Ü—S^ in 4; Bogen ^ 6 Blätter; die letzten l'/i S. leer.J

II) (Drbenutig unb b«i i d;! ii>ie es futfciliin {mit ilje- | nen fa bas Bodjmitbig Sa | rramcnl empfaljen wol- | len) gefiallen fol | njerben.|' 3tem ]mo prebig , bie Djfcc. | fteung Cfjrifii , du Ijau. | ptflurf onfer» <8lau I bens betreffcnb. || IITartinus Sutfjer. i OJittemberg. | Ht. D. XXV. (BMiothek eu Mündven und WollerAüUel. Tit«leinfassiing; 8 Bo- gen, K— ^ in 4; die letalen !'/• 8. leer.) -- Nach der TileleiiifaBSung iat Nickel Schirlenti ais Drucker zu betrachten,

III} ©rbenung beridjt [ roie es furtetliin (mit veiten | fo bas Ijoi^. roirtig Sa- | ctoment empfaljen niolle) gefjaltcn [ foU »erbeTi. || Ilturfinus Cnlt(«. II njittembeig. | ni. P, 'XSD. {Bibliothek zu Dresden, Hist. eccles. E. 286, S.—Titeleinfassung; 2 Bog., ^ und S, in 4; der Text beginnt auf der Rückseite des Titels und schlieast S 4 1" in der Mitte der Seite.) Den Typen nach ist Melchior Lotther der JUngere der Drucker.

590 BRIEGEBy

pfahen wil der soll auf diese funff fragen wissen antwordt zu geben" *).

Gewiss ist es kein Zufall; dass dieser katechetiscbe Unter- richt vom Abendmahl grade derjenigen Predigt angehängt ist, welche den Anstoss gegeben hat wie zu der Einrichtung des Verhörs so zu der Aufstellung der fiinf Fragen selber. Unter Luther's Namen finden wir sie hier in die Welt geschickt; in einer Schrift; die unter seinen Augen gedruckt worden ist und von einem der von ihm be- vorzugtesten Wittenberger Drucker. Sollte Melchior LotAer es gewagt haben; einer unter Luther's Namen ausgegangenen Predigt von hervorragender praktischer Bedeutung das Mach- werk eines andern Autors hinzuzufügen ohne jede Andeutong davon ; dass dieses Schlussstück nicht von Luther sei? Ich kenne von einem derartigen Verfahren eines Wittenberger Druckers kein Beispiel *) und doch würde derjenige, welcher Luther's Autorschaft an den fünf Fragen zu er- schüttern gedächte; Belege für ein solches Verfahren beibringen müssen.

Unter diesen Umständen würden wir sicher längst die fUnf Fragen in den Sammlungen von Luther's Werken be- sessen haben; hätte nicht den älteren Ausgaben; welche die „Ordnung und Bericht" bringen; der andere Wittenberger Druck als Vorlage gedient; während Walch und die Er- langer Ausgabe die Predigt nur als Bestandteil der Postille

1) Beachtenswerte Varianten von dem oben mitgeteilten Text (so- mit Abweichungen von dem Text in den beiden Wittenberger Dnicken des Gesprächbüchleins, der Marburger Kirchenordnung und bei Bugen- hagen, dessen Zusatz zur vierten Frage auch hier fehlt): Frage 1: „sampt yhm zu leyden vnnd zu sterben/* Frage 2: „das myr mein Herr Christus die" etc.

>) Einen fremden Zusatz hat Luther's „Sermon von dreierlei gu- tem Leben, das Gewissen zu unterrichten" von 1521 erhalten (E. A. XVI, 2. Aufl., 291 ff. 301 ff.) in der Sammlung „Ettlich Sermones D. Martini Lutheri" etc. (vgl. Enders XVI, 242 N. 6.) ; aber diese Samm- lung enthält schon nach dem Titel auch eine Missive Carlstadt's und überdies ist als Verfasser des Zusatzes ausdrücklich Melanchthon bezeichnet.

DIE MARBUHGEH KmCHEKOHDHTNO VON 1527.

eDtbalten '). Daas aber bei dem wiederholten späteren Ab- lirucke dei" liinf Fragen in den früher besprochenen Sammei' Schriften Luther nicht als Verfasser genannt iat, spricht nicht gegen seine Urheberschaft. Denn uns sind nicht wenige Fälle bekannt, wo man in derartige populäre Schriften von Luther herrührende Stucke olme Nennung seines Namens auüiahm. Ich erinnere nur an die aus der „Deutschen Messe" entnommene Paraphrase des Vaterunsers, welche in den vm-- schiedenen Ausgaben der Schrift „Was dem gemeinen Volk □ach der Predigt fürzuleaen" anonym auttritt, und an die „Laienbibel", welche ohne Angabe des Verfassers mehr als Ein Stück aus Luther's Feder enthält.

Gewichtiger könnte der Einwand erscheinen, welchen zu erheben möglich wäre, dass der Unterricht vom Sacrament, so sehr auch jeder Satz in ilira ein Lutherisches Gepräge trägt, doch den reichen Inhalt der Predigt, welche zu seiner Abfassung Anlass geboten, und insbesondere der hier auf der

') Die Wittenberger Ausgabe briugt VII (Hans Lufft 1554), 31. 40ä» -412'' unter dem Titel „Ordnung und Bericht" die beiden trsten der vier Predigten der grösseren Ausgabe; ebenso die Je- nenser IH (15731. Bl. läfii'— 165» zum J. 1525, mit der Bemerkung: „Im ersten Druck dieses Büchlins (,,Ordnuag oud Bericht") Anno XXV ausgangen, stehen noch zwo Predigten. Weil aber dieselbigen durch D. Creutziger ... im Somnievteil der Kirchenpostill gesetst, «ind sie hie ausgelassen"; die Altenburger Ausgabe bietet III, 150— IGO nur die erste Predigt zum Jahre 1535 (nach den beiden ftühercu Ausgaben?), die zweite zu demselben Jahre III, 290 295. Walch (von der Leipziger Ausgabe musH ich abseben; s. obeu) ent- hält die betreffende Predigt nur ia der Kirelicupostille unter dem ersten Oslertage XI, 833-849, desgl. die Erlanger Ausgabe XI, 179 bis 132; für die 2. Aufl. der letzteren hat nun alleniings Enders auch hier (XI , 197) die Originaldrucke von Ordnung und Bericht " herangezogen ; aber es sind ihm nur die Drucke I und II bekannt geworden, niebt so der ungemein seltene dritte, nach welchem ich auf einer ganzen Heihe unserer an Reformationsurdrucken reichsten Bibliotheken vergeblich anehte, bis ich ihn endlich in Dresden fand. Den Hinweis auf diesen Druck verdanke ich übrigens Riederer in der 2. Aufl. von Feuerlin's Bibl, symb, I, 262 und seiner Be- merkung; „Hnie meae (cditioni) in fine subiunguntur die 5 Fragen vom Sacramcnt des Altars," Uebrigens war Riederer noch ein vierter Druck bekannt.

592 BRIEOEBy

Kanzel von Luther entwickelten Fragestücke nicht ganz e^ schöpft; dass wenigstens Ein von Luther stets auf das stärkste betonter Punkt (das ^^fiir euch gegeben^ vergossen zur Ve^ gebung der Sünden '') ^) hier nicht zu directer Aussprache gelangt ist Aber, um kein Q^wicht daraiif zu legen. Am wenigstens indirect die 1. und noch stärker die 5. Frage aof diesen Punkt hinweisen, so wird man aus jener Tatsache doch nur die Folgerung ziehen dürfen, dass es Luther bei diesem ersten Versuche noch nicht gelungen ist, in wenigen Sätzen eine erschöpfende Zusammenfassung dessen, was ihm bei dem heiligen Abendmahl von religiöser Bedeutung war, zu geben, und darf hierfür daran erinnern, dass er auch in dem Kleinen Katechismus eine nicht unwichtige Frage anfangs ausgelassen und erst bei der zweiten Bearbeitung des Jahres 1529 hinzugefugt hat ^).

Dagegen wird zu Ghmsten der Abfassung des Unterrichts durch Luther aiif die durchaus freie Verwendung des Wortlautes jener Predigt hingewiesen werden dürfen, an wel- chen ein Jeder seiner Wittenberger Freunde und Mitarbdter, falls ihm der Auftrag geworden wäre, die Anleitung ftir das ofificiell eingeführte Verhör auszuarbeiten, sich vermutlich sklavisch gebunden haben würde. Diese Freiheit der Be- wegung ist um so beachtenswerter, als die fiinf Fragen andrerseits nicht nur durch die Motive ihrer Entstehung und durch den im Wesentlichen mit den Fragestücken der Predigt sich deckenden Inhalt, sondern auch in der Form

1) Vgl. die Predigt (E. A. XI) S. 201 : Danimb komme ich und begehr des Sacraments, dass ich glaube, dass sein Leib für mich ge- geben, sein Blut für mich vergossen ist, auf das damit mein Glaube gestärket werde** etc. S. 202: ,, . . in welchem mir mein Herr Christus durch sein Wort tröstlich zusaget, dass sein Leib und Blut mein sei, das glaube ich . . , dass mir alles geschenkt sei, was die Wort in sich haben." Vgl. S. 203 f. S. 204: „So ist nu kein rechter Brauch, denn dass du glaubest, dass dieser Leib für dich hingegeben und dies Blut für dich vergossen sei" etc. (Vgl. dazu den Sermon von 1526 E. A. XXIX, 346 f.)

*) Vgl. Th. Harnack, Der kleine Katechismus Dr. M. Luther's n seiner Urgestalt, S. XLTIf. und Köstlin, Luther II, 56.

rH DIE HABBÜRGEB KIRCHEN ORDNITNG VON 1527. 593

tu unleugbarer Beziehung stehen mit der oft genannten

Zufällig sind wir in der Lage, mit den Wittenberger fünf Prägen einen demselben Zwecke dienenden Unterricht eines Luther nahestehenden Mannes vergleichen zu können, indem ^on Justus MeniuB (damals in Erfurt) ein ebenfalls aU Anleitung zum Verhör dienender Entwurf aus dem Jahre 1Ö25 vorhanden ist. An Gedrängtheit und volkstümlicher Kraft steht er hinter Luther, dessen Sacraraentsp redigten Menius augenscheinlich benutzt hat, nicht unerheblich zu- rück «).

>) Luther stellt in der Predigt wiederholt die zwei Fragen hin: I) was das Socrameut sei, und 3) warum man hinzugehe (S. \XI. SOOf. S04), wozu in der Ausführung noch die Frage tritt ; wie lauten denn "lie Wort?" {S. 201.) Der ersten dieser Fragen entspricht die zweite des Unterrichts, die zneite ist in dem Unterricht zerlegt in die erste Und vierte, die dritte kehrt Id der dritten des Unterrichts wieder. ~~ Man vgl. inhaltlich (wobei äucb die Formanklänge sich ergeben wer- den) für den Unterricht Frage I: S. 206. (206ff, SlO); Frage '2: 198. (198f.) 200; Präge 3: 21)1; Frage 4: 201. (204); Fiage 5: 202. In der Form knüpft nur die erste Antwort an frühere Predigten und Schriften Luther's an: man vgl. ausser den schon von Hoch- huth 3 30f. beigebrachten zwei ParaleUco aus dem „Sermon vom bocbw. Sacrament", (Iftlfl), E. A. XXVil, 29. ^J{. noch drei weitere Sätze aus derselben Predigt S. 2!t. 30. 32 und dazu den „Sermon von Bereitung zum Sterbeu" (1519). E. A. XXI, 266. 269.

s) ^n was glauben oni \ mcynung bie fynblfin jur | tieyli^en (Edutf ja foib- I btrn Uyen. || 3t^<u mie | "Dts ^je^ü^en leidjiiambs tiniib | blults vnnftrs f)erm | £[!ri{li ftuc^ttar. | lid; ju nieffen , | fnrtjer | eub eyiifal' liger rtilerridit. Il3ufii OTcnij. | m. B. XXÜ. (2 Bog. in 4; dieaelbo Titeleinfassung und Schrift wie bei Luther, „Ordnung und Bericht", dritter Druck. Die Vorrede hat 21 I* das Datum: „Zu Erfiurd ge- ben am vierden tag des Weinmoiiata M. D. XXV." Bibliothek zu Dreadm.) - Vgl. Bl. y 3i> S dcu „Vnterricht für die so das Sacrament des Altars entpfalien wollen". Wegen der Seltenheit des .Schriftchens teile ich diesen Abschnitt mit. Nach Ad- fShrang der Einsetzungsworte hcisst es Bl. 3J 4»ff.:

„Vnd aus diesen wortten soll eyn jeder, so das Sacrament icu entpfaben gedencket, dem pfarrher auff diese folgende frag zu ant- worten, vnd Seins glauhena vrsach zu geben wissen.

Erstlich, so man fragt was <hi begerest, Antwort, den waren leicb- MUn vn das wäre blut vjiscrs Herren Jesu Christi.

J

Ö&4 BKIEGER;

Selbstverständlich wäre es verfehlt, den zuletzt beige- brachten Momenten fiir sich allein irgendwie eine die Ab- fassung der fünf Fragen durch Luther beweisende Kraft zuzuschreiben. Indessen, eines derartigen Hülfsbeweises be-

Zum andern, wozu ? Antwort, dazu ers eingesetzt zu geben Timd nemen beuolhen hat, nemlich zu eynem gedechtnis, das mich seiner myr gethauen zusage erinnere, vnd nicht allein erinnere, sondern aodi gewis mach, das ich mich darauff tröstlich vnd sicher zuuerlassenh&b.

Zum dritten, was hat er Dyr dann zu gesagt? Antwort, du er seinen leib für mich in tod geben, vn sein blut fiir mein sund, die selb zu tilgen, vergossen hab.

Zum vierden, was treybt dich dann hinzu? Antwort Die not, nemlich meins gewissens angst vnd vnrug, Dann ich erkenne virnd bekenne, das ich meiner sund halb in gottis gericht gefallen, vnd des ewigen tods vnd verdamnis bin schuldig worden, darin ich ewiglichen sterben vn verterben müste, wo mir durch meinen Herrn Christum nicht wer geholffen worden, vd also geholfen, das ich wüste , das er alle mein vnd der gantzen weit sund vff sich genomen , da für gnqg than vnd gantz vnd gar getilget hett.

Zum Amfften, Auff was zuuorsicht meynestu dies zu entpü&hen? deines eignen verdinstes? odder was anders? Antwort, Auff meiner vordinst freilich keynen, dann dieweil ich von natur arg, vnd zu gut«n fruchten eyn vnfruchtbar bäum bin, was kan ich dann guts, mit gut thun verdienen ? sintemal mein vnnd alles fleisches verdinst vnd soldt der tod ist Rhoma. vi. Darauff aber beger ichs, das ich weis, das mich got geliebt, vnnd aus solcher lieb sich vber mich erbarmet bat, myr durch seinen söhn Christü zu helffen. Joh. iij. Also hat Gott die Welt geliebet etc.

Zum sechsten, Wie gedenckestuss nu zu entpfahen. Antwort Also, das ich zuuor mich an seine zusag oder vcrheissung mit vestem glauben halt, der zuuorsicht, es werden mir solche sein wort, als al- mechtig vnd ewig in allen meinen, auch des todes, nöten seliglich, vnnd on alles hindernis durch helffen, so gewislich vnnd warha£flig, als er Christus selb, durch sein6 tod, zum ewigen leben vnd in des vaters herlikeyt gangen ist.

Damit ich aber im glauben vnd rechten vertrawen auff solcher seiner zusag desto besser bestehen müg, wil ich auch des eusserlichen Zeichens oder sigels dz da ist sein warer leichnä vn blut, nach seine beuehl brauche." (Vgl. auch G. L. Schmidt, Menius I, 56—59.)

Ob dem Verfasser der Wittenberger Unterricht bereits vorgelegen hat, dürfte schwer zu entscheiden sein. Eine Ueberarbeitung desselben für die Erfurter Kirche könnte bei Menius, der später auch Luther's Kleinen Katechismus geglaubt hat verbessern zu müssen, nicht grade überraschen. (Vgl. Schmidt I, 191—202.)

DIE MARBURGER KIRCHENORDNÜNG VON 1527. 595

darf es auch nieht. Der Umstand, dass die fünf Fragen unter Luther's Namen in jenem Wittenberger Drucke aus- gegangen sind, wii'd so lange als ausreichender Beweis liir seine Autorschaft gelten müssen, als nicht triftige Gründe fiir das Gegenteil beigebracht werden können.

Schwieriger als die Frage nach dem Verfasser des Witten- berger Unterrichts ist die nach der Zeit seiner Abfassung.

Diese Frage steht in Verbindimg mit der andern, wann die Einrichtung des Verhörs in Wittenberg wirklich durch- gesetzt ist. Da Luther in der Gründonnerstagspredigt von 1524 *) auf die 1523 als fortan notwendig hingestellte Ord- nung nicht zurückkommt *), so ist die Vermutung vielleicht keine zu gewagte, dass sie Ostern 1524 bereits bestand. liann wird aber die hierauf hinzielende Bestimmung der ^ormula missae (vom Ausgang 1523) sofort in Gel tun o; ge- treten sein '). In diesem Fall würde auch die Anleitung ^um Verhör noch in das Jahr 1523 oder Anfang 1524 zu Beizen sein und vielleicht hat schon ein Wittenberger I)ruck der Predigt „Ordnung vnd Bericht", welcher 1523 od«: 1524 erschienen, die fiinf Fragen enthalten.

Doch, wie auch die Entstehungszeit genauer zu bestimmen sein mag, jedenfalls liegt uns in den fiinf Fragen Luther's ältester katechetischer Unterricht vom Abend- mahl vor.

Als solcher sind die Fragen nicht nur flir die Bestim- mung des Zeitpunktes wichtig, wann Luther zum ersten Mal in der Form von Frage und Antwort eine Probe lür die katechetische Unterweisung des Volkes gegeben hat *),

1) E. A. XI, 164 ff

^) Abgesehen von der ähnlichen Forderung S. 179; s. oben S. 588, A.

*) Dass die Institution des Verhörs wenigstens schon 1524 in Wittenberg bestanden hat, darauf deutet auch der Umstand hin, dass Melanchthon sie bereits am 1. Januar 1525 den Nümbergem em- pfohlen hat; 8. C. R. I, 719.

*) Vgl. z. B. von Zezschwitz II, 1 (2. Aufl.) S. 330f

596 BRIEGER,

sofern sie der Zeit nach der bekannten Anweisung; welche die ;; Deutsche Messe'' enthält ^), vorangehn^ sondern sind vor allem wertvoll ab directe Vorarbeit für das fänfle Haapt- stück des Katechismus^ für welches man bisher von eigent- lichen Vorarbeiten des Reformators Nichts gekannt hat^).

Luther's Unterricht in dieser Beziehung zu würdigen, würde indessen die Grenzen unserer Au%abe überschreiten und muss den Fachmännern überlassen bleiben.

Anhang.

I. üeber das Gtosprächbüohlein ''.

Das oben S. 573 f. berührte „Gesprächbüchlein*' verdient bei seiner starken Verbreitung ein paar weitere Bemerkungen, Es kommt auch noch unter folgenden Titeln vor: \) (Ein troftlid^e btfputation auff frag vnb antourt geftettet, Don iwayen £}anbtwevds mennern; ben (ßlauben nnb bie Heb, audf anbete (Cl^riftcnlic^c leer betreffenb ic.

2) ^yn troftlic^ bifputa^ Sroeyer l^antroercf s menner, pff fraj nnb antroort geftelt ic.

3) Cl^riftlid? frag nnb antroort, ben glauben vnb liebe be» treffen! ic.

Von den fünf verschiedenen Drucken, welche mir vorlagen (ausser den beiden oben S. 574 Anm. 1 beschriebenen Witten- bergern von 1525 drei o. 0. von 1524, 1525, 1526 sämmi- lich ohne die fünf Fragen als Anhang), findet sich der eine bei Feuerlin-Riederer I, 361 N. 21, der 2. bei Panzer, Annalen II, 339 N. 2568, der 3. bei v. d. Hardt, Autogr. Luth. I, 218 und genauer bei Well er, Eepert typ. S. 379 N. 3418 verzeichnet. Ausser diesen fünf bietet Panzer II,

1) s. E. A. XXII, 232 f.

*) Vgl. von Zez schwitz 11, 1, 360f. , der sich (abgesehen von dem Grossen Katechismus) mit zwei willkürlich ausgewählten Abend- mahlspredigtcn aus den Jahren 1519 und 1522 behilft, während andere Predigten eine bei weitem reichere Ausbeute hätten bieten können.

»IE MARBURGER KIRCHENORDNUNG VON 1527. 597

'^ 404 f N. 2885—87 noch 3 aus dem J. 1525 (Erfurt, Witten, berg D, 0. 0.), ansserdem Veesenioejer (Liter. - bibliograph. :. l^achrichten von einigea Evangelischen katecbe tischen Schriften >md Eatechiamen. Ulm 1830) S. 11 f. noch 2 andere (1525: •>■ 0., 1Ö26: Strassburg). Das sind (wenn wir von der bei ^V'eller S. 379 N, 3420 nur ganz ungenau beschriebenen Aus- gabe absehen wollen) zehn Dmclie ans drei Jahren. Dazu fcoQinieQ nun aber noch sechs verschiedene Drucke einer nieder- deutschen Uebersetzung (zwei Wittenberg 1525, je einer Leipzig 1525, Bremen 1526, Wittenberg 1527, o. 0. 1528), welche teils von Feuerlin-Eiederer I, 361, teilä von v. d. Hardt I> 222. 241. 255, teile von Scheller (BUcherknude der Sassisch- ^ieder deutschen Sprache. Braunschweig 1826) S. 171. 175. 180. 183 verzeichnet sind.

Schon nach diesen, ohne alle Frage nnvollständigen, biblio- Sl'aphischen Nachweisungen kann man ^ich eine Vorstellung lUachen von der ausserordentlich weiten Verbreitung dieser flir die gebildete Laienwelt nicht zu hoch gehaltenen, in den meisten Abschnitten im edelsten Sinne populären Darstellung der evange- lischen Lehre in der damals so beliebten Weise von Frage und Antwort (es sind einige 60 kurze Fragen mit zum Teil sehr ausführlichen Antworten) ').

Ihrer Entstehung nach ÜLllt die Schrift unzweifelhaft in das Jahr 1524. Wer ist ihr Verfasser*)? Diese Frage wäre hei dem Einfluas, den sie gehabt haben moss, wohl einer Unter- suchung wert, wie namentlich auch die andere nach ihren Qq eilen. Denn sie dürfte grösstenteils Compilation sein, mit besonders starker Benutzung der Schriften Luther's'). Wenig- stens haben sich mir gleich bei flüchtiger Betrachtung ver-

■) Die Schriften von Begios and Gretzinger, zu denen sich das Ge- spräch büchlein ala Ergänzimg giebt, geboren dem Jahre 1523 an ond üben ebenfalls eine ungemein weite Verbreitung getnnden: ürbanni Begius, Erklerong der Zwellf Attickel ChristUcbs glawbeus, mit den heobtstocken vnd furnemsten [lunkten, allen Christen nUtzUcb vnd nöttig. (vgl. ühlhorn, Urb. Rbeg. S. 55 f. 352 und die bibliagraphiscben NacE- weise bei Fenetl. -Ried. 1, 359f, Panzer 11, 1Ü8. 3Ü9. 310. 404, Scheller 8. 169f. ]76f 204f , Weller S. 347. 399. 436.). Bene- dictna Gretzingei, Äin vnfiberwintlicb Beschirm bQcblin von henbt Aitickeln vnd füruemlicben punkten der gütlichen gescbrifft etc. (vgL Penerl.-Eied, I, 3BÜ, Panzer II, 392f. 447, Veeaenmejer S. Hf., Scheller S. 1G9. 177. 184, Weller 8. 278. 325f. 379. 420).

1} Woranf Jul. Hartmann, Aeltest« katecbet Denkmale, Stuttgart 1U4, S. 15 (dem Höfling, das Sacram^nt der Taufe U, 321 gefolgt ist) Mine Behauptung stützt, Urb. BegiuB habe sie in Gemeinschaft mit Beued. Gietzinger heransgegeben, weias ich nicht; vermutlich beruht sie auf emem Misvereteben des Titels.

pi Auch Drban. Regina ist benutzt.

1

598 BRIEGERy

schiedene Abschnitte als wörtlich aus Luther entnommen er- wiesen *).

Als Probe der Behandlung teile ich die das heilige Abend- mahl betreffenden Fragen und auszüglich auch die Antworten mit (Ausgabe 1 ßl. B C 3*):

1. Lieber bruder, lern mich auch, wie ich das Sacrament, blutt vnd flejsch, empfahen soll.

Essen den leyb vnd trincken das blut Christi ist ein gewiss zejchen vnd sigel Göttlicher gnad vnd barmherzigkeyt. Denn also sagt der Herr Christus, das ist meyn leyb (u. s. w.) •« das ist, so offt yhrs ompfacht, so seyt ynngedächtig des Eaan- gel\j, das ist verheyssuug vnd nachlassung der sund. Es ist kein opffer, es ist auch keyn gotsdien^t, sonder es macht tbs Göttlicher verheyssung gewis, es kümpt vnser seel zu nutz Tnd gut; denn so offt vnser gewissen schwach ist vnd zabelt, auch mit sunden beladen, vnd sich denn der mensch erkent for Gott eyn sunder, so empfecht er das blüt vnd fleysch Jhesu Christi zu eynem trost seynes glaubens vnd zu eyner sicherheyt. Da sihe auff den glauben, denn der vnglaub macht dich vnwirdig vnd nympst dyrs zu eynem vrteyl vnd gericht. Derhalben sol niemand gedencken, wie er sich dieses Sacraments wirdig kön machen durch beten, fasten, beychteu; denn ob du diese stuck allesampt vnd aller weit rew vnd gutte vbung bettest vnd mangelt dyr der glaub, so bistu dieses sacraments vnwirdig; du bedarffest die sund auch nicht furchten. . . . Christus hat auch das Sacra- ment alleyn den sundern eyngesetzt. Derhalben sollen dich die sunde anzünden vnd treyben, das du zu diesem Sacrament lauffen thust, du must eyn grossen verlangen vnd durst daiu

M Hier die Stellen, auf die ich beiläufig gestossen. 1) Für den Ab- schnitt von der Beichte 3 3 7^ bilden die verschiedenen Schriften Luther's über diesen Gegenstand die mei.-t wörtlich Knutzte Vorlage; nipn vergleiche die ,, Predigt von der Empfahung und Zube- reitung des heiligen Sacraments" 1523 (E. A. XVII, 2. Aufl., S 30 ff.) S. 4G und dazu XI, 2. Aufl., S. 211: fenier „Serraon von der Beichte und dem Sacrament" 1524 (E. A. XI, 2. Aufl., S. 104 ff.) S. 166— 1G9; endlich „Von der Beichte, ob die der Papat Macht habe zu gebieten" 1521 (E. A. XXVII. 818ff'.) S. 367. 369 - 2) Die Frage „Was sind die nütz vnd frücht dieses Sacraments bluts vnd fleyschs?" wird beantwortet mit einer wörtlichen Entlehnung aus der eben angeführten Predigt von 1523, s. E. A. XVII, 44, XI, 206. Ebendaher ist die Antwort auf die folgende Frage „Wie gehet aber das zuV" 2»t. (.ntlelint; s. E. A. XVII, 44: auch die letzte Frage .,So man fragt, was ich da nehme, vnd warumb ich es nohine** wie deren Antwort 2^ f. liest man (mit Ausnahme eines Satzes) wörtlich so S. 42. 42 f. 3) Die Ausführung 2i 7^ f. „Verdient man denn niclits mit gutten wercken?" ist zum Teil wörtlich entnommen aus Luthcr's ., Von dtr Freiheit eines Chribtenmenschen", vgl. E. A. XXVII. VM, 191.

DIE HARBURQER KIBCHENOBDlOniO VON 1&27- 699

habeo; ob da giejch nicht bettest bejcht, soltn doch ftölich yan (futter lüuersicht, boffnun^ vnd glauben zugehen u. a. w.

2. Was soll ich aber ;nn diesem Sacrament, blnt Tnd fleysch glawben?

jOn solt den reden Cbristi glaaoen, die or za eepieu tiscb geaellea gesagt hat. Nemlicb diese. Mejn lejb wird far euch gegeben, vnd meyn blnt wird für euch ynn vergebang der sim- den vergossen, haa sind die zusagung, wilche dn ynn doyn hertz nemen solst vnd jhnen glanben must. . . wilcber diese woit nicht ym glawben ergreyfft , der ist dieses sacraments gar m- wirdig vnd schneyd Christo sein ehre ab vnd verletzt yhn. Derhalben solstu ebea war nehmen, wie Christus spricht. Meyn leyb wird für euch zerbrochen, verheysset allen meoschen eyn TDScbedlichen todt vnd fröHch aufferstehung. Denn Christus ist derhalben für uns gestorben, anfT da^ er den todt erwürget. Osee 13. Johannis 6. Das zeichen brod nirckt nicht änderst denn gewyssheyt vnd sicherheyt gemelter zusagung, also das der mensch ynn dem brod gewis vnd sicher soll seyn, das ybm Gott alles das gnediglicb wil geben, das er verbeyasen bat u. s. w.

3. So man aber mich fragt, was mich roiDrsach, das ich zu diesem tisch kom.

8o antwort ich, meyne eund die treyben mich, meine sund lagen mich vnd wollen mich erwörgen. Ich tan mich jhr scblechts aus meynem eygnen gewalt nicht erweren. Derhalben, mein Pfarrer, kom ich zu diesem tiscb gottes vnd wil das Sacrament zu eyner bülff empfahen.

4. So man mich aber fragt, waa ich glenb.

So antwort: ich glenb das meyu Christus for mich gestorben ist Tnd mich von todt, aund, teuffei, helle ledig gemacht hat Tnd myi den hymel alleyn erworben, das solches also war sey, so empfahe ich darauff za eynem pfandt vnd zeychen das heilig hoch wir dig Sacrameut zu eyner ewigen gedechtnia.

5. Was sind die nütz vnd frttcht dieses Sacraments bluts vnd fleyschs?

[S. Luther, E. A. XVII, 44].

6. Wie gehet aber das zu? [S. Luther, E. A. XVII, 44].

7. So man fragt, was ich da nehme, und warumb ich es nehme.

(a Luther, E. A. XVII, 42. 42 f.]

600 BBIEGEBy

n.

Zu Luther's FredigteiL

Die unter dem Titel „Ordnung ynd Bericht'' (s. oben 8. 589 Anm. 3) 1523 von Job. SeceriuB in Hagenau gedruckte Schrift entbält vier Predigten Lutber's, welcbe Stephan Bodts&mmi- licb in den 1527 erschienenen Sommerteil der Postille Luthei^s aufig^enommen bat: 1) die Abendmablspredigt, welche der Ueinen Sammlung den Titel gegeben bat, in der Postille am 1. Ostertag eingeschoben (Walcb XI, 833 ff. E. A. XI, 2. Aufl., S. 197—212); 2) „Eyn Sermon vff den andern Oster Fejertag'' (Walch 886 ff. E. A. S. 243 ff.) > ®^o Predigt über das Evangelinm des Tages, die aber ebenfEdls noch vielfach vom Abendmahl handelt (toü der Bereitung zu demselben); 3) „Am dritten Osterfejertag" (Walch 928 ff. E. A. 275 ff.); 4) „Am ersten Sontag nach Ostern*' (Walch 990 ff. E. A. 324 ff.).

Hiernach könnte man versncht sein, als Datum der Predigt den 1. Ostertag 1523 anzunehmen (denn dass sie keinem froheren Jahr angehört, verrät deutlich der Inhalt). Nun aber pflegte Luther am Gründonnerstag über das heilige Abendmahl zu predigen; solche Gründonnerstagspredigten besitzen wir aus den Jahren 1518, 1521, 1522^) und 152 3.^ Dem letzteren Jahre gehört an die „Predigt von der Empfahung und Zubereitung des heiligen Sacraments" (E. A. XVII, 2. Aufl., 40—47), welche 1523 und 1524 in und ausserhalb Wittenbergs unter verschie- denen Titeln oft gedruckt wurde *). Schon der neueste Heraus- geber der Predigten Luther*s, Enders, hat bei letzterer Predigt angemerkt, sie „stimme teilweise über ein'' mit der ersten Predigt in „Ordnung und Bericht" (XVII, 40).

1) 1518: „Predigt von der würdigen Bereitung zum hochwür- digen Sacrament" etc., unter den Vermischten Predigten E. A. XVI, 2. Aufl, 18 ff.

1521: „Sermon von der würdigen Empfahung des heiligen wahren Leichnams Christi", ebenda 241 fF.

1522: „Das Hauptstück des ewigen und neuen Testaments" etc., E. A. XXfl, 38 ff. (Ob auch die beiden Sacramentspredigten aus den Jahren 1519 und 1520 [E. A. XXVII, 25 ff, 139 ff] am Gründonnerstag gehalten sind, ist nicht zu entscheiden. Dagegen ist der von Luther selbst in den Winterteil der Postille aufgenommene „Sermon von der Beicht und dem Sacrament" von 1524 E. A. XI, 2. Aufl., 164 ff. wohl bestimmt am Gründonnerstag gehalten).

8) S. die von Enders gegebenen bibliographischen Nach Weisungen a. a. 0. 39 f.

DIE UABBUKQEK KIRCHEN OKONUNQ VON J527. 601

Diese Bemerkong tnt indessen dem Tatbestände nicht ent- fernt Geäfige.

Daran, daes Luther in einem nnd demselben Jahre am GrOn- «lonnerstage und am 1. Ostertage zwei einander so ähnliche Predigten gehalten hatte, ist rieht zu denken; und es bleibt schwer zu begreifen, nie Enders sie als zwei verschiedene Predigten hat geben können.

Es sind nur zwei verschiedene Nachschriften einer nnd derselben Predigt, welche wie es scheint un- abhängig von einander zum Drack befordert sind: die in „Ord- nung und Bericht" an erster Stelle gegebene Predigt ist eben keine andere als die Grün donnerstagspredigt von 1623.

Eine Vergleichnng beider Nachschriften ist insofern nicht ohne Wert, als sie uns an einem der klarsten Beispiele zn zeigen 'ermag, dass auch die unter Luther's eigenen Augen oder gar Von ihm selber Teranstalteteu Drucke seiner Predigten, selbst Wenn sie eine ausführlichere Wiedergabe bieten, nur auf mehr oder weniger unvoltständigen Nachschriften beruhen.

Yon den Predigten der späteren Jahre, wie sie uns Veit Hietricb nnd BOrer in den HauspostUlen , Creuziger in der tcirchenpostiile auf Grund itirer Nachschriften überliefert haben, Sehe ich hier ab. Ich möchte nur die Frage stellen, welchen <^rad von Authcnticitat nnd UreprQnglichkeit die in Witten- terger Einzeldrucken vorliegenden Predigten der ersten refor- "Xnatorischen Jahre für sieb beanspruchen dürfen. Dass viele unberufene die Predigten Luthor's mehr oder weniger schlecht nachschrieben, dass man sie hinter Luther's Bücken -und wider seinen Willen druckte und nachdruckte, ist eine be- ^kaimte Tatsache '): in diesen Predigten wird niemand den ursprünglichen Wortlaut der Luther'schen Rede auch nur annähernd in finden erwarten. Aber finden wir ihn in den zu Wittenberg selbst unter Luther's Äugen, wenn nicht gar direkt von ihm selber zum Druck beKrderteu Predigten ? Vielen derselben sieht man sofort an, dass sie nur dürftige Skizzen sind. Aber auch die ausführlicheren scheinen hinter der mündlichen Rede weit zurtlckgeblieben zu seiu.

Eben zu diesen ausführlicheren gehört die 1, Predigt von „Ordnung und Bericht", die uns, wie früher bemerkt, in Witten- berger Drucken der von Luther bevorzugten Drucker Melchior Lotther und Nickel Schirlentz vorliegt, somit höchst wahrschein- lich nicht ohne Luther's Beteiligung ans Licht getreten ist. Sie ffillt in der Erl. Ausg. 15 Seiten. Wie verhält sich nun zu

602 BBisasBi

diesar Fassung (A) die viel kflnere Nachschrift <7 j^ S.) E. A. IVn, 40 ff. (B)?

AUerdings hat uns A die nisprflngliche Ssde des Predigen bei weitem vollständiger wiedergegeben; B beruht zum Teil tof 80 fragmentarischen Notizen, dass hie und da offenbar erst dntth die Hand des Bedactors ein Zusammenhang hergestellt werden musste, was mitunter ungeschickt genog geschehen ist ^). Troti- dem aber hat B in dieser oder jener Wendung, aadi in ein oder dem anderen grösseren Abschnitt yiel ursprüngliches, wia in k fehlt, so dass an verschiedenen Stellen A durch B ergSozt %«rden kann. Endlich bietet, wie es scheint, bald die eine bald die andere Secension nur eine ziemlich freie Wiedergabe.

Wollen wir auch von dieser letzteren, nicht ganz sicheren Wahrnehmung absehen, so bleibt doch als Ergebnis bestehen, dass die mündliche Bede Luthers vielfach eine bei weitem vollere und reichere gewesen ist, als seine ge- druckten Predigten es uns vermuten lassen.

An eine kritische Ausgabe der Werke Luther*s ^ würden wir wohl die Forderung zu stellen berechtigt sein, dass in F&llen, wie der besprochene, das Verhältnis der beiden Texte klar dar- gelegt würde, etwa in der Art, dass sie unter einander gedracB und die Besonderheiten eines jeden Textes durch gesperrten Druck oder andere Schrift ausgezeichnet würden. Wenn ich recht sehe, so giebt es derartige Fälle in Menge.

m.

Nachtrag.

Während des Druckes habe ich die „Fünf Fragen*' noch in. einem weiteren, leider undatirten Wittenberger Drucke der zwan* ziger Jahre gefanden.

^eubtartifcl | vnb fürnemste ftücf pnfers | C^riften» t^ums mit fprüd^c | aus ber l^eiligcn fd^rifft be= | tDeret, allen C^riften nü§ | lic^ ipibbcr bie perfol« | ger (ßötlic^er | mar«

1) Vgl. z. B. S. 41 unten ; S. 42 unten (hier die Rede bis zur Sinn- losigkeit entstellt).

*) Einer solchen bedürfen wir selbst noch für die Predigten, so sehr auch die ebenso dankenswerte wie mühevolle Arbeit von Ender» (E. A. 2. Aufl., I— XX) einen erfreulichen Fortschritt über die frühereEB. Ausgaben hinaus darstellt.

DU XABBUBGEB KIBCHENOBDKUNO YOK 1527. 603

beiL IlSettebictus Cre^ittger || ^ttm onbem mal p&er>| fe^en. || (Betettcft m ZDtttemberg.

Am Ende: ®eorttcft ju IDütemhirg burc^ 3ofep^ Clug.

5 Bogen (2(— (E) in 8; die letete Seite leer. ( Bibliothek $u SMtgart.) Die Schrift selbst endet (E 7^ Auch hier bU- d«n die ftnf Fragen nnr einen Anhang (Bl. (E 7^ <E 8^). Die Einleitung lautet: „Wer das Sacrament des altars, den leib TBd das blat Christi» nehmen odder empfahen wil, der soll anff diese fragen odder der gleiehen wissen antwort zn geben ein iglieher nach seinem verstände.'* Die Varianten ohne Beden- tong; doch hat die Antwort auf die zweite Frage hier folgenden Znsati: i^Das ich nimmer yergessen soll, sondern gedencken, yer- Mndigeny bekennen vnd mich daranff yerlassen, das er seinen leib ynd sein blnt am crenti ymb meiner snnde willen weg geben haty das ich keine andere predige zur Seligkeit soll hOren odder annemen. Denn so spricht Christus. Solchs thut zu meinem gedechtnis.'*

AJSTALEKTEN.

1.

Lateinische Hymnen

aus St. Petersburger Handsohriften.

Mitgeteilt

von E. eillert.

In der kaiserlichen Bibliothek zu St. Petersburg wird eine lateinische Handschrift aufbewahrt, welche ein Officium auf dm heiligen Maurus, den Lieblingsschfller des heiligen Benedict, ent- hält. Dieselbe trägt die Bezeichnung Cod. membr. lat. F. I, 27 ^\ und kam durch Dubrowsky*), dem Bussland eine Reihe der wertvollsten Codices in verschiedenen Sprachen verdankt, wahr- scheinlich aus St. Germain des Pres, nach Petersburg. Sie scheint gegen das Ende des 12. Jahrhunderts geschrieben und zum litur- gischen Gebrauche des Monasterii Glannafoliensis ^), der Stiftung von St. Maurus, bestimmt gewesen zu sein. Der Schreiber, der wohl auch zu gleicher Zeit als der Verfasser zu betrachten ist, war ein Mönch, Namens Wilhelm; er nennt sich in einer am Schlüsse des Codex befindlichen Notiz: „Hie est über sancti Mauri, quem scripsit Willelmus, indignus suus monachus, habens annos amplius quinquaginta et ad finem usque perduiit ....** Dem Officium, welches die üeberschrift „Festoria sancti ac bea- tissimi patris nostri, Mauri abbatis" trägt, sind Zeile für Zeile

1) d. b. Nr. 27 der Abteilung (Ot delenie) I, in folio. Die Hand- schrift besteht aus 15 Blättern und beweist ihre Provenienz aus der Dubrowsky'schen Sammlung durch die Worte: Ei musaeo Petri Dn- browsky.

^) Vgl. über ihn: L. Delisle, Le cabinet des manuscrits de U bibliotheque nationale de Paris II, p. 53.

3) An der Loire gelegen, jetzt St. Maur genannt.

OILLEBT, LATEINISCHE ffVHNEN. fi05

die Uelodieen Obergeschneben , nur einige Hymne nstrophen Bind ohne solche geblieben. In einem grossen Teile seines Werkes, besonders in dem nicht ibTthmisoh abgefassten, hat eich der Ver- fasser so eng Rn die Vita s. Mauri ') lingeac blossen, dass dieselbe fast wörtlich ausgeschrieben erscheint '). Das Officinm in seiner Vollständigkeit hier wiederzugeben, halte ich, teilweise aus jenem Qmnde, nicht für angezeigt; ich habe vielmehr nur die als prosae und jmni bezeichneten Partieen, nebst einigen wenigen anderen ausgewählt. Der Verfasser verrät darin ein für jene Zeit nicht unbedeutendes Talent für diese Dichtungsgattung. Die Form der Lieder, hauptsächlich die der Sequenzen, deren ziemlich regel- mässige Khjthmen sich in ansgedebnt«stem Masse reimen, weist, anch wenn sie nicht von dem vorhererwähnten M5nche WUhelm heiTfihren sollten, doch auf das 12. Jahrhundert hin.

FmHus. contriti cordis optima

1 Congratulemur domino est factus iugis victima.

Bolemni cum tripudio, ^^ Q"^ presentem deiScam diei huius annua monstrabat sibi graciam,

rccolentes Sülemni«. t'onis clarus operibus

5 In qua esivit hominem muitis atque virtutibus.

terre commendans pulverem 1' Nam cecis, claudis, ceteris Maoraa, confesaor inclitua, ^gris .ic tribus mortuis

cell eoniunctns civibus. salutia medicamin»

9 Clausus in carnis carcere ope donavit c^lica.

cracem portavit corpore, 21 Sodalem traiit equore.

I) Mftbillon. AcU SS. 0. S. B. sec. I, p. 274. 303. Sie wurde von Faastua, eineni Zeitgenossen nnd Mitschüler des heiligen Hannu, verfasBt und spater, im 9. Jahrbandert, von Odo. einem Abte des vorher- erwähnten Klostera, überarbeitet.

I) AIe Beleg dafür mögen folgende Antiphone dienea :

1) BeatnB vir Maurus, clarisBimo genere eiortus, sanct« Benedicto ti pttrentibna est traditns. amen. (Gereimte Prosa.)

'J) Qni cnm adhnc innior bonis polieret maribus , mogtstri ceplt ndiotor eiist«re et eine miraculorom cooperator esse. amen.

3) Hqdc sanctUB Benedictus ita in dei servieia diligenter informa- vit, nt nomine post ipsum in sancta obserracione faerit secandne. amen.

4) Corpus namque proprium ieianüs, abstinentia atque vigiliia et nimiis semper edomabat frigoribus, amen.

5) Eiempli magietri sni provocatua indesinenter carnem macerabat.

6) His ergo p1enit«r eicrescens virtutibus sancto Benedicto admira- bilis babebatur, BTiien,

Hierzu wurde Eap, VIII der Vita benutzt. Eine ähnliche Benutzung denelben zu Antiphonen ist nach Du Mcril, Poeaies latines, p, 1T3, von Da- niel „Thesaurus bymnülogicua", V. 228, erwähnt. Dazu die Bemerkungen von Bartach, Die lateinischen Sequenzen des Mittelalters, S, 144.

606

AJXAUSKTKS.

fifatrem Insimi a demone perspexit effi^acins ac patris Tiam celitos.

26 Cniiis adinti predbus ac mnndi cnlpis omnibns reddamur digni stranue dono parhennifl glorie.

29 IKt latus, decns et gloria regenti enncta secnla patri deo cnm filio et spiritii paraclito. amen.

Inviiaiorium.

Adoremus Christum r^em, confessorem dominum, qni eterna sanctom Manmm coronayit gloria.

Imniatorium.

Begem c^lestis glori^, qni regnat etemaliter, in sancti Mann meritis adoremns homiliter.

Tmnus.

1 Bomanis olim sedibns dignis ortus natalibns divina proyidencia nt stelltf fiilsit splendida.

5 Be&ti magisterio Benedicti sanctissimo adherens mnlto iustins Manms, Christi discipulns.

9 Contracto pede secnli legem servavit domini terrena pro cQlestibns Incra mutans mercedibns. 13 Qnamyis gradu posterior, nnllo factus inferior, pater dat testimonium eins signans propositnm. 17 Nam fome, siti nimia

atqne mdta Yigilia, semper tactns cilido ardor» Christi nimio.

21 Mnltis oracionibns, cordis mixtis singnltihus dai sibi propiciam exibebat presenciam.

25 Brevi foctns deicola mnlta signomm gl<Hia affnlsit pastor proyidns Gallids regionibuB.

29 übi came deposita per patrata^ magnalia notom fiictnm est seedo, qnod nunc Tivat in domino.

33 Condignis cnins predbus trinns et nnus dominus det nobis regna cqUcs, cni Yirtus et gloria. imen.

Versus.

Patris ad imperinm pergens Manms BeAedicti

Cnrrit in nndoso g^Qi^te more Petri.

Prosa.

Yeloci amminicnlo subveni cnm discipnlo In snppremo pericnlo mortis et in articnlo.

Manms fisns in domino obedivit ex animo, Non expectat in pelago qnerere navim nanfrago.

Sed cQlestis remigio ntitnr pro nayigio, Pontem yelnt in solido fides facit in liquide.

Sic patrato miraculo, quod raro fit in seculo.

0 Für das handBchriftliche perpetrata.

1

Patris nee non imperio

Prosa.

com dei adintorio

Eiimie Ctiristi confeeaor, dux >

Velociter rediit.

monachornm et pastor.

[Als Sequenz erweben sich

benigne , sanctisaime ' Maure, Qni uranica amptectena soli glo- riam minime viritim

dieae strophiach gebauten Eeime,

absieht, nur durch die beiden

Quare velut in c^lo

Reaponsorium.

pbebna mtilaa preclars.

Egregina confesBor domini Maunis

Immortalis cum Christo

factua eiultaa abunde.

adatantibns

Ergo nos andi pangentes

valedicena fratribna

in tuo amore

mlgrarit ad dominum

odaa libentisaime

c^tibus monacbonim

Et iatic congratulantea

inter agmina sanctorum

de tno corpore.

aggregatufl angelorum

Dobis, pater amande,

et particeps factua

Concedens pacem cnm salnte

premiorum eternorum.

Unaqne gandia premiorum etai^

Prosa.

nomm.

Orta de celis gracia

Tmnus.

plenuB et sapieucia

HauTUS pater utilia

1 Laudet cboms fidelinm

proponebat consilia.

regem, auctorem omnium.

Fratres, nolite dnicia

perhenni cuius gracia reis confertar venia.

carais amplecti Ticia,

Gehenoe mnltiplicia

perorrete snpplicia.

in spe celesti positos

Quanta c^Iorum gandia.

Acte frandia ridicnla

ganctorum qoanta gloria

precognoyit fantastica.

tenetia in memoria.

9 Nam demon arte pesaima

In mnlta paciencia

intrantem templi limina

et in obediencia

sanctnm iirnm exterritat,

manet omnis iusticia.

dum mortee gregie indicat

13 Aqsu caiuB precognito

Sic patrum previa

crncis mnnitua clipeo

sequi veetigia

pestem iniquam repnlit,

Sanctus et premia

qu^ miram sonum intnlit

sperare nimia

17 Pro rei certitudine

Ortabatar.

sancto flenti püssime

i

enlpai aoctnu aUne.

Ver9us.

üt c^lestis regni sedem Taleamofl acandere.

Aniiphona.

Ave, pater gloriose, aTe HidoB iam Celeste, dec^^ranD, Manre, c^lum noB'gubenia visens hamnm, quo letemur triamphantes te patronem yenerantes.

Ymnus-

1 Luce refulgens aurea dio8 claret sanctissima,

ad nochtmos,

1 Etemm Maare, gaudia Christi cfaomscfaans gracia Totis amasti querere £une siüqae, fiigore. 5 Sacri minister dogmatis a patre Gallis mitteris, dexota quorom pectora yerbi cibasti copia. 9 EfElomisti plmimis circundatos miracolis semper stndens excrescere in sancütatis colmine.

13 Sermone discis angeli dei secreta maximi eins repletus lumine et roboratus famine.

17 Clarior omni sidere

i) Die Handschrift hat hL

GILLERT, LATEINISCHE HYMNEN. 609

iam gaudea agni munere

schrift bezeichnet; einer jeden

in arce pollens etheria

aber geht statt dessen ein Alle-

- vit^ perhennis premüs.

lüia vorans.

21 Sit aempiterna gloria

Maurns lucida

patri deo cum filio.

Bcandit poli culmina.

saücto simul paraclito

in sempiterna secula.

Hodiema ioondetnr

die plebs angelica,

Ymnus.

Uodiema die mater

I Norma inbarqne ßdei.

inbilet ecclesia.

Maure, clarescit inclite,

Qrex ordints mona«tici,

defunctis vit^ redditor

odas date cantici,

et ceco lucis prestitor.

Gesta Mauri concinite

5 Magiatri factoB collega,

in voce l^titie.

decus fonnaque monachis.

Tirtutum septuB ^emmnlis

Hie doodennie

sclcasti catlem snbditis.

Benedicto traditnr.

9 Tni patrigqne obitus

Annos bis denoB

et fratram loDge prescius

hoc sub duce alitur.

mnniEtd verbis flosculis

Maure sub hoc duce qnid

magnnm it«r ad superos.

fueris,

13 Errantes oves excipe,

Cum patria imperinm peragis

ad regnum celsitudinis

absque cruore fluenta premis.

sacria adtolle brachüs. 17 Christe, precamnr fragiles, at nostra solvaB crimina.

Tn lingu^ reddia offioiumqne') pedis. Das Tirea fractis.

qni es cnm patre filius

ceca videre facis.

semper cum Bancto spiritn.

amen.

Qui tibi obloquuntnr,

demone invaduntur.

Sesponsorium.

Sint landatores tni

Sancte dei Maure,

tuis sub alis tnti.

clementi quesumns aure,

Demon tua rura tremiacit,

precee et Tota tuorum.

Obaessaque corpora Hnquit.

Tua mors quoque*) verba

Versus.

paveacit,

Qemma senatorum,

Tibi Viva cadavera reddit.

fllarisaime dui monachnrum.

Tn das bibendo

Die beiden jetzt folgenden

vinum non deiicere,

Bequemen sind auenalims weise

Menbra persone

nicht als aolche in der Hand-

nectia paralitice.

i) hB. qa?.

») hB. qne.

^

1

MO

Storote Boeds ynidtiitilnis aqgilik

AmMmnn Ubfiiii mivmi soBiis el ttätiOB^ Imowiii. Hos pofll deomsmn aladiiiiii fhe proflMTori bnifiniB.

PreBtot lioe per te palsr atqiie naloB PmM lioe ptter parilique flatoSi

Dens oniiB. am«L

QhrB

Indita diei Indm XMolamiis IMa.

PnedM Miieiiias adoJHft Togi ifgimi prBooniSi Qui Hanmm UiÜtm peipetui •ablimant in gloria.

Penete Ibrli da amuito lieioria» T^eWei pibna» fBlid pngna» longa perhenniqne momoria.

Hie mox in ipsa tenera infiuicia Benedioti patris obediencia

ClaruB enitoit, et post Petrom dum calcat

equora, oonsodali yit^ fort suffiragia.

Alter non teroins cernit demonis ridionlay Qnaliter abstraxit ab ecclesia iratrem foras ad apectacnla.

Leyitica stola debilem reformat Bospitate prima.

OoniitiB Tioa dcodid 0Dzali inooiBouklo^ fraott fimoH aaaetas sa&at Tesligii» Oontnlil oeocgmita ptEpaUdim liiiiim% qn^ wm dadinat jawupe iBUMiab tnafoe BMatnoa lite xvddidifcnDeto per tiiiittatia egers.

PÜriB ddeinimi, dma ddipal ad oenure i^oiiani digBiiB est LanipadiB dionMWiBl esBOMiii^pie Bim; angelna indtcai^ enina b^e rit Tia»

No8 merita toa» eanct^ clarieeona reeonamns lira. Tu oorpora noetra» ta semper animas gracia patema

BefoYOy petimnSy aalute ^ma

St conserra.

Diese Sequens ist regelmässig wie die TOiha^ gebende gebaut

Tnmus 9aneH paMa noiM Mamn ätbaHs.

l Inter excelsos TiTtosqüi oetnSy qni sacris oelnm mentis adomanty

^) bs. mitis.

(HLLEBT.L^I

I. ir.>i:i

HTMHEK.

611

indiia HfturoB pater ante

Chrisiam Ince chornscat & Hie poer jRsmis domiao

aacrakis etBenedicti patris oredoctoa gracia Chriati dnodeimiB

actus caTit iniqnos. ^ ParciorTictaSyCiliciiiaTestia, leccio psalmiy lacrime per«-

hennes banxerant illimeritom reatos ad nidülantes. ) Cum snimi Christas decorans

alumpiiimi ülius sigpüs bona pnblicayit, namque non pancis precibos

salntem contnlit egris. ^ Ad patris inssnm laticis

profandi ambnlans sicco pede pressit

nndas et cmcis signo nova pre-

paravit Inmina ceco. '1 Nnnc pias nobis yeniam

precetor et sua nostnun prece fran-

gat hostem, eins üt celi pariter qaeamns scaüdere sedem. 15 Laus et inmensom decns

atque lumen trinitas renun, tibi sit, crea-

trix, cnins est simplex deitas grabemans aecnla cuncta. amen.

YmnU8 ad noctumos.

1 Dens bonorum preminm, Inx Vera te sequentium, inya colentes annua

Manri toi aolemnia. 5 Qni more viTons celico snb habito monachico koL repletos gsvcia camis repressit yicia. 9 Dehinc nitens yirtntibus et caritatis actibns inssn magistri Galliam petit relinqnens patrianL

13 Ibi stmens c^nobium fit dnx tibi placencium, qnos Toce, signis, opere inste docebat yiyere.

17 Tnnc splendnit miracolis factns Incema secnlis, nunc noster bis temporibus protector extet, quaesomus.

21 Summo patri ac filio cnm spiritu paraclito nni deo sit gloria per secnla perhennia. amen.

Tmnus mattUinis laudibus.

1 Jam, Maure, summis c^tibus coninnctus in cQlestibus in yalle fletus positos tuos reyise subditos. 5 Qui fraude raptum demonis resuscitasti mortuum, nos precibus et meritis a morte salya criminum. 9 De te loquentes perfide duro repletos demone sanos crucis iuyamine non distulisti reddere.

13 Ergo, pater sanctissime, tuos sequaces respice, bestem repeile pessimum, gregem foye monasticum.

17 Tuo precatu iurgia pellantur et lasciyia, Christi ministros Caritas et mentis omet puritas.

21 Summo patri ac filio cum spiritu paraclito

AKALEKTEN.

corroborando meutern bene meditantero.

Qui prophanam ci»itatem verbum dei speraantem,

Eiorandoc^ili regem,

dedisti precpitem, Ä Qostris ab lue Ticiorum caliginem Mentibus, iuserens iosta, sacram pietatem Indul

uni deo sit gloria

per secula perbennia. ameB.

fOhnfl l/eberRchrift.]

In domino laude m tibi tnodulantem Maure, serva plebem Cbristo fundens precom. Quo conterat hostem semper impuguantem.

Die SchluBSworte der Sequenz sind von Dubrowsk; dnreh Baaur getilgt worden, um das unTonneidlicbe „Ei musaeo Petri Dubrowsky" anbringen zu kOunen.

Diesen Manruäliedern lasse icb eine Sequenz auf die Mana Magdalena folgen, die sich in einer andern Petersburger Hand- Bcbrift ') TOTÜndet Da in letzterer, die Meditatiooes ", eins Schrift Odos v. Clunf, enthalten sind, so liegt der Gedanke nahe, auch dieses Gedicht ihm zuzuschreiben, besonders nenn man be- denkt, dass auch schon auderswoher Verse, in denen der Clnnia- censer Abt jene Heilige feiert, bekannt sind ^. Der Form nach gehört diese Dichtung mehr zu jener alteren Gattung Ton Se- quenzen, in denen, unbeschadet der strengen Durchführung der Uelodieen, der Rhythmus noch nicht so durchgebildet und an- statt der späteren regelmässigen Reime vielfach entweder gar keine oder nur Assonanzen am Schlüsse der Veraikel vorkommen.

Adest precelaa cunctis dies digne celebranda.

In qna ecandit ovans Magdalene Maria Gel 08 ignicoma comitante caterva.

Jubilet bodie, pBallat, tripudiet omnis terra.

Sedes aetriferas sola spien didior suhlt Stella.

Clarissima stirpe sata mulier meretrii impudica qnondam fait

ista. In Symonis leprosi repperit te, Jesu, Inmen verum, viitus, glori»

nostra.

>) Cod. membr. lat Q. I, 61, ei musaeo Petri Dnbrowikj. Vgl meine „Mitteilungen" im Neuen Archiv för ältere deutsehe Geschiditi- knnde V. S, 2ii2.

») Vgl. Biihr, Rümiache Literaturgeaeb., Karolingischee Zeitalter,

GILLEBT, LATEINISCHE HYMNEN.

613

Mox secus pedes rore sno nectaris liquefacta iacet illa. Lacrimis lavat, crinibüs tergit, porrigit oscula grata.

Tuis pediboB fert alabastra, infandit eis nngenta sacra, condescens miseris eins misericordia magna. Solyis gracia quam largiflua eins yincula mnltiplicia,

pie pater, patris sommi proles, cnnctormn salns atque vital

Hinc fit sancti Spiritus anla, que Septem demonnm Ädt antea. Et fit illa sublimis hera, que Jesum meruit cemere prima.

Jesus tibi apparuit, primum cum surrexit post fracta tartara. Besurgentem

discipulis Christum

cecinisti,

0 felix Maria.

Prior Eva fuit olim mortis nuncia. Et tu prima nunciasti vite gaudia.

Laus, honor, gloria Sit deo per secula, cuius prudentia disponit omnia, per quam nunc virago regia translata est ad ethera. Yirginum agmina illustrans Maria in celi curia, peccatrix femina, fnlges prospicua spem lapsis dans de venia.

Congaudet nunc tibi ecclesia, et letantur orbis climata. Te miratur falans angelica, tibi tuba plaudit armonica.

Tu pro nobis esto soUicita pr^fovens nos assidua. Tecum nobis Stella maris Maria nunc et semper et ubique ma- neat propicia.

«14

2.

Stranbirger Mtrige zw CewUckte Mu^

Ton

A. ErldiaoB,

IMnetor des tiMoL Stadien -Stifl« 8t WUlidm in StasMlmif.

Did Briefe Booer'B (Ootober 1629 \m M&n 1S80>

Dem Berichte Hedio*» Aber du ÜMbnifer BeligioiiegetpiiQk •eUieasen wir drei Briefe Bnoefa, welche denselben Gegenslud betreffen» an. Was dieser Theologe in der y<nxeda n seinsa Brangeliencommentar ") über die Znsammenkonft in Marimv geschrieben hat, ist hiidanglich bekannt nnd oft benntrt; dagsgsp sind seine brieflichen Aeussemngen hier&ber mit Ansnahme der wichtigsten Stellen aus dem ersten der nachfolgenden BriefB, welche Baum *) in deutscher üebersetiung mitgeteilt hat, bis Jetii nicht in die Oeffentlichkeit gedningen; und doch sind sie keine unwichtigen Beiträge zur (beschichte des Marborger Qesprftchs. Namentlich erhellt aus ihnen, dass die Strassburger dem Be- nehmen Melanchthon's die Hauptschuld am Mislingen der Verhandlungen zuschrieben. Haben sie sich hierin getftnschtf Es ist ja bekannt, dass Melanchthon, obgleich er für die fin- tracht der evangelischen Kirche den ginhendsten Eifer an den Tag legiie, einer Aussöhnang und Vereinigung mit den SchweiMin sehr abgeneigt war, weil er befürchtete hierdurch die Aus- söhnung mit dem Kaiser und mit dem Papst, die er inuier noch hofifte, zu erschweren *),

1) Vgl. oben S. 4 14 ff.

s) Vgl. Baum, Capito und Batzer, S. 594 f. N. 20.

8) S. 462 f. Die Uebersetzung sehr frei, oft mehr eine ümaehrei- bung. Auch Keim (Schwab. Reformationsgeschichte, S. 123—136) hat diesen ersten Brief Bucer's, vom 18. Ootober 1529, (nach der Abschrift in der Simler*schen Sammlung) benutzt.

^) Vgl. über Melanchthon's Verhalten auch die Bemeriningen Ton Ritschi, Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung I, 160 f.

ERICHSON, DREI BRIEFE BCCER S.

Die folgendea Briefe Bucer's befinden sich im Ori^nal in dem InkhhalUgen archivalischeD Schatz des St. Thomaastiftes zu Strass- 1 Wg (Briefe Bucer's Bd. I) und abschriftlich in Baum's Thesanms ').

Kr. 1.

fiucerus Ambroslo Blaurero. De colloquio Marpurgico.

Anoo 1529. Die 18. octobris '). Salve in Domino. Capito modo ei üudore laborat illo Anglico, *6d äuperatö periculo. XIU, Octobria ZwingUus Oecol. Hedio H ego huc ex Hessis ledümus. Piua ille Princeps nihil omieit 9uo in coucordiam redigeret nos, quornm erat alios concordes Teddere. Sed visum Domino est, at, nescio quo apiritu acti, ■*^\itherus cum suis concordiam aliam nobiscum, qaam cum Turcis Qabent et judaels, inire noluerit: pertinscisGime frigidam suffuD- 4ente prae omnibua aliis Philippo '). Dum itaque frustra esaent omnia tentata, eitorsit tandem piua Princeps, tit conscriberent aiticulatim doctrinae ChrlatiaDae summam, exporturi, an in eam «6eeinQ8 consensuri. Id factnm est, et a nostris conBensnm, pauculia adiectig, quibus planiua Qeret, omnem fructom Doctrinae sanctae et Bacramentorum donum esse spiritna dirini, non no- stnun, aut Terborum vel Bignorum. Hoc pacto voluit confutar« piuB Princeps eos, qui calumuiantur nos per omnia falsa docere. Quod et ipse Lutherus sibi promisit scriptis testari. Dominus

1) Eb wird nicht überäÜBeJg sein , wenn wir hier auf diese on- Bchitzbare Fundgrube aufiiierkBani machen, welche, indem eie darch Termächtnia in den Besitz der hiesigen Landes- and Universitäts- bibliothek gekommen ist, allen GeBchichtsfon ehern jetzt zur freiesten BeniitzDng offen steht. Die S2 Bände dieser Sammlung enthalten nicht -weniger als 3000 chronologisch geordnete Abschriften von Ürknnden und Briefen eisässieclier Befonnatoren oder an dieselben. Zn Hunderten zahlt man diejenigen, deren Originalien im Bibliothekshrand von 1870 vernichtet worden sind.

') Nach dem Original im Strasabnrger ThomasarchiT. Die Ueber- Bchrift, sowie eine Randnote: „de MarpurgeDsi colloqaio notanda bene", Ton der Hand Conrad Habert's, des Amanuensis und Freundes Buoer'a (Nacbricbtfn aber denselben bei Baum, S. mö; Koehrich. Mittel- langen 111; [Culmann] Ehrengedäcbtnis C. Huberts). Die drei Folio- blätter, welche einst als Brief znsammeo gelegt waren, tragen auf der Rückseite die Aufschrift: „Ambrosia Blaorero suo, viro

>) Diese für Melancbtlion so ungQnstige Stelle, sowie die Äensse- rnngen ähnlicher Art in den folgenden Briefen , bat Hubert im Hs. mit rotem Stift unterstriche n. öat\ dieser Melancblboii , sagt Baum, gilt nichts desto weniger allgemein im Gegensatz zu Luther ^r den sanften, friedlichen, Tersöbneoden "

Ztlticbr. r E.-O. IV, 4. j^

616 ANALEKTEN.

Uli condonet. Habes consilinm cor publice editum sit, qoibas in articnlis nos deprehenderimns consentientes, cam tarnen de solo Encharietiae articulo, imo de solo eo, an Christas sit corpon in pane, fnerit disputatnm. Ego post finem collationis somnu- tim exposui, qnid hie doceremus, petens Lutheri testimoniuBi, an recte doceremns, quod ille pertinaciter negayit, doritiem ejus parum probante pio Principe et aliis. Porro ne nihil impetraret Pfinceps, impetravit nt pateretur inseri publicae illi oonfessioni alteram partem erga alteram debere Ghristianam Chariiatem habere, qnantum ciyusqae conscientia tulerit. Hanc conditionem plurimom orabat Princeps expungi , putans nullius Christiani conscientiam hinc debere abhorrere. Sed illi perstiterumt in m sententia. Coram Principe mutuo promiserunt partes nihil alteros in älteres scripturos, nisi utrinque yisum ^). Disputationem Toloit primo die JPtinceps privatam haben inter Lutherum et Oeco- lampadium, Zwinglium et Phüippum, deinde cum non esset conventum, coram se et suis senatoribus. Spes fuerat Mncipit si sine arbitris inter se rem excuterent, citius ablegaturum vio- cendi affectum. In utraque disputatione Luthems hoc argnmento nixus est: Dens dixit hoc est Corpus meum, potest omnia» ergo in pane est corpus. Besponsum fuit, verba Christi sonan^ hoc est corpus, non in hoc. Latherum debere probare haM suam synecdochen. Nobis panem recte vocari corpus Dominif Tore et corpus per panem tradi, sed mentibus fidelium. Noi autem ex his verbis Domini sequi, ut corpore sit Dominus ii pane, ut quicunque panem edat, sive pius, sive impius, Christa edat. Lutherus contra jactabat yerba plana esse. Bespos- debatur, non autem affirmare illa, in pane esse corpus, sed panem esse corpus, quod et ipse negaret simpliciter accipiendami sed fateretur panem aliud, quam corpus Domini, esse et maneie» nie, plana esse yerba, usque jactabat. Itum est ad aliud argu- mentum: Christnm fide comesum aeternam yitam dare, non potoissi igitur Christum plus aliquid dare, quum yitae aetemae nihil possit boni adiici. Nee esse fas, corporis Christi manducation

1) Im Jahre 1530 schrieb Gerbel an Luther: „In causa q Marpurgi egistis, nostri hactenus miro süentio pacem, ut ego interprei testati sunt, tametsi a yobis non eadem fieri nonnulli conquerantor.' In einem Brief an den Landgrafen yom 11. Juli 1533 (Ms. des Tho archiys) klagt Bucer, dass der Marburger Vertrag nicht gehal' werde, und dass, obgleich die Theologen versprochen hatten „ihr so gl grausames Schelten zu underlassen ", Erhart Schnepf „denZwinglii mit Namen zu Marpurg uff der Cantzel als eyn erschrocken liehe verfurer, das Gott mit seiner öffentlichen räch bezeyget, mit filem christlichem Schelten ausgeschauen habe." Vgl. jetzt auch den Auszn bei Lenz, Briefwechsel Landgraf Philipp's mit Bucer, Bd. I (Leipzig 1880 S. 31 f.

EBICSSOS, DBEI BRIEFE BUCER'S.

im Doaset ^^

HkBtraneam ponere. Negiibat Luthcfus fiDätra hminus insBisset, etiam ai ipse nullum certum adicare. Respondebatar , nuequam jassisse Christuni, simm erpns cnipore edetidum. iD^'^minabat ille e^se verba plana. Ageminabant nostci, ron ad sensum Lut/icri. Ventum est ergo id ftigumeDtum tertium. Christum verum hominem, eoque juxta Iknguatiiii dictnm oportere illins corpus in unn loco esse. Hlc nnlUe Patrum i>cntentiae adductae sunt, quae hanc veritatem bonani corporis in Cliristo multia testantur. Luther us contra äicebat se plana verba habere, in pane esse corpoa Domini, iam agnottcere se, idem in coelis esse. Ea quomodo inter se conveniant, nihil morari. Deo esse omnia possibilia. Non Hilmare tarnen se, adesse corpus Domini in pane locoliter. Pro quo<[cr adferebat cas Eontentias Patrnm, in quibus nomioant innem Domini corpus Domini. Ad has reepondebant nostri, sie piDtfin vocare illos Domini corpue, alcut et Encharistiam sacrifi- num vocant et fuit adductus Augustinus, De Doctrina christiana it catechizandis rudibns, nbi exponit basce locutiones. Ibi Dulierus quum apertiora loca essent, quam at commoda glosaa in suam sententiam trahere posset, confugit ad illud Augnstini Ktnm, quo vetat stia scripta tamquam caDonica habere. Sic Bern accepit disputatio, et coepit Princeps nrgere Luthervm t finOB ut noB iratres agnoscerent, aicut nos agnoscimas illoa, ii, ut memoravi, frustra. Lutherttm aatem semel consenäiese, sd moi a Philippo retractum. Fhilippus bene vult Caesari et ^dinando. Utinam vidisses quem candorem, quam simplici- Itsm, quam veritutem Christi anissimi exhibuerint utrique. ^ hie narravi snmmam rei quam simplicissime et verissime, taeteritifi multis iuamicis [sie] argutiis pnrtis adversae ne dicam ■Bis: Sed illi haec, üos nostra mala babemus. Psalterii mei plDin et pleraque alia, quae roisan miraberis, scito conceasa Im fratribus Galliae et inferioris Germaniae: quibus alioqoi ipla libri non potaisset contin^ere. Bene vale. Et vide ut li sie TJciniB parare civitatem studeant, ut nos non remore- inr; forte et nobis ea baud sine cotnniodo ßcipuhlicae Christia* u continget. Mysterium est. Si intelligis, scies quid tibi rendum, sin, aines frnstra adscriptum, planius enim scribere non Mt. Nihil e:( hia nbi fidia amicis prodas. Nam cavendum ne titemua eoa com quibus volumus habere pacem. y Argent. 18. oct SaJuta fratres. I BuceruB.

618 ANALEKTEN.

Nr. 2.

Bucerus Ambrosio Blaurero.

26. Januarii 1530 0-

Salve in domino frater mnltum observande et longe charissime. Cum nihil oporteat a Christiano aeque alienom esse, atque suo sensui nitentem, soisque affectibus indulgentem, a concordia cum hiis qui Denm quaerunt abhorrere; aliud multo quam tu de illo nostro congressu *) augurabar. Primum si quidem omninm ne- cesse est eos, qui sectari Christum in animum inducunt, abnegare semetipsoSy et ante omnia huc perpetuo eniti ut, sibi plane mortui, fratribus fiant omnia: et quidem insiplentibus tanto studiosius, quanto majore humanitate et submissionis cura egent. Huc universa Tulgi quoque Christiani cura conferri debet: de magistris bis (?) et tam eximiis quid quaeso non jure polliceri mihi debui: sed, o diram tentationem: ex primis video novissimos factos ^); quod ferendum utcumque erat, si ipsonim tantum peccato haec calamitas finiretur, sed jam eo res yenit, ut nihil omittant illi, quod ad divellendum nos faciat, non solum Terbi ministros, sed totas regiones et quidem amplissiinaSi principes et respublicas latissime imperitantes. Nee ad divellen- dum nos tantum intenti sunt, sed pro virili quoque dant operam ut omnis et in posterum in concordiam redeundi adempta sit facultas. Atque utinam hoc pacto non muniatur ab istis via in gratiam redeundi cum papistis. Id quod palam modo moliri coepit miser ille JSilUcanus. Porro ut veritati suum testimonium prohibeam, affirmo tibi, mi frater, quod tu indubitatum credas, nostri, Zwinglitts et Oecolampadius , nihil quo in concordiam reditus sperari potuit, praeterierunt. Obtulerunt se consensuros ut in communi fateremur et praedicaremus, credentibus in coena Christum yere praesentem haberi, et manducari. Cumque hoc illi rejecissent exigentes ut faterentur etiam ore manducari, haberique praesentem corporaliter, orarunt, quum isthuc agnoscere

1) Randnote von Hubert: ,,£pistola lectu dignissima^^ Aufschrift: „Ambrosio Blaurero ecclesiastae Constantiensi vigilan- tissimo fratri colendo." Eine Note: „ßecep. 19. Februar per Balthasarem."

2) sc. Marpurgi.

3) Es sind^ dem Zusammenhang nach, die sächsischen Theologen gemeint. Am 12. Januar 1530 schrieb Bucer an Zwingli über Luther: „Tu vide, quid homo miser moliatur, et da eo diligentiorem operam, ut facio, quo adimatur plenius illi monstro pectus tam pium, princeps Hessus". Opp. Zwingl. VIII, 393. Ebenso klagte Capito im Juni 1530: „Increvit post Colloquium Marpurgense tyrannis Saxonum". Ebenda S. 4G5.

ERICnSOK, DKEI BRIEFE BL'CER S. 619

JTemm non possent, ut nibilominus fratres iigtioacerent. Caetera tiwia, qDandoquidem alicujus momenti sant, uiKLnimi spiritu et OK docentes. Et Zmnglio. cum <le bis vorba Taceret, Snito JUD colloqaio, in qno tsmen illum Lulherua saepe parnm Ui«Dlügice Inserat, Eicut et in perorntione inimice taxarat, con- Cordiaa desiderium iacrymaa extudit, ita nt sermo ejus inter- cijKretur. Quod jom candidi ist! in gloriam victoriae suae ubique '{■argimL Haec idpo tibi scribo quo tibi nostri minus displiceaut, qnüs tarnen neqnaqnam nego tiomines efise, mnltaque et Bcripsisse ■i W gBBsisse, in qnibTis prudentiam Christi forsan qnis desyderet, ^ Hon aba rc: Haec enim circumapectiasirae ca?et, ne quid non >■ aedificet. Sed quis est omnino mnrtaliuiii, qui hanc porfectam habeat. Eipertus qunque ego sum in multis jam certe minime P abjiciendis Tratribus, dum nonnihil detriti sunt in aliqun dogmate, Sic Ulud adamare, eic putare veritatis esse perspicuae, ut non queant non persaepe diloctionis ofTicia misere praeterJre, erga eos qui ab ') illia dissentiunt, aut non plane assentiant. Hoc vero moibo aeque vidi laburare tsultos, qui mea quidem sen- tcntia Vera sectabantnr, ntque qui falsa, et qui falsa aeque, atque qui vera, nt nullum inter cos discrimen possem agnoscere. !Perpanco8 equidem adhuc reperj, qui satis velint perpendere, non nostrom esse veritatem nibia mutuo persuadere, et solitnm semper fuisee patrem coelesteni non pariter omnibna sua revelare, qno Christi exemplo quisquam insipientibus et mdibus sese acconi' modet, tantoque id studioeius, qnanto vera et coeleati sapientia fberit donatiis ampliare. Hiuc vero fit, dum frater quispiam non ilico nostra probat, nt id in quamlibet potius quam sira- plicis ignorantiao cansam, male amicis snspicionibus rejiciamus. lade moi sequitur diiectionis obfuscatio, suppuUulat simultaa, excidunt voces offensi animi indices, bae deinde ab impniden- tioribuB saepe etiam adulantioribuB aparguntur et laeditur hoc pacto non aolum in quos illae primum eflluxerunt, sed multi praeterea, quomm pars offensa, quod lam liomines sumus, fasti- dire incipit Erangelion, pars in factiones divertit: quodque initio levis scintilla erat, parvo tempore in pemiciosissimum ovadit incendinm. Haec cum cottidie o;iperientia nobis ponat ob ocn- loB, decebat plane nos cordatiores esse et cantiores, semperque cogitare, sine dilectione et tali tantaque qualem et quantam Paulus passim, praecipue autcm J. Kur, 13, descripsit, nihil sumus, hac sola legem implebimus, nocesse igitur erit a Satbana in nostram perniciem excogitatum esse, quicquld per quemcunque acciderit, quod quovis modo ad id fucere senserimus, ut in obeun- dis oharitatis officiis vel remissiores, vel tepidiores efadamns.

1) \m Original wieder gestrichen.

620 ANALEKTEN.

eoqne omni vi repellendum illad esse, non secos atque toxicom, quo aeterna vita, si recipiatur, in praesentissimum dischmen ad- dncitur. Inde agnoscendum semel erat, quantum ad dogmaU attinet, contentos nos esse oportere, cum datom faerit conTenire in primis, confiterique nos in coninmni Titam dei apertam com- paratamque esse nobis per Servatorem nostmm Jesom Christam, ut quicnnque Christi sunt ejos acti spirita illam meditentur cottidie, hancque in his finiri, ut fiducia bonitatis in nos dei, securi de nobis, imo perpetuom gaudinm gandentes, toti in eo simus ut quamplurimos primnm higos yitae, sine qua nihü ?ere bonum percipi potest, participes reddamus, quoad id poterit nostrum esse. Deinde et alios quibusvis officiolis juvemus. Pro- fecto enim Christi est, et aeterna vita donatus, cuicunque tantnm agnoscere, sentire et ex animo quaerere datum faerit, quicquid praeterea errorum, et vitiorum ei adhaereat. Plura sane si exegerimus, nihü aliud efficiemus, quam quod modo experimur, nt dissidiorum ac inde gravissimorum offensaculorum sint plena omnia. Quod tarnen par ex omnibus sanctis et doctis proferas, cui in omnibus dogmatis, scripturaeque locis enarrandis con- yenerit? Sed de his satis ad te haec melius mnlto quam ego possim expensa habentem. Neque suspiceris quod de hisce rebus ad te scribam, eo quod tibi nonnihil metuam, ne non prudcnter satis concordiam et amicitiam colas, etiam erga in hoc studio inUrmiusculos. Scio enim te nihil prius, nihil aeque, sollicite operam dare jam annos aliquot; sed ut te quasi de eo consolarer, quod plerique tecum paria facere negligunt, et amica hac com- mentatioue tuum tibi hoc Studium magis amoenum redderem, libuit tam late grassans malum tecum deplorare. Fieri tnim potest, ut tuum candorem ^) tuumque concordiae Studium a quibusdam bonis et suspiciendis fratribus forsan non plane ad- huc agnoscatur: possunt imprudentes et illic esse, qui quod extenuare debebant, exaggerent, inde, cum et tu homo sis, potest certe animus tuus nonnunquam aliquid turbari. Quod si etiam, quae tua sit constantia, non fiat, et tibi nihil non solüm raonitionis, sed ne consolationis quidom opus fuerit, satis tarnen novi quod quanto es candorc praeditus boni haec omnia consules et aliis, quibus opus illis est, eadem ut soles diligenter incul- cabis: quo vel aliquantulum nos taudem ex dissensionum tumulti- bus saltem aliqui rocipiamus. De psalmis nostris nimis magnifice sentis. Duo in illis spectabam prius, ut monerem mitiorc ratione Sacra esse tractanda, et non adeo dolectari paradoxis, quum sanus possit esse receptoriini sensus. Alterum, ut syncerius et certius omissis incertis adeo mysticationibus sacram scripturam

*) ^'» liir ,. tiiuis ciindor '*.

ERICHSON, DUEI BRIEFE BLCEB'S. 621

interpräetaiemuT. Quo latius posset distrahi rnntavi nomen. Id nunc tanquam incipiabile scelue detestatur Erasmus in episto- Ib anis, qnarum unam edidit, mutato tarnen ejus nomine, ad qaem illam scripsit, Is plus Christi eiul est, Gerartio Noviomago nomen est, nuac Erasmo Vulturius ') vocatas. Dens norit me nihil quaesiBse hie . quam bonorum profectum , sed id non ea diligentia , qna opoilebat. Distaleram enim opus eo u^que ut nrgentibus praelis praecipitanda omnia fueriDt. Uinc fateor graviter me et in tauti libri majestatem, et in fratrum studia peccaEse, sed bnni tecum qualemcumque in illo cocatum, boni consalent. De aliis uou est ratio, ut magnopere aimus soiliciti, quum hi quoque tanto damnent atrocius, quanto fuerint nieliora. Onum adhuc supereat, cujus relim rationem scribas, Veatri tam in Tita Christi perfecti, qui seuatum habent tam coucordem, qnique severisaime gloriam Christi vindicant, audent adeo pro loco contendere, ut potiua nobiscum iaire civitatem obmittant, quam ut post nostros sedere consentiant, quibus tamen in imperii comitiis longe posteriores aederunt. Non probo quod nostri veatris non cesäerunt, quod tamen facturi indubie fuissent, si binc pandere causam cognovissent. (nam non a noatris haec habeo) sed si etiam id cognovissent et priores concedere veatris contati fuissent, plures certe bujue causas quam vestri babuissent. Oto si posaiB, dnm rufEum apud restros rea baec agetur, ut declaient se ab- negosee omnia, idem nua ag'emus apud nostros. Quam enim praestaret plane unam agnosci civitatem, quae tamen revera nna est. De Gvlielmo illo iinabaptista nihil acimua. Multi hie sunt, sed de hoc uibil certi babemus. Utiuam dominus mibi donet aemel tos inTiaere, cujus jam desjderium diu me distinet. Balnta quam officiosissime fratiem germanum tuum, Zvnccitim, de quo eiimia nobis omnes prae'licaut, ac alios omoes sodales, et coope- rarios Testroa. Quae vero de Lulhero scripsi ne eo rapiaa, quod doapoaderim de eo animum, sed ne de PhiUppo quidem , a quo tamen plns metuo ecciesüs, filios dei esse credo, sed qui modo graTi teneantur tentatione. Nam quid gravius possit ulli mor- talium accidere, quam sie oppugnari ecciesiae unionem. Mitto tibi elegantem Erasmi epistolam cui furaan respondebitur.

Argentorati ; poatridie converaioniB D. Pauli *).

Scio me male ^) pingere Uterus, dederam ideo Bedroto *) noatro

>) EraaiDDB Augustino Mario (biBcl]üllicli«in Viear in BaaelJ, 22. Hai 1530, Epp. Eraami, ed, Lond. p. 1418. Idcm Pirkhtfimero, IV. cal. Sept. 1530, p. 1939. - Idsm Gocknio, i. Dee«mber 1531. p. 1942 Vgl. BRiim S. 4G4ff. 594 f.

*) Von hier an bis zum Schlnss von Bneer'g Hand.

1) Bueer's Handschrift gehOrt zu den unli^serlich^ten.

*) Jacob Becirotus, Profc-edor der griechischen Sprache in Strüsa- bnrg, gest«rben 1641 an d<!r Pest zu derselben Zeit, wie Capito.

622 ANALEKTEN.

describendam Epistolam. Is pntans me tibi autographnm mis- surum, scripsit haec ut yides, panlo certo me melius, tarnen meis pnto fore legibiliora. Is impendio salutat te. Fratri tuo nnper scripsit, ta efficies apnd illum, ut ejus llbertatem boni consulai Indicavit enim mihi, se quaedam scripsisse de Phüippo liberins. Dolet homini vere Christiano, quod iUe tarn fortiter ante in Comitiis Spirae et postea Mar pur gi concordiae nobiscum restituendae obstitit. Imperiti hominis sententia est, nos armis ad officium compellendos. Dominus donet Uli meutern meliorem. Iterum vale cum tuis omnibus.

M. Bucerus.

Nr. 3.

Bucerus Blaurero.

4. mart. 1530 ^).

Salve frater observande. Verum de tuis scripsisti, attamen yelim etiam Basüienses non esse obstaculo quo minus ex pro- fesso omnes id essemus quod tamen esse coram Domino nos credo. Sed quod tu scribis simul certum habeo, tuos nihUomi- nus nihil eorum neglecturos quae gloriae Christi a^oyerunt inservitura. Indicta comitia nosti et polliceri Caesar em audi- turum se omnes operamque daturum, ut quidquid hactenus per- peram vel doctum vel factum sit corrigatur et qaique errorem suum jam agnitum Christo concedant; interim tamen nemiui securitatem dare, ut tuto adveniat, suaeque fidei rationem reddat Hinc cordatiores colligunt, pridem definitum quibus simus ratio- nibus tractandi, et obtinendum ut decretis concilii Constantiensis stetur. Putant quidam Principes nos non vocandos, quod si est mirabor si vos vocemini, qui ante nos scelus illud inexpiabile societatis Helveticae admisistis. Nos bis diebus adjecimus, ne non satis invisi simus: demolitionem ararnm et statuarum ^). Erasmiiniy dum Caesar fuerit, hostem feremus. Institui quidem illi respondere, sed ita obruor uegotiis et distinet me recusio Enarrationum mearum in Evangelistas, quibus nounulla certis in locis infulcio quae spes est fratribus rudioribus profutura, ut nesciam an liceat absolvere. Si hoc dabitur, talem volente ')

1) Aufschrift: „Iiitegerrimo viroAmbrosio Blaurero pastori Constantiensi fratri amico." Von Blaurer's Hand: ,,Redditae per Michaclem. 9. Martii. respond. XI martii per cundeiu nuncium."

2) Durch Ratsbeschhiss vom 14. Februar 1530.

3) „Deo" fehlt im Ms.

ERICHSON, DREI BRIEFE BUCER'S. 633

dabo Apologiam '), qualem noatri ordinis homiiies non multas dedemnt , ita continebo ungnes. Quo enim magis plDS quam AUg'astBro negotii quod gerimus majegtatem suspicio, eo plus piget, quod hacteuDS tantum nostrorum affectuum admiscuimus, bonamque nostnim, nostra ipsonim Incontinentia, hominum maledi- centiae eipogiiinma. Psalterii editio non minus placeret, ai non per Tiri proditiunem fratribus eriperetur ejus leotio. Pul ehre enim Bucceasit apud multos jam impostura ") ut equidem pnto non impia. Gaudeo meam infelicem picturam, tandem factam kgl- bilem, minus ergo aniie deinceps scribam. Bedrotus serio tri- nmphavit ubi legit qune sub finem fratria nomine scripsisti, NarraTerat mibi quae scripaiaset, et reprehenderam hominem, nam utcnnque Philippus hodie panlo minus quam Erastmis recto Evangelii cursui adveraetur Caesarisque gratiam, non tamen ut ille, aua, sed puhlicae pacia gratia '■') suspiciat magnique faciat, cnmque impedierit nnua fere, quae facile omnera hostium Christi ferociam intra sua continuissent pomoeria, Organum tamen Dei praeclamm est. In quo sie Telim Dei dona nobis admirationi esse, ut etiamai nihil interim quod hominis Sit amplectamur, ras tamen tantae dignationis eiimie charum habeamus, sc inde, quae natura dilectionia est, omnia in meliörem partero non minore argutia et studio interpretennr, quam aolent hoatea cuncta rapere in malam. Sed gratia Domino, qui interim Titomae nostro dedit, neqnid hujua zelo, non ad veram Christi acientiam formato, offenans ait. Vere, vere si volumus noe praeatare, qui aadimue, filiQB dei ayncerosque Ckristianos labi et falli quoque in bonam partem, ei dilectione oportet, tantnm ne quid hominum gratia tentemus advcrsua deum. Et sunt etiam aacpe minimo maJa, si ab animo aeatinientur, qnae in apeciem videntur pessima. Ad-' monilionem meam scieham vos non posse mali consnlere, quare liberius quoque illam scripsi. Non autem turbet si veatro candori alü parum reapondeant; quibns plus datnm, hoa decet, nt plus qnoque praaatent. Beatiua est in omni genere, dare.

1) S. Baum S. 404. 594.

■) Die VerötTcntlichQng seines Psalm commcntara unter dem Namen Aretins Felinus; a. Baum S. 4G4.

3) Vgl. Bncer au BedrotuH, Augsburg IT. Juli 1530: „Cünsolti annt bac nocte I.ntherani Principea, sed nolnerant eonsulere. Nihil est hodie nobia infeatina Lutheranis, sporaDtqae adhuc, cum omnia divcrsum clamant, nostro excidio sibi posee consuli. Audio, hac nocte Fhilip- pnm scripaime cuidam non poaae pacem reatitui Ocrmaniae, niai nobis interuecioni datia. 0 Evangeliatoa ejus qui venit qoaerere et salvum faeere qnod pericrat. Sed gratia Christo qui nobia dedit hact«nns sinceriter in ncgotio suo versari pro cujus nomine niilliea praestat mori quam vel Jod unura cedere ex doctrina ejus mundo." (Collect. Simler.i Thesauma Baumlanus.)

624 AKALEKTEN.

qoam accipere. Sic divinitüs comparatnm est, ut nihil omnino Sit, ci]gu8 nos usus juvet, in quo non etiam aliquid offendii Quod ergo in esculentis facimus, rejicientes non grayatim mtüii, ut üs quae nobis conveniunt, fruamur, faciendum erat idem et in fratribus. Id quod Dens vobis hactenus curare prae aliis dedit Fratri et Zwickio, animo meo yere magno me commendeB. Hieronjmo ejus quod potui praestiti, habet apud quem artem quam Toluit, discat, sed conditionibus quas ipse scripsit Tiibns annis obnoxius erit magistro et pro eo, quod datur iUi ymom, atque tempusculi aliquid ad literas, aurei magistro numerandi erunt XYI. Tribui ejus artis persolvere oportebit aureos diios minus 6 crucigeris, praeterea aureus dimidius. Non potuimus minoris, quae volebamus obtinere. Habet autem commodom et artis suae doctum magistrum. Balthasarem quem commendasti, pro yirili curabo si modo ad me yeniat; superiori anno commen- dayeras quondam, qui yix post dimidium annum me appellaTit Bene yale. Timeo ne nuncius abeat. Argent 4. Martii resalutat te Capito et alli, inprimis yero Sturmhis.

T. Bucerus.

3.

lieber die deutsche Urschrift der Aug^ustana.

Von Prof. Th. Kolde in Marburg.

Die Frage nach der Geschichte der dem Kaiser übergebenen Originalexemplare der Augsburgischen Confession hat die Ge- lehrten vielfach beschäftigt und eine ganze Literatur heryorge- rufen, ohne dass wir doch etwas Sicheres über ihren endlichen Verbleib erfahren hätten. Wie bekannt, darf nur so viel als sicher gelten, dass beide dem Kaiser bezw. dem Kanzler des Reichs überlieferten Exemplare selir früh abhanden gekommen sind ^) und dass alle vermeintlichen Collationen mit dem Original des deutschen Textes auf Täuschung beruhen. Bei allen darauf be- züglichen Untersuchungen hat man, so weit ich sehe, niemals die Frage aufgeworfen, was di?nn aus dem Concept Melanchthons, das Luther in den Händen gehabt, geworden, wenn man nicht an eine Bemerkung bei Brück ^) anknüpfend annahm, dass das dem Kaiser übergebene Exemplar, weil keine Zeit zur Mundirung

1) Vgl. Waltz, Histor. Zeitschr. N. F. VI, 1879, 564 ff.

^) Forste mann, Archiv für Reforraationsgesch. I, S. 50. 53.

K01J>E, ÜBER DIE DEUTSCHK UHSCHEIFT DER AL'GUSTABA. 626

geblieben, eben die NieJerscIirift Melanchtbons war. Nach- forscbougeD nacb dieser Eicbtung bei Gelegenheit meiner LuttLer- Studien haben mich zwar nicht zum gen-ünschteo Ziele geführt, aber doch einige interessante Notizen finden lassen, die die Hoffiiung', doss die Urschrift noch irgendwo in Deutschland vor- handen sein könnte, wenigstens nicht ganz ungerechtfertigt er- ■cheiaen lassen. ^ Znuüchst fand sich im Krinigtichen Staats-Ärchiv zu Dresden ')

folgender Brief des Kurfllrst August an Doctor Georgium Celestinum.

„Werdiger vnnd hochgelerter lieber Andechtiger vnd be- sonder, wir haben euer schreihen beoebon dem Exemplar der durch euch collationirten und in Druck vorfertigten Äugs burgischen Confeseion entpfangen. Ob wir nun wol die Concepta ermelter Confessicn durch Doctor Martin Luther vnd Pbi- lippum Melauthon seligen gedechtnus mit eignen banden corrigirt vnd darei ngesobriben, Aus vnaer geliebten Vettern der mögen Hertzogen zu Saien zu Hand be- kommen, so ijaiien wir doch solchen Eueren vnderthenigisten Tleis zu genedigisten gefallen vormercket. Thun vns auch der- halben gnediget gegen euch bedanckeu. In gnaden domit wir euch geneigt hinwider zuerkennen. Dat. Annftb(erg) 2b. Mai 1 577," Es ist dies die Antwort des Kurfürsten auf die Uebersendung der von Coelestin im Jahre 1576 verunstalteten deutschen Edition der Augustana, deren Octavausgabe er dem Kurfürsten selbst zu- eignete '), und die mit dem Anspruch auftrat, nunmehr den echten Text des Mainzer Originals zu liefern. Der Kurfürst verhält sich dem gegenüber ziemlich kühl, indem er nur den Fleiss des Her- ausgebers anerkennt, im Übrigen über auf die ,. Concepta ormclter Confessiou durch Doctor Martin Luther vnd Philippum Melauthon Bsligen gedechtnus mit eignen banden corrigirt vnd dareinge- Bchrieben" rei-,urrirt.

Wsa ist darunter zu verstehen? Doch wob! nichts Anderes, als Melanchthons Concept der Augustaua mit seinen und Luthers Aenderungen, das durch die Sühne Johann Friedrichs diese werden unter den jungen Herzogen von Sachsen verstanden werden müssen iti den Besitz des Kurfürsten August gekuiiimen war. Ist da» riclitig, so wäre .dM die kostbare Urschrift des deutschen Textes, denn um diese allein kann es sich handeln, weil sie dem Cölestinschen Texte gegenüber gestellt nird, damals noch vorbanden gewesen. Aber ecbon drei Jahre später scheint sie verloren zu seiu. Am

626 AXAU

9. Januar 156Ü schreibt nämlich der Kurfüret tob Annaberg aas an seinen Kammersecretarius Hansen Jenitze in Dre&den.

Doctor Jacobns Androae hat itzo aJbir die ADgspurgiscbe ConfeBsion bo Anno dreisei^ Kaiser Carlo vbei^eben darcEU Doctor Lutter mit aigen banden geschrieben vnd in echwan teder gebunden, begeret Als wir aber dieselb aufsuchen lassen woldeo, Ist ein Zedel bei der Registratur befanden, das sie bemetten doctoi Jacobo zugestolt worden. Er berichtet vas aber, äas er dir dieselb neben andern bnchem hernach wiedemmb überantwortet, wie du ausz boiliegendem seinem Zeddel ferner czavomehnien, mit femer vormeldung, das die Censum vber die fonnula Concordiaa sonder zweiffei auch dabei liegen werden. Begem der haiben gnedigst, du wollest solche bacher vifsuchen lassen md tu forderlich vberschicken, oder ms berichten wie es darum be- schaffe n."

Dazu ein Zettel:

„Wan die Augsburgische Confession gefunden, so wollest die- selbe vnserm Cantzler zuätillen vnd dameben vermelden lasspn, dieselbe neben dem darumb ime doctor Jacobns geschriebeD Hansen von Bernstein »Iszbaldt gegen LeipzigV vberschickenn damit es den vicrzehenden disz gewisz Alda sey die Censnm aber Tnsem geheimen Hetlien vberantwortten" ').

Hiernach hat also Jacob Andreae die fi-agliche Urachrift in Häudun gehabt und bedurfte ihrer im Jahre 1560, ais er den Druct des Conoordienbuchs überwachte, von Neuem. Inzwischen wir sie über aller Wahrscheinlichkeit nach verloren gegangen, ob durch Fahrlässigkeit Andreae'e oder wodurch sonst, konnte ich niebt ermitteln, da die Antwort des Kammersekretärs Jenitze fehlt nnd sich sonst in den Correspnndenzen nirgends mehr eine Spur ron dieser Angelegenheit wie von dem Mannscript selbst findet *). Nnr des lateinischen Exemplai's wird noch mehrfach Erwähnung getan. Am 29. Sept. lbS& wendet Eich nämlicli Kurfürst Aogust an den Erzbiscbof Daniel von Mainz mit der Bitte, ihm das von den Ständen 1530 nnterachriebene lateinische Exemplar der

0 Dresdner Staatsarchiv Original mit Aognstiu Unterschrift Cop. 307f. 46 und Concept Cojüal 45tif. W-. Der Zettfl vun Jac, Andme liegt nicht dabei.

nicht daa getinFute Kcsultat nur die üozahl von Cenanren der Con- cordieDfontiel , Bei denen das BekcnntDis früher gelegen hat, war ToU- atändig vorbanden. Trotzdem halte ich es nicht für unmöglich, dan das fragliche Exemplar sich noch irgendwo findet, nud vielleicht veranluaCD diese Zeilen zn erneuten Nachfurschnngen nach dem Bache in „achwarc Lcder gebunden".

,achwarE \

WALTZ, ZUB SPANISCHEN REFORHATIONSOESCHICHTE. 627

^-^agnstana zur Gollation zu übersenden ^). Nachdem er den unsch am 14. October noch einmal wiederholt hatte ^)y erhielt Tom Erzbischof unter dem 19. October die Antwort, dass er im gern willfahren möchte: ,,esz ist aber damit also geschaffen 'ie £. L. Terhoffentlich zu ynser gluckseligen zusammenkimfft on YBBz Temehmen werden''^). Später ist davon nicht mehr le Rede.

Darf man eine Vermutung wagen, so möchte ich glauben, der Erzbischof, der mit Kurfürst August, den Briefen 'Siach zu schliessen, innig befreundet war, damit bekannt, dass ^as Mainzer Archiv nicht den Originaltext enthielte, diesen nicht täuschen, ihn aber nur mündlich darüber aufklären wollte. Eigentümlich bleibt es immer, dass man am kurfürstlich- säch- sischen Hofe abweichend von der sonstigen Tradition nicht das deutsche, sondern das lateinische Original in Mainz vermutete.

4.

Zur spanischen Reformations^eschichte.

Von Otto Waltz in Dorpat.

Als H. Baumgarten im Jahre 1878 in SybeTs Hist. Zeit- schrift eine vortreffliche Uebersicht über die neuere spanische Literatur zur Geschichte des 16. Jahrhunderts gab, besprach er auch das fleissige Buch des verstorbenen Form in Caballero, Alonso y Juan de Väldis, Er betonte mit Becht die Wichtig- keit der hier gebotenen Studien. An ein von Deutschen und Engländern, von Franzosen und Italienern sorgsam behandeltes Thema war auch ein kundiger Spanier herangetreten und hatte für die Geschichte des Brüderpaares aus Cuen9a in Castilien zahlreiche neue Quellen erschlossen. Nicht ohne das grösste Interesse wird z. B. der Historiker die beiden Briefe lesen, in denen der kaiser- liche Sekretär Alonso de Vald^, der Günstling des Grosskanzlers

1) Dresdner Staatsarchiv Cop. 463 Bl. 16^- s) Ebenda. Loc. 8506 Bl. 46. t) Ebenda BL 47.

628 ANALEKTEN.

(^attinara, über ein gegen ilm angestrengtes Ketzerrer&hren be- richtet (ap^ndice nr. 58 n. 85 ^); freilich auch bedanem, da^ hieffir der Codex G. 67 der Madrider Nationalbibliothek sucesos politicos, reinado de Carlos F. nicht gehörig ausgenutzt worden.

Wohl die schönste Ausbeute gewährte Caballero der Codex Est. 18 nr. 5 der Madrider academia de la histoHa mit der Aufechrift cartas de Erasmo y otros, aus welchem meines Wissens A. Helfferich im Jahre 1859 die ersten Mitteilungen gemacht So dankenswert dieselben waren und zum Teil noch heute sind, so entbehren sie doch leider der Tollen ZuTorlassigkeit. Man ?ergleiche nur das Schreiben des Erasmus an Gattinara vom 29. April 1526, wie es in der Zeitschr. für die histor. Theol. 29, 593, gegeben ist, mit demselben Schreiben, das Böcking in Hutten*s Schriften 5, 509 abermals ?eröffentlicht hat Auch der bedeutsame Brief Gattinara's an Erasmus vom 28. October 1525 bedarf gar sehr der Ergänzung und Berichtigung. . So fehlt bei Helfferich gleich der zweite Satz (29, 596): „Quae etsi serius, quam forte optasses, redditae sunt, nihü tarnen minus propterea gratae fuere '' und ist Satz 7 ganz willkürlich gestaltet. Er lautet in der Handschrift: f,8cio unum iüud maxime tibi solatio esse debere, ut speres, tibi vivo laudem, mortuo vero gloriam non defuturum, quibus certe** etc. etc.^ Die bei Caballero abge-

1) Der kaiserliche Botschafter Micer Mai in Rom verwendete sich wieder- holt für Alonso's Bruder, Don Juan. So schrieb er Romae, 20. Oct. 1532 an Covos, comendador inayor de Leon : „A v. s. scriri en comendacion del hermano de valdes, que aqui sta, porque se le procurasse alguna mer- ced que pudiesse seguir sus studios, que es hombre de baena speranza

y esto por lo que v. s. deve a la virtud a el , perdon le dios,

qne como era de la crianza del canciller nunca me tovo baen sangre." Ärchivo general de Simancas. Legajo 857. E. f. 82.

2) Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, die von Ennst in Pertz* Archiv, VIII, 812, gegebenen Notizen nach freundlicher Mitteilung des Herrn Felix Rozanski, Bibliothekar im Escorial, in etwas zu vervollständigen. Die einst Ambrosio (nicht Ant.) Morales gehörige Ab- schrift von 2 Bl. (d— 2— 5) lautet f. 128: „Jo. Richius e Ducatu Bruns- vicensi oriundus ab Episcopo Osenburgensi , cui aliquot annos servierat,

Romam, confirmationis expediendae causa , missus erat His ut

fit perscriptis in Germaniam prima suspicionum adversus eum jacta fun- damenta. Venit in Germaniam, ubi nihilo prudentius se gesait, et cum indies magis magisque suspectus fierct, multis latenter omnes eins non modo actiones, verum etiara progressus observantibus, tandem literis, quas Romam ad Card. Bellaium dabat, interceptis initio Octobris mandato Cacsaris Augustac captus et indc quaestionibus subjectus fuit, Augusta Oenipontem traductus, inde Ratisbonae comitiis, quae tum temporibus habebantur, exhibendus dicebatur ordinibus Imperii, quod ipse postnlare summis praecibus ferebatur. Id tamen factum non est, sed ut constana fama tenebat, clam capite punitus fuit. Sunt qui pntent, enm adhnc

f I WALTZ, ZUR SPÄNISCHES liEFOBMÄTIONSGESCHICIITE. G29

•M druckten Briefe leiden gleichfalls an Inconectheit , doch ist die-

Kffbe nicht, wie man wohl angenommen, durch die Nachlässigkeit

W ^dei Augenkrankheit des Heransgehers ?erschn!det, sondern der

■''flliler liegt fast ansnahmalos an den Vorlagen, sofern es sich

tiQ Abschriften und nicht um Originale bandelt; wie ich mich

®©lbst überzengte, sind die an einigen Stellen gradezu sinnlosen

^-^ipien mit erschreckender Treue wiedergegeben.

Baumgarten gab dem Bedauern Äuadrnck, dase trotz all' der

^Ochtigen Arbeiten über die Brüder Valdee doch bis jetzt kein

-^^rief Alonso's über seinen zweiten Aufenthalt in Deutschland

-A^abe anfgefunden werden können. Da ging ich vor ein paar

""X/Vochen den von Woj. Ketrzynski herausgegebenen Catahgus

^xdic. mscr. bUliothecae Ossolinianae Leopoliensis, Lwnw 1880,

' 4nrch nnd sah Heft I, S. 224, Dr. 9, verzeichnet literae Val-

desii ad Joannen Danliscum ep. Culmens. Batisbonae 8. Aur

ffuati 1537 (sie st. 1532). Auf meine Bitte besorgte mir Herr

Prof. X. Liske in Lemberg mit ausserordentlicher Zuvorkommen-

beit durch einen seiner Scfafller, Herrn Finkel, Verfasser der

Abhandlung Poseist wa Jana Dan tyska, die nachfolgende Abschrift').

Alonso de Valdäs an Johann Dantiscus.

Regensbnrg, 8. August [.1532]. Bmo Dno Jobanni Dantisco, Spiscopo Culmensi, Srmi Regia Foloniae consiliario. Beverendissime Dom ine observandissime. Ki quo a nobis discessisti *] , nihil litterarnm abs Te accepi. Iter Tuum Tibi

vivere. Ego eunmiB dih'gentia nihil ccrti pcrqoirere potui." Nach dieser Belation aines Anoojmns folgen AnazOge ans Briefen dea Joannes Richins ■n Cardinal Beltay, Caraffa etc.

1) üeber weitere Briefe van Alonso nnd Jnan de Vald^s an Joh. DantiKciiB , welche eich teils im bischöllicb ermlündiechen Archiv zu EYanenbnrR in Pr., teik in der Universitätsbibliothek zu Upsala befinden, Vgl. Zeitschr. f. d. Oesch. n. Altcrtnmsliundt.' Ermlandf, Hift 11, BraunsberK 1868, S, «8 n. Htft H, BranoBberg u. Leipzig [1871], S. 324, nr. 130; B. 480, nr. 30 (Alphonsus Valdesins an D. in Antwerpen. Gent. 30. März 1531), S. 431, or- G2 (Valdceins an D. Batisbonae, 3. 8ept. 1532) und nr. 63 (Voldesins an D. 11. Sept. 1532). Dos mir ans einem Citat bekannt« Bach Illustrium Kiromm ad DarUiscum epistolae eäitae ab Erieo Bemelio. Upsal. 1717. (Corp. Keform. II, 462) scheint gar nicht zn eiiatiren. Vgl. L. Prowe, Hitteilnngen ans schwed. Arch. u. BiUiotiiek (1863), S. 53. 58.

*) König Sigismand I. von Polen hatte iu einem Cracaviae die 12. Februarü 1&32 datirten Schreiben Job. Dantiscus vom kaiserlichen Hofe abbernfen. Catal. cod. mec. bibl. OsBolioianae Leopoliensis I, 223. Doch war er erat am 30. Juni von Karl V. entlassen worden.

ANALEKTEN.

feliciter saccesfisse vebemeoter cupio, sed ita, ut ists fetioitas Te in oblivionem nostri non inducat. Vix credas, qasnto Tai deeiderio omneg t^neamur, a quo si non etpedit, nt toa not praesentia hilares, praesta saltem, quod minimo incommodo pne- stare potea, at frequentei ad nos de rebus Tuiä scribas. Nnllu enim litterae eicipientur iiic alacrius, nallae le^ntnr avidios, quam Tuae. Caesar in sua in illa villa ') a molestissima aegii- todine omnino convalait, Toluitque ad nos venire, sed vixdum faanc ürbem ingressus, febriä enm inväsit, a qua in praesentia lib«i est, modo redire noiit. Ego Diis gratia, rectissime valeo, sed est, cur Tibi succenaeam. Betiqui^ti opud nos alterom ei nobiliboB, quos Snnus Bei ad nos cum Tu hie adesses miserat et nibil mihi dliisti, nee is ad me unquam venit, qiiousqae vidit, omnibus [opinor] tentatis rem a nostris absolri non posse. Dum meam ad id opem imploraret, postridie rem totam, ita nt vides, confod, quae, licet non sit ex sententia, tarnen meliorem allquam cod- ditionem affeire poterit. Quae bic againiis, paucis perscribom. Conventus hie Germaniae bis legibns dimissus est *). Quod ad Bomanum Imperium attinet, omnes ordines se Caesaris arbitrio sub- mittunt adversuE Turcas, omnes, nemine eicepto, imperatnm ini> litnm numerniD suppeditabnnt, quin quod Dux Saxoniae et snae factionis omnes longe magis quam caeteri praeetare vo- lunt, et Landgravius Hassiae obtulit, se ventunuu, modo rem Caeaari gratam se Tactumm sciat. Quod ad Keligionem antem spectat, Caesar pollicitus est se curatumm, nt iutra sex memes generalis Synodus indiceretur, et intra anuum deinde celebretor, qnod si forte a Pontiflce impetrare non possit, altnm Conventiuii Imperii se indicturum, nt quid in ea re faciendum sit communi consilio decernatur et statuatur et interea nihil hinc inde de facto innoTari debeat; bis itaque legibus Conventus dissolutus est, nunc autem Caesar se ad bella in Turcas parat. Bona Germanomm pars Viennam nsque processit, Civitates Hberae, a qnibus m decretum militum numerum sperabamos, aliquot miUia ultra im- peratum militom ad propugnandam Viennam contnlere, praeter macbinaa bellica^ aliaque ad bellum necessana. Uelretii aperte Oallis respondemnt , se eot-um atipendio niilitaie noile, nisi ad- versos Turcas; milites Hispani numero oct« miUia Germaniam intrarunt, quos sequuntur Italomm duae integrae legtonea, praeter eos, qui nullo stipendiu conducti concurrunt ad bellum taute animo, nt nullus sit, qui domi se continere velit Pontifei mistt ad Nos cardinaiem Medicem Legatum a latere cnm quadragintk

1) Im Bade Abach. Vgl Lanz, Correspcndeo i| Vgl. den Regens buti^er Keichstagaabschied ch'8i-he Sammiung T. 3ä3 ff.

WALTZ, ZUR SPANISCHEN REFORMATIONSGESCHICHTE. 631

^^uitibus, et stipendio pro decem millibus Hungaris, venit ei

-Biapania usque Dax Medinae Cell, Gomes Sancti Stephani, veniniit

^^mites Beneventi, Dux Bagiaris, Marchio Astericae, comes montis

^egalis, Nepos Ajchiepiscopi Toletani et alii quam plures [so!]

-^^oceres ac Nobiles totius Hipaniae ') et ei ipsa quoqne Gallia

^On dubitant hnias belli fama ad nos yenire. Praeterea classis

^c>stra snb duce Andrea Doria exivit, sunt triremes naves, naves

^^^erariae quas cattacas yocant äex, aliae minores XXX praeter

^^iratarom navigia, in quibus navibus praeter milites ad proelium

^^avale necessarios decem millia militum imponuntnr, ut in Epi-

^^nmi tr^jiciant, quo Turcamm vires divertant, Turcae autem, dum

^denty quae a nobis praesidia parantur, quae vires et arma dispo-

nuntur, omisso Danubio (yeluti bodie ad nos allatum est) Stiriam

et finitimas Provincias depopulari properarunt, ita et nobis con-

siliom mutandum erit. Quod si nunc caeteri Christiani Principes

Buas vires Caesariarüs adjungere vellent, facile Remp. ab hoc motu

liberare possemus, sed non propterea omittet Caesar, quin suum

officium faciat. Yidens quam maximam Tibi Historiam narravi

Hon dubitans haec tibi gratissima futura. Defuncto Carolo Co-

lonna Caesar instituit Vice Begem Neapolitanum , Marchionem

Villae Franchae, qui recta Neapolim profectus est. Chirothecas ^

ex bis, quas Imperatiix Nostra ferro solet, cum bis ad te mitto,

ut si forte in aula Puellam (ut soles) ambire coepisti Hispanico

munere eam allicias. Vale Batisbonae VIU Augusti 1537 (1532 ?).

Dominus Granvella voluit, ut ad Te scriberem, si equum gra- darium (ut vocant) ex vestris haberes, qui blande incedat ac firmiter, rogat, ut cum primum erit oportunum ad eum mittas, simulque moneas, quantam pecuniam dare debeat. Haec scripsi non ex animo, sed ut bomini amicissimo fidem servarem, beue

yale Tuus quantus est Valdesius.

[Cod. cbartac. bibliotbecae Ossolinianae Leopolicnsis Nr. 151 f. Tb 8b]

1) Sandoval, Historia de la vida y becbos del empurador Carlos V. 1681, U, 120.

*) i. e. sacculus, Täscbcben, Säckeben.

1^ >^ «^ w

Zeitachr. f. K.-O. lY, 4. 42

688 WXWSBf ZUR AMWMSOL

Tm Alwehr.

In meiner ersten „AugnsiinfMlisn Studie^, Bd. lY, Heft 1, 8. 16 16 habe ich ein Bzeearpl ras dem Buche Banr'a, Dm ehriaOiche Kiiche Tom AnfiEmg dea Tierton Jahrhnnderte n. a. w^ 8. 148. 144, mügeteflt^ wetchea nüt den Werten achlieaat: „Die Kinderteoft war ea ja anch triiUidi, mnnit der pelagianiache Streit arinen Anlhng nahm.** Daranf bemerke ich beiUUifig, daaa ,,dieee ganse Daxatelluig Ten Heltsmann genehndgt sei'', und fiilue dann weiter fort: «^Weher der genannte Anter erihhren habe, daei der pelagianiache Änii mit der Sntertenfe seinen Anfiuig ge- nommen, weiaa ich nichf

Ich Teratand unter dem genannten Autor den Terewigtai Baur, mit welchem allein mich anaeinander lu aetaen ich beabaidh tigto. Die meisten Leaer werden die SteUe wdil in dieaem ffimw verstanden haben, wiewohl ich im Satereaae der grOeaeren Deut- lichkeit hfttte schreiben sollen: „Woher der suerat genannte Auter erMren habe^ u. a. w.

Dr. Holtmann in SybeFa Hiator. Zritschr. N. F., Bd. VIII, 8. 427, Anm., hat die Worte gegen meine Intentimi anf aick bezogen* Indem ich mich des Mangels an stilistischer PrftdsioB anklage, entgrflude ich die Anklage des Dr. Holtzmann (der dam erinnert, dass er selbst in SybePs Zeitechr. N. F., Bd. Y, S. 132, behauptet habe, „dass der pelagiaiüsche Streit seine Anftnge unter anderem auch vom Tauf begriffe nahm")» dass meine Art in citiren eine „unerlaubte und tendenziöse" sei.

Göttingen, im Januar 1881.

Hermann Reuter.

REGISTER

Von G^Ottfr. Schlicht^ cand. theol. in Marburg.

L Verzeiclmls der abgedruckten Qoellenstflcke.

CS. Jahrb.] Fragmente von Homilien des Photius 132 135. do. Jabrb.] Sequenz auf Maria Magdalena (von Odo von Clany?)

612 f. Cl2. Jahrb.] Hymnen auf den heiligen Maurus 605 612. >.345: Urkunde über die Beginen in Hessen 334 f. 1529 October: Bericht Hedio^s über das Marburger Religions- gespräch 416—436.

1529 October 18: Bucer an Ambrosius Blaurer 615 617.

1530 Januar 26: Bucer an A. Blaurer 618—622.

1530 März 4: Bucer an A. Blaurer 622—624.

1531 September 22: Luther an Landgraf Philipp, o. 0. 136 f. (1532) August 8: Alonso Valdes an Job. Dantiscus 629 631. 1535 Februar 15: Landgraf Philipp an Luther, d. Kassel 139 f. 1535 Februar 15: Landgraf Philipp an Melanchthon, d. Kassel

140 f.

1535 September 18: Kurfürst Johann Friedrich an Job. Agricola, d. Trockenbom 306.

1536 April 13: Johann Agricola an Herzog Ulrich von Würtem- bergy d. Eisleben 142 f.

1536 Mai 6: Jjandgraf Phüipp an Melanchthon, d. Göppingen

141—143. 1536 Mai 29: Melanchthon an Landgraf Philipp, d. Wittenberg

143.

42*

634 REGISTER.

1536 November 13: Luther an Else Agricola, o. 0. 301 f.

1536 December 15: Luther an Johann Agricola, o. 0. 302.

1537 September 2: Joliann Agricola an Luther, o. 0. 303. 1537 September: Joh, Agricola s Verzeichnis, was er bisher ge- lehrt habe, o. 0. 304 f.

1537 October 27: JoJiann Agricola an Kurfürst Johann Friedrich,

0. 0. 305 ff. 1537 (vor 1. Dec): Johann Agricola an Luther, o. 0. 307 f.

1537 December 26: JoJtann Agricola an Luther, o. 0. 308.

1538 Januar 12: Luther an Agricola, o. 0. 309.

1538 (nach 12. Januar): Caspar Aquüa an Johann Agricola, 0. 0. 310 f.

(1538 August): Johann Agricola an Luther, o. 0. 311 £. (1538 August oder September): Johann Agricola an Jonas, Cruciger und Melanchthon, o. 0. 312.

1539 Februar 1 : Thesen JoJiann Agricolas, d. Wittenberg 313£ 1539 August 29: Caspar Böhme an Andreas Friedrich, d. Eis- leben 315 f.

1539 September 24: Johann Agricola an Caspar BOhme, d. Wittenberg 316 f.

1540 (nach 31. März): Agricola, Promemoria 317 f.

1540 Mai 13: Caspar Böhme an Joh. Agricola, d. Neustadt- Eisleben 318 f.

1540 Mai 22: Caspar Böhme an Joh. Agricola, d. Eisleben 320 f.

1540 Juli 8: Melanchthon an Paul Eber, d. Eisenach 288 f.

1540 August 11: Johann Agricola an Landvogt Bemh. v. Mila, d. Wittenberg 321—324 (Auszug).

(1540?) Aufzeichnuug Agricolas über seine üebersiedelung nach Berlin, o. 0. 324.

1540 August 27: Johann Agricola an Kurfürst Joachim 11., d. Berlin 437 f.

1540 September 7: Melanchthon an Kurfürst Joachim II., d. Wittenberg 439 f.

1540 September 17: Johann Agricola an Melanchthon, d. Grim- nitz 440 f.

1540 October 1: Melanchtlion an Joh. Agricola, o. 0. 442.

1540 October 4: Johann Agricola an die sächs. Commissarien, 0. 0. 442 ff.

1540 October 4: Johann Agricola an Melanchthon, d. Berlin 445 f.

1540 October 4: Joachim IL an Hieron. Schürf u. Bl. Sin- dringer, 0. 0. 444 f.

1540 October 4: Joachim IL an Melanchthon, o. 0. 446 ff.

1540 October 9: Joachim IL an Melanchthon, o. 0. 449.

REGISTER. 635

1540 October 9: MdancJUhon an Joachim IL, d. Wittenberg

448. 1540 November 6: Joachim IL an Job. Bugenhagen, d. Cöln

a. d. Spree 450 f. 1540 November 14: Melanchthon an Paui Eber, o. 0. 289 f. (1540) November 15: Melanchthon an Panl Eber, o. 0. 290 f. 1540 November 27: Joachim IL an Job. Bngenhagen, d. Göln

a. d. Spree 451 ff. 1540 December 2: Melanchthon an Justos Jonas, d. Worms

291 f. 1540 December 13: Andreas Friedrich an Job. Agricola, o. 0.

453 f. 1540 December 16: Joachim IL an Job. Bagenhagen, d. Grim-

nitz 455 f. 1540 December 19: Joh, Bugenhagen an Joh. Agricola, d.

Wittenberg 456 f. (1540 December 27): Melanchthon an Paul Eber, o. 0. 292 f.

1540 December 29: Melanchthon an Paul Eber, o. 0. 293.

(1540) December 29: Ein Ungenannter (Caspar Cruciger?) an Paul Eber, d. Worms 293 f.

1541 Februar 2: Barthol, Brachstedt an Joh. Agricola, d. Eis- leben 457 ff.

(1541) Erklärung Agricola* 8 auf den Brief des Barthol. Drach- stedt, 0. 0. 459 f.

1541 März 1: Joh, Bugenhagen an Joh. Agricola, d. Witten- berg 460.

1541 März 9: Joh, Agricola an Albrecht von Mansfeld, o. 0. 463.

1541 März 9: Andreas Friedrich an Joh. Agricola, d. Eisleben 461 f.

1541 September 8: Melanchthon an Joh. Agricola, o. 0. 464.

1542 April 9: Landgraf Fhüipp an Luther, d. Grimma 144 f. 1542 April 9: Xawc^^rra/'PÄiZipp an Melanchthon, o. 0. (Grimma?)

145 f.

1542 April 10: Luther an Landgraf Philipp, o. 0. 146 f.

1543 Januar 27: Landgraf Philipp an Luther, d. Kassel 147 f. 1543 Februar 13: Eine Yermabnung und Warnung Xtf^Aer 5 an

die Juristen auf dem Predigtstnbl zu Wittenberg (Bruchstück)

294 f. 1543 März 21: Landgraf Philipp an Melanchthon, d. Kassel

148 f. 1543 August 11: Landgraf Philipp an Luther, d. Kassel 149.

1543 September 21; Graf Hermann von Netienahr an Melan- chthon, d. Bedburg 295 ff.

1544 Juli 1: Anschlag Mdanchthon*8 297.

636 BEOISTER.

1544 December 13: Luther, BugenJiagen, Creutziger, Camera- rius und Mdanchthon an Landgraf Philipp, d. Wittenberg 150 f.

1545 Januar 8: Landgraf Phüipp an die Wittenberger Theo- logen, d. Kassel 151.

(1545) Landgraf PhiUpp an Luther und Melanchthon, o. 0. 152. 1545 März 6: Luther und Melanchthon an Landgraf Philipp, d. Wittenberg 152 f.

1545 Mai 2 : Luther an Joachim IL, o. 0. 464 f.

1546 April 10: Spanischer Bericht über Luther*s Tod 2971

1547 August 30: Landgraf Phüipp an Melanchthon, u. Uonaa- wörd 160.

1548 Juni 18: Mdanchtlion an Johann ?on Berg, o. O. 298^). (1555—56) Dicta Mdanchthons 326—333.

1559 Juli 17: Landgraf Philipp an Melanchthon, d. Kassel 160 f.

II.

Verzeichnis der besprochenen Schriften.

Abbty und Overton, The Eng- ' Barnes, Martin Luther, the pro-

lish Church in the 18th Century 1 P^et of Germany 283.

124. Bayne, The Chief Actors in the

Baillon, Henriette - Marie de I P^J*»" Revolution 106. 122.

France, Reine d'Angl. 118 f. ! Benrath, üel)er die Quellen der Barclay, The Inner Life of the i^al. Ref.-Gesch. 394. 397.

Religious Societies of the Com- , Bernardino Ochino of Siena

monwealth 106. 122 f. 394. 399.

1) Mein Freund Franz Rühl in Köni^^sberg macht mich darauf aufmerksam, dass die oben Seite 298 als Chiffem gedeuteten Zeichen nichts anderes als Planetenzeichen sind. Statt conjunctis lies con- junctio. Ein unbeachteter Brief des Tidemann Gyse an Phil. Me- lanchthon vom 28. März 1536 ist gedruckt bei L. Prowe, Mitteilungen aus schwedischen Archiven und Bibliotheken (Berlin 1853), S. 59 ff. üeber Tid. Giese, 1548—50 Bischof von Ermeland, s. Zeitschr. für die Gesch. Ermelands, 2. Heft, S. 344 ff. Das Schreiben Tid. Giese's an Melanchthon vom 6. Juni 1538 (VIII Id. Junii 1538), welches Bindseil nicht erreichen konnte, steht auch im Continuirten Gel. Preuss. I, 150.

Otto Wahl.

REGISTER.

637

Benrath, Ans den Akten der lom. Inquisition 395. 409.

, Akten ans röm. Archiven in Trinity College Library, Dublin 395. 411 f.

^erington, Memoirs of Panzani

^ 117 f.

«€rti, Di Giovanni Valdig 395.

-öcehmer 407. 411.

tonnet, Proces d' Antonio Bmc-

cioli (1548—59) 395. 410.

Une Mission d^Antoine de Pons

a la Cour de France (1539) 398.

Brief der Olimpia Morata 406.

'^''ady, Episcopal Succession in

tingl Scotl. and Ireland 1400—

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di Carlo III Duca di Savoya

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638

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639

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261. 264.

, Bise , Pr<i)fr«ss & Inäidions Worlring of JesnitJBm 264.

Cronmer

Willis, SenetuB and Calvin

III

Sacli- iiiul .\aineni-e^islt!i-.

Abendmahl, da» Recht la liau- flgem GenoflB dvBselben, 348. 3W. Verhandlongen aber die Lehre yoiii Alwndiiialil Kwischen Luther o, Bncer 139—143, auf dem Marburget Religion sgesprSch 410 ff. - S. a«.h Luther und Sacranieiit.

Agricola, Johann, Eriel'-; des- selben: 142. 31)3. auö. 3u7f. 311. 312. 31fi, 321 ff. 437r. 440 445. 4G3. Briefe an A. 302. 3«). 311.1. 318 ff. 442. 453. 45(iff, 4t)l. 464. Verzeichnis seiner Lehre 304 f. Darlegung derselben 311. 313 f. 323.— Zu A.-B erster AussÖlinung mit Luther 30!), Zu seinem Widerruf 437 i. 4431'. Uebersiedelung nach Berlin 324, TgL 44Üff.- Betr seiner Ritck- kehr nach Bttchsen im. Zu Kiinen Schrift.n; drey Sermon «.Predigen 303 f. Aiitinunii cnjn&düm propuaitioncn 307. Vier Schriflen an Kurf vun Sachsen, an d. Prediger der Hemchaft Mansfeld n Eialebcn, od omnes eruditus Euroiue, ad totam Ger- manianj 318 vgl. 437 f

. Rudolph 327.

Albert von Stade 360-367.

Albrecht von Jlanafel.l 463.

Almosen, mittelalterl. Benrteilnng derselben 60—70: ihre Verdienst-

lichkeit 57. 67 t. (

, Anschauung

Altieri. BiiJdaBsare, Vertreter des sehuialkuldiKhen Bundes beim venetian. Senat 402 t

-Ambrotius 546 f.

Amadurf, Nicolaus v., briefl. Er- wälmuii;; 'äi-2. 331.

AnaslasiuK, zur angebl. Blen- dung di^sw Patriarchen 465 1

An.ireae, Jacub 626

Anna Boleyn 107 f.

Anseliu 95 f.

Antinomistischer Streit, Briefe n. Urkunden zur Gesch. desselhtTi asfl— 324. 437—465.

Aphraates, Text desselben ver- wandt mit dem des Sjtus Cure- tunianos 48!) ; hat daeDiatesuron Tatians benutzt 488.

Apüstoliache Constitutionen 499.

Aq

la, Cnajuir 3H)f rmen pflege in it.vormittelalterl. Kirche in , Mangel einer geord- neten AtniLiipflege in der Befor- mationszeit 481'.; Reaction in den Studien gegen ungeordnete Aruieniiflege 49. 50 f. rmat, Untersuchung des Bucbes Von geistl. Armut 337-359; bisher als „Nachfolgung des annen Lebens Christi" bekannt 337; Denitie's Vermutung über den Verfasser des Buches nicht hinreichend von ihm begründet 337—339; das Buch ist eine Anleitung f Bettelmönche 338 f.; ein Conglonierat verschiedener Abhandlungen 340, 348, Tgl. 350 f.

640

REGISTER.

354; Inhaltsverzeichnis desselben 3401; GedankenkieiB desselben scotistdsch 347— aöO; verschied. Beschreibung der Einigung mit Gott in der Grandschrift n dem nachtragt Abschnitt im 1. Teil 350 f.; letzterer ebcnf. scotistisch 351 f.; unterschiede in den An- sichten der Verfasser beider Ab- schnitte 353 f. ; der Gebrauch der Formel von der Geburt des Soh- nes Gottes in der Sele 354 f., anders als bei den Thomisten 356 f.

Arnold, frater ordinis praedicato- rum, über den Zusammenh. seiner Epistola de correctiune ecclesiae u. der Schwäbisch-Haller Sekte 361 bis 367; Entstehung der Epist., Datum 364; Ort 366; Eschatol. Lehre desselben 367 376; vgl Schwäbisch-Haller Sekte.

Athanasius 96.

Augsburgische Confession, über die deutsche Urschrift der- selben 624—627.

August, Kurf. y. Sachsen 625 ff.

August in, Studien über ihn, 1 43 (Die Lehre von der Kirche u. die Motive des pelagian. Streites); 204-260 (Zur Frage nach dem Verhältnis der Lehre v. d. Kirche zu der Lehre von der prädesti- natian. Gnade); 506—548 (Die Kirche „das Reich Gottes*'); vgl. 632. üeber Material für ein Sj'stem der Guadenlehre A's 4 ffl ; Begrü&bestimmuDg der Kirche fehlt noch in einzelnen Schriften 10 14; Umwandlung seiner Lehrgedanken über die Gnade 6 ff. 14 ; s. Verhältnis zur Kirchenlehre über Sünde, Frei- heit u. Gnade 6; s. Gnadenlehre entsteht unabhängig vom pelag. Streit u. dem Dogma von der Kirche 10. 15 ff., vgl. 256 ff.; Selbständigkeit der Lebren von der Gnade u. von der Kirche in ihrer Fortentwicklung 24 f.; Zu- sammenhang derselben 25 ff. 42 f. 204—260 ; Conflict zwischen den- selben 213—241. 251 ff, vgl. 259; Analyse der betr. Quellen 18 24 ; Umgestaltung der Lehre A.'s von der Kirche 14 f.; beneficia gra-

tiae 214 f. ; zu seiner AuffiassQii; von d. communio sanctorum 221 £ ; Verhältnis derselben zum Staat! 543, zu den electis 223 ff, vgl 259 f.; A/s Lehre von der Wirk- samkeit des heil. Geistes 230 t; \'erhältnis des Liebesgeistes zur prädestinatian. Gnade 231 f. - Zur Verständigung über de ciiii Dei XX, 9: 506—548; Angastin gebraucht zuerst die Formel ecclesia est regnum Dei 510 i, vgl. 544. 547; unterscheidet gegenwärt u. zuknnft. Kirche (resp. Kelch Gottes) 522, TgL 547; Untersuchung des betreff. Quellenbestandes 511—520; A.'8 Exegese der eschatolog. Reden 511—515; civitas Dei u. civita» terrena 524 ff. 543. 548; Um- wandl. des Begr. beider 526—528; Entstehung dieses Ausdruckes 529 ff. ; ursprüngl. Bedeot des- selben 530; ob der weltl. Staat ein Organismus d. Sünde 533 bis 538, vgl. 548; Möglichkeit de« Christi. Staates 538 f. ; Verhältnis des Staats zur Kirche 541 ff; A.'s Lehre von der Abhängigkeit des Staates von der Kirche, wie zu e^ Uären 544 ff. Vgl. 78. 84. 419 f. 422. 424. 432 ff.

Baum's Thesaurus 615. Baumgartner, Hieronymus, zu

seiner Gefangenschaft bei Albr.

V. Rosenberg 150—159. Baur, seine Ansicht über dasVe^

hältnis von Dogma und Kirche

bei Augustin 15 f. Bedrotus, briefl. Erwähnungen

621 f. 623. Begineu, über die Verbreitong

derselben in Hessen 334 f. Bekehrung, Verhältnis derselben

zur Taufe bei Augustin 217 f. Billicanus 618. Blaurer, Ambros., drei Briefe

Bucer's an ihn 615—624. Boehme, Caspar, Briefe desselben

315 f. 318 ff. ; briefl. Erwähnungen

322 f. 454. Braunschweig, zur Reform, in,

147 f. Brenz, Joh. 141 f. 435.

REGISTER.

641

Bruccioli, Antonio, 4u7.

Bueer, zu Verhandlungen des- selben mit Luther über a. Abend- mahlBlebre 141 ff. ; Verhalten desselben zur Doppeieh«^ Philipp*8 Ton Hessen 147; Auftreten b/s im Marburger Beligionsgespräch 416. 418 f. 435 f.: drei Br. von ihm 614—624. Vgl. 296.

Buf^enhagen, Briefe desselben 456f. 460; Briefe an B. 450ff. 455 f.; briefl. Erwähnungen 318. 446: Beteiligung am antinomist. Streit 450-453. 455 f.— Ob Verf. deü Wittenberger Unterrichts vom Sacrament 580 582; seine Vor- rede zu diesem Unterricht 581.

Borckhardt, Jac., überConstan- tin 168 f.

Bufiamacchi, Francesco, 398.

^Usse , luther. Lehre im Gegensatz zu der Luther^s 91; kirchliche Praxis 93.

'^^Ivin, zu seiner Tätigkeit in Genf 262 f. ; zum Aufenthalt des- selbun in Ferrara399. Vgl. 331. ^ aiuerarius 150 ^ampeggio 107. Ulf ^apito, briefl. Erwähnung 615. Ciapnio 3'.^8f.

Ciaraffa, Giovanni Pietro, 468. CJarnesecchi, Pietro, 400 f. Celsus 493. Chiliasmus 513 f. Christentum, Alter desselben

nach Augustin 24G tf. Clemens Alexandrin. 508 f. 493. Clemens Rom. 529. Coelestinus, Geurg, 625 Coelestius 17. 22 i. 36 fl". Collinus 416. 422 ff. Communicatio idiomatum

bei Luther 97. Constantin «ler Grosse als Religionspolitiker 163—193. Unmöglichkeit u. Entbehrlichkeit einer Darstellung der religiösen Entwicklung C.'s 163 - 172; C.'s religionspolit. Massnalmien von 312 ab: 173—182: Deutung derselben 182—192.— Ueber die pietist. Würdigung C.'s 192 f. Lage der Christen im Jahre 312: 172 f.; allmählicher Uiii.M:h\vung des polit. Verhaltens der Ciiristen

186—188; über die numerische Stärke der Christen zur Zeit C.'s 188 f.— C. hat nicht das Christen- tum zur Staatsreligion erhoben, vielmehr das System der Parität geschaffen 178 ff. Ueber die constantin. Münzen 175. 179 f. ; über die heidn. Legenden auf ihnen wie auf denjenigen seiner Vor- gänger und seiner Söhne 176; wann die heidnischen Legenden auf seinen Münzen auf höreu 180; wann die ersten chri.stl. Zeichen auftauchen 180 f. (vgl. 1Ü7). Ueber die angebl. röiu, Bildsäule C.'s mit dem Kreuz 200—203. Vgl. 524. 532. 538 S. auch Monogramm.

Cranmer, Ei-zbischof, 268. 281.

Cruciger 312. 289 446.

Cultus, Widerspruch desselben mit der Anthropologie vor Au- gustin 31—35.

Cyprian 29. 214 226 231. 255. 507.

Dantiscus, Joh., Bischof v. Cuhu, ein Brief des Alouso Valdts an ihn 629—631.

Diocletian 172.

Diügnet, über eine Jen Briet an D. enthaltende Tübiniier Hand- schrift Püjuuo-Justiirs 284—287.

Donatismus, Eintius.s Jessolbon auf Augustin's Lehre v. d Kirche 14 f.; auf seine Lebro vom Stiiat 540

Drachsted t, Bartholoniau.s, 322. 457 f.

Dürer, Alorecht, 333.

Duns Scotus 340, lehrt die Sulig- keit sei nicht notwendig von Lust begleitet 347. 349; seine Tlieo- logie hat ki-inen Raum für die tliuiiiist. Lehre von d.r (i"I>urt des Sohnes Gottes in der ^ele 355.

Eber, Paul, Briefe Melanchthon's an ihn 288 ff.

Eck 292 f.

Eck hart 348, zu seiner Ansicht von der Geburt des Sohnes Gottes in der Sele 354, vgl. 35(). 358.

Ehebrecherin, Perikope v. der- selben, in Tatian's Harmonie, wie es scheint, nicht entbalt<Mi 486.

Ein i gang mit Gott durch den Willtii 34y. 358 f.; durch die Erkenntnia äfM). 3üä.

Ebenach, zur Versumulang da- aelbst (153G) 141.

ElUabeth von Englimd 112 C

England, die reformatioiiageBcL Arbeiten Engknda aus den Jah- ren 1Ö76 -1H78; 1U5— 124; 261 bis 283.

Ephraem 8yrn>, Verfasser der Eipoaitia evan^lii coticürdantis 472. Charaktcristilc der derselben za Grunde liegenden Hannonie nnd Vergleichnng mit den er- balteni;n Notizen über das Dia- tessaron 476— 4a0; Prube der Haruiunistik 477 !*. i Qberd. Citate E, 's 474 t. ErÜrternng der wich- tigsten eigentüml. Lesarten in der Ton E. benutzten Harmonie 482-487. Eiib. sttllt seiner Harnu eiuen anderen Text gegen- über 487. 4<I4: versteht nnter GraecUE " den vollständigen Teit der 4 Ew. 495; nimmt nor eine einjährige Wirksamkeit Jesu an 487 f.; Verhältnis seines Ev. Textes zuni Syrus Cnretonia- nns u. Peschit«) 488 f.; üb eine Beziehung desselben zum latein. TatiBn4!)0i Charakteristik seiner Erklörnng zur Harmunie 49i); zu seinen bist. Bemerknngen über die 4 Evangelisten 497; Über die Missionsgebiete der A)<UEtel 498 ; zn seinur üebersiiht Aber die jBd freuten 4!}8f.; Zuaanimen- Etellong der bei ihm sich finden- den marcionitischen Fragmente 500-504,

EiJiphaniQs474.4!W,4'J3f. 49!).

Erasmus 327. 333, 627; briefl. Erwähnungen 021. 622, Ü2J.

Brcole II. von Perrara 4I0f; vgl. 398.

Easebius v. Caesarea, ober seine Darstellung Cons^ntin's ie4r.(vgl, 174 IM/.); Dnglanb- wttrdigkeit seiner Erzählung von | der römischen Bildsäule Con- | stantin's mit d. Krenz 200 -203. (Parallel abschnitte der Hist, ec- eles, n, der Vita Const,, insbes, über das VetKältnia \oä \i, t.

Fastidiu^ 39.

Fonxiu, Bartolomeo, Verf. d. itaL Uebersetzong von Lntbcr's Schrift „An den christl. Adel denticfaa Nation" 4i;7 f.

Fox, Georg, 122 f.

Frank, »vbostjan, 327 f.

Fraiheit, rechte a. ungwffdntM 344.

Friedrich der Weise, EnrfDrst von Sachsen, 330.

Friedrich 11., Kaiser von Deutsch- land 302. 371. 377 £. 378-8M; vgl, deutsche Kaiwrsage.

■;h, Andreas. 3IS. 453.

4«! 1',

Färati 419- 43."'.

:rg, Graf Wilhelm v..

tiebet. das Verbütnis dtMclbn

zur Tanfe a. Kirche bei AngostiD

234 ff. Gentili, Alberigo, 404. Gerhel 418. 616 Geruchtigkeit Gottes, (.Lather. Gcs|>rächbUcblein von 1^

573 r. (575). 596-599. Gewissen, zur Gotteseivenntnis

aus demsdben 88 f. Gnade Gottes 94f. 1U4. Gotteserkenntnis s Luther, Gottest'runndschaft 352. Granvella 289 291f. 39311: Gretzinger. Benedict, 574.697.

603. Gropper 295. GDttel, Caspar, 312f. Gnatav Adolph, über seine

Stellung EU Karl I. v. EngUnd

nur

llalIerSecte,s.SchwäbiBch-aaU.

Hehräerevangelinm, Verhält- nis desselben zu Tal. Dintesi. 41«.

Redio, Caspar, da^ Itinerajinm llarpurgeiise desselbco 414 436. Briefl, Erwabnong 615.

H e 1 n r i e h . Herr.of von Braon- schweig 2H6f-

Heinrich VIII. von England, »nr Gesch. seiner Scheidang 107 ff. 11U-U2 ; zo seiner Charaktmstik ^I.-ITO. Brie«. Erwähnua« 197.

H e B a e n , äb«r die Verbreitung der Beginen in Hessen 334 T. - Uebcr aen bis 1529 allein mat. gebenden Einfluss Wittenbergs ant die Reforiiiation in Hessen ÖT8.

Hieronvinus vun Prag 336f.

Horailien des Pbotios. Frag- ment« ilereelben 130— 13G; vergl, 469.

Hnbert, Conrad, «tö.

Hymnen, lateinische des Hittcl- «IterB GtH— 13.

Innocenz IV, Sölf, 3liH. Inaclirift, über die angebliche Christen - Inschrift in Pompeji

Joachim li. KurfDrstv. Braoden- tni r g . Briefe desselben 444 f. 446f. 449. 450E ibb, Briefe an ihn 437 f. 43!lf 448; v. Luther 464 f. Briefl. Erwähnung 440f. 442f 463.

Joachim t. Floris, eschatolog.- apolcalyptische Lehre desselben 367 376 , vei^L Schwlbisch- HallerSecte. Zu seinen Schriften Eupoaitio in Ä)ii)0, , ConcordiaVet et Nov Test. 369. 373.

Johann Friedricli, Knrfiirst y. Sachsen, Brief desselb.'n SOG; Brief an ihn 305f. Briefl. Er- wähnung 321. 444. 419; streit mit tlüritz von Sachsen 14& f.

Jonas, Justus. Brief an ihn 312; bripfl. Erwähnungen 303. 331, 436. 446. 456.

Irenäns, zn scinein Kirchenbegr. 29. 34 f. 492 f 506, 512

Irland, zur Entwiclilung der iri- schen Kirche 273.

jGlich, Herzog von, Vertrag luit Kart V. 295 f.

Julianus von Eclanum 41 f.

Justin, der Märtyrer, 31; seine Ansicht vom Gesetz 34 f. VgL 251. 612.

Raisersage, der Ursprung der dentacli'^n Kaisrrsage u. die Sect« von Sclmäbiach-Hall 3Ö0— 393; zur Entstehung der deutschen K. 3i9ff.; oh Italien oder Deutsch- land ihre Heimat 3S1— 389, 392;

rsB. 643

über die verschiedenen Gi.>Btalten der Friedrichssage 382 389 If.

Karl l. vun England U4f.; zu seinen Verhandlungen mit fiustiv Adolph 116 f.

Katechismuitverhür (Katechls- mnsciaraen) 587.

Keim, sein phantastisches Bild der religiösen Entwicklung Condtan» tiuB 105-168.

Kindertanfe 16. 27. 30.

Kirche, über die Art der Ent- stehung derkath K.29f.; Lehre der Pelagianer von derselhen 38; des Jolianns von EclaDum 41 f.; die Lehre V. d. K hei Ang.,ihrVer- hältnis zu den Motiven des pelag. Streites 5—43, vgl, 256 ff,, zn der Lehre von der prädestinat Gnade 204—260; die Doppel- bedeut, de» Wortes K. als com- munio sanctdrurn a. externa com- munio 219 E; als Vermittlerin des zeitL Heils 238 f.; die Kirche „das B-;ich Gottes" 006—548; >; xaS'iiixi, /xxXijaia, wann zuerst gebraucht 508f.; Verhältnis der Kirclie zum Staat 541 S.; Phrase vom Bau derselben in Mtth. IG, 18 fehlt in Kphraem'sa'atian's) Har- monie 484 f.

Kirchenurdnung, welche K.- Ordnangen des 16. Jahrh. die Institution des Verhörs angenom- men haben 586f, s. aaeh Marburger K -0.

Krafft. Adam, angubl. Verfasser der Marbnrger K.-O., 565. 566f. 674 f. 57ä, 679,

Ereuzenzcichcn, sein Verhält- nis Kam constantin. Monogramm 194 f. ; das bildl. Kreuzeszeichen zur Zeit Constantin'« noch nicht in Christi. Gebrauch 203.

Labnram, wann von Constantin

zuerst gebraucht 173 f.; Form

des Monogramms auf demselben

197. 199, Lactantius, über den Grad der

Glaubwürdigkeit der Mortes per-

seeut. 172. Laien-Biblia, die vnn 1593,

561 662. 572. 673 576, 591. Land, zur Charakteristik desselben

115 f

Lencbter, Heinr-, 550f. Ljebest£tigkeit, Vontadien i. Gmeb. denelbeo im HitteUlta 44—76; Art und Bestand der mittetalterl. IJebeatiitigkeit46bii 62: pratt. Anafibong 70—76. Litargie, zur eogliscben, 279. Loerafelt. Job, der erste Har- barger Drucker. Mhn in Erfart, ist Dracker d. Mub. K.-O. 557 f. (560), wahracbeinl. »ocb ihr Ter- uistälter (Compilator) 575 (Tgl. 576). 577. LogoBbegriff, aia ScMBsmI m Oott^Berkeiuitnis tod Lntber Ter- »orfen, 79. 97. Lonicer, Job., 576. Lottber, Melchior, der Jfingere,

589. 590. 601. liorrt, Haiu, DrDcke von ihm 556.

57-3 1, vgl. 303, liDtber, seine Ansicht t. d, Me- thode D. den Grenzen d. dogaat. Ansaagen über Gott 75 104. Bedent. seiner Grundsätze f. die Erkenntnisarbeit der toq ibni SDSgehenden Kirche 78 ; seine MethiMie, wodurch bcatimmt 78 f. ; QQellen nnr die Aenasemngen seit l.'ilS: 97f. L.eieht in Mensch- heit u. Kreoz Christi den ein- zigen Weg zur Guttcaerkenntnis 80. 85. ii6— 102. 104; allgem. u. besond. Gotteaerkenntnis 80 f. ; inwiefurn d. philusophische falsch n, getahrlicli 81 ff„ ihr Wert für die Apologetik 65. 103. L. will seine Tnnitätalehre nicht uuC Vemunrt gründen 83 : ündet cbristl. Erkenntnis Gottes nur in der Erkenntnis seines Heilswillens 84 f. vgl 02; sein« Ansiebt v. d. Verschicdenlteit di'Sspeculatlv er- kannten u des in Christo g«olfen- barten Gottcswillena 85— f*8, v. der Erkenntnis Gutlcs aus dem Gewissen 88 f. Der Gedanke an Güttea Zornwille, inwiefern nach h. fahicb n. gi^fiilirlich 89 - 03, vgl. 10.^ L.'s Ablehnung des scholost. lIcgT. von Gottes <ie- r«clitigk.-it »3, des durch Ver- nunft gefundenen 94 ; seine Be- tonung ivi pnaaiven Gert-chf igtcit •H. zu -,im'r Lehn,' von niiri-ti Ver^iillinmitsBvrk 9.') f.. vun der

«eltl Beschiinktbeit i. Menieh- bdt Christi 98 : L. findet in ikm geistigen Inbalt der Henechhdl Cbriati die OfienbaruDg des gött- lichen Wea«na 99 f. Tgl. IM; n seiner Lehre Ton Chriiti Opfa

101 Latber'B erat«- kat»-

chetischer Unterricht TomAbend- mahl (die Auweianng inin Hit- tenberger Veitör) 582—596. - L. giebt den erat«n Anatose z. Eb- riehtung des Verhörs in Witl«n- berg 563 ff. ; Zeitpnok-t der Em- richtnng öfß. L.'s AnftietHi im MarbDTger Religionsgwptäck 416-436; sein Ditlog mit Oeko- lampad 420-423. 429-431. 434 f.; mit Zwingli 423—429. 431—433, L.'s Verhandl nut Bucer 1535—36: 139 ff. Lim antinoraistiachen Streit 302-323. 437—460. Znr italien. Cebtr- ■etznng der Schrift; An den Christi. Adel 467 ff In wel- ches Jahr die zweite Beaibeitong von L.'a Tanfbncblein fallt 559 E Ueber L 's „Vennahncng und kurze Deatnng des Vaterunsers" 561; aber L.'s BetbCchlein 56S; Bber ein biaher unbekanntes Ge- bet L.'s 573; L.'b Predigt „Oid- nang und Bericht" vom Grön- donnerstag 1523: 5B3 ff. 5e8f. 591. 593. 600 ff- Zu L.'s Predigten l»0— 60-,>. Mar- bnrger Nachdrucke (und Deter- setzuDgen) von L.'r. Katechismen

n. anderen Schriften 576 f.

Spanischer Bericht über L.'s Tod

297 f. Zum Briefwechsel

L.'s mit Philipp v. Hessen 136 bis 161. Briefe L s an Philipp V, H. 13<i f. 146 f. 152 f ; an El« Agricüla 301 ; an Juh. A^ric^l» 302. 309: an Joachim IL 464 f - Briefe an L. von Landgr. i'mi. 139 f. 144 f. 147 f. 149. 152: von Agricola 303. 307 f. 311 f. - Brieil. Erwähnungen 283. 312. 31Hf. 326. 330 f. 438. «15. 616. 617. 618. 619. (i21.

Mancini. Justizminister. Rund- schreiben desselben an die Direc- toren der itniien Staatsarchive ]87tj: 3!<Gf.

Ha

orger Drucke aiu deo Jüh- 1527 ff. 557. 560 f. 575—577. Macbarger KircheDordnoug V 1527, die angebl. 549— 596. 1) Ihre erste Ernähnung n. ihre Gesch. in der Literatar bia zn ihrer Wiederaafßndung 549 bis 555. 2) Beschreibnng des wiederanfgefnndeDeti Originals nach Gestalt ood Inhalt 555 bis 563. - 3) Sie ist weder eine KO. noch eine Gottesdienstordn., trotzdem auch noch nach ihrer Wiederanfflndang ihre hohe Be- deutnng gepriesen 563^568.

4) Sie ist eine blosse Com pilation aus Witten berget Schriftehen, wahrscheinl. nur ein bachhänd- leriflch. Unternehmen 568—579.—

5) Der in der Marb. KO. ent- htltene Unterricht vom Sacrament des Altars stammt von Lnther 579-5it6.

Mar bürg. Eeligionsgespräch, Beitrage zur Gesch desselben 414-436. «14-624. Ver- seicbnis der Teilnehmer an dem- selben 416. 418. Bucer ilber die AüfHetiung der Marb. Artikel 615 f.

llaroion 479. 491f„ sein Cora- mentar bei Ephraem S. in Frag- roeoteo vorhanden 50Ü, Zusam- menatellong derselben 500—504, zu seiner Lehre vom Leib Cbrieti 504.

Maria Magdalena. Sequenz anf rie 612 f

M&rtjrer, Verhältnis derselben za de» electi 226 ff.

Martyrologie. zur engl., 273.

Manrns 604 f., Hymnen zu Ehren desselben 605— 612.

Helanchthon, zum Brielwechsel M.*8 mit Phil. ». Hessen 136 bis 161. Briefe v. ihm 143 150f. 152f. 288—291. 292 f, 298 439, 442. 448. 464.— Briefe an M. 140 ff, 145f. 148 f. 151f. leiif. 295. 312. 440 f. 445 ff 449. Ueber fehlende Briefe desselben 299. Dicta desselben 325—333. - Be- merkung über seine loci common. ! 326; zn seinem Commentar in Danielem 14R. aelbstbiogr. Notiz 327. M.'s Tätigkeit zor Bei- |

TEK. 615

legung des Streites zwischen Lu- ther und AgricoU 439 f. 441 f. M6 f. 448 Auftreten im Mar- burger Religion sgespräch 418 ff 424 ff 431.436. 614. Briefl. Erwähnnngen 307. 615. 616. 617. 621. 622. 623.

Menius, Justus, sein Unterricht vom Abendmahl (1525) 593 f. - Ygl. 141. 418.

Hila. Landvogt Bt'mha.d von, 321 ff

Hittelalter, zur Geschichte der Liebeatätigkelt in demselben 44 bis 76.

Molinus34e.

Uonogramm, das constantinische, 173?,; kritische Erörterung des- selben 194—200 (das constant. Monogr. kein zweideutiges Sym- bol 195f.; äberd.unii<riingl, Form desselben 196 ff.; sein Vorkommen auf MQnzen 197 I. und in In- schriften 198; Verb iiltnia der [lei- den Formen des M 199; über den Drsprang des constant. H. 199 f.).

H ori t z. Herzog v. Sachsen, 144 ff -, Luther ilbur ihn 146. Vgl. 395.

Muzio von Capo d'Istria 409.

MjeoniuB 418. 421. 436.

U y s t i k der beiden Bettelorden versch. 340. 358; M, des Fran- ciscanerordena später Quietismus genannt 340. 348; dentaclieH,78.

IVeobnlns. Hulderich, 147, Neuenahr, Graf Hermann ron, Brief desselben xn Melanchthon 295—97, Noviomagns, Gerb, briefl. Er- wähnung 621,

Oberländer, Beitritt derselben

zur Wittenb. Concordie 141. 0 c h i n 0 , Beraardino , von Siena,

Schriften desselben 399 ff.; über

seine Herkunft 404. Odo von Cluny Gt2. Oekolampad, seine Beteiligon;

am Marb ßeligioDsgeapr. 416 ff.

420—423. 429-436. Briefl.

Erwähnung 615, 616. 618. Origenes 257. Osiander 291. 329 f. 433. 435f.

646

BEOI8TEB.

Parftldas 59. 68 t

Pftul lU., Papst, 330.

PelagianismuB, zur GeDesis desselben 16 f. 36 ff.

Pelagins 36 ff.; zu seiner Lehre ▼on der Kirche 38 ff.

Philipp Ton Hessen, znmBrief- wecoBel desselben mit Luther n. Melanchthon 136—161. Briefe desselben an Luther 1391 144 f. 147 f. 149. 152; an Melanchthon 140 1 145 f. 148 f. 152. 160f. ▼gL 151. Briefe an Ph. 136. 143. 1461: 150 1 152£; seine Tätigkeit zur Einigung zwisdien Luther u. Bucer 1^ ff. ; zu seiner Doppelehe 144 f. 1461; seine 6e- mfinungen um die Befrdnng Baumgartner's 151 159; Be- rufung des Mark CoUoquiums 416; briefl. Erwähnungen 615. 616. 617.

Ph ot ins, Fragmente Ton Homilien desselben 130-136.

Pole, Reginald, 109.

Politisches Verhalten der asten Christen, besondos im 3. Jahrfa. 186-188.

Pompeji, die angebt Christen- Inschrift zu P. 125—130.

Prädestination bei Augustin, ihr Verhiltnis zu seiner Lehre von der Kirche 204— 2G0; zu seiner ChristoKvgie 209 f., zum heil. G^ist (LieWs^ist) 231 f., zum Gt^bet 2;>4ff

Prayer-Book 277 ff.

Pseudo-Justin, iiber eine den Brief an Div^net enthaltende Tü- binger Händschnft desselben 284 bis 2S7.

Puritanisnias 11^. 122.

Ilapi^. ii'Axr^, über seine unhalt- bare An^^ht T\>Q dem «x^istant. MoiKx^ranitt U^f. 19i<

Reformativ>n.enffi EVuneüanji^n derwlben ÄÖ^i. 2^- 2i>7. 2i^; lur Ret*, in Ve»edi^ 4i>2f-. in csAWHv« und Pieinont 4U», in Xeajv 1 4 U » in Brasosch weii: 147 t

RetVrwAtionsireseKiehte. Ar^ beiten Eivjd<*ni$ zu ihr a^ den JAh^^n l$7i;— IS7S; li>c»— 124. 2t>l— 2^: Uurnititf i. K-0«vh. llaUet» att» den Jahrva l>7t>bts

1879: 394—418. Zv

BeC-Gesch. 627—681. Begius, Urban, 574. 597. Benata, Herzogin ron Fenna,

398. Rh au, Georg, 572. 580. 581. Bhode, Franciscus, der zweitiltate

Marburger Drucker, 558. 56L

576 f. Ricci mati 395. 407 ff. Bichius, Joh., 628 f. Bichter, Heinr., über seine Skine

Constantin^s 181. Bosenberg, JÜbrecht Ton, zam

Bechtsstreit desselben mit Hifr-

ronjmus Baimigartner 150—159.

Sacrament, die „f&nf Fragea Tom S. des Altan" in derMub. KO. 562f. 566. 567; abgedruckt 569f. : sie sind in dGm Ausgabei Ton Luther^s Schriften ni<£t zi finden 570 f. (Tgl. 590 f.); Witten- berger Drucke Ton 1525, in denen sie Torli^en 5731 (ygL 580 bis 582. 583. 589f. 602?) Sie sind kein hessisdies Lehrstfi^ oder Bekenntnis 579. Ueber ihren Verfasser 579—596: dieser bt nicht Bugenbagen 580 582, sondern Luther 583 596; sie sind die Wittenberger Anleitung zun» Verhör 588 : ihr Verhältnis zn Lntber's Abendmahlspredigt von I 1523: 583. 588. 592 f.; über die Zeit ihrer Abfassung 595

Schnepf, Erhard, 143 616.

Schwäbi.sch-Hall, die Sekte von Schw.-H. und der Ursprung der dentschon Kaisersage 34iO bis 393: über Quell»»n zu der Gesch. der Secte: Albert v. Stade u. die Epist fratris Amoldi 360—367; Grundlage u. Ziel der Bewegung 363 f. : über die Häupter derselben 365 f. ; refynnator Programm der Secte 367—377.

Seete. Uebersicht über die jüdi- schen Secton bei Ephraera Svms iiJti, _ s. auch Schw -Hall.*

Sommario della Sacra Scrit-

^ ttra 3i^. 4«4— 406.

Sozini. I^bo, über Einfluss des- selben auf Ochino 399 f.

Spal;^t;n. briefl. Erwähnung 302.

Spanien, & Ref. -Geschichte.

Stnrin, Jic, koI dem HarbnrEtr

Rdigionigespneh 41G. 436. Snmmk Angclie» 64r. 63. «7.

- AateiADft 67 f. «3. K7. i

»r.

Tkti&n, Kin Uiat«MvaD bei Epliraera Svins 471 4!i&, die ertiftltencn Notiien Dbct duKlbc 47:! f.; ««in PUtcM. int die der EipoMtio CT. K|ihraemB zq Qrand« licgimilc HarnioOK 473.475; Uc- wdse dftfflr 47l>- 91; dawclbc imOrifDt fcrfnnt i'.fi; twiscbn irk'i Q. 176: 4!i4; in gricchiBchcr Spraclic 494. T.'b Vcrfaliran mit dem des Marcion verglichen 4111 r. Scliwimt'keit Data fQr sein I^ben zn gevrinncn 4ij:i,

TRnfc, l^hrc von denclben bei AngUKtin 213 fr. Verhültni« zur lluliclirong '217 T.; chuoctcr iiiiloloLilix dcraclben 241. 243.

Tanler, ob Vcrfaner des Dacbcs cciHtl. Araint 337 3411. 346. 347 f.

Tlicodosias 624. bS2. 53H.

Tbniu&>*on Aqnino.flberacinen Kigcntun]sbcgTifr52. TiSr. 55,54:; QUt AlmoecD (!<>. iht. 66. 67. Ii9.— B. SoIi(cteit»bogriff »eredi. v. dem doB DunB Seotns 340—866; ni «einer I^hrc von der Scbö^tog dut Scie 345.

TrinitiitilcbTO, zuLatbcr'B83f.

Tüi.inceD. Qbct eine T. Hand- Bcbrirt rHcudo^aHtin's 2N4-287.

Tyndalc, zur IlibelQbcnetiung dcBielbon 275 f.

Obinoität 97.

Ulrich, Hüreog von WOrtcmberg,

ValdtB, AlonM de, 6S7E; ein

Brief denelben an Job. DuitiscOB

ß2It-631. , Jou de, 305. 411. 638. Venedig, znr leTormat llewegtuig

duelUt 4U2 f. Vergerio, ob VerftMer dei Dia-

]ogo di lUcömkU 4U9.— Vgl, 4(H. V t r b r>T (GUnbenBTcrhür, OUnben«-

eiamen), ente Einriebtong dca-

Klben inWittenb. 5H3— 5HH. Aüfi. VerBübnnDg, „Intberiselic" I,cbru

Tcnchieilen Ton der Lntber'n 96, Vittori« ColoDDB 4U3. 410.

Wentworth 114. 116.

Weilej 281 f.

WilhetmnB, Ep. LngdnnenaiB,

5!t. G7. Wille,Oottc«,B.Lather.— Einignng

mit Qott dmch denielbcn 34!l.

368 r. WiBhart, mr Biographie deiBclben

27Sf.i Bcinc UobcrBetzong der

Conf. HelveL 274. WoIboj, CirdiniJ, 107. 112. Wornii, aber «Im Bcligionagc-

sptftcb duelbit, 2HB— 293- Warzen, zur W. t^bde 144 ff.

T. Zezscbwitz, geecn "eine An(- rMBnng dpi OUnbennerhörB in Wittenberg 687 f.

Üorn, in Lntber'B Lehre rem Z. Gottes 88-93. 95.

Zwingli, Anftretendcu. ImlUrb. Reli^oDsgespiich 4 16— 430 ; Dia- log iwiMben Z. d. Lntber daa. 423-420. 431-433. Briefl. ErwihnDngun C16. Ü16. 618. 619.

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