“ Me: LICKLÄchERL: . + * re r KURZ ” BDO + ., . ur EEE % 3 aerr Pire) FRERITELLSEFTFTTENN Na ... ’ e . fr Ws ”. +. . PER RILEERU IRA Per HRLBBEGHSTDERGE RS TRRL ne ae: AroE rn er Rn P; r ” x 1er a = 1. 2 i m - » x B r BEE EN E nn man) By Aa Te m Eu FREE NE 1 an a ba a Sa an am m mr e _ Zeitschrift U WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE "5 herausgegeben von e:- Carl Theodor v. Siebold, Professor an der Universität zu München, Be; und ee Albert v. Kölliker, Professor an der Universität zu Würzburg, wer: { a unter der Redaction von u. Ernst Ehlers, aa Professor an der Universität zu Göttingen. . ug - ER r Bu Dr Dreiunddreissigster Band. B Mit 39 Tafeln und 1 Holzschnitt. | LEIPZIG,. Verlag von Wilhelm Engelmann. a, Eu % 1° %, Erstes und zweites Heft. _ Ausgegeben den 29. October 1879. orsuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Achte heilung. Die Gattung Hircinia Nardo und Oligoceras n. g. Von > „Schulze. BEIN N ae e ie r und a der Echiniden. Von E. Selenka. (Mit Taf. Be, VL.) . En De 7 zur che der Derknalden Abhandlung VI und VI, Von san. (Mit Tal, VEIXIH) 8.202000 ee ie Worntauns Madeiras. II. Von P. Langerhans. ‘Mit Taf. XIV bis © x Drittes Heft. Ausgegeben den 12. December 1879. n über-Organisation und Entwicklung der Chalineen. Von C. Keller. _ Bar RN xx und A Holzschn.) 2... 22.2... A zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. Von G. Haller. (Mit z EN a Be phologie des Becken- und er der Knorpeifsce ‚Von eu ıkoie Mir Tat KV 2 ER ea sorien. Von A. Gruber. (Mit Taf. XXV und —. BEER u Schwammknospen. Von E. Selena [Mit Taf. XXVII und 467 = Wiertes Heft. \ “ Ausgegeben den 23. Januar 1830. 1 DER ee nn. ee Er Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. Von K. R. Krieger. BETTER. er... se r die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. a Son I Keruee, (Mit Taf XXXIV-XXXVIL). . 000 a wann ee Ir fl a* en" Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Achte Mittheilung. BR LCE Die Gattung Hireinia Nardo und Oligoceras n. g. F Von 7 % Franz Eilhard Schulze in Graz. P —— aa Mit Tafel I—IV. “ = ”7 BR u; N Im Anschlusse an die in meiner letzten Mittheilung geschilderten Spongiden will ich jetzt noch zwei merkwürdige Hornschwammgattungen besprechen, von denen die eine, Hircinia Nardo, schon längst bekannt _ und mehrfach untersucht ist, während die andere, Oligoceras, hier zuerst als eine neue Gattung mit einer bisher noch nicht beschriebenen ‚Art vorgeführt werden soll. Hircinia Nardo. In der Spongiariorum classifieatio — Isis 1833 — führte Narpo "innerhalb seiner Ordnung der Hornschwämme neben Spongia und Aply- sia die Gattung Ircinia auf und charakterisirte dieselbe folgendermassen : er Wen 'nacia, minus bibula quam in genere praecedenti (Spongia). Fulcimenta ‚sceletum constituunt duplici fibrarum genere, e fibris nempe rigidulis, erassitiei variae tenacibus, subreticulatis aut varie anastomozantibus, inuis vel solitariis et sparsis, et e fibrillis subtilissimis innumeris, is majoribus intermixtis easque dense et arcte involventibus , saepe deciduis. — Substantia involvens peculiaris mucoidea, modica, ‚minoribus commixta, ita ut in statu viventi sarcoideam pulpam at«. Als Arten er genannt: Ircinia spongiastrum Nardo, vernosa? Linne, Irc. tenax N., hospitium N., rigida N. ‚Im nächsten Jahre änderte jedoch — Isis 1834 — Narvo den Namen f. wissensch. Zoologie. RAXIN. Bd... A In »Aggregata polymorpha, spissa , praedura et rigida in sicco subte- WEN nn a TEE 62 in Hireinia um, und spaltete die neue Gattung in zwei Unser : EA T N hf 2 u, sh FEN ER a SE vr ee ae En wer ae, 5 1475 er ER? Franz Eilhard Schulze, theilungen, deren eine er als »Hircinia fibris majoribus anastomozanti- bus«, deren andere als »Hircinia fibris majoribus solitariis per fibrillas secundarias sparsis« bezeichnete. Im Jahre 1847 fügte er (Nr. 4 des Literaturverzeichnisses am Ende dieses Aufsatzes) zu den oben genannten Arten noch die in den Lagunen Venedigs vorkommende Species Hircinia typica Nardo (Spongia subcar- nosa Bertolini) hinzu. Ohne Narvo’s Arbeiten zu kennen, hatte BowErBAnk im Jahre 1845 (Nr. 3, p. 406) eine Gattung Stematumenia geschaffen, welche ausser dem fremdkörperhaltigen Hornskelete noch zahlreiche Fäden mit knopf- oder- birnförmiger Endanschwellung besitzt, also im Wesentlichen mit Narno’s Hircinia übereinstimmt. Die einzige Böwersank bekannte Spe- cies, welche er Stematumenia scyphus nannte, war im ausgewachse- nen Zustande becherförmig und mit einer lederartigen dornigen Ober- flächenschicht versehen. Breite Ausströmungsöffnungen standen an der Innenseite des Bechers zerstreut. Die breiteren Fasern des Hornge- rüstes enthielten Spikula und Sand und erschienen seitlich zusammen- gedrückt compressed«), die schmaleren waren nahezu cylindrisch und gewöhnlich ohne Sandeinschlüsse. Im Jahre 1859 hat sodann Lieserkünn (Nr. 5, p. 369) auf Grund der Untersuchung zweier Hornschwämme des Berliner Museums, deren einer aus Westindien stammte, der andere unbekannter Herkunft war, die mit Hircinia Nardo und Stematumenia Bowerbank zweifellos iden- tische Gattung Filifera aufgestellt. Neben einem Skeletgerüste, welches aus unregelmässig netzartig verbundenen und an fremden Körpern reichen starken Hornfasern mit deutlich concentrischer Schichtung be- steht, und welches radiär gerichtete Endfasern in die Höcker der Ober- fläche sendet, fand Lıegerkünn in dem Körper dieser beiden Schwämme eine grosse Menge äusserst feiner Fäden von circa 1/,,9 mm Durchmesser, welche bündelweise gegen die Oberfläche laufen und sich hier mit andern Bündeln ziemlich regelmässig kreuzen. Dieselben sollen von den Horn- fasern ausgehen, und in einer knopf- oder kugelförmigen Anschwellung von dreifachem Faserdurchmesser enden. In der Abbildung, welche LiEBERKÜHN 1. c. Taf. X, Fig. 2 seinem Aufsatze beigab, findet sich ausser der terminalen knopfförmigen Verdickung auch eine solche im Verlaufe eines Fadens und an einer anderen Stelle sogar ein Knoten, von welchem vier Fäden ausgehen. Den aus Westindien stammenden Schwamm schilderte L. als eine kugelige Masse von etwa 2 Zoll Durchmesser, deren Oberfläche mit kleinen sich seitlich berührenden warzigen Er- habenheiten von nahezu / Linie Höhe und 2 Linien Basaldurchmesser besetzt ist, und nannte ihn Filifera verrucosa. Die andere, Filifera favosa Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Sponeien.. 3 genannte Art gleicht äusserlich dem gewöhnlichen Badeschwamme und bildet ebensolche unregelmässige Massen wie jener. An der Oberfläche ragen in Abständen von 1/,—2 Linien kleine, noch nicht 1/, Linie hohe Spitzen heraus, welche durch dünne Wälle verbunden sind. So ent- stehen wabenförmige Vertiefungen, in deren Grunde grössere und kleinere Löcher zu finden sind. Eine braunrothe Färbung einiger Stellen rührt von kleinen braunen Körnchen her, welche in den geknöpften Fäden abgelagert sind. Oscar ScHNIDT spaltete in seinen » Spongien des adriatischen Meeres « (Nr. 6) 1862 die bereits von Narvo (allerdings nach einem ganz andern . Principe) in zwei Gruppen zerlegte Gattung Hircinia Nardo oder Filifera Lieberkühn in die beiden Untergattungen Hircinia (Nardo ex parte) Schmidt und Sarcotragus Schmidt. Während Sarcotragus als » textura densissima tanquam carnosa vel scortea. Fibrilla tenuissimae substantiae "interfibrillaris ope arctissime connexa« bezeichnet wurde, erhielt Hir- cinia s. str. nur die kurze Diagnose » laxiori textura, cute minus densa«. In jeder dieser Untergattungen wurden je nach der Körperform, der Farbe, der Oberflächenbeschaffenheit, der Bildung der Oscula, der Breite der Fibrillen und deren Köpfchen mehrere Arten unterschieden; näm- lich bei Hircinia die Species: 1) dendroides, 2) typica (Nardo), 3) pani- cea, 4) flavescens, 5) hirsuta, 6) hebes, 7) variabilis und 8) fasciculata (letztere vielleicht identisch mit Spongia fasciculata Esper); bei Sarco- tragus: 1) spinosulus, 2) foetidus. Ein eingehendes Studium der merk- würdigen Fibrillen führte Scauipr zur Bestätigung der schon von LIEBER- KÜHN ausgesprochenen Ansicht, dass dieselben von den groben geschich- teten und theilweise mit Fremdkörpern erfüllten Hornfasern entspringen, und in kugeligen oder birnförmigen Endknöpfchen enden. Der Umstand, ‚dass sich bei der Behandlung mit kochender Kalilauge zuerst die feinen _Fibrillen, allmälig aber auch die groben Hornfasern lösen, konnte # ‚ebenfalls keinen Grund für die Annahme eines Suhstenaunterschel abgeben. Dagegen glaubte er in den Endknöpfchen der Fibrillen ge- , beobachtete Körnchen als Keimkörner u Sporen deuten zu iliferen als die Fructificationsorgane zu deuten. Be; 2 dem grossen zusammenfassenden Hauptschwammwerke BowEr- ‚ Monograph of the British Spongiadae (Nr. 7) 1864 wurden die ten (primitive fibres' von Stematumenia in der nämlichen Weise 4* 4 ! Franz Eilhard Schulze, wie früher (1845) beschrieben, jedoch fand Bowersank jetzt in den (übrigens nicht an allen Fibrillen wahrgenommenen) Endknöpfchen zu- weilen Spuren eines Kernes. Die kugeligen Körper, welche, von gleicher | Grösse und ähnlichem Baue wie die Fibrillenendknöpfchen, oft zahlreich frei neben den letzteren vorkommen, wurden auch von BowERBANK (wie von Schuipr) als Fibrillenkeime gedeutet, und es wurden sogar sprossende ‚Formen abgebildet. Den Charakter seiner Gattung Stematumenia fasste BOWERBANK |. c. p. 211 folgendermassen: »Primary fibres solid, more or less compressed,, containing a central axial line of spicula and grains of extraneous matter. Interstitial structures abundantly fibro-mem- branous.«. ; Wiederholte eingehende Untersuchungen über die Natur der Fili- ferenfibrillen bestimmten dann O. Scamipt, die in seinem ersten Werke ausgesprochenen Ansichten in dem 1864 erscheinenden Supplemente (Nr. 8) theils zu bekräftigen, theils wesentlich zu modifieiren. Die Structur der Fibrillen schien ihm auch jetzt noch mit derjenigen der groben Hornfasern übereinzustimmen. Er constatirte eine Differenz zwischen der feinfaserigen Achse und der geschichteten Aussenschicht und liess in der nämlichen Weise wie die gröberen Hornfasern so auch die Fibrillen aus der Schwammsarkode durch directe Umwandlung der- . selben — »Erhärtung« — entstehen. Die ehedem als Keimkörner ge- deuteten Körnchen dagegen, welche im Innern der Fibrillenendknöpf- chen, aber auch in den Fibrillen selbst, sowie an deren Oberfläche so zahlreich vorkommen, wurden jetzt von Schmipr als parasitische Algen aufgefasst. In den Endknöpfchen der Fibrillen sowie zuweilen auch in der Fibrillenmitte sollte dagegen eine freie Zellbildung vorkommen. Die hier entstehenden Zellen sollten sich auch isolirt in dem Schwamm- körper wiederfinden und »Keimkörner« darstellen. Ausserdem wurden noch zwei neue Filiferenarten beschrieben, nämlich Hireinia oros und Sarcotragus muscarum. Nach Untersuchungen, welche Körriker an LieBerkünn’s Filifera favosa angesiellt hatte, vermuthete dieser gewiegte Mikroskopiker (Nr. 9, p. 49) in den Fibrillen der Filiferen eine dem Schwammorganismus fremdartige Bildung und zwar Fadenpilze. Einen directen Zusam- menhang der Fibrillen mit den Hornfasern konnte Körzier nicht auf- finden, dagegen anerkannte er die Aehnlichkeit der Endknöpfchen mit Zellen, fand ebenfalls (wie Bowersank und Scauipr) den Endknöpfchen gleichende rundliche Körper neben den Fibrillen im Schwammparen- chyme zerstreut, und war geneigt, ein Hervorwachsen der Fibrillen aus denselben anzunehmen. | j In den zu gleicher Zeit erschienenen Spongiaires de la mer Caraibe ER . ern « et MicHELoOTTI wurden eine ganze Reihe hierhergehöri- ger Spongienformen unter dem Gattungsnamen Polytherses beschrie- rk und abgebildet. In den äusseren Maschen des Horngerüstes findet sich nach den Verfassern eine zunächst hornig erscheinende Substanz, 5 welche sich bei Anwendung des Mikroskopes aus sehr dünnen Fäden bestehend erweist. Diese Fäden sollen rosenkranzförmig und stark ver- - sein. Sowohl in den Hornfasern als zwischen denselben sollen zahl- reiche dem Schwamme selbst angehörende kleine Kieselnadeln vor- kommen. Obwohl nun diese letzteren Angaben eigentlich nicht auf die hier in Rede stehenden Spongien zu passen scheinen, so überzeugt man sich doch durch Vergleichung der sämmtlichen übrigen angegebenen Charaktere und der Abbildungen, dass wirklich Filiferen gemeint sind. In dieser Beziehung erscheint die Mittheilung besonders wichtig, dass man bei der Maceration dieser Schwämme die feinen Fäden wie eine _ spinnewebähnliche Masse hervorziehen könne. Dieses höchst charakte- - ristische Verhalten dürfte wohl kaum einer andern Spongie zukommen. - Sämmtliche beschriebene Arten stammen von der Insel St. Thomas und scheinen mit keiner der durch Scamivr bekannten adriatischen Formen _ vollständig übereinzustimmen. Im zweiten Supplemente der Spongien des adriatischen Meeres, 1866, wies Schuipt auf die Uebereinstimmung von Narpo’s Hircinia, LieperKünn s Filifera und seiner eigenen Hircinia nebst Sarcotragus mit _ BOwERBANK’ s Gattung Stematumenia hin. ; = Unter der Spongien der Küste von Algier (Nr. 42) traf Scumipr 1868 einige neue Arten der Gattung Hircinia an, welche er H. pipetta, mam- ‘ millaris und lingua nannte. Von den schon aus der Adria bekannten - Formen fanden sich Hireinia dendroides, hebes, flavescens und variabilis 7 * [ HERNE la z vr ae r2 Im Allgemeinen wurde Scamipr durch die Untersuchung dieser "Mittelmeerfiliferen in der Ueberzeugung von der Berechtigung seiner _ früher gemachten Arten bestätigt. In den Grundzügen einer Spongienfauna des atlantischen Gebietes 48 870 vereinigte Schaut dagegen wieder seine Untergattungen Hircinia und Sarcotragus zu der einen Gattung Filifera Lieberkühn, indem er die 1öglichkeit einer scharfen Abgrenzung beider von einander betonte. rhalb der von den Antillen und von Florida stammenden Filiferen : die Form von dünnwandigen fächer- und glockenförmigen Ge- zu kegelförmigen unregelmässig massigen und kugeligen wechseln. rend sich einige typische Formen, wie z. B. Filifera (Hircinia) cam- als Arten aufstellen und aescheidiein liessen, gelang dies bei der n Mehrzahl wegen der ausserordentlichen Variabilität und Flüs- 6 - Franz Eilhard Schulze, sigkeit der Form nicht. Sodann hatte sich Scamipr auch von der Selb- ständigkeit der feinen Fibrillen überzeugt. Zwar sah er die Hornfasern ' häufig von den Fibrillen durchsetzt, fand jedoch die beiden Bildungen niemals in directer organischer Verbindung. Mit grosser Entschiedenheit hat sich im Jahre 1871 Carter (Nr. 1%, p- 330) für die parasitische Natur der Fibrillen (filaments wie er sie nennt) der Bowersank’schen Gattung Stematumenia erklärt. Er hält sie für eine Alge (wahrscheinlich ein »Oscillatorium«) und nennt sieSpon- giophaga communis. Hyvarr (Nr. 15) hält zwar die Filamente auch mit Wahrschein- lichkeit für Parasiten, will aber die Frage, ob. Alge oder nicht, als zu schwierig, nicht entscheiden. Zur Bezeichnung der einheitlichen Gat- tung, welche allein diese Filamente zeigt, wählt er wieder den zuerst von Nırpo gegebenen Namen Hircinia, und beschreibt mehrere zum Theil schon von Ducuassaing et MicHeLoTTı berücksichtigte Arten aus dem Caraibischen Meere, darunter auch Hircinia campana, die alte Spongia campana Lamarcr’s. Das Hornskelet der Hircinien soll nach Hyarr ebenso wie das der übrigen Hornschwämme, besonders der Euspongia, aus Fibrillen bestehen, welche sich zu den concentrisch geschichteten Lamel- len vereinen, und soll in allen seinen Theilen, d. h. nicht nur in den ‚»primären« Hauptfasern, sondern auch in den »secundären« Ver- bindungsfasern Fremdkörper umschliessen. Auf diesen letzten Charakter gründet Hyırr gerade seine Familie der Hirciniadae, in welche er ausser Hircinia noch die Gattung Dysidea Johnston, mit der einzigen Species Dysidea fragilis Johnston stellt. Neuerdings hat Scnuipr in einer besonderen Mittheilung (Nr. 15) über die Filiferenfibrillen und die von denselben bewohnten Spongien seine früheren Ansichten theilweise modificirt. Veranlassung zu dieser seiner Mittheilung gab die schöne Entdeckung, dass die Fibrillen an beiden Enden knopfförmige Anschwellungen besitzen, also den be- kannten Springschnüren der Kinder gleichen. Es war nämlich Scauipr nach vielen vergeblichen Versuchen zuerst im März des Jahres 1876 ge- lungen, einzelne Fibrillen vollständig zu isoliren. Ihre Länge wurde zu 1,4 und 1,6 mm bestimmt. Ferner hatte sich herausgestellt, dass die verschiedene Dicke der Fibrillen, welche bei der Unterscheidung der früher von ihm selbst aufgestellten Hircinia-Arten noch als ein weseni- licher Factor Verwendung gefunden hatte, in Wirklichkeit als Artcha- rakter nicht zu verwerthen ist, »da die Maasse in den Individuen wechseln«. Ueber die eigentliche Natur der sonderbaren Gebilde aber vermochte Scauipr auch jetzt noch keine sichere Entscheidung zugeben. ELTERN > und Pan he ai A he 3 TEEN -- a a2 a .. SD» = ; Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 7 CARTER dagegen hält in einem ebenfalls im Jahre 1878 erschienenen Aufsatze (Nr. 17) seine im Jahre 1871 entwickelte Ansicht von der "Algennatur der Fibrillen mit gleicher Bestimmtheit wie früher aufrecht und sucht sie durch folgende Gründe zu stützen. Zunächst hebt er her- vor, dass die Spongiophaga communis zwar vorwiegend, aber nicht ausschliesslich, auf die Gattung Hircinia angewiesen oder be- schränkt sei, und dass andererseits auch Hircinien vorkommen, welche - der Filamente entbehren. Letzteres sei der Fall bei manchen von ihm untersuchten soliden (d. h. nicht becherförmigen, Exemplaren der Hir- einia campana; und es gäbe im British Museum sogar einige ausgeprägt: becherförmige Exemplare der Hircinia campana ohne die Filamente. Von Spongien anderer Gruppen, in welchen sich gelegentlich Fila- mente vorfanden, führt Carter ein grosses Exemplar von Axinella foveo- - laria ©. Schmidt, mehrere Stücke von Reniera fibulata ©. Schmidt und die Gattung Esperia an. Einmal entdeckte CARTER sie sogar in den Gängen einer Gliona zwischen den Nadeln jenes Bohrschwammes. Da- gegen wurden sie bisher von ihm noch nicht in der Gruppe der Rhaphi- ‚donemata und — was besonders merkwürdig erscheint — bei der doch sonst den Hircinien so nahe verwandten Gattung Euspongia aufgefunden. Selbst in solchen Fällen, in denen eine Euspongia mit einer Hireinia zu- sammengewachsen war, enthielt die erstere keine Filamente. Nach Carter’s Vorstellung absorbirt die Filamentmasse, welche im frischen Zustande weich, biegsam und gelatinös, getrocknet dagegen papierartig zäh und filzartig verworren erscheint, den Weichkörper »Sarkode«) des Schwammes nach und nach so vollständig, dass sie selbst an dessen Stelle tritt. Es würde sich demnach nicht um einen j unschuldigen Commensalen, sondern um einen wahren Parasiten han- 7 - deln, welcher schliesslich den Untergang des Wirthes herbeiführt. 7 Die einzelnen Filamente schildert Carter als drehrunde Fäden von _ etwa !/, engl. Zoll, also circa 8 mm Länge, welche in der Mitte am dicksten (4000 engl. Zoll) sind, gegen beide Enden zu um die Hälfte an - Durchmesser abnehmen, um schliesslich jederseits mit einer ovoiden oder zwiebelförmigen Anschwellung von mindestens doppeltem Faden- - durchmesser zu enden. An dem Fadentheile unterscheidet Carter eine f äussere festere transparente Scheide und einen deren Höhlung vollstän- dig ausfüllenden structurlosen gallertigen Inhalt. Bei Einwirkung von Jodtinctur sah Carter die Fäden sich um sich selbst spiralig aufwickeln. . E Dabei wurde zwar der gallertige Inhalt, nicht aber die hyaline Scheide _ _ bräunlich gefärbt, wie sich an Rissstellen , wo der erstere hervorquoll, während sieh die Scheide unter Bildung ceirculärer Runzeln etwas zu- rückzog, deutlich erkennen liess. Septa konnten im Innern der Filamente Be" ei ee m + + e 8 Franz Eilhard Schulze, | nirgends wahrgenommen werden. . Die kolbigen Endanschwellungen schienen sich zwar im Allgemeinen hinsichtlich ihres Baues nicht wesent- lich von dem Fadentheile zu unterscheiden jedoch einen undeutlichen, von wenig körnigem Protoplasma umgebenen Kern mit einer Vacuole im Centrum zu enthalten. Ein solcher kernartiger Körper fand sich auch zuweilen in einer localen Verbreiterung des fadenförmigen Mitteltheiles eines Filamentes. Zwischen den Filamenten verschiedener Schwamm- formen konnte kein anderer Unterschied wahrgenommen werden als der verschiedene Dickendurchmesser, wie er aber auch an den Filamenten _ ein und desselben Schwammes vorkommen kann. So liess sich z. B. die schon von O. Schmipr hervorgehobene Thatsache leicht bestätigen, ‚dass zwar bei den von Scumipr als Sarcotragus bezeichneten Hircinien die Filamente sämmtlich weit dünner sind, als bei Hircinia ©. Schmidt, etwa Hireinia variabilis, jedoch bei dieser letzteren Spongie auch wie- der einzelne Filamente bedeutend dünner sind als die grosse Mehrzahl. - In der Form der Endanschwellungen fand Carter leichte Modificationen. Gelegentlich kamen Filamente mit Theilungen oder einem Seitenaste zur Beobachtung, doch konnte die Art und Weise der letzten Endigung sol- cher Seitenausläufer nicht festgestellt werden. Die kleinen, ockergel- ben, starkglänzenden Körnchen, welche bei den Filamenten ebenso wie an den Hornfasern vorkommen, hält Carter für Oeltröpfchen, welche bei einer Zersetzung des Fadeninhaltes entstehen. Thatsachen, welche die Entstehung und Vermehrung der Filamente aufzuklären geeignet wären, konnte CARTER nicht auffinden. Wenn er auch die Algennatur der Filamente für zweifellos hält, so giebt er doch zu, dass es einstweilen unmöglich ist, sie in irgend eine der bekannten Abtheilungen dieser Pflanzengruppe einzuordnen. Da die ausführliche Diagnose, welche Nırno für seine Gattung Hircinia schon im Jahre 1833 mitgetheilt hat, keinen Zweifel an deren Uebereinstimmung mit den später (1845) von BowErsank als Stema- tumenia, von LiEBErkünn (1859) als Filifera, von O. Scamipr (1862) als Hircinia und Sarcotragus, von Ducuassaıng et MICHELOTTI end- lich (1864) als Polytherses bezeichneten Schwammformen zulassen, so glaube ich den ältesten Gattungsnamen Hircinia beibehalten zu sollen, wenngleich Nırno keine der von ihm namentlich aufgeführten Arten dieser Gattung speciell charakterisirt, und somit eigentlich nur einen Gattungsbegriff ohne specielle unterscheidbare Artbegriffe ge- schaffen hat. Die Trennung der alten Gattung Hireinia in die beiden Subgenera Hireinia s. str. und Sarcotragus OÖ. Schmidt, welche Scuumipt im Jahre 1862 hauptsächlich nach der geringeren oder grösseren Dich- 9 Ne E und "Festigkeit des Gewebes, daneben aber auch nach der Be- schaffenheit der bald ziemlich tockunani bald mehr lederartigen Haut, E- "sowie nach der Breite der Fibrillen und deren Endknöpfchen ausgeführt hat, wurde später, 1870 und 1879, von ibm selbst wieder verworfen, und die Einheit der Gattung — allerdings mit Lreserkünn’s Bezeichnung Filifera — wieder angenommen. Auch mir scheint die Differenz, - welche zwischen jenen beiden Untergattungen Hircinia und Sarcotragus besteht und wesentlieh in der verschiedenen Dicke der Filamente ge- funden werden kann, selbst dann keine tiefgreifende zu sein, wenn man die Filamente als etwas wirklich zum Schwamme selbst wesentlich Ge- höriges und von ihm Producirtes ansehen müsste. Eine Zusammenstellung aller bisher mit besonderen Namen aufge- führten und einigermassen deutlich charakterisirten Arten der Gattung Hireinia Nardo giebt in chronologischer Ordnung folgende Reihe, in welcher die von Narno selbst zwar mit Speciesnamen aber nicht mit einer Diagnose oder Beschreibung versehenen Arten Narpo’s natürlich keinen Platz finden können. 10, » variabilis Schmidt. 1862. Istrien, Dalmatien. 1A. » fasciculata Schmidt. 1862. Lesina. 12. Sarcotragus spinosulus Schmidt. 1862. Quarnero, Dalmatien. 13. » foetidus Schmidt. 1862. Zara, Zlarin. 1%. Hircinia oros Schmidt. 1864. Lissa. 15. Sarcotragus muscarum Schmidt 1864. Lissa. 16—28. Polytherses campana, tintinnabulum, linguiformis, tristis, armata, marginalis, ignobilis, longispina, acuta, felix, capitata, columnaris, ceylindrica Duchas- 2 saing et Michelotti. 1864. Garaiben. gi 29. Hircinia pipetta Schmidt. 1868. Algier. <= » mammillaris Schmidt. 1868. Algier. » lingua Schmidt. 1868. Algier. 1. Stematumenia sceyphus Bowerbank. 1845. 2. Filifera verrucosa Lieberkühn. 1859. Westindien. 3. Filifera favosa Lieberkühn. 1859. 4. Hireinia dendroides Schmidt. 1862. Quarnero, Dalmatien. 5. » typica (Nardo) Schmidt. 1862. Adria. 2 6. » panicea Schmidt. 4862. Gephalonia. E? 7: » flavescens Schmidt. 1862. Quarnero. = 8. » hirsuta Schmidt. 1862. Zara. B- 9 » hebes Schmidt. 1862. Zara. N 10 Franz Eilhard Schulze, Exemplaren kennen gelernt habe, so wird sich meine Darstellung auch nur auf diese beziehen. Von den zu Schuipr’s ehemaliger Untergattung Hireinia s. str. gehörigen Formen habe ich zwar sämmtliche von ScHmIDT _ aufgeführten adriatischen Arten — mit Ausnahme der mir unklaren H. fasciculata und der H. oros — wieder aufgefunden, muss aber ge- stehen, dass es mir trotz lange Zeit fortgesetzter eifriger Bemühungen nicht gelungen ist, in denselben typische und scharf zu charakterisirende Species zu erkennen. Ich hoffe, dass gerade O. Scamipr selbst mir dies _ am Wenigsten übel nehmen wird. Die von Schmivr zur Charakteristik seiner adriatischen Hircinia- arten benutzten Merkmale beziehen sich hauptsächlich auf die Körper- form, die Farbe, das Oberflächenrelief, auf die Gestalt und Grösse der Conuli, die Gestalt und Vertheilung der Oscula, auf die Dicke der Filamente und den Durchmesserihrer End- knöpfchen. ; Die äussere Körperform erscheint zwar in einzelnen Fällen ziemlich charakteristisch , so z. B. bei Hircinia dendroides Schmidt, welche aus _ rundlichen, hier und da verschmelzenden Aesten von Fingerdicke be- steht; in den meisten Fällen aber ist sie sehr wenig prägnant, und wechselt von Krusten- bis Kugelform. Für H. hirsuta wird von Scumipr eine dünnere oder dickere Krustenform angegeben; flavescens, hebes und typica werden als kugelig oder doch massig, variabilis als unregel- mässig massig oder lappig ästig geschildert. Wenn nun auch einzelne dieser äusseren Formeigenthümlichkeiten in fast regelmässiger Verbindung mit gewissen anderen Charakteren zu finden sind, so spricht doch im Allgemeinen gerade hier bei Hireinia s. str. die bekannte Vielgestaltigkeit und Charakterlosigkeit der Spongienform so ‚sehr jeder Rubrieirung und scharfen Abgrenzung Hohn, dass wenigstens dieäussereFormallein schwerlich zum sicheren Bestimmen einiger Dutzend Exemplare verschiedener Fundorte ausreichen würde. Ganz abgesehen davon, dass sämmtliche von O. Scanipr früher als besondere Species aufgeführte Formen in der Jugend (und unter gewissen äusseren Verhältnissen auch wohl zeitlebens) einfache flache Krusten darstellen, und dass ja von den sechs hier in Betracht kommenden Arten die Hälfte als massig bezeichnet wird, so kommt es oft genug vor, dass ein Theil eines grösseren Exemplares wirklich massig, der andere aber lap- pig-ästig und ein dritter wohl gar noch krustenförmig ist. Nicht anders steht es mit der Farbe. Freilich tritt bei H. dendroides Schmidt in der Regel ein livides Gelb- roth, bei der massigen flavescens und hirsuta ein deutliches Graugelb, bei typica und hebes ein mattes,, fast farbloses Grau, bei variabilis ein Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 11 _ Rostroth oder schmutziges Violett auf, indessen sind alle diese Farben keineswegs so bestimmt und constant, dass man nicht zahllose Ab- weichungen und Ausnahmen fände. Es kann dies um so weniger auf-. fällig erscheinen, als meine Untersuchungen ergeben haben, dass die Farbe in sehr vielen Fällen gar nicht oder doch nur zum geringsten Theile dem Schwammkörper selbst, sondern vielmehr kleinen, kugeligen Algen zukommt, welche sich besonders in der Rinde vieler dieser Hir- einien oft in grosser Menge finden. Die Gestalt und Grösse der über die Oberfläche vorragenden Conuli zeigt zwar nicht unerhebliche Differen- zen, kann aber um so weniger Anhalt für eine Trennung der Arten ge- währen, als sie oft an verschiedenen Theilen ein und desselben Schwam- mes verschieden ist. Das bei einzelnen Exemplaren auffällige Vorstehen freier Hornfaserenden aus den Conulis halte ich für eine rein zufällige, abnorme, wahrscheinlich pathologische Erscheinung, welche gelegent- lich bei allen Hornschwämmen und zwar vorwiegend bei solchen Stücken vorkommt, die unter ungünstigen Bedingungen lebten. Die Oscula sind zwar bei den kugeligen oder klumpigen Exempla- ren im Allgemeinen mehr kraterförmig gestaltet als bei den verästigten, ändern jedoch auch in der Form häufig an den verschiedenen Theilen desselben Schwammes. Es bleibt schliesslich noch die Dicke der Fibrillen und ihrer Endknöpfchen. Nach Scumipr’s früheren Angaben sollte dieselbe ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal seiner Hircinia-Arten abgeben. Bei H. typica z. B. wurde der Durchmesser des Fadentheiles auf 0,00435 mm und derjenige des zugehörigen Endknöpfchens auf 0,0046 mm, bei H. hebes dagegen der Dickendurchmesser des Fadentheiles auf 0,0049 bis 0,0068, der des Köpfchens auf 0,0092—0,0108 mm bestimmt. In seiner neusten Mittheilung über die Hirciniafilamente (Nr. 46) ändert jedoch Senmipr selbst seine ehemalige Ansicht dahin ab, dass die Stärke der _ Filamente und ihrer Endknöpfe sowohl nach den Schwammindividuen als auch innerhalb ein und desselben Individuums wechseln. Dieser letzteren Angabe muss ich nach meinen eigenen Wahrnehmungen bei- pflichten. Zwar habe auch ich bei einzelnen Hireiniaformen vorwiegend dünne, bei anderen meistens erheblich dickere Filamente gefunden, aber _ ohne eine sichere Norm. Gewöhnlich kommen Filamente verschiedener Dicke, etwa von 0,002—0,006 mm, nebeneinander vor. Das Gleiche _ gilt von den Dimensionen der Filamentendknöpfehen, welche von 0, 005 bis zu 0,040 mm und darüber variiren. Unter diesen Umständen sehe ich mich genöthigt die sechs Arten der ” Untergattung Hireinia Schmidt, nämlich H. dendroides, typica, flavescens, _ hirsuta, hebes und variabilisSchmidt in eine Species zusammenzuziehen, x 12 Franz Eilhard Schulze, für welche ich den von ©. Scamipr für eine der verbreitetsten Formen sehr passend gewählten Namen Hircinia variabilis (natürlich im erwei- terten Sinne) beibehalte. Zur Bezeichnung einiger auffälliger und an ge- _ wissen Orten häufig wiederkehrender, aber auch keineswegs constanter CGombinationen von Eigenschaften können dann die älteren Schmipr’schen Artbezeichnungen wie dendroides, flavescens etc. als Varietätsnamen ver- wandt werden, so dass man z. B. von einer Hircinia variabilis dendroides, einer Hircinia variabilis flavescens u. s. w. wird reden können. Zeigt ein Exemplar aber keine Uebereinstimmung mit einer jener Typen, so wird man eben einfach die Bezeichnung Hircinia variabilis ohne weiteren Zusatz anzuwenden haben. ' Hircinia variabilis. Um eine möglichst deutliche Vorstellung von dieser unserer Hircinia _ variabilis und ihren häufiger vorkommenden Varietäten zu geben, wird es sich empfehlen, zuerst die für das unbewaffnete Auge ohne Weiteres ' wahrnehmbaren Charaktere, wie allgemeine Körperform, Oberflächen- . relief, Consistenz, Farbe und dergl. zu besprechen, und dann erst auf die inneren Organisationsverhältnisse näher einzugehen. ; Was zunächst die äussere Körperform betrifft, so lassen sich die so mannigfach wechselnden Gestalten in Reihen bringen, als deren Aus- - gangspunkt hier wie bei so vielen Hornspongien die einfache flache Kruste zu betrachten ist. Wenn die Krustenform einerseits ausnahms- los allen ganz jungen Exemplaren zukommt, so erhält sie sich andrer- seits gelegentlich auch dauernd oder erfährt durch geringe polsterförmige Verdiekung eine nur unbedeutende Aenderung. | Als charakteristisch hatte O. Scumipr früher die Krustenform für seine Hircinia hirsuta angegeben, welche sich ausserdem durch gelbliche Färbung durch zusammengedrückt-dornförmige Conuli und zahlreiche frei hervorstehende Hornfaserenden, sowie durch die Lage der einfachen. Oscula auf dem Gipfel kegelförmiger Erhebungen von den übrigen Arten unterscheiden sollte. Nun habe ich aber Hirciniakrusten von sehr ver- schiedener Färbung, graue, gelbe, röthliche, braune, ganz dunkle und auch fast ganz farblose gesehen, hei welchen wiederum die Gestalt der Conuli ebensowohl wie die Form und Lage der Oscula auf das Mannig- fachste wechselte. Während nun aus solchen flachen Krusten in manchen Fällen durch gleichmässiges Emporwachsen an der ganzen Oberfläche massige, klumpige, oft sogar annähernd kugelige Formen hervorgehen, tre- _ ten in andern Fällen eircumskripte Erhebungen in Gestalt von Höckern, Knollen, Wällen, Papillen, Aesten u. s. w. von verschiedenster Form Untersuchungen über den Bau und die Entwieklung der Spongien. 13 _ und Höhe auf, welche theils isolirt bleiben, theils unter einander mehr oder minder SER ET zuweilen der Fe nach, zuweilen mehr netz- förmig verschmelzen und sich auch häufig verästeln. Annähernd kugelig ist nach O. Scanipr seine Hireinia flavescens, welche ausserdem durch die in Vertiefungen gelegenen und mit einem Höckerring umgebenen Oscula, durch gelbliche Farbe und weiche CGon- sistenz ausgezeichnet ist, sowie seine Hircinia hebes, welche mit innen getheilten Oscularöffnungen,, mit niedrigen rundlichen Conulis versehen und von grauer Färbung ist. Als massig bezeichnet Scawipr die hellgraue, mit sandreichem Hautsiebnetze und kurzen Conulis versehene Hircinia typica; als un- regelmässig massig oder knollig, gelegentlich auch lappig ästig und dann auf massiger Basis sich erhebend, seine Hircinia variabilis. Durch zahlreiche locale Verwachsungen der drehrunden und meistens von Grund aus verästigten Zweige zeichnet sich die gelblich rothe Hir- cinia dendroides O. Schmidt aus. Eine eigenthümliche Gestalt, welche an manchen aus der Bai von Muggia stammenden graugelben Exemplaren von mir beobachtet wurde, gleicht einer durchlöcherten, aussen glatten, innen höckerigen halb- kugeligen Kappe von Kindskopfgrösse und einer Wanddicke von 1—2 cm. Diese sonderbare Form scheint in der Weise zu Stande zu kommen, dass eine zunächst flach aufliegende Kruste sich central von der Unterlage abhebt und durch weiteres Wachsthum kuppelartig vorwölbt. Die Bildung und Vertheilung der Oscula habe ich oft an ein und demselben Schwamme so verschieden gefunden, dass ich sie nicht als ein brauchbares Unterscheidungsmerkmal verschiedener Arten gelten lassen kann. Bald stellen nämlich die Oscula einfache, im Niveau der Oberfläche gelegene rundliche Löcher dar, bald sind sie mit einem vor- ragenden Ringwall, bald mit einem Höckerkranze umgeben, bald zeigt sich ein deutlicher membranöser Sphinkter, bald fehlt ein solcher !!). Das Nämliche gilt von den sehr verschieden entwickelten Conulis, welche im Allgemeinen I—2 mm hoch und 1—3 mm distant erscheinen, - aber sowohl an verschiedenen Schwammexemplaren als auch an ver- - sehiedenen Theilen desselben Schwammes in mannigfacher Weise diffe- _ riren können. 4) Von den wahren Osculis sind natürlich jene Oeffnungen oder Löcher wohl zu unterscheiden, welche nur die äussere Mündung gruben- oder röhrenartiger _ durchsetzen. a Felgen resp. Einstülpungen darstellen, wie sie gerade bei Hircinia variabilis gar nicht selten vorkommen und den Schwammkörper in verschiedenen Richtungen 14 Franz Eilhard- Schulze, Ueber den geringen systematischen Werth des freien Vorragens der äussersten Enden der radiären Hornfasern habe ich mich schon oben ausgesprochen. Hier will ich nur noch auf ein Moment näher eingehen, welches zwar für das Aussehen und die Figuration der Schwammober- fläche sehr wesentlich ist, aber für die Unterscheidung verschiedener Formen als distincter Arten ebenfalls wenig Werth haben dürfte, näm- lich den grösseren oder geringeren Sandgehalt der Rindenschicht. Wenn auch alle von mir der einen Species Hircinia variabilis zugerech- neten Formen Sandtheile und andere Festkörper verschiedenster Art in ihrer äusseren Rindenschicht enthalten, so wechselt doch die Menge dieser Fremdkörper ausserordentlich. Während manche Schwamm- exemplare mit einer dicken grauen oder weisslichen sandreichen Rinde versehen sind, in welcher höchstens die Gipfel der Conuli durch eine abweichende Färbung sich markiren (Taf. I, Fig. 4 und 5), lassen andere erst bei der mikroskopischen Untersuchung eine äusserst dünne Grenz- lage feiner Sandkörnchen (Taf. III, Fig. 1) wahrnehmen, und besitzen wieder andere nicht einmal eine continuirliche Decke der Art, sondern enthalten nur hier und da unregelmässig zerstreute Bruchstückchen fester Körper in ihrer äussersten Grenzschicht. Ich vermuthe, dass der Sandgehalt der Rindenschicht insofern von dem Standorte des Schwammes abhängig ist, als da, wo viel feiner Sand und andere feste Theilchen entsprechender Grösse gegen die Schwamm- _ oberfläche geführt wird, auch mehr davon aufgenommen wird, als da, wo wenig Sand hinkommt. Was die so ausserordentlich variable Färbung der Hircinia variabi- ‚lis betrifft, so ist hervorzuheben, dass sich dieselbe, wie die Betrachtung _ frischer Durchschnitte lehrt, ausschliesslich oder doch hauptsächlich auf eine nur etwa 2 mm dicke Rindenschicht beschränkt, während das innere Schwammparenchym entweder ganz farblos oder nur schwach röthlich, seltener hell orange (Taf. I, Fig. 3) gefärbt erscheint. Höch- stens die Innenwand der gewöhnlich von Würmern bewohnten röhrigen Hauteinstülpungen und der grösseren Osculargänge zeigt zuweilen eine bräunliche Tinction (Taf. I, Fig. 5). Bei genauer Börracktne lebender oder in ganz frischem Zustande erhärteter Hircinia variabilis-Exemplare bemerkt man an der ganzen Oberfläche das nämliche feine Gitternetz,, welches schon mehrfach bei andern Hornschwämmen beschrieben und abgebildet wurde. Jedoch erreicht dasselbe hier nicht jene Complicirtheit wie etwa bei Spongelia. Von der Spitze eines jeden Conulus ziehen circa 40 breite Leisten oder Stränge in radiärer Richtung nach abwärts, um sich mit den entsprechen- den Leisten der benachbarten Conuli direct zu verbinden. Die von ar wo. = 3 Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 15 diesen Hauptleisten seitlich abgehenden schmäleren Züge treten zur Bildung polygonaler Maschen zusammen, in welchen dann wiederum secundäre Seitenäste engere Maschen formiren. Der flache Boden dieser letzteren enthält schliesslich das dichte Sieb der Eingangsporen für das Wasser. Wie schon oben erwähnt wurde, finden sich in diesem ganzen Balkennetze der Haut mehr oder minder reichliche Einlagerungen von Sand und andern festen Fremdkörpern, wie Kieselnadeln von Schwäm- men, Diatomeenpanzer,, Foraminiferenschalen und dergl.; zuweilen je- doch auch solche Gebilde, welche noch der Verdauung fähig erscheinen, z. B. Diatomeen mit ihrem Weichkörper, Bruchstücke von noch nicht ausmacerirten Vegetabilien etc. Es scheint mir gerade dieser letzte Um- stand nicht unwichtig für die Vorstellung von der Art der Nahrungsauf- nahme bei den Hornspongien. | Die Figuration des Wassercanalsystems weicht nicht wesentlich von der bei Euspongia und Cacospongia in meiner letzten Mittheilung aus- führlich beschriebenen ab. Auch hier gelangt das Wasser zunächst durch die Lücken des Hautmaschennetzes in die meistens als flache anastomo- sirende Lakunen sich darstellenden Subdermalräume, deren Entwicklung und Gestaltung übrigens ausserordentlich variiren kann. Während zu- weilen von den Hautporen aus ziemlich einfache gerade Ganäle nach innen fübren, anastomosiren dieselben in andern Fällen reichlich durch quere Verbindungsröhren, oder es sind diese letzteren zu grossen caver- nösen Räumen erweitert, zwischen welchen nur verhältnissmässig schmale Scheidewände übrig bleiben (Taf. III, Fig. 1). Die Dicke der über diesen »subdermal cavities« (Carter) liegenden Hautschicht wechselt nicht nur nach den verschiedenen Schwammexemplaren, sondern auch an ein und demselben Stücke in verschiedenen Regionen oft erheblich. Die von den Subdermalräumen in das Innere des Schwammes - führenden, gewöhnlich alsbald unregelmässig verästelten Gänge sind mit zahlreichen circulären oder schräg verlaufenden Einschnürungen versehen. Von den dazwischen liegenden Ausbauchungen gehen ver- ästelte Seitencanäle ab, aus deren letzten Endzweigen das Wasser in die halbkugeligen, circa 0,04 mm weiten Geisselkammern durch kleine rundliche Oefinungen, Poren, gelangt. Wenn es mir auch nicht gelang, überall die Zahl dieser Eingangsporen der Geisselkammern genau fest- zustellen, so habe ich doch hier und da mehr als eine Pore an einer Geisselkammer wahrnehmen können. Uebrigens hat wie bei den Spon- giden, so auch hier, jede Geisselkammer ihren besonderen , gewöhnlich zunächst trichterförmig sich etwas verjüngenden und sodann in ein _ kurzes Canälchen übergehenden Ausführungsgang, welcher entweder von der Seite her in einen grösseren Abzugscanal einmündet, oder mit 3 = Br 16 Franz Eilhard Schulze, andern gleicher Art unter spitzem Winkel büschelweise zusammentritt, um die Wurzeln des ableitenden Ganalsystems zu bilden. Die Haupt- sammelröhren des letzteren stellen die 2—4 mm weiten Osculargänge dar, deren an der Oberfläche des Schwammkörpers gelegene Endöfinung durch eine irisförmige Oscularmembran mehr oder minder weit verengt oder selbst vollständig geschlossen werden kann. Bei der Darstellung der histiologischen Verhältnisse will ich die drei verschiedenen Gewebsschichten, nämlich das äussere Plattenepithellager, die Bindesubstanzmasse und die Kragenzellen der Geisselkammern ge- sondert behandeln. Aeussere Plattenepitbelschicht. Wie bei allen bisher von mir eingehender studirten Spongien, so erscheint auch hier die ganze Innenfläche des Wasser führenden Canal- systems von den Eingangsporen der Haut bis zu den Kragenzellen der Geisselkammern und von diesen bis zur Oscularöffnung mit einem ein- schichtigen Lager grosser platter vieleckiger Zellen ausgekleidet, deren Grenzlinien durch Arg. nitric. sehr leicht sichtbar zu machen sind, während die zugehörigen Kerne von den bekannten Tinctionsmitteln ‘deutlich markirt werden. Weniger leicht gelingt es, dieses Plattenepi- thellager an der äusseren Schwammoberfläche nachzuweisen. Zwar treten auch hier gelegentlich nach Anwendung der Silbermethode deut- liche Zellgrenzlinien auf, jedoch keineswegs immer und überall. Es scheint vielmehr, als ob in der als Hauptzuwachsregion des ganzen Schwammkörpers anzusehenden Rindenschicht sich hier und da wirk- . lich die Grenzen zwischen den wieder zur jugendlichen Weichheit zu- Trückgekehrten und deshalb zum Verschmelzen geneigten Zellen ver- wischen. Auch mag wohl die reichliche Einlagerung von Fremdkörpern, welche zuweilen sogar noch theilweise über die Oberfläche hervorragen oder diese doch höckerig auftreiben,, die Silberwirkung beeinträchtigen. Endlich erscheint noch der Umstand von Bedeutung, dass sich häufig ein zartes Grenzhäutchen, eine wahre Cuticula, an der äusseren Ober- Näche befindet, wie es ähnlich schon bei den Spongiden, besonders bei Cacospongia cavernosa beschrieben wurde. Die Bindesubstanzschicht. Der histiologische Charakter der massigen Bindesubstanz stimmt mit dem der Spongidensubstanz im Wesentlichen überein. Ebenso wie dort unterscheidet sich auch hier die nächste Umgebung der Geisselkammern durch Einlagerung zahlloser kleiner rundlicher, ziemlich stark licht- brechender Körnchen in die gallertige Grundsubstanz von der übrigen, IE Ss N Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 17 die sser Körnchen entbehrenden Bindegewebsmasse. Als zu dieser theils | "körnchenreichen, theils ganz hyalinen Grundsubstanz gehörige Zellkörper lassen sich bald mehr unregelmässig sternförmige, bald deutlich spindel- förmige Bindegewebskörperchen erkennen, und daneben noch rundliche im Leben wahrscheinlich amöboider Bewegung fähige Zellen wahrnehmen. In den sternförmigen Bindegewebszellen finden sich an manchen Orten, so besonders in der Rindenschicht dunkeler Varietäten, mehr oder min- f der reichlich dunkelbraune Pigmentkörnchen. s Lang ausgezogene,, spindelförmige, contractile Faserzellen kommen bald vereinzelt, bald zu Zügen vereinigt in der Wand aller grösseren £ Wassercanäle und besonders reichlich in der sphinkterartigen Oscular- - membran, circulär gelagert, vor. Jene aus Spindelzellen mit hyaliner oder undeutlich faseriger Grundsubstanz bestehenden Stränge dagegen, - welehe bei Euspongia und Cacospongia nicht selten neben den grösseren Wassercanälen hinziehen, wurden bei Hircinia nicht gefunden. In unmittelbarer Umgebung wachsender Eier und sich entwickeln- der Embryonen findet regelmässig eine dichtere Anhäufung von Binde- substanzzellen und eine stärkere Entwicklung ihres den Kern umhüllen- den Protoplasmakörpers statt, so dass sich auf diese Weise eine mit der _ Ausbildung des Eies an Dicke zunehmende besonders zellenreiche und dunkelkörnige Hüllkapsel entwickelt, ohne sich jedoch von dem um- gebenden Bindegewebe scharf zu sondern (Taf. III, Fig. 4). Die Innen- fläche dieser Kapsel wird von einem continuirlichen Lager platter endo- thelartiger Zellen ausgekleidet, unter welchen sich auffallend häufig % solche mit zwei Kernen befinden. Bemerkenswerth erscheint übrigens noch der Umstand, dass dies Plattenzellenlager von dem dunkelkörnigen 4 Haupttheile der Kapsel durch eine fast zellfreie annähernd hyaline dünne 7 - Gewebslage getrennt erscheint, die wie eine Art membrana propria oder innere Grenzmembran der Kapsel aufgefasst werden kann. Aehnliche Kapselbildungen treten ja auch bei den übrigen Hornspongien auf, und 2 ‚sind zum Theil schon in meinen früheren Mittheilungen beschrieben und E abgebildet. Be ag gen Körper der. Hircinia varjabilis stützende ne heblich ab. Man findet derbe, bis zu 0,2 mm und darüber dicke rundliche Haupifasern , welche in radiärer Richtung von der Basis des TE N 2 = 3 18 Franz Eilhard Schulze, ' da eine spitzwinklige Theilung der Radiärfasern eintreten, damit ihr Seitenabstand einigermassen gleich bleibt. Im Allgemeinen erscheint der Querschnitt dieser radiären Hauptfasern rundlich. Zwar können gelegentlich mehr oder minder stark abgeplattete Fasern vorkommen, doch darf diese letztere Eigenthümlichkeit nicht als etwas für Hirecinia variabilis oder gar für die ganze Gattung Hircinia Charakteristisches und Beständiges angesehen werden. Uebrigens hat schon Bowersank im Jahre 1845 bei der Beschreibung seiner Stematumenia scyphus die platte Form der Hauptfasern als einen Speciescharakter hervorgehoben, und Carter !) stellt sie als eine charak- teristische Eigenthümlichkeit einer besonderen Gruppe seiner Hircinida, nämlich der Platyfibra, hin. Bemerkenswerth erscheint der Umstand, dass die stets deutlich ge- schichteten und mit Fremdkörpern durchsetzten radiären Hauptfasern von Hircinia variabilis nicht immer einfach bleiben, sondern oft Maschen- bildungen zeigen (Taf. III, Fig. 1), ja nicht selten in Netzbündel sich auflösen. Die von diesen radiären Hauptfasern annähernd rechtwinklig ab- gehenden, weit dünneren secundären Verbindungsfasern bilden zwar oft genug nur einfache quere Verbindungsbrücken zwischen je zwei benachbarten Hauptfasern, also wahre Leitersprossen, zeigen je- doch in der Regel Neigung zur Verästelung und unregelmässigen Netz- bildung. Zuweilen sind sie ganz frei von Fremdkörpern, gewöhnlich finden sich jedoch hier und da vereinzelte Sandkörnchen , Kieselnadel- fragmente und dergl. in der Achse ihres deutlich und durchaus concen- trisch geschichteten Lamellensystemes (Taf. III, Fig. 1). Obwohl sich hier jene Spongoblastenlager nicht deutlich erkennen liessen, welche ich bei Euspongia und Cacospongia als Erzeuger der Sponginlamellen- aufgefunden habe (diese Zeitschr. Bd. XXXII, p. 635 und Taf. XXXVI. Fig. 5 u. 6), so zweifle ich natürlich keinen Augenblick, dass auch bei Hircinia die Sponginlamellen in der nämlichen Weise als cuticulare Abscheidungen von Spongoblasten gebildet werden wie bei den Spongiden. DieKragenzellen der Geisselkammern unterscheiden sich in Nichts von den bei Euspongia und Cacospongia früher beschriebenen. Sie sind auch hier auf den eine hohle Halb- oder Dreiviertel-Kugel von circa 0,04 mm Durchmesser dar- _ 4) Notes introductory to the study and classification of the Spongida. Annals. ser. IV. Vol, XVI. Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 19 S llenden Theil der Kammer beschränkt, während deren trichterförmig sich verengernder Ausgansstheil schon von den nämlichen dünnen Platten- ln gedeckt erscheint, welche auch den sich daran schliessenden kurzen _ röhrenförmigen Ausführungsgang sowie das ganze übrige Wassercanal- _ system austapezieren. % ; VonGenitalproducten habe ich Eier zu verschiedenen Jahreszeiten, am häufigsten aber im ; Frühling oft in grosser Menge angetroffen. Dieselben kamen im ganzen - Körper, mit Ausnahme der Hautschicht, unregelmässig zerstreut vor. Von - einfachen unregelmässig rundlichen Zellen, welche, abgesehen von ihrem grösseren hellen Kerne und grossen Kernkörperchen den amöboiden Zellen der Bindesubstanz glichen, bis zu den 0,1—0,2 mm im Durch- _ messer grossen, mit kugeligen stark lichtbrechenden Dotterkörnern dicht _ erfüllten und deshalb ganz undurchsichtigen reifen Eiern waren alle _ möglichen Uebergangsstufen zu finden. Auch zahlreiche Furchungssta- _ dien kamen zur Beobachtung. Da aber bei diesen letzteren ebensowenig wie an den Eiern Abweichungen von den bei Euspongia und Gacospon- gia früher beschriebenen Verhältnissen wahrzunehmen waren, so kann ich hier einfach auf die bei jenen Gattungen gegebene Darstellung ver- weisen. Spermaballen habe ich bei Hircinia variabilis nicht angetroffen. Da ich solche aber bei einer andern, weiter unten zu besprechenden _ Hireinia-Art, nämlich bei Hircinia spinosula, wenn auch nur bei einem einzigen von sehr vielen zur Untersuchung gelangten Exemplaren gefunden habe, so ist es wahrscheinlich, dass die Spermabildung auch a bei Hircinia abilis zwar vorkommt, aber ebenfalls auf sehr wenige Ber ‚Stücke sich beschränkt, und nur deshalb bisher nicht beobachtet wurde. Die Filamente. Indem ich jetzt auf die den Körper aller Hircinien reichlich durch- etzenden und bei Hircinia variabilis besonders kräftig entwickelten Filamente eingehe, werde ich diese merkwürdigen Gebilde zunächst so, wie sie sich bei unserer Species darstellen, nach Form-, Grössen-, Structur- und Lagerungs-Verhältnissen genau beschreiben, und dasjenige theilen, was ich über ihr physikalisches und chemisches Verhalten ren konnte. Die Filamente der Hircinia variabilis stellen in ihrer normalen Lypi- en Gestalt —8 mm lange, drehrunde, glatte Fäden dar, welche in Ba be en £inden zu langsam an Dicke abnehmen, bis sie sich schliesslich nen Durchmesser von circa 3 u ersehimälert haben. An jedem a > . 9% I e Be, a 20 Franz Eilhard Schulze, der beiden Fadenenden findet sich ein entweder birnförmiger oder zwiebelförmiger, seltener rein kugelig gestalteter drehrunder Endknopf von 6—10 u Querdurchmesser (Taf. IV, Fig. I). Die Filamente gleichen also, wie ©. Scumipt, der erste Entdecker ihrer wahren Form, treffend bemerkt, den bekannten Springschnüren der Kinder, welche an beiden Enden mit birnförmigen Handgriffen versehen zu sein pflegen. Da weder O. Scuwmipt noch CARTER, welchen beiden Forschern es bisher allein gelungen zu sein scheint, die lange Zeit für unentwirrbar gehaltenen Fäden so vollständig zu isoliren, dass ihre wahre Form fest- gestellt werden konnte, die Methode näher beschrieben haben, mittelst deren ihnen die Isolirung einzelner Filamente glückte, so glaube ich im Interesse mancher Leser zu handeln, wenn ich ein Verfahren mittheile, welches sich mir wiederholt bewährt hat. Nachdem man solche Exem- plare von Hircinia variabilis, welche besonders dicke Filamente zeigen, und recht weich erscheinen, einige Wochen in destillirtem Wasser, wel- ches mit Ammoniak versetzt wurde, hat maceriren lassen, spült man sie in fliessendem Wasser recht gründlich aus, und legt dann Stücke von Wallnussgrösse mit glatten Schnittflächen in verdünnte (etwa 10°/,) Salz- säure. Nachdem diese einige Tage eingewirkt hat, spült man die Stücke wieder unter dem Wasserlauf mehrere Stunden aus, wobei sich dann die Masse der Filamente in Spinnegewebsballen ähnlichen Flocken aus den glatten Schnittflächen hervordrängt. Man zieht nun mit einer Nadel eine Flocke aus dem Schwammstücke unter Wasser sanft hervor und bringt sie in eine Schale mit destillirtem Wasser. Nachdem sich die Flocke hier ausgebreitet hat, lockert man dieselbe durch sanftes Aus- einanderzerren mittelst zweier langen Nadeln. Dies geschieht am leich- testen, wenn man die Flocke nicht fixirt, sondern sie schwimmend mit beiden Nadeln zugleich zu entwirren sucht, ohne sie jedoch ganz zu zerreissen. Hat man diese Procedur eine Zeit lang fortgesetzt, so wird man schliesslich leicht ganz kleine nur aus wenigen Filamenten be- stehende Flöckchen ablösen und diese nach Uebertragung in ein beson- deres Uhrschälchen mit destillirtem Wasser durch sanftes Zerren sowie durch Schütteln und Klopfen des Schälchens vollends entwirren können, so dass die Filamente endlich ganz isolirt, oder nur noch zu zwei oder drei verschlungen, im Wasser schwimmen. Alsdann fischt man sie unter - Anwendung der Loupe mittelst einer Nadel einzeln heraus und bringt sie auf den Objeciträger in einen grossen Wassertropfen. Zeigt sich bei der Prüfung mit dem Mikroskope, dass die Isolirung noch keine ganz vollständige war, so kann man durch wiederholtes Fallenlassen des Objectträgers mit seiner ganzen Unterfläche auf die Tischplatte aus Zoll- höhe oder durch leichtes Klopfen auf ein dem grossen Flüssigkeitstropfen i N Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 21 4 Be Hat man sodann das Wasser dach verdünntes Garbolglycerin verdrängt, so kann man das Präparat einschliessen. Zur Aufbewahrung in Balsam sind die isolirten Filamente auf dem Objectträger zuvor mit : entwässern. | Die Substanz, aus welcher die Filamente bestehen, ist farblos, hya- lin und vollkommen durchscheinend, dabei ziemlich stark lichtbrechend und schwach doppeltbrechend. Während man bei Anwendung schwacher - Vergrösserungen so gut wie Nichts von einer inneren Structur wahr- _ nimmt, lässt sich mittelst starker Vergrösserungen und verschiedener "Reagentien Folgendes ermitteln. Die schon den meisten früheren Untersuchern bekannte Thatsache, - dass sich eine äussere dünne Scheide oder Rinde von einem weicheren Inhalte absetzt, kann ohne Weiteres an frischen oder in Alkohol conser- ‚virten Filamenten, besonders an etwaigen Rissenden erkannt werden. Dagegen lassen sich an längere Zeit in Wasser macerirten und sodann mit verschiedenen Tinctionsmitteln gefärbten oder auch mit Schwefel- _säure zum quellen gebrachten Filamenten drei verschiedene concentrisch sich umschliessende Lagen an dem Fadentheile unterscheiden , nämlich 4) eine zwar dünne aber feste und gegen die Einwirknng von Ghemi- _ kalien resistente, glatte membranöse Scheide von stärkerem Licht- - brecbungsvermögen , 2) eine dieser röhrenförmigen Scheide unmittelbar _ anliegende und ihr Lumen bis auf einen schmalen Achsentheil völlig ‚starkem und gleichmässigem Lichtbrechungsvermögen, 3) ein in der Achse des Fadens gelegener dünner, rundlicher, etwas körniger Strang, den ich als Achsenstrang bezeichnen will (Taf. IV, Fig. 2). Nach Einwirkung verdünnter Schwefelsäure quillt das Mark aus len Rissstellen der Filamente in Form eines Meniekne oder selbst eines , eier: die Endknöpfe der Filamente sich im Allgemeinen als : directe Fortsetzung des mittleren fadenförmigen Theiles darstellen | sogar einzelne Schichten des letzteren in entsprechende Theile der en übergehen, so-treten hier doch gewisse eigenthümliche Struc- hältnisse auf, welche nicht allein aus der abweichenden Form er- erden . Eine äussere Scheide ist zwar auch an den End- »n vorhanden, hebt sich aber nicht so scharf von der Markmasse wie am Fadentheile. Die Markmasse selbst erscheint hier niemals 2. | 22 Franz Eilhard Schulze, deutliche eoncentrische Schichtung auf. Zwischen ihren ein- zelnen Schichten bleiben hier und da spaltenförmige mit schwächer lichtbrechender Flüssigkeit gefüllte Lücken. Zuweilen sieht es aus, als ob das Mark des Fadentheiles sich mit einem leicht conisch verjüngten Endstücke in den Knopf einsenkt und sich in die concentrisch sich um- schliessenden Marklamellen des letzteren gleichsam aufblättert (Taf. IV, Fig. 6—8), während in andern Fällen die Markmasse des Fadentheiles beim Uebergange in den Endknopf einfach zur Bildung einer concen- trisch geschichteten Hohlkapsel auseinanderweicht, deren weites Lumen eine hellere Substanz, mit groben stärker lichtbrechenden Körnern durch- setzt, enthält (Taf. IV, Fig. 9). Auch bei den mit einem Markzapfen im Innern versehenen Endknöpfen findet sich am Ende des Zapfens eine ähnliche centrale Anhäufung von groben Körnern in einer lichteren Grundlage (Taf. IV, Fig. 6 und 7). Etwas mit Sicherheit als einen Zell- kern zu Deutendes habe ich im Innern der Endknöpfchen jedoch nicht wahrnehmen können. ; Die soeben beschriebene Figuration und Structur der Filamente von Hircinia variabilis ist nun zwar die bei Weitem häufigste und daher als dienormale anzusehen, jedoch finden sich daneben mannigfache Ab- weichungen, welche zum Theil auch bereits von früheren Untersuchern, wie LIEBERKÜHN, O. Schmidt und Carter bemerkt und beschrieben sind. Zunächst ist hervorzuheben, dass ausser den 6—8 mm langen Fila- menten auch bedeutend kürzere, und zwar bis zu 0,9 mm herab!) vor- kommen, ohne dass bei diesen der Dickendurchmesser ebenfalls vermin- dert gewesen wäre. Auf solche ungewöhnlich kurzen Filamente glaube ich die von ©. Scauiprt mitgetheilten Längenmaasse —1,4 bis 1,6 mm — beziehen zu dürfen, während Carter’s Angabe (Nr. 17, p. 168), »Fibril about on third of an inch long«, ziemlich genau mit dem Ergebnisse meiner Messungen übereinstimmt. Nicht selten finden sich Filamente, in deren fadenförmigem Mittel- stücke eine den Endknöpfen hinsichtlich der Structur gleichende Ver-- dickung von ungefähr doppeltem Fadendurchmesser vorkommt. Dieselbe ist entweder einfach spindelförmig (Taf. IV, Fig. 10) oder unregelmässig rundlich, zuweilen auch noch mit kurzen höckerigen Auswüchsen ver- sehen, und liegt gewöhnlich in der Mitte, seltener in der Nähe eines der beiden Endknöpfe. Von einem solchen , einem Endknöpfchen im Allge- meinen ähnlichen, concentrische Schichtung des Markes und eine hellere | Gentralpartie mit Körnchen aufweisenden mittleren Knoten gehen in ein- zelnen Fällen auch mehr als zwei — 3 bis 6 — verschieden lange Fäden 4) Letzteres Maass wurde von mir allerdings nur einmal beobachtet. Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 25 nach verschiedenen Seiten ab (Taf. IV, Fig. 14 und 12). Ein Fall der Art ist schon von Lieserkünn (Nr. 5) beobachtet und abgebildet, O.Schmipr _ erwähnt (Nr. 15, p. 661) nur Theilungen einzelner Fibrillen. Carrer nahm derartige Verästelungen ebenfalls wahr, bemerkt jedoch, dass es ihm nicht gelungen sei, die Art der Endigung bei allen Zweigen zu er- mitteln. Ich selbst habe wiederholt sämmtliche Fäden eines mehrästigen - Filamentknotens bis an ihr äusserstes Ende verfolgen und mich über- zeugen können, dass sie ausnahmslos in derselben Weise wie die ein- fachen Filamente in die bekannten birn- oder kugelförmigen Endknöpfe auslaufen. Zuweilen fand ich zwei Ursprungsknoten von zwei oder . drei Fäden durch eine kurze breite Anastomose verbunden (Taf. IV, Fig. 13). Als eine merkwürdige abnorme Bildung will ich endlich noch den auf Taf. IV in Fig. 14 dargestellten Fall erwähnen, wo von der Mitte eines im Uebrigen normalen Filamentes sich ein Fortsatz unter spitzem Winkel | abzweigte, welcher in seinem unregelmässig höckerigen Basaltheile noch - das stark lichtbrechende Filamentmark enthielt, dann aber in einen hand- - schuhfingerförmig blind endigenden länglichen Schlauch überging, wel- eher ganz dünnwandig und nur mit heller Flüssigkeit erfüllt war. Auf die eigenthümliche Neigung der Filamente, sich nach Einwir- kung gewisser Reagentien, wie z. B. Jodtinctur, nach Art eines gedreh- ien Taues spiralig aufzuwickeln, sowie auf die grosse Hygroskopität im getrockneten Zustande hat schon CArTEr aufmerksam gemacht. | In chemischer Hinsicht zeigen die Filamente eine merkwürdige Resi- stenz gegen Alkalien. Nach fünfstündigem Kochen eines viele Filamente _ enthaltenden, in Wasser ausmacerirten Hircinia-Skeletstückes in 20 pro- 2 centiger Kalilauge, als die groben Sponginfasern schon fast ganz gelöst _ waren, wurden die Filamente bei der mikroskopischen Untersuchung _ zwar etwas gequollen aber noch mit gut erhaltener Scheide versehen _ angetroffen. Auch längere Einwirkung kalter Mineralsäuren,, wie Salz- x säure und Schwefelsäure, führte nur ein Aufquellen aber keine Lösung _ herbei. Eine Prüfung auf Cellulose mittelst Schwefelsäure und Jod gab ein negatives Resultat. Auch von Kupferoxydammoniak wurden die Filamente selbst nach wochenlanger Einwirkung nicht gelöst. In der Hoffnung, dass vielleicht die Elementaranalyse einen ge- wissen Anhalt für die Entscheidung der Frage geben möchte, ob die Substanz der Filamente mit dem Spongin oder mit der Cellulose näher verwandt sei, hat ich Herrn Professor MALy, in seinem Laboratorium eine Stickstoffbestimmung ausführen zu lassen. Der Gehalt an Stickstoff _ ergab sich dabei, für die aschefreie organische Substanz berechnet, auf 2, im Mittel. Für das Sponginskelet des Badeschwammes haben > ER... 24 ‚Franz Eilhard Schulze, jedoch frühere Analysen von Posserr 16,1°/,, von GrookEwIr 46,15%, Stickstoff ergeben. Es erscheint daher eine Uebereinstimmung mit ie: Spongin ausgeschlossen. Hinsichtlich des Vorkommens und der Lagerung der Filamente in den Hircinien habe ich hervorzuheben, dass ich sie zwar durchaus auf das Gebiet der Bindesubstanz beschränkt, aber durch den ganzen Körper ziemlich gleichmässig vertheilt gefunden habe. Nur der innere Rand- theil der Oskularmembran blieb gewöhnlich frei, und die körnige Masse in der nächsten Umgebung der Geisselkammern erschien weniger reich durchsetzt als die übrige Bindesubstanz mit hyaliner Grundsubstanz. Eine bestimmte regelmässige Anordnung der Filamente im Körper der Hircinien habe ich nicht constatiren können. Gewöhnlich ziehen sie schwach wellig gebogen, entweder bündelweise aggregirt und innerhalb eines sölchen Bündels parallel gelagert, oder auch ganz isolirt in den verschiedensten Richtungen, bald den Hornfasern und den grösseren Wassercanälen parallel, bald diese kreuzend oder im Bogen umschlingend, bald auch ohne bestimmte Orientirung zu denselben (Taf. Ill, Fig. A). Wenngleich zuweilen auffallend viele Endknöpfchen in der äusseren Hautschicht nebeneinander liegen, so dass die letztere, wie in einem von O. Scauipr erwähnten Falle »wie mit Endknöpfchen gepflastert« er- scheinen kann, so ist dies doch keineswegs die Regel; und oft genug finden sich in der Haut nicht mehr Endknöpfchen als in einem beliebigen anderen Körpertheile.. Schon O. Scart hat darauf aufmerksam ge- macht, dass gelegentlich einmal ein Filament eine der groben geschich- teten Sponginfasern quer oder schräg durchsetzt. ‘Wahrscheinlich ist dies Verhältniss nicht sowohl auf ein Durchwachsen des Filamentes durch die Sponginmasse als vielmehr auf eine Umwachsung des Filamentes von Seiten der sich bildenden und vergrössernden Hornfaser zurückzuführen. Sehr häufig werden in den Filamenten die nämlichen gelben Körnchen gefunden, welche auch an den Skeletfasern der Spongiden vorkommen. Es ist leicht nachzuweisen, dass diese unregelmässig rundlichen, stark lichtbrechenden, hyalinen und ganz structurlosen Körnchen,, wie schon OÖ. Scauiprt hervorgehoben hat, in der Substanz des Filamentes selbst eingebettet liegen (Taf. IV, Fig. 5). Ihre Zahl variirt ausserordentlich. Bald kommen sie nur vereinzelt vor, bald liegen sie so dicht, dass sie die Marksubstanz der Filamente ganz verdecken oder ersetzen. Die Form wechselt von der einfachen Kugelgestalt bis zu der unregelmässig knolli- ger Körper, welche theilweise durch Verschmelzung benachbarter Einzel- körnchen entstanden zu sein scheinen. Zuweilen fand ich sämmtliche Körnchen (statt wie gewöhnlich rostgelb) intensiv blauschwarz ge- färbt. Es war dies im Innern stark gefaulter, nach Schwefelwasserstoff . Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 35 iechender Hircinien der Fall. Ich vermuthe, dass diese Schwärzung von Schwefeleisen herrührt, da bei der Analyse von körnchenreichen Filamenten sich ein nicht unerheblicher Eisengehalt derselben heraus- gestellt hat. F Während O. Scunipr geneigt ist, diese gelben Körnchen für para- sitäre Algen zu halten, welche sich von aussen in die Substanz der Fila- mente einfressen, vermag ich Nichts, was auf eine derartige Organisation hinweisen könnte, zu entdecken, und möchte mit Carter eher an eine durch Ausscheidung oder Zersetzung gebildete unorganisirte Substanz denken. In der Rindenschicht mancher Hireinia variabilis-Exemplarekommen neben den Filamenten in grosser Menge glatte kugelige Körper von 6 bis 40 u Durchmesser mit violetthrauner Färbung vor, an welchen sich leicht eine äussere durchsichtige Membran und eine von zahlreichen feinen Körnchen durchsetzte Inhaltsmasse unterscheiden lässt (Taf. IV, Fig. 15). Diese schon von BowErBank, SchMmipDr und Körriker bemerkten und als Keimkörner der Filamente angesehenen Gebilde halte ich für einzel- lige Algen; und dies um so mehr, als ich zahlreiche Theilungszu- stände beobachten konnte. Zwischen den einfach kugeligen Körpern finden sich nämlich nicht selten etwas gestreckte, daneben dann andere, welche eine äquatorial gelegene ringförmige Einschnürung und endlich solche, welche unter dieser Einschnürung eine deutliche Septenbildung erkennen lassen. Zunächst liegen die so entstandenen Hälften noch mit breiter Basis-aneinander, dann aber zieht sich eine jede derselben zur Kugel zusammen und es findet die Trennung statt. Zu einer Ketten- bildung kommt es hier jedoch nicht. i Es unterliegt keinem Zweifel, dass die dunkel rothbraune Färbung k vieler Hircinia variabilis- Varietäten wesentlich nur von diesen in der - Rindenschicht bis zu 2 mm Tiefe in grosser Menge angehäuften Algen ‚herrührt (Taf. I, Fig. 4 und 5): hi Ausser der soeben beschriebenen Hircinia variabilis kommen nun noch drei andere mit Filamenten reich durchsetzte Hornspongien im adriatischen Meere vor, welche zwar im Allgemeinen jener Species sehr ıhe verwandt erscheinen, insofern aber eine derselben gegenüber- ehende Gruppe bilden, als ihre Filamente sämmtlich bedeutend dünner, ämlich nur 4 bis höchstens 2 u stark sind, ihr Gewebe fester und dich- ter ist und ihre Hautschicht durch grössere Zähigkeit und dunklere Fär- 8 sich auszeichnet. "Wenn es hiernach begreiflich erscheint, dass O. Scamipr anfänglich. drei Formen, zu einer Untergattung, Sarcotragus, vereinigt, der 36 Franz Eilhard Schulze, andern Untergattung Hircinia innerhalb der Gattung Filifera Lieberkühn gegenüberstellte, so sehe ich es doch als eine Verbesserung an, wenn Schuiprt selbst später auf Grund weiterer Untersuchungen jene beiden Untergattungen Sarcotragus und Hircinia wieder vereinigte, und folge ihm hierin um so lieber, als jede der drei jetzt zu besprechenden Formen, durch bestimmte Eigenthümlichkeiten scharf charakterisirt, es wohl verdient, der charakterlosen Hircinia variabilis als gleichwerthige Species in derselben Gattung Hircinia coordinirt zu werden. Hircinia spinosula. Sarcotragus spinosulus O. Schmidt. 1862. Filifera spinosula ©. Schmidt. 1870. Die Hircinia spinosula zeigt eine dem Systemaliker erwünschte Be- ständigkeit der äusserlich sichtbaren Charaktere. Ich setze zunächst die - von OÖ, Scauir im Jahre 1862 (Nr. 6, p. 35) aufgestellte lateinische Speciesdiagnose her, und werde darauf die Mittheilung meiner eigenen Untersuchungsergebnisse folgen lassen, soweit sie mir für die weitere Charakteristik der Art von Bedeutung erscheinen. » Sarcotragus glohbosus vel globoso-depressus, tuberculis compressis spiniformibus obsitus. Parenchyma compressibile, densissimum, sed canalibus majoribus et minoribus permeatum, quae in oscula non ad- modum distincta exeunt. Fibrae rarae, irregulares, quarum fasciculi in singula tubercula sed nunquam supra superficiem prostant. Fibrillarum latitudo 0,00468 mm, capitulorum 0,003 ad 0,004 mm«. Von der einfachen Kruste ausgehend gelangen wir bei Hircinia spinosula durch Polster- und Knollenbildungen zu faustgrossen unregel- mässig klumpigen Stücken, welche gewöhnlich mit einer engeren Basis der Unterlage aufsitzen und mit einer etwas abgeflachten Oberseite ver- sehen sind (Taf. II, Fig. 4 und 2). Die ganze äussere Fläche ist mit kleinen 2—3 mm distanten Conulis von 1—-2 mm Höhe besetzt, welche bald mehr zugespitzt bald mehr abgerundet (letzteres besonders in der Nähe der Basis des Schwammes) enden. Nur selten ragen freie Horn- faserenden über ihre Spitzen hervor. Die von O. Scammwr besonders hervorgehobene seitliche Compression der CGonuli kommt zwar gelegent- lich vor, scheint mir jedoch nicht besonders charakteristisch zu sein. Zuweilen erscheinen die Conuli an dem im Wasser befindlichen leben- den Schwamme fast ganz verstrichen. Nimmt man aber einen solchen beinahe glatt aussehenden Schwamm aus dem Wasser heraus, so treten die Spitzchen vollständig und deutlich hervor, indem die dazwischen ausgespannte Haut durch den Wasserverlust sich einzieht. er Ci a OL Sn x - S: e 3 Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 27 Ausser den unregelmässig vertheilten eigentlichen Osculis mit con- _ tractiler Ringmembran findet sich in der Regel noch eine Anzahl grösserer glattrandiger und ohne scharf abgesetzte Umrandung in die Tiefe führen- der runder Oeffnungen an der Oberfläche. Diese stellen, wie Durch- schnitte lehren, die Ausgangsmündungen von breiteren runden Canälen dar, welche, den Schwammkörper in verschiedenen Richtungen durch- setzend,, gewöhnlich Anneliden oder Saxicava arctica als Aufenthaltsort -dienen (Taf. II, Fig. 2). Die Farbe der Hircinia spinosula ist oben ein sehr dunkles, ja nahezu schwarzes Violettbraun , welches jedoch nach der Basis zu all- _ mälig in ein lichteres Gelbbraun übergeht (Taf. II, Fig. 1). Diese eigen- thümlich rostbraune Basis lässt den Schwamm schon bei der äusserlichen Betrachtung gewöhnlich leicht von der im Uebrigen ausserordentlich ähnlichen Euspongia officinalis unterscheiden. Eine Verwechslung mit dem Badeschwamme wird ausserdem durch Untersuchung der Consistenz vermieden. Während nämlich der stets ‚weiche und elastische Bade- schwamm sich ganz leicht zusammendrücken lässt, fühlt sich die Hir- cinia spinosula beim Anpacken derb und ziemlich fest an, und giebt dem drückenden Finger nur wenig nach. Oft genug musste sich der Fischer, welcher mir in Lesina täglich ganze Kübel voll der verschieden- sten Schwämme brachte, auf meine Frage, ob ein bestimmtes Stück eine »spugna vera« Sei, erst durch das Gefühl orientiren; und er irrte sich, falls ich ihn daran verhinderte, gar nicht selten in der Diagnose. Auf senkrechten Durchschnitten sieht man die höchstens 1—2 mm tief schwärzlich erscheinende Randzone durch einen verwaschenen, all- mälig immer lichter werdenden Saum in das hell rostgelbe Innenparen- _ chym übergehen, welches letztere wiederum nach dem Centrum oder der Basis zu eine tiefere mehr braunrothe Färbung annimmt (Taf. I, Fig. 2). | Die vom Schnitt getroffenen, etwa 2—4 mm weiten Osculargänge, sowie jene 5 mm und darüber weiten Canäle, welche die verschiedenen Commensalen beherbergen , zeigen eine dunkelgraue Pigmentirung der z Innenfläche. | Hinsichtlich des feineren Baues und der histiologischen Structur _ habe ich keine wesentlichen Abweichungen von den bei Hircinia varia- bilis soeben beschriebenen Verhältnissen angetroffen. Höchstens wäre _ die bedeutende Zahl der braunkörnigen Pigmentzellen in der Haut, so- ' wie in der Wand der grösseren CGanäle hervorzuheben. ” Von Genitalproducten fanden sich nicht selten Eier in ver- i schiedenen Stadien der Entwicklung und Furchung, besonders häufig £ ‚im Frühlinge, doch auch zu anderen Jahreszeiten, z. B. im Herbste. Sie 28 Franz Bilhard Schulze, kamen, ähnlich wie bei Hircinia variabilis, in unregelmässiger Vertbeilung, durch den ganzen Schwammkörper zerstreut vor, mit Ausnahme der Hautschicht, in welcher sie ganz fehlten. Reife Embryonen wurden lei- der nicht beobachtet. Dagegen ist es mir hier gelungen, Sperma zu finden; merkwürdiger Weise aber nur in einem einzigen Exemplare und hier neben vereinzelten reifen Eiern. Der betreffende Schwamm war also zwittirig. Er ward im September bei Lesina er- beutet und unterschied sich äusserlich nicht von den sterilen oder nur Eier-haltigen Stücken. Unmittelbar nach dem Fangen wurde er zer- schnitten und in absolutem Alkohole für die mikroskopische Untersuch- ung aufbewahrt. Wenn nun auch aus diesem Grunde die Spermatozoen nicht lebend beobachtet worden sind, so kann doch nach den Präparaten, welche von den gut conservirten Stücken angefertigt sind und sich noch in meinem Besitze befinden, nicht der geringste Zweifel darüber bleiben, ‚dass es sich wirklich um Sperma handelt. Zwischen den die normale Weite etwas überschreitenden, gut erhaltenen Geisselkammern befinden sich nämlich in der körnigen Bindesubstanz zahlreiche rundliche, circa 0,05 mm dicke Klumpen, welche tiheils aus kleinen hellen Zellen (Sper- mabildungszellen oder unreifen Spermatozoen), theils aus reifen Sperma- tozoen bestehen. Die ersteren werden unmittelbar von der Bindesub- stanz umschlossen, während die letzteren locker in einer von platten endothelartigen Zellen ausgekleideten, glattwandigen Höhle wie in einer Art Kapsel liegen, und sich durch die grosse Anzahl der kleinen ovalen glänzenden Spermatozoenköpfchen, an denen auch gelegentlich einmal ein feiner Schwanzfaden zu sehen ist, sehr deutlich markiren (Taf. III, Fig. 4). Es gleichen also diese Spermaballen durchaus den bei anderen Spongien gefundenen. Die Filamente, welche in allen Theilen des Schwammes, besonders zahlreich aber und mit vorwiegend bündelweiser Anordnung in dem körnchenfreien Theile der Bindesubstanz vorkommen, unterscheiden sich von den bei Hircinia variabilis eingehend beschriebenen nur durch den _ bedeutend geringeren Dickendurchmesser. Der mittlere Fadentheil ist etwa 1 u dick, und die hirnförmigen Endknöpfe erreichen höchstens einen Durchmesser von 3 u. Da ich stets nur geknöpfte Enden an den unversehrten Filamenten wahrgenommen habe, so nehme ich an, dass wie bei Hireinia variabilis so auch hier jedes Fadenende mit einem sol- chen Knopfe versehen ist, obwohl ich eine vollständige Isolirung einzel- ner Filamente hier nicht vorgenommen habe. Jene kugeligen braunen Algen, welche bei Hircinia variabilis ge- ar Untersuehungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien, 39 legentlich so massenhaft in der Rinde vorkommen, habe ich bei Hireinia $ E ir 5 Br e v fr? >® x 3 spinosula niemals gefunden. Der Schwamm scheint über das ganze Gebiet des adriatischen Meeres ziemlich gleichmässig verbreitet vorzukommen. Ich habe ihn von Triest, Rovigno und Lesina, O. Scnuipr hat ihn aus dem Quarnero und von Zlarin erhalten. Hircinia foetida. Sarcotragus foetidus O. Schmidt. 1862. Filifera foetida ©. Schmidt. 1870. Die von O. Scnmipr im Jahre 1862 gegebene lateinische Species- diagnose lautet: »Sarcotragus rotundato-depressus, veloblongo-depressus, niger, tuberculis obtuse-conieis dense obsitus. Fibrae maxime irregula- res, quarum densi fasciculi in singula tubercula intrant. Fibrillae tenuis- simae, circiter 0,0006 ad 0,0008 mm latae, capituli 0,0023 mm«. In der daneben stehenden deutschen Beschreibung wird noch die ziemlich regel- mässige Gestalt, die oft bedeutende Grösse, die Sammetschwärze der Haut, welche nach der Basis zu allmälig verblasst, die schmutzig gelbe Farbe des Innenparenchyms, die lockere und unregelmässige Beschaffen- heit des Hornfasergerüstes, ferner das Vorkommen von Gängen im Innern des Körpers, welche mit Anneliden oder mit Saxicava arctica besetzt sind, sowie endlich die bedeutende Höhe der schmalen und oben abge- rundet endigenden Conuli hervorgehoben. Damit ist denn auch der Charakter dieser wenig variirenden Hircinia- species deutlich genug angegeben, um sie mit Sicherheit erkennen und von den übrigen adriatischen Arten derselben Gattung unterscheiden zu können. Sehr charakteristisch erscheint mir besonders die Fingerform der verschieden langen und zum Theil sehr schlanken CGonuli, welche gruppenweise auf rundlichen, circa | em breiten Oberflächenerhebungen beisammen stehen (Taf. II, Fig. 3). Die dunkle Pigmentirung der Haut greift nicht tief und setzt sich ziemlich scharf gegen die blassgelbliche, nach dem Innern zu ins Rostrothe übergehende Farbe der Binnenmasse 4 ab (Taf. II, Fig. 3). Die Innenfläche der Osculargänge und der grossen mit Anneliden oder Saxicava arctica besetzten Canäle erscheint dunkel- y grau. Die feineren Bau- und Structurverhältnisse des Weichkörpers der _ Hircinia foetida weichen von den bei Hircinia variabilis oben ausführ- licher dargelegten so wenig ab, dass einfach auf jene Darstellung ver- wiesen werden kann. Dassblbe gilt jedoch nicht von dem Hornfaser- skelete. Schon ©. Schuipt hat auf den besonders lockeren und unregel- : B: ER" 30 Franz Eilhard Schulze, mässigen Bau desselben aufmerksam gemacht; und in dem grossen Systementwurfe von H. J. Carter finden wir als Paradigma für die durch »flaccid, flattened fibres« ausgezeichnete Gruppe der Platyfibra CARTER’S gerade Sarcotragus foetidus O. Schmidt angeführt. Durch einfaches Ausmaceriren des Schwammes in Wasser oder durch Behandeln desselben mit Säuren lässt sich das Hornskelet der Hircinia foetida nur schwierig von dem Filamentenfilze vollständig reinigen. Ich habe es daher vorgezogen, dasselbe an solchen eben nicht _ sehr seltenen Exemplaren zu studiren, bei welchen ein Theil des Weich- körpers abgestorben, und dessen Spongingerüst im Meere selbst rein ausmacerirt war. Das so isolirte, ziemlich schlaffe und ungleichmässig dichte Skelet lässt zwar den Aufbau aus radiären Hauptfasern und zwi- schen diesen sich ausspannenden Verbindungsfasern ebenso deutlich erkennen wie die übrigen Hircinien, erhält aber gewisse abweichende Eigenthümlichkeiten durch weitgehende Entwicklung von Verhältnissen, welche sich bei den verwandten Formen meistens nur ausnahmsweise oder angedeutet finden. Dahin gehört zunächst die deutliche Ausbildung radiärer prismatischer oder nach aussen schwach erweiterter Canäle, deren vier bis sechs Seitenkanten durch die radiären Faserzüge, deren _ Seitenflächen durch das System der Verbindungsfasern gebildet werden (Taf. III, Fig. 2); und welche an der Schwammoberfläche sämmtlich mit weiten Ostien nebeneinander ausmünden. Ferner tritt hier an Stelle der sonst in Form einfacher starker Balken sich darstellenden radiären Haupt- faser fast überall ein aus mehreren netzartig verbundenen Fasern ge- ringeren Galibers gebildeter Strang, in welchem sich allerdings gewöhn- lich eine Faser durch etwas grösseren Querdurchmesser und durch Einlagerung von (meistens nicht zahlreichen) Fremdkörpern auszeichnet. Uebrigens habe ich weder bei dieser noch bei den dünneren Fasern sol- ‚cher radiärer Stränge auf Querschnitten eine Abplattung wahrgenommen. Eine solche kommt dagegen den eigenthümlich entwickelten meistens ganz sandfreien Verbindungsfasern insofern zu, als diese nicht solche einfachen, drehrunden, leitersprossenähnlichen, queren Verbindungsfäden je zweier benachbarter Radiärfaserstränge darstellen wie bei den übrigen Hircinien und den meisten Gacospongien, sondern mehr oder minder engmaschige dünne Gitter- oder Netzplatten bilden (Taf. III, Fig. 2 und 3). Solche Gitterplatten formiren dann (wenn „uch reichlich von weiten rundlichen Lücken unterbrochen) die Grerzwände zwischen den be- ‘ nachbarten prismatischen Radiärcanälen des Skeletes. Die reichlich vorhandenen und in dichten Zügen angeordneten Filamente gleichen den bei Hircinia spinosula vorkommenden, höchstens sind sie noch etwas dünner als jene. Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 31 > ES Dass die Hircinia foetida lebend gerade einen besonders unange- nehmen Geruch habe, wie O. Scunipr meint, kann ich nicht behaupten, obwohl ich sie in dieser Hinsicht näher geprüft und mit andern Horn- ‚schwämmen verglichen habe. Sie stinken eben alle! Sie scheint felsi- gen Grund zu lieben und eben deshalb bei Triest nicht vorzukommen. In Lesina habe ich sie mehrmals erhalten. a Hirecina muscarum. Sarcotragus muscarum O. Schmidt. 1864. Filifera muscarum O. Schmidt. 1870. Seumipr's lateinische Diagnose lautet : » Sarcotragus globosus, super- ficie nigra vel brunnea-nigra, sed hic illic etiam albescente. Fibrarum maxime irregularıum et multimodum in plicas secundarias inter se connexarum fines, cutem extendentes et processus spinosos in superficie efficientes, 7 ad 10 mm inter se distant. Fibrillarum latitudo 0,0009 ad 0,00186 mm«. Der schon äusserlich leicht erkennbare Charakter dieser Hircinia- Art liegt in dem weiten Abstande (bis zu 10 mm) der nicht sehr hohen aber auf breiter Basis sich erhebenden, spitz zulaufenden CGonuli und in der hell violettbraunen,, hier und da etwas ins Weissliche spielenden Hautfarbe (Taf. II, Fig. 4 und 5). Alle Stücke, welche ich sah, waren massig, breit gerundet, brotlaibähnlich und von erheblicher Grösse (bis zu 30 cm breit und darüber). An der flach gewölbten Oberfläche zeigen sich ausser den unregel- mässig zerstreuten, mit Ringmembran versehenen Osculis noch zahl- reiche, runde, glattrandige Löcher von circa 5 mm Durchmesser. Es "sind dies die Endöffnungen von unregelmässig gewundenen Gängen, welche Anneliden oder Saxicava aretica beherbergen. Die Innenfläche _ dieser Gänge erscheint hier weit schwächer pigmentirt als bei Hircinia _ spinosula. Das Gleiche gilt von den Ösculargängen und den grossen _ Wassercanälen (Taf. II, Fig. 5). Bei fast allen Exemplaren, welche mir vorkamen, sah ich einzelne flache grubenförmige Vertiefungen der Oberfläche von 2—4 cm Breite, welche unregelmässig rundlich und scharf begrenzt, durch besondere Färbung und Reliefverhältnisse sofort auffielen. -Sie waren hell rost- 2 braun und zeigten statt der spitzen Conuli nur vereinzelte niedrige und - stumpfe Erhebungen (Taf. II, Fig. 4). Eine Erklärung für die Ent- _ stehung dieser merkwürdigen Depressionen scheint die Beobachtung zu geben, dass ich einmal eine Patella in einer solchen Grube fest sitzend Be: dieselbe mit ihrer Sohle gerade ausfüllend fand. Es erinnerte mich Be - e es 22 » er w - I FE - - 32 Franz Eilhard Schulze, dies an ganz ähnlich geformte Vertiefungen, welche ich an der englischen Nordseeküste an der Oberfläche weicher Sandsteine durch Patella vul- gata hervorgebracht und in derselben Weise von der Schnecke mit ihrer Sohle ausgefüllt sah. Der Bau des Weichkörpers differirt nicht wesentlich von dem der übrigen bisher beschriebenen Hircinien. Das Hornskelet stimmt im All- gemeinen mit dem Fasergerüste der Hircinia foetida überein, ist aber etwas derber und weniger regelmässig gebaut. Es finden sich hier die nämlichen A—8sseitigen prismatischen oder, genauer ausgedrückt, ein wenig pyramidenförmig nach aussen zu erweiterten Radiärcanäle wie dort, deren gemeinschaftliche Eckpfeiler auch hier aus strangartig ver- flochtenen, fremdkörperhaltigen Radiärfaserzügen, und deren seitliche Grenzwände hier ebenso wie dort aus engmaschigen Gitternetzplatten mit mehr oder minder weiten Lücken bestehen. Auch die Filamente gleichen denjenigen der Hircinia foetida. O. Scauipr erhielt diesen Schwamm bei Lissa. Meine Exemplare stammen von Lesina und Rovigno. Er scheint demnach felsigen Grund zu lieben. Darf ich nun auch hoffen, durch vorstehende Mittheilungen die Kenniniss vom Baue und den Fortpflanzungsverhältnissen der adriati- schen Hircinien einigermassen gefördert zu haben, so will ich hier doch schliesslich noch besonders darauf hinweisen, dass es mir nicht ge- lungen ist, die für die Auffassung der ganzen Gattung so wichtige Frage “ nach dem Wesen der Filamente zu entscheiden. Ich vermochte nicht, die von H. J. Carter seit Jahren behauptete Algennatur derselben zu erweisen. Weder die Structurverhältnisse noch die chemische Constitution stimmen mit derjenigen irgend einer bekannten Algen- oder Pilzform hinlänglich überein. Es fehlt eben die den ähnlich geformten Fadenalgen wie Oscillaria, Leptothrix etc. zu- kommende Septirung, sowie der Nachweis einer Cellulosemembran und eines Protoplasmakörpers. Dementsprechend haben denn auch die meisten Botaniker, welchen ich die Frage zur Entscheidung vorlegte, ihr Urtheil dahin abgegeben, dass von einer Alge oder einem Pilze, ja über- haupt von einem pflanzlichen Organismus nicht die Rede sein könne. Freilich beschränkten sich ihre Gründe für dieses Verdict gewöhnlich nur auf das Argument, dass ihnen Pflanzen dieses Baues nicht bekannt seien. Andererseits hat sich nun aber ebensowenig der Beweis erbringen lassen, dass die Filamente vom Schwamme selbst producirte Bildungen seien. Denn weder können sie als zu der Bindesubstanz (in welcher sie \ wi DE M Ka HR ur ’ E 3 ee ce ce Be: Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 33 Tiegen) gehörige Elementartheile betrachtet werden, noch stimmen sie mit irgend einer der bis jetzt bei Spongien bekannt gewordeien Skelet- bildungen überein. Auch spricht das Ergebniss der Elementaranalyse gegen ihre Sponginnatur. Das von Carter berichtete gelegentliche Vorkommen von Filamen- ten in vereinzelten andern Schwammarten (als den Hircinien), und die von dem nämlichen hochverdienten Forscher bisweilen constatirte Ab- wesenheit derselben in Schwammexemplaren, welche gewissen , sonst stets Filamente führenden Hircinien, z. B. der Hircinia campana, durch- aus glichen, würde zwar beweisen, dass die Filamente weder auf die Angehörigen der Gattung Hireinia ausschliesslich beschränkte noch diesen selbst nothwendig zukommende Bildungen sind: — indessen darf doch nicht vergessen werden, wie leicht ein Irrthum bei solchen Beobachtungen möglich ist, wenn dieselben nur an trockenen oder vielleicht gar ausmacerirten Schwämmen gemacht wurden. Ich selbst bin mehrmals in dieser Hinsicht getäuscht worden. Als ich einst in einem ausmacerirten Skelete von Gacospongia cavernosa Filamente fand, glaubte ich auch zunächst, dass letztere hier ausnahmsweise ein- mal bei einer Cacospongia vorkämen, doch stellte sich später heraus, dass jenes Exemplar von Cacospongia cavernosa zufällig mit einer Hir- einia zusammen unter dem Wasserlauf zum Ausspülen gelegen hatte; und ich zweifle jetzt nicht, dass die Filamente einfach von der letzteren in die erstere hineingespült worden sind. Andrerseits muss ich er- wähnen, dass ich gar nicht selten Skelete oder Skeletpartien von wahren - Hireinien erhalten habe, welche lange Zeit im Meere selbst ausmacerirt waren, und auch nicht eine Spur mehr von Filamenten enthielten. Hiermit will ich nun keineswegs behaupten, oder auch nur als _ meine Ansicht hinstellen, dass die von Carter erwähnten Fälle, in welchen er bei Kieselschwämmen Filamente fand, und in Hornschwäm- & men, welche bekannten Hircinien im Uebrigen eitöhren die Filamente _ vermisste, auf Täuschungen beruhen; sondern ich will nur darauf hin- weisen, dass, um die Möglichkeit solcher Irrthümer, wie ich sie anführte, . auszuschliessen, die Constatirung derartiger Fälle an frischen oder wenig- e» ‚gut mit ae Weichkörper conservirten Schwämmen erforderlich sein wird. er _ Wenn ich nun hiernach die Parasiten- und speciell Algennatur der Filamente noch nicht für sicher erwiesen halten kann, so muss ich doch - bekennen, dass mir die Annahme ihrer Erzeugung dich den Schwamm- Organismus selbst sowohl nach ihrer Gestalt und Structur, als nach ihrem kenischen Verhalten, als auch nach ihrer Lagerung im Schwammkörper sehr un Eekcherutieh vorkommt. Alle diese Momente würden | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXII. Bd. 3 ur £ AR 34 / Franz Eilhard Schulze, ohne Zweifel besser mit der Annahme eines in dem Schwammkörper wachsenden und gedeihenden, ihm aber an sich fremden Organismus harmoniren. Ob nun ein solcher Organismus mit irgend einer der bis jetzt bekannten Pflanzengruppen so weit übereinstimmt, dass er mit Sicherheit zu den Pflanzen gerechnet werden kann, oder nicht, ist jeden- falls eine Frage, welche über seine Deutung als ein selbständiges Lebe- wesen noch nicht ohne Weiteres entscheidet; denn es könnte sehr wohl sein, dass es sich hier um einen parasitären Organismus handelt, bei welchem die Pflanzennatur nicht klar hervortritt. Wie dem nun auch sei, — jedenfalls scheint es mir zweckmässig, einstweilen die mit Filamenten versehenen Schwämme als eine beson- dere Gruppe aufrecht zu erhalten, deren Hauptcharakter eben in dem reichlichen und gleichmässigen Vorkommen der Filamente besteht — wie man denn ja auch die Flechten immer noch als eine besondere Pflanzen- gruppe beibehält, trotzdem es nicht unwahrscheinlich ist, dass dieselben eigentlich nur Pilze mit darin wohnenden Algen darstellen. Oligoceras collectrixn.g.,n.sp. Unter den vielen Hornschwämmen, welche ich in Lesina erhielt, befinden sich einige Stücke, welche in mehrfacher Beziehung von den hisher bekannt gewordenen Formen abweichen, und mich zur Aufstel- lung einer neuen Gattung nöthigen. | Es sind compacte kuchenförmige oder ganz unregelmässig gestaltete Massen mit flach gewölbter Oberseite, welche mit ebener oder unregel- mässiger Unterseite der wahrscheinlich steinigen Unterlage angewachsen waren, und in der Grösse ausserordentlich variiren. Das auf Taf. II in Fig. 6 abgebildete Stück war circa 15 cm lang, 2—-3 cm hoch und etwa 4 cm breit. Die Oberfläche, welche zwischen zahlreichen, den Schwamm theils durchsetzenden theils bedeckenden Fremdkörpern, wie Muschelschalen, Korallenstücken und dergl. nur streckenweise frei hervorschaut, ist tief sammetschwarz und grösstentheils glatt, jedoch hier und da mit theils ganz vereinzelt, theils unregelmässig zerstreut stehenden, kleinen, ab- : gerundet kegelförmigen Höckern besetzt, welche, wie sich sogleich zeigen _ wird, den Conulis der übrigen Hornschwämme entsprechen, und daher auch von vorn herein so bezeichnet werden sollen (Taf. II, Fig. 6). Während sich andere Hornschwämme dieser Grösse nur mit Gewalt zerreissen lassen, bricht dieser wie ein lockerer Kieselschwamm, etwa eine Tedania, sehr leicht auseinander. Die Bruchfläche erscheint un- regelmässig höckerig und zeigt zahlreiche grössere und kleinere einge- backene Fremdkörper der verschiedensten-Art, mehr oder minder weit Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 35 Es F vorstehend. Die Farbe des inneren Parenchyms ist weiss mit gelblich- röthlichem Schimmer und sticht scharf gegen die dünne schwarze äussere Grenzschicht ab (Taf. II, Fig. 6). Ich _ muss gestehen, dass ich bei der ersten orientirenden Unter- suchung dieses Schwammes, nachdem ich die eben erwähnten Eigen- thümlichkeiten constatirt hatte, denselben nicht für eine Hornspongie gehalten habe. Erst als ich bei der darauf vorgenommenen mikrosko- pischen Analyse keine Kieselnadeln, dafür aber ausser zahlreichen, im Gewebe zerstreut liegenden isolirten Fremdkörpern einzelne spärlich verästelte rundliche, sandreiche Hornfasern, und ganz die näm- lichen Bau- und Structurverhältnisse des Weichkörpers antraf, welche _ bei den Spongiden vorkommen, wurde mir klar, dass es sich um einen Hornschwamm handle. Das Merkwürdigste an demselben ist jedenfalls der Mangel eines eigentlichen Hornfasernetzes. Die Hornsubstanz ist so spärlich ent- wickelt, dass man erbsengrosse Stücke des Schwammkörpers unter- suchen kann, ohne etwas davon zu finden. An den meisten mikroskopi- schen Schnitten ist auch in Folge dessen überhaupt gar nichts vom Sponginskelet zu sehen. Isolirt man das Horngerüst durch vorsichtige Maceration grösserer Schwammstücke in verdünnter Salzsäure, so zeigt es sich, dass dasselbe aus hirschgeweihähnlich weitläufig verästelten, nur hier und da einmal durch vereinzelte Anastomosen verbundenen rundlichen Fasern von 0,1—0,4 mm Durchmesser besteht, welche zwar concentrisch ge- schichtete Sponginlagen deutlich erkennen lassen, aber so reichlich von fremden Körpern, wie Sandkörnchen, Kieselnadelbruchstücken und dergl. erfüllt und durchsetzt sind, dass nur hier und da einmal eine freie und glatte Partie zu finden ist (Taf. III, Fig. 5 und 6). Die äussersten etwas verjüngten Enden dieses Hornfasergerüstes _ erreichen fast die Oberfläche des Schwammes und ragen bis in die - Conuli hinein. F ; In Betreff des Weichkörpers wurde schon hervorgehoben, dass der- » selbe, von der Einlagerung zahlloser Fremdkörper abgesehen, im Wesent- L lichen mit demjenigen der Spongiden, etwa einer Cacospongia cavernosa, _ übereinstimmt. Hier wie dort besteht die verhältnissmässig dicke Haut- _ schicht sowie die Umgebung aller zu- und abführenden Canäle aus der bekannten gallertigen Bindesubstanz mit hyaliner Grundmasse, während - die Grundsubstanz des die Geisselkammern zunächst umgebenden Binde- gewebes auch hier von zahllosen stark lichtbrechenden Körnchen gleich- Z mässig getrübt ist (Taf. III, Fig. 7). Anordnung, Form und Bau der Geisselkammern sowie des. ganzen zu- und abführenden Canalsystems 3* Ka ‘ 36 | Franz Rilhard Schulze, gleicht ebenfalls durchaus demjenigen einer Gacospongia. Der Umstand, | dass an meinen Präparaten die feinsten Ganäle, besonders die unmittel- bar mit den Geisselkammern zusammenhängenden, im Verhältniss zu den entsprechenden Ganälen der Gacospongien, auffallend eng und ge- streckt erscheinen (Taf. Ill, Fig. 7), dürfte sich auf den Mangel eines elastischen Hornfasernetzes zurückführen lassen, durch welches sonst die sämmtlichen Ganäle dilatirt gehalten werden. - Trotz der grossen Abweichung in der Skeletbildung halte ich Oligo- ceras collectrix für eine nahe Verwandte von Gacospongia, und bin ge- neigt, die dürftige Entwicklung des Spongingerüstes mit der so ausser- ordentlich reichlichen Aufnahme von Fremdkörpern in Verbindung zu bringen. Vielleicht kann man sich die phylogenetische Entstehung dieser merkwürdigen Hornschwammform so vorstellen, dass eine zur Aufnahme von Fremdkörpern (in ähnlicher Weise wie z. B. unsere Gacospongia caver- nosa) besonders geneigte Spongide durch fortgesetzte sehr reichliche An- eignung von Fremdkörpern hinlänglich gefestigt und gestützt ward, um des Hornfasernetzes bis auf geringe Reste entbehren zu können; und dass mit der weiteren Ausbildung jener Fähigkeit allmälig das zwar früher nothwendige, jetzt aber nicht mehr unentbehrliche Hornfasernetz auch wirklich verkümmerte. z Graz, Mai 1879. Literaturverzeichniss. Nr. A, 4833. NArDo, Spongiariorum classificatio. Isis 1833. Nr. 2. 4834. NArno, Isis 1834. Nr. 3. 1845. BOWERBANK, Observations on the Spongiadae. Annals. 1845. Vol. 16. p. #00. Nr. 4. 4847. Narpo, Prospetto della fauna marina volgare del veneto aestuario. Venezia. Nr. 5. 4859. LiEBErküsn, Neue Beiträge zur Anatomie der Spongien. Archiv für Anat. u. Physiol. 1859. Nr. 6. 4862. O. Schmidt, Die Spongien des adriatischen Meeres. Nr. 7. 1864. BowERBANKk, A monograph of British Spongiadae. Nr. 8. 4864. O. Scumipr, Supplement der Spongien des adriatischen Meeres. Nr. 9. 4864. KÖLLIkER, Icones histiologicae. Nr. 10. 1864. DucHassAıng et MICHELOTTI, Spongiaires de la mer Carsihe Nr. 44, 4866. O.Scamipt, Zweites Supplement der Spongien des adriatischen Meeres, i Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien, 57 Nr. 12. 4868. O. Scanıpt, Spongien der Küste von Algier. Nr. 43. 4870. O. Scaamipt, Grundzüge einer Spongienfauna des atlant, Gebietes. Nr. 14. 4874. CARTER, Parasites of Sponges. Annals ser. IV. Vol. 8. p. 330. Nr. 45. 4877. Hyatt, Revision of the North-Americ. Poriferae. Memoires of the Boston soe. of nat. hist. Vol. 11. Nr. 16. 4878. O. Scuamipt, Die Fibrillen der Spongiengattung Filifera Lieberkübn. Diese Zeitschr. Bd. XXXI. p. 661. Nr. 47. 4878. CARTER, Parasites of the Spongida. Annals. ser. V. Vol. II. p. 457. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 4. Hircinia variabilis mit fingerförmigen Erhebungen. Von Triest. Diese Form entspricht der Hircinia variabilis O. Schmidt. Fig. 2. Hircinia variabilis var. flavescens; der Hircinia flavescens O0. Schmidt entsprechend. Von Miramare bei Triest. Fig. 3. Ein Durchschnitt von Hircinia variabilis var. flavescens. Fig. 4. Hircinia variabilis mit reichlicher Sandeinlagerung in der Haut und mit vielen einzelligen Algen in der Rinde. Diese Form entspricht wahrscheinlich der Hircinia hebes O. Schmidt. Fig. 5. Theil eines Durchschnittes der in Fig. 4 dargestellten Hircinia variabilis. Tafel II. Fig. 4. Hirciniaspinosula von Triest. Fig. 2. Durchschnitt einer Hirciniaspinosula von Triest. Fig. 3. Durchschnitt einer Hircinia foetida von Lesina. Ein Theil war ab- gestorben und nur noch im vollständig ausmacerirten Skelete erhalten. In einem der breiten Gänge steckt eine Saxicava arctica. Fig. 4. Hircinia muscarum von Rovigno. An der Oberfläche bemerkt man zwei wahrscheinlich von ansitzenden Patellen herrührende Vertiefungen mit ab- weichender Färbung. Fig. 5. Durchschnitt einer Hircinia muscarum von Rovigno. An einer Stelle ist _ eine commensale Saxicava arctica getroffen. Fig. 6. Oligoceras collectrix von Lesina, an einer Seite angeschnitten. Tafel III. Fig. 4. Senkrecht zur Oberfläche geführter Schnitt aus einer Hircinia variabilis var. flavescens. Combinirt. Vergrösserung 80/4. Fig. 2. Theil eines völlig ausmacerirten Skelets von Hircinia foetida, die aus _ sechs radiären Hauptfasersträngen und den Verbindungsfasernetzplatten bestehende Wandung einer radiären Röhre darstellend. Fig. 3. Zwei radiäre Hauptfaserstränge mit den dazwischen ausgespannten 'Verbindungsfasernetzplatten vom ausmacerirten Skelete einer Hircinia foetida. Vergrösserung 8/l. 38 Franz Eilhard Schulze, Untersuchungen üb, d. Bau u. d. Entw. d. Spongien. Fig. 4. Spermahaufen mit Umgebung aus einer zwittrigen Hircinia Bu Vergrösserung 550/A. Fig. 5. Theil des mittels verdünnter Salzsäure isolirten Hornfasergerüstes von Oligoceras collectrix. Natürliche Grösse. Fig. 6. Bruchstück von dem in Fig. 5 dargestellten Hornskelete von Oligoceras collectrix. Vergrösserung 100/A. Fig. 7. Senkrecht zur Oberfläche gerichteter Schnitt aus einer Oligoceras col- lectrix ; combinirt. Vergrösserung 400/1. Tafel IV. Fig. 1. Ein vollständig isolirtes Filament aus einer Hircinia variabilis var. flaves- cens. Vergrösserung 200/A. Fig. 2. Rissende aus der Mitte eines frischen Eilameilles von Hireinia variabi- lis. Vergr. 800/A. Fig. 3. Rissende eines lange Zeit in Wasser macerirten Filamentes von Hircinia variabilis. Vergrösserung 800/A. Fig. 4. Rissende eines mit verdünnter Schwefelsäure behandelten Filamentes von Hircinia variabilis. Vergrösserung 800/1. | Fig. 5. Rissende eines von gelben Körnchen durchsetzten frischen Filamentes. Vergrösserung 800/A. Fig. 6—9. Verschiedene Formen von 1 Filamentendknöpfchen von Hireinia varia- bilis. Vergrösserung 800/14. Fig. 10. Eine endknöpfchenähnliche Anschwellung in der Mitte eines Filamen- tes von Hircinia variabilis. Vergrösserung 800/1. Fig. 14. Knoten mit drei Filamentenden aus der Mitte eines Filamentes von Hir- cinia variabilis. Vergrösserung 800/A. Fig. 12. Doppelknoten mit sechs Filamentenden aus Hircinia variabilis. Ver- grösserung 800/14. Fig. 43. Zwei Filamentknoten mit fadenförmiger Verbindungsbrücke aus Hir- einia variabilis. Vergrösserung 800/A. Fig. 44. Auswuchs eines Hircinia variabilis-Filamentes. Vergrösserung 600/A. Fig. 45. Braune kugelige Algen aus der Rindenschicht einer Hircinia variabilis, darunter eine in Theilung begriffene. Vergrösserung 800/A. DR 2; e. Keimblätter und Organanlage der Echiniden '). Von Dr. Emil Selenka, Professor in Erlangen. Mit Tafel V—VIl. Die nächste Veranlassung zu der vorliegenden Untersuchung gab mir der Wunsch, die Anlage und das Schicksal der Keimblätter sowie die physiologische und morphologische Bedeutung der Larvenorgane bei Echiniden dem Verständnisse näher zu führen. In diesem Sinne reiht sich meine Mittheilung an eine frühere Arbeit über die Entwickelungsge- schichte einiger Holothurien ?), und bezweckt wie jene vorläufig nur eine Darstellung der gewonnenen Resultate. Vorbemerkung. Die folgenden Untersuchungen wurden um Ostern 1879 in der zoo- logischen Station zu Neapel angestellt. Fünf geschlechtsreife Echiniden- species wurden erhalten: Echinus miliaris, Toxopneustes brevispinosus, S’rongylocentrotus lividus, Arbacia pustulosa und Echinocardium cor- datum; auf diese beziehen sich die folgenden Mittheilungen. Wenn die künstliche Befruchtung bei Echinodermen auch schon sehr häufig ausgeführt worden ist, zuerst von K. E. von Baer), später von JoH. MÜLLER, Kroun, A. Acassız, W. Busch u. A., so will ich hier doch in Kürze ein Verfahren besprechen, welches fast immer zum Ziele führt und die Züchtung normaler Larven ermöglicht. Behufs künstlicher Befruchtung ist es räthlich, die Geschlechts- 4) Als vorläufige Mittheilung im Auszuge erschienen in den Sitzungsberichten der physikal.-medicin. Societät zu Erlangen 1879. 2) Diese Zeitschrift. Bd. XXVII. 3) Bei Toxopneustes brevispinosus. Auszug aus einem Berichte des Akademikers BE . Baer, aus Triest, vom 4.(13.) Nov. 4845 in: Bulletin de la classe phys.-math. st Be ehours. 6 V. 4847. 9:23, U, f. 40 Emil Selenka, organe, nachdem sie durch Zertrümmern der Schale blossgelegt sind, durch einen Skalpellschnitt einzuschneiden; fliessen die Geschlechtsstoffe sofort reichlich aus, so sind dieselben reif. Zunächst werden die ausge- tretenen Eiermassen mit dem Messer abgehoben und in ein Schälchen mit Seewasser abgespült. Die Geschlechtsdrüsen selbst im Wasser ab- zuspülen ist unzweckmässig, weil auf diese Weise immer zahlreiche un- reife Eier sowie Fetzen des Dam in das Wasser gerathen und später Fäulniss veranlassen. Nachdem man von einigen Weibchen die Eier ent- nommen, fügt man denselben einen stecknadelknopfgrossen Tropfen reifen Spermas hinzu und rührt um. Nach einigen Minuten ist die Befruchtung geschehen. Die befruchteten Eier werden auf mehrere, mit reinem oder filtrirtem Seewasser gefüllte, einige Liter fassende Gläser vertheilt. Um genügende Ventilation und Bewegung des Wassers herzustellen, dienen einige wenige, in Seewasser abgespülte lebenskräftige Fadenalgen (Ulva eignet sich weniger), welche am zweckmässigsten durch ein Stein- chen am Boden der Gefässe festgehalten werden, damit der unter dem Einflusse der Lichtstrahlen erzeugte Sauerstoff auch den unteren Wasser-. schichten zu Theil werde. In den ersten 10—24 Stunden bleiben die Embryonen am Boden liegen; falls das Wasser trübe sein sollte, lässt es sich also noch leicht abheben und erneuern; später aber, wie auch Kronn angiebt , durch- brechen sie die Dotterhaut und durchschwärmen das Wasser in alien Richtungen, halten sich aber bald gern dicht unter dem Wasserspiegel, wo sie mit einem Haarpinsel oder der Pipette leicht herausgehoben wer- den. Findet sich nach Verlauf von zwei Tagen noch ein grösserer Rest von Eiern am Grunde des Gefässes, so müssen diese sorgfältig entfernt werden. Erst gegen Ende des dritten Tages oder noch später bedürfen die Larven der Nahrung, die sich bis dahin auch immer schon reichlich eingefunden hat. Unter Beobachtung der erwähnten Cautelen verläuft die Entwick- lung in den ersten Tagen fast immer ganz normal. Früher oder später aber zeigen sich Abnormitäten und Monstrositäten, weniger wohl in Folge mangelnder Nahrung, als aus anderen schwer zu bestimmenden Grün- den. Aızx. Acassız!) räth an, die Gläser in grössere Wasserkübel zu setzen und so eine gleichbleibende Temperatur zu erzielen; aber auch diese Vorsichtsmassregel nützt nichts auf die Dauer, die Entwicklung geht schleppend langsam weiter, sistirt endlich und die Larven gehen zu Grunde. Es ist mir nicht gelungen, normale Larven über ein Alter von 8—14 Tagen hinaus zu züchten, doch glückte es bis zu diesem Ter- 4) Embryology of the Starfish, in: Contrib. to the Nat. Hist. of the United. Sta- tes. Vol. V. 1864. Keimblätter und Organanlage der Echiniden. -41 mine vollständig, wie ich aus der Vergleichung vieler Individuen unter einander und mit frisch eingefangenen, in einem sehr feinen Seidennetze im Auftrieb gefischien Larven constatiren konnte. Jedenfalls ist grosse Vorsicht beim Studium der gezüchteten Thiere zu empfehlen; die von Dersis!) abgebildeten Larven sind z. B. sammt und sonders abnorm oder monströs, wie aus der reichlichen Entwicklung der Mesodermzellen und den frei vorstehenden Kalknadeln schon zu ersehen ist. Zum Zwecke der Beobachtung wurden die Embryonen oder Larven in einen flach ausgebreiteten, am Deckglas hangenden Tropfen gebracht und in der feuchten Kammer eingeschlossen. Ich bediene mich seit einigen Jahren mit grossem Vortheile einfacher, aus circa 3 mm dickem Spiegelglas gefertigter Ringe?) von ci’ca 40 mm Durchmesser und einer inneren Oeffnung von 12—20 mm. Zur Herstellung der feuchten Kammer wird der Ring auf einen grösseren Objectträger gelegt und mittels eines zufliessenden Tropfens Seewasser, welcher sich durch Capillarattraction sofort ausbreitet und einen vortrefflichen Verschluss bildet, unverschieb- bar fixirt. Um Verdunstung zu verbüten, wird auf den Boden der Kammer noch ein Tropfen Seewasser gebracht. Nachdem dann der obere innere Rand des Ringes mit Seewasser befeuchtet ist, bildet man den Verschluss durch das aufgelegte Deckgläschen. Einen halben oder ganzen Tag erhalten sich die Larven ganz frisch und gesund. » Die Furchung). Die Eier der Echiniden, wie überhaupt aller Echinodermen, erlei- den eine totale Furchung. Während der ersten Furchungsstadien sind meistens alle Zellen von gleicher Grösse. Harckeı *) nennt diese Art der 4) Observations sur le mecanisme et les phenomenes qui accompasnent la for- - mation de !’embryon chez l’oursin comestible in: Ann. desSc.nat. III Serie. Tom. VIII. 41847. p. 80—98. PI.V. — Derses beobachtete hier schon eine »radiation un peu confuse« des sich furchenden Eies. ; 2) Solche »Glasringe für feuchte Kammern« fertigt der Glasermeister H. VoGEL in Giessen das Dutzend zu 61/, Mark. | 3) Ich übergehe hier die bekannten Veränderungen, welche das Ei der Echini- - den durch die Befruchtung erleidet und will nur einer in Vergessenheit gerathenen A Mittheilung v. Barr’s (a. a. O.) hier gedenken. Schon im Jahre 1845 beobachtete $ v. Baer die Wanderung des Eikerns in das Centrum des Eies nach erfolgter Befruch- fung; er constatirte das Verbleiben des Kerns während der Theilung, sah die ‚Sireckung desselben , das » Aussprossen«, die »Anschwellung an beiden Seiten«, die »Verflüssigung«, das » Wachsthum vor der Theilung« und die Art der Trennung der beiden Kernhälften. Auch im Froschei schwinde der Kern nicht während der Thei- lung, wie BAsGE und KöLLıker behaupteten. 4) E. HAcEckEL, Die Gastrula und die Eifurchung der Thiere, in: Jenaische Zeit- Schrift. Bd. IX. 1875. “ ef 42 Emil Selenka, Furchung die primordiale und vindicirt ihr den Charakter der ursprüng- lichen Theilung des thierischen Eies überhaupt, eine Annahme, für welche sich Gründe und Gegengründe beibringen lassen. Da wir gegen- wärtig noch nicht wissen, auf welchem Wege und durch welche Zwi- schenformen sich die Keimblätterthiere aus den Protozoen entwickelt haben, da ferner bei den niedrigsten Coelenteraten, den Schwämmen, die »primordiale« Furchung durchaus nicht die Regel ist, so möchte ich. die gleichmässige totale Furchung lieber als reguläre bezeichnen. Wie bei anderen Echinodermen, so werden auch bei den Echiniden sehr bald Grössendifferenzen zwischen den einzelnen Furchungszellen wahrnehmbar, sobald nämlich die Zahl derselben über 16 oder 32 hin- ausgeht: die am hinteren Blastulapole gelegenen Zellen sind höher und grösser. Aus diesem verdickt erscheinenden Theile des Blastoderms ent- steht, wie auch bei allen übrigen Echinodermen, Entoderm plus Meso- derm. Kann daher die Eifurchung der Echinodermen im Allgemeinen als eine reguläre bezeichnet werden, so kommen daneben immer einzelne Fälle von inäqualer Furchung (Harcker) vor, indem schon bei den Furchungszellen dritter, zweiter, ja sogar erster Ordnung Grössendifle- renzen auftreten, wie METScHNIKOFF bei Ophiurideen, ich selbst bei Ho- lothurien und nun auch bei Echiniden fand. Mag man immerhin diese Fälle von inaequaler Furchung als Ausnahmen bezeichnen, so sind sie doch keineswegs pathologisch, wie die ganz normale Weiterentwicklung lehrt. Fassen wir also allein die äusseren Formverhältnisse der Furchungs- kugeln ins Auge, so lassen sich reguläre und inäquale Furchung nicht streng scheiden. Aber auch in morphologischer Beziehung erscheinen beide Furchungsmodi nicht wesentlich verschieden und zwar aus folgen- den Gründen. | Wir wissen, dass der Ort, an welchem das Spermatozoon in den Dotter eindringt (und der gewöhnlich oder oft mit der Austrittsstelle der Richtungskörper aus dem Dotter zusammenfällt), schon die Lage der ersten Furchungsebene ziemlich genau bestimmt; dass mit dem Ein- dringen des Spermatozoons, also auch schon die Längsachse des späteren Embryos rechtwinklig zur ersten Furchungsebene fixirt ist. In Eiern mit inäqualer Furchung ist mit der Festlegung der ersten Furchungsebene aber auch schon das Vorn und Hinten des Embryos bestimmt, indem bekanntermassen die grössere Furchungszelle dem hinteren Körperab- schnitte entspricht. Wenn sich nun auch für die regulär sich ab- furchenden Eier nicht immer eine solche frühzeitige Orientirung des Embryos constatiren lässt, so muss man dieselbe doch zweifellos als Keimblätter und Organanlage der Echiniden. 43 bestehend annehmen. Aber selbst im entgegengesetzten Falle würde sich der morphologische Unterschied zwischen regulärer und inäqualer Furchung reduciren auf die etwas früher oder später eintretende Schei- dung der Furchungszellen in ectoderme und entoderme. Es ist aber wahrscheinlich, dass solch ein Unterschied nicht existirt. Reguläre und inäquale Furchung sind daher als principiell gleich- ‚artige Vorgänge und nur als Modificationen eines und desselben Bildungs- typus zu betrachten. Allerdings muss die Verschiedenheit zwischen beiden Furchungsmodi ihre Bedeutung haben, die aber bisher noch nicht verstanden ist, von der sich jedoch dies wenigstens sagen lässt, dass sie ‚auf physiologischem Gebiete zu suchen sei; und damit ist doch Etwas gewonnen. Schlussfolgerungen auf die Phylogenie machen zu wollen auf Grund jener verschiedenen Furchungsarten erscheint aber um so weniger gestattet, als reguläre und inäquale Furchung innerhalb der einzelnen Thiertypen oft regellos neben einander vorkommen, so dass wir nicht sowohl die Organisation als vielmehr die Lebensweise des Mutterthieres wie des Embryos als Veranlassung zu Modificationen der Keimblätteranlage betrachten müssen. Für kategorisch verschieden kann ich erst jenen Furchungsmodus ansprechen , bei welchem ein oder mehrere Furchungszellen zum Nahrungsdotter werden, indem dieselben, früher oder später, ihre Zellen- natur einbüssen. Diese Art der Furchung, welche von HazckEL unter - die inäquale Furchung einregistrirt wurde, aus welcher sie offenbar auch herzuleiten ist, nenne ich die metabolische. Eine Uebersicht dieser Verhältnisse lässt sich in umstehendem Schema (p. 44) gewinnen, in welchem die Pfeile zugleich die muthmass- liche Ableitung der verschiedenen Furchungsarten von einander andeu- ten sollen. Auch die complieirteren Furchungsmodi sind mit aufgenom- men. Wie die durch »Spaltung« sich vollziehende Keimblätteranlage in dieses Schema einzureihen sei, werde ich an einem andern Orte aus- - zuführen haben. Gallertkern. Bekanntlich lagert sich bei allen Echinodermen im names: der Blastula ein gerinnbarer Nahrungsstoff, der sogen. Gallertkern ab, der zugleich die Function einer Stütze für die Blastodermzellen erfüllt. _ Dieser Gallertkern ist in letzter Instanz auf die helle Grenz- oder Rinden- - schicht des unbefruchteten Eies zurückzuführen, indem diese schon beim _ Beginn der Furchung sich zwischen den Encchungezellen ansammelt, um nach und nach, durch Aufnahme von Wasser und neuen Nahrungs- stoffen aus den denen, zu einem grossen Nahrungsdotter her- Furchungszellen an- fänglich von gleicher Grösse. Furchung regulär [ Alle Furchungszellen werden direct zum Aufbau des Embryos verwendet Furchungszellen von Beginn an von ungleicher Grösse. Fur- | chung inäqual (HAEcCKEL) N Totale Eifurchung se Emil Selenka, Einige (kernhaltige) Zellen gehen wäh- rend der Furchung zu Grunde und werden zum Nahrungsdotter; dieser In in die Furchungshöhle oder aber in die Darmhöhle. Furchung Y len metabolisch \ en (HAECKEL) discoidal (HAEckEL) Furchungszellen la- gern Sich periphe- risch , der Nahrungs- dotter gelangt in die Furchungsbhöble. Furchung Die Scheidung der Eizellein Furchungs- dotter und kernfreien Nahrungsdotter ge- (schieht erst während der Furchung. Furchungszellen an einem Eipole gela- gert. Der Nahrungs- dotter gelangt in die Furchungshöhle oder meistensin dieDarm- höhle. Furchung Partielle Eifurchung Die Scheidung des Eies in die Eizelle und den kernfreien Nahrungsdotter geschieht schon vor der Befruchtung des Eies. Der Nahrungsdotter g0-| langt in die Darmhöhle. Furchung ) trochoidal!) 4) Es scheint mir geboten, die hier als trochoidale bezeichnete Furchung von der discoidalen morphologisch zu trennen. Denn das der trochoidalen Furchung unterliegende Ei hat nicht mehr, wie jenes, den Formwerth einer Zelle, sondern einer Zelle plus getrenntem angelagerten Nahrungsdotter. Streng genommen wäre die Furchung der Eizelle in diesem Falle eine totale, $ = Keimblätter und Organanlage der Echiniden. 45 anzuwachsen. Auch Fettstoffe werden allmälig in diesen Gallertkern !) abgelagert, wie die Schwärzung nach Einwirkung von Osmiumsäure lehrt. Erst mit der Vergrösserung der Peritonealsäcke verflüssigt sich dieser Gallertkern,, um sich endlich, verdrängt von der Peritoneal- oder Leibeshöhle, auf eine Kammer in der Nähe des Mundes zurückzuziehen. Ein Morulastadium im Sinne Haezcker’s, bei welchem die Furchungs- zellen anfangs in einem gemeinsamen Punkte sich berühren, kommt nach dem Gesagten hier ebensowenig, wie bei den übrigen Echinodermen vor, indem schon die ersten beiden Furchungshalbkugeln von einer ‚Zwischenschicht getrennt sind. Dieser Modus der Furchung und der Bildung eines Nahrungsdotters "bildet (in physiologischem Sinne genommen) den Uebergang zu der von Hazcker als superficiale bezeichneten partiellen Furchung, wie sie für ‚das Insecten-Ei charakteristisch ist. In beiden Fällen wird von Beginn ‘der Furchung an ein Theil der Eizelle in die Blastodermhöhle geschafft ; ‚aber während bei den Echinodermen dieser Nahrungsdotter unbedeu- 'tend ist und ganz allmälig an Grösse zunimmt, geht dieser Process der Absonderung von Nahrungsstoff bei dem Insecten-Ei sehr rasch von "Statten — ob in ganz derselben Weise wie bei den Echinodermen, bleibt ‚freilich noch zu untersuchen. — Jede Blastodermzelle trägt eine sehr lange und feine Geissel; nur bei Arbacia pustulosa sind die Geisseln merklich dicker, wie denn auch ‚die Gastrula dieser Species sich in ihrem Aeusseren von den übrigen Larven unterscheidet. Mesodermkeim. Wenn nicht schon im Anfange der Furchung eine Grössendifferenz der Furchungszellen auftritt (wie es zuweilen abnormer Weise geschieht, "und in welchem Falle die grössere der beiden Furchungszellen dem ‚hinteren Körperabschnitte entspricht), so macht sich ein solcher Unter- schied doch spätestens bei der Blastula von 16 oder 32 Zellen geltend. ER} - D Der verdickte Theil des Blastoderms entspricht, wie bei den übrigen Echinodermen so auch hier, dem Entoderm plus Mesoderm. Bone, ; Bei den sehr durchsichtigen Larven von Echinus miliaris und Toxo- R, neustes brevispinosus konnte die Entstehung des Mesoderms sehr genau Es, 3 folgt werden (Fig. I—5, 21, 38—39). In der Mitte des verdickten Theiles des Blastoderms Snistäht, zusammenfallend mit der Längsachse ee späteren Gastrula, von innen her eine trichterartige Vertiefung, 46 | Emil Selenka, welche sich nach ungefähr einer Stunde in eine spaltartige Rinne ver- längert, die erst nach erfolgter Bildung des Mesodermkeims wieder ver- streicht. Durch diese Rinne ist auch die seitliche Symmetrie des Larven- körpers fixirt; beiderseits nämlich von diesem Spalt entstehen durch Theilung einer geringen Anzahl von Entodermzellen die Mesodermkeime in Form von zwei, je k—8 Zellen umfassenden Zellhaufen, die sich bald vom Mutterboden abtrennen, um endlich als amöboide, noch mehrfacher Theilung unterworfene Zellen den Gallertkern zu durchwandern. Zeit- weilig können diese Wanderzellen durch die rasche, bald nach rechts bald plötzlich nach links herum in stetem Wechsel um die Längsachse rotirende Bewegung der Larve fortgeschleudert und zu einem äquatoria- © len Ringe angesammelt werden, bis sie endlich, wenn das Maximum der Rotationsgeschwindigkeit nach Bildung der Gastrula überschritten ist, ihre Eigenbewegungen wieder beginnen und mittels langer, oft ver- ästelter Pseudopodien sich langsam durch den Gallertkern zerstreuen. Diese Mesodermzellen erfüllen während des Larvenlebens dreierlei Functionen. Ein Theil derselben erzeugt unter Beibehaltung der amö- boiden Natur das Kalkskelet als Cuticularbildung (Taf. V-VM). Man kann deutlich wahrnehmen, wie innerhalb zweier lateral-symme- 3 trisch gelagerter Zellen zuerst ein Kalkkörnchen sich ablagert, wie jedes zu einem regelmässigen Dreistrahler auswächst (Fig. 6, 33), und wie die skeletogene Zelle sich dann auf einen Strahl zurückzieht, um unter steter Abiagerung von Kalksalzen (und organischer Achsensubstanz) an der weiterwachsenden Spitze sich fortzuschieben. Neue Mesodermzellen lagern sich an und bewirken das Wachsthum der andern beiden Strah- len, wieder andere erzeugen die Seitenäste. Eine Vermehrung. und Theilung der Mesodermzellen findet zur Zeit der Skeletbildung der Larve nicht oder nur in sehr beschränktem Maasse statt. — Ein anderer Theil der Mesodermzellen wird zur Ringmuskulatur des Vorderdarms (Magen- und Hinterdarm bleiben selbst bei der Pluteusform noch ohne ° Muskeibeleg, zeigen also keine Contractionen); Jos. MüLLEr deutete sie irrthümlich als Ganglienzellen. — Ein dritter Theil wird zu sternförmi- gen oder spindelförmigen, als Suspensorien fungirenden contractilen Zellen, ausgespannt zwischen Bauch und Rücken oder zwischen Haut und Darm. — Ein Dutzend oder einige Dutzend Mesodermzellen bleiben an der inneren Körperwandung oder im Gallertkern liegen, um vermuth- lich erst später während der Umbildung der lateral-symmetrischen Larve in das Radiärthier als Bildungsherde der Körper- und Darmmuskulatur zur Geltung zu kommen. | r Die durch den paarigen Mesodermkeim zuerst angedeutete Lateral- 4 symmetrie der Larve verwischt sich freilich wieder, indem die Meso- _Keimblätter und Organanlage der Echiniden. 47 dermzellen sich bald regellos durch den Gallertkern zerstreuen; trotz- dem muss man annehmen, dass dieselbe erhalten bleibt und mit der später durch das Skelet bezeichneten zusammenfällt. Eines Beleges für diese Annahme bedürfte es wohl kaum, doch lässt sich die Richtigkeit der Vermuthung an monströsen und ungleich entwickelten Larven demonstriren. Im Widerspruch mit diesen Beobachtungen und Deutungen stehen die Angaben Greerr's!) über die Entwicklung von Asterias rubens. GrEEFF beobachtete » dass die Mesodermzellen nicht blos an der Stelle des Ectoderms hervorsprossen, an welcher später die Einstülpung er- folgt und die somit zum Entoderm wird, sondern dass dieselben an jeder Stelle des innern Umfangs des Ectoderms entstehen können, schon dann, wenn noch keine Andeutung einer Entodermbildung an der völlig ein- schichtigen Keimblase sichtbar ist... .. . (die Mittelblattzellen) entstehen nun, wie es scheint, von Ectoderm und Entoderm zugleich«. Diese An- gaben GRrEEFF’s treffen allerdings auch für Holothurien und Echiniden zu, nur handelt es sich hier lediglich um pathologische Bildungen! Un- genügende Ventilation oder Erwärmung des umgebenden Wassers, Gegenwart faulender Stoffe u. s. w. rufen unvermeidlich allerlei abnorme und pathologische Bildungen hervor, wie mangelhafte Abfurchung, ver- spätete Einstülpung des Entoderms, sogar Zwillingsanlagen, und zu diesen krankhaften Symptomen gehört sicherlich auch die Losschnürung der Mesodermzellen vom Ectoderm, Bei durchsichtigen normalen Larven der Echiniden und Holothurien lassen sich die Mesodermzellen ganz gut ‚zählen; sie sind bei der Pluteus- und Auricularienform nicht reichlicher als bei der ausgebildeten Gastrula.. Und ebensowenig nimmt die Zahl der Eetodermzellen während jener Epoche zu; bei gesunden Thieren kann man sie auch niemals mit den Mesodermzellen verwechseln, welche letztere sich wohl gegen das Ectoderm anlegen, aber nimmermehr als - Theilproducte der Ectodermzellen sich documentiren. Nur bei kranken _ und im Absterben begriffenen Larven tritt ein Zerfall der Ectodermzellen ein. Die Angabe Grerrr’s muss ich demnach als ungenau und unrichtig zurück weisen. Auch der Deutung METschniKoFF's?) muss ich auf das Bestimmteste entgegentreten, dass aus den Mesoderm- oder Wanderzellen lediglich 4) R. GrREEFF, Ueber den Bau und die Entwicklung der Echinodermen. Sechste Mittheilung in: Sitzungsber. d. Ges. z. Bef. d. ges. Naturwissensch. Marburg 4879. Mai. Nr. 4. p. 51—52. : 2) E. METSCHNIKOFF, Studien über die Entwicklung der Echinodermen und Ne- - -mertinen. Mit 42 Kupfertafeln, in: Mem. de l’Acad. Imp. des Scienc. St. Petersbourg. _ Vlle Serie. Tom. XIV. Nr. 8. 4869. 48 Emil Selenka, die Cutis sich bilde; vielmehr geht aus ihnen auch die Muskulatur hervor. | Gastrula. Nachdem aus dem verdickten Theile des Blastoderms die paarigen Mesodermkeime ausgetreten sind, flacht sich derselbe ab und stülpt sich in die Furchungshöhle ein t), unter unbedeutender Vermehrung der Zellen (Fig. 4—6, 21 —25, 35). Im Laufe eines halben Tages ungefähr nimmt dieser » Urdarm« die Gestalt eines schlauchförmigen Rohres an, welches : bald eine provisorische Anheftung an das Eetoderm, vermittels einiger weniger Mesodermzellen erfährt. Zuweilen fehlen diese contractilen Suspensorien, in welchem Falle dann der Gallertkern allein die Stütze- für den Urdarm abgiebt. | Dass der Gastrulamund, d. h. die ursprüngliche Einstülpungs- öffnung zum After der Larve werde, hat Kronn zuerst für einige Echiniden , A. Acassız für Asteracanthion berylinus nachgewiesen. Den direeten Uebergang des Gastrulamundes in den After des Radiär- thieres konnte ich bei Cucumaria doliolum verfolgen. Die Gastrulen haben bei den fünf untersuchten Arten nicht die gleiche Form; bei Echinus miliaris, Toxopneustes brevispinosus und Strongylocentrotus lividus sind sie nahezu kuzelig, bei Arbacia pustu- losa und Echinocardium cordatum besitzen sie die Form von Kegeln oder Spitzhüten mit verdicktem Rande. Erstere durchschwimmen anfangs das Wasser nach allen Richtungen, halten sich bald gern nahe der Ober- fläche, während die letzteren auch noch am Boden der Gefässe verweilen, - die Basis des Kegels nach unten gewendet. Kronn giebt an, dass der Gastrulamund so lange zur Aufnahme von Nahrungsstoffen diene, bis der eigentliche Mund gebildet sei. Ich kann dieser Ansicht nicht beitreten; die nach aussen schlagenden Geisseln des Urdarms scheinen den Eintritt von fremden Stoffen durchaus zu verhindern. Urdarm. Aus dem Urdarm gehen der eigentliche Darm, die Peritonealsäcke und das Wassergefässsystem hervor. A. Acassız entdeckte die Entstehung der » wurstförmigen«, » proble- matischen Körper« Jon. MüLLer’s aus Darmdivertikeln (a. a. O.). P. J. van 4)Dieser Process der Einstülpung wurde zuerst von DErBEs (1847) beschrieben. — A. Kronn nannte die Gastrulaform die » Apfelform«: Beobachtungen aus der Ent- wicklungsgesch. der Holothurien und Seeigel, in: Archiv f. Anat., Physiol. 1851. p. 344 u. f. und: Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Seeigellarven. 4°. Keimblätter und Organanlage der Echiniden. 49 BENEDEN !) nannte diese Gebilde »Coecum«, »Gavite circulatoire; METscH- _ NIKOFF bezeichnete sie als »laterale Scheiben«. Während diese beiden Darmsäcke sich nun bei den Asteriden als gesonderte Taschen abschnüren, geschieht ihre Bildung bei den Echi- niden in einer Art, welche einem weiter fortgeschrittenen Bildungsmodus entspricht. Das blinde Ende des Urdarms. treibt nämlich zunächst zwei laterale Aussackungen, diese aber schnüren sich nicht gesondert, son- dern vielmehr im Zusammenhange mit einander in Gestalt eines wurst- förmigen Schlauches ab, den man mit dem ähnlichen Gebilde der Holo- thurien vergleichen und als Vasoperitonealblase bezeichnen kann (Fig. 10—14, 26 u. s. w.). Diese Vasoperitonealblase zerfällt nun durch Einschnürung in den rechten Peritonealsack und einen gleich grossen linken Darmsack, der seinerseits wieder, aber erst einige Tage später, in den rechten Peri- tonealsack und die Wassergefässblase sich theilt. Vergleicht man diese Entstehungsweise der Peritonealsäcke und der Wassergefässblase mit derjenigen der übrigen Echinodermen, so _ ergiebt sich, dass die betreffenden Verschiedenheiten als Modificationen eines und desselben typischen Vorganges betrachtet werden müssen. 1. Bei Crinoiden schnüren sich drei getrennte Darmsäcke vom Urdarme ab, von denen die früher entstehenden paarigen zu Peritoneal- säcken, der mittlere zur Wassergefässblase werden?). Die paarigen Aussackungen mögen ursprünglich als Magentasehen oder Athemsäcke functionirt haben, die sich aber später unter dem Einflusse des Func- tionswechsels vollständig lostrennten, wie es ähnlich bei Nemertinen, ; Sagitta, einigen Anneliden der Fall ist. 2. Bei den Ophiurideen (und nur vereinzelt bei Asteroideen) trennen sich nur zwei symmetrische Darmsäcke vom Urdarm ab, deren aber jeder in eine vordere Wassergefässblase und hinteren Peritonealsack zerfällt. Nur die linke dieser Wassergefässblasen kommt jedoch zur N Entwicklung, während die rechte früher oder später vollkommen schwin- - det. Die Vermuthung, dass in dieser doppelten Anlage des Wasser- _ gefässsystems ein primitives Verhältniss angedeutet sei, verliert wenig an En 1) P. J. van BENEDEN beschreibt bei einer »Brachina« (Bipinnaria) »lintestin .... _ de chaque cöte de l’estomac on voit apparaitre, dans les jeunes larves, un coecum & qui s’etend en avant pres de l’oesophage .... les organes n’ont d’abord point de com- _ munication entre eux, mais, plustard,, les deux coecums se soudent«. — Sur deux _larves d’ Edermes de la cöte d’Ostende in: Bull. de ’Acad. royaled.Sc. des let- _ ires et des beaux-arts de Belgique. Bruxelles. Tome XVII. I Partie. 4850. p. 508 bis 515. 2) A. GoETTE ‚ Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Comatula mediterra- we in: Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. XI. | Be Ze itschrift £ wissensch. Aeoluee XXXII. Bd. 4 0 Emil Selenka, Wahrscheinlichkeit durch die Vergleichung mit den Crinoiden, diejain anderen Beziehungen einen ursprünglicheren Bauplan aufweisen und bei denen die Anlage eine unpaare ist; denn die Zeitfolge, in welcher sich die erwähnten Gebilde vom Urdarm oder von einander abschnüren, erscheint auch bei den übrigen Echinodermen sehr schwankend, ebenso wie ihre gegenseitige Lagerung zu einander. Indem jedoch bei keinem einzigen Echinoderm zwei Wassergefässblasen zur Entwickelung ge- langten, so darf man wohl mit besserm Rechte annehmen, dass bei den Ophiurideen der Abschnürungsprocess der ursprünglich einfachen Wassergefässblase von der Bildung der benachbarten lateralen Darm- 'säcke zeitlich gleichsam überholt, und dass dadurch die Zweitheilung der Wassergefässblase veranlasst worden sei. Das Auftreten der rech- ten, rudimentären Wassergefässblase bei Ophiurideen (und Asteroideen) als pathologischen oder abnormen Bildungsprocess auffassen, heisst aber keine Erklärung geben, und daher mag obige Deutung ale Nothbehelf gegeben sein!'). 3. Bei den Asteroideen schnüren sich vom cds zwei Darmsäcke gesondert von einander los. Das rechte Darmbläschen ist der rechte Peritonealsack, das linke zerfällt in die Wassergefässblase und den lin- ken Peritonealsack. 4. Bei den Echiniden ist die erste Anlage jener Darmbläschen zwar auch paarig, jedoch schnüren sich dieselben im Zusammenhange mit ein- . ander in Gestalt eines wurstförmigen Schlauches vom Urdarm ab, um erst später in zwei, den Asteriden homologe Gebilde zu zerfallen. Be- achtenswerth ist dabei noch, dass bei den Echiniden die Mundöffnung erst entsteht, nachdem die Darmblasen sich vollständig isolirt haben, ‚ während bei Asteracanthion (nach A. Acassız) die Mundöffnung zuerst auftritt. | 5. Vereinfacht und modifieirt ist die Bildung bei den Holothurien, wo sich vom Urdarm eine einfache Vasoperitonealblase Ioss ende, deren vorderes Stück zur Wassergefässblase wird, während das hintere sich schlauchartig verlängert und in einen vorderen linken und einen E hinteren, nach rechts hinüberwandernden Peritonealsack theilt. Darm, Mund und After. Bei den Holothurien geht der Mund und der After der Larve in die 4) Schon GoETTE gab eine vergleichende Uebersicht der Umwandlungen, welche # die Darmsäcke bei den verschiedenen Classen der Echinodermen erleiden. Doch kann ich mich seinen Ausführungen nicht überall anschliessen, und muss ich zumal die Angabe, dass »bei den Seeigeln, Asterien, Holothurien und Comatula ... eine merkliche Asymmetrie der Form und Lage der Darmaussackungen von Anfang an 4 k vorhanden « sei, als unrichtig bezeichnen. Keimblätter und Organanlage der Echiniden. 51 gleichnamigen Gebilde des Radiärthiers über, ein Verhalten, welches nach der allgemeinen Annahme für die übrigen (besser gesagt für viele) Echinodermen nicht zutrifft. B Der After schwindet bekanntlich dauernd bei allen Ophiurideen und einigen Asteroideen (Astropecten, Luidia, Ctenodiscus) ; Neubildung des Afters beobachtete GoetTE bei Gomatula; bei den übrigen oder den meisten andern Echinodermen — so muss ich nach den vorliegenden Abbildungen und Beschreibungen sowie aus eigenen Beobachtungen an Echiniden annehmen — persistirt der Larvenafter und geht direct in den After des Radiärthiers über. Strikt beweisen kann ich diese Be- hauptung freilich noch nicht. Auch Larvenmund und Oesophagus erhalten sich bei den meisten Echinodermen. Eine Ausnahme mögen jene Formen machen, bei denen die Wassergefässblase die Gestalt einer Scheibe annimmt, deren Ringge- stalt (wie man vermuthet, aber noch nicht beobachtet hat) unter Neubil- dung von Mund und Oesophagus zu Stande kommen soll. Hier fehlen Beobachtungen. — Was die Gliederung des Larvendarms betrifft, so vermag ich die älteren Angaben nur zu bestätigen und zu detailliren. Nachdem die Vasoperitonealblase sich vom Urdarm abgeschnürt hat, gliedert sich der Darm in den kugligen Vorderdarm (Schlund, Speiseröhre) und einen schlauchförmigen hinteren Abschnitt; nur der erstere bekommt während des Larvenlebens einen Belag von ringförmig gelagerten contractilen (automatischen) Mesodermzellen, welche ihn, wie schon Kronn beobach- tete, zu immer energischer werdenden Schluckbewegungen befähigen. Der hintere Darmabschnitt zerfällt dann in den geräumigen Mitteldarm (Magendarm) und den kurzen später knieförmig geknickten Hinterdarm (Fig. 15—19, Fig. 27”—30). Jede Darmzelle trägt anfangs eine lange Geissel; die den dreieckigen Mundrand bildenden, dem Ectoderm ent- stammenden Zellen sind bewimpert. Ueber einige, im Texte nicht weiter ausgeführte Beobachtungen geben die Tafelerklärung und die Figuren nähere Aufschlüsse. | Eine weitere Verwerthung der hier mitgetheilten Resultate muss ich hinausschieben bis ich ein umfassenderes Vergleichsmaterial gewon- nen habe. Erlangen, im Juni 1879. Ir 52 Emil Selenka, Erklärung der Abbildungen. Tafel V— VII. Bemerkung. Sämmtliche Figuren sind nach lebenden, im haugenden Tropfen beobachteten Objecten gezeichnet. Die Geisselhaare des Ectoderms sind nur da, wo der Raum es gestattete, in ihrer ganzen Länge angegeben. Die Stundenzahlen be- ' ziehen sich auf die Zeit nach der künstlichen Befruchtung. Alle Figuren sind unge- fähr 300 Mal vergrössert. Figur 1—19. Echinus miliaris. Fig. 1. Freischwimmende Blastula; die zarte Dotterhaut ist schon abgestreift. Optischer Längsschnitt. a, Ort des späteren Afters; b, trichterartige Vertiefung ; f, Furchungs- oder Segmentationshöhle. — 46 Stunden nach der künstlichen Be- fruchtung. Fig. 2. Blastula mit den beiden gesonderten Mesodermkeimen m m’, welche sich in Gestalt zweier Zellenhaufen vom verdickten Theile des Ectoderms abgeschnürt haben. Optischer Durchschnitt. a, Ort des späteren Afters. — 18 Stunden. Fig. 3. Dieselbe von oben gesehen. Optischer Durchschnitt. mm’ Mesoderm- keime. Fig. 4. Beginn der Invagination. Optischer Längsschnitt. — 22 Stunden. Fig. 5. Junge Gastrula. Optischer Längsschnitt. a, Gastrulamund (After). — 27 Stunden. Fig. 6. Gastrula. In den optischen Längsschnitt sind die paarigen Skeletanlagen eingetragen. u, Urdarm ; n, automatische Zellen ; m m’, skeletogene Zellen; c, Vaso- peritonealblase. — 43 Stunden. Fig. 7. Gastrula. p, pigmentirte. Mesodermzellen; s, Kalkskelet, hier zufällig frühzeitig stark entwickelt. — 48 Stunden. Fig. 8. Skelettheil derselben, mit den wandernden skeletogenen Mesoderm- zellen. Fig. 9. 54 Stunden alt. In den optischen Längsschnitt der Larve ist das Skelet- _ system vollständig eingetragen. D, Darmcanal, gliedert sich schon in Vorder-, Mittel- und Hinterdarm;; vp, Vasoperitonealblase vollständig abgeschnürt; a, Gastrula- mund; m, Wanderzellen. Fig. 10—14. Die Abschnürung der Vasoperitonealblase vom Urdarm darstellend, wie sie mehrmal mit Hülfe der Tauchlinse beobachtet wurde. Die Minutenzahlen beziehen sich auf ein und dasselbe Object. Fig. 10. Das blinde Ende des Urdarms plattet sich ab. - Fig. 41. 5 Minuten später. Fig. 42. 42 Minuten nach dem Stadium 40. Fig. 13. 16 » » » » » Fig. 414. 35 » » » » » Fig. 15. Sechzig Stunden alt. Die Geisseln des Ectoderms und Entoderms sind. hier wie auch in den beiden folgenden Figuren weggelassen. a, After (Gastrula- mund); vp, Vasoperitonealblase. Fig. 16. Dieselbe Larve von der Seite projieirt. Das Skelet nicht eingetragen. «, Vorderdarm; ß, Mitteldarm (Magen); y, Hinterdarm. Eine Mundöffnung existirt noch nicht. Nahrungsstoffe sind noch nicht aufgenommen. : Keimblätter und Organanlage der Echiniden. 53 Fig. 17. Dieselbe vom vorderen Körperpol aus gesehen. Umrisszeichnung. Fig. 18. Pluteus. 94 Stunden nach der Befruchtung. o, Mund; a, After (Gastrula- mund); «, Vorder-, 8, Mittel-, y, Hinterdarm;; vp, rechter Peritonealsack ; vp’, linke Darmblase, welche später in die Wassergefässblase und linken Peritonealsack zer- fällt. Nur der Vorderdarm « führt peristaltische Schluckbewegungen aus, da er allein mit Muskelzellen belegt ist; A, Eingang in den Nahrungsstoffe enthaltenden Mitteldarm 3, welcher durch die Oefinung i in den Hinterdarm y führt. Fig. 19. Derselbe von der Seite. Die Bewimperung, welche noch den ganzen Körper überzieht, ist nicht gezeichnet. Fig. 20—30. Toxopneustes brevispinosus. Fig. 20—25 stellen optische Längsschnitte dar. Fig. 20. Blastula. 48 Stunden nach der künstlichen Befruchtung. e, vorderer, 9, hinterer Körperpol; f, Furchungshöhle , en, der zum Urdarm sich einstülpende. Theil des Blastoderms. Die Dotterhaut ist soeben erst abgestreift. Fig. 24. Blastula von 24 Stunden. mm’, Mesodermkeime. Fig. 22. Beginn der Invagination. Die amöboiden Mesodermzellen zerstreuen sich durch den Gallertkern f. — 25 Stunden. Fig. 23. Junge Gastrula. Vereinzelte Mesodermzellen spannen sich zwischen Ectoderm und Urdarm u aus, und fungiren als Suspensorien. — 50 Stunden. Fig. 24. Eine andere Gastrula desselben Alters. Vereinzelte Ectodermzellen enthalten Pigmentkörner. Fig. 25. 60 Stunden. Einzelne Zellen des Ectoderms und Mesoderms enthalten Pigmentkörner. Fig. 26. Gastrula von 69 Stunden. Der Urdarm wird zweizipflig. s, Skelet. Fig. 27. 74 Stunden. In den optischen Längsschnitt sind Skelet und After a ein- getragen. p, rechter Peritonealsack; vp, linker Darmsack; «, Vorder-, $, Mittel-, y, Hinterdarm. | Fig. 28. 103 Stunden. Larve von der Seite. n, napfartige Einbuchtung des Ectoderms, in deren Grunde bald die Mundöffnung durchbricht. Der Vorderdarm « neigt sich gegen die Mundgrube bis zur Berührung. Fig. 29. 440 Stunden. Larve von vorn gesehen. Der Mund o ist durchgebrochen. Fig. 30. 420 Stunden. Die Mundspalte hat sich erweitert. Die beiden Darm- säcke liegen noch neben dem mit Muskelzellen belegten Vorderdarm. Der Zerfall des linken vp in Wassergefässblase und linken Peritonealsack erfolgte erst viel spä- ter, etwa am achten Tage nach der künstlichen Befruchtung. Fig. 34—33. Strongylocentrotus lividus. Fig. 31. Blastula. Die Dotterhaut d durchbrechend. 49 Stunden nach der künst- lichen Befruchtung. Fig. 32. Dieselbe, frei. Optischer Längsschnitt. en, die zum Urdarm sich ein- = stülpenden Zellen. Fig. #3. 43 Stunden alt. Die Vasoperitonealblase hat sich vom Urdarm abge- schnürt. Optischer Längsschnitt mit eingetragenem Skelet. Fig. 33—37. Arbacia pustulosa. Fig. 34. Blastula. Optischer Längsschnitt. en, verdickter Theil des Blastoderms, = der sich zum Urdarm einstülpt. — 30 Stunden. Fig. 35. Gastrula. Optischer Längsschnitt. v, Urdarm. IB Stunden. 54 Emil Selenka, Keimblätter und Organanlage der Echiniden. Fig. 36. Gastrula von 68 Stunden. Fig. 37. Larve von 72 Stunden. Die Vasoperitonealblase hat 'sich schon er - schnürt. Fig. 33—42. Echinocardium cordatum. Fig. 38. Blastula. 20 Stunden. a, Ort des späteren Afters; f, Furchungshöhle; g, trichterartige Vertiefung. Fig. 39. Beginn der Invagination. Der Mesodermkeim ist paarig. Fig. 40. Gastrula. a, Gastrulamund. — 40 Stunden. Fig. 44. Dieselbe im optischen Längsschnitt. Fig. 42. Junge Larve von 50 Stunden im optischen Längsschnitt. Die Vasoperi- tonealblase hat sich abgeschnürt, die Gliederung des Darms ist schon angedeutet. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. Von Dr. August Weismann, Professor in Freiburg im Breisgau. Abhandlung VI und VIl. Mit Tafel VII—XII. VI. Samen und Begattung der Daphnoiden. Was bisher über die Samenelemente der Daphnoiden bekannt ge- worden ist, genügt wohl kaum, um irgend eine morphologische, oder physiologische Frage in Bezug auf diese Elemente zu beantworten, so- bald dieselbe nicht nur in Bezug auf eine einzelne Art, sondern auf die ganze Thiergruppe gestellt wird. Wohl sind sehr verschiedenartig ge- staltete Samenelemente von vielen Gattungen beschrieben worden, die Verschiedenheit schien aber so gross, dass man sich wohl fragen musste, ob sie nicht darauf beruhen könne, dass ein Theil dieser Samen- körper erst im weiblichen Organismus seine letzte Reife erhalte — wie ‘das ja auch von andern Crustaceen bekannt ist. War es doch auch vermuthet worden, dass die »Strahlenzellen« der Dekapoden sich in »Samenfäden « auflösen möchten, nachdem sie den Hoden bereits ver- lassen hätten und ähnliche Zellen kommen auch bei einzelnen Daphnoi- den vor. Andererseits waren aber auch die physiologischen Eigenschaften der Samenelemente nichts weniger, als sicher bekannt. Viele galten für »starr«, andere sollten »amöbenartige Bewegungen, rasches Aus- ‚senden feiner Fortsätze« zeigen, aber man wusste weder zu sagen, ob das Erstere denn eine Befruchtung ermögliche, noch wie das Zweite für eine solche verwerthbar sei. ; Dies hing dann wiederum damit zusammen, dass die Begattung der : Daphnoiden zwar von einigen Arten oft gesehen, aber nicht im Wesent- lichen 'erkannt war. Wohin der Same bei der Begattung gelangt, war 56 August Weismaun, äusserst zweifelhaft, einige vermutheten, er werde in den Brutraum entleert, andere postulirten eine »innere« Begattung, dachten aber, dass dafür ein besonderer, noch nicht erkannter Canal beim Weibchen vor- handen sein müsse, der sogar in einem Falle (Bythotrephes) auch wirk- lich nachzuweisen versucht wurde. Ich beanspruche nun keineswegs, alle diese Fragen gelöst zu haben, aber vielleicht doch einen Theil derselben; auch knüpfen sich Fragen von allgemeinerer Bedeutung an dieses, wie an jedes Thema. Was mich daran besonders anzog, war der Gedanke, es könne hier vielleicht ge- lingen, einen Einblick in die Ursachen zu erhalten, welche die so sehr verschiedenen Formen der Samenelemente bestimmen, einen Einblick in den Zusammenhang zwischen der Grösse, Gestalt und Beweglichkeit der Samenzelle und der Art und Weise der Begattung und Befruchtung. Wenn auch solche Fragen nicht an einer einzelnen Thiergruppe völlig gelöst werden können, so ist es doch wohl möglich, sie von dieser oder jener Seite her zu fördern, und eine Thiergruppe, die in sich so compact und geschlossen dasteht, dabei aber zugleich eine so auffallende Ver- schiedenheit der Samenelemente besitzt, schien mir dazu nicht schlecht geeignet. Es hat mir anfänglich fern gelegen, auch die Histogenese der Samen- zellen mit in die Untersuchung zu ziehen. Erst nachträglich, als ich durch zufällig sich aufdrängende Beobachtungen erkannte, dass auch in dieser Hinsicht nicht uninteressante Resultate zu erlangen seien, wandte ich auch diesem Punkte einige Aufmerksamkeit zu. Damit möge die Lückenhaftigkeit gerade dieser Angaben entschuldigt sein. Wer selbst über Daphnoiden gearbeitet hat, weiss, dass man gerade in diesem Punkte nur schwer früher Versäumtes nachholen kann, weil die männlichen Thiere nicht zu jeder Zeit zu Gebote stehen. Ich beginne mit einer speciellen Musterung der Haupttypen der Daphnoiden in Bezug auf die Beschaffenheit und Genese ihrer Samen- elemente, sowie auf die Art und Weise, in welcher bei ihnen die Be- gattung vor sich geht. Auf diesen speciellen Theil folgt dann der allge- meine, der die gewonnenen Resultate zusammenfasst und unter allge- meinen Gesichtspunkten verarbeitet. I. Samen und Begattung bei den Sidinen. 1. Die Gattung Daphnella Baird. Ich stelle diese Gattung voran, weil ich bei ihr mit vollkommenster Sicherheit den Vorgang der Begattung nachweisen kann. Die Samenelemente bestehen aus rundlichen oder ovalen Zellen von art l De u > a a urn 2 er Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 57 sehr bedeutender Grösse (Breite 0,042, Länge 0,049—0,055 mm). Der helle, mit punktförmigem Nucleolus versehene Kern ist klein, der Zell- - körper sehr blass, fast ganz homogen und sehr weich, wie man bei den starken peristaltischen Contractionswellen, welche fortwährend über den Hoden des lebenden Thieres hinlaufen, sehr schön beobachten kann. Die Samenzellen verändern dabei ihre Form wie flüssiger Brei, werden abwechselnd dünn und wieder dick, bald vorn, bald hinten eingeschnürt, ohne aber dabei jemals ihre scharfen und dunkeln Grenzlinien zu ver- ‚lieren (Fig. 10 a—e). Bei der bedeutenden Grösse der Samenzellen, welche fast !/,, der Länge des ganzen Thieres (| mm) besitzen, können ihrer nur wenige gleichzeitig im Hoden Platz finden (Fig.8), in der Regel liegen nicht mehr als zehn bis vierzehn reife Zellen in einreihiger Säule hintereinander, dann folgen noch ebensoviele halbwüchsige, und in der blinden Spitze, dem Keimlager (Al) des Hodens, eine grössere Menge ganz jungen, noch nicht differenzirten Zellenmaterials, d. h. Kerne in homogenem Proto- plasma eingebettet. Zellgrenzen konnte ich wenigstens hier so wenig sichtbar machen, wie an der entsprechenden Stelle des Ovariums, mit dem der Hoden auch in Form und Lage die grösste Aehnlichkeit besitzt. In Wasser verändern sich die Samenzellen rasch, quellen ruckweise, oft unter sonderbaren Verkrümmungen (Fig. 8 Sz’”) auf, werden ganz blass und lösen sich schliesslich auf. Sehr auffallend war mir ihre Eigenschaft durch Druck im engen Vas deferens fein längsstreifig zu wer- den (Fig. 8 Sz’ und Sz’”). | Daphnella besitzt ein Begattungsorgan und zwar im Verhältniss zum Körper jedenfalls das grösste von allen Daphnoiden (Fig. 7 u. 8). Schon der Entdecker des Thierchens, Li£vin, hat die »stiefelförmigen _ Anhänge« des Männchens gesehen und richtig gedeutet!). Seine Abbil- dung des sehr eigenthümlichen Organs ist allerdings ungenügend. Es = sind ganz helle, dünnwandige Schläuche, von bedeutender Dicke und _ an Länge die Schwanzkrallen überragend. Sie entspringen nicht genau = von der Stelle, an welcher bei Sida die Geschlechtsöffnung liegt, d.h. am Bauch an der Grenze zwischen Abdomen und Postabdomen, sondern etwas mehr an der Seite des Thieres. i Lievin’s Ausdruck »stiefelförmig« ist vollständig berechtigt, das Ende ist quer abgstutzt und in zwei Spitzen ausgezogen; nnidihe hinter (nieht in) der medianen Spitze, dem Absatz des Stiefels, liegt Die ers des Vas deferens. Wie ich schon bei früherer Gelegenheit A) »Die Branchiopoden der Danziger Gegend«. Danzig 1848. p. 22 und Taf. IV, 58 August Weismann, hervorgehoben habe, entspricht die Endfläche dieses Begattungsorgans genau dem quergestellten ovalen Wall, der die Oeffnung des Oviductes beim Weibchen umgiebt und es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Begattung durch Aufeinanderpressen der beiderseitigen Geschlechts- öffnungen geschieht. Beide Stiefel werden dabei gleichzeitig wirken können, denn sie stehen ebenso weit auseinander, als die Eileitermün- dungen, und von der ringförmigen Vulva wird der Penis wie von einem Saugnapf festgehalten werden, wenn wenigstens die feinen Fäden, welche von dem Wulste nach allen Seiten hin abgehen, als Muskelfasern gedeu- tet werden dürfen. Ob auch das männliche Organ activ ansaugend wir- ken kann, muss ich unentschieden lassen. Muskeln konnte ich in dem- selben nicht erkennen; gefüllt ist es mit klarer Flüssigkeit, die wohl nichts Anderes sein wird als Blut, und sehr wahrscheinlich wird es bei der Begattung durch Blut noch mehr angeschwellt werden. Dass nun wirklich die Begattung durch die Oeffnung des Eileiters geschieht, dass diese demnach als weibliche Geschlechtsöffnung zu be- zeichnen ist, dass ferner beide Penis gleichzeitig wirken, das beweist Figur 13, welche die beiden Oviducte eines Weibchens darstellt, wel- ches je ein reifes Winterei in jedem Eierstock enthielt!). Ich habe schon früher den Theil Rs als Receptaculum seminis gedeutet. In diesem Falle liegt nun in jedem Receptaculum eine unzweifelhafte Samenzelle, -in welcher durch Essigsäure auch der vorher unsichtbare Kern deutlich gemacht wurde. Die rechtwinklige Biegung, welche der Eileiter macht, wenn er vom Receptaculum zur Vulva emporsteigt, konnte in dieser Dorsalansicht nicht wiedergegeben werden. Ende: October ist es nicht schwer Weibchen aufzufinden, welche Samen im Receptaculum entbalten. Gewöhnlich ist es nur eine Samenzelle, doch habe ich auch Fälle beobachtet, in denen zwei oder drei Zellen vorhanden gewesen sein müssen, der Grösse der Samen- masse nach zu urtheilen, denn nicht immer gelingt es, die Kerne deut- lich zu machen. Eine einzige Zelle würde übrigens zur Befruchtung genügen, da niemals mehr als ein Ei in einem Ovarium gebildet wird. Die Begattung von Daphnella wird also so vor sich gehen, dass das Männchen sich mit seinen Fuss-Haken an dem unteren Schalenrand des Weibchens festklammert, und nun während Letzeres den ganzen Rumpf stark abwärts beugt, die geschwellten Begattungsorgane den Vulven auf- heftet. Die Stellung des Männchens ist durch seine Klammerhaken des ersten Fusspaares gegeben. Wenn Li£vın und Andere das Vorhandensein besonderer Gopula- 4) Nachträglich wurde der linke Eileiter aus Mangel an Raum weggelassen. Y Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 59 tionsorgane daraus zu erklären suchen, dass » der Contact mit der weib- lichen Geschlechtsöffnung bei der Kürze des Schwanzes« sonst unmög- lich sein möchte, so ist dies deshalb nicht ganz richtig, weil bei den Sidinen niemals die männliche Geschlechtsöffnung an der Spitze des Postabdomen (»Schwanzes «) liegt, sondern vielmehr sehr weit davor an der Ventralseite des Abdomen. Die Kürze des Schwanzes ist also ganz gleichgültig in Bezug auf die Begattung und die Nothwendigkeit eines Copulationsorgans liegt offenbar nicht in einer Eigenthümlichkeit des männlichen Körpers, sondern vielmehr in der ausserordentlichen Länge der weiblichen Schale, welche noch über die Basis der Schwanz- borsten hinausragt und welche eine directe Annäherung der männ- lichen Oeffnungen an die viel weiter nach vorn gelegenen Vulven un- möglich machen würde, lägen dieselben nicht auf dem weit vorstreck- baren Penis. Beobachtet habe ich die Begattung so wenig, als Lı£vın, obgleich ich die Thiere in Massen während ihrer Sexual-Periode vor mir hatte. 2. Die Gattung Latona Straus. Die Samenelemente sind denen von Daphnella ähnlich, aber viel kleiner. Es sind blasse, kernhaltige Zellen (Durchmesser: 0,023 mm), welche in grosser Menge den nach vorn kolbig anschwellenden Hoden- schlauch füllen (Fig. 6 B). Sie sind rundlich und zeigen die auffallen- den, passiven Gestaltveränderungen nicht, wie bei Daphnella, vermuth- lich eben wegen ihrer Kleinheit, die ein directes Quetschen durch die peristaltischen Bewegungen der Hodenwand nicht zulässt, da immer - viele Zellen neben- und übereinander liegen und leicht ausweichen können. In Wasser quellen sie rasch auf. Auch Latona besitzt zwei Copulationsorgane, die an derselben Stelle entspringen, wie bei Daphnella, d. h. an der Seite des Abdomen; G. 0. Sırs hat sie zuerst abgebildet‘). In Bezug auf ihre Länge stimmen sie ganz mit Daphnella, d. h. sie überragen die Spitze der Schwanz- "klauen um ein Geringes, in Bezug auf ihre Gestalt aber weichen sie be- deutend ab, denn sie sind walzig, nahe der Wurzel am dicksten, gegen das Ende hin verjüngt und dort schräg abgestutzt, ohne breite Saug- Näche. Sie bilden zusammen etwa die Gestalt einer Leyer (von oben _ gesehen), da sie geschweift verlaufen und mit den Spitzen gegeneinan- - der geneigt sind. i _ Das Alles lässt auf einen etwas verschiednen Modus der Begattung 60 August Weismann, % = Bey schliessen. Dennoch zeigt die weibliche Geschlechtsöffnung keine we- sentliche Verschiedenheit weder von Daphnella, noch von Sida. Esist derselbe quergestellte Doppelwulst, durch viele radiär ausgespannte . Fäden an der Haut befestigt und zwischen den beiden Lippen der Vulva die schmale und lange Spalte, die sich aber sofort in einen engen Canal fortsetzt. | _ Auch hier folgt auf den rechtwinklig gebogenen engen Eileiter, den man seiner Function nach auch als Scheide bezeichnen könnte, ein wei- 3 ter, sackförmiger Theil, das Receptaculum seminis, in welchem ich auch einmal und zwar Ende October einen Haufen Samenzellen liegen sah. Wenn auch ihre Kerne undeutlich blieben, so stimmte doch Form und Grösse vollständig. Bei Latona ist es nicht so leicht, wie bei Daphnella sich über die Nothwendigkeit eines besonderen Copulationsorgans Rechenschaft zu. geben. Die Schale reicht hier nicht weiter zurück, als bei Sida, die Vulven befinden sich nur Wenig vor dieser vom Schalenrand berührten Stelle und man sollte also erwarten, dass sie auch ohne weit vorragendes Vas deferens erreicht werden könnten, so gut wie dies bei Sida mög- lich ist. Nun kann zwar ein und derselbe Zweck zuweilen gleich gut auf verschiednem Wege erreicht werden, ich glaube aber doch, dass der Grund dieser Verschiedenheiten tiefer liegt, dass nämlich trotz der an- scheinenden Gleichheit der Gopulations-Bedingungen ein wesentlicher Unterschied stattfindet. Darauf deutet schon der Umstand, dass von allen näher bekannten Sidinen-Gattungen allein die männliche Latona des GreifhakensamerstenFusspaarentbehrt. Die- ser dient bekanntlich zum Anklammern an der Schale des Weibchens und zwar wird damit überall, wo man es beobachten konnte, der Scha- B lenrand wie mit einer Scheere von beiden Flächen her gefasst. Schon 4 aus dem Bau des Hakens, wie er z. B. bei Sida, aber auch bei Daph- ninen und Lynceinen überall vorkommt, kann man entnehmen, dass er 2 die Fläche der Schale überhaupt nicht fassen kann. Wenn nun dieser E Haken bei Latona fehlt, so klammert sich also hier das Männchen nicht am Schalenrand fest, und daraus kann geschlossen werden, dass es überhaupt eine andere Stellung bei der Begattung einnimmt, als die verwandten Arten, denn ohne sich festzuklammern könnte es nicht in der Stellung von Daphnella unten am weiblichen Körper hängen bleiben. Nimmt man nun hinzu, dass -Latona im Gegensatz zu Daphnella wenig schwimmt, meist vielmehr sitzt, aber nicht wie Sida mit dem .Rücken festgeheftet, sondern auf dem Bauch liegend, dasssiesogaraufdemBauch umherrutscht, 3 Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 61 'so kann man — auch ohne je die Begattung direct beobachtet zu haben — mit Sicherheit schliessen, dass dieselbe in sitzender Stellung vorgenom- men wird, dass dabei das Männchen auf dem Rücken des Weibchens sitzt, und zwar weiter nach vorn, weil es sonst herunterrutschen müsste unddassdieNothwendigkeiteinesCGopulationsorgans dar- aufberuht, dassin dieser Stellung allerdings die männ- liche Geschlechtsöffnung die weibliche nicht erreichen würde, läge sie wiebeiSidaan der Bauchfläche, anstatt auf der Spitze eines langen Begattungsgliedes. Hat man aber einmal dies erkannt, dann versteht man auch, warum der Penis bier spitz zuläuft, denn wie sollte er von oben her zwischen Schalen- rand und weiblichem Rücken eindringen können, wenn er ein so volumi- nöses Organ wäre, wie bei Daphnella? Es stimmt damit gut überein, dass die männliche Latona auch jeder Klammerorgane an der Antenne entbehrt, wie sie bei Sida sich finden. 3. Die Gattung Sida Straus. Die Samenelemente von Sida sind ganz eigenthümlicher Art, wie sie sonst bei keiner Daphnoide wieder vorkommen. Es sind grosse, langgestreckte, blattförmige Zellen, deren etwas zerfaserte Enden wie gefranst aussehen, während in ihrer Längsmitte der eigentliche Zellkör- per liegt als eine rundliche mit wenigen groben, stark lichtbrechenden Körnchen durchsetzte Protoplasmaanhäufung, in deren Centrum der Kern liegt (Fig. 5 a,b, c). Die Länge dieser Zellen beträgt 0,41 bis 0,2 mm, die Breite etwa 0,025 mm, der Kern misst 0,04 mm. Das Sonderbare dieser Zellen liegt darin, dass der blattförmige Theil derselben sich in viele feine Längsfalten legt, wenigstens im lebenden Hoden, und dass auf diese Weise der Anschein von zahlrei- chen feinen Fäden zu Stande kommt. Beobachtet man den Hoden eines lebenden Thiers (Fig. 4), so hat man fast den Anblick eines wogenden - Aehrenfeldes, nur unregelmässiger ; grosse Büschel zarter, dichtgedräng- _ ter Fäden wogen durcheinander und man könnte wohl glauben, es handle sich hier um Büschel haarförmiger Spermatozoen. Leypıe hat _ diese »Büschel von Fäden« schon beschrieben und ganz richtig erkannt, dass ihre Bewegung nur eine passive ist, indem sie nämlich nur durch die hefligen, peristaltischen Bewegungen des Hodens hin und her ge- trieben werden. »Strahlenzellen« sind dieselben aber nicht; iso- _ lirt man sie, so sieht man zwar die beiden Enden in feine Zipfel aus- _ laufen, allein man sieht auch, dass diese zur Erklärung jener Erschei- 62 August Weismann, ee nung der Fadenbüschel keineswegs ausreichen, denn der grösste Theil der Zelle erscheint jetzt völlig glatt und eben, ohne Spur einer Zerfase- rung oder auch nur einer Streifung. Die Faserungistalsozum Re grössten Theil eine scheinbare und kann nur aufeiner ungemeinfeinen FältelungderZellenplattein der Längs- richtungberuhen. E Das oben erwähnte Verhalten der Samenzellen von Daphnella kann einigen Aufschluss geben. Diese sind völlig homogen, werden aber @ fein längsstreifig, wenn sie sich durch eine enge Stelle desVas deferens durchquetschen; sie erscheinen dann wie ein Bündel feiner Samenfäden (Fig. 8 Sz’”). Zuweilen sah ich auch. die Strei- fung nur auf dem am stärksten eingeschnürten Theil der Zelle (Fig. 8 Sz’”’). Bei Daphnella kann die Erscheinung. nur auf einer Fältelung der Oberflächenschicht beruhen, denn die Zellen sind nicht ° platt, sondern von bedeutender Dicke. Danach könnte man vermuthen, dass auch bei Sida die Erschei- nung der Streifung nur von dem Druck herrührt, den die Wand des Ho- dens indirect auf die Samenzellen ausübt. Jedenfallsist dieselbe für dieBefruchtung des Eiesohnejede Bedeutung, denn sie verschwindet vollständig im Receptaculum seminis. Auch die zerschlissenen Enden der Samenzellen sind dann nicht mehr zu erkennen. Vielleicht haben sie nur die Bedeutung, den Austritt des Samens weniger stürmisch zu machen, als er hier bei dem sehr kurzen Vas deferens und dem Mangel eines langen Begatiungsorgans sein würde. Dass die platten , zerfaserten Zellen leicht dem Glase, wie jedem andern # Objecte anhängen, lässt sich direct beobachten. In Wasser quellen die- selben noch rascher , als die Samenzellen von Latona und verschwinden bald vollständig. | Bei jungen Tbieren stellt der Hoden eine wurstförmige, vollkommen solide Zellenmasse dar ohne jedes Lumen. In der Gegend des vierten Beinpaares wird er nach hinten zu dünn, wie ein Ausführungsgang, der aber auch noch kein Lumen besitzt. Später beginnt dann ein merkwür- diger Abspaltungsprocess. Der Hodenschlauch als Ganzes wächst gewissermassen schneller, als die einzelnen Zellen, welche ihn zusam- mensetzen, es entstehen Lücken zwischen Letzteren, welche zuerst nur spaltförmig sind (Fig. 2), bald grösser werden und dann als Maschen- räume eines Netzwerks von Protoplasma-Fäden und -Brücken erschei- nen, welche die Zellen untereinander, oder mit der gegenüberliegenden Wand verbinden (Fig. 4). Diese Brücken werden dann dünner, reissen durch und nun hat man Zellen, welche einerseits noch der Wand auf- sitzen, andererseits halbkuglig ins Lumen vorspringen (Fig. 3). Sie 3 Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 63 wachsen dann noch weiter vor, ihr Stiel schnürt sich ein und sie lösen ‚sich zuletzt ganz los. ' Oft sieht man die verschiedenen Stadien dieses Processes in dem- selben Organ hintereinander. Der vorderste Abschnitt ist noch am wei- testen zurück, weiter nach hinten sieht man den Klüftungsprocess und ganz hinten liegen reife Samenzellen (Fig. 4 zeigt zwei dieser Stadien). Erst während die Zellen sich loslösen, um dann frei ins Lumen zu fallen, wachsen sie nach zwei Seiten hin aus, bekommen die Zerfaserung ihrer Enden und die feine Längsstreifung. Die Samenzellen ent- stehen also hier auf die denkbar einfachste Weise: dureh Abschnürung von den Epithelzellen der Hoden- wand. Ihre Zahl ist geringer als bei Latona, da die einzelnen Zellen viel grösser sind, als bei jener, aber sie sind doch viel zahlreicher, als bei Daphnella. Die Begattung von Sida habe ich zwar so wenig direct beob- achtet, als die eines andern Mitgliedes dieser Familie, allein ich glaube sie erschliessen zu können. Dass auch hier ein Receptaculum seminis vorhanden ist, ganz ebenso wie bei Daphnella und Latona zwischen Eierstock und Eileiter einge- schoben, habe ich schon früher angegeben und auch abgebildet). Nicht selten fand ich im Spätherbst dieses Receptaculum mit einer hyalinen, weichen protoplasmatischen Masse gefüllt, welche sich freilich nicht mit Bestimmtheit als aus Samenzellen bestehend erkennen liess, da die Streifung fehlte, und auch Kerne nicht sichtbar zu machen waren, welche ich aber jetzt nach dem ganz bestimmten Nachweise von Samenzellen im Receptaculum von Daphnella nicht anstehe, für Samenzellen zu er- klären. Es muss also der Samen aus der männlichen Geschlechtsöffnung in die weibliche direct gelangen können und dem steht auch von Seiten der Grössen- und Bauverhältnisse der Thiere Nichts im Wege. Das Männchen besitzt an der Spitze seines ersten, sehr langen Fuss- paares einen kurzen krummen Haken nebst Widerlager?). Mit diesem klammert es sich an den untern Rand der Schale des Weibchens und _ wird nun bei starkem Abwärtsbeugen des weiblichen Rumpfes seine Geschlechtsöffnungen denen des Weibchens aufpassen können. Die Lage beider ist bekannt, ebenso auch dass die männliche Oefl- nung auf einer papillenartigen Erhebung mündet. Unbekannt dagegen ist es, dass die beiden Geschlechtspapillen des Männchens zusammen- 4) Siehe diese »Beiträge«. Abhandlung II. Diese Zeitschrift. Bd. XXVII. p: 134 u. f. 2) Siebe die Abbildung von Leypis, Daphniden. Taf, VI, Fig. 50. 64 August Weismann, hängen und eine Art Saugnapf darstellen, mittelst dessen dasselbe sich dem Rücken des Weibchens aufheftien kann (Fig. 9). Ein breiter, bandartiger, platter Wulst verbindet die beiden Papillen, und die beiden spaltförmigen Oeffnungen stehen schräg und müssen allem Anschein nach genau auf die Vulven des Weibchens passen, die sehr ähnlich denen von Daphnella und Latona gestaltet sind. 4. Die Gattung Holopedium. Im Süden von Deutschland scheint Holopedium gibberum nicht vorzukommen, ich besitze deshalb keine eignen Beobachtungen über sie. Nach G.O. Sırs und P. E. MüLLer ist ein’ Begaltungsorgan hier nicht vorhanden, wohl aber ein Haken am ersten Fusspaar. Man wird daher kaum irre gehen mit der Annahme, dass die Begatiung hier, wie bei den übrigen Sidinen, mit Ausnahme von Latona, in schwimmender Stel- lung vor sich geht und zwar ähnlich wie bei Sida. | Die Samenzellen sind möglicherweise von Sars!) beschrieben wor- den; leider ist mir der Text seiner Abhandlung — weil dänisch ge- schrieben — nicht zugänglich. ' DI. Samen und Begattung bei den Daphninae. 5. Die Gattung Moina Baird. Ich stelle diese Gattung voran, weil ich mit Leypıe und Kurz in ihr den nächsten Anschluss der Daphninen an die Sidinen sehe. Dies be- zieht sich nicht nur auf die Form und Grösse der Schale, die grössere Gleichförmigkeit der Füsse, sondern wie Kurz ?) sehr richtig hervorhebt, vor Allem auch auf »die Mündungsstelle der Samengänge, welche an Sida erinnert«. Dieselbe liegt als doppelte Oeffnung am Bauch, etwas weiter nach hinten, als bei Sida, aber doch noch an der Beugunsgsstelle zwischen Abdomen und Postabdomen. Vorher bildet das schlauchför- mige Vas deferens eine Art von Samenblase, in der der reife Samen sich ansammelt und von welchem dann ein je nach dem Füllungszustande dieser Samenblase verschwindend kurzer oder längerer Gang zu der weiter nach vorn gelegenen Mündunssstelle hinführt 3) . ‘ 4) Norges Ferskvandskrebsdyr. Christiania 1865. 2) Dodekas neuer Cladoceren nebst einer kurzen Uebersicht der Clado- cerenfauna Böhmens. Sitzungsber. der Wien. Akademie. 44. Juni 1874. Separat- abdruck. p. 6. 3) Vergleiche: GRUBER und WEISMANN, Ueber einige neue oder unvollkommen gekannte Daphnoiden, Verhandi. der Freiburger naturforsch. Gesellschaft Bd. VII. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 65 Die beiden Oviducte öffnen sich wie bei den übrigen Daphninen unmittelbar vor der Verschlussfalte in den Brutraum. Ich war lange Zeit der Meinung, dass diese Mündungen zugleich als Vulven functionir- ten, dass also die Samenentleerung wie bei den Sidinen in den Eileiter erfolgte, bin aber schliesslich doch zu anderer Ansicht gekommen. Ehe ich indessen diese Ansicht darzulegen versuche, schicke ich voraus, was mir über Bau und Entstehung der Samenzellen bekannt ist. Die Samenelemente vonMoina rectirostris sind schon von LEyDiG beschrieben worden. Es sind sogenannte »Strahlenzellen «, d. h. grosse, kugelige, gekernte Zellen mit sonnenartig ausstrahlenden, feinen, unbe- weglichen Fäden. Ueber die Entwicklung derselben habe ich früher schon einige Angaben gemacht!). »Sie bilden sich nur in der Spitze des Hodens, woselbst auch Leypıc ein in Wucherung befindliches Zellenlager erkannt und abgebildet hat?), und zwar von der Wandung aus. Einzelne der Wandungszellen schwellen an, ihr Kern vergrössert sich bedeutend, die Zelle tritt immer stärker in das Lumen vor, wird kugelig und muss sich wohl zuletzt ganz loslösen, wie daraus geschlossen werden darf, dass man ganz ebensolche kugelige, klare Zellen in un- mittelbarer Nähe der Wandungszellen frei in der Flüssigkeit des Hodens flottiren sieht. Diese Zellen werden aber nicht direct zu Samenzellen, sondern bringen dieselben nur hervor; sie sind Spermatoblasten, in deren Innerm die Samenzellen entstehen. Man beobachtet nämlich Kugelzellen, welche in ihrem wasserklaren Inhalte zwei, auch drei kleine, granulirte Kugeln enthalten, welche genau das Aussehen und die Grösse der Samenzellen besitzen, aber noch ohne Strahlen sind. Ein Kern konnte zwar jetzt noch nicht an ihnen beobachtet werden, wohl aber später, wenn dieselben frei geworden waren. Dass dies durch Platzen oder Schwund der Mutterzelle geschieht, ist nur Vermuthung, doch kann es kaum anders sein, da man dieselben körnigen Kugeln einzeln, oder in kleinen Haufen beisammen auch frei im Hoden vorfindet«. — —»Dass _ diese körnigen Zellen sich nun durch Ausstrecken von Protoplasma- - Fortsätzen allmälig zu den fertigen Samenzellen umwandeln, unterliegt wohl keinem Zweifel, da die Zwischenformen zur Beobachtung kamen. Zellen mit fünf, sechs unregelmässig gestellten und ungleich langen Ausläufern kommen vor.« P- 79. 4877. Wenn wir dort die Mündung des Samenganges von Moina als noch un- ‚bekannt beschrieben, so muss dies hier dahin verbessert werden, dass dieselbe be- reits in der oben.citirten, uns damals nicht bekannten Schrift von Kurz richtig an- . gegeben ist. 4) An demselben Ort. p. 80. EaWA.a.0. Taf X, Fig. 77. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXIII. Bd. ST 66 | August Weismann, = ee Ich kann jetzt noch hinzufügen, dass die ganz jungen Hoden solide Zellsiränge sind, ganz ähnlich wie sie später bei Daphnia beschrieben _ werden sollen (Fig. 44), dass sich sodann ein Lumen bildet und die Wandungszellen nicht blos in der Spitze, sondern im ganzen Verlauf des Hodens zu Samenbildungszellen werden. Eine jede bildet in sich — auf welche Weise blieb mir unbekannt — 2 bis 5 Tochterzellen. Durch Platzen der Mutterzelle werden diese Letzteren frei und man findet oft ganze Haufen von ihnen der Wand anliegen (Fig. 42, Sz). Nicht selten beobachtet man — wie in Fig. 42 — Mutierzellen, freie, aber noch strahlenlose Tochterzellen und fertige Strahlenzeilen in ein und demsel- ben Hoden. In Wasser quellen die Samenzellen von Moina rectirostris rasch und zerfallen bald vollständig. Die Samenelemente von Moina paradoxa wurden an demselben Orte bereits beschrieben !). Es sind längliche, an beiden Enden zuge- spitzte, halbmondförmig gebogene Zellen (Fig. 22) von bedeutender Grösse (Länge etwa 0,05 mm, grösste Dicke etwa 0,04 mm), deren klarer, ovaler Kern nebst Kernkörperchen in der Mitte liegt. »Sehr deutlich lässt sich eine dünne, homogene, stark lichtbrechende Rindenschicht von einer wasserklaren, mit spärlichen feinen Körnchen durchsetzten Marksubsianz unterscheiden und der optische Querschnitt (Fig. 22 b) beweist, dass es sich hier nicht um platte Bänder handelt, denn derselbe ist kreisrund und zwar an jeder Stelle der Zelle.« Im Wasser bleiben sie einige Minuten scheinbar unverändert, dann aber quellen sie plötzlich unter sonderbarem Winden und Krümmen auf, die Rinde platzt an einer Stelle und das gequollene Mark tritt in Form einer wässrigen Blase hervor; sehr bald folgt dann voll- kommner Zerfall. Ich erwähne diese Quellungserscheinungen besonders deshalb , weil sie zum Verständniss der noch weit auffallenderen Folgen der Wassereinwirkung bei den Polyphemiden-Samenzellen beitragen, die man bisher irrthümlich als Lebensäusserungen der Zellen aufgefasst hat. Active Bewegungen der Samenzellen kamen weder bei Moina reclirostris noch bei paradoxa zur Beobachtung. Ich wende mich jetzt zur Besprechung der Begattungsform. @ Vor Allem muss festgestellt werden, dass überhaupt nur zweiMöglich- keiten vorliegen: entweder wird der Samen in den Eileiter entleert, oder in die Höhle des Ephippiums. Als drittes könnte man an eine unbekannte Geschlechtsöffnung an irgend einer andern Stelle des Kör- 4 pers, etwa an der Bauchseite denken. Ich kann indessen bestimmt an- AN 223.0, :D4 94: Beiträge zur Naturgeschiehte der Daphnoiden. 67 geben, dass eine solche nicht existirt, dass vielmehr die Eileiter den einzigen Zugang zu den Ovarien bilden, hier, wie bei allen Daphnoiden, Auf den ersten Blick scheint Alles gegen eine Ejaculation in die Ephippialhöhle zu sprechen. Zuerst die Lage der Samenleiteröffnungen, welche auf keinerlei Vorsprung stehen, der in den Brutraum vorgescho- ben werden könnte, dann die Empfindlichkeit der Samenzellen gegen Wasser. Man sollte denken, dass der in die Ephippialhöhle entleerte Samen beim Zurückziehen des männlichen Postabdomens sämmtlich wieder herausfliessen müsste und dass selbst die wenigen Samenzellen, welche in ihm zurückbleiben könnten, durch das eingedrungene Wasser sofort zerstört werden müssten. Wenn man aber ein Weibchen mit Ephippium darauf ins Auge fasst (vergleiche z. B. Fig. 17 in Abhandlung Il dieser Beiträge)!), so er- kennt man, dass nur ein sehr geringes Abwärtsbeugen des weiblichen Abdomens, also eine nur sehr geringe Oefinung des Ephippialraums nöthig ist, um dem mit Heftigkeit ausgespritzten Samen Zugang zu ver- schaffen. Ändrerseits ist nun aber im Ephippialraum kein reines Wasser enthalten, sondern eine, wenn auch schwache Proteinlösung, dem Daph- nidenblute in ihrer Zusammensetzung vermuthlich nahestehend und in dieser müssen sich die Samenzellen jedenfalls längere Zeit hindurch unverändert erhalten. Eine Ejaculation in die Eileiter scheint mir aus zwei Gründen nicht annehmbar. Erstens, weil sie auf mechanische Hindernisse stösst. Die Moinaweibchen, auch die mit Ephippien, besitzen eine stark vorragende und sehr breite Verschlussfalte des Brutraumes. Gerade vor dieser liegen aber die Eileiteröffnungen und es ist kaum denkbar, wie die Oefi- nungen der Samenleiter sich ihnen aufheften sollten. Der zweite Grund gegen diese Annahme aber liegt in der sonderbaren Gestalt der Samen- zellen. Dass strahlenförmige Zellen, wenn sie in eine weite Höhle aus- gestossen werden, leichter an dem eintretenden Ei hängen bleiben, als kugelige, ist leicht ersichtlich und auch die sichelförmigen Samenzellen von Moina paradoxa werden weniger leicht am Ei vorbeigleiten, als wenn sie bei gleicher Grösse Kugelform besässen. Wir können somit _ unter der Voraussetzung einer Ephippialbegattung uns einigermassen _ Rechenschaft über die sonderbare und von den übrigen Samenzellen _ abweichende Gestalt dieser Elemente geben, während die Annahme einer Eileiterbegattung jedes Verständniss abschnitte und diese Zellen = als zwecklose Naturspiele erscheinen liesse. < E Sicherer als auf derartigen Erwägungen würde man freilich auf der 12 AB 1) Diese Zeitschrift. Bd. XXVII. Taf. VII. = FE) 68 | August Weismann, einfachen Beobachtung fussen, allein es ist mir trotz vieler Mühe nicht geglückt, den Moment der Ejaculation zu beobachten und ebensowenig, den ejaculirten Samen im Ephippium oder aber im Eileiter nachzu- weisen. Dennoch bieten auch die Beobachtungen mehrfachen Anhalt für die hier vertheidigte Annahme. N | Man kann die Begattung bei Moina leicht hervorrufen, wenn man solche Weibchen mit Männchen zusammenbringt, welche ein reifes Winterei im Ovarium tragen. Allerdings werden oft auch solche Weib- chen angegriffen, welche bereits Eier im Ephippium enthalten, aber wirkliche Begattung erfolgt hier nicht. Niemals sah ich, dass sich die Männchen an Jungfernweibchen vergriffen, doch kann dies die einfache Folge davon sein, dass in den meisten Moinacolonien die Geschlechts- weibchen an Zahl überwiegen. Ich habe öfters den ganzen Verlauf der Begattung unter der Loupe und dem Mikroskop verfolgt. Dieselbe beginnt damit, dass das Männchen von oben her auf das Weibchen stösst.und es mit seinen langen, mit Haken gekrönten Antennen umklammert. Das ergriffene Thier sucht sich nun los zu machen, schiesst rasch umher, ergiebt sich aber schliesslich in sein Schicksal und nun rutscht das Männchen schräg nach unten über die Schale herüber und klammert sich mit seinen Fusshaken am Schalenrand fest, während es zugleich mit seinen An- tennen das Weibchen umarmt. Es ist mir einmal gelungen, ein Pärchen durch rasches Eintauchen in absoluten Alkohol in der Begattungsstel- lung zu fixiren. Dabei war das Männchen mit dem Kopf gerade nach vorn gerichtet, hatte mit den Klammerantennen die Schale umfasst und trug das Postabdomen krampfhaft zusammengebeugt. Bei lebenden Pär- chen zeigten beide Thiere, besonders aber das Männchen, die grösste Beweglichkeit. Oft liess das Letztere die Antennen ganz los und hielt sich nur mit dem Fusshaken fest, während es zugleich den Körper schräg stellte, bald sass es wieder in der Längsrichtung fest. Dabei spielte das Postabdomen unaufbörlich auf und ab und suchte das Post- abdomen des Weibchens herabzudrücken. DerMoment der Samen- entleerung muss ganz kurz sein, denn mehrmals sah ich die erwähnten stürmischen Bewerbungen des Männchens in einem Moment noch in vollem Gang, im nächsten verschwand das Paar aus dem Ge- sichtsfeld, und wenn ich es wieder gefunden, war es schon getrennt, und — wie der weitere Verlauf lehrte — war die Begattiung schon erfolgt. Dies spricht gewiss nicht für eine Begattung in den Eileiter, welcher doch. ein Aufeinanderheften der Geschlechtsöffnungen vorhergehen müsste. Bei Moina rectirostris scheint der Eiaustritt der Begattung auf dem Fusse nachzufolgen; bei M. paradoxa ist dies keineswegs immer der Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 69 Fall. Es können darüber mehrere Stunden vergehen. Am 30. Novem- ber beobachtete ich ein Paar wiederholt in Begattungsstellung. Das Weibchen wurde hierauf isolirt; es trug im rechten Eierstock ein nahezu reifes Ei, im linken ein unreifes. Am folgenden Tag war ein Ei in die rechte Loge des Ephippium getreten, welches auch am 2. December noch kuglig blieb, nicht zerfiel, folglich befruchtet war!). Am 3. December trat auch das Ei aus dem linken Ovarium ins Ephippium, zerfiel aber rasch, ein Zeichen, dass es nicht befruchtet war! Auch diese Beobachtung spricht für Ephippialbegattung, denn esist ja bei Bythotrephes und Polyphemus festgestellt (siehe unten), dass die ejacu- lirten Samenzellen nach einigen Tagen im Brutraum zerfallen, sie werden also auch bei Moina nicht auf unbegrenzte Dauer sich intact und befruch- | tungsfähig erhalten, während bei der Voraussetzung einer Eileiterbegattung Be ee sich dieser Fall nur durch die künstliche Annahme erklären liesse, dass die Ejaculation ausnahmsweise nur in den einen Eileiter erfolgt sei. 6. Die Gattung Daphnia. Innerhalb dieser Gattung scheinen die Samenelemente sehr uniform gestaltei zu sein. Ich kenne sie allerdings nur von vier Arten, die zu- fällig dieselben sind, von welchen schon Leyvie sie beschrieben und abgebildet hat, nämlich von D. Pulex Baird, D. longispina O. F. Müller, __D. hyalina Leydig und D. magna Strauss. Bei diesen Arten sind die- - selben sehr kleine (Länge bei D. hyalina 0,012 mm, Dicke 0,002 mm) ‚und in ungeheurer Masse producirte Stäbchen oder Gylinderchen mit ab- _gerundeten Enden, welche ein ebenfalls stäbchenförmiges Kerngebilde _ enthalten. Letzteres wurde bereits von Leyvis bei D. magna nachge- wiesen. Es ist also nicht zu zweifeln, dass diesen Gebilden der morpho- _ logische Werth einer Zelle gebührt. In Bezug auf den Ort, an welchen sie bei der Begattung gelangen, ist die Thatsache von Bedeutung, dass sie weit resistenter gegen die Einwirkung von Wasser sind, als die Samenzellen irgend einer der bis- her besprochenen Arten. Ins Wasser entleert halten sie sich mehrere _ Minuten lang unverändert (Fig. 39 B, a und bj, erst nach 10 Minuten konnte ich eine deutliche, wenn auch geringe Quellung erkennen, die _ allmälıg zunahm und nach einer halben Stunde das Samenstäbchen in _ eine äusserst blasse grosse Kugel verwandelte, deren Peripherie einseitig der noch immer stäbchenförmige Kern anlag (Fig. 39 B, c und d). N: en IE, Br 70 August Weismann, Die Entwicklung der Samenzellen schliesst sich insofern an die von Moina an, als auch hier die Hodenwandzellen nicht direct zu Samenzellen sich umwandeln, sondern als Samenbildungszellen functio- niren. 4 In jungen Thieren bildet der Hoden einen soliden Zellenstrang, in dem die Zellen meist zweireihig lagern (Fig. 44 4). Mit dem Wachs- thum entsteht eine Spalte in der Achse: das Lumen (Fig. 44 B). Später ” nimmt die Zahl der Zellen noch sehr bedeutend zu, so dass Bilder zu Stande kommen, wie sie in Fig. 46 von Simocephalus dargestellt sind, nur dass es dort noch nicht zur Bildung des Lumens gekommen ist. Die Samenzellen entstehen nun in den zu Mutterzellen werdenden Hoden- zellen und zwar von hinten (dem distalen Ende) nach vorn (dem proxi- malen) vorschreitend. In der flottirenden Samenmasse jüngerer Männ- ; chen bemerkt man stets auch grössere Samenbildungszellen, wie sie später von Simocephalus näher geschildert werden sollen. Bei Daphnia habe ich eine nähere Einsicht in diese Vorgänge nicht erlangen können. Dagegen glaube ich den Begattungsmodus nachweisen zu können. Der Samen kann hier nur in die Ephippialhöhle entleert werden und ganz ebenso verhält es sich bei allen Daph- ninen und Lynceinen. Bei allen darauf untersuchten Arten hat auch die männliche Geschlechtsöffnung eine ähnliche Lage, sie liegt auf der Spitze des Postabdomen. Bei allen Arten von Daphnia, welche ich kenne, ist eine Ejaculation in die Eileiter ganz unmöglich. Dies geht mit Sicherheit aus der näheren Lage der männlichen Geschlechtsöffnungen hervor. Dieselbe befindet sich nämlich (bei D. pulex) nicht genau da, wo LEyDIG sie zeichnet (a. a. O. Taf. I, Fig. 5), sondern etwas nach vorn von der Krallenbasis, also auf der Seitenfläche des Postabdomen. Sie bildet einen rundlichen Vorsprung und steht so entfernt von der Ventralfläche, dass auch bei der stärksten (passiven) Beugung der Schwanzkrallen eine Berührung der beiden Oefinungen mit den beiden Eileiteröffnungen des Weibchens 4 unmöglich ist. Nun könnte man an eine bisher unbekannte Fäbliche Geschlechts- öffnung an der Bauchseite, etwa an der Basis des letzten Fusspaares denken, und Craus hat eine solche Vermuthung auch ausgesprochen, die 3 ja durch eine ähnliche Lage der weiblichen Geschlechisöffnung bei andern Crustaceen an und für sich nicht unstatthaft war. Allein es existirt kein 4 weiterer Zugang zu den Ovarien als durch die Eileiter, wie ich bestimmt 2 versichern kann, so dass älso nur die Alternative vorliegt: Ejaculation i in die Eileiter a in die Ephippialhöhle. E Nun wäre gewiss das Aufsuchen der kleinen Eileiteröffnungen mit E,2 = er Beilage NS Beiträge zur Naturgesehichte der Daphnoiden. 71 den auf der Spitze eines langen Hebelarms (des Postabdomen) gelegenen Oeffnungen der Vasa deferentia eine etwas unsichere Sache, sie wird aber — selbst wenn sie möglich wäre — doch in Wirklichkeit deshalb nicht stattfinden, weil dabei das männliche Postabdomen ziemlich weit in den Brutraum hineingestreckt werden müsste. Dabei aber müsste ‚das Weibchen verletzt werden, da die Afterzähne des Männchens ebenso lang, scharf und zahlreich sind als beim Weibchen. Es wird sich weiter unten zeigen, dass das Postabdomen solcher Lynceidenmännchen, welche dasselbe in den Brutraum des Weibchens hineinstrecken, der scharfen Afterzähne entbehrt. Es findet also kein Hineinstrecken hier statt und somit kann die Ejaculation nur in die Ephippialböhle stattfinden. Einen weiteren Beleg zu diesem Schluss finde ich in dem Bau des Samenleiters. Dieser ist im grössten Theil seines Verlaufs so, wie ihn Leypig schon abgebildet hat, weit und dünnwandig, dann aber folgt ein dickwandiges kurzes Endstück , dessen Lumen nur beim Durchtritt von - Samen sichtbar ist (Fig. 39 A, Dej). Dieses Stück stellt einen Ductus ejaculatorius vor, dessen Ringmuskulatur deutlich zu erkennen ist. Ob Dilatatoren vorhanden sind, konnte ich nicht sicher entscheiden. Bei Thieren , welche einem mässigen Druck durch das Deckglas unterworfen sind, füllt sich das eigentliche Vas deferens bis zum Ductus ejaculatorius prall mit Samen an, ohne dass aber auch nur eine Samen- zelle ins Wasser austritt. Es findet eine Stauung des Samens im Vas deferens statt. Erst wenn der Druck stärker wird (oder der Wille des _ Thieres hinzukommt) überwindet er die Ringmuskulatur und eine ganz plötzliche und heftige Ejaculation findet statt, bei welcher eine grosse Menge Samenzellen weit hervorgeschleudert werden. 2 Die Begattung von Daphniaarten ist schon von Vielen beobachtet worden, freilich nur die äusserliche Vereinigung der Geschlechter: das . Anklammern des Männchens und das gemeinsame Umherschwimmen. Be Schon Jurıne und nach ihm manche Andere bemerkten von D. pulex, Ei dass die begattungslustigen Männchen beinahe jedes Weibchen attaquir- ten, mochte dasselbe schon Wintereier tragen, oder Embryonen. Dies = ist zwar insoweit richtig, als die Männchen sich in der That häufig an _ trächtige Weibchen anklammern , aber immer lassen sie bald wieder los und wirkliche Begattung findet — soweit ich urtheilen kann — nur mit solchen Weibchen statt, welche ein Winterei im Ovarium tragen. Zum _ Theil sind die Bekihehen auch nicht so hitzig und warten den richtigen . Moment ab. So brachte ich am 2. September 1875 mehrere Männchen ' von Daphnia pulex mit einem Weibchen zusammen, welches reife Embryonen, im Brutraum trug, in jedem Ovarium aber ein nahezu rei- s Den ganzen Morgen über machten die Männchen keinen 723 August Weismann, Begattungsversuch. Erst am Nachmittag 4!/, Uhr, nachdem das Weib- chen seine Jungen geboren hatte, klammerte sich ein Männchen hinten an der Bauchseite an, und bald folgte noch ein zweites, um sich weiter vorn anzuhaken. Das Weibchen wehrte sich nicht, sondern schwamm ruhig und langsam umher, lag auch manchmal still am Boden. Länger als eine Viertelstunde liess keines der Männchen los. Leider musste ich die Beobachtung unterbrechen und als ich eine Stunde später sie wieder aufnehmen wollte, war die Begattung bereits vollzogen, die Männchen hatten beide sich entfernt und im Brutraum, der noch nicht zum Ephip- pium umgebildet war, lagen zwei befruchtete Wintereier. Es war also hier der Austritt der Eier unmittelbar auf die Begattung gefolgt. Erst am %. September war das Ephippium fertig, wie ich denn auch sonst noch öfters beobachtet habe, dass die Winterei- und die Ephippiumbildung nicht immer gleichen Schritt hält. Für Moina rectirostris habe ich früher schon angegeben, dass bei ausbleibender Be- gattung das Ephippium leer abgeworfen wird und dass sich dies zwei, ja drei Mal wiederholt, bis zuletzt das Winterei im Ovarium zerfällt und das Thier zur Sommereibildung übergeht. Das Umgekehrte kommt also ebenfalls vor, dass nämlich die Wintereier früher ausgebildet werden, ‘als die für sie bestimmte Hülle, immer aber bleiben sie dann ruhig in der Bruthöhle liegen, bis das Ephippium zu Stande gekommen ist. Der äussere Vorgang der Copulation ist bereits von JuURINE so vor- trefflich beschrieben worden, dass ich mich darauf beschränke, seine Worte anzuführen. Am 21. November 1797 fand er in einem Sumpf eine grosse Anzahl von Daphnia pulex beiderlei Geschlechtes, an wel- chen er Folgendes beobachtete: »Le mäle s’elance sur le dos de la femelle qui quelquefois lui &chappe; mais lorsqu’il peut la saisir avec les longs filets de ses pattes anterieures, et la cramponner avec ses har- pons (der feine Haken an der Spitze der vorderen Antenne), il la retient solidement; bientöt apres il se promene rapidement sur la surface de la coquille jusqu’a ce qu’il en ait atteint le bord inf6rieur; alors se trou- vant plac& de maniere a ce que les deux coquilles soient opposees ’une a l’autre par leur ouverture, il y introduit tres prompiement ses harpons, et les filets (Geisseln) de ses pattes anterieures, avec lesquels il enveloppe et lie pour ainsi dire celles de la femelle. Quand il s’est affermi dans cette position , il courbe sa queue en avant, et la fait sortir assez pour aller chercher celle de la femelle; des que celle-ci a senti cette partie, elle s’agite beaucoup et emporte le mäleen fuyant avec une telle vitesse qu’ona de la peineä suivre ce couple amoureux dans le vase qui le contient; enfin cette agitation cesse, et la femelle avance a son -tour sa queue pour rencontrer celle du mäle; 7 ’ = ae jag x R Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 13 ‚A peine se sont-elles bien touchees qu’elles se separent. Au moment ou cet attouchement a lieu, le mäle est agite de mouvements convulsifs qui donnent a ses bras des vibrations remarquables. C’est pendant ce - contact que s’opere, a mon avis, la copulation«. Dieser letzten Ansicht bin ich auch, halte auch die Stellung, welche Jurine dem Männchen giebt (Taf. XI, Fig.3), für die richtige. Ohne Zwei- fel kann die Begattung nur stattfinden, wenn die Bauchseiten und die Köpfe beider Thiere einander zugekehrt sind. Zuweilen sieht man zwar das Männchen auch in andrer Stellung, aber niemals dauernd. Dagegen bezeichnet die starke Beugung des männlichen Postabdomens, wie sie . Jurine darstellt, jedenfalls nicht den Moment der Ejaculation, vielmehr nur einen der vielen vergeblichen Versuche, welche stets der wirklichen Begattung vorausgehen, den Hinterleib des Weibchens soweit herabzu- drücken, um die Spitze des eignen Hinterleibs zwischen die Schalen- hälften des Weibchens einführen zu können. Während der Ejaculation muss das männliche Postabdomen lang ausgestreckt sein, so wie es in Fig. 19 von einem Lynceiden (Peracantha truncata) dargestellt ist. Da unmittelbar nach der Begattung das Dauerei aus dem Ovarium tritt, so wird der Same nur einer kurzen und unschädlichen Einwir- kung des Wassers ausgesetzt sein und da bei Daphnia stets nur zwei Eier gleichzeitig austreten, so werden unter der grossen Menge ejaculir- ter Samenzellen immer leicht einige in Contact mit den grossen, den Ephippialraum beinahe ausfüllenden Eiern kommen. 7. Die Gattung CGeriodaphnia Dana. Ueber die Samenkörper dieser Gattung liegt — soviel mir bekannt — - nur die Aeusserung von Le£ypıc vor, dass dieselben »äusserst klein und selbst bei ganz starker Vergrösserung kaum mehr als punktförmig « seien). Dies ist in Bezug auf C. quadrangula gesagt. Bei dieser Art, finde ich sie stäbchenförmig und zwar bündelweise beisammenliegend;; sie e sind 0,04 mm lang und etwa 0,004 dick und die Bündel, deren jedes wahrscheinlich einer Bildungszelle entsprungen ist, liegen im Hodenlu- men die Kreuz und Quer durcheinander, eingebettet in hyaline, zähe Schleimmasse (Fig. 11 A und B). Auf dem optischen Querschnitt sind die Stäbchen kreisrund, einen Kern konnte ich mit dem Harrnack’schen System VIII (dem stärksten, welches mir damals augenblicklich zur _ Verfügung stand) nicht erkennen. 74 - August Weismann, Bei €. reticulata Jurine sind die Samenelemente so, wie sie Leypie schildert: sehr kleine Körnchen (Fig. 40), denen man übrigens den Werth von Zellen auch ohne directen Nachweis des Kerns per ana- logiam wird zusprechen müssen (siehe bei Simocephalus). Die männliche Geschlechtsöffnung ist bisher nicht richtig angegeben = worden. Sie hat eine Lage, welche die Annahme einer Ejaculation in die Oviducte ganz ausschliesst; sie liegt nämlich vollständig auf der Dor- salseite des Postabdomens, unmittelbar vor dem ersten Afterzahn (Fig. 40, g' sex.). Wie bei Daphnia so findet sich auch hier ein musku- löser Duetus ejaculatorius. Die äussern CGopulationsorgane (Haken am ersten Fusspaar und an den Antennen) bedingen die gleiche Begattungsstellung wie bei Daphnia und es kann — wie mir scheint — nicht zweifelhaft sein, dass auch hier die Ejaculation in die Höhle des Ephippiums erfolgt. Dass die männliche Geschlechtsöffnung hier auf die Dorsalfläche gerückt ist, mag seinen Grund in der ausserordentlichen Kürze des Postabdomens haben. Eine starke Beugung desselben wird im Stande sein, diese Oeffnung ge- nau dem hintern Schalenwinkel des Weibchens anzupressen und da gerade hier ein Ausschnitt in der Verdiekung der Ephippialwand liegt (Fig. 48), so wird der Same direct in die Höhle einströmen. Dass die Begattungsstellung wirklich die angenommene ist, wird durch eine Beobachtung von Leyvıs im Allgemeinen bestätigt, dem es glückte, Paare in coitu auf den Objectträger zu bringen. Er sah dabei, »dass das Männchen, welches seine Bauchseite der des Weib- chens zukehrte, letzteres wie umbalsend mit dem langen Endfortsatz der Antennen festhielt«. Bei Ceriodaphnia quadrangula tragen die langen vordern Antennen hekanntlich einen starken Haken und es ist interessant, dass uns die Uebergangsstufen von der gewöhnlichen kurzen Geissel, wie sie auch Daphniaarten zukommt, bis zu diesem ausgebildetsten Fangorgan in einer Reihe von Ceriodaphniaarten erhalten sind. Bei C. reticulata Jurine ist die Geissel schon ziemlich lang, aber noch ohne wirklichen Haken, nur gekrümmt an der Spitze, bei C. pulchella Sars ist diese Krümmung 2 schwächer und bei €. rotunda Straus fehlt sie ganz und die Geissel ist nicht länger, als z. B. bei Daphnia longispina. 8. Die Gattung Scapholeberis Schödler. Die Samenkörper dieser Gattung werden von Leypie »als fast nur- 2 punktförmig bezeichnet, und in der That gehören sie zu den kleinsten der ganzen Ordnung. Bei 400facher Vergrösserung machen sie noch Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden, 75 den Eindruck von kleinen, rundlichen Körpern (Durchmesser 0,004mm). nu 1 nt Bei der schlechten Novemberbeleuchtung, bei welcher ich diese Art beobachtete, konnte ich einen Kern nicht nachweisen. Ueber ihre Entstehung sah ich nur so viel, dass sie in den grossen Wandungszellen des Hodens in Menge sich bilden. Hier lagen sie — wie es schien — in Menge im Protoplasma dieser Zellen (Fig. 43). Im Lumen des Hodens zeigen sie keine Molekularbewegung trotz ihrer Kleinbeit, müssen also in einem etwas zähen Schleim eingebet- tet sein. Die Oeffnung des Samenleiters muss vor der Basis der Schwanz- krallen liegen, doch habe ich sie an den wenigen Männchen, welche mir vorkamen, nicht mit Sicherheit wahrnehmen können. Die Aehnlichkeit aller morphologischen Verhältnisse lässt anneh- men, dass die Begattung wie bei Daphnia und CGeriodaphnia vor sich gehe. 9. Die Gattung Simocephalus Schödler. Die Samenelemente dieser Gattung sind bei verschiedenen Arten verschieden, bei S. Vetulus fand ich sie kugelig, bei einer andern, leider nicht bestimmten Art (S. serrulatus?) stäbchenförmig. Leypıs bezeich- net sie-bei S. vetulus als »keilförmig« und bildet sie auch so ab. Meine Beobachtungen an S. vetulus wurden im Frühjahr (Mai) angestellt, die wen Leypıc im Herbst (September, October). Schwerlich wird eine Art von Saisondimorphismus der Samenzellen vorkommen, und es wird somit wohl eine Art-Verwechselung hier zu Grunde liegen. In jeder Bildungszelle liegen mehrere grosse helle Kerne, die von einer dünnen Protoplasmarinde umhüllt sind, mit dieser zusammen also Tochterzellen darstellen. In dieser Rinde entstehen die Samenstäbchen und es schien mir, als ob die Zahl der Samenstäbchen, welche inner- halb einer Mutterzelle sichtbar waren, stets der Zahl der Tochterzellen - entspräche, so dass also jede Tochterzelle nur ein Samenstäbchen her- - vorbrächte. Die Samenstäbchen,, welche ich bei S. serrulatus (?) beobachtete waren 0,008 mm lang und 0,0008 etwa dick und stark lichtbrechend. Sie entstehen in Bildungszellen der Wand, welche sich später loslösen und dann frei zwischen reifen Samenstäbchen im Lumen flottiren. ji Ganz ähnliche Samenmutterzellen fand ich auch bei S. vetulus (Fig. 38, B), ohne dass ich aber über die Art und Weise, wie die Samen- zellen sich in ihnen bilden, ganz ins Klare gekommen wäre. Man findet ugelige Zellen verschiedener Grösse, in welchen theils nur ein, theils zu sechs helle, vacuolenartige Räume (Kerne?) liegen, umgeben vom 76 August Weismann, Zellprotoplasma. Die Samenzellen selbst sind kleine stark lichibrechende rundliche Körner von 0,003 mm Durchmesser, in welchen sich durch anhaltende Einwirkung von Wasser oder durch Essigsäure ein Kern leicht nachweisen lässt (Fig. 38 A und B, Sz). Die Begattung habe ich niemals beobachtet, obgleich ich vielfach beide Geschlechter in kleinen Gefässen zusammenbrachte und auch die früheren Beobachter scheinen darin nicht glücklicher gewesen zu sein. Es ist möglich, dass die Stellung beim Coitus eine andere ist, als hei den vorher betrachteten Daphninae, da der Haken am ersten Fusspaar fehlt. Jedenfalls aber muss die Ejaculation auch hier in den Ephippial- raum erfolgen, da ein Aufpressen der männlichen Geschlechtsöffnungen ‚ auf die Eileitermündungen wohl in jeder Stellung ohne Zerreissung des weiblichen Rückens unmöglich ist. Ich finde nämlich die männliche Oeifnung hier ähnlich wie bei Geriodaphnia gelegen, auf der Dorsalseite des Postabdomens gerade vor (oder über) der Afteröffnung auf einem kleinen warzenförmigen Vorsprung (Fig. 38 A). Auch hier ist das Vas deferens ein ziemlich weiter Schlauch (Vd), der dann in einen kurzen mit Ringmuskeln versehenen Ductus ejaculatorius übergeht. An diesen setzt sich von vorn her ein fächerförmiger Muskel und auf diesem liegt _ eine grössere, rundliche blasse Zelle, welche wohl eine Ganglienzelle sein könnte (G?). Auch geht ein feiner Nerv aus dem grossen Ganglion (Sg) unter den Schwanzborsten (Sb) hervor, der sich gegen den Ductus ejaculatorius hin dem Auge entzieht. ‚e 410. Die Gattung Bosmina Baird. Die Seltenheit der Männchen ist wohl die Ursache, weshalb es bis- her an Angaben über ihre Samenelemente gänzlich gelchlE hat. Auch ich kann nur Wenig darüber mittheilen. Im Hoden des lebenden Thieres erkennt man nichts, als sehr kleine, stark lichtbrechende Körner, die ziemlich spärlich in einer hyalinen Grundsubstanz zerstreut liegen. Wird der Inhalt des Hodens durch Druck entleert, so treten mit ihnen zugleich ' viel grössere, hyaline Bänder aus, welche, offenbar durch Quellung, im Wasser einen Augenblick sich hin- und herwinden, dann stili liegen, immer blasser werden und schliesslich ganz vergehen. In jedem dieser Bänder waren mehrere solche Körner eingebettet, ein Zellkern war nicht sichtbar. Ich halte die Bänder für die Samenzellen, die Körner für Be- standtheile des Zellkörpers, wie sie auch bei andern Samenzellen (Moina, Sida) vorkommen und glaube, dass der Zellkern übersehen wurde. Doch gebe ich diese Deutung mit allem Vorbehalt, da ich nur ein einziges Männchen zur Untersuchung verwenden konnte. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 77 Leider hat die Seltenheit der Männchen auch nicht erlaubt, Be- gattungsversuche anzustellen, und ich vermag deshalb nicht, meine 2 früher ausgesprochene Vermuthung!!) durch Beobachtung zu bekräftigen, - dass nämlich die männliche Bosmina ihre Antennen wie eine Gabel mit beweglichen Zinken zum Einfangen und Festhalten des Weibchens be- nutzt. Aller Wahrscheinlichkeit nach verhält es sich so, da diese hörner- artig gebogenen Organe nur beim Manne beweglich am Kopfe eingelenkt, beim Weibe aber demselben fest angewachsen sind. Die Begattung muss in der Bauchlage vorsich gehen. Das beweist die Anwesenheit von Klammerhaken am ersten Fusspaar in - Verbindung mit einer sehr tiefen Lage des hintern Schalenwinkels beim Weibchen. Die Stellung des Männchens muss also ungefähr so sein wie bei Daphnia. Damit stimmt auch die Lage der männlichen Sexualöffnung auf der Spitze des Postabdomen unmittelbar an der Basis der sehr klei- nen Krallen, schon auf dem sogenannten Krallenträger (Fig. 41). Das Postabdomen des Mannes zeigt wesentliche Unterschiede von dem des Weibes, die aber alle— soweit ich sie kenne — auf eine grössere Beweg- lichkeit desselben und eine geringere Dicke hinauszielen. Bei dem Männ- chen von Bosmina diaphana articulirt sogar nach dessen Entdecker -P.E. Mürrer das ganze Postabdomen am Abdomen, wie bei den Lyncei- den und läuft ausserdem gegen die Krallen hin ganz spitz zu. Beides lässt sich leicht verstehen, da bei allen Bosminaarten der Schalenwinkel weit nach unten gerückt, der Raum zwischen Schale und weiblichem Rücken also schmal ist und das Männchen bei der Kürze seines Postab- - domens dasselbe sehr stark beugen muss. 11. Die Gattung Pasithea Lievin. Die kleinen, unregelmässig rundlichen Samenzellen (Durchmesser _ etwa 0,005 mm) wurden kürzlich von Gruser und mir beschrieben und - abgebildet 2). Sie erscheinen, wenn sie in Masse den Hoden erfüllen, hell kastanienbraun, eine Färbung, die auf kleinen gelbbraunen Körn- chen beruht, welche den Zellkern umgeben /Fig. 12 A und B). B Lage und Gestalt des Hodens sind ganz, wie bei andern Daphninen, “ die Mündungsstelle aber konnte ich nicht sicher erkennen, das Vas defe- - rens liess sich bis neben den After verfolgen, der hier etwa wie bei _ Bosmina liegt, d. h. hinter den Schwanzkrallen. 2, Das ausserordentlich kurze und seltsam geformte Postabdomen ist i es 4) Diese »Beiträge«. Abhandlung V. 2) »Neue Daphniden«. Taf. IV, Fig. 15. 78 August Weismann, u in beiden Geschlechtern gleich, so dass sich daraus keine Schlüsse auf die specielle Form der Begattung ziehen lassen. Der Klammerhaken am ersten Fusspaar fehlt auch hier dem Manne nicht, und daraus und aus der Gestalt der weiblichen Schale lässt sich abnehmen, dass die Be- gattungsstellung ähnlich sein muss, wie bei Daphnia, d. h. das Männ- chen klammert sich mit dem Kopf voran an den Bauchrand der Schale an. Da die Stelle, an welcher beide Schalen zusammenstossen (der hintere Schalenwinkel), beim Weibchen sehr weit abwärts liegt, so wäre keine andre Stellung denkbar, in welcher das Männchen zugleich den Schalenrand packen und mit der Spitze des Postabdomen in den Brut- raum eindringen könnte. 12. Die Gattung Macrothrix Baird. Auch über diese Gattung kann ich nur Dürftiges mittheilen. Die Männchen sind bisher nur von GrugEr und mir beobachtet worden und ihre Seltenheit, sowie ihre Kleinheit (0,4 mm) und relative Undurch- sichtigkeit erschwerte die Untersuchung sehr. Wir fanden), dass »die Hoden auch hier die gewöhnliche Schlauchform haben und die bekannte Lage zu Seiten des Darmes. Wie bei Moina, so sieht man auch hier bei den fast ununterbrochen andauernden peristaltischen Bewegungen des Hodens die Samenmasse auf- und absteigen. Auch bei starker Ver- grösserung erkennt man übrigens die Samenzellen selbst nicht, sondern nur ihre Kerne, welche als dunkle Körner erscheinen, die nicht unmit- telbar aneinander stossen, also durch die vermuthlich äusserst helle Zellsubstanz auseinander gehalten werden. Die Samenelemente können danach weder Strahlenzellen, wie bei Moina rectirostris und brachiata, noch Sichelzellen, wie bei Moina paradoxa sein, noch auch stäbchenför- mige Körperchen, wie bei den Daphniaarten, sondern sie müssen nahezu kugelige kleine Zellen mit hellem Protoplasma und kleinem dunkeln Kern sein, ähnlich den Samenelementen von Pasithea. Isolirung der- selben gelang nicht.« Auch hier ist das Schwanzende beider Geschlechter nahezu gleich und die Mündungsstelle des Vas deferens konnte nicht sicher gestellt werden, auch hier sind die Antennen gleich bis auf zwei Sinnesborsien, die das Männchen mehr besitzt, auch hier fehlt schliesslich der Klammer- haken am ersten Fusspaar nicht und dies in Zusammenhang mit dem übrigen Bau lässt auf die gleiche Begattusgsform schliessen. NER. a. 0. pP. 108: ? . A Las N re 74 5 AR ee an a a kan Fer TR ned rn fa FR Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 79 III. Samen und Begattung bei den Lynceiden. 13. Die Gattung Eurycercus Baird. | Im Gegensatz zu den andern Daphnoidenfamilien herrscht bei den - Lyneceiden eine grosse Einförmigkeit der Samenelemente. Ueberall sind - es sehr kleine nahezu kugelige Zellen, deren Kern sich bei den grösseren Arten ganz wohl nachweisen lässt. Bei Eurycercus lamellatus, dem Riesen unter den Lynceiden, dessen Männchen im November sehr zahlreich anzutreffen sind, besitzen sie eine relativ bedeutende Grösse, ihr Durchmesser beträgt 0,005 mm. Sie sind kugelig, wasserklar und enthalten einen klaren, ebenfalls kugeligen Kern, in welchem noch ein stark lichtbrechendes central ge- legenes Kernkörperchen deutlich zu erkennen ist (Fig. 29 B). Sie sind also unzweifelhafte Zellen, eine Erkenntniss, die für die Beurtheilung der meist ganz winzigen Samenelemente der übrigen Lynceiden nicht ohne Bedeutung ist. Gegen Wasser sind sie nicht sehr empfindlich, ‚verändern zunächst ihre Form gar nicht und quellen erst nach längerer _ Zeit auf, um schliesslich zu platzen und sich aufzulösen. Der Hoden besitzt auch hier die Gestalt eines weiten Schlauches, der aber vielfache Aussackungen aufweist, auch nicht, wie bei den - Daphniden gerade gestreckt verläuft, sondern entsprechend dem eine Schlinge bildenden Darmcanal mehr oder weniger gebogen (Fig. 29 A). - Die Wand des Hodens ist sehr dünn und man findet im November das Organ prall gefüllt von einer unglaublichen Menge von Samenzellen, _ welche schon auf geringen Druck durch die Mündungen der kulfesn 3 ‚Samenleiter ausströmen. Diese Mündungen liegen — abweichend von allen andern Lynceiden — an der Basis des Postabdomen, natürlich an E.. Bauchseite und zwar auf vorspringenden, zweilippigen Papillen, welche gegen die Schwanzspitze zu schauen, so dass also der Samen in der Richtung gegen die Schwanzkrallen hin ausströmt. \ Die Begattung wurde noch von Niemand beobachtet. Ich halte ein - Aufeinanderpassen der beiderseitigen Geschlechtsöffnungen auch hier nicht für möglich, die colossale Höhe des mit zackigem Rande versehenen & Postabdomen schliesst wohl eine Einführung desselben in den Brutraum aus; jedenfalls müsste man erwarten — falls eine solche stattfände — _ dass beim Manne diese Höhe geringer sei, als beim Weibchen, oder die _ Zacken abortiv, wie Aehnliches bei allen andern Lynceiden vorkommt; dem ist aber hier nicht so. Da nun andrerseits die Begattungsstellung iederum durch die Haken am ersten Fusspaar gegeben ist, so kann der Samen wohl nur in den Brutraum entleert werden und zwar wird dies Koh 80 August Weismann, so geschehen, dass die männliche Geschlechtsöffnung gerade in den Schalenwinkel des Weibchens zu liegen kommt, während das mächtige Postabdomen sich mit seiner Ventralfläche dem Schalenrücken auflagert. Wir kennen nicht die Bedeutung der Kimme auf dem Postab- domen; dass sie aber eine nicht ganz unwichtige Rolle spielen, beweist wohl ihre Beibehaltung beim Männchen. Aus dieser Beibehaltung resul- tirte dann die Nothwendigkeit, die ursprüngliche Lage der männlichen Geschlechtsöffnung beizubehalten, da diese Oefinung auf der Spitze des Postabdomens zwecklos und unbrauchbar gewesen wäre. Ueber die Genese der Samenelemente kann ich nur so viel sagen, dass auch hier dieselben in grösseren Mutterzellen entstehen, welche man zuweilen mitten zwischen den reifen Samenzellen im Lumen des Hodens flottiren sieht (Fig. 29 A, unmittelbar vor dem Vas deferens). 1%. Die übrigen Lynceiden. Um Wiederholungen zu vermeiden, fasse ich die Beobachtungen über diese Gruppe zusammen. Die Samenzellen sind stets denen von Eurycercus ähnlich und wer- den, wie bei diesem, in Masse hervorgebracht. Bei den kleinen Arten sind sie ungemein klein. In der Litteratur finde ich nur die Samenelemente eines einzigen Lynceiden erwähnt und zwar bei Kurz, der von Pleuroxus hastatus bei- läufig bemerkt, »er habe recht grosse, kugelförmige Spermatozoen«!). Ich vermuthe, dass hier eine Täuschung mit untergelaufen ist, wenigstens würde dieser Pleuroxus sich anders verhalten, als alle übrigen mir be- kannten Arten. | Ich selbst habe die Samenzellen von folgenden Arten beobachtet: 1. Gamptocercus rectirostris Schödler; sie messen 0,0016 mm, das ganze Thier dagegen misst in der Länge etwa 0,6 mm; die Samenzellen verhalten sich also zur Länge des Thiers wie 4 : 370. Kerne der Samenzellen als helle Flecke mit Harrnack System VIII ganz wohl zu erkennen. 2. Acroperus leucocephalus Koch. Die Samenzellen messen 0,003 mm, besitzen einen deutlichen Kern und kleine Körnchen im Zell- protoplasma; Länge des Männchens 0,5 mm; die Samenzellen verhalten sich also zur Körperlänge wie 1 : 150. 3. Alonella pygmaea Sars: Die Samenzellen messen 0,0044mm, die Körperlänge beträgt 0,25 mm ; das Verhältniss ist also wie 4 : 180. 1) »Dodekas etc.« p. 67. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. si 4. Alonatestudinaria Schödler. Samenzellen nur 0,002 mm, - dennoch der Kern als heller centraler Fleck erkennbar. Länge des Männ- chens — 0,4 mm, also Samenzellen wie 1 : 200. 3. essantha truncata Baird. Samenzellen nur 0,0005 mm ‚etwa! Kerne nicht mehr erkennbar. Länge des Männchens = 0,5 mm, also ergiebt sich hier ein Verhältniss von 4 : 1000. | 6. CGhydorussphaericus. Samenzellen unmessbar kleine, stark lichtbrechende Körnchen; Kern nicht erkennbar. Dass die Genese dieser winzigen Samenzellen eine ähnliche ist, wie sie für Eurycercus, Simoce- phalus, Daphnia festgestellt wurde, beweist das Vorkommen mehrker- ' niger Mutterzellen im flüssigen Hodeninbhalt. Eine directe Beobachtung der Begattung bei irgend einem Lyncei- den liegt nicht vor. Kurz allein sah wenigstens die Vorbereitungen dazu und zwar bei Chydorus sphaericus. Er sagt darüber: »Die Begattung habe ich oft beobachtet. Sie findet statt an Weibehen, welche noch kein Ephippium!) haben, ja es sind manchmal im Brutraum noch Sommereier in verschiedenen Entwicklungsstadien vorhanden. Das Männchen klam- mert sich mit den Haken in dem Schalenwinkel fest, welchen die bei- - den Hinterränder beim Weibchen bilden. Die beweglichen Haken klem- men den Schalenrand des Weibchens gegen die Widerlager so fest, dass sich das Männchen vom Weibchen fortschleppen lassen kann. Dabei - überlässt sich das Männchen seinen gewöhnlichen vitalen Verrichtungen. Obzwar ich nun die conjugirten Thiere oft stundenlang unterdem Mikroskop hatte, sogelangesmirdochnie, den _Momentder Begattung zu beobachten«?). 2 Es wäre irrig, wollte man die von Kurz hier gesehene Stellung des _ Männchens für die Begattungsstellung nehmen. Bei allen Daphnoiden, deren Begattung mir bekannt ist, wechselt das Männchen seine Stellung, so lange das Weibchen noch keinen Ernst zeigt und klammert sich häufig en einer Stellung an, die sehr verschieden von der eigentlichen Begat- _ tungsstellung ist. Weibchen aber, welche Sommereier oder Embryonen essen, nehmen niemals Mimnchen an. 2 Ich glaube nun nachweisen zu können, dass die Begattungsstellung für die Lynceiden eine andre sein muss, diesäike nämlich, wie sie bei den Daphninen beobachtet wurde und möchte deshalb die von Kurz be- obachtete Stellung nur als erste Angriffsstellung des Männchens betrach- ' 4) Nach Kurz wird bei Chydorus eine Art von Ephippium gebildet, wie denn ‚auch bei einigen andern Lynceiden während der Bildung von Wintereiern Umwand- ungen der Schale vorkommen, Bildung logenartiger Vertiefungen, wenn auch keine vmlichen Ephippien, siehe: unten p. 84. &, Dodekas neuer Cladöceren. Wiener Sitzungsberichte. Bd. LXX. p. 72. 1874. rift f. wissensch. Zoologie. XXXIII. Ba. 6 Be ER 32 \ August Weismann, . ten, die sich von selbst daraus ergiebt, dass die Weibchen meist auf dem ' Boden umherlaufen, nicht schwimmen, also auch nicht anders als von hinten her gepackt werden können. Nach meiner Ansicht findet bei allen Lynceinen die Eja- culationin den Brutraum statt und zwar in der Weise, dass das männliche Postabdomen nicht blos an die Oeffnung desselben aussen angelegt wird, wie bei den meisten Daphnien, sondern ttiefin den- selben eingeführt wird. Diese Ansicht lässt sich in folgender Weise erhärten. Bei allen Arten liegt die männliche Geschlechtsöff- nungaufder Spitze desPostabdomen. Daraus folgt, dass diese Spitze mindestens in den Anfang des Brutraumes eingeschoben wird und dies wird weiter noch gestützt durch die Thatsache, dass bei allen Arten das männliche Postabdomen sich vom weiblichen unterscheidet, theils durch grössere Länge, theils durch geringere Dicke (Zuspitzung) theils durch Verkümmerung der scharfen Zähne, welche beim Weibchen auf der Dorsalfläche stehen, tiheils durch alles Dieses zusammen. Fig. 32 B stellt das männliche Postabdomen von Alonella pygmaea dar, © das weibliche, Fig 35 das männliche Postabdomen von Gampto- cercus rectirostris, Fig. 36 das weibliche. Fig. 37 A zeigt das conisch zugespitzte, völlig dornenlose Postabdomen der männlichen Alona testu- dinaria, Fig. 30 das ebenfalls dornenlose männliche Postabdomen von Acroperus leucocephalus, Fig. 34 dasjenige von Peracantha truncata, auf welchem die scharfen Dornen des Weibchens in ganz kurze, bieg- same Borsten umgewandelt sind. Noch auffallender sind die Unterschiede bei den Chydorusarten, bei welchen das weibliche Postabdomen sehr breit abgestuizt endet, das männliche aber sich fein zuspitzt. Alles dieses beweist indessen nur, dass das Postabdomen ziemlich tief in den Brutraum des Weibchens eingeführt wird, lässt aber die Mög- lichkeit einer Ejaculation in die Einleitermündungen noch offen. Diese wird dadurch ausgeschlossen, dass die Lage der männ- lichen Oeffnungen zum Theileinesolcheist, dass unmög- lieh ein Gontactmit den weiblichen stattfinden kann. Obwohl nämlich die Oeffnungen der Samenleiter bei allen Arten auf E der Schwanzspitze liegen, so finden doch grosse Unterschiede in der spe- cielleren Lage derselben statt. Bei Alonella pygmaea münden beide Samenleiter durch eine gemeinsame Oeffnung an der ventralen Basis der Schwanzklauen (Fig. 32 A und B) ; bei Alona pygmaea verhält es sich ähnlich, nur dass die beiden Oeffnungen nicht völlig verschmolzen sind 2 nnd die ganze Breite der Klauenbasis einnehmen (Fig. 37 Aund B). Bei Acroperus leucocephalus sind zwei getrennte Oeffnungen auf je einem Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 83 R Vorsprung an der Ventralseite der Klauenbasis vorhanden (Fig. 30). Bei Camptocereus rectirostris befinden sich die beiden Oeffnungen ziemlich weiter nach vorn und ohne warzenförmigen Vorsprung (Fig. 35). Bei Pleuroxus sp. endlich (Fig. 33) und bei Peracantha truncata (Fig. 3%) liegen die beiden Oeffnungen auf der Seitenfläche des Postabdomen. Die Begaitungsstellung lässt sich nun für solche Arten, deren hin- terer Schalenwinkel weit abwärts steht, leicht bestimmen, sie kann keine andere sein, als sie bei Moina oder Daphnia durch Beobachtung festge- stellt ist. Da das Männchen mit seinen Fusshaken nur den Rand, nicht die Fläche der Schale packen kann, so ist jede andere Stellung, als die - in Fig. 19 abgebildete ausgeschlossen. Klammerte sich das Männchen im Schalenwinkel an, so könnte es unmöglich sein Postabdomen in den - Brutraum einführen. Nun sieht man aber leicht, dass eine Berührung der Samenleiteröffnungen auch nur mit dem Rücken des Weibchen, ge- schweige denn mit den winzigen Eileiteröffnungen bei der als Beispiel gewählten Peracantha unmöglich ist. Der Samen wird also etwa so wie in Fig. 19 angedeutet ist, in den Brutraum entleert werden. Die Abbil- dung zeigt zugleich, dass dadurch für die Befruchtung der wahrschein- lich unmittelbar nach der Begattung austretenden Eier hinlänglich ge- sorgt sein muss, denn wenn auch beim Zurückziehen des männlichen Postabdomen ein Theil des ejaculirten Samens verloren geht, so wird von der grossen Menge von Samenzellen immer noch viel mehr zurück- bleiben, als zur Befruchtung der wenigen Wintereier erforderlich ist. Wenn nun auch bei andern Lynceinen die Lage der Samenleiter- öffnungen eine so bestimmte Zurückweisung innerer Begattung nicht zulässt, so spricht doch Alles dafür, dass die Begattungsform bei Allen dieselbe ist. Ueberall sind diese Oeffnungen so gelegen, dass der aus- - tretende Strom in gerader Richtung in die Tiefe der Bruthöhle getrieben wird und das Einzige, was. auf den ersten Blick für eine Ejaculation in die Eileiter bei einigen Arten zu sprechen scheint, ist das Vorkommen 3 eines sogen. Penis bei Leydigia (Alona) quadrangularis und Alona line- ata. Leider konnte: ich mir die Männchen dieser Arten bisher nicht A verschaffen, muss aber bezweifeln, dass diese Verlängerungen der Samen- leiter, welche bei Leydigia quadrangularis z. B. als schlaffer, kurzer _ unpaarer Schlauch zwischen den Klauen herabhängt, in dem Sinne Begattungsorgan ist, dass es in die Eileiteröffnung eingeführt würde. Ich glaube, dass schon die Lage zwischen den Klauen dagegen spricht _ und sehe in dem Organ eher einen Apparat zur Verstärkung der Aus- = strömungsgeschwindigkeit. Eine Einführung in den Eileiter würde auch voraussetzen, dass beide Eileiter in einer gemeinsamen Oeffnung aus- - mündeten, dieses ist jedoch noch bei keiner Daphnoide beobachtet wor- #2 n 84 August Weismann, . den und ist auch — soviel ich sehe — bei Alona quadrangularis nicht der Fall, vielmehr liegt hier — wie auch bei den übrigen Daphniden — eine kleine ovale Oeffnung mit geradem Spalt in der Mitte jederseits in einiger Entfernung von der Mittellinie. Nachdem das Manuscript bereits abgeschlossen war, bot sich mir zum ersten Mal die Gelegenheit, Geschlechtsweibchen von Chydorus sphaericus zu untersuchen und diese lieferten eine unerwartete Bestä- tigung der hier entwickelten Ansicht über die Lynceidenbegattung. Bei Chydorus besitzen die Männchen ein sonderbar geformtes Post- abdomen, das auf eine ganz specielle Anpassung an die Theile des Weib- chens hinzudeuten scheint. Dasselbe ist nämlich an seiner Rückenfläche tief bogenförmig ausgeschnitten, so dass es von der Aftergegend an ganz dünn wird. Dies erklärt sich nun ganz einfach, wenn man das von Kurz entdeckte Ephippium dieser Art kennt. Während nämlich bei den meisten Lynceiden die Schale keine oder nur geringe Veränderungen erleidet, um sich zur Aufnahme der Dauereier geschickt zu machen, bildet sich hier, — wie Kurz es ganz richtig beschreibt aber nicht ganz richtig abbildet !) — »im Rückentheil der Schale ein scharfer Höcker«, der offenbar dem Ei als fester Halt zu dienen hat. Dieser Wulst nun liegt in der Medianebene und entspricht in seiner Gestalt dem geschweiften Ausschnitt auf dem Rücken des männlichen Postabdomens — vorausge- setzt, dass dasselbe in der Stellung gegen die Ephippialhöhle vorge- schoben wird, wie es oben angenommen wurde. IV. Samen und Begattung bei den Polyphemiden. 15) Die Gattung Bythotrephes Leydig. Die Samenzellen dieser Art sind schon von Mürzzer beschrieben wor- den, es sind sehr grosse (Durchmesser 0,41—0,13 mm) hüllenlose, sphäroide Zellen mit bläschenförmigem Kern und einem Kernkörperchen (Fig. 20 C). Der flaschen- oder birnförmige Hoden (Fig. 21, H) enthält nur eine geringe Zahl derselben, höchstens etwa zwanzig, oft aber nur sechs oder acht. Das Protoplasma der Samenzellen ist ungemein weich und schmiegsam; beim Durchgang durch den engen Canal des Penis 4) Die Fig. 9 von Kurz auf Taf. III giebt eine förmliche Ecke auf dem Schalen- rücken an und lässt ihn von da gegen den Schalenwinkel allzu gerade abfallen. Ich finde in der Wölbung der Schale keinen Unterschied von den Jungfernweibchen, wohl aber in der enormen Verdickung der Hypodermis und der von ihr ausgeschie- denen Chitinschicht an der Stelle des in Frage stehenden Schalenwulstes. rd Be, al RD Zn ER er Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 85 & streckt sich die Zelle dermassen, dass sie denselben in wurst- oder band- _ förmiger Gestalt wieder verlässt, aus der sie sich aber dann rasch wieder - zur Kugelform zusammenzieht (Fig. 20 B, d und e). Durch geringen Druck des Deckgläschens kann man leicht eine An- zahl von Zellen zum Austretien bringen und man beobachtet dann jene, allerdings sehr seltsamen Bewegungserscheinungen, welche Lrypıe zuerst an Polyphemus gesehen und folgendermassen beschrieben hat). »Es quel- len die Samenelemente in Form einfacher, cylindrischer, feingranulärer Körper hervor, welche sich, von dem umgebenden Wasser berührt, rasch an beiden Polen ausziehen und damit spindelförmig werden.« — »Nun fangen die Enden an sich langsam zu bewegen und jedes Ende drillt sich in eine Anzahl feiner Fäden auf. Dann erfolgen amöbenartige Zu- sammenziehungen und Ausdehnungen des ganzen Zoosperms, die zuletzt damit aufhören, dass das Zoosperm zu einer Kugel sich umgestaltet hat, welche an mehreren Stellen Büschel zarter Strahlen abgiebt. Auf dieser "Stufe angekommen, sind sie den Strahlenzellen im Samen der Decapoden vergleichbar und bleiben auch wie jene vollkommen starr. Die amöben- artigen Bewegungen sind schon nach einigen Minuten erloschen.« Craus hat neuerdings dieselben Erscheinungen an den Zoospermien von Evadne beobachtet. Bei Bythotrephes habe ich sie oft gesehen und muss danach glauben, dass wir es hier nicht mit Lebensäusserungen _ dieser Zellen zu thun haben, wie man bisher annahm, sondern mit rein physikalischen Vorgängen. Ich halte die ganze Reihe der Formänderungen dieser Zellen nicht für active, sondern für passive, theils für reine Quellungserscheinungen, theils für die Folge mechanischer ARE NE und Zerreis- sung der Zellen. Wenn eine Samenzelle als langer band- oder wurstförmiger Körper (Fig. 21 Sz) aus dem Penis hervorgeschossen ist, zieht sie sich sofort wieder zur Eiform zusammen (Fig. 20 e),wennsienichtirgendwo hängen bleibt. Letzteres passirt aber sehr häufig, da das gedrückte Thier. heftig mit den Füssen arbeitet. Daher kommt es, dass die Zellen sich häufig »an den Polen ausziehen und spindelförmig werden«; das klebrige, weichflüssige Protoplasma der Samenzelle wird durch die mächtigen Fussborsten zerfetzt, die Zellen in lange Zipfel ausgezogen, ‚oft auch in mehrere kurze; zugleich wirkt das Wasser auf das zerrissene Protoplasma und es beginnt ruckweise zu quellen. Es bilden sich so die merkwürdigsten bandartigen Knäuel oder auch Formen, welche Dentenzellen« ähneln (Fig. 20 A, B, D), es wäre aber irrig, diesen = a) Naturgeschichte der Daphniden. p. 243. (616) August Weismann, i sonderbaren Gebilden irgend welche Bedeutung etwa in Beziehung auf den Befruchtungsvorgang oder auf die Lebenseigenschaften der Zelle zuzuschreiben : siesind Kunstproducte. Alle Samenzellen, welche an geschützter Stelle der Wassereinwirkung unterliegen, bilden keine Ausläufer, sondern bleiben lange Zeit oval mit dichterer, runzlicher Rindenschicht (Fig. 20 D, m), quellen dann plötzlich auf und zerfallen schliesslich zu einem Häufchen feinkörniger Masse (n), in deren Mitte der Kern noch längere Zeit intact bleibt. Sie verhalten sich also ganz so, wie die Samenzellen von Bosmina oder von Moina paradoxa, bei welchen nur die geringere Grösse der Zellen die Quellungserscheinungen minder auffallend macht. Dass jene »Strahlen« und Spitzen mit der Befruchtung Nichts zu thun haben, geht übrigens schon daraus hervor, dass die Samen- zellenim Körper des Weibchens als dieselben eiförmigen Gebilde erscheinen, als welche sie aus dem Hoden des Männchens bekannt sind. | Bei solchen Weibchen nämlich, welche vor Kurzem Wintereier in den Brutraum entleert haben, findet man nicht selten, wie bereits P. E. Mürzer gesehen hat, mehrere Samenzellen (bis fünf) im Brutraum, gewöhnlich den beiden Eiern dicht anliegend (Fig. 15 A und B). Die Befruchtung muss während oder unmittelbar nach dem Eintritt der Eier in den Brutraum erfolgen, weil unmittelbar danach die Bildung der Eischale beginnt. Ich habe niemals Samenzellen im Brutraum gesehen, bevor die Eier eingetreten waren, obgleich mir sehr oft Weibchen mit reifen Eiern im Ovarium vorge- kommen sind und ich oft das künstliche Ueberfliessen des Eies in den Brutraum durch Druck erzielt habe. Auch fand ich einmal ein Weib- chen, bei welchem in der Gefangenschaft bei ausgeschlossener Begattung ‘ die Wintereier in den Brutraum übergetreten waren, sich aber dort nicht kuglig zusammengezogen hatten, sondern zerfallen waren. Es siimmt dies vollständig mit den Beobachtungen an Daphnia pulex und Moina paradoxa, bei welchen die Eier ebenfalls zerfallen, wenn die Befruchtung ausbleibt. Nach allem Diesem muss also die Begattung mit dem Eintritt der Eier zeitlich zusammenfallen. Wie sie vor sich geht, ist mir nicht mehr zweifelhaft, seitdem ich bemerkt habe, dass bei den Geschlechtsweibchen eine kleine Oeffnung am Schalenrand frei bleibt und nicht mit der Rückenhaut verwächst. Bei Weibchen, welche die Begattung schon vollzogen haben, ist sie schon äusserlich kenntlich durch kleine pelottenförmig vorspringende Lippen, welche von einer Vorstülpung der Wand des Ganals herrühren, in welchen die Oeffnung führt. Bei Weibchen, die die Begattung noch 4 e wi er he = | 4 ) ki # En Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 87 ni nicht vollzogen haben, treten diese Lippen noch nicht so hervor. Ich bezeichne die Oeffnung ihrer Function nach als Vulva, den Canal als F-Ya gina (Fig. 14 A und B, Vv). Derselbe ist seiner Genese nach nichts weiter als ein offen gebliebener Spalt zwischen Rückenhaut und Schalenrand und führt direct in den Brutraum hinein. Als ich einmal stärkeren Druck ausübte, um das im Ovarium liegende Winterei in den Brutraum übertreten zu lassen, stülpte sich die ganze Vagina als ein Zapfen nach aussen vor (Fig. 14 B), doch bezweifle ich, dass dies im natürlichen Zustand je so vollständig geschieht. Ich muss noch hinzufügen, dass ich niemals im Innern des Oviduc- . tes eine Samenzelle gesehen habe, wie dies P. E. MürLer gesehen zu haben glaubte; eben so wenig konnte ich die von demselben Forscher angegebene Vulva!) auffinden, die am Bauch des Thieres hinter dem letzten Fusspaar gelegen sein soll. Wohl habe ich oft einen hellen Streifen von jener Stelle aufwärts gegen das Ovarium hinziehen sehen, aber bei genauerem Zusehen erwies derselbe sich stets als eine Lücke zwischen den Muskeln, nicht als ein selbständiger Gang. Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass diese Vulva und Vagina MüLLer’s auf einer Täuschung des vortrefflichen Forschers beruht. Die oben beschriebene wahre Vulva kann keinem andern Zweck dienen als der Begattung, da sie viel zu klein ist, um etwa die Eier durch sich austreten zu lassen. Die fertigen, d. h. die bereits mit ihrer dicken gelben Schale umgebenen Wintereier lassen sich durch keinen, noch so starken Druck aus dieser Oeffnung herausdrücken; sie zer- ‚platzen entweder, oder quetschen sich in den Körper des Tbieres hinein. Einmal fand ich den ganzen Brutraum angefüllt mit dem abnormerweise in Masse abgeschiedenen Eischalensecret. Aber auch von dieser halb- flüssigen Masse drang nur ein unbedeutenderTheil durch den Begattungs- canal nach aussen (Fig. 17). Um die Sache ganz sicher zu stellen, brauche ich nur noch anzuführen, dass die Winiereier durch den ganz gleichen Vorgangnach aussen gelangen, durch wel- chen dieEmbryonen der Jungfernweibchen: sie werden frei durch Zerfall des Brutsackes, nachdem sich zuvor eine neue Schale (Brutsackwand) unter ihnen gebildet hat (Fig. 16). Bei Weibchen mit fertigen Wintereiern im’ Brutraum findet man die Hypodermis der Hinterwand des Brutsackes (Schale des Thieres) in Zerfall, am Boden des Brutraumes aber liegt, demselben dicht ange- presst, eine dicke Hypodermisduplicatur: die neue Schale. Sobald nun die alte Chitinschale durch eine Häutung des Thieres entfernt wird, Re‘ A) Danmarks Cladocera. Taf. V, Fig. 6. 38 2 August Weismann, sind die Eier frei. Nicht selten befindet sich dann schon ein neues Winterei in jedem Ovarium, bereit in den neugebildeten Brutraum ein- zutreten, und man kann dann sehr leicht die neue Schale als solche er- kennen an dem mächtigen Binnenraum zwischen ihren beiden Lamellen (Fig. 14 BS), der sich erst dann verkleinert, wenn er durch die eintre- tenden Eier zusammengedrückt wird. Das einzige Bedenken, welches man gegen die Deutung des Schalen- porus als der Begattungsöffnung anführen könnte, wäre dies, dass die Oeffnung nicht doppelt, sondern einfach ist, während doch die Männ- chen einen doppelten Penis besitzen. Der kurze Canal, der von der Vulva zum Lumen der Bruthöhle führt, lässt in günstiger Lage ganz deutlich eine äussere und eine innere Mündung erkennen. Die äussere (die Vulva) ist um ein Drittel weiter, als die Spitze des Penis, die innere dagegen um ein Kleines enger, als dieselbe. Die Lage des Penis bei der Begattung ist somit gegeben: die Spitze desselben legt sich in die innere Mündung der Vagina und die Samenzellen werden also ganz direct in den Brutraum hineingeschleudert. Nach einer sogleich anzufübrenden Beobachtung ist es übrigens wahrscheinlich, dass der Penis bei der Be- gattung sich fadenförmig verlängert und dann also bis in den Brutraum hineinragt. Eine doppelte Begattung — wie sie bei den andern Daph- noiden mit doppeltem Begattungsorgan meist stattzufinden scheint — kann hier nicht vorkommen. Die Vagina ist zu enge, um gleichzeitig zwei Penis aufnehmen zu können; bei der geringen Anzahl von Eiern (zwei), die befruchtet werden sollen, bei der Einheit des Raums, in welchem die Befruchtung geschieht und bei der Unfehlbarkeit, mit welcher hier eine jede entleerte Samenzelle zum Ei gelangen muss, wäre die gleichzeitige Entleerung der beiden an Samenzellen so armen Hoden auch nur ein unmotivirter Luxus. Gerade bei den Daphnoiden kommt ja übrigens auch ein Alterniren der beiden Eierstöcke vor, so bei kleinen Lynceiden. Die Begattung habe ich nur ein einziges Mal beobachtet (am 30. October 1874). Leider konnte ich die Stellung der beiden Thiere zu einander nicht mit Sicherheit erkennen, doch schien das Männchen mit nach oben umgeklapptem Schwanzstachel am hinternp Rückentheil des Weibchens festzusitzen. Die Stellung wechselte übrigens während des Umherschwimmens;; öfters auch liess das Männchen los, um bald darauf wieder von Neuem das Weibchen zu umklammern. Auf den Object- träger gebracht, trennten sie sich, ich sah aber, dass der Penis des Männchens fadenförmig verlängert war und dass eine geldbeutelförmige Samenzelle noch nachträglich austrat. Es ist mir übrigens trotz dieser letzteren Beobachtung doch wahrscheinlich, dass hier keine Begatiung, Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 89 sondern nur ein Begattungsversuch vorlag. Das Weibchen trug nämlich fertige, beschalte Eier im Brutraum, die also längst befruchtet waren. | Später sah ich noch oft zwei Bythotrephes sich umarmen, allein dann war jedesmal die Sache umgekehrt, die Umarmung ging vom Weibchen aus und hatte zum Zweck: die Verzehrung des Männchens! In Aquarien mit vielen Bythotrephes sind solche Scenen des Gannibalis- mus nichts Seltenes; grosse Weibchen fangen oft die kleineren Männ- chen, oder auch kleine Weibchen, um sie zu fressen. Der Räuber be- | ginnt regelmässig mit dem Wegfressen des enormen Auges, dessen " schwarzes Pigment man in seinen Magen deutlich wiedererkennt. Da- bei lebt das Opfer noch, das Herz schlägt noch nach Verlust des ganzen Kopfes! Ich glaube einmal auch ein Stück des Befruchtungsvorgangs gesehen zu haben ; ich fand nämlich bei einem frisch eingefangenen Weib- chen zwei Eier im Brutraum, welche bereits mit dünner, durchsichtiger und noch farbloser Schale umgeben waren und von denen das eine einen hellen fast kugeligen Körper vom Aussehen einer Samenzelle im Innern der Schale eingeschlossen enthielt und zwar unmittelbar unter - der Schale und ziemlich tief in die Dottermasse hineinragend. Ein sehr blasser in der Mitte eingeschnürter Kern schien in der vermuthlichen Samenzelle darin zu liegen. Im Verlauf von 30 Minuten rückte dieselbe tiefer in den Dotter hinein, zugleich verengte sich das Loch in der Dottermasse, durch welche sie eindrang und die feinen dunklen Dotter- körnchen, welche schon vorher dichtgedrängt die eingedrungene Zelle umgaben, hüllten dieselbe bis zum Verschwinden eines scharfen Con- tours ein. Doch liess sich erkennen, dass jetzt zwei solcher dunkeln _ Centren im Dotter vorhanden waren, die dicht aneinander stiessen und ‚später mit einander verschmolzen. Zugleich schloss sich die Stelle, durch welche die Samenzelle eingedrungen war und die eine helle von _ dunklem Dotier dicht umhüllte Kugel näherte sich dem Centrum des Eies. Leider schnitt der Tod des Thieres weitere Beobachtungen ab! So sehr unvollständig diese Beobachtung auch ist, so lehrt sie doch wenigstens so viel, dass die ganze Masse der Samenzelle mit der Eizelle verschmilzt. Ob man im Uebrigen aber das Beob- achtete als einen Theil des normalen Befruchtungsvorgangs auf- fassen darf, wage ich nicht zu sagen, da ich nie wieder Aehnliches - gesehen habe. Begreiflicherweise lässt sich ein solcher glücklicher Zufall bei einem Thier mit innerer Befruchtung, welches in Gefangenschaft sich nicht begattet, kaum wieder erwarten. Unter einigen Hunderten _ frisch gefangener Thiere mögen sich im besten Falle vielleicht zwei oder drei frisch begattete Weibchen befinden, aber wer wäre im Stande, sie 90 August Weismann, sofort herauszufinden ? und wie häufig fällt der Fang viel spärlicher aus! E Thiere, welche sich während des Fanges in coitu befanden , werden sich E : } sofort wieder trennen und meist bekommt man nur Weibchen, welche schon vor längerer Zeit begattet worden waren. Auch in solchen lassen ° sich meist noch Samenzellen im Brutraum nachweisen, aber schon mehr : oder weniger verändert. Zuerst verliert das Protoplasma seine homo- gene Beschaffenheit, wird körnig in der Umgebung des Kerns bis zu vollständiger Verhüllung desselben; dann verflüssigt sich der ganze Zellkörper und es bleibt nur ein Haufen dunkler Körner zurück (Fig. 18 A und B). In einer Beziehung noch scheint mir Bythotrephes wichtig und ge- eignet, Licht auf die Vorgänge bei den Daphnoiden im Allgemeinen zu werfen. Dass die Wintereier der Befruchtung bedürfen, steht zwar jetzt ausser Zweifel, keineswegs aber, dass die Sommereier nicht be- fruchtungsfähig sind! Ich habe früher schon hervorgehoben, dass es noch niemals bewiesen worden ist, dass nicht eine grosse Zahl von Sommereiern auch befruchtet wird! Wir wissen nur, dass sie sich auch ohne Befruchtung entwickeln, nicht aber, dass sie nie befruchtet wer- den. Der Umstand, dass bei manchen Arten die Männchen früher auf- treten, als die Weibchen Dauereier hervorbringen, scheint sogar sehr für eine zeitweise Befruchtung der Sornmereier zu sprechen und wir wissen ja, dass die Männchen (von Daphnia pulex) jedes Weibchen attaquiren, auch solche, die nur Sommereier tragen, im Brutraum oder im Ovarium. Hier bietet nun Bythotrephes ein Mittel der Entscheidung. Esfehltnämlich den Weibchen, welchein Sommerei- bildung begriffen sind, dieoben beschriebene Vulva und { Vagina, dieSommereier können also hier nicht befruch- tet werden und so wäre wenigstens für diese Art der Nachweis ge- liefert, dass eine Befruchtung der Sommereier nicht vor-. kommt. Die Wintereier von Bythotrephes durchlaufen die Furchung im Brut- sack, wie denn überhaupt bei den Daphnoiden die ersten Entwicklungs- stadien immer unmittelbar nach der Befruchtung durchlaufen zu werden scheinen. 16. Die Gattungen Podon Lilljeborg und Evadne Loven. Wie im ganzen Bau, so schliessen sich diese beiden Gattungen auch in der Form und Grösse ihrer Samenzellen, sowie in der Art ihrer Be- gattung zunächst an Bythotrephes an. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 91 x } — DieSamenzellen sind hier im Verhältniss zum Körper des Thiers no h grösser und scheinen nach Craus!) beim Austritt ins Wasser die- ben seltsamen Trugbilder zu liefern, welche Leyvıc für Polyphemus ‘geschildert hat und deren Ursachen = oben für Bythotrephes nachzu- weisen versuchte. | Die Begattung geht hier ganz ähnlich wie bei Bythotrephes vor sich. Directe Beobachtungen derselben liegen mir zwar nicht vor, aber aus dem Bau der Sexualthiere lässt sich dieser Schluss mit Sicherheit ‚ableiten. Ich selbst habe nur Jungfernweibchen frisch untersuchen kön- nen, allein Herr Dr. SpexGer hatte die Güte, auf meine Bitte eine Reihe “von Beobachtungen an Sexualweibchen anzustellen, welche mich über die entscheidenden Punkte vollkommen ins Klare setzten. Ich statte ihm hierfür meinen verbindlichsten Dank ab. Bei Evadne und Podon liegt der Brutsack in dem weiten Blutraum der Rückenschale, die von starrer Chitinhaut gebildet, also nicht nach- giebig ist, wie bei Bythotrephes. Diese Schale ist deshalb von vornher- ein so gross angelegt, damit der Brutsack den rasch heranwachsenden Embryonen frei nachgeben könne, wie denn derselbe auch wirklich zu- ‚Jetzt den ganzen Schalenraum völlig ausfüllt. Während also im Beginn - der Embryonal-Entwicklung der Brutsack in einem mächtigen Blutsinus "schwimmt, verdrängt er selbst nach Massgabe seines Anschwellens das Blut immer mehr und mehr aus dem Schalenraum und es nimmt also ‚die Zufuhr von Nährmaterial für die Embryonen ganz in demselben Maasse ‚ab, als dieselben heranwachsen. Es verhält sich hier also ganz ebenso, wie bei Polyphemus und Bythotrephes, bei welchen das Fruchtwasser "im Beginn der Embryonalentwicklung so reich an Proteinsubstanzen ist, dass es sich mit Osmiumsäure schwarz wie Tinte färbt, während es gegen die Reife der Embryonen hin nicht einmal einen leichten grauen Stich mehr bekommt. x - Bei diesen beiden letzten Arten wird nun das Fruchtwasser von "einer besondern drüsigen Zellenlage abgesondert, der umgewandelten ipoder mis des Rückens, dem Boden der Bruthöhle, den ich eben- _ deshalb als Nähr er bezeichnet habe. Bei Podon und Evadne ist natürlich auch ein zelliger Boden, wie überhaupt eine zellige Wand des € Brutsacks vorhanden, aber ana Zellen werden weder am Boden, noch _ an der Decke zu Drüsenzellen, so lange das Thier Brut trägt, giehnehr ist die zellige Wand sehr dünn und für rein endosmotische Processe jedenfalls sehr günstig. Offenbar war hier die Entwicklung eines Nähr- 4) Zur Kenntniss des Baues und der Organisation der Polyphemiden. Wien 92 - August Weismann, bodens deshalb überflüssig, weil das blosse Durchschwitzen des Blutes (der Bluiflüssigkeit, denn Blutkörperchen habe ich bei beiden Arten nie gesehen) zur Ernährung der Embryonen genügte und dies konnte ge- g nügen, weil der Brutsack gewissermassen im Blute schwimmt. In der That fand ich, dass zu keiner Zeit der Embryonalentwicklung das Frucht- wasser nahrungsreichergewesen wäre, als dasumgebendeBlut. Osmium- säure liess Beides ungefärbt. h Ich habe mich schon früher, ehe mir noch die beiden Gattungen aus eigner Anschauung bekannt waren, dahin ausgesprochen, dass»der nach hinten gerichtete Stachel der Schale von Evadne spinifera in Wahrheit die höchste Höhe des Rückens« bezeichnet. Daraus ergiebt sich denn — wie das auch Craus später bestätigt hat — dass die Hinterwand der Evadneschale der eigentlichen Schale der übrigen Daphnoi- den entspricht. Der zarte Strang (Stiel desBrutsackes, Fig. 233—28 St) nun, welcher den Brutsack an diese Schale anheftet, kann somit nichts Anderes sein, als einerseits die Umschlagstelle der Schalendupli- catur und andrerseits die Rückenwand des Thieres, die Stelle also, an welcher beide Theile aufeinanderstossen : Schalenrand und Rücken. So lange die Brut noch jung und der Brutsack wenig ausgedehnt ist, erscheint dieser »Stiel« lang und dünn; ein Lumen besitzt er nicht oder doch nur in seinem Anfang am Brutsack. Am andern Ende hat er bei Jungfernweibchen niemals die geringste Spalte im Innern, ist völlig gleichmässig und setzt sich nach beiden Seiten hin in die Hypodermis fort, während die Chitinhaut der Schale glatt über seine Anheftungsstelle wegläuft ohne jede Spur einer Oeflinung (Fig. 27 Si). In dem Maasse als der Brutsack sich vergrössert, verkürzt und ver- hreitert sich der Strang, erhält aber auch jetzt kein Lumen. wi Ganz anders bei Weibchen mit Wintereiern. Bei diesen exi- stirt — wie ich den brieflichen Mittheilungen Herrn Dr. Spenger's ent- nehme— ein förmlicher Ganal, der durch die Cuticulanach aussen mündet und den ich nach den Erfahrungen an Bythotrephes nicht anstehe, als den Begattungscanalzu bezeichnen. Auch bei diesen Weibchen ist er aber nicht sofort da, sondern bil- det sich erst während der Reifung des Eies im Ovarium, denn beiEvadne bildet sich — wie es scheint — stets nur I Winterei gleichzeitig aus; 4 die Ovarien alterniren. Während nun bei jungen Thieren, in deren vier- zelliger Keimgruppe die Dotterbildung noch nicht begonnen hat (Fig. 23 Kgr), der »Stiel« des Brutsacks noch ohne Spur eines Lumens ist, fängt R etwas später das Lumen des Brutsackes an, sich spaltförmig in den Stiel fortzusetzen und erreicht bei der Reife des Eies die Hypodermis der We wi’ Zeug EI" Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden, 93 - Schale (Fig. 24, 25, 26). »Nach dem Eintritt des Eies in den Uterus « — so schreibt mir Herr Dr. SpenseL — »hat die vollständige Durchbrechung des Uterüsstieles stattgefunden. Die Mündung ist immer von einer klei- nen Lippe umgeben« (Fig. 28). — »Ich habe diese Thatsache (die Durch- Brechung des Stiels) oline Ausnahme in allen Fällen beobachtet, in wel- chen dasEibereits im Uteruslag; ja manchmal habe ich kleine Körnehenballen, wie man sie in der Uterushöhle antrifit, in dem Lumen des Stieles liegen sehen.« Wie ist es aber möglich, — so wird man fragen — dass dieser Canal nach aussen die ziemlich derbe und harte Chitinhaut durchbricht? — Natürlich nur vermittelst einer Häutung, deren ja alle Daphnoiden eine grosse Anzahl durchmachen, Daphnia pulex z. B. deren drei, ehe die erste Trächtigkeit oder die Entleerung der ersten Wintereier in den Brut- raum stattfindet. Der Zusammenhang der Ereignisse wird also dieser sein: Während der Reifung des Eies bildet sich der Canal im Stiel, dann erfolgt eine Häutung und nun bleibt eine von kleinen Lippen eingefasste - Oeffnung in der Chitinhaut, durch welche die Begattung geschieht. Evad- ne sowohl als Podon besitzen einen Penis, der dem von Bythotrephes ganz ähnlich ist. Wahrscheinlich tritt während, oder unmittelbar ‚nach der Begattung das Ei in den Brutsack. Wie bei Bythotrephes so verläuft auch hier der Furchungsprocess noch innerhalb des Brutsacks und das Ei erhält während desselben seine Hüllen. Die erste dünne Eihaut wird hier, wie überall, eine vom Ei selbst producirte Cuticula sein, die zweite aber entsteht, wie bei Bytho- 'trephes aus einem gelben Secret, welches von der drüsigen Wandung des Brutsackes geliefert wird. Die Wandungszellen der Geschlechts- ' weibchen verhalten sich nämlich sehr anders als die der Jungfern- weibchen. Noch ehe die Dotterablagerung im ersten Winterei begonnen hat, bestehen »die Wandungen des Uterus, welche sich jetzt noch fast be- rühren, schon aus grossen, dicken Zellen, die mit in frischem Zustande _ wie Tröpfchen erscheinenden Körperchen erfüllt sind; nach Behandlung mit Essigsäure werden diese Körnchen fein punktirt, fast wie Zellkerne ; aussehend. Doch sind die wirklichen Zellkerne ungeheuer viel grösser, von etwa dem halben Durchmesser der Zellen selbst.«c Wenn dann spä- _ ter das Ei in den Brutsack tritt »sind die Wandungszellen desselben stark mit Tröpfehen erfüllt. Nach Beendigung der Schalenbildung sind _ die Tröpfchen verschwunden und die Zellen sind hell und flach gewor- _ den. « (SpengeL.) Ein wesentlicher Unterschied von Bythotrephes liegt hier nur da- ‚ dass sämmtliche Zellen der Wandung des Brutsacks das Secret. 94 August Weismann, für die Schale liefern, während bei Bythotrephes nur die Zellen des 4 Bodensals Se: functioniren. Dass die hier versuchte Darstellung der Begattungsvorgänge bei den E: marinen Polyphemiden die richtige ist, könnte nur dann zweifelhaft scheinen, wenn man die entsprechenden Vorgänge bei Bythotrephes nicht kennte. Man würde dann im Zweifel sein können, ob der sich bil- dende Ganal im Brutsackstiel nicht etwa zur Entleerung des Eies diene? Da aber bei Bythotrephes derselbe Canal existirt und dort zweifellos # nicht zur Ausleitung der Eier dient, sondern nur zur Begattung, so wird dies auch hier anzunehmen sein und dies um so sicherer, als auch hier ein Austritt des grossen Eies durch den engen Canal (die Vagina) us stattfinden könnte. Wahrscheinlich wird die Ablage der Dauereier auch hier von einer Zerstörung der alten Schale und der Entstehung einer neuen begleitet sein. Für die Geburt der Embryonen bei den Jungfernweibchen giebt es jedenfalls keinen andern Weg, und Craus bezweifelt mit Unrecht die Angabe von Lov£n, der im Wesentlichen schon zu dieser Erkenntniss gekommen war. Dass die Jungen nicht — wie Craus will — durch »das für gewöhnlich geschlossene Lumen des engen« Brutsackstiels den müt- terlichen Körper verlassen, geht schon daraus hervor, dass dieses Lumen bei Jungfernweibchen überhaupt nicht vorhanden ist. Lov£x wird des- halbim Wesentlichen wohl Recht haben, wenn er angiebt, dass die reifen Jungen »durch eine Spalte an der oberen Fläche des Uterus in den grossen Raum unter der Schale« treten, nur dass diese »Spalte« keine vorgebildete oder regelmässige ist, sondern besser als Zerfall der Uteruswand bezeichnet wird. Diese »obere Fläche« ist, morphologisch gesprochen nichts anderes als das innere Blatt der Schalenduplicatur. Bei Bythotrephes zerfallen beide Blätter dieser Duplicatur und bilden sich von der Schalenwurzel aus aufs Neue; man wird mit der Annahme nicht fehlgehen, dass es sich bei Evadne und Podon ähnlich verhält. In einer Beziehung noch verhalten sie sich jedenfalls ebenso: auch bei ihnen ist eine Befruchtung der Sommereierun- möglich, da der einzige Weg‘, welcher beim Geschlechtsweibchen von aussen in den Brutsack führt, bei den Jungfernweibchen geschlossen ist: der Üterusstiel. 17. Die Gattung PolyphemusO.F. Müller. Der Hoden von Polyphemus pediculus ist relativ grösser als bei By- thotrephes und enthält auch bedeutend mehr Samenzellen, vielleicht über | 50 gleichzeitig, was freilich immer noch eine sehr geringe Zahl ist gegen- Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 95 "über den Tausenden im Hoden anderer Daphnoiden. Die Samenzellen sind "von eiförmiger Gestalt, besitzen einen kleinen Kern mit Nucleolus und ver- "halten sich ganz ähnlich wie bei Bythotrephes. Sie bestehen aus einem y ungemein weichen und klebrigen Protoplasma, welches leicht an andern Gegenständen hängen bleibt und dann in Fäden der verschiedensten Länge ausgezogen werden kann. Die »amöboiden Bewegungen«, welche solche von den strampelnden Füssen des Thieres zerfetzte Zellen darbieten, beruhen auf Quellungserscheinungen, welche heftiger und plötzlicher bei der verzerrten Zelle eintreten, als bei der kuglig oder eiförmig zu- sammengezogenen. Ein Unterschied des Hodeninhaltes von dem des Bythotrephes liegt in - der reichlichen Anwesenheit einer flüssigen, körnigen Substanz zwischen den Zellen. Sie gerinnt beim Austritt ins Wasser zu dunkeln körnigen Klumpen und verstopft dann leicht die Geschlechtsöffnung, so dass keine weiteren Samenzellen austreten können. Levpıc erwähnt ihrer bereits. | - Polyphemus besitzt keinen Penis, dennoch geht die Begattiung we- sentlich ebenso vor sich, wie bei Bythotrephes, Podon und Evadne, d.h. die kleine Papille, auf welcher das Vas deferens mündet, legt sich an die Schalenöffnung des Weibchens an und der Samen wird direct in den Brutraum entleert. Es geht dies mit Sicherheit aus der Anatomie des Thieres in Ver- _ bindung mit der Thatsache hervor, dass die Samenzellen im Brutraum _ nachweisbar sind. Ich habe schon früher!) angegeben, dass zwischen den frisch übergetretenen Eiern stets eine Gruppe von kleinen, hellen, kugeligen Zellen liegt, welcbe nach Grösse und Aussehen sowie nach _ der Beimengung jener körnigen Zwischensubstanz aus dem Hoden nichts Anderes sein können, als Samenzellen. Es giebt nun keinen andern - Weg, auf dem sie dorthin hätten gelangen können, als den durch die Schalenöffnung. Es wurde früher schon dargethan, dass hier nicht wie bei Bythotrephes der Schalenrand ganz verwächst, dass vielmehr selbst bei den Jungfernweibchen ein breiterer Spalt bleibt, durch wel- chen ich die Jungen habe austreten sehen. Ein solcher Spalt besteht nun auch bei den Geschlechtsweibchen und allein durchihnkann die Begattung stattfinden. Da es sich hier noch nicht um einen engen Canal, wie bei Bythotrephes oder gar wie bei Evadne und Podon er jB handelt, sondern um einen breiteren und nicht tiefen Schlitz, so genügte Ya A a ei W die einfache männliche Geschlechtspapille und ein wirkliches Begattungs- organ war überflüssig. Es wird nur nöthig sein, dass das Weibchen sein e Bi: 1) Siebe diese »Beiträge«. Abhandlung II. Diese Zeitschr. Bd. XXVII. Taf. IX, . 31 und 33. 3: 2 August Weismann, gewöhnlich aufgerichtetes Postabdomen gegen die Füsse hinunterklappt, um diesen Schlitz der Schale für die Papille des am Rücken des Weib- chens festgeklammerten Männchens zugänglich zu machen. Die Entleerung der Eier erfolgt durch dieselbe Oeffnung der Schale, wie ich ebenfalls direct beobachtet habe. 18. Die Gattung Leptodora Lilljeborg. Ehe mir die Samenzellen der andern Polyphemiden bekannt waren, glaubte ich, dass die befruchtenden Elemente des Leptodora - Hodens nicht die grossen kugeligen Zellen selbst wären, welche den Hauptinhalt desselben bilden, sondern spiralige Fäden, welche ich im Innern dieser Zellen häufig wahrzunehmen glaubte!). Dies war ein Irrthum, veran- lasst durch die Beobachtung spiralig oder kreisförmig verlaufender feiner Falten der Rindenschicht der Zelle. Ich wüsste wenigstens den blassen feinen Streifen, welche über die Zellenoberfläche verlaufen, welche bald fehlen, bald vorhanden sind, keine andere Deutung zu geben. Sie sind nicht etwa Kunstproducte, sondern treten im Hoden des lebenden Thieres auf und oft mit grosser Schärfe und Deutlichkeit (Fig. 50 a, a, a). Vielleicht sind sie nur Druckerscheinungen und wären dann der Längs- streifung gleichzusetzen, welche bei den Samenzellen von Sida regel- mässig, bei denen von Daphnella ausnahmsweise vorkommen. Jedenfalls haben sie keine functionelle Bedeutung. Auf Zusatz von Essigsäure ver- schwinden sie vollständig, während das etwas gequollene Protoplasma ‚sich nicht merklich trübt und nur der sehr kleine (0,004 mm) Kern mit _ dunkelm Kernkörperchen scharf hervortritt (Fig. 50 A, b). Diese Zellen sind die Samenzellen, sie sind plastisch, weich, aber ohne Eigenbewegung und von recht verschiedener Grösse (Durchmesser 0,04%—0,026 mm). Ausser ihnen flottiren in der Hodenflüssigkeit häufig noch andere, grössere Zellen, welche im lebenden: Thier schwache, amöboide Bewegungen ausführen (Fig. 50, c, ce, ce stellt dieselbe Zelle dar). Sie sind grösser als jene andere (Durchmesser 0,024—0,039 mm), ihr Protoplasma enthält mässig viele blasse Körnchen und ihr Kern ist sehr viel grösser (Durchmesser : 0,045 mm und mehr), als bei jenen. | Bei jugendlichen Männchen besteht das blinde Ende jedes der bei- den, durch eine mediane Brücke verbundenen kurzen Hodenschläuche aus solider Zellenmasse, der Matrix der Samenzellen (Fig. 49 A), während der übrige Theil des Hodens ein leerer, d. h. mit Flüssigkeit gefüllter, dünnwandiger Sack ist (Fig. 49 L, das Lumen). Bei älteren 1) »Ueber Bau und Lebenserscheinungen von Leptodora hyalina. Diese Zeit- schrift. Bd. XXIV. p. 404. : Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 97 Thieren ist die Matrix grossentheils verbraucht, so dass sie dann nur noch als geringe Verdickung der Hodenwand erscheint. Die Samenzellen entstehen nicht direct aus den Zellen der Matrix, - vielmehr in ihnen durch endogene Zellbildung. Man findet nicht selten grosse, kugelige Mutterzellen, in denen 2—4 Samenzellen enthalten sind (Fig. 49 B, a). Den nähern Vorgang, wie die Letztern entstehen, habe ich nicht beobachtet. Die Mutterzellen dagegen — Spermatoblasten, wenn man will — lassen über ihren Ursprung aus den Wandungszellen kaum einen Zweifel. Tödtet man ein junges Thier mit schwacher Essig- säure, so erkennt man, dass die Wandungszellen in starker Proliferation begriffen sind (Fig. 49 A, die Partie bei Ac ist nach Essigsäure-Wirkung gezeichnet) und dass vom Rand her gegen die Mitte der Matrix hin die Grösse derselben zunimmt. Allerdings lässt sich nicht beweisen, dass nieht auch eine directe Umwandlung der Matrixzellen in Samenzellen vorkommt, doch ist eine doppelte Entstehungsweise der Samenzellen wohl unwahrscheinlich. Die eben beschriebenen, seltenen amöboiden Zellen möchte ich für Spermatoblasten halten, in denen es noch nicht zur Bildung von Samen- zellen gekommen ist. Die Bildungsgeschichte der Samenzellen erinnert sehr an diejenige von Branchipus, wie sie Nırsche !) bekannt gemacht hat und wie ich sie als richtig bestätigen kann. Ein Unterschied findet hauptsächlich nur in der Lage der Spermatoblastenzellen statt; bei Branchipus liegen sie in der überall gleich dünnen Wand des Hodens, bei Leptodora aber _ liegen sie in jungen Thieren mit mächtigem Keimlager nur zum Theil nahe dem Lumen, zum grösseren Theil in der Dicke der Matrix drin. "Die Samenzeilen gelangen deshalb auch nicht durch Entleerung der - Spermatoblasten in das Lumen, wie ich dies für Branchipus angeben _ kann, sondern dadurch, dass die Matrix im Ganzen flüssig wird, d.h. = dass die vorher zu einem festen Gewebe verbundenen Spermatoblasten sich von einander lösen und zu einem flüssigen Gewebe umwandeln. Den Act des Lösens selbst habe ich nicht direct beobachtet, da Lepto- _ doren viel zu rasch absterben, um derartige Vorgänge längere Zeit hin- durch an einem und den seiten Individuum verfolgen zu können. Bei _ jungen Thieren fand ich die Spermatoblasten an der freien Fläche der Matrix kugeligin das Hodenlumen vorspringen (Fig. 49 Sp), und bei älteren i - Thieren war dann die Matrix — soweit sie früher Spermatoblasten enthal- ten hatte — verschwunden und das um soviel vergrösserte Hodenlumen . war dicht erfüllt mit Samenzellen und Spermatoblasten. 4) Ueber die Geschlechtsorgane von Branchipus Grubii. Diese Zeitschr. Supp!. d. XXV. p. 284. 1875. 3 chrift f. wissensch. Zoologie. XXXIII. Bd. 7 98 August Weismann, Bei alten Leptodoramännchen, deren Matrix beinahe völlig aufge- braucht ist, sieht man in der dünnen Hodenwand einzelne Epithelzellen zu enormer Grösse halbkugelig aufgebläht (Fig. 50 B). Sie enthalten in ihrem Innern grosse mit Flüssigkeit gefüllte Vacuolen (V) und in ihrem Protoplasma zahlreiche kleine rundliche Körper, welche vielleicht Kerne sind (x). Ich halte auch diese Vacuolenzellen für Spermatoblasten, da sie lebhaft an die vacuolenhaltigen Samenbildner von Moina, Simocepha- lus und andern Daphnoiden erinnern. Somit werden also im Hoden von Leptodora gleichzeitig eine grosse Zahl (einige Hundert) Samenzellen gebildet, welche im Verhältniss zur Körpergrösse der Art viel kleiner sind, als bei Polyphemus und Bytho- trephes; sie verhalten sich zu ihr etwa wie 1:90. Die Begattung muss denn auch hier in ganz anderer Weise vor sich gehen, als dort, wie aus dem Bau der beiden Geschlechter abgeleitet werden kann. Der Brutraum nimmt zwar auch hier zuerst die Wintereier in Empfang, da- mit sich dort die Eischale bilde, allein die Ejaculation des Samens kann nicht in ihn erfolgen, da die Schale zwar hermetisch schliessend, aber doch nur lose, d. h. blos durch Adhäsion haftend, dem Rücken aufliegt und kein Canal vorhanden ist, der bei geschlossenem Schalenraum von aussen in denselben hineinführte. Der Samen wird hier vielmehr in die sehr weiten und langen Ovi- ducte entleert. Ich habe wiederholt Weibchen gefangen, bei welchen beide Oviducte mit kugeligen blassen Zellen dicht angefüllt waren, die wohl nichts Anderes sein konnten, als Samenzellen und Spermatoblasien. Dass auch die letzteren — grosse Mutterzellen mit mehreren Tochterzellen im Innern bei der Begattung entleert werden, kann nach dem oben Ge- sagten nicht Wunder nehmen, da sie wie die Samenzellen selbst frei in der Samenflüssigkeit des Hodens schwimmen und es also ganz vom augenblicklichen Entwicklungszustand des Samens abhängt, ob ihrer viele, oder wenige vorhanden sind. Das Aussehen der blassen kugeligen Zellen, ihre Grösse, sowie ihr Kern stimmen völlig mit den Samenzellen des Hodens überein und selbst die feine spiralige Faltung der Membran konnte in mehreren Fällen constatirt werden. | Die Masse der Samenzellen, welche bei einer Begattung entleert wird, ist ungleich grösser, als bei allen andern Polyphemiden; es waren wohl ein Paar Hundert Zeilen, die ich im Oviduct beobachtete. Die Be- gattung scheint auch nicht, wie bei Jenen, ersi im Moment des Eiaustrittes stattzufinden, denn die Weibchen, in deren Scheide ich Samen beobach- tete, enthielten keine reifen Eier im Ovarium. Gewiss vermag sich der ihnen im Körper des Weibchens längere Zeit intact zu erhalten, ja es“ ist nicht unmöglich, dass er sich sogar noch weiter entwickelt, dass viel E Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 99 Samenzellen frei werden, welche noch in der Mutterzelle eingeschlossen ejaculirt wurden. Dass Begattung und Eiaustritt hier nicht zusammenfallen, ist leicht verständlich, weil beides durch dieselbe Oeflnung vor sich geht. Es muss somit der Same vor Reifung der Eier in den Oviduct gelangen und,da die austretenden Eier die gesammte Samenmenge vor sich her- treiben werden, so wird schliesslich der Befruchtungsvor- gang auch hier im Brutraum vor sich gehen, wo sämmtliche ausgetretene Eier mit der ganzen in beiden Oviducten vorhandenen - Samenmenge in Berührung treten. Die Befruchtung wird stattfinden, nachdem sich die in Wurstform ausgetretenen Eier zur Kugelform wieder zusammengezogen haben. Leptodora besitzt kein Begattungsorgan; ist es nun möglich, dass der Samen in die Oviducte ejacu!irt werde? — Ohne allen Zweifel, da die Geschlechtsöffnungen des Männchens am Bauch liegen und zwar in demselben Abstand von einander, wie die am Rücken gelegenen weib- lichen Oeffnungen. Wenn das Männchen — wie die übrigen Polyphc- miden — sich auf dem Rücken des Weibchens festklammert, werden die beiderseitigen Geschlechtsöffnungen aufeinanderpassen. Es kommt dazu, dass die weibliche Oeffnung papillenartig vorgestülpt werden kann, so dass sie dann leicht die kurze, conische Papille des Männchens umfassen und nach Art eines Saugnapfes ansaugen kann. Eine feine Muskel- lage umspinnt den Hoden und strahlt auf dessen kurzen, conischen Aus- führungsgang zusammen. Ich vermuthe, dass auch bei Leptodora eine Begatiung der Jungfern- weibchen unmöglich ist. Es fiel mir nämlich stets auf, dass die Oviducte bei Jungfernweibchen viel dünner waren, als bei Weibchen mit Winter- eiern, dass das Lumen bei Ersteren steis zusammengefallen, bei Letz- teren dagegen auch dann weit geöffnet war, wenn kein fester Inhalt ‚darin war (Samenzellen oder Eier). Ob diese Verschiedenheit auf.einem _ Unterschied des Baues beruht, und ob dieser sich etwa auch auf die weib- liche Geschlechispapille erstreckt, habe ich leider versäumt festzustellen. V, Zusammenfassung der Beobachtungen und Schlüsse daraus, Aus Vorstehendem ergiebt sich, dass bei den Daphnoiden sowohl sehr verschiedene Samenelemente vorkommen als auch sehr verschiedene "Begattungsformen und es fragt sich nun zunächst, ob etwa die Ei- genthümlichkeiten der befruchtenden Elementein einem machweisbaren Zusammenhange mit den Eigenthümlich- keiten der Begattung stehen, ob die grossen Unterschiede in. 7* 100 August Weismann, Bi Form, Grösse und Resistenz der Samenelemente sich aus -. Unter- shieden des Begattungsmodus verstehen lassen. Ich beginne die Untersuchung mit derjenigen Eigenschaft der Samenelemente, welche allen Daphnoiden gemeinsam ist, welche sie aber von vielen andern Thierformen unterscheidet, ich meine die nega- tive Eigenschaft der Unbeweglichkeit. Sie ähneln in dieser Hinsicht \ den meisten andern Crustaceen. Bei keiner Daphnoide besitzen die Samenelemente die Form lebhaft sich schlängelnder Samen fäden, wie sie doch sonst in den verschiedensten Gruppen des Thierreichs so weit verbreitet sind. Beiweitem die meisten Gattungen haben Samenelemente von gewöhnlicher Zellform, sphäroide Protoplasmakörper mit Kern und Kernkörperchen, eine geringere Anzahl besitzt sichelförmige, stabförmige oder strahlige Samenzellen, oder auch solche von Blattform (Sida) mit ausgefransten Enden. Alle diese Formen aber zeigen weder im Hoden, noch in den weiblichen Geschlechtswegen — soweit sie dort beobachtet wurden — active Bewegungserscheinungen; was man bisher bei einigen von ihnen, wenn sie ins Wasser gelangen, dafür gehalten hat, beruht auf mechanischer Verletzung und auf Quellung, denn die Samen- zellen aller Daphnoiden quellen im Wasser und werden durch dasselbe zerstört. Auch die Idee, dass die strahlenförmigen Zellen (Moina) oder die zerfaserten blattförmigen (Sida) sich etwa erst innerhalb des weiblichen Körpers zu ihrer definitiven Form entwickelten, dass sie sich vielleicht erst dort in eine Anzahl von gewöhnlichen » Sa- menfäden « auflösen, muss ganz verlassen werden. Lebhafte active Bewegungen, vergleichbar denjenigen der Samenfäden andrer Thiere, kommen bei den Samenelementen der Daphnoiden über- haupt nicht vor, womit natürlich die Möglichkeit gewöhnlicher amöboider Bewegungen, wie sie bei jeder lebensfrischen, rein proto- plasmatischen Zelle vorkommen, besonders für den Moment der Befruch- tung nicht geläugnet werden soll. Die Samenzellen der Daphnoiden müssen deshalb zu den sogenannten »starren « Samenelementen gerech- net werden, eine Bezeichnung, die freilich sehr wenig passend erscheint, wenn man an die ausserordentliche Weichheit und Plasticität aller grösseren Formen unter ihnen denkt. Diese sind alle nackte, weiche Protoplasmaklumpen, nur bei Leptodora besitzen sie eine dichtere Rin- denschicht. Stellen wir die Frage warum hier überall die Samen zel- lenförmigundnicht fadenförmig, passiv und nicht activ beweglich sind, so wird die Antwort darauf vielleicht leichter zu geben sein, wenn man die Frage so wendet: warum war es nicht 5 Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 101 nöthig, die Samenelemente hier mit activer Beweglich- _ keit auszustatten? Die Antwort hängt davon ab, welche Functionen man der Beweg- lichkeit der sogenannten »Samenfäden« der meisten Thiere zuschreibt. Sehr wahrscheinlich erfüllen dieselben den doppelten Zweck, das entfernte Ei zu erreichen und die Hüllen desselben zu durchdringen. Wir wer- den also überall da bewegliche Samenfäden anzutreffen erwarten müssen, wo der ejaculirte Samen nicht unmittelbar mit dem Ei in Berührung kommt, wo er noch einen Weg zurückzulegen hat, sei es im Körper selbst, oder ausserhalb desselben und wo dieser passiv nicht durch- wandert werden kann. Offenbar können die Samenfäden in bestimmter Richtung sich fortbewegen, offenbar auch übt das Ei eine anziehende Wirkung auf sie aus, sonst wäre es unmöglich, dass sie sich in solcher Masse gerade auf dem Ei ansammeln, wie dies thatsächlich in vielen Fällen geschieht. Mehrfach sind in der Literatur Fälle verzeichnet, in welchen das zu befruchtende Ei auf seiner Schale einen wahren Pelz von Samenfäden aufwies, vergleichbar etwa einem Magnet, den man in Eisenfeilspäne gelegt hat. Nicht minder wichtig aber wird die Beweglichkeit der Samen- fäden dadurch, dass sie das Eindringen in das Ei selbst ermöglicht, ein Durchschlüpfen durch Micropylen oder ein Durchbohren schleimiger oder gallertartiger Eihüllen (Seesterne). Vonallem DiesemistnunhiernichtdieRedeunddar- aus wird es abzuleiten sein, dass wir hier nirgendsactiv _ beweglichen enälomenten inFadenform begegnen. Der Samen wird bei allen Daphnoiden von dem Männchen schon in so nahe Berührung mit dem Ei gebracht, dass eine Wanderung zu demselben hin nicht mehr stattzufinden braucht; er wird entweder in die Eileiter, oder in den Brutraum entleert und in beiden Fällen kommt das Ei mit ihm ohne sein Zuthun in Contact. Gelangt er in den Eileiter, der dann auf kürzere oder längere Zeit als Receptaculum seminis functionirt, so - wird er vor dem oder den in den Brutraum austretenden Eiern herge- - schoben und gelangt also gleichzeitig mit diesen in denBrutraum. Kommt _ er aber schon durch die Begattung in den Brutraum (Bythotrephes und verwandte Polyphemiden), so wird das Zusammentreffen beider Zeu- R gungskörper dadurch bewirkt, dass während oder unmittelbar nach der _ Begattung auch die Eier das Ovarium verlassen und in den Brutraum treten. Dort geschieht also in allen Fällen die Befruchtung, nicht im Ova- rium. Man kann dies mit Sicherheit daraus abnehmen, dass bei man- chen Arten gleichzeitig mehr als ein Dauerei in jedem Dyaiirirn gebil- 102 August Weismann, det wird (Sida, Latona), während der im Receptaculum des Eileiters aufgespeicherte Samen doch nur mit einem Ei in Berührung kommen könnte. In Wahrheit kommt er aber auch mit diesem nicht in Berüh- rung, sondern bleibt durch eine dünne Scheidewand von ihm getrennt. Ebenso überflüssig, wie ein actives Wanderungsvermögen, wäre für die Samenzellen der Daphnoiden die Fähigkeit, sich in das Ei einzuboh- ren, die Eieraller Daphnoiden kommen völlig hüllenlos in den Brutraum und die Befruchtung erfolgt, ehe noch eine Hülle gebildet ist, wenigstens beginnen die Befruchtungs- vorgänge vorher und unmittelbar danach bildet sich die Dotterhaut durch Erhärten der Oberflächenschicht des Eies; es ist sehr wohl denkbar, dass in manchen Fällen (Bythotrephes) die rasche Bildung der Dotter- haut ein Schutz gegen Superfötation ist, wie dies For !) für den Seestern nachzuweisen versuchte, in andern Fällen scheint allerdings ein solcher Schutz überflüssig, dann nämlich, wenn in jedem Ovarium nur ein Ei gleichzeitig reift und im Eileiter nur 1 Samenzelle das Ei erwartet, wie dies z. B. bei Daphnella die Regel zu sein scheint. So lässt sich also die gemeinsame Eigenschaft der Unbeweglichkeit aller Daphnoidensamenzellen unschwer verstehen und es fällt vielleicht von hier aus einiges Licht auf die Thatsache, dass bei so vielen Grusta- ceen ebenfalls unbewegliche Samenkörper gefunden werden. Viel schwieriger ist es, sich über die grosse Verschiedenheit Rechen- schaft zu geben, welche innerhalb dieser einen Thiergruppe der Daph- noiden in Bezug aufGrösse und Form der Samenzellen vor- ‚kommt. ; Was zuerst die absolute Grösse betrifft, so wechselt dieselbe zwischen sehr weiten Grenzen; bei Bythotrephes hat die nahezu kuglige ‚oder ovale Samenzelle einen Durchmesser von 0,1—0,13 mm, bei Pera- cantha misst sie etwa 0,0005 mm, grenzt also schon an das unmessbar Kleine. Dieser colossale Unterschied ist nicht etwa proportional dem der Körpergrösse. Allerdings beträgt die Länge des Körpers (d. h. der Schale) von Peracantha truncata nur 0,45—0,5 mm, die vom männlichen Bythotrephes dagegen 1,5 mm (ohne den Schwanzstachel), erstere ist also bedeutend kleiner, allein trotzdem verhält sich die Samenzelle von Bythotrephes zu seiner Körperlänge wie 1 : 41, während bei Peracantha dies Verhältniss von 4 : 1000 obwaltet; bei Daphnella brachyura stellt sich das Verhältniss wie 1 : 20, bei Alona testudinaria, die noch lange nicht die kleinsten Samenzellen unter den Lynceiden besitzt, wie 4: 200; \ 4) Sur le commencement de l’Henog£nie chez divers animaux. Bibliotheque universelle ei Revue Suisse, Archives des sciences phys. et naturelles. Geneve 4877 und »Recherches sur la fecondation«. Geneve 1879. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. | 103 bei dem grossen Eurycercus lamellatus wie 1 : 260; bei Polyphemus Oculus wieder wie I : 15. Woraufberuhennun dieseungeheuren Unterschiede? Etwa auf der Zahl der zu befruchtenden Eier? Denn die Zahl der Samenzellen im Hoden wächst mit ihrer Kleinheit, im Hoden von Bythotrephes haben höchstens 30 Zellen Platz, im Hoden einer Alona, Peracantha oder eines Camptocercus deren viele Tausende! Dem ist nun nicht so; gerade Daphnoiden mit grossen Samenzellen (z. B. Polyphemus, Sida) produciren nicht selten mehrere Wintereier _ auf einmal (6—8), während die kleineren Lynceiden mit den unendlichen Schaaren winzigster Samenelemente nie mehr als zwei, sehr oft aber auch nur ein Dauerei auf ein Mal hervorbringen. Selbst wenn man an- nehmen wollte, dass bei Letzteren das Verhältniss der Geschlechter ein ungünstigeres wäre, so also, dass ein Männchen viele Weibchen be- fruchten müsste, würde dies doch einen so enormen Unterschied nicht erklären. In Wahrheit ist aber auch die Zahl der Männchen bei Lyncei- den und andern Daphnoiden mit kleinen Samenzellen durchaus nicht geringer, als etwa bei Polyphemus oder Bythotrephes. Darin kann also der Grund dieser enormen Vervielfältigung der befruchtenden Elemente nicht liegen. | Ich finde ihn darin, dass beiLynceiden, Daphninenetc. die Wahrscheinlichkeit der Befruchtungfür die einzelne Sa- menzelleungleich geringerist, alsbei denDaphnoiden mit grossen Samenelementen, denPolyphemiden und Sidinen. Die Begattung findet in dreierlei Weise statt: a) durch Ejaculationin die als Receptaculum functio- ‚nirendenEileiter (Eileiterbegattung), b) durch Ejaculation in die zum geschlossenen Brut- sack umgewandelte Schale (Uterinbegattung) und ; ec) durch Ejaculation in das Ephippium (Ephippialbe- gattung), wenn es erlaubt ist den Ausdruck in etwas allgemeinerem Sinne zu gebrauchen für alle Lynceiden- und Daphninenschalen, welche _ als Schutzhülle für die Dauereier Verwendung finden. | Dass bei der ersten Begattungsform die Wahrscheinlichkeit zur Be- - fruchtung zu gelangen für die einzelne Samenzelle eine sehr grosse ist, beweist am besten die Gattung Daphnella, denn bei ihr wird häufig nur je eine Samenzelle in jeden Oviduct entleert und dennoch erfolgt die _ Befruchtung des einzigen Eies mit der grössten Regelmässigkeit. Eben- so bei Sida und Latona, nur dass hier stets mehrere Samenzellen in jedes _ Receptaculum gelangen, wie denn auch bei den grösseren Weibchen stets mehrere Dauereier auf einmal zur Reife gelangen. 104 August Weismann, In allen diesen Fällen liegt aber die grosse Wahrscheinlichkeit für die einzelne Samenzelle, zur Befruchtung zu gelangen nicht blos darin, dass die einmal ins Receptaculum gelangten Zellen auch nothwendig in Contact mit dem Ei kommen müssen, sondern zugleich in der Sicherheit, mit welcher jede ejaculirte Zelle auch ins Receptaculum gelangt. Wenn bei Daphnella das breite Ende des stiefelförmigen Penis sich auf der ringförmigen Vulva festgesogen hat, muss jede ejaculirte Zelle in den Oviduct gelangen und ebenso ist es bei der mit conischem Penis ver- sehenen Latona. Aber auch bei Sida wird kein Samenverlust bei der Begattung stattfinden, obgleich ein Penis fehlt, denn die männlichen Ge- schlechtsöffnungen können sich wie Saugnäpfe den weiblichen aufheften. Genau ebenso unfehlbar führt die zweite Form der Begattung die Samenzelle dem Eizu: die Ejaculation in den zum geschlos- senen Brutbehälter umgewandelten Schalenraum. Bei Bythotrephes kann keine Samenzelle verloren gehen, wenn einmal der . Penis eingeführt ist und jede Zelle kann zur Befruchtung gelangen, falls ihr das Glück zuerst die Eizelle entgegenführt. Deshalb werden denn auch höchstens 7—9 Samenzellen bei der Begattung entleert und des- halb konnten sie eine so colossale Grösse erhalten. Ganz anders steht es bei der dritten Form der Begattung: der Eja- culation in die Ephippialhöhle. Mag dieselbe wie bei Daphnia, Simocephalus und Verwandten so ausgeführt werden, dass die Spitze des Postabdomens an den Eingang der Ephippialhöhle gebracht wird, oder mag — wie bei den Lynceiden — das Postabdomen tiefer in die Ephippialhöhle eingeführt werden, immer muss ein grosser Theil der entleerten Samenzellen verloren gehen. Bei den ersteren werden die Samenzellen sich im Brutraum zerstreuen oder an den Seiten des Kör- pers hinabgleiten , bei den Letzteren wird das Herausziehen des männ- lichen Postabdomens das Eintreten von Wasser und ein Wegschwemmen vieler Samenzellen zur Folge haben. Der unvermeidliche Samenverlust, der bei dieser Begattungsform stattfindet, bedingt somit direct eine Vermehrung der ejaculirten Samen- zellen. Da nun eine solche nur auf Kosten der Grösse der einzelnen Samenzellen erzielt werden kann, so tritt noch auf mehr indirecte Weise eine weitere Nöthigung zur Vermehrung der Samenzellen hinzu, denn kleine Samenzellen werden in dem weiten Ephippialraum weniger Aussicht haben in Contact mit dem Ei zu kommen, als z. B. die grossen Samenzellen von Bythotrephes, die gar nicht umhin können, irgendwo _ an einem der beiden Eier hängen zu bleiben. Sobald also die Samen- zellen zur Ausgleichung des Verlustes bei der Ejaculation auf eine so geringe Grösse herabgesetzt werden mussten, dass sie sich in den Mr 1 ee u le a Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 105 "Winkeln der Ephippialhöhle anhäufen konnten, ohne doch nothwendig "mit dem Ei in Contact zu kommen, so musste die Tendenz eintreten, ihre Zahl noch weiter zu ren um der Zerstreuung der Zellen "innerhalb des Brutraums die Wage zu halten Da nun aber jede weitere Vermehrung der Zahl mit einer weitern Verkleinerung der einzelnen - Samenzelle verbunden war, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn - wir bei den Daphnoiden mit Ephippialbegattung eine so ungeheure An- zahl winziger Samenelemente vorfinden, während es sich doch nur um - die Befruchtung je zweier, oft sogar. nur je eines Eies handelt. Allerdings ist noch ein anderer Weg denkbar, durch welchen die Befruchtung der Eier ebensogut gesichert wäre, wie durch grosse Ver- mehrung der Samenzellen. Wenige, grössere Samenzellen könnten auch bei Ephippialbegattung dann genügen, wenn sie mit besondern Hafı- apparaten versehen wären, welche ein Hängenbleiben am Ei hervor- riefen. Als solche betrachte ich die »Strahlen« der Samenzellen von Moina rectirostris und — wenn auch in geringerem Grade — die sichel- förmige Krümmung derer von Moina paradoxa. Offenbar sind die Strahlen die geeignetere Vorrichtung und dementsprechend ist auch die Zahl der Samenzellen im Hoden von M. rectirostris eine bedeutend geringere als bei paradoxa. Somit würde das Zusammentreffen von Samen und Ei im Ephip- - pialraum auf doppeltem Wege gesichert, bei Moina durch mässige Ver- mehrung und Verkleinerung der Samenelemente, verbunden mit der Entwicklung von Haftapparaten an ihnen, bei den übrigen Daphninen und den. Lynceinen durch enorme Vermehrung der einfach kugligen Samenzellen und entsprechende Verkleinerung derselben. Es ist übrigens sehr möglich, dass wir in den stäbchenförmigen Samenzellen , wie sie bei Daphnia- und Simocephalusarten vorkommen, eine Entinäuon der beiden Wege zur Sicherung der Ephippialbe- Sattung sehen müssen, denn hier sind die Samenelemente zugleich sehr _ klein und zahlreich und zugleich so geformt, dass sie leicht hängen bleiben. Jedenfalls ist die indifferenteste Form der Samenzelle die Kugel- form, diese hat gerade bei den Daphnoiden eine weite Verbreitung; sie kommt bei sämmtlichen Polyphemiden und Lynceiden vor, unter den _ Sidinen bei Daphnella und Latona, unter den nodapkunlen bei Pasi- en und Macrothrix, unter den Daphninen bei einzelnen Arten von BE ocephalus und nr andlien Gattungen. Dass wir der Kugelform bei so vielen Arten begegnen, beweist wohl, dass die Gestalt der Samen- R aelle .n den Befruchtungsvorgang selbst bedeutungslos ist, dass also 106 August Weismann, alle die sonderbaren Formen, in welchen die Samenzelle im Thierreich auftritt, sich lediglich auf die Erreichung der Eizelle bezieht. Noch einen Schluss von allgemeinerer Bedeutung kann man aus. = (2 den eben besprochenen Verhältnissen ziehen, aus den Grösse- | schwankungen der Samenzellen nämlich. In bedeutender Grösse der Samenzellen mussirgendein Vortheil gelegen sein. Wäre dies nicht der Fall, so iiesse sich nicht verstehen, warum in allen den Fällen, in welchen nur wenige Samenzellen bei jeder Be- gattung verbraucht werden, diese immer auch eine relativ colossale Grösse besitzen. Sie könnten ja dann ebenso klein sein, wie jene andern, von denen auch jede einzelne zur Befruchtung des Eies aus- reicht. Dem Gesetz der Sparsamkeit nach müssten sie es auch sein, wenn nicht eben in dem Protoplasmareichthum der Samenzelle ein für die Entwicklung des befruchteten Eies günstiges Moment läge, auf wel- ches nur dann verzichtet wird, wenn andere Umstände dazu zwingen. Ein solcher Zwang liegt z. B. darin, dass die Wahrscheinlichkeit, die Eizelle zu erreichen, für die einzelne Samenzelle sehr gering ist, dass somit ihre Zahl eine sehr grosse, ihre Production im Hoden eine massen- hafıe sein muss. Es gelten hier offenbar ganz ähnliche Gesetze, wie bei der Eiproduction. An und für sich ist bedeutende Grösse der Eizelle ein Vortheil für die Entwicklung des Embryo. Vom höheren Stand- punkt der Arterhaltung aus muss aber dieser Vortheil häufig aufgegeben werden, weil die Aussicht, die Geschlechtsreife zu erlangen, für die ein- zelne Eizelle eine allzu geringe ist und es also vor Allem auf massen- hafte Production von Eiern, wenn auch von kleinen, ankommt. Man hat bisher wohl zu ausschliesslich nur die winzigen »Samen- fäden«, wie sie der Mehrzahl aller Thiere zukommen, im Auge gehabt, sonst würde man nicht verkannt haben, dass auch die Grösse der männlichen Geschlechtszellen keine gleichgültige Sache ist, möge ihre Bedeutung vielleicht auch nur in der Zufuhr fertigen Zellmaterials zu dem der Eizelle liegen. Auch in Betreff der Genese der Samenelemente liefern die Daphnoi- den bemerkenswerthe Thatsachen. Der Modus der Samenbildung ist ebenso verschieden, als die Grösse der Samenzellen. “Bei Daphnella kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die pri- mären Zellen, welche den soliden Hoden des jungen Thieres bilden, direct zu Samenzellen werden. Der Verbrauch kann bis zu einem gewissen Betrag wieder ersetzt werden und zwar von der Matrix aus, welche das blinde Ende des Hodens ausmacht und welche vollstän- dig dem Keimlager des Ovariums homolog ist. Aber auch dann wird jede aus dem Keimlager vorrückende Zelle direct zur Samenzelle. Bei = er \ - a = } + $ al wu ni ET N art a FR Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 107 Sida verhält es sich ebenso, wahrscheinlich auch bei den Polyphemiden _ mit grossen Samenelementen, Bythotrephes, Polyphemus, Evadne u. s. w. | Ganz anders verhält sich die Genese der Samenzellen bei Leptodora. Hier enstehen die kugeligen Samenzellen auf endogenem Wege im Innern grosser Mutterzellen, der Spermatoblasten, und derselbe compli- eirte Gang der Samenbildung konnte für die Strahlenzellen von Moina rectirostris nachgewiesen werden, und findet wahrscheinlich bei allen Daphninen und Lynceiden statt. Bei einzelnen unter diesen scheint der Process noch complicirter zu sein; bei Simocephalus serrulatus (?) wenig- stens stellen die Mutterzellen nicht schon die Spermatoblasten dar, son- dern erzeugen sie erst durch Endogenese; in den eiförmigen Sper- matoblasten aber entstehen erst die stäbchenförmigen Samenelemente. Bei Scapholeberis findet sich noch eine vierte Art der Genese. Hier bilden sich — das Wie ist unbekannt geblieben — die winzigen Samenkörnchen in grosser Menge im Innern der Epithelzellen des Ho- dens und gelangen dann, vermuthlich durch Dehiscenz der Mutterzelle in das Hodenlumen. | Ein allgemeiner Schluss dürfte wohl aus diesen histogenetischen Thatsachen gezogen werden, dass nämlich die complicirtere oder einfachere Genese der Samenelemente hauptsächlich durch die Anzahl der Samenzellen bedingt ist, welche der Hoden zu liefern hat. Wenn innerhalb derselben kleinen "Thierordnung so verschiedne Arten der Samenbildung vorkommen, kann "man unmöglich einer derselben eine tiefere morphologische oder physio- logische Bedeutung zuschreiben. Morphologisch betrachtet muss es gleichgültig erscheinen, ob die primären Hodenzellen, oder ihre directen Abkömmlinge, oder schliesslich ihre indirecten Nachkommen als Be- fruchtungselemente verwendet werden, und wenn gesagt worden ist, man könne die Eizelle der Samenzelle morphologisch deshalb nicht gleichstellen, weil letztere erst spätere Generationen der primären Sexual- zellen seien, so fällt dieser Scrupel durch den Nachweis, dass unter Um- ständen auch die primären Sexualzellen schon dieselbe Function aus- üben können. Uebrigens ist es auch eine Täuschung, wenn man das Keimlager in irgend einem Ovarium als primäre Sexualzellen be- trachtet; sie vermehren sich ja — wie sehr wohl bekannt ist — so gut "wie die primären Sexualzellen des männlichen Thieres bald mehr, bald "weniger während und nach der Embryonalperiode und der Modus dieser Vermehrung kann doch den morphologischen Werth der Producte nicht bestimmen, Dass nun der physiologische Werth von Samenzelle und Ei- i elle der gleiche ist, ich meine, dass sie sich wie 4 : 4 verhalten, das 108 August Weismann, haben die brillanten Entdeckungen von Herrwig und For über den Be- E fruchtungsvorgang zur Genüge dargethan. Dafür aber, dass auch die verschiedenen Formen und Grössen der Samenelemente untereinander physiologisch völlig gleichwerthig sind, scheinen mir die für die Daph- noiden festgestellten Thatsachen hinreichend zu bürgen. ‘Vor Allem ist durch die eine, wenn auch unvollständige Beobachtung des Befruch- tungsvorgangs bei Bythotrephes die Thatsache gesichert, dass nicht nur der Kern der Samenzelle, sondern auch das gesammte Protoplasma der- selben mit der Eizelle sich vereinigt. Allerdings ist das auch bisher schon angenommen worden, aber alle bisherigen Beobachtungen bezogen sich eben nur auf fadenförmige Spermatozoen mit sehr geringer Protoplasmamenge. Noch eine speciellere Frage könnte hier berührt werden : die Frage nach der etwa vorkommenden Befruchtung von Sommer- eiern. Wird sie so gestellt, dass gefragt wird, ob die Befruchtung eines Sommereies überhaupt möglich ist, wenn Samenzellen mit ihm in Berührung kommen, so ist sie freilich unlösbar, denn ein Befruch- tungsversuch lässt sich hier nicht anstellen; wird aber gefragt, ob es wahrscheinlich sei, dass eine Begattung von Weibchen in Sommerei- bildung vorkomme und damit also auch die erste Vorbedingung zur Befruchtung eines Sommereies gesetzt, so muss darauf mit Nein geant- wortet werden. Für gewisse Arten wenigstens ist eine Begatiung der Jungfernweibchen deshalb unmöglich, weil sie des Begattungscanals entbehren, der bei den Sexualweibchen ihrer Art vorhanden ist. So verhält es sich bei Bythotrephes, Evadne und Podon. Da nun diese Ar- ten sich in Bezug auf ihre Generationsfolge, auf das Erscheinen der Männ- chen u. s. w. nicht anders verhalten, als die übrigen denselben Lebens- verhältnissen unterworfenen Arten, so wäre die Annahme, dass bei Letztern Befruchtung der Sommereier vorkäme, durch Nichts zu stützen. Eine theoretische Widerlegung derselben kann allerdings vorläufig noch nicht gegeben werden. Was schliesslich die phyletische Entwicklung der Be- gattungsformen betrifft, die bei den Daphnoiden angetroffen wer- den, so ist ohne Zweifel die Entleerung des Samens in den Eileiter die primäre, die Entleerung in den offnen oder geschlossenen Brutraum die secundäre. Der erstere Modus schliesst sich wahrscheinlich an die Begatiung der Limnadiden an, über welche wir freilich wenig wissen. Nicht ein- mal die Lage der Geschlechtsolläunsen ist bekannt und es ist nur Ver muthung, die sich auf den Bau des ganzen Thieres und die Art seiner | Brutpflege stützt, wenn ich annehme, dass die Oviducte sich bei Limna- Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 109 lia nach Art der Daphnoiden am Rücken öffnen, die Samenleiter aber ‚an der Seite oder Ventralfläche des letzten Segmentes. Ich vermuthe, dass die Begattungsstellung ganz ähnlich sein wird, wie bei Daphnia und zwar deshalb, weil das Männchen ganz ähnliche Greifhaken an den | "zwei ersten Fusspaaren trägt, wie sie Daphnia und die meisten Daph- "pinen und Lynceiden am ersten allein besitzen. Dieselben sind scheeren- i artig und können nur den Schalenrand packen, nicht die Fläche; da- ‚durch ist die Stellung des Männchens schon bis zu einem gewissen Grad ' gegeben. Interessant ist es, den Besitz von Begatiungsorganen rein an die Gattung gebunden zu sehen; das mächtige Begattungsorgan von Daph- nella fehlt bei der nächstverwandten Sida, tritt aber in veränderter Ge- stalt wieder bei der ebenfalls ganz nahe verwandten Latona auf. Ich habe oben gezeigt, wie sich der Besitz oder Mangel eines solchen aus dem '_ Bau des ganzen Thieres begreifen lässt, und es ist bemerkenswerth, dass - die Neubildung eines solchen Organs in der Bildungszeit einer Gattung geschehen konnte. Bei den Polyphemiden wiederholt sich dieselbe Er- scheinung, Leptodora und Polyphemus — die älteren Formen — besitzen ‚noch kein Begattungsorgan, Bythotrephes, Evadne und Podon besitzen es und würden ohne dasselbe die Begattung nicht vollziehen können, weil die Bruthöhle nur durch einen engen, zum Theil sogar ziemlich langen Canal erreichbar ist. | Es hält nicht schwer, sich vorzustellen, wie die primäre Begattungs- "art durch den Eileiter sich in die secundäre in den geschlossenen Brutraum (Uterinbegattung) ungestaltete. Polyphemus bietet dazu den einfachen Schlüssel. Hier ist der Rand der Schale mit dem Rücken des ‚ Thiers noch nicht so weit verwachsen, dass nur ein enger Canal übrig bliebe, aber doch schon so weit, dass der offene Schlitz dem Männchen ‚nicht mehr gestattet, die Oeffnung des Eileiters zu erreichen. Gerade ‚durch diesen festen Verschluss des Brutraums braucht dies aber auch | nicht mehr zu geschehen, eine Entleerung des Samens in den Ei- ‚ leiter wird überflüssig, da der Spalt des Brutraums, an welchen die ' männliche Geschlechtspapille sich anlegt, im Moment der Ejaculation ‚durch diese völlig geschlossen wird, also auch kein Theil des ausströ- menden Samens dabei verloren gehen kann. Für den Befruchtungsvor- gang selbst aber ist es gleich günstig, ob die Samenzellen zuerst in den ' Eileiter, oder von vornherein in den Brutraum gelangen; die Befruch- | tung g geht in beiden Fällen im Brutraum vor sich. | Man wird also sagen dürfen: In dem Maasse, als sich der Zugang _ zum Brutraum verengte, wuchs die Schwierigkeit einer Ejaculation in den Eileiter, verminderten sich aber die Schwierigkeiten, welche einer 110 August Weismann, Ejaculation in den Brutraum entgegenstanden. Sobald deshalb die E Oeffnung des Brutraums so klein geworden war, dass die primäre Be- gattungsweise unmöglich wurde, musste die Ejaculation in den Brutraum erfolgen, zuerst noch ohne Begattungsorgan. Als dann später die Oefl- 4 nung noch kleiner wurde, ja sich zu einem engen Canal auszog, musste die männliche Geschlechtspapille sich zu einem Begattungsorgan aus- bilden. Auf anderm Wege entstand die Ephippialbegattung aus der 2 Eileiterbegattung. Nicht durch Verwachsen der Ränder der Schale mit dem Rücken, also durch Reduction und Umwandlung der Schale wurde hier der Zugang zu den Eileiteröffnungen versperrt, sondern im Gegen- theil durch immer mächtigere Entfaltung der Schale, durch Abwärts- rücken des hintern Schalenwinkels, kurz durch immer vollständigere Einschliessung des Thiers in die Schalenklappen. Dabei blieben aber die Ränder der Schale vollkommen frei und darin liegt der Grund, wa- rum die Samenzellen sich in ganz anderer Weise verändern mussten, als bei den Formen mit Uterinbegattung. Diese Letztere und die Ephip- pialbegattung können sich offenbar nicht auseinander entwickelt haben, sondern sind auf entgegengesetztem Wege aus der Eileiterbegattung her- vorgegangen. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. Et vıl. Die Entstehung der eyclischen Fortpflanzung bei den Daphnoiden. Wörtlich genommen ist jede Fortpflanzung eine cyclische, indem stets die Entwicklung wieder zu demselben Punkte zurückkehrt, von dem sie ausgegangen ist. Das ist schon im Begriff der Fortpflanzung und Entwicklung enthalten. Wenn man aber unter cyclischer Fortpflanzung im specielleren Sinn diejenige Art der Fortpflanzung meint, welche man sonst bald als Generationswechsel, bald als Heterogonie oder als Meta- genese bezeichnet hat, kurz als allgemeine Bezeichnung für diejenigen Formen der Fortpflanzung, bei welchen mehrere Generationen dazu ge- hören, ehe das Anfangsstadium wieder erreicht wird, so erklärt sich ein solcher Entwicklungsgang nicht ohne Weiteres von selbst und es tritt die Frage heran, worauf beruht derselbe, wie ist er entstanden ? Wohl sind bereits Versuche gemacht worden, die Entstehung cycli- scher Fortpflanzungsweise zu erklären. Die ersten rühren von HaEckEL her und ich bin weit entfernt sie in ihrem Werthe zu unterschätzen; den- noch stellen sie mehr die Fragen, welche in Bezug auf diese Vorgänge noch zu lösen sind, als dass sie selbst schon die Lösung brächten, wie das ja bei allgemeinen, umfassenden Ueberblicken kaum anders sein kann: die möglichen Ursachen treten dabei hervor, welche aber dieser möglichen Ursachen nun die wirklichensind, das kann erst durch specielle auf bestimmte Fälle gerichtete Untersuchungen er- gründet werden und je mehr bestimmte Fälle in specieller Weise analy- sirt vorliegen, um so sicherer wird man dann auch auf die Ursachen der übrigen noch nicht analysirten Fälle weiter schliessen dürfen. Einen Fall von cyclischer Fortpflanzung habe ich vor einigen Jah- ren in specieller Weise behandelt und seine Ursachen , wie seine Ent- ‚stehungsweise klar zu legen gesucht: den Saisondimorphismus der Schmetterlinge. Die Untersuchungen über die Daphnoiden, deren letzter Abschnitt hiermit vorliegt, sind in der Absicht unternommen worden, einen zweiten solchen Fall zu analysiren. Gerade die Un- tersuchungen über die Bedingungen, unter welchen sexuelle Fortpflan- zung eintritt, welche ich jetzt in dieser letzten Abhandlung vorlege, aber auch jene über den Einfluss der Befruchtung auf die Dauereibildung bildeten den Anfang der ganzen Untersuchungsreihe und wurden schon 874 begonnen. Der Natur der Sache nach konnten sie erst in einem 112 August Weismann, längeren Zeitraum zu einem Abschlusse geführt werden, der übrigens auch jetzt noch keineswegs ein vollständiger, sondern immer nur ein vorläufiger ist. Ich bin mir sehr wohl bewusst, wie viel zu thun noch übrig bleibt. Wie fast immer, so führt auch hier der Gang der Unter- suchung zu neuer Fragestellung. Leider aber ist die Beantwortung einer jeden solchen neu sich darbietenden Frage gerade bei diesem Thema meist nur im Laufe eines oder mehrerer weiterer Untersuchungsjahre zu beantworten, und so hielt ich es jetzt für besser, statt ins Unbegrenzte hinein an dem einen Thema weiter zu arbeiten, das bisher Gewonnene zu verarbeiten, die Schlüsse daraus zu ziehen und die weitere Prüfung derselben, sowie die Sicherstellung des noch Zweifelhaften oder Unsiche- ren späteren Nachfolgern zu überlassen. Vielleicht ist mir wenigstens gelungen, den richtigen Weg einzuschlagen, auf dem dereinst das Ziel erreicht werden wird oder — um mich eines anderen Bildes zu bedie- nen — eine Grundlage herzustellen, auf der man weiterbauen kann. Die erste Mittheilung über die hier vorliegenden Untersuchungen machte ich auf der fünfzigsten Versammlung » deutscher Naturforscher und Aerzte« in München im September 18771). Dort wurden bereits die Grundzüge der hier vorgetragenen Ansichten entwickelt, die Unab- hängigkeit der geschlechtlichen Fortpflanzung von momentanen äus- seren Einflüssen, die Fixirung der Geschlechtsperioden auf bestimmte Generationen u. s. w. Obgleich seit jener Zeit ein bedeutendes neues Material an Beobachtungen hinzugekommen ist, so war doch Nichts in demselben enthalten, was zu einer Abänderung dieser Grundzüge ge- nöthigt hätte, freilich aber Vieles, was zu einer tieferen Begründung und weiteren Verfolgung bis zu den Ursachen der Erscheinungen die Mittel bot. N Einleitung, Um der Entstehung der cyclischen Fortpflanzungsweise bei den Daphnoiden auf die Spur zu kommen gab es zwei Wege. Der eine be- steht darin, die bei verschiednen Arten vorkommenden Formen dieses Generationswechsels genau kennen zu lernen, die Aufeinanderfolge der Generationen sowohl, wie ihre etwaigen Beziehungen zu dem Wechsel der Lebensbedingungen festzustellen; der andere besteht im Expe- riment. Von diesen beiden Wegen ist der letztere schon von Ändern einge- schlagen worden, wenn auch nicht mit der bewussten Absicht, daraus 4) Amtlicher Bericht der 50. Versammlung Deutscher Naturforscher u. Aerzte in München. München 1877. p. 478. BR OTnE re Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 113 chlüsse auf die Entstehung des Cycelus abzuleiten, vielmehr nur in der Absicht, den Wechsel der Generationen, wie er uns heute fertig vorliegt, i als unmittelbar abhängig von äusseren Verhältnissen nachzuweisen. a Man nahm gewissermassen als selbstverständlich an, dass eine sol- “che Abhängigkeit bestehe und indem man zugleich voraussetzte, dass bei allen Daphnoiden die Generationsfolge die gleiche sei, wie man sie ‘von Daphnia Pulex und verwandten Formen seit Jurine, RamDoHr und Lussock kannte, gelangte man stets dazu, die Frage so zu stellen: durch welche äussere Einflüsse werden die Geschlechtsgene- rationen hervorgerufen. Man betrachtete gewissermassen die Jungferngenerationen als die Regel, die Geschlechtsgenerationen als die Ausnahme und suchte nun nach den Einflüssen, welche diese Letzteren ins Leben rufen. Das war sehr natürlich, da in der That bei Daphnia und Verwandten, überhaupt bei den meisten Daphnoiden die Jungfern- generationen anZahl und Dauer bei Weitem die Geschlechtsgenerationen übertreffen. Aber auch die andere Vermuthung einer directen Abhängigkeit ‚des Auftretens der Geschlechtsgenerationen von äussern Einflüssen lag ‚ausserordentlich nahe und musste sehr wahrscheinlich aussehen nach ‚den Kenntnissen, welche man von der Generationsfolge der Daphnoi- ‚den hatte. So machte HrRBERTSPENCER, gestützt auf LuBBock’s Untersuchungen, ‚den interessanten Versuch, den Wechsel 'ungeschlechtlicher und ge- ‚schlechtlicher Fortpflanzung bei den Daphnoiden auf ungleiche Er- nährung zurückzuführen !). Daraus, dass hei der agamen Fortpflan- ‚zung viel mehr, wenn auch kleinere Eier in derselben Zeit producirt werden, als bei der geschlechtlichen Fortpflanzung, schliesst er auf einen weit energischeren Stoffwechsel während der ersten, als während der zweiten Fortpflanzungsweise. Dies führt ihn zur Annahme intensiverer Ernährung während der agamen Fortpflanzung und diese wiederum zu der Vermuthung, dass die Art der Fortpflanzung abhängig sei von der geringeren oder sehr hohen Intensität der Ernährung. Er sieht darin eine Bestätigung seiner vorwiegend an Pflanzen er- härteten Lehre, dass im Wechsel ungeschlechtlicher und geschlechtlicher sortpflanzung das Auftreten der Letzteren durch ungünstige Wachs- ‚thumsbedingungen hervorgerufen werde. Aber noch von andern Einflüssen suchte man den Eintritt der Ge- schlechtsperiode abzuleiten. Bekanntlich wurde bis in die jüngste Zeit hinein der Lebenslauf der 4) Die Principien der Biologie. Deutsch von B. Verter. Stuttgart 1876. p. 249. hrift f. wissensch, Zoologie. XXXIII. Ba. 8 114 August Weismann, - 3 Daphnoiden so aufgefasst, wie man ihn hauptsächlich an Daphnia pulex und Verwandten beobachtet zu haben glaubte: es sollten im Frühjahr Weibchen aus den überwinterten Dauereiern hervorschlüpfen, diese sich in einer Reihe von Generationen den Sommer über parthenogene- tisch fortpflanzen und erst im Herbst Männchen hervorbringen, durch - deren Begattung mit den Weibchen Wintereier erzeugt und damit der Cyclus abgeschlossen würde. Allerdings hatte schon ZENnkER!) festgestellt, dass einzelne Männ- chen »das ganze Jahr hindurch vorkommen « und Lussock 2) beobachtete Männchen und Dauereier »von Anfang Mai bis Ende December «. Man fasste indessen alle diese Fälle als Ausnahmen auf und be- trachtete nach wie vor als Regel, dass die geschlechtliche Fortpflanzung »der Daphnoiden« erst im Herbst einträte. Erst Kurz 3) suchte eine andere | Auffassung geltend zu machen. Er fand im Frühjahr (27. April) »Weib-. chen mit Ephippien und Männchen von Daphnia galeata Sars. in einem Röhrkasten in solcher Menge, dass das Wasser unbrauchbar wurde «. Zugleich traf er in einer kleinen Lache, »die eben austrocknete«, eine neue Daphnie in beiden Geschlechtern. Im Verlauf des Sommers fand er dann »fast nach jedem ausgiebigeren Regen den Tüm- pel mit Wasser gefüllt und von derselben Daphnie bewohnt; sobald aber das Wasser zu vertrocknen anfing, erschienen die Männchen wieder «. Diese Beobachtungen brachten Kurz »auf den Gedanken, dass nicht blos der Einfluss des Herbstes, sondern noch anderweitige äussere Ein- flüsse das Auftreten von Geschlechtsgenerationen hervorrufen müsse, zunächst: das Austrocknen des Wassers, in dem die Daphnien leben. Er ahmte nun den Vorgang des Austrocknens künstlich nach. Durch Baumwollfäden wurde das Wasser aus einem mit Daphnoiden bevölkerten Aquarium langsam herausgesogen, so zwar, dass nach 1% Tagen dasselbe bis auf den 6. bis 8. Theil reducirt war. »Obgleich es erst Mai war« enthielt nun das Wasser »zahlreiche Exemplare beider Geschlechter von Simocephalus vetulus, Eurycercus lamellatus, Alona quadrangularis und Leydigii«. Kurz hat diese Versuche später noch öfter und mit verschiedenen Arten wiederholt und zum Theil mit demselben Erfolg — freilich nur 4) Archiv für Naturgeschichte. Jahrg. 1862. | 2) Sir Joan Lusgock, An account of the two methods of reproduction in Daphnia, and of the structure of the ephippium. Philosoph. Transact. of Royal Soc. Lond. V. p. 82. (1857.) . 3) Kurz, Ueber androgyne Missbildung bei Cladoceren. Sitzungsberichte deı Wien. Akad. 12, Februar 1874. p. 6. Anm. er Beiträge zur Naturgeschiehte der Daphnoiden. 115 Zum Theil, denn öfters entstanden eben keine Männchen und BEN Wintereier in dem austrocknenden Wasser. Dagegen entwickelten sich in faul werdendem Wasser die Männ- ‘chen von Eurycercus und Simocephalus von selbst, »da wahrscheinlich ‚die Weibchen in der Fäulniss des Wassers eine Gefahr für ihre Existenz spürten «. Kurz fasste seine Schlüsse dahin zusammen: »dass bei den Glado- ceren erst dann Männchen producirt werden, wenn die Weibchen das Wasser ihres Wohnortes zu ihrem Lebensunterhalte quantitativ oder qualitativ unzureichend zu finden anfangen. Dieser Fall tritt ein, wenn 4) das Wasser austrocknet, 2) sich chemisch ändert oder 3) einen un- zuträglichen Temperaturgrad erreicht. Diese Ereignisse müssen ausser- dem genügend langsam vor sich gehen, dass die Weibchen Zeit haben die männlichen Embryonen auszubilden «. Natürlich werden diese letzten Worte nur figürlich gemeint sein, denn dass die Weibchen willkürlich Männchen und Sexualweibchen oder aber parthenogenesirende Weibchen hervorbringen sollten, etwa wie die Bienenkönigin männliche und weibliche Eier legt, dafür fehlt doch jeder Anhalt. Es kann also nur gemeint sein, dass unter der Ein- ‚wirkung des Austrocknens ihres Aufenthaltsortes, oder des Fauligwerdens des Wassers oder schliesslich gewisser Temperaturveränderungen die Weibchen zur Hervorbringung weiblicher und männlicher Geschlechts- thiere angeregt werden. Dies ist nun nach meinen Erfahrungen sicherlich nicht der Fall, vielmehr müssen die gewiss ganz richtigen Beob- achtungen von Kurz in anderer Weise — wie ich glaube — gedeutet werden: Das Auftreten einer zweigeschlechtlichen Generation, oder wie ich es kürzer bezeichnen will: der Eintritt der Geschlechts- periode wird überhaupt nicht durch direct wirkende äussere Momente veranlasst, sondern lediglich durch innere, in der Natur des Organismus begründete. Der Organismus ist Be massen darauf eingerichtet, zur rechten Zeit zur geschlechtlichen Fortpflanzung zu schreiten und es ist bis zu einem gewissen Grade einerlei, welche äussere Momente ihn zu dieser Zeit treffen, wenn sie nur nicht derart sind, dass sie den thierischen Stoffwechsel bedeutend 'herabsetzen oder gar das Leben bedrohen. Woher nun freilich diese ‚Regulirung des Organismus rührt, wie sie entstanden ist, das ist eine ‚weitere Frage, und diese führt wieder auf die äussern ik en zurück, ‚wie später gezeigt werden soll. _ Offenbar ist die Entscheidung dieser Alternative für die Beurtheilung Ä Genese des Daphnoiden-Cyelus eine fundamentale Frage, denn wenn s* 118 ‚August Weismann, heute noch äussere Verhältnisse das Alterniren der Generationsarten direct hervorrufen können, dann wird daraus mit Recht geschlossen werden können, dass auch die Entstehung des Cyclus auf direet wirkenden Einflüssen beruht, während im umgekehrten Fall dieser Ent- 2 stehungsmodus wenn auch nicht von vornherein schon ausgeschlossen, 2 so doch jedenfalls unwahrscheinlich und unbeweisbar würde. s Ich werde deshalb die ganze Untersuchung mit einem Beweisver- ‚ such für den eben ausgesprochenen Satz beginnen, dass das ut treten der Geschlechtsgenerationen in keiner directen ’ Abhängigkeit von äussern Einflüssen steht und erst nach- her zu der Frage zurückkehren, auf welche Weise der Generationswech- : sel der Daphnoiden entstanden sein mag. z I. Das Eintreten der Geschlechtsperiode ist nicht direct abhängig von äusseren Einflüssen. Ich glaube diesen Satz in doppelter Weise erhärten zu können, ein- mal durch den Nachweis, dass es kein äusseres Moment giebt, welches im Stande wäre, sicher und unfehlbar die Geschlechtsperiode hervorzurufen und zweitens durch den Nachweis, dass dieselbe häufig eintritt, ohne dass eines der Momente, welche man als direkte Ursachen 3 ansehen könnte, ck hätte. | Als solche Mordnte wären nun folgende ins Auge zu fassen: die R Temperatur des Wassers, die Ernährungsverhälinisse, h allmäliges Austrocknen des Wassers und Verderben desselben durch Fäulniss. 4 Was zuerst die Temperatur betrifft, so legt das fast ausnahms- lose Eintreten einer Geschlechtsperiode im Herbst den Gedanken sehr nahe, dass niedere Temperatur die Geschlechtsthiere ins Leben rufe. Bei genauerer Betrachtung findet man aber schon in dem Verhal- ten vieler Daphnoiden in der freien Natur, dass Kälte des Wassers nicht immer mit der Geschlechtsperiode zusatminenfille Die meisten in Seeen lebenden Daphnoiden bringen nur iım Herbst Männchen und Dauereier hervor, für Bythotrephes und Leptodera, wie für Daphnia hyalina, Daphnella brachyura und Sida erystallina kann ich bestimmt angeben, dass im Frühjahr niemals auch nur ein einziges Männchen oder ein Weibehen mit Dauerei gefunden wird. Dennoch aber sind diese Artenim Frühjahr lange Zeithindurch einer ebenso nied- rigen sap ed als im Herbst. E Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 117 es; im Mai 41,6°C., im October 13,2% G., die mittlere Temperatur des Juni 14,6°C., die des September 15 9 C. Br entsprechen sich also "Anfang ini und Ende September fast genau. Das Experiment sagt Dasselbe aus. Ich habe zwei Mal mit Daphnia pulex in der Weise experimentirt, dass ich das Wasser, in dem sich eine grössere Anzahl von Thieren befand, durch Hineinwerfen von Eis einige Wochen auf niederer Temperatur bielt (5—10°C.). Die Ver- suche wurden im Sommer angestellt, zu einer Zeit, in welcher die Golo- nie, von welcher die Thiere herstammten,, sich nur parthenogenetisch vermehrte. Um ein allzurasches Schmelzen des Eises zu verhüten, "mussten die Gefässe in einem mässig hellen Keller gehalten werden. Die Thiere blieben munter, pflanzten sich auch fort, wenn auch nur langsam, allein lediglich durch Parthenogenese, nichtein einziges Weibchen produeirte Wintereier. Man könnte allerdings diesem Versuche Mancherlei einwerfen. Die - Temperatur könnte nicht die richtige gewesen sein, das Licht zu schwach, die Lebensbedingungen überhaupt allzu küpstlich verändert. Ich lege auch deshalb kein allzu grosses Gewicht auf ihn, doch spricht er jeden- falls nicht für einen sicheren Einfluss der Kälte und man sollte denken, dass im Falle Kälte überhaupt zur geschlechtlichen Fortpflanzung dispo- nire, eine Temperatur, welche die eingeschlechtliche Fortpflanzung noch gestattete, auch für die zweigeschlechtliche nicht zu niedrig ge- wesen sein sollte. Dazu kommt aber noch, dass die Geschlechtsperiode bei ‚jeder Wasserwärme eintreten kann, bei niederer, hoher und bei jeder mittleren. Dies wird hauptsächlich aus den später ‚mitzutheilenden Versuchen an Moinaarten hervorgehen, es lässt sich aber auch aus vielen andern Beobachtungen erweisen. | Man glaubt in der Regel, dass der Eintritt der Geschlechtsperiode "im Herbst nothwendig auch mit niederer Wassertemperatur zusammen- fallen müsse; dies ist aber nur für kleine Wasseransammlungen richtig, keineswegs ir für die Seeen. Die Temperatur des Genfer Sees (in der Oberflächenschicht) beträgt noch im November im Mittel 9,1% C., im October 13,2° C., im September 15,2°C., gerade in diese Monate nun fällt aber für die meisten cheswohnenden: Daphnoiden die Geschlechts- _periode. Es giebt sogar einzelne Arten (Daphnia hyalina), bei welchen dieselbe schon im August beginnt, d. h. in dem Monat, welcher mit dem Sa die höchste mittlere Wassertemperatur hat (19,00 C.). Einen weiteren Beleg liefern die Sumpfbewohner mit zweimaliger se Erisiode, z.B. Polyphemus, dessen erste Sexualperiode in den An- 118 August Weismain, die zweite Ende October und Anfang November, d. h. in eine Zeit, m welcher die Temperatur der Sümpfe ihrem winterlichen Minimum schon “ nahe gerückt ist. : Daraus könnte man freilich den Schluss ziehen, dass die beiden y" | Temperatur-Extreme zur geschlechtlichen Fortpflanzung disponirten # und diese Ansicht ist auch von ScHMmAnkEWITScH gelegentlich ausgespro- % | chen worden !). Sie stimmt aber nicht zu einer grossen Reihe andrer 4 Thatsachen ; so läuft z. B. die Sexualperiode der meisten Seedaphnoiden 4 gerade während der Monate ab (September, October), welche eine mitt- lere Wasserwärme besitzen (17—12° C.) und bei der eben erwähnten Daphnia hyalina beginnt zwar die Sexualperiode bei hoher Wasser- wärme, Ende August, dauert aber bei abnehmender Wärme den ganzen September hindurch an und geht erst Ende October wieder in unge- schlechtliche Fortpflanzung über u. s. w. | Nach alle diesem wird der Satz gesichert erscheinen: Die Tem- peratur des Wassers giebt nicht den Anstoss zur ge- schlechtlichen Fortpflanzung. | R Es wären nun zunächst die Ernährungsverhältnisse ins Auge zu fassen. i Nimmt man das Wort im engeren Sinn, so giebt es wohl für die # meisten Daphnoiden keine, irgend erheblichen Ernährungsschwankun- # gen, das heisst: Nahrung ist immer in reichlichem Ueberschuss vorhan- | den. Ein förmlicher Beweis dafür ist freilich nicht beizubringen, allein e| | die Natur der Nahrungsstoffe lässt es annehmen. Die grössere Hälfte ® aller Daphnoiden ernährt sich von den feinsten Partikelchen organischen ® Moders, welche in Massen den Boden der Tümpel bedecken, oder dem | | Schlamm beigemischt sind oder endlich im Wasser suspendirt schweben. ® An diesen ist nun niemals Mangel, zu keiner Jahreszeit, denn sie wer- © den niemals aufgebraucht und übertragen sich von einem Jahr auf das andere. Am reichlichsten müssen sie im Herbst vorhanden sein, aber | | auch im Frühjahr können sie nicht fehlen, weil während des Winters " eine Menge Pflanzen- und Thierreste des vorhergehenden Sommers erst 71 vollständig aufgelöst werden. B | Eher könnte man für die räuberischen Polyphemiden an Schwan- 4) Siehe: diese Zeitschrift. Supplementband zu Bd. XXV. p. 142. Der ver- | | fasser meint, dass die Männchen von Daphnia »erst an den äussersten Grenzen der für das Leben der Art günstigen Beschaffenheit des umgebenden Elementes er- | scheinen, d. h. sowohl bei zu niederer als auch zu hoher Temperatur«. Wie wenig | dies zutrifft, geht unter Anderm auch aus den weiter unten mitgetheilten Beob- ' achtungen an Daphnia pulex hervor, deren Colonien nicht selten nach der herbst- Ey lichen Geschlechtsperiode wieder ganz zur Parthenogenese zurückkehren und sich | zuweilen bis in den Januar hinein halten. ; Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 119 kungen in der dargebotenen Nahrungsmenge denken, allein auch hier ist stets ein reicher Ueberschuss vorhanden, wie Nmand bezweifeln wird, der die unendlichen Mengen von lerfesenden Daphniden ge- genüber den relativ wenigen Polyphemiden gesehen hat, wie man sie bei Netzzügen im See zur Zeit des Herbstes erhält. Wenn somit von einem Einflusse der gebotenen Nahrungsmenge ab- _ gesehen werden muss, so wäre es doch a priori denkbar, dass Ernäh- rungsschwankungen im weiteren Sinne vorkämen und den Eintritt der Geschlechtsperiode bestimmten. Schon Jurin£ hat gezeigt, dass Daph- nia pulex sich bei niederer Wassertemperatur sehr viel langsamer fort- pflanzt, als bei hoher und es ist leicht begreiflich, dass bei einem Thier, dessen Bluttemperatur wesentlich durch die des umgebenden Mediums bestimmt wird, auch die Energie des Stoffwechsels bei niederer Tempe- ratur geringer ist, als bei höherer. Dies würde aber thatsächlich mit dem Einfluss der Wassertemperatur zusammenfallen, der schon als un- wesentlich nachgewiesen wurde. Speciell gegen die Ansicht HerBERT SpEnceEr’s, dass herabgesetzte Ernährung die geschlechtliche Fortpflanzung zur Folge habe, möchte ich übrigens noch Folgendes geltend machen. ‚Gesetzt, meine Argumenta- _ tion, dass stets Nahrungsüberschuss vorhanden sei, wäre falsch, so müsste doch zugegeben werden, dass bei vielen Daphnoiden die Sexual- periode gerade dann eintritt, wenn die Nahrung für sie am reichlichsten vorhanden ist, wenn zugleich die Temperatur des Wassers noch relativ hoch, die ungeschlechtliche Fortpflanzung noch in vollstem Gange und somit die Energie ihres Stoffwechsels eine sehr hohe ist; so bei allen den Arten, welche nur gegen den Herbst hin oder im Herbst Dauereier hervorbringen. Ueberhaupt ist ja der Uebergang von - der Parthenogenese zur geschlechtlichen Fortpflanzung kein plötzlicher, vielmehrlaufen beideFortpflanzungsweisen stets eine Zeit lang — oft auch während der ganzen Geschlechtsperiode — neben- einander her und gerade dann ist die Grösse und Fruchtbarkeit der Jungfernweibchen am bedeutendsten — ein Umstand, der gewiss nicht auf schlechtere Ernährung deutet. Dann aber erinnere ich an meine Versuche über die Wintereibil- dung bei Sida erystallina!). Erstlich werden bei dieser und bei den Sidinen überhaupt kaum weniger Dauereier producirt, als Sommereier und dann zeigt sich die geringste Ernährungsstörung, wie sie z. B. in _ Gefangenschaft bei dieser Art leicht eintritt, sofort und zu allererst in 4) Siehe: diese Beiträge. Abhandlung II. »Die Eibildung bei den Dapunau en Diese Zeitschrift. Bd. XX VII. 120 August Weismann, den Fortpflanzungsorganen; die Anlagen der Winter- wie der Sommer- eier schwinden im Ovarium, wohl ein sicheres Zeichen, dass für beider- lei Fortpflanzungsweise gute Ernährung die erste Vorbedingung ist. Aus diesen Gründen darf wohl behauptet werden, dass auch Schwankungen in der Energie der Ernährung den Wech- selder Fortpflanzungsweise nicht hervorrufen. Nicht ganz so leicht ist das dritte Moment zurückzuweisen, wel- ches man als directe Ursache des Eintrittes geschlechtlicher Fortpflan- zung geltend gemacht hat. Es giebt eine Reihe von Beobachtungen, wel- che in der That die Vermuthung nahe legen, dass ein allmäliges ; Austrocknen oderein durch Fäulniss oderandere chemi- sche Veränderungen bedingtes Verderben des Wassers die Daphnoiden zur geschlechtlichen Fortpflanzung veranlasse. Es ist das Verdienst von Kurz die Aufmerksamkeit auf diese oben schon berührten Verhältnisse gelenkt zu haben und die Angaben des um die Gladoceren vielfach verdienten, durchaus präcisen und vertrau- enswürdigen Forschers verdienen volle Beachtung. Wenn ich aber auch die Richtigkeit der von ihm beobachteten Thatsachen im Einzelnen an- erkenne, so scheinen mir doch seine Schlüsse weit über die Tragfähig- keit dieser Thatsachen hinauszugehen. Es ist ganz richtig, dass bei künstlicher Züchtung verschiedner Daphnoiden in kleinen oder grossen Aquarien, deren Wasser man allmälig abdunsten lässt, nicht selten ge- schlechtliche Fortpflanzung eintritt. Dieselbe tritt aber auch nicht selten ein, wenn man das Wasser stets aufdemsel- ben Niveau erhält! Beweisend dafür, dass die Verringerung der Wassermenge Ursache des Eintritts der Geschlechtsperiode sei, rrT E der Kurz’sche Versuch nur dann sein, wenn er von einem Parallelver- such begleitet worden wäre!) und wenn dieser das Resultat zeliefert M hätte, dassbeiGleichbleiben des Wasserspiegels keine ge- schlechtliche Fortpflanzung eintritt. Ich habe übrigens den Kurz’schen Versuch mehrmals wiederholt; drei Mal z. B. mit Ghydorus sphaericus, einer Art, bei welcher Kurz selbst Geschlechtsthiere dabei auftreten sah. Es war mir damals sehr um die Männchen zu thun, aber meine Hoffnung, sie auf diese Weise zu erhalten, schlug gänzlich fehl; weder ein Männchen, noch ein Weibchen mit Winterei zeigte sich, und doch wurden die Versuche zu der Zeit angestellt, in welche die Ge- & 4) Ich darf nicht versäumen zu bemerken, dass die Kurz’schen Untersuchungen nur nebenbei auf diesen Punkt gerichtet waren, wie denn auch die Hypothese über *: -die Hervorrufung der geschlechtlichen Fortpflanzung durch Austrocknen, zuerst nur Fi beiläufig, in Form einer Anmerkung aufgestellt wurde. Siehe: » Ueber androgyne Missbildung bei Cladoceren«. Wien. Sitzungsberichte. Febr. 1874. P- 6. I» 2 = a 5 > | Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden, 121 Tai | schlechtsperiode der Art fällt (December) und das Austrocknen wurde | lange fortgesetzt, bis nur noch I cm Wasser den Boden des Aqua- "riums bedeckte. Auch ging das Austrocknen sehr langsam vor sich, so ‚dass alle Zeit zur Hervorbringung geschlechtlicher Generationen vorhan- den gewesen wäre. Aehnliche Versuche an Daphnia pulex sollen etwas weiter unten ‚angeführt werden, da sie zugleich gegen die Wirkung andrer äusserer Momente sprechen. Gegen die angenommene Wirkung des Austrocknens spricht aber - ausser dem Versuch auch eine rein theoretische Erwägung. Auf wel- che Weise könnte sich wohl das Austrocknen eines Tüm- pels dem Organismus einer Daphnia früher bemerklich machen, als: wenn es eben schon an Wassersosehrfehlt, dass die Thiere im Schwimmen behindert werden? Dann ist es aber zu spät, um noch eine Geschlechtsgeneration ins Leben zu rufen. Wie soll eine blosse Verringerung der Wassermenge den Stofl- ‚wechsel eines Daphniaweibchens, oder etwa auch direct dessen Nerven- ‚system so afficiren, dass daraus eine gänzliche Umstimmung der Sexual- - organe resultirt? | Kann man doch Wochen hindurch eine Anzahl Daphnien in einem Uhrschälchen leben und sich fortpflanzen sehen, ohne dass geschlecht- liche Fortpflanzung eintritt, wie sollte da in der unendlich viel grösseren Wassermenge eines eintrocknenden Tümpels die allmälige Verringerung ‚des Wassers einen so vollständig umstimmenden Einfluss ausüben ? Wodurch überhaupt, da eine Einwirkung durch das Medium der In- telligenz ausgeschlossen ist? Die Weibchen produciren nicht etwa Männ- chen und Wintereier, weil sie merken, dass es mit ihrer Golonie zu Ende geht und sie schnell noch die Erhaltung der Art sichern wollen. Sollten etwaige Unterschiede im Luftgehalt des Wassers hier mitwirken? Der ' Luftgehalt wird aber wesentlich durch die Temperatur des Wassers be- ‚ stimmt und diese bedingt, wie oben gezeigt wurde, nicht den Modus ' der Fortpflanzung! | ‚Solche Erwägungen würden allerdings allein nicht zur Entschei- " dung ausreichen '), da aber der Versuch in demselben Sinn ausfällt, so \ wird auch das Austrocknen nicht als directe Ursache des 4) Besonders deshalb nicht, weil wir Fälle kennen, in welchen die Menge des " Wassers einen Einfluss auf das Thier in demselben ausübt, wenn auch nur auf das | _Wachsthum desselben. Nach Semper’s bekannten Versuchen erreicht Limnaeus gnalis eine viel bedeutendere Grösse in grosser Wassermenge, als in kleiner. he; Semper, »Ueber die Wachsthumsbedingungen des Lynınaeus stagnalis«. Ver- lungen d. Würzburg. Phys. med. Gesellschaft. N. F, Bd. IV, 122 August Weismann, : ei: Eintritis geschlechtlicherFortpflanzung betrachtet wer- E: | den dürfen. B Was nun chemische Veränderungen des Wassers betrifft, so hat SCHMANKEWITSCH bei Gelegenheit seiner Umwandlungsversuche mit Phyllo- poden die Ansicht geäussert, dass in brackischem Wasser eine bedeu- tende Steigerung des Salzgehaltes die darin lebenden Daphnoiden zu geschlechilicher Fortpflanzung bestimme. 3 Nach der Angabe dieses Forschers lebt Moina rectirostris im salz- haltigen Xadschibei-Liman nur im Frühjahr und Herbst, im Sommer aber verschwindet sie »wenn das Salzwasser zu stark concentrirt« ist, und zwar »nachdem vorher Männchen aufgetreten und die Weibchen Ephippialeier erzeugt haben.«. Das Thatsächliche in dieser Angabe kann nun ganz richtig sein, es beweist aber nicht, dass der zunehmende Salzgehalt Ursache des Ein- tritts der Geschlechtsperiode ist, da nicht jedes post hoc gleich propter hoe ist !). u Ich habe übrigens Grund, diese ganze Beobachtung für eine unvoll- ständige und deshalb auch unrichtige zu halten. Dieselbe Moina lebt nämlich bei uns im rein süssem Wasser und bringt in diesem zu jeder Jahreszeit und in jeder Gene- ration (mit Ausnahme der ersten) Männchen und Dauer- eier hervor, wie später noch genauer dargelegt werden wird. Da nun der russische Forscher nicht ausdrücklich sagt, dass seine Salz- U wasser-Moinen im Frühjahr sich rein parthenogenetisch fortpflanzten, # so wird er es wohl nur vorausgesetzt haben. Jedenfalls würde seine An- 4 _ nahme, dass Zunahme des Salzgehaltes die geschlechtliche Fortpflanzung = | veranlasse, nur dann begründet erscheinen, wenn Parallelversuche an- # gestellt worden wären und wenn sie ergeben hätten, dass Moinen 3 derselben Colonie und zu derselben Zeit in schwachem U Salzwasser beiderJungfernzeugung verharren, in star- kem aber zur geschlechtlichen Fortpflanzung übergehen. u Dass dem aber so sein würde, wird durch die weiter unten dargestellte Fortpflanzungsweise unsrer deutschen Moina rectirostris in hohem Grade | unwahrscheinlich. ® | Somit lässt sich also kein Beweis dafür beibringen, dass die Quali- En | tät oder Quantität des Wassers direct als Stimulus wirkt und die Dauer- . eibildung hervorruft. Andererseits wäre noch Vieles anzuführen, was. gegen diese Annahme spricht, und der ganze weitere Verlauf dieser Abhandlung ist gewissermassen eine fortgesetzte Widerlegung der selben. AR % 4) »Ueber das Verhältniss der Artemia salina zur Artemia Mühlhausenii und 4 dem Genus Branchipus. Diese Zeitschrift. Supplement zu Bd. XXV. p. 112. = Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 123 _ Vor Allem tritt die Geschlechtsperiode sehr häufig ein, ohne dass "eines der als Ursachen geltend gemachten Momente Ehekasılen wäre. Schon die einfache Thatsache, dass bei allen Daphnoiden der Land- - seeen im Herbst eine Geschlechtsperiode eintritt, gehört hierher. Niedrige Temperatur ist, wie gezeigt wurde, zu dieser Zeit noch nicht vorhanden und weder von Fäulniss des Wassers, noch von Austrocknen oder irgend welcher chemischen Aenderung des Wassers kann die Rede sein. Ganz ähnlich liegen die Dinge bei der oben schon erwähnten dop- pelten Sexualperiode von Polyphemus, sowie bei derjenigen von Daph- nella brachyura, wenn sie als Bewohnerin von Sümpfen auftritt. Auch Versuche haben gezeigt, dass beim Fehlen aller der oft genannten Momente dennoch die Geschlechtsperiode eintreten kann. Im Jahre 1875 stellte ich, zum Theil in anderer Absicht, eine grosse Reihe von Versuchen mit Daphnia pulex an. Ich brachte theils einzelne Weibchen in kleine Glaströge und beobachtete längere Zeit hindurch ihre Fortpflanzung, indem ich die Brut jedesmal wieder entfernte, theils zog ich ganze Gesellschaften auf, indem ich die Nachkommen des isolirten Thieres in Gesellschaft desselben aufwachsen liess. Die äusseren Lebensbedingungen waren dabei so gleich, als man sie nur berstellen kann, gleiches Glasge- fäss, gleiches Wasser und gleiche Wassermenge, gleiche Ernährung und Durchlüftung des Wassers (Letzteres durch grüne Algen). Dennoch wurden in dem einen Glastrog Wintereier gebildet und Männchen erzeugt, in dem an- dern zur selben Zeit keine. Ich verzichte auf Anführung aller dieser Versuche im Einzelnen und füge nur als Muster zwei derselben hier auf. Der erste beweist zugleich noch gegen die Austrocknung. Versuch 1. Daphnia pulex. Sechs von einer Mutter stammende Daphniaweibchen wurden bald nach ihrer Geburt (am 3. März) in sechs Glaströgen isolirt und unter genau denselben Verhältnissen aufgezogen. Das Wasser wurde nicht erneuert, dunstete stark ab und überzog sich allmälig mit einer dicken Staubdecke. Vierzehn Tage später hatte Nr. I drei weibliche Junge geboren, Nr. 2 deren acht, Nr. 3 deren sechs, Nr. 4 deren fünf, Nr. 5 sieben Weibehen und drei Männchen und Nr. 6 fünf Weibchen; ine der Töchter zeigte einen Ansatz zur Wintereibil- en. Erden also hier ein starkes Eintrocknen des Wassers stattfand, 21 ., hr £ nn a a a We 124 August Weismann, Der zweite Versuch beweist, dass auch ohne Eintrocknen ge- schlechtliche Fortpflanzung eintreten kann, dass sie aber unter denselben äussern Bedingungen bald eintritt, bald auch nicht. Versuch @ und 3. Daphnia pulex. Beide Versuche wurden unter genau denselben Verhältnissen an- gestellt; Glas, Wasser, Nahrung, Lichtmenge, Wassermenge und Tempe- ratur waren die gleiche. Die dazu verwendeten Thiere wurden derselben Colonie entnommen und gehörten derselben Generation an, nämlich der vierten, wenn man die aus dem Winterei schlüpfende Generation als die erste bezeichnet. Versuch 2 begann mit einem Weibchen und einem Männchen, die am 45. März in einem sehr kleinen Glastrog vereinigt wurden. Das Weibchen gebar, ohne dass je Begattung bemerkt wurde, nach einander lebendige Junge in grosser Zahl, am 17. März: 6 Weibchen, 9%. März: 6 Weibchen, 27. März: 8 Weibchen, bis zum 17. April: etwa 50 Junge, darunter mehrere Männchen. 28. April: 18 Weibchen und 5 Männchen. 5. Mai: Zahlreiche Brut, welche sich bis zum 1%. Mai: auf ungezählte Schaaren vermehrte, unter welchen A Männchen 20 grosse Jungfernweibchen, 79. jüngere Jungfernweibchen und 3 Geschlechtsweibchen mit Ephippien sich befanden; ausserdem noch zahlreiche ganz junge Brut. Versuch 3 begann am 24. März mit 25 Männchen und 8 Weib- chen. Diese Letzteren vermehrten sich bis zum 17. April: auf etwa 50 Individuen, unter denen mehrere Weibchen mit Wintereiern. 28. April: 12 Wintereier abgelegt, ausserdem noch 26 Weibchen in Wintereibildung begriffen, 3 zweifelhaft, 4 Weibchen mit Sommer- eiern im Brutraum, davon aber eines mit Wintereiern im Ovarium ; viel ganz junge Brut. | 5. Mai: Wiederum 22 Dauereier abgelegt; im Ganzen 40 Weibchen, darunter 12 ganz junge, I mit Ephippium, 24 im Beginn der Ephippiumbildung, I Weibchen mit Embryonen, 2 halbwüchsige Weibchen mit zweifelhafter Eiart. 24. Mai: Noch 12 leere Ephippien abgelegt, Folge des Aussterbens def ä Männchen, von denen keines mehr am Leben war; nur wenige en ‚Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden, 125 ältere Weibehen noch lebend, dagegen eine grosse Menge weib- liche junge Brut. Aus diesen beiden Parallelversuchen 2 und 3 geht also hervor, dass "unter völlig gleichen Lebensbedingungen das eine Mal sofort die Bildung von Wintereiern in sehr ausgiebiger Weise eintrat und einen ganzen Monat hindurch anhielt, das andere Mal die rein parthenogenetische Vermehrung fast zwei Monate hindurch fortdauerte , ehe es zur Bildung einer ganz geringen Zahl von Dauereiern kam. Die Anwesenheit von Männchen kann hier ganz unberücksichtigt bleiben, da früher schon nachgewiesen wurde und ja auch gerade aus diesen beiden Versuchen zur Evidenz hervorgeht!), dass dieselbe ohne Jeden Einfluss auf die Erzeugung von Dauereiern bei den Weibchen ist. In beiden Versuchen waren Eintrocknung, Temperatur- und Ernährungs- differenzen, chemische Veränderung des Wassers ausgeschlossen und dennoch trat, in dem einen wenigstens, die volle Geschlechtsperiode ein. Daraus muss wohl mindesiens so viel geschlossen werden, dass der Eintritt der geschlechtlichen Fortpflanzung auch durch rein innere, im Organismus selbst gelegene Momente hervorgerufen werden kann. Somit dürfen also wohl die beiden, oben aufgestellten Sätze als er- wiesen angesehen werden: 1) Keines jener oftgenannten äussern Momente ruft nothwendig eine Geschlechtsperiode hervor und 2) häufig tritt dieGeschlechtsperiode ein, ohne dass eines jener Momente eingewirkt hat. Streng genommen genügt dies, um den directen Einfluss äusserer Momente gänzlich zu eliminiren, denn eine Ursache, welche die Wirkung nur zuweilen hervorruft, ist eben keine Ursache. Sie könnte höchstens ein Theil der Ursache sein, oder mit andern Worten: man könnte sich vorstellen, dass gewisse äussere Momente zwar für sich allein nicht eine Sexualperiode hervorrufen können, wohl aber dann, wenn sie mit ge- wissen inneren Zuständen zusammentreffen. Da nun freilich andrerseits nachweislich innere Momente allein genügen zur Hervorrufung der Sexualperiode, so erscheint die Annahme einer solchen combinirten Wir- kung überflüssig, ja man müsste, um sie überhaupt aufrecht zu erhalten, zu der sehr geschraubten Annahme seine Zuflucht nehmen, dass die - Daphnoidenweibchen sich zuweilen in einem Zustand befänden, der allein für sich nicht genügte, um sie zur Hervorbringung einer zwei- 1) Die beiden Versuche wurden eigentlich zur Entscheidung eben dieser Frage angestellt, deshalb wurden den Weibchen von vornherein Männchen beigegeben; vergleiche übrigens: diese »Beiträge« Abhandlung IV. Diese Zeitschr. Bd. XXVII. 229. EL TREE IR ART NE 126 August Weismann, geschlechtlichen Generation zu veranlassen, der aber dureh das Hin- zutreten gewisser äusserer Momente dahin gesteigert werden könne! Die sicherste Widerlegung dieser letzten Zufluchtsstätte, welche sich der von mir bekämpften Ansicht noch bietet, wird in dem Nachweis liegen, dass die cyclische Fortpflanzung der Daphnoiden in der That auf anderem Grunde ruht, als auf der directen Wirkung äusserer Momente. Ich gehe somit zum zweiten, dem positiven Theil meiner Unter- suchung über, zur Beantwortung der Frage: Wovon hängt der Eintritt einer Geschlechtsperiode ab? Da, wie gezeigt wurde, durch das Experiment Nichts weiter zu er- reichen ist, als die Ueberzeugung, dass der Daphnoidencyclus relativ unabhängig ist von einmal einwirkenden äussern Verhältnissen, so werden weitere Aufschlüsse nur von einem genauen Studium der ver- schiedenen Formen des Daphnoidencyclus erwartet werden können. Es folgt also hier zunächst der Versuch, die Art und Weise der Ge- nerationsfolge für die verschiedenen Gruppen der Daph- noiden festzustellen. II. Die verschiedenen Formen des Daphnoidencyclus. Die bisherige Vorstellung vom Lebenscyclus der Daphnoiden ist besonders dadurch getrübt worden und von der Wahrheit abgewichen, dass man die an einer Art gemachten Beobachtungen als gültig für die ganze Ordnung betrachtete. Für viele Arten ist diese Vorstellung zwar richtig: die geschlechtliche Fortpflanzung tritt wirklich .nurim Herbst auf, für andere aber ist sie nicht richtig, bei die- sen kommt es nicht etwa blos ausnahmsweise, sondern regelmässig zweiMaloder öfter im Jahr zurBildungvon B.. Wintereiern. Indem ich nun unter einem Fortpflanzungs- oder Generationscyclus die Formenreihe vom Dauerei bis wieder zum Dauerei verstehe, bezeichne ich demnach die ersteren als mono- eyclische, die letzteren als polyeyclische Arten. = Es zeigt sich nun, dass zu den monocyclischen Arten alle die- jenigen gehören , welche in grossen, niemals austrocknenden Wasseran- a sammlungen leben, in Seeen, grossen Teichen oder Sümpfen; wahr- scheinlich gehören hierher auch die Meeresdaphnoiden ; zu den poly- 3 | eyelischen aher die Bewohner kleinerer Wassermengen, der Sümpfe, Tümpel, Pfützen, welche mehr oder weniger häufig dem Austrocknen E verfallen. z Der Sinn dieser Verschiedenheit leuchtet im Allgemeinen leicht ein. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 127 e Wenn eine Art überhaupt Bestand haben soll, so muss ihre Generations- folge so eingerichtet sein, dass die cheinsnnt von Dauereiern der - periodischen Vernichtung vorhergeht, welcher ihre Golonien jährlich ein oder mehrere Male unterworfen ist. Es ist dabei gleichgültig, ob die »Vernichtungsperiode«, wie ich sie einfach nennen will, durch Frost oder durch Hitze oder durch irgend eine andere Schädlichkeit be- dingt wird, welche das Weiterleben der Individuen unmöglich macht. Wenn wir nun aber demgemäss finden, dass Pfützenbewohner schon unmittelbar nach Gründung einer CGolonie zur Bildung von Dauer- eiern schreiten, Sumpfbewohner erst nach längerer Zeit, Seebewohner erst im Herbst nach einer langen Reihe parthenogenetischer Generationen, ‚so lässt sich dies auch so ausdrücken: Je nach der Beschaffenheit des Wohnortes einer Art tritt die geschlechtliche Fortpflanzung in verschie- denen Generationen auf, bei einigen schon in den ersten, bei andern erst in späteren Generationen. So wird man zu der Vermuthung geführt, es möchte die geschlechtliche Fortpflanzung an be- stimmte Generationen gebunden sein und ich glaube in Fol- gendem zeigen zu können, dass es sich wirklich so verhält. Ohne jetzt schon eine Erklärung zu versuchen, wie etwa die Fixi- rung einer so verschiedenen und der jeweiligen Lebensweise so genau angepassten Generationsfolge vor sich gegangen sein möge, wende ich mich zunächst zur Feststellung der Thatsachen, d.h. zu einer Darstellung der Generationsfolge, wie ich sie bei einer Reihe von Arten, theils durch - Züchtung im Zimmer, theils durch Beobachtung im Freien, theils auch durch Beides zugleich kennen lernte. Die Arten sollen dabei nicht nach ihrer systematischen Verwandtschaft, sondern nach der Natur ihres Wohnortes aufeinander folgen. A. Polyeyelische Arten. a. Pfützenbewohner. 1. Moina rectirostris und paradoxa. Am schärfsten zeigt sich die Thatsache, dass die geschlechtliche Fortpflanzung an ganz bestimmte Generationen gebunden ist, _ bei denjenigen Daphnoiden, welche in flachen Pfützen leben und deren > Colonien deshalb in jedem Sommer nicht nur einmal, sondern verschie- i den oft und verschieden rasch der Vernichtung durch Austrocknen ausge- _ setztsind. Es gehört hierher eine ganze Reihe von Arten aus den Familien er Daphninae , Lyncodaphninae und Lynceinae. Als Repräsentanten 128 August Weismann, dieser Gruppe boten sich mir vornehmlich zwei Arten der Gattung Moina, mit welchen ich eine grosse Anzahl von Versuchen angestellt habe. - Dieerste Generation dieser Arten bestehtausnahms- los nur aus Weibchen und diese pflanzen sich immer nur parthenogenetisch fort. Wurde getrockneter Schlamm mit Moinaeiern mit Wasser über- gossen, so erfolgte das Ausschlüpfen der jungen Moinen meist schon nach acht Tagen und diese erste Generation bestand aus- R nahmslos nur aus Weibchen. Zu welcher Zeit auch der Versuch angestellt sein mochte, im Winter, Frühjahr, Sommer oder Herbst, nie- mals befanden sich Männchen unter dieser ersten Generation. allen nachfolgenden Bruten, deren gewöhnlich 3—5 aufeinander folgten. Unter diesen Bruten, welche zusammen also die zweite Generation darstellen, befanden sich aber stets schon Geschlechtsthiere, d. h. Männchen, und Weibchen, welche Dauereier hervorbrachten und zwar meistens schon in der ersten Brut, immer in der zweiten und dritten. Als Beispiele mögen folgende Versuche dienen : Versuch‘#. Moina rectirostris. 25. Februar: Getrockneter Schlamm, welcher Dauereier enthielt, wurde E e. mit Wasser angesetzt. 8. März: Mehrere Weibchen sind ausgeschlüpft, von welchen eines isolirt wird und am Ak. März: als erste Brut 15 Weibchen hervorbringt, am 19. März: als zweite Brut 3 Männchen und am 9%. März: als dritte Brut 5 Männchen und 6 Weibchen. 28. März: Tod des Weibchens. e In diesem Falle begann die Hervorbringung von Geschlechtsthieren schon mit der ersten Brut, denn unter den 15 Weibchen derselbe ‚brachten 8 Ephippien und Dauereier hervor (27. März), während 6 andere zu derselben Zeit Embryonen trugen; eines starb. Versuchd5. Moina rectirostris. 25. Februar: Getrockneter Schlamm wurde mit Wasser angesetzt; & von mehreren nach etwa 10 Tagen ausgeschlüpften Weibchen wurde eines isolirt und lieferte am Ebenso ausnahmslos erwiesen sich alle diese Weib- e| chen derersten Generationals jungfernbrütige; sie brach- ten immer nur Sommereier hervor und zwar sowohl in der ersten, alsin Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 129 |3. März: als erste Brut 15 weibliche Junge, von welchen 8 sofort zur Wintereibildung schritten, die andern zur Sommereibildung. Aus diesen beiden Versuchen, denen ich eine grosse Menge anderer anreihen könnte, geht also hervor, dass schon die erste Brut der ersten Generation, auch wenn sie rein weiblich ist, Geschlechtsthiere enthält. Nicht selten aber enthält dieselbe auch bereits Männchen. So z.B. in: Versuch 6. Moina paradoxa. 8. März: Ein Weibchen der ersten Generation, kürzlich erst aus dem Winterei geschlüpft, wird isolirt und liefert am ‘49. März: alserste Brut 5 Männchen und 1 Weibchen, welches sich später durch Hervorbringung eines Ephippium mit 2 Wintereiern als Geschlechtsthier auswies (d. 28. März). Aber nicht nur die erste Generation bringt Geschlcchtsthiere her- vor, sondern ebenso auch die parthenogenesirenden Weibchen der zwei- ten Generation. So z.B. in Versuch 7. Moina paradoxa. 38. März: Ein Weibchen der zweiten Generation brachte als erste Brut 9 Weibchen hervor, die am 14. April sämmtlich in Dauereibil- dung begriffen waren. Aber auch mit der zweiten Generation schliesst die Production von "Geschlechtsthieren nicht ab, ja manche der Versuche könnten sogar schliessen lassen, dass die Zahl der Geschlechtsthiere im Verhältniss zu den parthenogenesirenden Weibchen zunähme. Ich lasse hier einen der Versuche folgen, welche die Entwicklung durch mehrere Generationen hindurch verfolgte, so aber, dass nicht der gesammte Stammbaum mitgetheilt, sondern nur eine Linie desselben ver- folgt wird. Versuch 8. Moina paradoxa. Das Weibchen erster Generation aus Versuch 4 brachte drei Mal ‚ hintereinander Brut hervor. Die erste derselben bestand aus: 14, März: 8 Jungfernweibchen und 6 Geschlechtsweibchen 1) (Gene- ration II); von einem der letzteren wurden geboren am 4) Der Pleonasmus der Worte»Jungfernweibchen«und»Geschlechts- "weibchen« liess sich nicht wohl vermeiden, da »Jungfern«allein ein zu be- ' stimmter Begriff ist, um sich noch in modificirtem Sinn verwenden zu lassen, das ift f. wissensch. Zoologie. XXXII. Bd. EX 9 130 August Weismann, © 44. April: 7 Jungfernweibchen (Generation Ill); von diesen wurden geboren E 5. Mai: 34 Geschlechtsweibchen und 5 Jungfernweibchen (Genera- tion ae die 5 Jungfernweibchen gebaren 4 49. Mai: 7 Männchen, 15 Geschlechtsweibchen, und 18 Jungfernweib- 7 ne oa Vi; die 18 Sommerweibchen brachten sodann hervor bis zum E A. Juni: 9 Männchen, 98 Geschlechtsweibehen, 2 Brut tragende Jung- E fernweibchen und 24 ganz junge Weibchen, über deren ge- ° schlechtliche oder ungeschlechtliche Natur mein Tagebuch keine Auskunft giebt. Letztere zusammen bilden die Generation VI. Wie man sieht, enthalten in dieser Linie des Stammbaums alle Ge- nerationen von der zweiten bis zur sechsten Geschlechtsthiere, bald blos " weibliche, bald auch männliche. Dass die Männchen hier so sehr in der Minorität sind, ist nur zufällig, d. h. es ist nur eine Eigenthümlichkeitil gerade dieser Stammbaumlinie, nicht selten kommt auch das Umge kehrte vor. Ueber die sechste Generation hinaus wurde diese Linie nicht mehr unter genauer CGontrole gehalten, doch wurde constatirt dass am 47. Juni: mehrere Hundert Moinen als Nachkommen der sechsten cc neration vorhanden waren, jedenfalls also die Generationen VII und ; VIll und dass dieselbenanscheinendnur aus Geschlechts- 7 4 | weibchen bestanden; es konnte wenigstens unter ihnen weder ein Männchen nn ein Jungfernweibchen aufgefunden werden. | j a ” | Versuch 9. Moinaparadoxa. An demselben 47. Juni wurde auch die Nachkommenschaft einer gleich langen andern Generationsreihe von Moina paradoxa geprüft e und auch hier fanden sich Massen von Geschlechtsweibchen, wenige | Männchen und Jungfernweibchen. % Die Moina rectirostris verhält sich ganz ebenso und ich würde des- 2 halb darauf verzichten können, auch von ihr eine Generationsfolge spe- Jan 95 3 “ Wort»Weibchen« allein aber für die geschlechtlich sich fortpflanzenden Weib- chen zu unbestimmt gewesen wäre. Allerdings hätte ich auch die Ausdrücke aga- S mische und gamische, oder monogone und amphigone Weibchen gebrauchen e) können, ich halte indessen die gewählten für besser, weil ihr Sinn von selbst klar | ist. Im Verlauf dieser Abhandlung werde ich noch eine andere Bezeichnung sz 5 brauchen, aber nur vorübergehend, um dadurch eine bestimmte Eigenthümlichke = scharf hervorzuheben. _ % Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 131 iell mitzutheilen, wenn es mir nicht darauf ankäme, wenigstens in einem Beispiel zu zeigen, wie sich die gan ze Nachkommenschaft eines _ Weibchens der ersten Generation gestaltet. Versuch 10. Moinarectirostris. Ein Jungfernweibchen der zweiten Generation wurde isolirt und ‚lieferte folgende Bruten: den 8. März: AGeschlechtsweibchen und 3 Jungfernweibchen den 28. März: 27 Männchen und 4 Jungfernweibchen den 6. April: 4 Geschlechtsweibchen und 4 Weibchen, des-|Genera- sen Natur zweifelhaft blieb. tion II. den 42. April: 3 Geschlechtsweibchen und 12 Jungfernweib- chen (bezeichnet 523—530). Am 13. April starb das Mutterthier. Von diesen vier Bruten wurde die zweite und vierte weiter ver- folgt. Dreider vier Weibchen. vom 28. März wurden isolirt und mit den Nummern 502—504 bezeichnet; sie lieferten folgende Bruten: 502 (Generation II). 15. April: 7 Männchen. 30. April: 8 Männchen, 13 Geschlechtsweibchen, 2 zweifelhafte Weib- chen. %6. Mai: starb 502 mit Hinterlassung zahlreicher junger Brut, unter der mehrere Geschlechtsweibchen zu erkennen waren. A2. Mai: Es sind nur noch 8 Männchen vorhanden, keine Weibchen mehr: also Aussterben dieser Linie in der 4. Bea 503 (Generation II). 45. April: 2 Männchen und 8 Weibchen (Generation IV); letztere lie- z fern am 30. April: 3 Männchen und 29 Weibchen (Generation V); davon über- leben nur 20 Weibchen, von den 45 Geschlechts- und 5 Jung- x fernweibchen sind. Letztere liefern noch als Genera- tion VI am |: 46. Mai: zahlreiche Brut, aus Männchen, ls und Jungfern- Br _ _ weibchen bestehend. 9* 132 August Weismann, 504 (Generation II) gebar am 15. April: 9 Männchen. Mer 2 30. April: 3 Geschlechts- und 3 Jungfernweibchen. le 2 6. Mai: Zahlreiche Männchen und Weibchen beiderlei Art. | ne & Die Brutdes Stammweibchens vom 12. April bezeichnet: ; 523—530 (12 Jungfernweibchen) brachte hervor am | 26. April: 7 Geschlechts- und 1 Jungfernweibchen (nicht wei-) ter verfolgt). 1. Mai: 5 Männchen, 16 Geschlechts- und 8 Ren chen. 9. Mai: Eine Menge von Männchen- und Weibchen beiderlei Art (20 Geschlechts- und 8 Jungfernweibchen wurden gezählt). Zwei der Jungfernweibchen gebaren am 6. Juni: 29 Männchen (Generation V). 4%. Mai: 22 Männchen. J Die Brut der Weibchen 523—530 vom 1. Mai wurde dann noch etwas weiter verfolgt; die Jungfernweibchen derselben lieferten bis zum Genera- tion IV. © 22 Mai: einige Männchen und 20 Weibchen, darunter me a Geschlechtsweibchen. tion V. Wie man sieht kommen nicht nur in allen 5 Generationen, von der E| zweiten bis zur sechsten Geschlechtsthiere vor, sondern unter den 18 Bruten befindet sich nicht eine einzige, welche blos aus Sommer- weibchen bestünde, ja die Zahl der Geschlechtsthiere scheint mit den ” Generationen zuzunehmen, denn nur in der dritten Generation überwie- gen die Jungfernweibchen gegenüber den Geschlechtsweibchen, in Ge- neration 4 und 5 verhält es sich stets umgekehrt. Wenn ich die in “4 einer Reihe von Versuchen notirten Thiere nach Generationen zusam— 2 menstelle, erhalte ich für die Generation ll: | 65 Männchen, 36 Geschlechtsweibchen und 35 Jungfernweibchen ; für die Generation II: 27 Männchen, 5 Geschlechts- und 19 Jungfernweibchen ; für die Generation IV: 412 Männchen, 128 Geschlechtsweibchen und 40 Jungfernweibchen. = Man sieht, dass die Geschlechtsthiere zusammengenommen stets die | Jungfernweibchen an Zahl übertreffen, auch eine relative Abnahme der Letzteren ergiebt sich, doch genügen diese Zahlen zu sicheren Schlüssen Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 133 "doch noch nicht; Versuch 5 zeigt, dass auch in der fünften Generation x . . . . . . noch ein Ueberwiegen der Jungfernweibehen in einer einzelnen Brut vorkommen kann. A En EEE" I EEE 0 N EEE EEE TEEN VE EN TE EEE EN EN EEE EN EEE 1 BE EEE EEE EN TE EN EEE EN EI EEE N EEE 9 Offenbar ist das Verhältniss zwischen Geschlechtsthieren und Jung- fernweibchen immer etwas Sache des Zufalls, sobald man mit kleinen Mengen von Individuen operirt. Ich habe deshalb den Versuch auch so - varlirt, dass ich eine bestimmte Zahl von Weibchen der ersten Generation in ein grosses, mit gekochtem Schlamm versehenes Aquarium setzte und nun die von diesen gegründete Moinacolonie ganz sich selbst überliess, keine Thiere herausnahm, sondern nur alle 40 oder 14 Tage etwa die ganze Colonie musterte und auf frischen, ebenfalls gekochten Schlamm ‚setzte. Der alte Schlamm wurde deshalb entfernt, damit nicht die in- zwischen abgelegten Dauereier sich entwickeln und so das Resultat trüben könnten, denn es kam zunächst darauf an, die Zusammensetzung dieser einen Generationsfolge festzustellen. Versuch 41. Moina paradoxa. 14. October: Schlamm mit Moinaeiern wurde mit Wasser übergossen. 24. October: Mehrere Weibchen sind ausgeschlüpft. 2. November: 21 dieser Weibchen, sammtlich mit Brut, wer- den in ein grosses Aquarium mit gekochtem Schlamm übergesie- delt. Schon am 9. November: war eine Masse von jungen Moinen vorhanden (Ge- neration I) und bereits am 14. November: trugen viele von diesen Ephippien mit Winter- eiern darin; eine Menge junger, aber geschlechtsreifer Männ- chen wurde ebenfalls constatirt. 19. November: Die Colonie bestand aus: 115 Männchen, 30% Ge- schlechtsweibchen, 9 Jungfernweibchen und 8 jungen Weibchen, deren Fortpflanzungsweise noch nicht zu erkennen war. 29. November: Die Colonie bestand aus: 1430 Männchen, 307 Ge- schlechtsweibcehen, 25 Jungfernweibchen, und 52 junge Weib- chen, zusammen 544 Individuen. 40. December: Die Colonie bestand aus: ungezählten Massen von Thieren, fast nur Männchen und Geschlechtsweibchen, sehr ver- einzelte Jungfernweibchen, ‘diese aber mit zahlreicher Brut. 28. December: Aehnlicher Befund wie am 10 December. ‘8. Januar: Der Bestand der Colonie scheint sich etwas zu Gunsten der Jungfernweibchen verändert zu haben; unter 69 Thieren be- fanden sich 12 Männchen, 47 Geschlechtsweibchen und 10 Jung- fernweibchen. Eine grosse Menge junger Thiere vorhanden. 134 August Weismann, Auch dieser, der natürlichen Mischung einer Golonie am meisten eni- sprechende Versuch ergiebt also ein stetes Ueberwiegen der geschlecht- lichen über die parthenogenetische Fortpflanzung mit alleiniger Ausnahme der ersten Generation. Er zeigt zugleich, dass schon genau vier Wochen nach dem Befeuchten der eingetrockneten Eier neue Dauereier gebildet sind und damit der Bestand der Art gesichert ist. Unter Umständen geht dies indessen noch rascher vor sich, im Juli z. B. schon 11—42 Tage nach dem Ausschlüpfen der ersten Generation, und dies bei Versuchen, die in einem kühlen, sonnenlosen Zimmer angestellt wurden. Aus Versuch 41 geht dann ferner noch hervor, dass ein Ausster- ben der Colonie etwa durch Mangel an Jungfernweib- chen, oder durch andere innere Ursachen so lange Wasser und Nahrung anhalten, nicht eintritt, dass wenigstens nach einem Bestand der Colonie von 21/5 Monaten die Procentzahl der Jungfernweibchen eher zu, als ab- genommen hatte. Ein Aussterben würde übrigens auch bei momentanem gänzlichen Fehlen von Jungfernweibchen nicht leicht eintreten können. Allerdings besteht zwar — wie ich schon früher mitgetheilt habe — bei Moina ein schärferer Gegensatz zwischen Jungfern- und Geschlechtsweibchen, als bei den meisten übrigen Daphnoiden;; ein Jungfernweibchen ist nur zur Parthenogenese befähigt und geht niemals zur Dauereibildung und damit zur geschlechtlichen Fortpflanzung über. Wohl aber kommt das Umge- kehrte vor. Sobald die Männchen mangeln, hört bei den Geschlechts- weibchen die Bildung von Dauereiern auf und sie gehen zur Partheno- genese über; ohne diesen äussern negativen Anstossaller- dings nicht. Unter der grossen Menge von Versuchen, welche ich mit Moina angestellt habe, waren nur zwei, bei denen es scheinen konnte, als ob Geschlechtsweibchen spontan, d.h. trotz vorhandener Begattungs- möglichkeit zur Parthenogenese geschritten wären. In beiden Fällen be- ruhte dies auf Täuschung. In dem ersten waren zwar einige Männchen zu dem betreffenden, isolirten Weibchen gesetzt worden, aber nur auf 3 Stunden und es liess sich nachweisen, dass während dieser Zeit kein Coitus stattgefunden hatte. Der zweite Fall betraf eine ganze, sehr zahl- reiche Colonie von Moina rectirostris, in welcher trotz der Anwesenheit zahlreicher Männchen keine Dauereier abgelegt wurden. Wohl trugen viele Weibchen ein Dauerei im einen Ovarium, aber dasselbe wurde : nicht abgelegt, sondern zerfiel im Ovarium, und wurde entweder dort . resorbirt oder in gänzlich zerfallenem Zustand in den Brutraum entleert. Gleichzeitig bildeten sich im andern Ovarium Sommereier und die Thiere waren somit zur Parthenogenese übergegangen. Das Räthsel löste sich a Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 135 ‘durch eine genaue Untersuchung der Männchen: diese waren näm- "lieh sämmitlich steril, enthielten keine der charakteristischen Strahlenzellen im Hoden, sondern nur Flüssigkeit, in der zerfallende ‚ Zellgruppen hier und da schwammen. Worauf diese Sterilität beruhte, "ist mir fürs Erste nicht klar; die Beobachtung liefert aber eine weitere Bestätigung dafür, dass das Ausbleiben der Begattung, oder wohl rich- tiger: das durch Ausbleiben der Begattung eintretende Absterben des Dauereiesim Ovarium den Anstoss zur Parihe- nogenese giebt). Sobald also in einer Colonie nur noch Geschlechtsthiere vorhanden wären, würden diejenigen Weibchen, welche die Männchen überleben, zur Parthenogenese schreiten müssen. Uebrigens können die Dauereier von Moina das Junge zur Entwick- lung bringen ohne vorher eingetrocknet oder eingefroren zu sein (siehe unten Abschnitt VI). Wenn somit die Moinapfütze lange genug Wasser behält, so wird sogar der Fall eintreten können, dass von den kürzlich ‚erst abgelegten Dauereiern ein neuer Generationscyclus ausgeht, der sich dann mit den Resten des ersten mischt. i Doch wird dies wohl in der freien Natur nicht häufig vorkommen, weil die Moinapfützen zu häufig austrocknen und die Eier auch unter Wasser eine längere Latenzperiode einhalten. In der Regel werden die ‚ Dauereier ihrer eigentlichen Bestimmung getreu bleiben und im Schlamm ' eintrocknen. Offenbar sind alle die erwähnten Besonderheiten der Moinafort- pflanzung sehr geeignet zur Erhaltung der Art und gewissermassen genau darauf berechnet, die Ungunst der wechselvollen Lebensverhält- nisse zu paralysiren. Sobald die am Boden der Lehmlache eingetrockneten Eier von Wasser wieder überdeckt werden, beginnt der Embryo sich zu ent- wickeln und schlüpft nach wenigen Tagen schon aus. Diese erste Generation dient nur zur möglichst raschen Vergrösserung der neuge- gründeten Colonie; in rasch sich folgenden Bruten bringt sie auf rein ı parthenogenetischem Wege Junge in Menge hervor, theils wieder Jung- fernweibchen, theils aber auch Geschlechtsthiere, weibliche und männ- liche. So beginnt schon in der zweiten Generation die Sicherstellung der Colonie gegen völliges Aussterben durch rasches Austrocknen der _ Pfütze und die Production von Dauereiern findet von nun an anhaltend statt, indem in jeder neuen Generation sich neben Jungfernweibchen ' immer auch und meist in grösserer Zahl Geschlechtsthiere befinden. 4) Siehe: Diese »Beiträge«. Abhandlung IV. Diese Zeitschr. Bd. XXVII. 136 August Weismann, 2. Macrothrix laticornis Jurine. Als zweiten Repräsentanten der pfützenbewohnenden Daphnoiden bot sich mir eine Macrothrixart dar, M. laticornis Jurine, die ich ebenso w wie die Moinaarten aus getrocknetem Schlamm aufzog. Versuch 12. Macrothrix laticornis Jurine. 38. December: Getrockneter Schlamm mit Wintereiern wurde mit Wasser übergossen. | 21. Januar: Mehrere weibliche Macrothrix sind (vermuthlich einige Tage früher schon) ausgeschlüpft. 24. Januar: Alle Weibchen sind Jungfernweibchen; vier davon tragen 4 bereits zahlreiche Eier oder Embryonen. 98. Januar: Erste Brut: nur Weibchen, die später Sommereier produciren; diese Weibchen der 2. Generation liefern zuerst am 1%. Februar: zahlreiche Brut (3. Generation), unter welcher ebenfalls keine Männchen gefunden wurden. Diese 3. Generation lieferte sodann am E 22. Februar: zahlreiche Junge der %. Generation, unter denen Männchen und Sexualweibchen und zwar liess sicam 7. März: constatiren, dass 5 äusserst kleine aber völlig reife Männchen vorhanden waren und {0 Weibchen, von denen einige je ein Winterei produeirten. s Leider musste der Versuch dann unterbrochen werden, Aus diesem Versuch darf nicht allzuviel geschlossen werden, daer ‚der einzige ist, der mit Macrothrix angestellt wurde. Es könntez.B. Zufall sein, dass in den Generationen II und III keine Geschlechtsthiere vorkamen. Jedenfalls geht aber soviel daraus hervor, dass spätestens 5 in der 4. Generation Männchen und Sexualweibchen auftreten und dass also etwa 5 Wochen nach Gründung der Colonie bereits neue Dauereier gebildet und abgelegt werden können. | b. Tümpel- und Sumpfbewohner. Hierher wäre wohl die überwiegende Menge aller Daphnoiden zu rechnen. Vor Allem schon deshalb, weil eine scharfe Grenze nach dem | Wohnort nicht zu ziehen ist und gar manche Arten, die in Pfützen leben, auch in grösseren oder tieferen Tümpeln angetroffen werden und andrer- seits manche Seebewohner auch in Sümpfen vorkommen. Ich stelle diejenigen Formen voran, welche nicht blos in eigentlichen Sümpfen Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 137 vorkommen, sondern auch in kleinen Gräben , Wasserlöchern, Regen- tonnen u. Ss. w., kurz-an Localitäten , deren Wasservorrath dem Ver- siegen während der trocknen Zeit mehr oder weniger leicht ausgesetzt ist, mit denjenigen Formen also, welche sich zunächst an die Pfützen- 'bewohner anschliessen. Ich beginne mit der häufigsten und bekanntesten aller Daphnoi- _ den, mit: 3. Daphnia pulex Baird. Zuerst ist festzustellen, dass auch bei dieser Art die Dauer- eierimmernur Weibchenliefern und dass diese Weibchen derersten Generationsich immer nur durch Parthenoge- nesefortpflanzen. Auch hier entwickeln sich die Embryonen, mag das Ei im Schlamm eingetrocknet, eingefroren oder aber ununterbrochen im Wasser geblieben sein (siehe unten). | In 50 Fällen wurde das ausschlüpfende Junge direct als Weibchen constatirt, in zahlreichen andern erwies es sich später durch Jungfern- zeugung als solches, in keinem einzigen war es ein Männchen oder ging . das weibliche Thier in der Folge zur Dauereibildung über. In dieser Beziehung herrscht also volle Uebereinstimmung mit Moina: die erste Generation besteht nur aus Jungfern- weibchen. Um nun zu erfahren, ob auch hier die geschlechtliche Fortpflanzung wie bei Moina in einer der folgenden Generationen eintritt, wurden zahl- ‚ reiche Versuche angestellt, welche ergaben, dass hier wieschonin derzweitenGenerationMännchenundDauereier vorkom- men, nicht selten aber in der dritten und am häufigsten in der vierten, fünften und sechsien Generation. Die Versuche wurden in ähnlicher Weise angestellt, wie bei Moina; die Thiere wurden in kleinen Glaströgen gezüchtet, in die ein Paar Algenfäden hineingelegt wurden zum Frischhalten des Wassers und von _ Zeit zu Zeit etwas Futter. Als Letzteres verwendete ich den grünlichen Ueberzug von Diatomeen und andern niedern pflanzlichen Organismen, wie er sich an den Wänden steinerner Brunnentröge anzusetzen pflest. Gekocht und durch Schütteln in Wasser fein vertheilt bildet derselbe noch die beste Nahrung für solche Daphniden, welche weder vom Raub ‘leben, wie die Polyphemiden, noch fein vertheilten Schlamm mit organi- schen Resten fressen, wie Moina und Macrothrix. Sollte die ganze Ver- _ zweigung der Nachkommenschaft eines Thieres verfolgt werden, so wurde En nach jeder Geburt die Brut von der Mutter getrennt und wenigstens die _ weiblichen Nachkommen in besonderen Trögen weitergezüchtet. Bei der 138 August Weismann, selbst im Winter (wenigstens im Zimmer) nicht unbedeutenden Frucht- barkeit der Thiere bekommt man auf diese Weise sehr bald eine so grosse Anzahl von Versuchströgen, dass die lückenlose Verfolgung der gesammten Nachkommenschaft auch nur eines Weibchens ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Ich vereinfachte mir die Sache dadurch, dass ich in der Regel nur die erste Brut einer jeden Generation weiter züchtete. Nichtsdestoweniger hatte ich doch sehr bald einige Hunderte von Ver- suchströgen um mich herum und eine Fortsetzung der Versuche über die fünfte Generation hinaus war nur in einzelnen Bruten möglich. Dennoch wäre ein vollständiger Stammbaum für 6 oder noch mehr Generationen sehr erwünscht gewesen, denn es verhält sich hier nicht so wie bei Moina, bei welcher beinahe jede Brut jeder Generation Ge- schlechtsthiere enthält, sondern auch in den Generationen 3—5, welche am meisten Geschlechtsthiere enthalten, kommen doch sehr viele Bruten vor, welche deren keine enthalten. Ein vollständiges Bild von der Fort- pflanzung kann man also nur durch möglichst vollständige Stammbäume erhalten. Damit möge auch die ausführliche Mittheilung einiger der Versuche motivirt sein. Versuch 13. Daphnia pulex. 187%. 26. December: Aus einem Winterei schlüpft ein Weibchen aus, welches als Nr. 3 bezeichnet und isolirt wird. 1875. 12. Januar: Erste Geburt desselben: 6 Jungfernweibchen !) (be- zeichnet Nr. 17—23). 19. Januar: Zweite Geburt: 4 Jungfernweibchen (Nr. 37—40). 21. Januar: Dritte Geburt: 2 Jungfernweibchen. Die Generation II, die durch diese 4 Bruten hervorgebracht wurde, bestand somit aus 12 Jungfernweibchen. Von diesen vermehrte 4 sich ein Thier der ersten Brut folgendermassen : Nr. 47. 24. Januar: 2 Jungfernweibchen (Nr. 64 und 65). 31. Januar: A » » (Nr. 66, 78, 79, 83). 2. Februar: 2 » ) (nicht verfolgt!). Ein Thier der zweiten Brut vom 19. Januar vermehrte sich folgen- dermassen: 4) Es versteht sich, dass man bei der Geburt die Jungfern- von den Geschlechts- weibcehen noch nicht unterscheiden kann; die Angabe »Jungfernweibchen« basirt auf der Beobachtung der weiteren Eh riöklune der betreffenden Individuen. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 139 L; BE Nr. 38. 45. Februar: Geburt von 3 Jungfernweibchen (Nr. 86— 88). RU Bis zum5. März: noch 18 Jungfernweibchen (Nr. 138 bis tion III 155). Die Generation Ill, soweit sie von diesen beiden Weibchen Nr. 17 und 38 hervorgebracht wurde, bestand somit aus 28 Jungfernweib- -ehen. Von denselben wurde weiter verfolgt: Nr. 64, 65, 66, 78, 79. Diese lieferten: Nr. 64. Nr. 66. Nr. 78. 4.März:3g!und4O | 4.März:Agtund5Q@ 5.März:A gg! Nr 79: Nr. 65. 5. März:5g!und2 © 7. März: 3 © 12. März: 6 © (Nr. 201—206) Die 4. Generation, soweit sie von diesen 5 Weibchen in ihrer ersten Brut geliefert wurde, bestand somit aus 13 Männchen und 1 Weibchen. Ob die Letzteren zum Theil schon Wintereier liefer- "ten, wurde nicht notirt, nicht selten werden solche erst in der 5. Gene- ration gebildet. So z. B. in einer andern Nachkommenlinie desselben Stammweibchens Nr. 3: R Versuch 14. Daphnia pulex. Die erste Brut von Nr. 3 enthielt unter Andern auch das Jungfern- ‘ weibchen Nr. 49. Dieses lieferte 12. Februar: 2 Jungfernweibchen Nr. 69 und 70 (Generation III). Nr. 69 gebar am 16. März: 6 Jungfernweibchen, Nr. 242—247 (Generation IV), von diesen gebaren mehrere zusammen als erste Brut bis zum ‚49. April: 20 Weibchen (Generation V), von welchen 13 sich durch Parthenogenese vermehrten, 7 aber sogleich Wintereier hervor- brachten und 4 der Jungfernweibchen später (29. April) zur Bil- dung von Dauereiern überging. Die Jungfernweibchen erzeug- ten am ‚23. April: zahlreiche Brut (Generation VI), unter welcher sich Männ- chen befanden. Man sieht aus diesem Versuch, dass die Geschlechtsweibchen hier ‚ in der 5. Generation auftreten, die Männchen erst in der sechsten. - Dies "könnte wiedersinnig scheinen „ ersähe man nicht schon aus Versuch 13, 140 August Weismann, dass die Männchen in andern Bruten auch schon in der k. Generation 3 auftreten können. | : Mehrmals wurden auch schon in der 3. Generation Weibchen mit Dauereiern bemerkt, denen dann in der 4. Männchen folgten, es scheint E jedoch, dass dies nicht bei den je ersten Bruten vorkommt, sondern nur bei den späteren. So z. B. in Versuch 15. Daphnia pulex. Die oben schon verfolgte Nr. 3 der Generation I produeirte in ihrer ersten Brut unter Ändern auch das Jungfernweibchen Nr. 22 (Gene- ration Il); dieses gebar 4 Mal hintereinander und die 4. Brut vom 26. März bestand aus 15 Weibchen, von welchen am 22. April: 14 Wintereier abgelegt wurden und zugleich zahlreiche Brut 4 der 4. Generation, unter der 7 Männchen constatirt wurden. | Leider bin ich auf diesen Punkt zu spät erst aufmerksam geworden. Wenn ich jedoch die Daten vergleiche, so finde ich, dass überall, wo ° schon in der dritten Generation Wintereier verzeichnet sind, dieselben 4 der Zeit nach ungefähr zusammenfallen mit den Dauereiern der ersten ° Brut der k. oder 5. Generation. Da nun alle diese Versuchsthiere dem- 4 selben Generationscyclus angehörten, so ist es wahrscheinlich, dass jene Geschlechtsweibchen der dritten Generationen von späteren Bruten der zweiten Generation abstammten. 3 Nur so lässt es sich auch verstehen, dass zu einer bestimmten Zeit 2 nach Gründung der Colonie die geschlechtliche Fortpflanzung ihren Höhe- punkt erreicht, dass dann in den meisten Bruten Geschlechisthiere ent- halten sind, ja dass sehr häufig die ganze CGolonie fast ausschliesslich aus R Geschlechtsthieren besteht. Dies könnte nicht stattfinden, wenn nicht mehrere Generationen gleichzeitig zur Sexualzeugung schritten, nämlich die späteren Bruten der ersten Generationen = und die frühen Bruten der späteren Generationen. 3 Die Zeit, nach deren Ablauf, von der Gründung der Colonie aus Dauereiern an gerechnet, die geschlechtliche Fortpflanzung eintritt, muss wohl in sehr weiten Grenzen schwanken, da die Schnelligkeit der Ver- mehrung, also auch die Raschheit, mit welcher die Generationen auf- 2 einander folgen, sehr wechselt je nach der Temperatur des Wassers und Eu den Ernährungsverhältnissen. = Die folgende Zusammenstellung beansprucht deshalb auch keines- | wegs ein Normaibild des Fortpflanzungsmodus dieser Art zu geben, viel- mehr nur eines der verschiedenen Bilder, unter welchen bei dieser Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 141 wechselvollen Art die Geschlechtsperiode erscheinen kann. Sie ist den Zuchtversuchen entnommen, welche im Winter 1874—-1875 mit den kommen jener oben schon oft erwähnten Weibchen angestellt wur- den, welche im December 1874 oder im Anfang Januar 1875 aus dem Winterei ausgeschlüpft waren. Es wird darin nur die Zahl der an ein- zelnen Tagen abgelegten Dauereier angegeben; die Zahl der gleichzei- tig producirten Jungfernweibchen wurde zwar oft, aber nicht ausnahms- los notirt, so dass von dieser Gegenüberstellung meist abgesehen werden musste. Der Ende December begonnene Generationscyclus ‚lieferte am 26. März: 1 Dauerei » 28. März: 2 » Vom 28. März bis 13. April war ich abwesend und fand am 15. April inzwischen abgelegt: 74 Dauereier gegen 80 Jungfern- "weibchen desselben Aquariums und derselben Abstammung. Am 21. April: 39 Dauereier a » 6 » » 24 )) 8 » Dora.) 19 » » 2 8. » 5 % » ah 3 » BAR Made » » 5 » k 3 » = 7 ) 16 )) Aa Eier) 5 » 2-40, 4A » a Eee 9 » a 5 1A » ER. 6 » » 46 » 2 » » 49 » 34 » 2 | 2.26: 5) 2 » Es ist hieraus zu sehen, dass vom Januar bis zum 26. März, also fast ante hindurch gar keine Dauereier gebildet wurden, von da ab 142 August Weismann, fand aber ununterbrochen auch Parthenogenese statt und diese ver- drängte gegen Ende Mai wieder die geschlechtliche ForipDanzus voll- ständig. So fand ich am 44. Mai: unter 50 Weibchen eines demselben Generationscyclus ent- nommenen Versuches nur 2 mit Ephippien, ebenso am 44. Mai: unter 99 Weibchen eines ebendaher entnommenen Versuches nur 3 mit Ephippien, 49. Mai: unter einer etwa ebenso grossen Anzahl eines dritten Versuches keines in Dauereibildung, 20. Mai: unter 55 Weibchen eines vierten Versuches keines in Dauer- | eibildung, 21. Mai: unter 37 Weibchen eines mit Ephippium. Ein wesentlicher Unterschied in der Fortpflanzung zwischen Daph- nia pulex und den beiden Moina-Arten liegt darin, dass bei letzteren ein Geschlechtsweibchen niemals aus freien Stücken zur Jungfernzeugung übergeht, während dies bei D. pulex sogar die Regel ist. Für diese hat schon Jurine richtig angegeben, dass die Geschlechtsweibchen zuerst Dauereier, dann Sommereier hervorbringen, dass zuweilen aber auch das Umgekehrte vorkommt, also zuerst Sommereier, dann Dauereier, dann wieder Sommereier. LusBock hat dies bestätigt. Bei Moina kommt es niemals vor, dass ein Thier, welches mit der Sommereibildung seine _Fortpflanzungsthätigkeit begonnen hat, später Dauereier hervorbringt. Ich kann den Angaben von Jurine und Lussock noch hinzufügen, dass bei Daphnia pulex zuweilen dieselben Weibchen, welche Männchen hervorbringen, später Dauereier Beiden. also @ zur geschlechtlichen Fortpflanzung übergehen können 2 wie folgender Versuch beweist: Versuch 16. Daphnia pulex. 4 23. April: Ein Weibchen der 5. Generation gebar A Weibchen und = 4 Männchen, darauf producirte es 29. April: ein Ephippium mit 2 Wintereiern, darauf 7. Mai: zahlreiche Brut. Dass der Uebergang von der Dauereibildung zur Parihenogenese wirklich die Regel ist, könnte ich mit zahlreichen Versuchen belegen, von denen ich einen hier anführe: ; % Versuch 17. Daphnia pulex. 42. Mai: Unter 50 Weibchen der Generation VI befanden sich 39 in ung Fortpflanzung und 41 mit Ephippien und in. & E Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 143 # Dauereibildung. Von den Letzteren wurden 9 separirt und trugen alle am 419. Mai: Sommereier oder Embryonen im Brutraum. Mehrere der älteren Autoren haben die Angabe gemacht, dass ein Weibchen von D. pulex mehrmals hintereinander Dauereier hervor- bringen könne. Obgleich mir keine direct auf diesen Punkt gerichtete Versuche vorliegen, so möchte ich doch glauben, dass dieser Angabe häufig ein Irrthum zu Grunde lag. Man hat nämlich fast immer isolirte Weibchen beobachtet: diese aber können !) die in ihren Ovarien gereif- ten Dauereier nicht in das Ephippium entleeren, dieselben zerfallen vielmehr allmälig im Ovarium, veranlassen aber häufig noch vorher die Bildung eines zweiten Ephippiums, welches dann leer, wie das erste, abgelegt wird. Diese leeren Ephippien hat man gewiss häufig für mit Eiern gefüllte genommen. Uebrigens will ich nicht bestrei- ten, dass eine zweimalige Dauereibildung gelegentlich vorkommt, glaube aber, dass im Gegensatz zu Moina die einmalige Regel ist. Nachdem ich hiermit die mittelst künstlicher Züchtung im Zimmer gewonnenen Erfahrungen abschliesse, gehe ich zu den im Freien angestellten Beobachtungen über; es wird sich dann zeigen, in wieweit beide miteinander übereinstimmen. Seit einigen Jahren habe ich hauptsächlich zwei Wassertümpel, welche mit Daphnia pulex bevölkert waren, im Auge behalten, um den Modus ihrer Fortpflanzung im Naturzustande kennen zu lernen. Der eine (Tüm- pel I; ist 6 Meter lang, 2 Meter breit und enthält das ganze Jahr hindurch etwa 1—1,5 Meter Wasser; der andere (Tümpel II) ist nur 1 Meter lang und 1/, Meter breit und enthält stets !/, Meter Wasser. Beide haben senkrechte Wände, I solche aus Gement, Il solche aus Holz. Die mir vor- ‚ liegenden Beobachtungen sind folgende: Tümpell. Daphnia pulex-Colonie. 1876. April: Ausschliessliche Jungfernzeugung; Massen von Indi- - viduen. 28. Mai: Masse von Individuen, Männchen und Weibchen, Letz- tere beinahe alle in Dauereibildung; Sexualperiode also X auf der Höhe. : 42. Juni: Bedeutende Abnahme der Individuenzahl; beide Geschlech- 4 ter; die Weibchen noch vielfach in Dauereibildung; unter 40 Weibchen keines mit Sommereiern oder Embryonen, dagegen 144 August Weismann, viele mit leerem Brutraum und leerem Ovarıum; Massen von Wintereiern schwimmen auf der Oberfläche des Wassers. 49. Juni: Nur wenige Individuen, meist Weibchen, diese zum Theil noch mit Ephippien, sehr selten mit Sommereiern. 28. Juni: Ziemlich viele Individuen, aber alle noch klein und meist mit Sommereiern, keines mit Dauereiern. Juli — September fehlen Beobachtungen. 15. October: Masse von Individuen, unter welchen viele Männchen, aber nur wenige Weibchen, die sich in Dauereibildung be- E fanden. 14. December: Masse von Individuen, meist Weibchen mit Sommer- eiern, doch auch Männchen und einzelne Weibchen mit Dauereiern (unter 119 Individuen waren 108 Jungfernweibchen, 2 Weibchen mit Dauereiern und 9 Männchen). £ 22. December: Bisher stets warmes Wetter; heute erster Nachtfrost seit Mitte November mit Bildung einer leichten Eisdecke; darunter: Massen von Daphnia pulex, meist Weibchen mit Sommereiern (10 —20) im Brutraum; wenige Weibchen in Dauereibildung, viele Männchen. 1877. 2. Januar: Massen von Jungfernweibchen in voller Fortpflan- zung. Lufttemperatur: 15°C. 20. Januar: Viele Jungfernweibchen mit mässig reichlicher Brut (bis 10 Embryonen), vereinzelte Männchen und Weibchen mit Ephip- pium. | ; 12. Februar: Massen von Individuen, lauter Weibchen und zwar wenige alte und viele junge Jungfernweibchen ; keine Männchen. 5. März: Wenige Jungfernweibchen in schwacher Fortpflanzung. 23. April: Wenige, meist junge Jungfernweibchen. 3. Mai: Nachtfröste von — 2’ R. Sehr wenige Jungfernweibchen. 8. Mai: Ganz spärliche Jungfernweibchen. 7. Juni: Massen von Jungfernweibchen, keine Männchen noch Weib- chen in Dauereibildung. | Er 44. Juni: Ebenso, doch jetzt ganz einzelne Weibchen in Ephip- pialbildunge. Be Die Beobachtungen mussien hier unterbrochen werden, da der Tümpel von der sogenannten » Wasserpest « (Elodea canadensis) derart a angefüllt wurde, dass ein Fischen mit dem Netz unmöglich war. Der Tümpel wurde ausgeleert, die Pflanzen, sowie alle Erde sorgfältig | herausgenommen und neue Erde, sowie neue Pflanzen eingesetzt. Ob- | Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 145 gleich die Gementwände, wie der Boden des künstlichen Sumpfes sorg- fältig gereinigt wurden, fanden sich im nächsten Jahr eine Menge der _ Arten, die vorher darin gewesen waren, von Neuem wieder ein, so Polyphemus oculus, Daphnella brachyura, CGeriodaphnia quadrangula und auch Daphnia pulex. 1878. 25. Mai: Massen von D. pulex in voller geschlechtlicher Fortpflanzung, Männchen sowohl als grosse Weibchen mit Ephippien in Menge; auch Massen von abgelegten, auf dem Wasser schwimmenden Ephippien. Ak. Juni: Massen von Jungfernweibchen, doch auch noch zahlreiche Weibchen mit Dauereiern. 27. Juni: Zahlreiche Jungfernweibchen, keine Weibchen mit Dauer- eiern. %. Juli: Vieie Jungfernweibchen, keine Weibchen mit Dauereiern. 2%. Juli: Ebenso, aber auch einzelne Männchen und Weibchen mit Dauereiern, fertige abgelegte Ephippien auf dem Wasser schwimmend. 31. Juli: Die Weibchen mit Brut überwiegen immer noch bedeutend, auf 100 Jungfernweibchen kommen etwa 2 mit Wintereiern. 6. August: Grosse Menge schwimmender Ephippien. 23. September: Wenige Jungfernweibchen. 23. October: Ziemlich viele Weibchen, alle in starker Vermehrung begriffen, auch viel junge Brut, keine Weibchen mit Wintereiern, keine Männchen. TümpellIll. Golonie von Daphnia pulex. ‚1876. 13. Juni: Erste Sexualperiode, zahlreiche grosse Weibchen in Dauereibildung, wenige mit Sommereiern, viele Männchen. 26. Juni: Ebenso ; unter 100 Weibchen nur 6 in Sommereibildung. | x 6. Juli: Noch ebenso. ‚40. Juli: Etwa 500 Individuen aus dem Tümpel waren am 26. Juni in eine Glaswanne gebracht worden, diese zeigen jetzt eine Ab- nahme der Geschlechtsweibchen, eine Zunahme der Jungfern- weibchen, zugleich Massen von junger Brut, 10 Männchen auf 30 Weibchen. ’ 146 “ - August Weismann, 1877. 30. Mai: Massen von Jungfernweibchen, unter denen auch E | mehrere Weibchen mit Dauereiern (Sexualperiode vermuthlich schon im Abnehmen). 4878. 1%. Juni: Viele Jungfernweibchen, keine Geschlechtsthiere, auch keine abgelegten, auf dem Wasser schwimmenden Ephippien. k. Juli: Nur Jungfernweibchen. August und September fehlen Beobachtungen 8. October: Massen von Geschlechtsthieren, Männchen und Weibchen, nur ganz vereinzelt Weibchen mit Sommereiern. 28. October: (9,6% GC. Wassertemperatur) noch zahlreiche grosse Weib- chen, die meisten ohne erkennbare Eibildung, mehrere mit Sommereiern oder Embryonen, sehr wenige mit Dauereiern; ganz vereinzelte Männchen (unter 150 gemusterten Individuen befan- den sich 3 Weibchen mit Ephippien und ein Männchen). Ich will hier einschalten, dass ich in mehreren Sümpfen in der Um- gebung Freiburg’s an demselben Tag (28. October) Daphnia pulex noch in voller geschlechtlicher Fortpflanzung fand. 1.November: Wassertemperatur 5°C., Nachts schwacher Frost. Noch immer zahlreiche Weibchen, aber alle in Par- thenogenese, manche mit 8, 10 und 12 Eiern im Brutraum; keine Männchen. 1879. k. Januar. Nachdem Ende December 1878 anhaltend starke Kälte geherrscht, findet sich jetzt keine einzige Daphnie mehr vor (trotzdem lebten in einer in der Nähe stehenden Regentonne, die “ noch am 30. December einen colossalen Eisklotz enthielt, noch etwa 30—40 grosse Weibchen von D. pulex). 3 8. März: Keine Daphnie. 17. April: Eine mässige Zahl von Jungfernweibchen. 5. Mai: Zahlreiche Jungfernweibchen. 3 k. Juni: Volle Sexualperiode; Massen von Weibchen mit Dauer- E. eiern, viele Männchen, aber auch viele Weibchen mit Brut. = 10. Juni: Ebenso; etwa 3 Mal so viel Sexualweibchen als Jungfern- 5 2 weibchen. 2 26. Juni: Sexualperiode stark im Abnehmen. Diese Beobachtungen — leider noch recht lückenhaft, aber doch immer vollständiger, als das bisher bekannt Gewordene — lassen man- cherlei Schlüsse zu. ä Vor Allem geht aus ihnen hervor, dass der Eintritt der Geschlechts- | periode nicht von den augenblicklich wirkenden äusseren Umständen in 2 ua | R en de: TEE u Al + | Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 147 der Weise abhängig ist, wie man anzunehmen geneigt war; dieselbe wird nicht dadurch bedingt, dass die zur Fortdauer der Colonie nöthigen Bedingungen zu schwinden beginnen. Weder Austrocknen noch Fäul- niss des Wassers kommen hier in Betracht und was die Temperatur an- langt, so ist leicht zu sehen, dass die Sexualperioden — wenn wir die Zeit vorwiegend geschlechtlicher Fortpflanzung so nennen wollen — weder mit dem Maximum, noch dem Minimum der Wassertemperatur zusammenfallen, ja dass sie in dem Tümpel I oft zu andrer Zeit auftra- ten als im Tümpel II, in Tümpel II wieder zu andrer Zeit als in kleinen Siimpfen der Nachbarschaft. Die erste Sexualperiode fällt in Tim Jahre 1876 von Mitte Mai bis Mitte Juni, in Il von gegen Mitte Juni bis Mitte Juli oder länger; im Jahre 1878 fällt dieselbe in Tümpel I wieder von Mitte Mai bis Mitte Juni, während um dieselbe Zeit in Tümpel II keine geschlechtliche Fortpflan- zung vorkam. Die beiden Tümpel liegen nun fast gleich ; beide werden von der Sonne wenig getroffen, sind gegen Süden durch Gebüsch ge- deckt und haben — wie Versuche zeigten — zu gleicher Zeit gleiche Tem- peratur. Wenn dennoch in Tümpel I den ganzen October 1878 hindurch nur Jungfernzeugung stattfand, während in Tümpel II umgekehrt den ganzen Monat hindurch fast alle Weibchen in Dauereibildung eintraten, so kann die Temperatur des Wassers nicht die Ursache dieser Verschie- denheit sein. Worin aber liegt die Ursache? Stimmen die beobachteten That- sachen mit den aus den früher angeführten Versuchen abgeleiteten An- schauungen? Lässt sich die Ansicht festhalten, dass be- stimmte Generationen, oder besser bestimmte Bruten mit der geschlechtlichen Fortpflanzung betraut sind? Ich glaube, dass in der That weder in den eben angeführten, noch in weiter anzuführenden Beobachtungen ein Grund liegt, den Resultaten der Versuche zu misstrauen. _ Allerdings sollte man erwarten, es müssten hiernach ganz regel- ' mässig zwei Sexualperioden im Jahre auftreten; davon müsste die eine etwa 2 Monate nach dem Verlassen der Wintereier im Frühling auftre- ten. In den Versuchen waren die Wintereier Ende December und An- fang Januar bei Zimmertemperatur ins Wasser gebracht worden und _ die Nachkommen der aus ihnen entstehenden Thiere traten erst Ende "März, im April und Mai in geschlechtliche Fortpflanzung ein. Nimmt ' man nun an, dass im Freien das Ausschlüpfen aus den Wintereiern Ende Februar stattfinde, so würde bei gleicher Schnelligkeit der Ver- " mehrung die ersie So nalperigde Anfang Mai eintreten müssen; nach n Beobachtungen -der Tümpel I und II dauert sie etwa einen Monan, es 10* 148 August Weismann, würden also während des ganzen Mai Wintereier gebildet werden. Aus diesen würde dann — insoweit sie nicht aufs Trockne gerathen sind — nach abermals etwa I—2 Monaten!) die erste Generation eines zweiten Cyclus ausschlüpfen und bei diesem wäre dann die Sexualperiode gegen den Herbst, Ende August bis October zu erwarten. Das stimmt nun so ziemlich mit der Beobachtung, insofern wirklich eine Sexualperiode in dem Vorsommer constatirt wurde; in Tümpel I fiel dieselbe zwei Mal in den Mai, im Jahr 1877 nur schien sie erst ' Anfang Juni zu beginnen. In Tümpel II fiel sie 1876 um einen vollen Monat später, in den Juni, 1877 (unvollständige Beobachtung) kam geschlechtliche Fortpflanzung Ende Mai vor, im Jahr 1878 aber blieb dieselbe in den Monaten Juni und Juli ganz aus und schien auch im Mai nicht eingetreten zu sein, während sie im Jahr 1879 mit seinem unge- wöhnlich langen Winter und kühlen Frühjahr wieder in den Juni fiel. Ein Schwanken dieser ersten Sexualperiode zwischen Mai, Juni und Juli, denn auch im Juli habe ich sie an einem andern Tümpel beobach- tet, lässt sich unschwer durch die Annahme erklären, dass die über- winterten Dauereier in verschiedenen Jahren und an verschiedenen Localitäten früher oder später ausschlüpfen. Vermuthlich hängt dieses Ausschlüpfen von dem Constantwerden eines gewissen Temperatur- Minimums ab, unter welchem die Entwickelung eben nicht stattfindet. Gerade im ersten Frühjahr hängt aber die Temperatur eines Tümpels erheblich von seiner Lage ab, ob der Sonne ausgesetzt oder nicht, und ebenso kommen bedeutende jährliche Witterungsschwankungen in Be- tracht. In hiesiger Gegend tritt die erste Reihe warmer Tage zuweilen schon im Januar ein, häufiger im Februar, zuweilen aber auch erst im April (Letzteres z. B. 1879). Schwierig zu erklären wäre ein gänzlicher Ausfall dieser ersten Periode, wie er in Tümpel II im Jahre 1878 stattzufinden schien. Die Beobachtung ist übrigens nicht beweisend, die Sexualperiode kann sehr wohl im April oder Mai abgelaufen sein, wenn vielleicht auch schwächer als sonst, ohne dass mir ihre Spuren (die schwimmenden Ephippien) - am 14. Juni noch zu Gesicht kamen. Im Frühjahr 1879 traf ich eine Pulex-Colonie schon Ende März in geschlechtlicher Fortpflanzung. Die zweite Sexualperiode findet sich in meinen Beobach- tungen nur lückenhaft angegeben, da ich in der betreffenden Zeit steis von Freiburg abwesend war. Doch ist sie ja seit lange bekannt und für die einzige regelmässig eintretende gehalten worden; man weiss, dass sie »gegen den Herbst hin « zu fallen pflegt, also wohl meist in de 4) Siehe den Abschnitt über Entwicklung der Dauereier. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 149 Monate August bis October. Ich habe sie hier in Freiburg auch noch Ende October und Anfang November beobachtet (1878). Dass auch hier Schwankungen vorkommen, erklärt sich schon genügend aus den Schwankungen der ersten Sexualperiode, zu welchen natürlich Schwan- kungen in der Entwicklungsschnelligkeit des zweiten Generationscyclus hinzukommen können. In Tümpel I trat dieselbe 1878 schon Ende Juli ein und bereits am 6. August schwammen wieder eine Menge von neuen Dauereiern auf dem Wasser. Da indessen in diesem Jahre schon am 25. Mai die erste Sexualperiode Unmassen von Wintereiern hervorge- bracht, wahrscheinlich also schon Anfang Mai begonnen hatte, so stimmt dies ganz gut zusammen. Dass unier Umständen noch ein dritter Generationscyclus beginnen und es bis zu einer dritten Geschlechtsperiode bringen könnte, ist sehr wahrscheinlich, wenn auch bisher noch nicht beobachtet. Noch mehrere Erscheinungen aber verlangen eine Erklärung. So muss es auffallen, dass die Sexualperiode des zweiten Cyelus sich zuweilen ungemein lang hinauszieht, freilich aber auch lange nicht so intensiv auftritt als sonst. So 1876 in Tümpel I. Damals fiel die volle 2. Sexualperiode wahrscheinlich in den September (nicht beobachtet), denn am 15. October trugen zwar die meisten Weib- chen Sommereier, aber es waren noch viele Männchen vorhanden und auch noch einzelne Weibchen mit Dauereiern. Der Anfang des Winters war ungemein mild und durch den ganzen November und December, ja bis zum 20. Januar vermehrten sich die Thiere durch Parthenogenese lebhaft und während dieser ganzen Zeit fanden sich da- neben stets auch einzelne Geschlechtsthiere! Man würde Letzteres durch die Annahme erklären können, dass einzelne der Dauereier (vom Herbst) sich durch die andauernde und abnorme Wärme des Wassers noch in demselben Herbst entwickelt hät- ten und dass deren Nachkommen vierter und fünfter Generation die ver- einzelten Geschlechtsthiere geliefert hätten. | Ein Ueberwintern einzelner Daphnoiden ist bei uns gar nichts ‘Seltenes. Wiederholt fand ich im ersten Frühjahr, unmittelbar nach oder sogar noch während dem Aufthauen des Eises einzelne grosse Weibchen von Daphnia pulex, Simocephalus vetulus und andern. Am 22. März 1875 fand ich nach einer Nachtkälte von — 10°C. in einem eiwa 5 tiefen Tümpel zahlreiche Weibchen von D. pulex von enormer | j ‚Grösse, alle mit Sommereiern, offenbar überwinterte oder doch im Win- _ ter selbst geborene Thiere. | _ Wenn man erwägt, dass alle Geschlechtsweibchen später wieder zur Parthenogenese schreiten, dass die Zweigeschlechtlichkeit der Colo- De 150 August Weismann, nie sich regelmässig wieder verliert und Eingeschlechtlichkeit eintritt, so drängt sich die Frage auf: Wozu dies, wenn nichtspäterim Verlauf dieser Jungferngenerationen noch einmal ge- schlechtlicheFortpflanzungundDauereibildungeintritt? Geschieht dies nicht, so sind alle diese Jungferngenera- tionen für die Art verloren, dennsiesterben aus. Es deutet also diese einfache Reflexion darauf hin, dass im Verlauf der Jungferngenerationen ein und derselben Colonieperiode unter Um- ständen noch eine zweite Sexualperiode eintreten kann und in der That sprechen die beiden einzigen Versuche, welche in dieser Richtung angestellt wurden, für diese Annahme. Ich theile sie hier in Kürze mit. Versuch 18. Daphnia pulex. Von einer am 30. October 1878 in voller Sexualperiode getroffenen Pulexcolonie wurden mehrere Hundert Individuen in einem Aquarium weitergezüchtet. Schon am 7. November waren alle Weibchen zur Par- thenogenese übergegangen und pflanzten sich zuerst noch lebhaft, später langsamer fort. 10. December. Von ihren Nachkommen wurden etwa 100 Weibchen zur Weiterzucht ausgewählt; Männchen waren keine mehr vor- handen. Bei spärlichem Futter starben die meisten allmälig aus und am 27. Januar 1879: fanden sich nur noch 3 trächtige Weibchen , weiche sich bei reichlicherem Futter bald vermehrten ; am 18. März: wurden 10 ältere und trächtige Weibchen in ein anderes, grosses Aquarium gebracht, welches nur Pflanzen und reichliches Futter (gekochtes) enthielt. Schon am 2. April: hatte sich die kleine Golonie bedeutend vermehrt und am ° 6. April: fand sich unter den etwa 200 Individuen der Colonie Aschö- nes, grosses völlig geschlechtsreifes Männchen und 6—8 Weib- chen mit Ephippien. 27. April: Etwa ein Dutzend Weibchen mit Ephippien ; 6 untersuchte | zeigten im Ephippium je 2 kuglige Eier, ein Beweis, dass sie be- fruchtet waren. = Versuch 19. Daphnia pulex. Im Winter 1878 auf 1879 war eine kleine Colonie von Pulex im Auge behalten worden, welche sich in einer Regentonne angesiedelt ‚hatte. Trotz bedeutender Kälte (— 10°C.) und trotz dem Gefrieren eines. | 7% Er Arad | | | Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 151 grossen Theils des Wassers hatten sich einzelne Jungfernweibchen den ganzen Winter über gehalten und waren allmälig zu ungewöhnlicher Grösse herangewachsen. Von diesen wurden 40 Individuen am 11. März in einem Aquarium isolirt und vermehrten sich bis zum 6. April auf mehrere Hundert. Unter diesen befanden sich etwa IDutzend Weibchen mit Ephippien. Am 20. April konnte keines mehr mit Ephippium entdeckt werden, am 27. aber und am 30. April wieder etwa 12. | Aus beiden Versuchen geht nicht nur hervor, dass eine zweite Ge- schlechtsperiode — wenn auch nur eine schwache — eintreten kann, sondern es kann auch daraus, dass dieselbe bei zwei verschiednen Colo- nien gleichzeitig eintrat, geschlossen werden, dass die Neigung zur Her- vorbringung von Geschlechtsthieren auch hier wieder an bestimmte Ge- nerationen oder Bruten gebunden sein möchte. Die theoretische Erklärung oder Verwerthung dieser Thatsachen soll später versucht werden. Hier will ich nur noch darauf hinweisen, dass im Monat April desselben Jahres keine meiner im Freien angelegten Pulextümpel Dauereier hervorbrachten; in beiden war die Colonie im Winter ausgestorben gewesen und in Tümpel II trat die Geschlechts- - periode erst im Juni ein. ‘Uebrigens sind meine Untersuchungen gerade über diesen Punkt bei Weitem nicht ausreichend und meine Nachfolger in der Erforschung der Daphnoidenfortpflanzung werden gerade hier einzusetzen haben. Sollte es sich dabei herausstellen, dass bei langer Dauer einer Golo- nieperiode regelmässig in bestimmten späten Generationen abermals Ge- schlechtsthiere auftreten, so würden die Schwankungen im Auftreten der ersten Sexualperiode des Jahres sich noch leichter erklären. Wenn z. B. in dem kühlen Frühjahr 1879 dennoch eine Colonie schon Ende März in Sexualperiode sich befand, so könnte dies als zweite Geschlechts- periode einer überwinterten Partie der vorjährigen Colonie seine Er- klärung finden. k.Daphnia longispina ©. F. Müller. Sehr ähnlich wie bei Daphnia pulex verhält sich die Fortpflan- zung der nahe verwandten und ähnlich lebenden Daphnia longi- spina. Es wurden zwar keine Versuche mit derselben angestellt, wohl = aber einige CGolonien derselben im Freien mehrere Jahre hindurch im : Auge behalten. Ich fasse die einzelnen Beobachtungen kurz dahin zu- sammen, dass ich wiederholt 2 Sexualperioden im Jahr beobachtet habe nd zwar sowohl in demselben künstlichen Tümpel Nr. I in Freiburg, in 152 August Weismann, welchem auch D. pulex lebte, als auch in mehreren Sümpfen und Wei- hern in der Umgebung von Lindau. | So beobachtete ich gegen Ende October und bis zum 12. November 4875 eine zweite Sexualperiode im sog. »Büchelweiher« bei Lindau; dann wiederum die erste des folgenden Jahres am 9. Juni 1876 und den Beginn der 2. am 11.October 1876. Die erste Geschlechtsperiode beobachtete ich ausserdem noch in Altwassern des Rheins bei Breisach am 20. Juni 1879. 5. Ceriodaphnia quadrangula O. F. Müller. Auch diese Art ist bekanntlich nicht blos Bewohnerin eigentlicher Sümpfe, sondern kommt auch in flachen, sumpfartigen Lachen vor. Sie E verhält sich ganz wie Daphnia pulex und longispina, d. h. sie hat in ; Sümpfen, welche nicht austrocknen, regelmässig zwei Sexualperioden, von denen die eine in den Vorsommer oder Sommer fällt, die andere in den Herbst, wie man aus folgenden Daten entnehmen kann: Im Büchelweiher bei Lindau fanden sich er) & Y IE Et es “ x ol Butt Se pe ln ab En a yes X, 3 Bieie let ddl Rn Aue er u .% ng an, , . 9. Juni 1876: zahlreiche Männchen, sowie Weibchen mit Dauereiern, daneben auch Weibchen in Jungfernzeugung, 11. August: schien die Art zu fehlen, doch fanden sich am 45. August: 3 Weibchen mit Baer 18. September: Eine grössere Zahl von Innen 12. November: Massen von Männchen und Geschlechtsweibchen. EN Eike > FEED ET UN REIHE De A Ir Er Zi FE Die erste Sexualperiode wurde ferner in Sümpfen der Rheinebene bei Freiburg beobachtet (an der nächstverwandten Ceriodaphnia reticulata Jurine) und zwar war sie am 10. Mai 1879 eben erst im Beginn, die Mehrzahl der Thiere waren Jungfernweibchen, aber bereits zahlreiche Männchen daneben, einzelne Weibchen mit Ephippien, ja selbst einzelne abgelegte Ephippien. Im Laufe des Mai nahm die Zahl der Geschlechtsweibchen bedeutend zu. Die erste Sexualperiode wurde auch in dem künstlichen Tüm- pel Nr. I beobachtet und zwar fanden sich 28. Juni 1876: Zahlreiche Jungfernweibchen. 1. Juli: Zahlreiche Jungfernweibchen, aber auch einzelne Werbe mit Ephippien. 31. Juli: Fast alle Weibchen in Dauereibildung, nur ganz ein- | zelne mit Brut. August und September fehlen Beohachtungen. # 1%. November: Männchen und Geschlechtsweibchen, in geringer Zahl. E: Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 153 | Die zweite Sexualperiode scheint bei dieser Art meist sehr spät aufzutreten. So fand ich in dem kleinen Deegersee bei Lindau am - 3. October 1875: Massen von Jungfernweibchen und nur einzelne Thiere mit Dauereiern. 2. November: Massen von Weibchen, alle mit Wintereibildung. 7. September 1877: Mässige Zahl von Jungfernweibchen. 21. October: Volle Sexualperiode; Massen von Geschlechtsweib- chen und Männchen. Ak, November: In der Nähe des Ufers war die Oberfläche des Sees von kleinen und grösseren schwimmenden Inseln bedeckt, die aus nichts Anderem, als aus den Wintereiern von C. quadrangula be- standen; daneben auch noch lebende Thiere beiderlei Geschlechts. 6. Scapholeberis mucronata 0. F. Müller. Die Wohnorte dieser Art sind ebenfalls wechselnd, theils kleine "Wasserlöcher von einigen Fuss Tiefe, theils eigentliche Sümpfe: in ver- einzelten Exemplaren traf ich sie auch im Bodensee. Auch sie scheint in der Regel zwei Generationscyclen zu durchlaufen ; beide Sexualperioden beobachtete ich: | A) in einer Hanfretze bei ee am 21. Juni 1875 und am 29. October 1878, | 2) im Eitchelweiher bei Lindau am 9. Juni 1875 und am 11. August 1876. Ausserdem constatirte ich die erste Sexualperiode am 4. Juli 4878 in Tümpel I in Freiburg, die zweite in einem Grabentümpel in Lin- dau am 42. September 1874, im Deegersee bei Lindau am 2. Novem- ber 1875. 7.Simocephalus vetulus ©. F. Müller. Diese Art, wie auch die nächstverwandte S. serrulatus Koch schlies- sen sich in Bezug auf den Wohnort am nächsten an Daphnia longispina an. Beide lieben Sümpfe mit klarem Wasser und reichem Pflanzenwuchs; ‚weder in ganz kleinen und schmutzigen Tümpeln, noch in offnen Seeen scheinen sie zu gedeihen. ' Dem entsprechend findet sich auch hier eine zweimalige Sexual- Beide, Die zweite ist längst bekannt und fällt in die Herbstmonate, die erste habe ich erst kürzlich constatiren können und zwar in einem klei- nen Sumpf der Rheinebene bei Freiburg, sowie in Altwassern des Rheins ei Breisach. Am 6. Mai 1879 bestand die erstere der beiden Colonien is Massen von Jungfernweibchen und Geschlechtsthieren , Weibchen IC Männchen, die letzteren aber meist noch unreif. Mit dem Heran- 154 August Weismann, wachsen der Männchen nahm auch die Zahl der Geschlechtsweibchen zu (im Laufe des Mai). Die Breisacher Golonie von Simocephalus trat _ auch im Mai in Geschlechtsperiode, aber eiwa 14 Tage später, als die der Rheinebene, was wohl in der grösseren Tiefe des Wassers, in der starken Beschattung durch Bäume seinen Grund haben mag, vielleicht 3 auch in dem unterirdischen Zusammenhang des betreffenden Altwassers (altes Flussbett) mit dem im Mai noch sehr kühlen Rhein. Bei dieser Art vermag ich wieder genauer die Generationszahl anzugeben, bei welcher zuerst Geschlechtsthiere auftreten. Herr Dr. J. van Rezs!), der im hiesigen zoologischen Institut Versuche über Eibil- dung der Daphnoiden anstellte, fand dabei als Nebenresultat, dass schon in derzweiten Generation von Simocephalus vetu- luszahlreiche Männchen auftreten sowieeinzelne Weib- chen, welche Dauereierhervorbringen. 8. Polyphemus pediculus de Geer. Diese Art steht wie so manche andere auf der Grenze zwischen Sumpf- und Seebewohnern, sie bedarf klares Wasser und mit Schilf oder Binsen bewachsene Ufer. Sie fehlt im Bodensee, wenigstens an dem E Ufer auf- und abwärts von Lindau 2), kommt aber in kleineren Seeen mit besser geschütztem Ufer in Menge vor, wie z. B. im Alpsee nach Leydig und in dem kleinen Deegersee bei Lindau; sie gedeiht aber auch vor- trefflich in ganz kleinen Wasserbehältern. Ich habe sie im Herbst 1875 zwei Sexualperioden im Jahre und verschwindet dazwischen häufig voll- ständig; die erste tritt im Juni ein, die zweite Ende October und An- fang November. Ich lasse hier die Beobachtungen folgen, die sich auf vier verschiedene Oertlichkeiten beziehen, zwar für keine derselben voll- ständig sind, aber doch so häufig und sorgfältig angestellt wurden , dass besonders über den Punkt des gänzlichen Fehlens der Art zu gewisser Zeit an genau denselben Stellen, an welchen sie vorher sehr häufig ge- wesen war, kein Zweifel bleiben kann. Ob dies Verschwinden auf innern Gründen (Erlöschen der Fähigkeit zur Parthenogenese), oder auf äussern (Vertilgung durch überhandnehmende Feinde oder andere Schädlichkeiten) hervorgerufen wird, soll später besprochen werden. »1 3 1) Siehe den Nachtrag. = 2) In dem von Stürmen verschonten Untersee wird sie wahrscheinlich vorss 2 kommen. von Lindau aus in meinen Freiburger Tümpel Nr. I verpflanzt und sie hat s sich dort bis jetzt gehalten. Polyphemus hat in Süddeutschland — wie es scheint — meistens i an =, — Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 155 Beobachtungen von Polyphemuscolonien. I. DeegerseebeiLindau. 1875. 2. November: Sehr zahlreiche Colonie in voller geschlechtlicher Fortpflanzung, Massen von Männchen und Weibchen mit Dauer- eiern, aber auch noch einzelne mit Brut. 7. November: Ebenso. 1876. 6. Juni: Zahlreiche Jungfernweibchen mit Brut, keine Ge- schlechisthiere. 1877. 23. Mai: Noch kein Polyphemus. Juni — August fehlen Beobachtungen. 7. September: Kein Polyphemus. 11. October: Kein Polyphemus. 21. October: Wenige Jungfernweibchen und Geschlechtsweibchen mit Wintereiern; Männchen müssen vorhanden gewesen sein, da die Eier befruchtet waren, sie wurden aber nicht aufgefunden. 4. November: Trotz anhaltenden Fischens konnte nur | Polyphemus- weibchen aufgefunden werden; die Colonie war also jedenfalls sehr wenig zahlreich. 2. Büchelweiher beiLindau. ‘1876. 9. Juni: Sehr zahlreiche Colonie in voller geschlechtlicher Fort- = pflanzung, etwa doppelt so viel Weibchen in Dauereibildung, als mit Brut. | 2. Juli: Wenige Individuen, alles kleine (d. h. junge) Weibchen, _ einige davon mit Sommereiern, die meisten ohne solche. 11. August: Kein einziges Individuum aufgetrieben. 15. August: Ebenso. 48. September: Ebenso. 27. September: Ebenso. 2». October: Einige Jungfernweibchen. _ November fehlen Beobachtungen. 1877 .21. Mai: Colonie sehr zahlreich; Massen von Jungfernweibchen, _ keine Männchen, noch Geschlechtsweibchen frei schwimmend an- geiroffen, wohlaber einigereifeEmbryonenalsMänn- chenerkannt! Also die Sexualperiode nahe bevorstehend. uni fehlen Beobachtungen. | 4. August: Troiz sorgfältigem Suchen konnte kein Polyphemus gefun- den werden; die Colonie war vollständig ausgestorben. 156 | August Weismann, \ E | 4. October: Kein Polyphemus. 21. October: Ebenso. November fehlen Beobachtungen. 1878. 15. August: Kein Polyphemus. 22. August: Ebenso. 16. September: Ebenso. 3. October: Einige Jungfernweibchen. November fehlen Beobachtungen. 3. Freiburger TümpelNr.l. 1876. 12. Juni: Die aus Lindau hierher verpflanzte Golonie befindet sich in voller geschlechtlicher Fortpflanzung, jedoch auch einige wenige 3 Jungfernweibchen. a 28. Juni: Massen von Jungfernweibchen, nur einzelne Geschlechts- . weibchen. r 17. Juli: Ebenso. 31. Juli: Ebenso. 2. August: Nur Jungfernweibchen in Menge. September fehlen Beobachtungen. 15. October: Zahlreiche Jungfernweibchen, aber auch einzelne Männ- chen und Geschlechtsweibchen. 17. October: Etwa gleichviel Jungfern- und Geschlechtsweibchen. 26. October: Einige Weibchen mit Dauereiern constatirt. 7. November: Ebenso. 9 14. November: Die Colonie ist ausgestorben, nachdem am 10. und 11, November starke Kälte (— 10°C.) eingetreten und der Tümpel mit einer 2’ dicken Eiskruste bedeckt worden war. 2 | j 1877. In diesem Jahre wurde trotz häufiger Nachforschung kein | Polyphemus in Tümpel I gefunden. Offenbar fehlte es zum Gedeihen der Art an diesem künstlichen Standort an hinreichend ofinem Wasser, da — wie oben erwähnt — im Sommer dieses Jahres die Elodea canaden- sis das ganze Bassin überwuchert und ausgefüllt hatte. Der Tümpel’ wurde deshalb abgelassen und vollständig von Pflanzen und Erde aus- geräumt und gereinigt. Trotzdem nun die Gegend unmittelbar um Frei- burg den Polyphemus nicht beherbergt, überhaupt jede Möglichkeit einer unbemerkten Einschleppung desselben ausgeschlossen ist, stellte der- selbe sich doch im folgenden Jahre in dem Tümpel wieder ein, wohl ei n schlagender Beweis für die ungemeine Zähigkeit, mit Velden eine Daphneidenart durch ihre Dauereier das einmal eroberte Terrain &| hauptet. Es müssen in diesem Falle einzelne Dauereier von 1876 her Beiträge zur Naturgeschiehte der Daphnoiden. 157 den Wänden des Tümpels haften geblieben sein. Es fanden sich im Jahre 1878: 25. Mai: Massen von Jungfernweibchen. 5. Juni: Ebenso. 11. Juni: Ebenso. 27. Juni: Ebenso. &. Juli: Ebenso. 24. Juli: Neben den immer noch sehr zahlreichen Jungfernweibchen finden sich auch Männchen und einige Weibchen in Dauereibil- dung, also Beginn der Sexualperiode. e 31. Juli: Sehr zahlreich, aber immer noch überwiegen die Jungfern- weibchen sehr bedeutend. ‚August fehlen Beobachtungen. 23. September: Kein Polyphemus gefunden. 7. Oetober: Kein Polyphemus gefunden. 3. November: Ebenso, dagegen war eine ungeheure Anzahl von Diaptomus gracilis vorhanden, auch ziemlich zahlreich Daphnella brachyura. ‘21. December: Zehn Polyphemusweibchen mit Brut. A. AitwasserdesRheinsbeiBreisach. Diese Colonie fand ich erst im Frühjahr 1879 auf, nachdem ich bis dahin geglaubt hatte, dass Polyphemus auch in der weiteren Umgebung ‚von Freiburg gänzlich fehle. Sie bewohnte eines der vielen sogenannten »Altwasser «, welche im ehemaligen Rheinbeti an vielen Stellen noch vor- kommen, zum Theil bis zu 15’ und mehr Tiefe haben und mit vollkommen klarem grünblauem Wasser (durch Kies und Sand filtrirtem Rhein wasser) gefüllt sind. Am 27. Mai lebte eine sehr grosse Zahl von Jungfernweib- dl en in einem dieser Sümpfe, Männchen und Geschlechtsweibchen fehl- ten dagegen vollständig. Am 49. Juni enthielt dieselbe Colonie neben zahlreichen Jungfernweibchen eine grosse Anzahl Geschlechtsweibchen und zwar ganz junge mit nur { Dauerei im Brutsack, und grössere mit deren zweien, keine dagegen mit 3 oder mehr Eiern. Männchen waren zahlreich E enanden: reif, aber noch klein. Die letzteren Thatsachen lassen den nicht uninteressanten Schluss dass bei Polyphemus eine vollständige Trennung der sfern- und Geschlechtsweibchen vorliegt. Dass winzige tiere, die ohne allen Zweifel zum ersten Mal trächtig sind, schon 4 Win- bervorbringen, beweist, dass der geschlechtlichen Fortpflanzung ‚wa parthenogenetische vorhergeht. Hält man nun damit meine 158 | August Weismann, ; er frühere Angabe!) zusammen, nach welcher die grossen Geschlechtsweib- chen meistens vier Dauereier zugleich im Brutraum tragen, einige aber auch sechs und sieben, so folgt weiter, dass die Geschlechtsweibcehen auch in höherem Alter nicht zur parithenogenetischen Fortpflanzung übergehen. = Die Breisacher Golonie wurde Ende Mai in einen kleinen Sumpf hei Freiburg übergesiedelt und gedieh dort ganz gut. Am 15. Juli bestand sie nur aus Jungfernweibchen, die Geschlechisthiere waren vollständig verschwunden. Aus diesen Daten geht hervor, dass gegen Ende Mai die im Winter ausgestorbenen Colonien sich neu gebildet haben, aber nur aus Jung- 3 fernweibchen bestehen. Die Erfahrungen über den Beginn des zweiten Cyclus lassen annehmen, dass das Verlassen der Wintereier etwa auf Mitte oder Ende April fallen wird. Ende Mai und Anfang Juni beginnt dann die Geschlechtsperiode, es können somit nicht viele rein partheno- genetische Generationen vorhergegangen sein, wohl höchstens deren drei. Die Geschlechtsperiode dauert sodann einen vollen Monat und im folgen- den Monat (Juli) stirbt entweder die ganze Colonie aus oder sie kehrt zur Parthenogenese zurück : Letzteres wurde in Tümpel Nr. I sowie in der Breisacher Colonie constatirt, während das räthselhafte Verschwin- den der ganzen Colonie an verschiedenen natürlichen Standorten der Art in verschiedenen Jahren beobachtet wurde. Um diese Thatsache ganz sicher zu stellen, habe ich auch die negativen Beobachtungen mehrerer Jahre oben aufgeführt. Im Deegersee, wie im Büchelweiher bei Lindau fehlte die Art in drei aufeinander folgenden Jahren vollstän- dig in den Monaten August und September, während sie in jedem dieser Jahre vorher oder nachher constatirt wurde. | An diesen Orten beginnt aber meist ein zweiter Gyclus Ende September oder Anfang October. Auch hier folgen sich wieder einige wenige (2 oder 3) rein parthenogenetische Generationen und dann tritt (Ende October) die Geschlechtsperiode ein und hält an, bis der erste Frost die Colonie vernichtet. ; 9. Daphnella brachyura Lievin. Diese schöne, glashelle Sidine lebt nur in klarem Wasser und zwar sowohl in Sümpfen, als in Seeen. Sie kommt in grossen Schaaren in den Sümpfen der Bodenseegegend vor, lebt aber auch in erstaunlichen Massen im Bodensee selbst. Auch in ganz kleinen Wassermengen kann 4) Siehe: Diese »Beiträge«. Abhandlung I. Diese Zeitschr. Bd. XXVII. p. 130. > Beiträge zur Naturgeschiehte der Daphnoiden. 159 sie gedeihen, wenn sie nur einige Fuss Tiefe und klares, pflanzenfreies Wasser zur Verfügung hat; in dem Freiburger Tümpel Nr. I gelang es leicht, sie heimisch zu machen. _ Ich war lange Zeit der Meinung, dass diese Art im See monocyeclisch, in den Sümpfen aber regelmässig polyeyclisch auftrete und zwar des- halb, weil ich sie in den Sümpfen schon mitten im Sommer in geschlecht- licher Fortpflanzung antraf, im See aber erst im Herbst. Die Sache ver- hält sich aber doch etwas anders, insofern eine zweite Sexualperiode in den Sümpfen nicht immer eintritt, sondern die Golonie schon im Sommer aussterben kann, ohne im Herbst noch einmal aufzuleben. Daphnella steht sonach mit Polyphemus an der Grenze zwischen rein polycyclischen und rein monocyclischen Arten. Ich gebe zuerst die Beobachtungen und lasse dann die Zusammen- fassung derselben folgen. Beobachtete Colonien von Daphnella brachyura. A. Im Bodensee: 487%. 29. September: Zahllose Thiere beiderlei Geschlechts, die Weibchen theils mit Brut, theils mit Wintereiern. 1875. 31. August: Zahlreiche Jungfernweibchen mit Brut. 4%. September: neben zahlreichen Jungfernweibchen, auch viele Männchen. 25. September: Massen von Männchen und Weihchen, Letztere zum grössten Theil in Wintereibildung. 1876. %. Juni: Keine Daphnella. | 30. Juni: Keine. 7. August: Keine. 2. August: Einige Jungfernweibchen mit Sommereiern. 83. September: Viele Weibchen mit Brut. 26. September: Massen von Individuen beiderlei Geschlechts, die Weibchen fast alle in Wintereibildung. | 30. September: Einige Weibchen mit Brut neben solchen mit Win- tereiern. 1. October: Beide Geschlechter; die meisten Weibchen in Wintereibildung, etwa halb so viele mit Brut oder Sommer- eiern im Ovarium. 78. 14%. October: Zahlreiche Thiere beiderlei Geschlechts. 160 August Weismann, | u nn: 4 B. Im Büchelweiher bei Lindau: 1876. 9. Juni: Keine Daphnella gefunden, was indessen nicht beweist, dass nicht doch einzelne vorhanden waren, da mir ihr Vorkommen an diesem Standort damals noch unbekannt war. 2 A. Juli: Massen von Männchen und Weibchen, von Letzteren die mei- E u sten noch mit Brut, die geringere Zahl mit Wintereiern. c‘ 11. August: Keine Daphnella gefunden, trotz genauem Durchsuchen. L: 4 15. August: Ebenso. 5 18. September: Ebenso. 27. September: Ebenso. 13. October: Ebenso. November fehlen Beobachtungen. G. In Tümpel No. I (Freiburg): Die Art wurde im Anfang Juli 1876 in einigen Hundert Individuen 4 ; aus dem Büchelweiher bei Lindau nach Freiburg übergesiedelt, damals in voller Sexualperiode. ‚1876. 31. Juli: Ziemlich viele Individuen. } 24. October: Ziemlich viele Männchen und Weibchen, die meisten # mit Brut, viele aber auch mit Wintereiern. F 24. November: Leichte Eisdecke! Darunter keine Daphnellen mehr. 1877. 11. Juni: Einzelne Jungfernweibchen. | .28. Juli: Nur Jungfernweibchen. Unterbrechung der Beobachtungen ä durch Ausfüllung des Sumpfes mit Elodea canadensis und Sin liches Trockenlegen und Ausräumen desselben. 1878. 25. Mai: Keine Daphnella gefunden. 40. Juli: Ebenso. 25. Juli: Einzelne Jungfernweibchen mit Brut. 34. Juli: Ebenso. August und September fehlen Beobachtungen. % 4. November: Ziemlich viele Männchen und Weibchen ,. Letztere theils mit Brut, theils mit Wintereiern. S: 11. November: Nach einigen gelinden Nachtfrösten mit dünner Eis- | decke sind die Daphnellen vollständig verschwunden, während andere Kruster, so Diaptomus gracilis noch in grosser Menee vor- handen sind. e Nach diesen Daten wird man sich folgendes Lebensbild dieser Art, entwerfen können: 2 Beiträge zur Naturgesehichte der Daphnoiden. 161 Im Bodensee tritt Daphnella stets nur monocyclisch auf. Sie er- scheint hier sehr spät, da sie noch am 4. Juni 1876 trotz aufmerksamen Suchens nicht zu finden war. Auch im Juli und bis Ende August tritt ‚sie nur vereinzelt auf und nur in Jungfernweibchen; erst im September ‚wächst ihre Zahl und gegen Ende September ist der See ganz erfüllt von "ihnen. Dann beginnt zugleich die Sexualperiode, Männchen treten auf "und Ende September besteht die überwiegende Mehrzahl der Weibchen “aus Geschlechtsweibchen. Noch Mitte October trifft man sie in Menge “und zwar beide Geschlechter. In den Sümpfen tritt die Art bald in zwei, bald nur in einem Generationsceyclus auf, im Ganzen sehr capriciös. Zwei Sexualperioden wurden nur in einem Fall constatirt, nämlich bei der 1876 aus Lindau nach Freiburg übergesiedelten Colonie. Diese befand sich am 4 Juli im Lindauer Büchelweiher in voller Sexualperiode und trat nach der Uebersiedelung Ende October desselben Jahres in eine zweite, schwächere Sexualperiode ein. Es bleibt zweifelhaft, ob auch in Lindau eine solche zweite noch nachfolgte, da die Beobachtungen nur bis zum 13. October reichen ; doch ist es nicht wahrscheinlich, weil um ‚diese Zeit die Art noch ganz fehlte. Sehr auffallend ist das spurlose Verschwinden einer Colonie mitten im Sommer und ohne erkennbare äussere Ursache, wie dies eben in nem Sommer im Büchelweiher beobachtet wurde. Ich werde später E.. zurückkommen. 3 Im Allgemeinen beruht der Unterschied in der Fortpflanzungsweise en Daphnella an beiderlei Localitäten darauf, dass in den Sümpfen der Cyelus früher im Jahre beginnt. Wenn die Vermuthung gestattet ist, dass die Dauereier von Daph- nella einer etwas höheren Wassertemperatur bedürfen zur Entwicklung des Embryo, als die Eier der meisten andern Daphnoiden, so lässt sich sowohl dieser Unterschied, als auch die Thatsache verstehen, dass im See immer nur ein Cycelus, in den Sümpfen aber eelesendhich deren & a iı vorkommen. = Die Dauereier von Daphnella sind nicht in Ephippien eingeschlossen, sondern frei; sie sinken stets zu Boden und kleben mit einem sehr dün- Schleimüberzug an Steinen etc. fest. Wenn sie nun erst bei einer mmten, etwas höheren Temperatur (vielleicht 10—12°G.?) zum chlüpfen gelangen, so werden sie in dem tieferen Bodensee viel "im Frühjahr zum Leben erwachen, als in einem flachen, von der rasch durchwärmten Sumpf. Der Genfersee besitzt an der Ober- m April eine Temperatur von durchschnittlich 8,70 C., erst An- ri ft f. ur Zoologie. XXXTI. Bd. 44 162 August Weismann, A ; | ; fang Mai steigt die Wärme auf 10°, in einer Tiefe von 80’ aber tritt die Temperatur von 10°C. erst Mitte Juli ein (im Thunersee) !). : Da wir nun nach den Erfahrungen an Daphnia pulex und Moina annehmen müssen, dass die Sexualperiode an bestimmte Generationen und Bruten gebunden ist, so muss also dem entsprechend auch die Sexualperiode später eintreten. Die Dauereier, welche aus derselben . hervorgehen, können sich nicht mehr in demselben Jahr entwickeln, weil E zur Zeit, von welcher an sie entwicklungsfähig sein würden, die Tempe- ratur des Wassers, in dem sie liegen, wieder zu niedrig ist. ; Umgekehrt beginnt in Folge rascherer Erwärmung des Wassers im Sumpfe der Gyclus schon so frühe (Mai oder Anfang Juni), dass die erste Bildung von Dauereiern schon in den Beginn des Juli fallen kann. Nach Ablauf der Latenzperiode, deren Dauer wir freilich nicht kennen, werden dann diese Eier, etwa noch im August unter günstigen Witterungsver- hältnissen zum Ausschlüpfen gelangen und somit einen zweiten Gyclus von Generationen einleiten können‘, dessen Geschlechtsperiode dann in den October und Anfang November fallen wird. | Auf diese Weise erklärt es sich aus dem Wechsel der Witterungs- verhältnisse in verschiednen Jahren auch leicht, warum der zweite Gyelus nicht regelmässig eintritt. Ob die zur Erklärung dieser Erscheinungen zu Hülfe genommene Hypothese richtig ist, muss der Versuch entscheiden; dass sie im All- gemeinen nichts Unwahrscheinliches enthält, geht aus den Versuchen‘ über die Entwicklungsbedingungen der Dauereier andrer Arten hervor, welche später mitgetheilt werden sollen. B. Monoecyelische Arten. c. See- und Teichbewohner. Ich rechne hierher diejenigen Arten, welche in ganz kleinen Ge- wässern nicht fortkommen, vielmehr zu ihrem Gedeihen mindestens einige Fuss Wassertiefe und einen grösseren Wasserspiegel nöthig haben; die meisten von ihnen sind sog. »pelagische« Arten, angewiesen auf stetes Schwimmen im freien Wasser, andere sind aber auch Uferformen und diese schliessen sich zunächst an die vorher betrachteten Arten an. Alle sind monocyeclisch und bei Allen fällt die Geschlechtsperiode in = Ende der warmen Jahreszeit. n 4) Obige Angaben verdanke ich meinem Freunde Professor F. A. FoREL, der die Güte hatte, mir sein reichhaltiges Material über die Temperatur der Seeen — th neu, theils älteren Arbeiten entnommen — zur Benutzung mitzutheilen. 5 | Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. = 2169 10. Sida erystallina ©. F. Müller. Diese Art ist überall, wo ich sie verfolgt habe, monocyclisch und überall fällt ihre Sexualperiode in den Spätherbst. Da sie schon mit dem Juni erscheint, so müssen sich ziemlich viele rein parthenogenetische Ge- nerationen folgen, ehe die Geschlechtsgenerationen erzeugt werden. Im Bodensee bevölkert Sida die Uferzone,, wo sie des Tags auf Steinen und an Pfählen, auch an der Unterseite schwimmender Blätter sitzt, des Nachts aber vielfach umherschwimmt. Die eingeschlecht- liche Vermehrung hält bis in den October an. Am 1410. October wurden zuerst Männchen beobachtet, denen Weibchen in Wintereibil- dung bald nachfolgten und bis Ende October aushielten. Im Büchelweiher bei Lindau ist Sida ungemein häufig, wie überhaupt in allen Sümpfen, Teichen und Seeen der dortigen Gegend. Sie muss etwa Mitte Mai aus dem Winterei ausschlüpfen, da ich sie am 23. Mai noch ganz jung auffand. Im Juni, Juli und August vermehrt sie sich langsam und wird erst gegen Ende September sehr häufig. Ge- schlechtsthiere wurden zuerst am 1. October constatirt, aber noch in sehr geringer Anzahl; am 13. October fanden sich schon zahlreicher Weibchen mit Wintereiern und am 31. October war die geschlechtliche Fortpflan- zung in vollem Gange. Im Deegersee bei Lindau verläuft der Generationscyclus ganz ähnlich, doch zeigen sich Schwankungen hier, wie auch im Büchelweiher in Bezug auf die raschere oder langsamere Vermehrung der Individuen- zahl. So fand ich im Jahre 1876 im Deegersee schon am 6. Juni Massen von Sida, junge wie alte Weibchen alle in Jungfernzeugung, am 12. Au- ‚gust 1876 waren sie auch massenhaft vorhanden, aber auffallenderweise nur junge Weibchen, meist noch ohne Brut. So blieb es bis zum | 31. August, wo ebenfalls in einer Unmasse von Thieren keines über 1,5 mm Länge gefunden wurde! Weist diese Beobachtung auf die Ab- ‚ hängiekeit von Feinden (hier unzweifelhaft von Fischen) hin, so spricht ‘ das Verhalten von Sida im Jahre 1878 für den hemmenden Einfluss der , meteorologischen Verhältnisse. In diesem bekanntlich in Süddeutschland kühlen und ungewöhnlich regnerischen Sommer trat die Sida im Deeger- | "see auffallend spärlich auf. Während in andern Sommern ein einziger 'Netzzug Hunderte von Individuen brachte, bedurfte es jetzt langen Fischens um nur ein Dutzend zusammen zu bringen. Anfang October treten zuerst die Männchen auf und am 2. Novem- 1875 fand ich sie zu Tausenden in geschlechtlicher Fortpflanzung, ‚alle Weibchen mit Wintereiern. | Im Titisee des Schwarzwaldes beginnt — wie ich schon früher e 11% 164 | August Weismann, ee u angegeben habe — die Sexualperiode etwas früher, da bereits am 47. October fast alle Weibchen sich in Wintereibildung befanden, während um dieselbe Zeit in der Lindauer Gegend die meisten Weibchen sich 4 noch parthenogenetisch fortpflanzten. ; AA. Latona setifera ©. F. Müller. Die Art lebt in der Uferzone des Bodensees, aber weit weniger zahlreich als Sida. Im Juni und Juli wird sie sicherlich schon vorhan- den sein, ist aber noch so selten, dass ich sie nicht habe finden können. Am 40. August wurden zuerst mehrere Weibchen mit Brut gefangen, am 34. August (1875) zahlreiche junge und alte Jungfernweibchen # (126 Individuen als solche constatirt); am 29. September (187%) traten junge Männchen auf, die bald sehr zahlreich wurden und am 23. Octo- ber (1877) fanden sich auch Weibchen mit Wintereiern. 3 Der Cyclus verläuft also ganz ähnlich wie bei Sida. 12. Daphnia hyalina Leydie. Die Art gehört zu den pelagischen Formen und kommt nur in Seeen Ei oder grossen und einigermassen tiefen Teichen vor. Sie scheint mir be- sonders wegen der nahen Verwandtschaft mit Daphnia pulex und longi- spina interessant, welche beide polycyclisch sind und der Natur ihres 3 Wohnortes nach sein müssen. Es fragt sich, ob die für die Gattung wohl Bi; secundäre pelagische Lebensweise die angeborene Neigung zu kürzeren Generationscyelen beseitigt habe, oder ob die mehrfachen Sexualperioden beibehalten worden seien, trotzdem sie kein unbedingtes Erforderniss für die Art mehr sein können. 2 Es war in dieser Beziehung vor Allem wichtig, den Zeitpunkt des“ ersten Auftretens der Art im Frühjahr festzustellen. Ich gebe zuerst die gewonnenen Daten in übersichtlicher Anordnung: 1875. 2. Februar: Keine Daphnia hyalina. 12. April: Einzelne Weibchen mit Brut. 1876. 6. Juni: Massen von Jungfernweibchen in voller Fortpflanzung. 30. Juni: Zahllose Jungfernweibchen, wie vorher, aber keine Männ- chen. 2 7. August: Massen von Weibchen mit Brut, einige Männchen. - 27. August: Massen von Individuen ; sehr sure Junetorn ve | Ephippien, viele Männchen jeden Alters. =“ 3. September: Ebenso. 1a mon Beiträge zur Naturgeschiehte der Daphnoiden. 165 9, October: Noch immer zahlreich, aber unter einer Menge von Jung- fernweibchen nur eines mit Ephippium. 20. October: Geringer an Zahl, aber wiederum einzelne mit Winter- eiern. 39. October: Nur noch Jungfernweibchen oder Weibchen ohne Brut und ohne erkennbare Eibildung. 1877. 22. Mai: Einzelne Weibchen mit Brut, ziemlich viel junge Weib- chen. | 1878. 14. October: Einzelne Männchen, fastalle Weibchen mit Sommer- eiern oder Brut. Es ergiebt sich aus diesen Aufzeichnungen, dass Daphnia hyalina nur einen jährlichen Cycelus durchläuft, dass sie im Winter ausstirbt, ' schon Anfang April aber wieder erscheint um sich von da an rasch an- _ wachsend an Zahl bis in den August rein parthenogenetisch fortzupflan- zen. Schon Anfang August treten die ersten Männchen auf und gegen Ende August ist die geschlechtliche Fortpflanzung in vollem Gang und ' erhält sich noch den ganzen September durch. Im October werden die Thiere spärlich, produciren nur selten noch Wintereier,, pflanzen sich dagegen wieder eingeschlechtlich fort und sterben im November aus. Die eingeschlechtliche Fortpflanzung dauert demnach vier volle Monate ' an, ehe Geschlechtsthiere hervorgebracht werden. Die Zahl der rein "parthenogenetischen Generationen muss also eine weit grössere sein, als bei den verwandten Daphnia-Arten kleiner Wasseransammlungen. 4 ' Ds ke 13. Bythotrephes longimanus Leydig. Diese rein pelagische Art verhält sich ähnlich der vorhergehenden. Im Winter, d. h. in der zweiten Hälfte des December, im Januar, Fe- \ bruar und März fehlt sie; am 42. April fand ich zuerst einige noch nicht trächtige ee rnweibeten, dann wieder am 41. Mai einige noch nicht lrächtige junge Thiere. Die ersteren gehörten wohl sicher der ersten, aus den Wintereiern stammenden Generation an, während die Letzteren vermuthlich die zweite Generation darstellten. Auch im Anfang Juni begegneten mir niemals ältere Thiere, sondern immer nur junge, zum ersten Mal trächtige Thiere. Ich es daraus und aus der geringen Gesammtzahl der vorhandenen Thiere, dass die Fortpflanzung in diesen ‚ ersien Monaten sehr langsam vor Sich geht. Auch scheint es mir at unwahrscheinlich, dass die Wintereier nicht alle zu gleicher ‚ausschlüpfen, sondern während eines mehrwöchentlichen Zeit- ms s und es könnte daher wohl sein, dass selbst die Anfang Juni beob- ten een Thiere noch der ersten Generation angehörten. 166 | August Weismann, In den Monaten Juni, Juli und August nimmt die Individuenzahl bedeutend zu und die Parklensaonese herrscht allein. Erst Mitte Sep- tember werden die ersten Männchen geboren, deren Zahl am Ende des Monats bereits sehr gross ist, aber erst im October beginnt die Bildung der Wintereier, zuerst (2. October) einzelne Weibchen, dann bei meh- reren. Noch am 19. October (1875) trugen die meisten Weibchen Brut und noch am 18. November (1874) hielten sich die Weibchen mit Brut und die mit Wintereiern die Waage. Auch im December findet man immer noch Weibchen mit Brut neben den andern, doch nimmt die Individuenzahl dann sehr rasch ab, um schliesslich ganz zu erlöschen. Im Januar und Februar fehlt die Art. Bei Bythotrephes dauert die rein parthenogenetische Fortpflanzung demnach von Anfang April bis Anfang October, also volle sechs Monate. Wie viele Generationen in dieser Zeit aufeinander folgen, kann ich nicht bestimmen, da die Thiere in Gefangenschaft nicht lange aushalten, doch wird man sie sich nicht zu gross vorstellen dürfen, da die Fortpflanzung anfangs wenigstens nicht sehr rasch vor sich geht. Die Weibchen bringen ihre Jungen mit Hülfe ihres nahrungsreichen Fruchtwassers sehr hoch entwickelt zur Welt; die Trächtigkeitsdauer wird selbst im Hoch- sommer nicht unter acht Tage zu setzen sein; die neugebornen Jungen aber tragen noch nicht sofort wieder. Acht bis zehn Generationen wird man immerhin annehmen müssen, bis zum Beginn der geschlechtlichen Fortpflanzung. Dass bei dieser Polyphemide dieselben Individuen Winter- und Sommereier hervorbringen, schliesse ich daraus, dass zwar häufig E Weibchen getroffen werden, welche zugleich Wintereier im Brutraum und im Eierstock tragen, aber auch sehr häufig solche, bei denen nur ım Brutraum Wintereier liegen, das Ovarıum aber klein und blass ist, a wie zur Zeit der Sommereibildung. Den directen Beweis, dass die Ei- zellen solcher Ovarien sich zu Sommereiern ausbilden, kann ich aller- ir dings nicht liefern. Unterstützt wird die Annahme durch den Umstand, dass im Novem- & ber, zu welcher Zeit die geschlechtliche Fortpflanzung ihnen Höhepunkt a erreicht, fast durchweg die Weibchen mit Sommereiern viel grösser, d. h. älter sind, als die Weibchen mit Wintereiern. Niemals dagegen fand ich Weibchen mit Embryonen im Brutraum und Wintereiern im Ovarium, wohl aber einzelne ganz junge Weibchen mit Sommereiern, und ebenso auch ganz junge Weibchen mit Wintereiern im Ovarium. Es würde sich danach hier ähnlich verhalten, wie bei Daphni. pulex, d. h. während der Sexualperiode beginnt die Fortpflanzun \ | | Beiträge zur Naturgesehichte der Daphnoiden. 167 duction von Wintereiern, geht aber dann zur Sommereibildung über, nie umgekehrt. Dass trotz der immer noch anhaltenden Parthenoge- nese die Zahl der Individuen im December rasch abnimmt, liegt am Ein- tritt des Winters. Ich lasse einige der Daten, auf welche sich diese Darstellung stützt, hier folgen, da sie vielleicht für spätere Untersucher brauchbar sein könnten: - Bythotrephes-Colonie des Bodensees beobachtet bei Lindau. Es fanden sich: 187%. 5. September: Nur Jungfernweibchen. 5. October: Nur Jungfernweibchen, meist sehr grosse. 10. October: 4 Männchen auf ein Weibchen, dieses aber noch in Sommereibildung. 20. October: Zahlreiche Männchen und Weibchen, darunter einige Weibchen mit Wintereiern. 25. October: Viele Thiere beiderlei Geschlechts, darunter mehrere Weibchen mit Wintereiern, viele mit Embryonen. 18. November: 6 Männchen, 6 Jungfernweibehen, 7 Weibchen mit Wintereiern. 19. November: 47 Männchen, 28 Weibchen, darunter 3 mit Sommer- eiern, 12 mit Wintereiern, die übrigen ohne ausgesprochene Ei- bildung. 1. December: 4 Männchen und 20 Weibchen, darunter die meisten mit Wintereiern, einige aber mit Embryonen. 12. December: Nach dreistündigem Fischen nur drei Individuen ge- fangen. 20. December: 5 Weibchen, darunter 4 mit Wintereiern, i ohne Ei- bildung. 1875. 6. Februar: Keine Bythotrephes. 42. April: Einige junge Weibchen, noch ohne Brut. 12. Mat: Ebenso. 25. Juli: Nur kleinere Weibchen, alle mit Sommereiern oder Em- bryonen. | 25. September: 20 Männchen und 29 Weibchen, alle mit Sommer- eiern. 49. October: Viele Männchen und Weibchen, darunter mehrere Weib- chen mit Wintereiern. 10. November: Mehrere Individuen beiderlei Geschlechts, darunter einige Weibchen mit Wintereiern, 2 mit Embryonen. 168 August Weismann, 1876. 5. Juni: 40 Jungfernweibchen, alle klein und wohl zum ersten a Mal trächtig. BE 30. Juni: 16 Jungfernweihchen, kein Männchen. 10. Juli: Nur Weibchen mit Brut. 27. Juli: 10 Jungfernweibchen mit oder ohne Brut. 14. September: Viele Jungfernweibchen, keine Männchen, aber die Brut der Weibchen, am 42. September geboren, enthält Männ- | chen. 2. October: Ein Weibchen mit fertigen Wintereiern im Brutraum. 4 9. October: Viele Männchen und Weibchen; von letzteren die meisten 4 mit Brut, einige mit Wintereiern. 1877. 10. October: 41 Jungfernweibchen, 2 Winterweibchen, 39 Männchen gefangen. 21. October: Unter etwa 300 Individuen nur 30 Weibchen in Winter- eibildung, zahlreiche Männchen. 24. October: 10 Männchen, 7 Jungfernweibchen, 14 Weibchen in Wintereibildung. 5. November: 54 Männchen, 20 Jungfernweibchen, 27 Weibchen in - Wintereibildung. £ 10. November: Massen von Individuen! Zahllose Männchen, viele‘ Weibchen mit Wintereiern, aber auch viele mit Embryonen. 1%. Leptodora hyalina Lilljebore. Ende April fand ich die Larven von Leptodora im Lago maggiore, im Bodensee fehlten sie noch um diese Zeit; man wird das Ausschlüpfen der ersten Generation aus den Wintereiern bei uns auf Anfang Mai setzen E. dürfen. Anfang Juni ist im Bodensee diese erste Generation noch jung und ohne Brut, auch sehr spärlich vorhanden. Noch Ende Juni ist ihre Zahl sehr gering, im Juli aber vermehren sie sich merklich und Anfang August findet man Massen von Thieren, alles parthenogenesirende Weib- chen. Etwas später treten schon die ersten Männchen auf, deren Zahl dann im September immer mehr zunimmt und gegen Ende October die der Weibchen übertrifft. Das erste Weibchen mit Wintereiern begegnete E: mir Anfang October, gegen Ende October werden die Weibchen mit = Sommereiern selten und die Fortpflanzung ist überwiegend eine ge- = schlechtliche und bleibt es auch im November. Im November schon ı nimmt die Zahl der Individuen erheblich ab und im December ver- R schwinden die Leptodoren allmälig ganz und fehlen im See vom Januar bis März. = Im Wesentlichen verhält es sich also hier wie bei Bythotrephes, m. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 169 d.h. es existirt nurein einziger jährlicher Generations- eyelus und nur eine Sexualperiode, und diese fällt in den Herbst. Sie beginnt aber früher und die Reihe der rein eingeschlecht- _ lichen Generationen muss hier eine kürzere sein, da sie nur die Zeit von drei bis vier Monaten auszufüllen hat, während bei Bythotrephes deren sechs. \ Da ich bereits in der fünften Abhandlung dieser »Beiträge« zahl- reiche Angaben über die zeitliche Zusammensetzung der Leptodoren- colonie des Bodenseees gegeben habe, halte ich es für unnöthig, hier noch weiteres Detail darüber mitzutheilen. Im Anschluss an diese rein monocyclischen Arten seien noch einige Arten genannt, welche ich vorläufig auch für monocyclisch halten muss, ohne dass aber die vorliegenden Beobachtungen zum vollen Beweis ge- nügen. Dahin gehört eine Reihe von Lynceiden und Lyncodaphniden. 15. Eurycercuslamellatus ©. F. Müller. Dieser grösste aller Lynceiden ist bekanntlich sehr häufig in Süm- pfen und lebt dort zwischen den Pflanzenwäldern des Ufers oder des Wassergrundes, ähnlich der Sida, nur weniger im pflanzenfreien Wasser umherschwimmend. Er läuft meist nur zwischen den Pflanzen umher oder heftet sich nach Art der Sida mit seinem Saugnapf an Blättern und Stengeln fest. Ich fand ihn schon im Frühjahr in mächtig grossen Exemplaren (24. Mai), so dass ich annehmen muss, dass er theilweise überwintert. Sowohl im Mai, als im Juni, August und September habe ich immer nur ‚Weibchen gesehen, die wie fast alle Daphnoiden gegen den Herbst hin ‚an Häufigkeit bedeutend zunahmen. Das erste Männchen traf ich am 29. October (1878), häufig werden dieselben aber erst im November und auch die Bildung von Wintereiern beobachtete ich nicht vor dem ‚7. November. Neben der geschlechtlichen bleibt aber immer auch noch die parthenogenetische Fortpflanzung bestehen, ja sie gewinnt allmälig "wieder die Oberhand. Am 17. November fanden sich zwar noch Männ- chen, aber alle Weibchen waren mit Brut beladen. Von diesen werden "sich dann einzelne den ganzen Winter durch erhalten können. e Ich halte danach die Monocyclie für Eurycercus ziemlich gesichert, insofern vom Mai an bis November nur Jungfernweibchen zur Beob- ‚achtung kamen und nur für Juli Beobachtungen fehlen. Dass eine Sexualperiode noch früher als Mai fallen sollte, ist unwahrscheinlich, da 5 bei keiner der andern polycyclischen Arten regelm ı der Fall 170 - August Weismann, ist, im Laufe des Mai aber beobachtete ich mehrfach Colonien polyey- i clischer Arten (Simocephalus, Daphnia longispina) in denselben Sümpfen, in welchen auch eine zahlreiche Eurycercus-Colonie lebte; diese aber bestand nur aus Junzfernweibchen. Wenn deshalb Kurz in einem Zimmeraquarium im Mai Männchen von Eurycercus auftreten sah, so bin ich geneigt, dies nicht als Zeichen einer regelmässigen Frühjahrs-Sexualperiode dieser Art aufzufassen, sondern als eine Ausnahme-Erscheinung, deren Ursache indessen nach- träglich wohl nicht mehr zu errathen sein wird!). 16. Pasithea rectirostris, Pleuroxus trigonellus O. F. Müller und striatus,AcroperusleucocephalusKoch, Alona testudi- naria Schödler, Camptocereus rectirostris Schödler, Peracantha truncata O. F. Müller und Leydigia quadrangularis Kurz. Ich betrachte diese acht Arten zusammen, da ich von ihnen allen nur eine Sexualperiode kenne, die nämlich im Spätherbst, ohne jedoch hinreichend zahlreiche Beobachtungen zu besitzen, um eine Frühjahrs- sexualperiode in Abrede stellen zu können. Die meisten dieser Arten habe ich überhaupt nur im Herbst beobachtet und fand dann — und zwar sehr spät, Ende October und Anfang November sowohl die Männ- chen sehr häufig, als auch die Weibchen fast alle in Wintereibildung. Nur Leydigia quadrangularis kenne ich nicht in Geschlechtsthierer, da ich sie überhaupt nur einmal, und zwar im Mai auffand. Kurz beob- achtete die Männchen im August und September, erzog sie aber auch aus überwinterten Weibchen 2). Da das Letztere auch bei Daphnia pulex vorkommt, wie oben gezeigt wurde, so darf vielleicht die Kurz’sche Beobachtung auf eine mehrfache Sexualperiode der Art gedeutet werden. Im Beginn des Sommers an Freiburg gebunden, bin ich in der an stehendem Wasser äusserst armen Gegend nicht im Stande gewesen, hinreichende Beobachtungen über das Verhalten dieser Arten im Vor- sommer anzustellen. Günstiger wohnende Forscher werden darüber | Gewissheit verschaffen können. 4) »Ueber androgyne Missbildung bei Cladoceren«. Wien. Sitzungsberichte. 2 1874. 42. Februar. p. 6. Anmerkung: Kurz schrieb — wie oben bereits gesagt = wurde — das Auftreten der Männchen dem allmäligen Eintrocknen des Wassers zug 2) Dodekas neuer Cladoceren. Wien. Sitzungsberichte. 1874. p. 53. Wahrscheinlich gehören auch die Daphnoiden des Meeres zu den monocyclischen Arten; ich besitze indessen nur wenige Beobachtungen über die Zeit der geschlechtlichen Fortpflanzung bei ihnen. So viel ist sicher, dass zu gewissen Zeiten keine Geschlechtsthiere vorkommen, während zu anderer Zeit dieselben vorherrschen oder sogar die Jungfern- weibchen ganz verdrängen. Von Evadne spinifera und tergestina, sowie von Pedon intermedius, fand ich im Frühjahr (April) in Neapel nur 17. Die Meeresdaphnoiden. den August anzuhalten. Herr Dr. SpenGeL, der während seines Aufent- haltes an der zoologischen Station zu Neapel die Güte hatte, in meinem Interesse auf diese Verhältnisse seine Aufmerksamkeit zu richten, fand Anfang August täglich Tausende von Evadne spinifera und tergestina im Auftrieb, aber nur Jungfernweibcehen; am 10. August fand sich das erste Geschlechtsweibchen mit Winterei und zwar von Evadne tergestina und in den nächsten Tagen vermehrte sich ihre Zahl noch. Ueber Sep- tember und October fehlen mir Angaben, doch wird man annehmen dürfen, dass ähnlich wie bei Leptodora während dieser ganzen Zeit die geschlechtliche Fortpflanzung andauert, um zuletzt die eingeschlechtliche ganz zu verdrängen. Wenigstens fand Herr Dr. Spexser am 11. Novem- ber von Evadne tergestina nur noch Geschlechtsthiere, von E. spinifera dagegen einige wenige Jungfernweihchen. | Ob die Meeresarten im Winter ganz verschwinden , weiss ich nicht zu sagen, jedenfalls werden sie an Zahl ungemein reducirt. 6. Aecyelische Arten. Vielleicht giebt es genau genommen keine acyclischen Arten, d.h. Arten, bei denen kein periodischer Wechsel von geschlechtlicher und eingeschlechtlicher Fortpflanzung vorkommt, sondern es giebt nur acy- elische Golonien. Für die zweite der hier zu besprechenden Arten haben sicher nur einzelne Colonien auf die geschlechtliche Fortpflanzung _ verzichtet und vermehren sich ohne Unterbrechung den Winter und Sommer durch Parthenogenese; in andern, und zwar den meisten Colo- nien der Art bestehen die Sexualperioden fort. 3 Jedenfalls ist aber auch dies schon eine bemerkenswerthe Er- _ scheinung, dass in einzelnen Colonien, welche in besonders günstigen 7 - Verhältnissen leben, ein vollständiges oder nahezu vollständiges Aus- en der geschlechtlichen Fortpflanzung eingetreten ist und damit eine Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. ö 171 Jungfernweibehen. Die parthenogenetische Vermehrung scheint bis in 172 August Weismann, Rückkehr von der Heterogonie zur Homogonie, von der eyclischen Fort- pflanzung zur acyclischen. Weiteren, planmässig angestellten Beobachtungen muss es vorbe- halten bleiben zu entscheiden, ob es sich hierbei stets nur um einzelne Colonien handelt, oder ob es auch ganze Arten giebt, welche zur Acyclie zurückgekehrt sind. 18. Bosmina longicornis und longispina. Von beiden genannten Bosmina-Arten sind mir zwar Männchen zu Gesicht gekommen, allein in so geringer Zahl im Verhältniss zu den Weibchen, dass dieser Umstand in Verbindung mit einigen andern den Gedanken nahe legte, es möge sich hier um Arten handeln, bei denen die Fortdauer der Art nicht mehr auf der geschlechtlichen Fortpflanzung beruht, sondern bei welchen Dauereier nur noch ausnahmsweise her- vorgebracht werden. Bosmina longicornis habe ich hauptsächlich in den Sümpfen und kleinen Seeen um Lindau herum verfolgt. Vom Mai bis in den No- vember fand ich in der Regel nur Jungfernweibchen, nur ein einziges Mal (10. November) kamen auch einige (zwei bis drei) Männchen unter einer zahllosen Menge von Weibchen vor. Eine Verhältnisszahl kann ich nicht angeben ; als mir durch einen Zufall die gefundenen Männchen verunglückten und ich behufs gewisser anatomischer Fragen mich be- mühte, einige andere zu bekommen, führte eine zweistündige Musterung vieler Hunderte von Thieren nicht zum Ziel — es war kein einziges Männchen darunter. Niemals fand ich ein Weibchen mit Winterei. Die folgenden genaueren Daten mögen dies belegen: 1876. 9. Juni: Im Büchelweiher bei Lindau, wenige Weibchen mit Brut. 30. Juni: Ebendaselbst, viele Weibchen mit Brut. 16. August: Im Bettnauer Weiher bei Lindau einzelne Weibchen mit Brut. 2k. October: In Tümpel I in Freiburg, wohin die Art aus den Lindauer Sümpfen im Juni 1876 verpflanzt worden war, hat sie sich stark vermehrt, zahlreiche Weibchen mit Brut, aber kein Männchen, 7. November: Ebendaselbst, zahlreiche Jungfernweibchen. 20. November: Ebendaselbst, Massen von Weibchen mit Brut, unter 80 Individuen kein Männchen. 14. December: Ebendaselbst, ebenso, die Weibchen alle noch in % starker Vermehrung. 4 n ke Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 173 22. December: Ebendaselbst, noch immer Massen von Jungfern- weibchen. 1877. 3. Januar: In Tümpel I nur wenige Jungfernweibchen. 12. Februar: Ebendaselbst wurde keine Bosmina mehr gefangen. 3. Mai: Ebendaselbst keine Bosminen. 44. Juni: Ebenso. 28. Juli: Ebenso, Ueberwucherung des ganzen Aquariums durch die » Wasserpest« und Ausleerung desselben im Herbst, wie oben be- reits angeführt. Obgleich nun im folgenden Jahre mehrere Arten von Daphnoiden von selbst wieder erschienen (Polyphemus, Daph- nella, Acroperus, Daphnia pulex etc.), so blieb doch Bosmina gänzlich aus. Ausserdem wurden beobachtet: 1877. 21. Mai: Im Büchelweiher bei Lindau zahlreiche Jungfern- weibchen von Bosmina, darunter viele junge. 10. November: Im Bettnauer Weiher bei Lindau Massen von Jungfernweibchen, darunter ganz vereinzelte Männchen. Aus diesen Beobachtungen scheinen mir besonders diejenigen be- achtenswerth, welche sich auf Tümpel I beziehen. Dort wurden durch- aus keine Männchen beobachtet , auch nicht im October und November, der Zeit, in welcher sie bislang allein sonst gefunden worden sind, die Weibchen pflanzten sich vielmehr rein parthenogenetisch bis in den Januar hinein fort und starben dann aus. Ich vermuthe, dass an Letzte- rem die ungünstigen Bedingungen dieses künstlichen Standortes schuld waren, vor Allem der gänzliche Mangel der Sonne (im Winter) und die, wenn auch nicht vollständige Deckung des Bassins mit Brettern, welche das Licht noch mehr abbielten. Jedenfalls beweist wohl das gänzliche Fehlen der Bosminen im fol- genden und nächstfolgendem Jahr, dass Dauereier nicht hervor- gebracht worden waren. Die andere, von mir beobachtete Art ist die von LEvnic zuerst be- schriebene Bosmina longispina, welche stets im Bodensee anzu- treffen ist, zu manchen Zeiten in ganz unglaublichen Massen. Sie wurde ch mehrere Jahre hindurch verfolgt und festgestellt, dass “sieden Winterüberregelmässigausdauert. Sie ist zu jeder E Jahreszeit vorhanden und besteht in der Regel nur aus Weibchen, nur ein einziges Mal traf ich auf zwei Männchen und zwar am 9. Ockober Ich lasse die in mein Tagebuch eingetragenen Beobachtungen | | | l 174 August Weismann, Bosmina longispina aus dem Bodensee. 74.29. October: Massen von Weibchen mit Brut oder Sommereiern, kein Männchen. 1875. 6. Februar: Ebenso. 12. April: Zahlreiche Jungfernweibchen. 30. Juni: Ebenso. 2. November: Zahllöse Jungfernweibchen, kein Männchen, kein Weibchen mit Winterei. 26. December: Massen von Jungfernweibchen. 1876. 16. Januar: Massen von Jungfernweibchen. 4. Juni: Zahlreiche Weibchen mit Brut. 6. Juni: Ebenso. 27. August: Spärliche Jungfernweibchen. 2. October: Ebenso. 1877. 22. Mai: Zahlreiche Jungfernweibchen, kein Männchen. 9. October: Massen von Jungfernweibchen, kein Weibchen mit Winter- | eiern, aberzweiMännchen. 18. October: Unter 400 Weibchen keins mit Winterei, kein Männchen auffindbar. 1878. 1k.October: Massen von Weibchen mit Sommereiern, keins mit Winterei, kein Männchen. Nach diesen Daten muss man also wohl annehmen, dass die ein- E. geschlechtliche Fortpflanzung hier zur Herrschaft gelangt ist, dass Winter- | eier entweder gar nicht mehr gebildet werden, oder doch nur ganz 1 vereinzelt und dass die Männchen zwar zuweilen vorkorkiiien, aber doch so selten, dass die Erhaltung der Art im Bodensee ütitielieh von ihnen abhängen kann. Es ist also hier unzweifelhaft, dass die Art in ununter- = hrochener Parthenogenese sich fortpflanzt. Da sie im December, Januar und Februar immer in stärkerer oder schwächerer Vermehrung ange- troffen wurde, ebenso wie in den heissen Monaten, so steht fest, dass die Wintertemperatur des Wassers (um 5° C.) ihrer Parthenogenese kein Ziel setzt. Da alle andern Daphnoiden des Seees im Winter aussterben, so muss also diese Bosmina die niedere Wassertemperatur besser zu er- | tragen im Stande sein. Be, Uebrigens möchte ich vermuthen, dass bei den meisten Bosmina- arten die geschlechtliche Fortpflanzung im Verschwinden begriffen ist. E Allerdings sind Männchen sowohl als Dauereier von einigen Arten beschrieben worden, aber von nicht wenigen sind sie noch gänzli unbekannt; und spärlich scheinen sie stets gewesen zu sein. V Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 175 Bosmina microps P. E. Müller, B. brevirostris P. E. Müller, von B. maritima P. E. Müller sind bis jetzt noch keine Männchen gesehen wor- den, und wenn auch P. E. Mürrer die Männchen von B. diaphana »in nicht wenigen Exemplaren « im October beobachtete !), so scheinen doch diejenigen von B. cornuta Jurine, sowie die von B. longirostris überall nur selten vorzukommen, wie denn ScHöpLer?) dies für die erstere ausdrücklich angiebt und nicht wenige Daphnidenbeobachter scheinen Männchen von Bosminen überhaupt nie gesehen zu haben. Es lohnt sich wohl, diesen Verhältnissen näher nachzuspüren, denn es hängen Fragen von allgemeinerer Bedeutung damit zusammen. Verhält es sich nämlich wirklich so, haben die meisten Bosmina- arten die geschlechtliche Fortpflanzung und damit die Erzeugung von Dauereiern mehr oder weniger vollständig aufgegeben, so haben sie da- mit zugleich eines der wesentlichsten Mittel zur Verbreitung und Wande- rung der Art verloren, die Golonien verschiedener Wohnplätze werden nicht leicht, in vielen Fällen gar nicht mehr sich vermischen können und die Ausprägung zahlreicher Localracen stünde zu erwarten, oder müsste schon eingetreten sein. Es stimmt mit diesem Schluss, dass gerade die Gattung Bosmina als eine der systematisch schwierigsten gilt, und dass es in der That häufig nicht wohl möglich ist, Exemplare einer beliebigen CGolonie mit irgend einer der oft recht genauen Artdiagnosen in vollen Einklang zu bringen. Fast immer passt ein oder das andere Merkmal nicht, während die übrigen stimmen. 19. Chydorus sphaericus O.F. Müller. Diese winzige Lynceidenart ist in beiden Geschlechtern bekannt. Das Männchen wurde zuerst von ZENKER, dann von Kurz beschrieben und Letzterer fügte noch die Entdeckung einer eigentbümlichen Ephip- pialbildung bei den Geschlechtsweibchen hinzu. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass die Art sich geschlechtlich fortpflanzt und zwar fällt nach der Angabe von Kurz die Geschlechtsperiode in den December. Um so mehr musste es mir auffallen, dass ich nicht im Stande war, hier in Freiburg Männchen oder Weibchen mit Ephippien aufzufinden 3), _ obgleich das Thier hier, wie wohl überall, sehr gemein ist. - Ich fasste nun einen Standort der Art speciell ins Auge, einen 4) P. E. Mürzer, Danmarks Cladocera. 41868—1869. p. 151. E. 2) J. E. Schöner, Cladoceren des frischen Haffs, nebst Bemerkungen über - anderweitig vorkommende verwandte Arten. Arch. f. Naturgesch. 1866, 3) Siehe den »Zusatz zu Chydorus«. Fr 176 August Weismann, laufenden Brunnen im Hofe der hiesigen Universität, aber auch bei dieser concentrirten Art der Beobachtung gelang es nicht, zuirgend einer Zeit des Jahres geschlechtliche Fortpflanzung zu beobachten, wohl aber festzustellen, dass die Art den Winterüberausdauert. Ich untersuchte die Colonie zu alien Jahreszeiten, besonders häufig aber um die muthmassliche Zeit der Geschlechtsperiode (December), ohne jemals einem Männchen oder Geschlechtsweibchen zu begesnen. Im Winter 1878—1879 nahm ich am 7., 18. und 26. November, am 3 5., 13. und 30. December eine genaue Musterung einer grossen Zahl von Individuen vor, aber immer mit demselben Erfolg: die Colonie bestand nur aus Jungfernweibchen, die auch am 42. Januar und 23. Februar 1879 noch vorhanden und in Vermehrung begriffen waren. Da im Januar acht Tage lang eine Kälte bis zu — 9°R. geherrscht hatte, bei der übrigens der sprudelnde Brunnen niemals zugefroren war, So dürfte dies zum Beweis genügen, dass die Art hier jeden Winter über ausdauert. Hält man diese Thatsachen mit den oben erwähnten Erfahrungen von ZENKER und Kurz zusammen, so wird man zu der Ansicht geführt, dass diese Art die geschlechtliche Fortpflanzung an manchen Orten auf- gegeben hat, während sie dieselbe an andern noch beibehält. Nicht alle Localitäten, an denen die Art vorkommt, werden die Möglichkeit bieten, auch in harten Wintern auszudauern und an solchen wäre das Aufgeben der Dauereibildung gleichbedeutend mit der Vernichtung der Colonie. Es bietet somit die Fortpflanzung dieser Art ein Gegenstück zur Fortpflanzungsweise von Apus, insofern nämlich auch Apus in rein par- thenogenetischen Colonien bekannt ist und in zweigeschlechtlichen. Der Unterschied liegt nur darin, dass wir bei Chydorus den Grund einsehen können, warum in gewissen Colonien die geschlechtliche Fortpflanzung E: beibehalten werden muss: die Bildung von Dauereiern ist hier mit der- selben unauflöslich verknüpft, man kennt keine Daphnoidenart, bei welcher Dauereier ohne Anwesenheit von Männchen gebildet würden und es scheint, dass allgemein die Dauereier zerfallen, wenn Befruchtung ausbleibt. Bei Apus dagegen wird nur eine Eiart, eben Dauereier, er- zeugt und diese Eier entwickeln sich ebensogut parthenogenetisch, als unter dem Einfluss der Befruchtung. Die Beibehaltung der Zwei- geschlechtlichkeit ruht also hier auf anderem Grunde, während das Aufgeben derselben wohl in beiden Fällen die gleiche Ursache hat. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 177 Zusatz zu Chydorus. Nach Abschluss des Manuscriptes wurde mir noch Gelegenheit, die bisher vergeblich gesuchte Geschlechtsperiode von CGhydorus zu beob- achten. Ich fand am 5. Mai 1879 in einem Sumpf der Rheinebene bei Freiburg eine Chydoruscolonie, welche neben einer Ueberzahl von Jung- fernweibchen auch Geschlechtsweibchen und Männchen enthielt und am 12. Juni hatte sich die Geschlechtsperiode noch stärker entwickelt. Da nun zugleich durch die Beobachtungen Anderer eine Geschlechtsperiode im December beobachtet ist, so wird man die Art im Allgemeinen zu den polyeyclischen Arten zählen müssen. Wahrscheinlich werden fernere Beobachtungen lehren, dass sehr viele Lynceiden in diese Categorie gehören. Die Ghydoruscolonie des Universitätsbrunnens wurde nach diesen Erfahrungen sogleich untersucht, zeigte aber am 13. Juni wie stets vor- her nur Jungfernweibchen in ungeheurer Anzahl und in starker Ver- mehrung. Einen Monat vorher (7. Mai) hatte ich die ganze Colonie aus- gestorben gefunden, alles thierische und pflanzliche Leben des Brunnens ‚ war durch hineingeschüttete Lauge getödtet worden. Aus der raschen Wiederbesetzung muss wohl geschlossen werden, dass die ganze, etwa !/, Stunde lange Röhrenleitung, welche den Brunnen speist, von Chy- dorus bevölkert ist. Dies kann insofern nicht überraschen, als innerhalb ‘der Leitung eine Gleichmässigkeit der Lebensbedingungen herrschen muss, welche diejenige des Brunnens noch weit übertrifft. | Es versteht sich übrigens von selbst, dass ich die Frage nach der “vollkommenen Acyclie dieser (und ähnlicher) Chydoruscolonien noch ‚nicht für vollständig entschieden halte. Fortgesetzte und besonders auch ‚ weiter ausgedehnte Beobachtungen werden erst Gewissheit darüber geben können, ob nicht doch auch bei so situirten Colonien von Zeit zu Zeit Geschlechtsperioden eintreten. Besonders die in Höhlen vor- kommenden Daphniden sollten darauf hin untersucht werden. UI. Die Ursachen der Vernichtungsperioden. Aus den bisher mitgetheilten Ergebnissen folgt fast von selbst eine auffallende indirecte Abhängigkeit des Gyclus von den äussern Lebensbedingungen. Bei sehr vielen Arten scheint die Anzahl rein eingeschlechtlicher Generationen danach normirt zu sein, zu welcher Zeit des Jahres oder genauer wie lange nach Gründung einer ‚ Colonie in der Regel ungünstige Einflüsse dem Leben der Colonie ein e zu machen pflegen. Die dieser »Vernichtungsperiode« chrift f. wissensch. Zoologie. XXXIL. Ba. 19 178 August Weismann, Dauereier producirenden. So ist für die meisten , seebewohnenden Arten augenscheinlich die Ursache ihres Aussterbens im Beginn des Winters zu suchen, für die pfützenbewohnenden Arten kommt ausserdem noch das sommerliche Austrocknen des Wassers in Betracht und in beiden Fällen finden wir die Geschlechtsperiode so gelegt, dass sie der Vernichtungsperiode un- mitielbar vorhergeht. Es sind aber auch Fälle mitgetheilt worden, in denen ein solcher Zusammenhang nicht ohne Weiteres hervortrat. Bei den sumpfbe- wohnenden Arten Polyphemus und Daphnella brachyura tritt die Ge- schlechtsperiode zu einer Zeit ein, wo keine Nöthigung dazu erkennbar ist, im Anfang des Sommers und in Wasseransammlungen, welche niemals austrocknen. Man könnte allerdings annehmen, es habe sich diese Form des Cyclus an solchen Orten entwickelt, wo wirklich im Sommer ein völliges Austrocknen der Sümpfe die Regel ist. Die Annahme hat Manches für sich, denn in der That trocknen ja 9 zahlreiche Sümpfe, besonders in etwas wärmeren Gegenden allsommer- lich aus. Trotzdem kann sie nicht eher als wahrscheinlich angenommen werden, als nicht nachgewiesen ist, dass eine Erklärung aus den bei uns bestehenden Verhältnissen nicht gegeben werden kann. Dies um so mehr, als die beobachteten Thatsachen selbst darauf hinzuweisen scheinen, dass einer Daphnoidencolonie noch in anderer Weise ein Ziel gesetzt werden kann, als durch Kälte oder Austrocknen. Gerade die genannten beiden Arten zeigten nicht nur die Sexual- periode mitten im Sommer, sondern sie verschwanden auch kurz E daraufan den betreffenden Orten vollständig. 2 ; Es fragt sich also zunächst, durch welche Ursachen die Ver- ei nichtung einer Golonie herbeigeführt werden kann und dies soll in Folgendem untersucht werden. A. Temperatur. Fast selbsiverständlich scheinen die beiden schon genannien Ur- sachen: Austrocknen und Kälte. Wenn man unter der letzteren die Temperaturen unter 0° versteht, so bildet sie allerdings für alle Daphnoiden eine absolute Vernichtungsursache. Bei niederen Tempera- | turen über 0° aber ist die Resistenz bei verschiedenen Arten sehr ver- schieden und das Aussterben der meisten Daphnidencolonien im Winter, | auch in grossen Wassermassen, welche nicht zufrieren, ist nicht so | A a. selbstverständlich. Die meisten Seedaphnoiden sterben im November Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 179 aus, halten sich höchstens noch in spärlichen Individuen bis in den December. Die mittlere Temperatur der Oberflächenschicht des Sees beträgt aber im Noveniber noch 9,4% C., im December 6,5°, im Januar und Februar immer noch 5,6° und 5,5° GC. Tiefer sinkt die Temperatur an der Oberfläche überhaupt nicht, oder doch nur ausnahmsweise, wenigstens im Genfer See, dem der Bodensee in seiner physikalischen Beschaffenheit wohl am nächsten steht. In der Tiefe herrscht bekannt- lich — wie ForeL!) kürzlich in seinen vortreffllichen Untersuchungen über die Tiefseefauna aufs Neue hervorgehoben hat, das ganze Jahr hin- durch dieselbe Temperatur von 4,40°—4,90 C. Für einige Sumpfbewohner wurde oben gelegentlich angeführt, dass sie sofort nach dem ersten stärkeren (mit Eisdecke verbundenen) Frost verschwinden, so von Daphnella und Polyphemus; diese müssen direct schon durch die Temperatur von 3—4° C. getödtet werden, denn tiefer sinkt die Temperatur nicht unter solchen Umständen. Viel resistenter sind Daphnia pulex, Simocephalus vetulus, Eury- cercus lamellatus und vermuthlich noch viele andere Bewohner kleinerer Wasseransammlungen. Die erstgenannte Art habe ich zwei Wochen hindurch in Eiswasser gehalten, d. h. in Wasser, in welchem Eis schmolz ; auch fand ich eine kleine Zahl von Individuen dieser Art mitten im Winter (4. Januar) in einer Regentonne, deren Wasser zum grössten Theil zu einem enormen Eisklotz gefroren war. Es unterliegt also keinem Zweifel, dass die auf ähnliche Versuche und Beobachtungen gegründete Angabe von Ferıx PrLATEAU?), »que les articules aquatiques indigenes vivent parfaitement dans l’eau ä zero«, wenigstens für Daphnia pulex vollkommen richtig ist. Wahrscheinlich ist sie es für viele Bewohner der Gräben und kleinen Sümpfe. Dennoch wäre es ein Irrthum, wollte man daraus schon schliessen, dass diese Arten regelmässig überwintern. Nach meinen Erfahrungen widersteht wenigstens Daphnia pulex einer längeren Kälte nicht und das vollständige Ueberwintern einer Colonie erfordert doch stets einen ungewöhnlich milden Winter (siehe oben: die Beobachtungen der Pulexcolonie in Tümpel I). Ueberhaupt wird in biologischer Hinsicht zu unterscheiden sein zwischen Erhaltung des Lebens bei einer bestimmten, niedrigen Temperatur und Erhaltung der Fortpflanzungsfähigkeit. Das F Erstere allein genügt nicht zur Ueberwinterung einer Daphnoidencolonie, 4) FoREL, Materiaux pour servir a l’&tude de la faune profonde du lac Leman. | ‚Lausanne 1874 und 4876. 2) FöLıx PrAreau, Recherches physico-chimiques sur les Articules aquatiques; I. partie. p. 25. Bruxelles 1872. : Re 19% 180 August Weismann, weil das Leben des einzelnen Individuums zu kurz ist, und in der Regel _ den Winter nicht überdauern wird. Es ist sehr möglich, dass alle die pelagischen Arten, deren Aussterben im Winter oben angeführt wurde, ganz wohl noch hei der Minimaltemperatur des Sees (5,7°G.) leben können. Sie pflanzen sich aber nicht mehr fort und sterben deshalb aus. Die wenigen Exemplare von Bythotrephes und Leptodora, welche man Ende December fängt, sind kümmerlich und entweder ganz ohne Brut, oder in Dauereibildung. Es ist auch nicht etwa daran zu denken, dass sie im Winter in grosse Tiefen hinabstiegen, sie würden dadurch Nichts gewinnen, da die Ausgleichung der Temperatur zwischen Tiefe und Oberfläche in der Regel nicht vollständig erfolgt, sondern die Ober- flächenschicht um etwa 1° G. wärmer bleibt. Ich habe übrigens auch Ende November in 50—60 Meter Tiefe mit dem feinen Netz gefischt und die betreffenden Arten nur äusserst spärlich erhalten, während sie in 5 und 10 Meter Tiefe noch in Menge vorhanden waren. Diese Arten sterben also zweifellos im Winter aus und wir dürfen daraus wohl den Schluss ziehen, dass sie durch die niedrigere Tempe- ratur — wenn auch nicht direct getödtet — so doch in ihren Lebens- functionen herabgesetzt werden. Bosmina longispina dagegen vermehrt sich in dem Bodensee den ganzen Winter hindurch und bei CGhydorus sphaericus konnte ich in der Colonie des hiesigen Universitätsbrunnens dasselbe feststellen. Die letztere Art erfreut sich dabei einer Durchschnitts-Temperatur von 4°C. Eine verschiedeneResistenzfähigkeit der Daphnoiden gegen niedere Temperatur musssomitangenommen wer- den. | Aber auch gegen höhere Temperaturen verhalten sich nicht alle Arten gleich. Ich habe auch darüber eine Reihe von Versuchen an- gestellt und zwar hauptsächlich deshalb, um Antwort auf die Frage zu erhalten, ob das erwähnte, oft sehr plötzliche Verschwinden von Daph- noidencolonien mitten in der guten Jahreszeit auf einer zu starken Er- wärmung des Wassers durch die Sonne beruhen könne. | } Ich schicke voraus, dass ähnliche Versuche bereits von SPALLANZANI angestellt worden sind, neuerdings aber in ausgedehnterem Massstabe und in sehr exacter Weise von F£Lıx Prateau!). Beide Versuchsreihen enthalten indessen nur je eine Daphnidenart. Prarzau erhielt überdies mit Daphnia sima (Simocephalus vetulus) Resultate, welche nicht voll- ständig mit den meinigen übereinstimmen; ich fand etwas höhere } 4) Recherches physico-chimiques sur les Articules aquatiques. 1. partie Bruxelles 4872. >. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 181 - Temperaturmaxima , ein Umstand, der übrigens nur der verschiedenen Methode zuzuschreiben ist, welche wir anwandten. Während nämlich Pratzıu das Wasser in seinem Versuchsglas zu- erst über 50°C. erwärmte und dann nach Entfernung der Wärmequelle in das allmälig sich abkühlende Wasser seine Versuchstbiere hinein- setzte, machte ich es umgekehrt, d. h. ich erwärmte das Wasser, in dem ‚sich die Thiere vorher schon befunden hatten, ganz allmälig, in der - Voraussetzung, dass auf diese Weise leichter eine Adaptation eintreten könne. Versuch I. Daphnia pulex. Etwa 50 kleine und grosse Weibchen von Daphnia pulex wurden in einem Becherglas in ein Wasserbad von der Zimmertemperatur (15,8°C.) gehängt und dieses allmälig erwärmt: Temperatur des Zeit Wassers im Becherglas = 4UV.20M. 17,500 | 4 25 23, 75 Alle sehr munter frei umherschwimmend. | FEeT 26,50 j Bi 35 37,50 1 4 a en Alle munter, viele zeigen Neigung sich festzusetzen, nn hwi ber lebhaft umh bald si I 5 30.00 schwimmen aber lebhaft umher, sobald man sie 0 30,00 aufjagt. we5 10 31,25 5 3 a Sehr lebhaft, fast alle schwimmen umher, andere 2 5 50 36.25 sitzen am Glase, keine ist gelähmt. 6 0 37,25 Die grösseren Thiere liegen gelähmt am Boden, die kleineren schwimmen noch umher. 6 A 37,80 Die grossen völlig bewegungslos, von den kleinen ee schiessen einige noch umher. 6 10 38,75 Alles todt! 6.45 Bei allmäliger Abkühlung wird keine der Pulex wie- der lebendig. Versuch2. Simocephalus vetulus. Etwa 20 kleinere und grosse Weibchen wurden genau ebenso be- handelt, wie die Daphnien in Versuch 1, mit dem einzigen Unterschied, dass der Versuch erst um 3 Uhr begann, die Erwärmung also rascher r sich ging. 182 August Weismann, E Temperatur des zeit Wassers 3.U.::..M: 17,500 [A 30,00 > n m Alle lebhaft, theils festsitzend, theils schwimmend. 5 45 35,00 BR 50 36,25 6 37,25 Die grösseren Thiere sind wie gelähmt, liegen am Bo- den, strudeln noch einige Zeit mit den Füssen, kön- nen aber nicht mehr schwimmen. 6 4 37,80 Alle grossen Thiere bewegunsgslos, einige kleinere noch schwimmend. 6 a0 38,75 Alle scheinen völlig todt! Dennoch erholt sich eines der grösseren Thiere (mit Embrvonen im Brutraum) bis zum nächsten Morgen bei allmäliger Abkühlung wieder vollständig. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass beide Arten eine Tempera- tur von 36,25° wenigstens einige Minuten lang gut ertragen, dass sie bei 37,250 Lähmungssymptome bekommen und bei 38,75° sterben. Simo- cephalus scheint etwas härter zu sein, da einzelne diese Temperatur 5 Minuten lang scheintodt aushielten und dann wieder zum Leben er- wachten bei allmäliger Abkühlung des Wassers. Versuch3. Daphnia magna. Etwa 30 Weibchen wurden in derselben Weise langsam erwärmt. : Temperatur des A Wassers 3 U M. 15,80 3 40 25 3.1.90 2.159 Alle fahren unruhig im Wasser umher. 37 h0 27,0 N) 28,0 [A 5 34,5 Viele setzen sich fest. 4 45 37,0 Die Bewegungen lahm. 4 25 37,9 Alle liegen gelähmt am Boden. Versuch 4. Daphnia similis Claus aus Nilschlamm erzogen. \ Temperatur des ge Wassers 30. M Steigerung der Temperatur in demselben Tempo wie in Versuch 3. A 5 Viele setzen sich fest. 4 15 Schwimmbewegupgen langsam. k: 095 Die meisten gelähmt. 4 30 Alle gelähmt. | Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. | 183 Versuchd5. Moinarectirostris. Mehrere Thiere beiderlei Geschlechts wurden wie in den übrigen Versuchen behandelt. Temperatur des Be Wassers - & so n ro Die Erwärmung geschieht in demselben Tempo wie Zn in Versuch 3. 4 5 34,5 4 25 38,0 Alle schwimmen noch munter umher. 4 35 39,0 Ebenso. 4 38 41,0 Ebenso. 4 40 42,0 Schwimmbewegungen langsam und unsicher. 4 43 42,0 Alle liegen gelähmt am Boden, erholen sich aber bei langsamer Abkühlung zum Theil wieder. Die Erwärmung von Zimmertemperatur bis auf das Maximum er- folgte in den drei letzten Versuchen innerhalb wenig mehr als 11/, Stunde, während sie in den beiden ersten Versuchen 6 Stunden in Anspruch nahm; dass das Resultat dadurch nicht beeinflusst wurde, dass vielmehr die Zeit von 1!/, Stunden zu der überhaupt möglichen Adaptation des Organismus an die steigende Temperatur ausreicht, , geht aus einem Con- trolversuch mit Daphnia pulex hervor, der bei 11/,stündiger Dauer der Erwärmung genau dasselbe Resultat lieferte, welches vorher bei 6 stündi- - ger Dauer sich ergeben hatte. Aus diesen Versuchen ersieht man indessen noch nicht, bei welcher Höhe der Temperatur die Thiere noch auf die Dauer fortleben können. Um dies wenigstens annähernd zu erfahren, variirte ich den Ver- such so, dass ich die Temperatur längere Zeit einige Grade unter dem Minimum bielt, bei welchem zuerst Lähmungssymptome eingetreten waren. Dieses Minimum liegt für Daphnia pulex zwischen 36,250 und 31,250. Nachdem die Wärme im Laufe einer halben Stunde von 30° bis 350 gestiegen war, zeigten sich bei keinem Thier Lähmungssymptome; sobald aber die Temperatur sodann auf 36° stieg, traten sie ein und eine Verminderung auf 35° und 34° verhinderte nicht den Tod aller Individuen. Nach diesem Versuch läge das Maximum um 35°. Damit stimmt auch der folgende Versuch, der zugleich zeigt, dass einzelne Individuen | frisch gehäutete ?) Horentend empfindlicher on höhere Temperatur nd, als die übrigen. 184 | August Weismann, Versuch 6. Daphnia pulex. Zahlreiche junge und sechs alte Weibchen. Zeit Temperatur | 4 U. 43 M. 130 Beginn des Versuchs. : ” = (Alle munter. 5 20 32,5 Zwei grössere Individuen liegen halb gelähmt am Bo- den, alle andern munter. 6 5 32,2 _ |Ebenso; die zwei gelähmten bewegen sich zuweilen von der Stelle. 6 20 33,4 Ebenso; alle übrigen munter. 6 34 35 Ebenso: aber alle grossen Aue am Boden des Ge- fässes schwimmend. 6 38 35,5 Alle grossen Thiere halb gelähmt am Boden, auch viele der jungen. 6 40 35,0 Alle am Boden halb gelähmt mit Ausnahme von drei jungen Thieren. 6 45 33,8 Mehrere der alten und alle jungen Thiere wieder munter. Folgender 13 Bei allmäliger Abkühlung in demselben Becherglas, Tag ohne Wasserwechsel oder Lufteinleiten, haben sich 42 U. Mitt. sechs kleine und ein altes Weibchen vollständig wie- | der erholt. In diesem Versuch Nr. 6 wurde somit die Temperatur von 32 bis 350 41/, Stunde lang ohne Schaden ertragen (mit Ausnahme der zwei besonders empfindlichen Individuen), dann begannen aber die Lähmungs- symptome schon bei 35,50 und die meisten Individuen erholten sich nicht wieder in kälterem Wasser. Daraus, dass bei längerer Dauer des Versuchs das Maximum, welches noch ertragen wird, herabsinkt, kann die Vermuthung abgeleitet werden, dass bei noch längerer Dauer das- selbe noch mehr sinken würde. Ich habe auf weitere Versuche in dieser Richtung verzichtet, weil sie nur schwierig und unsicher ausführbar wären und für die hier zu entscheidenden Fragen ohne grossen Werth sein würden. Wenn es selbst gelänge, eine Art Stunden oder selbst Tage hindurch in einer bestimmten hohen Temperatur lebend zu erhal- ten, so würde daraus noch nicht geschlossen werden dürfen, dass sie auch im Stande ist, bei dieser Temperatur als Colonie auszuhalten, d. h. sich fortzupflanzen. Es wird deshalb wichtiger sein, den Punkt zu bestimmen, bei welchem die Thiere auch bei kurzer Versuchsdauer zuerst gelähmt wer- den, also die Minimaltemperatur, bei welcher ein Abster- beneintritt. Man kann dann wenigstens soviel mit Sicherheit sagen, dass die Vernichtung einer Colonie unfehlbar eintreten muss, sobald dieses Minimum für längere Zeit erreicht wird. I Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 185 : In diesem Sinne wurde noch der folgende Versuch unternommen, der hauptsächlich darüber Aufschluss geben sollte, ob nicht Bewohner srösserer Wassermengen eine geringere Resistenz gegen Wärme zeigen. Versuch 7. Zehn Weibchen von Polyphemus theils mit Dauereiern, theils mit Brut, ferner eine Sida erystallina, mehrere Diaptomusgra- ceilis und vier Weibchen von Daphnella brachyura wurden der allmäligen Erwärmung ausgesetzt. Zeit Temperatur | Polyphemus Daphnella, Sida und Diaptomus | 9U M. 15,50 9 55 22 10 25 28 Auffallend munler, pur- | Alle schwimmen unrubig | ze!n am Boden überein- umher. ander, schiessen dann | wieder auf- und ab- 40 40 34,5 wärts u. Ss. w. 40 47 32 Kein Indiv. gelähmt. Ebenso. A 3 35 Alle noch lebhaft. Die Sida am Boden, die übrigen lebhaft. 14 7 35 Drei oder vier halb ge- | Alle Daphnellen und die lähmt am Boden. meisten Diaptomus ge- lähmt. 44 40 35 Zwei schwimmen noch umher. ZE 16 35,2 Ebenso. Mehrere Diaptomus ® schwimmennoch umher. EL 30 34,6 Ebenso, Ebenso. 42 31,5 Ebenso. Ebenso. 2 30 23 Zwei ganz munter, acht | Fünf Diaptomus ganz mun- todt. ter, die Sida und sämmt- liche Daphnellen todt. = - Zunächst geht aus diesem Versuch hervor, dass Sida und Daphnella _ zarter sind, als Polyphemus und Diaptomus, da von Letzteren mehrere "Individuen die Temperatur von 35° eine Viertelstunde lang aushielten und bei eintretender Abkühlung sich vollständig erholten, während die _ Ersteren starben. Weiter aber ergiebt sich wieder, dass auch hier bei Een härteren Arten individuelle Unterschiede vorkommen, denn von den 10 Polyphemen überlebten nur zwei, von der grösseren Anzahl von Diaptomus nur fünf. Bestimmt man das Minimum als diejenige Temperatur der auf- ‚steigenden Scala, bei welcher die Majorität der Versuchsthiere zuerst 5 lähmt wurde, und zieht man dabei nur die Versuche mit kurzer Dauer 186 August Weismann, mum für verschiedene Arten verschieden ist, und zwar, dasses fürBewohner grösserer Wassermengen niedriger liegt, als für solche kleinerer und kleinster. Folgende Tabelle giebt darüber Aufschluss. thiere eintrat. 1 2 a = D = | 2 - S S = S 2 5 a z 27 ERTB See = ei ou S =) er rn "5 > = SS =) 7 °sH# Bio 8 8 — = im = © =} Dr © . = . . ® AB A bo Au A mn A Aa A Minimum, bei welchem || 350 | 35,90 | 35,90 | 37,80 | 37,80 | 37,90 | 37,90 | 490 Lähmung für die Ma- jorität der Versuchs- Daphnella, Sida, Diaptomus gracilis und Polyphemus sind Sumpf- und Seebewohner und ertragen nicht über 35 —35,2° C., Daphnia pulex, Simocephalus vetulus sind Sumpf- und Tümpelbewohner und ertragen nicht über 37,8%, Daphnia magna und similis sind Tümpel- und Pfützen- bewohner und ertragen ebenfalls keine noch höhere Wärme, nur Moina rectirostris, eine ausschliessliche Pfützenbewohnerin stirbt erst bei 42°, Es ist daraus ersichtlich, dass eine Anpassung an die den verschie- denen Wohnorten zukommenden Temperatur-Maxima — soweit sie mög- lich war — eingetreten ist. Damit ist aber nicht gesagt, dass diese 'Anpassungsgrenze nicht auch überschritten werden könnte, d. h. dass nicht eine Temperatur vorkommen könnte, welche die Colonie ver- nichtet. Leider kann ich nicht bestimmt sagen, ob dies in unserm Klima häufig oder doch zuweilen geschieht. Der ungewöhnlich kühle und regnerische Sommer 1879 hat es mir unmöglich gemacht, Tempera- turmessungen zur Zeit der höchsten Hitze in Simpfen und Wasserlachen vorzunehmen. Es ist indessen unwahrscheinlich, dass die Vernichtung von Daphnoidencolonien durch zu hohe Wassertemperatur bei uns irgend eine Rolle bei der Fixirung ihrer Generationsfolge spielt. Sümpfe mit mehreren Fuss Wassertiefe werden wohl sehr selten oder nie bis zu 35° C. erhitzt, und Lachen oder Pfützen mögen zwar wohl diese Temperatur erreichen, trocknen dann aber auch zugleich rasch aus, so dass das Austrocknen als die definitive Vernichtungsursache anzu- sehen ist. In heisseren Ländern aber mag auch Vernichtung der Colonie durch zu heisses Wasser vorkommen, ohne dass Austrocknen nachzufolgen braucht. Für die oben angeführten speciellen Fälle plötzlichen Versch windens einer Colonie kann hohe Wassertemperatur als Ursache vollkommen aus- geschlossen werden, wie weiter unten gezeigt werden soll. | Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 187 B. Feinde. So zahlreich auch die Thiere sind, welche sich von Daphnoiden ernähren, so sehe ich doch keinen Grund zu der Annahme, dass sie allein je im Stande wären, der Vermehrung einer CGolonie so absolute Schranken zu ziehen, wie dies zu hohe oder zu niedere Temperatur, oder auch Austrocknen des Wassers thun müssen. Noch weniger scheint mir eine alljährlich sich zu bestimmter Zeit wiederholende Vernichtung gewisser Arten durch ihre Feinde irgendwie wahrscheinlich. Ich glaube dies deshalb nicht, weil die parthenogenetische Ver- mehrung aller Daphnoiden eine so ausserordentlich intensive ist, dass sie einer sehr starken Zerstörung die Waage halten muss. Eine der am langsamsten sich vermehrenden Arten ist Bythotrephes. Obgleich nun die Blaufelchen des Bodensees (Coregonus Wartmanni) sich im Sommer und Herbst beinah ausschliesslich von dieser Polyphe- mide ernähren, und man ihren Magen zu dieser Zeit vollgepfropft findet von Hunderten von Bythotrephes, so wimmelt doch der See von ihnen und ihre Zahl wächst sichtlich in enormer Proportion bis zum Eintritt des Winters. Man könnte sich wohl eine periodische Zerstörung von Daphnoiden- colonien so vorstellen, dass zu gewisser Jahreszeit gewisse Feinde Brut absetzen und dann also stärker zerstörend eingreifen. Dies ist auch thatsächlich der Fall, so z. B. beim Heranwachsen der jungen Fischbrut des Jahres, ist aber — soweit meine Erfahrungen reichen — nicht im Stande, die betreffende Daphnoidencolonie zu vernichten oder auch nur sichtlich zu verkleinern. Ein hübsches Beispiel dafür glaube ich im October 1876 in dem fischreichen Deegersee bei Lindau beobachtet zu haben. Während zu derselben Zeit in allen benachbarten Weihern und Sümpfen, in denen keine Fische gehalten werden, ungeheure Mengen von Sida crystallina 'vorkamen und zwar von jedem Alter und jeder Grösse, fehlten im Deegersee die grossen Exemplare gänzlich! Dagegen war ‚aber eine unglaubliche Menge junger Siden vorhanden. Ich wüsste keine ‚andere Erklärung für diese Erscheinung, als dass die grossen Sida-Indi- viduen hier einer starken Verfolgung durch die Fische ausgesetzt ge- wesen sind, was aber nicht die Zerstörung der Sidacolonie zur Folge hatte, dern nur eine Decimirung derselben zu Gunsten der jüngeren | Thiere. Ausser den meisten kleineren Fischen besitzen die Dapkhoiden nach reiche Feinde in niederen Thiergruppen. 188 August Weismann, Dahin gehören fast alle räuberischen Wasserinsecten und Insectenlarven, vor Allem die unzählbaren Schaaren von Ephe- meridenlarven (besonders Chloeon), welche unsere Sümpfe bevöl- kern, die Larven der Libellen und diejenigen der kleineren Dytisciden, sodann die Gyprisarten, deren räuberische Thätigkeit man in Aquarien am besten beobachten kann, und die Hydra. Auch manche Strudel- würmer sind gefährliche Feinde der Daphnoiden; wenigstens habe ich einige Mesostomum Ehrenbergi wiederholt Hunderte von Daphnia pulex in ihren Schleimnetzen fangen und dann aussaugen sehen; sie allein tödteten buchstäblich alle Daphnien des betreffenden Aquariums. Was aber im kleinen Raum eines Aquariums möglich ist, die völlige Ausroitung einer Daphniacolonie, das könnte auf dem natürlichen Wohn- orte kaum je vorkommen. Sowohl das Mesostomum, als die meisten der genannten kleinen Daphnoidenfeinde sind keine, oder doch schlechte Schwimmer und können ihre Angriffe nur von festen Punkten aus unter- nehmen , vom Pflanzendickicht des Teichgrundes oder am Uferrand, es bleibt somit immer die ganze Zone des pflanzenfreien Wassers als Zu- fluchtsort für die Verfolgten. Freilich giebt es auch ausser den Fischen noch schwimmende Feinde genug, schwimmende Phryganidenlarven, Wasserwan- zen, und vor Allem die oft in Menge auftretenden Wassermilben. Selbst Rotatorien können Daphnoiden gefährlich werden. Im Sommer 1878 fand ich eine grosse Colonie von Daphnia pulex von einer Brachionusart besetzt. Beinahe alle Individuen trugen bis zu 12 dieser relativ grossen Räderthiere auf sich. Dieselben sassen zum grössten Theil aussen auf der Haut, meist auf dem Rücken oder am Schalenrand und können da ihrem Träger wohl nicht viel Schaden an- gerichtet haben. Sie hatten sich mit dem klebrigen Secret ihrer Fuss- drüse festgeheftet, welches als grünliche, feinkörnige Masse zurückblieb, wenn das Thier sich loslöste. Ganz harmlos waren aber diese Gäste doch nicht; ich habe sie wiederholt in der Bruthöhle ihrer Wirthe angetroffen und dann waren die Eier der Daphnia zerstört und die Brachionus schienen das aufge- löste Ei zu fressen. Indessen überlebten die Daphnien ihre Gäste, denn im October fand ich nur ganz vereinzelte Brachionus noch auf ihnen. Viel gefährlichere Feinde sind Pilze und Protisten, von denen schon Leypıe !) mehrere erwähnt hat. Auch P. E. Mürter theilt mit, dass die pelagischen Daphnoiden der nordischen Seeen massenweise aneinem | 4) Naturgeschichte der Daphniden. p. 77. $ n- . 3 H 4 4 % ri 2 1 - Bi: ” a % +2 A Es E nd FR m _ Lj in x I Sax ; „7 > Ei, 7 Ra: 3 5 , B Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden, 189 Pilz (Saprolegnia) zu Grunde gehen, der sein Mycelium unter der Haut entwickelt, alle Organe mit seinen durchsichtigen Fäden bedeckt und endlich mit seinen fructificirenden Stengeln nach aussen durchbricht. Ich selbst habe mehrerlei pflanzliche oder protistische Schmarotzer bei Daphnoiden gesehen, aber nie in solcher Menge, dass an ein Ver- nichten der Golonie zu denken gewesen wäre. Am häufigsten begegne- ten sie mir im Spätherbst , was wohl einerseits mit der grossen Anzahl der Daphnidenindividuen zusammenhängt, andererseits aber auch wohl mit der allmäligen Ausbreitung der Schmarotzer im Laufe der Genera- tionen des Sommers. Im November 1878 fand ich eine Golonie von Daphnia pulex, in welcher etwa drei Individuen von je 100 von einem Pilz befallen waren, der ebenfalls seine Fäden unter der Haut hersandte. Die Thiere waren schon fürs blosse Auge leicht kenntlich an gelbrothen Massen ‚die den Darm und die Ovarien umlagerten und bis in die Füsse hineindrangen. Sie bestanden aus Klumpen zahlloser Schaaren kleiner ovaler, stark lichtbrechender Körperchen, an denen sich eine homogene bläuliche Rinde und eine feinkörnige röthliche Marksubstanz unterscheiden liess. Obgleich sich nun diese beträchtliche Liste der Daphnoidenfeinde gewiss noch erheblich vermehren liesse, glaube ich doch, dass ein Aus- rotten einer Colonie lediglich durch Feinde nicht oder nur ganz aus- nahmsweise (etwa durch Pilze in Gemeinschaft mit den übrigen Ver- - tilgern) vorkommt. Ich kenne wenigstens keinen Fall, der mit einiger Wahrscheinlichkeit so zu deuten wäre. Das oben erwähnte rasche Verschwinden einer Polyphemus- und einer Daphnellacolonie mitten im Sommer lassen diese Deutung nicht zu, wie eine nähere Analyse dieser Fälle zeigen wird. Am 9. Juni 1876 beobachtete ich in dem Büchelweiher bei Lindau eine Golonie von Polyphemus in voller geschlechtlicher Fortpflanzung ; unter der Masse von Weibchen befanden sich etwa doppelt so viele in "Dauereibildung, als mit Brut. Am Ende des Monats war die zwei- _ geschlechtliche Fortpflanzung wieder in die eingeschlechtliche überge- ‘gangen und die Zahl der Individuen hatte bedeutend abgenommen. _ Am 11. August war nicht ein einziges Individuum aufzutreiben und so _ blieb es bis zum 13. October, an welchem Tage wieder einige Jungfern- weibchen vorhanden waren. | Stünde dieser Fall allein für sich da, so wäre die Deutung einer Vernichtung durch Feinde nicht ausgeschlossen. Nun wimmelt es aber 3 zu derselben Zeit, am 1. Juli, als Polyphemus zu verschwinden begann, n derselben Stelle des Weihers von Daphnellen, die sich in ler geschlechtlicher Fortpflanzung befanden, um im Laufe des Monats 190 August Weismann, dann ebenfalls zu verschwinden, denn auch von dieser Art fand ich am 14. August an derselben Stelle des Weihers und trotz genauestem Durch- suchen nicht ein einziges Exemplar mehr und so blieb es bis in den October hinein. Wenn nun an derselben Stelle des Weihers zur selben Zeit (1. Juli) die eine Art im Niedergang, die andere im Aufgang begriffen ist, so wird man ersteren der Vernichtung durch Feinde kaum zuschreiben können, da die beiden etwa gleich grossen und gleich schwachen Arten auch dieselben Feinde haben werden. An ein Vertilgen der einen Art durch die andere ist aber deshalb nicht zu denken, weil die harmlose Daph- nella dem räuberischen Poiyphemus nachfolgte. Es mag hier gleich angeschlossen werden, dass auch allzu hohe Wärme des Wassers nicht die Ursache des Verschwindens gewesen sein kann; einfach aus dem Grunde, weil — wie die oben mitgetheilten Ver- suche lehren — Daphnella noch empfindlicher gegen hohe Temperatur ist, als Polyphemus, beide CGolonien aber am 1. Juli bei der gleichen Temperatur lebten, Polyphemus im Niedergang, Daphnella im Aufgang. Nach alle diesem wird man zugeben, dass die Annahme regel- mässig wiederkehrender, also periodischer Vertilgung durch Feinde zurückgewiesen werden muss. Die Vertilgung durch Feinde gehört also nicht mit unter die »Vernichtungsur- sachen«, in dem oben präcisirten Sinn. Dagegen mögen noch manche Einflüsse dahin gehören, deren Wir- kungen wir jetzt noch nicht recht einsehen können. So vor Allem die Veränderungen eines Wasserbeckens, welche durch die Wachsthumsperioden der Wasserpflanzen bedingt sind. Für eine Daphnidenart, welche pflanzenfreies Wasser braucht, wird ein Sumpf nur so lange die passenden Existenzbedingungen bieten, als die Pflanzen, welche vom Boden emporsteigen,, noch freien Raum übrig lassen. | Es ist mir in hiesiger Gegend oft aufgefallen, dass Golonien von Daphnia pulex, welche im ersten Frühjahr Hunderttausende von Indi- -viduen enthielten, etwas später im Jahr spurlos verschwunden waren. Derselbe Tümpel z. B., der im März 1876 Massen von Jungfernweib- chen , aber auch bereits einige Männchen und Sexualweibchen enthielt, ‚enthielt am 21. Juni desselben Jahres keine Daphnia pulex mehr. Er ; hatte sich inzwischen insofern verändert, als er statt einer offenen Wasserfläche jetzt eine dichte Decke von Wasserlinsen auf sich trug. Ich möchte vermuthen, dass das Verschwinden der Art mit dieser "Pflanzenwucherung zusammenhing. Die Vernichtung der Colonie braucht ; ja nicht directe Folge der Pflanzenwucherung zu sein, sondern mehr Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 191 eine indirecte, indem z. B. gewissen Feinden dadurch eine unbe- schränkte Macht gegeben wird; ich erinnere an das oben erwähnte Mesostomum. Viel eingreifender noch müssen solche Pflanzen wirken, welche im Laufe des Sommers ein kleines Wasserbecken geradezu ausfüllen, wie ınan dies an kleinen Sümpfen häufig beobachten kann. Die beiden Arten: Polyphemus oculus und Daphnella brachyura verschwanden so aus meinem Tümpel Nr. 4 im Sommer 1877, während die Elodea canaden- sis das Wasserbecken mehr und mehr ausfüllte und wohl ohne Zweifel in Folge dieser Wucherung, da sie in andern Jahren (auch den folgen- den) den ganzen Sommer aushielten. Die Resultate dieses Abschnittes stellen sich demnach folgender- massen: Als periodische Vernichtungsursachen für Daphnoi- dencolonien können gelten: 4) Zu niedrige Temperatur. 2) Zuhohe Temperatur (wenigstens in wärmeren Zonen). 3) Austrocknen. 1) Erstickender Pflanzen wuchs in Verbindung mit Feinden. Alle diese Momente können für bestimmte Arten mehr oder weniger regelmässig eintreten und dadurch einen Einfluss auf die Feststellung ihres Generationscyclus ausüben, wie später noch näher dargelegt wer- den soll. Möglich, dass noch ein fünftes Moment in Betracht kommt, nämlich zu hoher Salzgehalt. Doch besitze ich keine Erfahrungen über Salzwassercolonien. Fäulniss des Wassers gehört nicht hierher, da sie immer nur sporadisch, nie in allen oder den meisten Wohnstätten einer Art vorkommt und ebensowenig mit irgend welcher Regelmässig- keit eintritt. IV. Die Entwicklungsbedingungen der Dauereier. Dass die Dauereier der Daphnoiden lange Zeit, zum mindesten den Winter über entwicklungsfähig bleiben, dass sie eintrocknen und ein- frieren können, ohne darunter zu leiden, ist bekannt. Dagegen fehlte es bisher an der genaueren Kenntniss der Bedingungen, unter welchen die - volle Entwicklung des Embryos eintritt, man kannte nicht die durch- schnittliche Dauer der Latenzperiode, man wusste nicht, ob die Dauer- eier sich nicht unter günstigen Umständen auch sofort nach der _ Ablage entwickeln können und ebensowenig ob nicht die dem Ei in wohnende Tendenz zu einer Latenzperiode von bestimmter Dauer gekürzt werden könne durch irgend welche äussere Einflüsse, 192 August Weismann, Für die Beurtheilung des Daphnoidencyclus ist aber eine Kenntniss dieser Punkte wichtig. Bei polycyclischen Arten, z. B. bei Moina, bei welcher sehr bald nach Gründung der Colonie schon Dauereier abgelegt werden, handelt es sich darum, beurtheilen zu können, ob diese Eier hei längerer Dauer der betreffenden Pfütze ausschlüpfen können. Es würden dann zwei Gyclen übereinander greifen u. s. w. Ich habe nun, um mich über die Hauptpunkte, welche hier in Be- tracht kommen, ins Klare zu setzen, einige Versuche angestellt, die ich in | Kürze mittheilen will. g Ich schicke voraus, dass, soweit meine Erfahrungen reichen, die Dauereier der Daphnoiden unmittelbar nach erfolgter Befruchtung die Furchung durchlaufen, dann aber in der Entwicklung stehen bleiben, wahrscheinlich also auf dem Blastulastadium. So verhält es sich hei Bythotrephes und Polyphemus !), so nach Herrn Dr. Spenger’s brieflicher Mittheilung bei Evadne, so finde ich es auch bei Moina und Daphnia. Es fragt sich nun zunächst, ob das Stehenbleiben der Entwicklung unter allen Umständen stattfindet, und wenn dies der Fall, welches das Minimum der Latenzperiode ist. Da eine Weiterentwicklung der Embryonalanlage nur im Wasser möglich ist, so knüpft sich daran die Frage, ob eine Entwicklung der Dauereier eintritt, wenn dieselben von der Anlage anim Wasser bleiben. Bekanntlich ist Letzteres bei den Eiern mehrerer Phyllopoden nicht der Fall. Die Eier von Apus entwickeln sich nach BrAuErR nur, wenn sie vorher eingetrocknet waren und ebenso nach SpangEnBERG die von Branchipus. Bei Moina- und bei Daphnia-Arten erfolgt die Entwicklung auch ohne vorheriges Eintrocknen, wie die folgenden Ver- suche beweisen, bei welchen die Dauereier vom Moment der Eiablage bis zum Ausschlüpfen des Embryo stets unter Wasser und zwar am Boden des betrefienden Gefässes gelegen haben. 4) Ich muss meine frühere Angabe, dass die Dauereier von Polyphemus ihre Embryonalentwicklung noch nicht im Brutraum der Mutter beginnen (siehe: diese | »Beiträge« II) dahin verbessern, dass dies dennoch der Fall ist. Den Process der Furchung selbst habe ich zwar nicht beobachtet, wohl aber das Resultat desselben: die Keimbaut. Am zweiten Tag bedecken Zellen die Oberfläche des Eies, welche | sich polygonal abplatten, nicht ganz leicht sichtbar sind, aber mit voller Bestimmt- | heit nachweisbar. In diesem Zustand wird das Ei gelegt und bleibt der Keim latent. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 193 Versuch. Moina paradoxa. Dauereier Zeit des Zahl der Temperatur des E 2 Dauer der Zahl der - Wasse Ausschlüpfens | ausgeschlüpften Fatsieklon Ephippien Ablagezeit ee des Embryo Jungen 5 ? 16. Juni | ungefähr |47.bis49.Juli 3 Weibchen | 30—32 Tage ? 47. Juni 200C. 25.bis27.Julil 9 Weibchen | 37—39 Tage 3. September im Mittel |42.September| 2 Weibchen 10 Tage 30 42.bis19.No-| 10—470 |bis zum 9, Ja-| 0 Weibchen vember nuar 100 419.bis29.No- 40—470 |bis zum 9. Ja-, 0 Weibchen vember nuar Versuch2. Daphnia pulex Dauereier de Zeit des Zahl der TR Zahl der : Ausschlüpfens |ausgeschlüpften ickl Ephippien Ablagezeit Ne des Embryo | Jungen aa a 6—8 43. bis 25. 40-—450C. 42. Mai 4 Weibchen | zwischen 48 | April und 31 Tagen | Viele 4. bis 42. Juni £ 5. Juli 4 Weibchen | zwischen 30 vermuthlich und 41 Tagen 900 Viele A. bis 12. Juni Earl 20 18. Juli A Weibchen | zwischen 35 | und 47 Tagen Viele September 40—179 |22. December 27 Weibchen | zwischen 60 und bis 49. Januar und 80 Tagen October etwa 27 1. bis 7. No- 40—170 |bis zum 9. Ja-) 0 Weibchen vember nuar Diese Versuche genügen, um die beiden Thatsachen festzustellen, dass die Eier sich auch ohne Austrocknen entwickeln können, dass aber dabei die Latenzperiode nie vollständig ausfällt, wenn sie auch bedeutend abgekürzt werden kann. Bei ' Moina beträgt der kürzeste Zeitraum von der Ablage des Eies bis zum Ausschlüpfen 10 Tage (3. bis 12. September) , davon kommen auf die Embryonalentwicklung höchstens etwa 5 Tage, so dass die Latenz- periode nur 5 Tage dauerte. Obgleich die Temperatur des Wassers nieht in allen Fällen genau bestimmt wurde, so kann man doch leicht abnehmen, dass die ziemlich verschiedene Dauer der Latenzperiode nicht - von Temperaturunterschieden herrührt, sondern in den Eiern selbst ‚ihren Grund haben muss. Die Versuchsgläser wurden stets an der Nordseite eines im Sommer sehr kühlen Zimmers hinter geschlossenen Fenstern aufbewahrt. Die Wassertemperatur kann deshalb in den Mona- ‚ten Juni, Juli und Anfang September nicht über 20° C. und nicht unter C. betragen haben. Der Unterschied von der Zimmertemperatur der Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XXXIII. Bd, 43 en Au In m. #5 BE EEE EEE ee Tee 3 Ban Bu 2 5 FB en ne ae 194 August Weismann, Wintermonate (10-—17,50 C.) erscheint um so weniger erheblich, als RB: sich später zeigen wird, dass höhere Wärmegrade allein durchaus nicht im Stande sind, die Latenzperiode abzukürzen. 2 Zu einer genaueren Präcisirung der unter bestimmten Temperaturen durchschnittlich eingehaltenen Latenzdauer reichen diese Versuche nicht aus. Man wird aber aus ihnen den Schluss ziehen dürfen, dass bei E polyphyletischen Arten im Sommer ein Uebereinandergreifen zweier Cycien sehr wohl vorkommen kann, sowie dass die Entwicklung eines E zweiten Gyclus nach Ablauf des ersten auch dann eintreten kann, wenn kein Austrocknen stattfand. 5 # Ein weiterer zu entscheidender Punkt war der, ob durch Wärme- differenzen eine Abkürzung der Latenzperiode herbei- E geführt werden kann. E Dass Erhöhung der Temperatur bis 32° G. dazu nicht im Stande 2 ist, beweist der folgende Versuch, der mehrmals mit demselben nega- tiven Resultat wiederholt wurde. Versuch3. Daphnia pulex. Wintereier, welche Ende October abgelegt, und dann vom 2. bis 5 7. November getrocknet worden waren, wurden am 7. November in A einem Becherglas mit kaltem Wasser ins Wasserbad gesetzt und all- mälig bis zu 32% €. erwärmt. Die Temperatur blieb in den folgenden Tagen nicht immer constant, betrug während des Tages 25—32 C., ı sank aber während der Nacht mehrmals bis zu 20°C. herab. Bis zum 25. November schlüpfte keine Daphnia aus. Während also höhere Temperatur die Entwicklung nicht beschleunigt, erfolgt dies mit ziemlicher Sicherheit durch niedere Temperatur, wenigstens bei den Eiern von Daphnia pulex und Verwandten. Lässt man dieselben einfrieren, so entwickelm sich bei nachfolgendem Aufthauen stets einige Junge (bei Zimmertemperatur) | und zwar auch dann, wenn die getrockneten Eier noch nicht den ganzen | Winter gelegen haben. Sie verhalten sich also ähnlich, wie nach den interessanten Versuchen Brauzr’s die Eier gewisser Phyllopoden (Apus productus u. a. m.). | Es wurden mehrere derartige Versuche angestellt, so: Versuch 4. Daphnia pulex. Eine grössere Anzahl Ephippien vom Ende Ociober, welche vom 2. bis 7. November trocken gelegen hatten, wurden am 7. Novemh | N a a KR e £ er . Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 195 mit Wasser übergossen und bei Zimmertemperatur (A\0—17°9 GC.) aufbe- wahrt. Es entwickelte sich kein Junges daraus bis zum 9. Januar. Eine andere Partie Ephippien des gleichen Ursprungs, welche bis ‚zum 2. December ganz gleich behandelt worden waren, wurden am 2. und 3. December dem Frost ausgesetzt, so zwar, dass sie in ‘einen Eisklotz einfroren. Nach dem Aufthauen in Zimmertemperatur erschienen schon am 5. December fünf junge Pulexweibchen, denen am 10. noch drei nachfolgten. Versuchö5. Daphnia pulex; Simocephalus vetulus. Eine grössere Anzahl Ephippien von den beiden genannten Arten, welche in der ersten Hälfte des November abgelegt worden waren, wurden — ohne vorher getrocknet zu sein — am 18. November auf Eisstückchen gestreut, welche innerhalb 6 Stunden schmolzen. Der Versuch wurde nun in zwei Theile getheilt: / A wurde vom 48. bis zum 25. No- vember im Wasserbad auf einer Temperatur von 20—28° C. ge- halten, entwickelte aber während dieser 8 Tage keine Junge, er wurde sodann bei Zimmertempe- ratur aufbewahrt, um zu sehen, ‚ob die Eier nicht etwa abgestorben ' seien in Folge der höheren Tem- peratur; erst am 7. Januar ' sehlüpften 2 D. pulex aus. B wurde bei Zimmertemperatur auf- bewahrt und ergab: 25. November: 2 Simocephalus. 26. November: 41 D. pulex. Am 3. December wurden die Ephippien abermals dem Einfrie- ren unterworfen, thauten am 4. December wieder auf und ergaben am: 8. December: 5 D. pulex. 9. December: 6 D. pulex. 43. December: 30 D. pulex. Versuch 6. D. pulex, Ceriodaphnia quadrangula und Simocephalus vetulus. | Zahlreiche Ephippien desselben Ursprungs wie in Versuch 5 wur- ' den am 48. November ebenso auf Eisstückehen gestreut und dann das Gefäss in eine Kältemischung von Salz und Eis gestellt. Bis zum Mit- 1 tag des 19. war alles Eis geschmolzen und der Versuch wurde von nun ' an bei gewöhnlicher Zimmertemperatur aufbewahrt. Am 25. November waren ausgeschlüpft: 12 Weibchen von Simo-. 13* 196 August Weismann, cepbalus, # von Daphnia pulex und 1 von Ceriodaphnia quadrangula. Später folgte noch eine Anzahl Simocephalus nach bis zum 2. December. Aus dem Versuch 5 A wird der Schluss zu ziehen sein, dassein kurzes (Gtägiges) Austrocknen der Eier keine Abkürzung E: der Latenzperiodeherbeiführt; aus 5 B der Schluss, dass auch E ein nur 2tägiges Einfrieren die Latenzperiode sofort be- endigen kann. In Versuch 5 hatte sogar eine nur sechsstündige Einwirkung der Temperatur von 0° denselben Erfolg. Zugleich aber lehrt dieser Versuch, dass höhere Temperatu r (20—28%C.) den günstigen Erfolg des Einfrierens wieder aufhebt. Doch scheinen individuelle Verschiedenheiten der Eier ımit- zuspielen,, da in Versuch 5 B nach dem ersten Einfrieren nur 13 Junge ausschlüpften und dann ein Stillstand eintrat, der erst durch ein aber- E maliges Einfrieren gelöst wurde. Allerdings ist hier auch die Auslegung zulässig, dass der erste Frost die Eier nicht alle gleichmässig getroffen I hatte, da sie nur auf die Eisstücke daraufgestreut worden waren. Die Wirkung rascher Temperatursteigerung, wie sie durch Einfrieren und Aufthauen und Erwärmen bis zur Zimmertempe- ratur gesetzt wird, scheint nicht auf die Eier aller Arten gleich energisch zu wirken. Ich habe wenigstens Dauereier von Moina mehrfach einfrieren lassen und nachher im Laufe eines Monates © ‚keine Brut erhalten. In einem Falle schlüpfte ein Junges aus, aber auch‘ ; erst nach 16 Tagen. Ich theile diesen letzten Versuch hier mit: Versuch 7. Moina paradoxa. Etwa 30 Ephippien, vom 29. November bis 10. December abgelegt, wurden unter Wasser aufbewahrt, zuerst im Zimmer, dann am 13. De- | cember bei — 7,5% C. vor dem Fenster. Am 1A. December wurden sie | durch langsames Aufthauen wieder aus dem Eisklumpen gelöst, in den | sie eingefroren waren und bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Erst am 31. December schlüpfte ein Junges aus. Für die Eier der sumpfbewohnenden Daphninen wird aus diesen Eisversuchen zu schliessen sein, dass sie durch ein- oder mehrfaches | Einfrieren im Laufe des Winters zu sofortiger Entwicklung disponirt werden, sobald nach dem Aufthauen das Wasser sich bis auf einen ge- wissen noch nicht näher bestimmten Punkt erwärmt. Es werden also | dann binnen kurzer Zeit eine grosse Menge von jungen Thieren ihre Ei- hüllen verlassen. “ Aehnlich wie das Einfrieren scheint anhaltendes Austrock- nen zu wirken. Werden Eier, welche ein oder mehrere Jah Beiträge zur Naturgesehichte der Daphnoiden. 197 lang!) trocken aufbewahrt wurden mit Wasser von gewöhnlicher Zimmertemperatur angesetzt, so erscheinen die Jungen rasch hinter- einander, bei Moina z. B. nach 8—12 Tagen. Es kann auch dann noch Nachzügler geben; diese beruhen aber darauf, dass die ausge- trockneten und mit Luft gefüllten Ephippien, welche stets oben schwimmen, leicht aufs Trockne gerathen und ihre Entwicklung erst wieder fortsetzen, wenn sie von Neuem ins Wasser gelangen. Man wird sonach annehmen dürfen, dass auch solche Dauer- eier, welcheim Frühling oder Sommer abgelegt wurden, also niemals dem Frost ausgesetzt waren, wenn sie nur stark ausgetrocknet sind, zu sofortiger Entwicklung disponirtsind, sobald sie ins Wasser gerathen. In Bezug auf die in Ephippieneingeschlossenen Dauer- eier der Daphninen dürfen somit folgende Sätze als sichergestellt betrachtet werden: 1) Dauereier , welche im Wasser abgelegt und unter Wasser aufbe- wahrt wurden, entwickeln sich höchst ungleichmässig, zuweilen schon nach 10 Tagen, meist aber erst nach einem , zwei, drei oder noch mehr Monaten ; ebenso verhalten sich Eier, welche nur einige Tage trocken gelegen haben. Dies heisst also: dass die Dauer der Latenz- periode, soweit sie lediglich durch die Disposition des Eies bedingt wird, bedeutenden individuellen Schwan- kungen unterworfen ist. 2) Die Latenzperiode kann abgekürzt werden: a. durch vollständiges Austrocknen der Eier; b. durch Einfrieren der Eier mit nachfolgender Temperatursteigerung auf 140—17° GC. (möglicher- weise auch schon bei niederer Temperatur). 3) Die Latenzperiode wird nicht abgekürzt: a. durch unvollkommenes Austrocknen der Eier; b. durch Temperaturen über 20°C. Im Anschluss an diese Untersuchungen möchte ich hier noch auf ' ein verschiedenes Verhalten der Ephippien bei Moina einerseits und bei ' Daphnia und Verwandten andererseits aufmerksam machen, welches auf einer hübschen Anpassung zu beruhen scheint. Die Ephippien von Moina nämlich sinken stets unter, wenn | 4) Aus Schlamm, welcher drei Jahre lang trocken im Zimmer gelegen hatte nd während dieser ganzen Zeit niemals angefeuchtet worden war, entwickelten noch zahlreiche Moinen. 198 August Weismann, sie vom Thier abgestreift werden, und man findet deshalb in einem Moina-Aquarium den Boden besäet mit weissen Ephippien. Die Ephip- pien schwimmen erst, nachdem sie einmal gründlich ausgetrocknet worden sind. Die zelligen Räume zwischen den beiden Blättern des Ephippiums füllen sich dann mit Lufi. Wenn man getrockneten Moina-Schlamm mit Wasser übergiesst, so kommen alle Eier an die Oberfläche, gerade so wie bekanntlich die Eier der Phyllopoden. Ganz anders bei Daphnia und ihren nächsten Verwandten : Scapho- leberis, Ceriodaphnia und Simocephalus. Auch hier können zwar die frisch abgestreiften Ephippien zu Boden sinken und sie thun dies an gewissen Localitäten auch in Masse, aber nur dann, wenn sie nicht zuvor in Berührung mit der Luft gekommen sind. Sobald aber eine Daphnia mit ihrem Ephippium die Oberfläche des Wassers berührt hat, adhärirt die Luft an ihr — wie schon Ramponr beobachtete — und oft so hartnäckig, dass sie nicht wieder untertauchen kann. Sie häutet sich dann an der Oberfläche und das Ephippium erhält sich schwimmend. Massen von Ephippien gelangen so auf die Wasserfläche, unmittel- bar nachdem sie abgelegt wurden, wie ich sie denn auch thatsächlich nicht nur bei Daphnia-Arten, sondern in ungeheurer Menge bei Cerio- daphnia quadrangula auf der Oberfläche eines Seees zur Zeit der ge- schlechtlichen Fortpflanzung angetroffen habe. Die nächste Ursache dieser Verschiedenheit liegt darin, dass bei Moina die Eier im Verhältniss zum Ephippium grösser sind, das leichte Ephippium also von ihnen-zu Boden gezogen wird; ferner darin, dass die Luft der Moinaschale weit weniger leicht anhaftet, als der Daphnia- schale ; die tiefere Ursache aber wird man wohl darin sehen müssen, dass für Moina das Schwimmvermögen frisch abgelegter Ephippien überflüssig ist, während für Daphnia und Verwandte ein wesentlicher Vortheil damit verknüpft ist. Die Moinen leben in Pfützen und Lachen, welche immer von Zeit zu Zeit wieder austrocknen. Die am Boden liegenden Wintereier können dann mit Schlammstückchen durch Thiere aller Art verschleppt werden. Daphnia, Geriodaphnia, Simocephalus, Scapholeheris und andere be-/ wohnen zum Theil tiefere Gewässer, die nie ausirocknen; sie haben’ somit in den schwimmenden, den Vögeln sehr leicht sich anhängenden" Ephippien ein vortreffliches Verbreitungsmittel erlangt, ohne welches sie/ von vielen ihrer Wohnorte gar nicht sich ausbreiten könnten. | \ Alles bisher Vorgebrachte bezog sich nur auf die Dauereieı " derjenigen Daphnoiden, welche Ephippien network f A 2 3 PR tar Pu 2 en \ = Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 199 Wie früher 1) schon gezeigt wurde, besitzen aber die meisten Daphnoi- den keine Ephippien. Ausserhalb der kleinen Gruppe der Daphninae finden sich so künstlich eingerichtete Schutzvorrichtungen für die Eier nur noch bei einigen Lynceiden vor, doch weniger ausgebildet. Die Sidinen lassen ihre Eier ins Wasser fallen, umhüllt von einer minimalen Schicht klebrigen Stoffes , mittelst dessen sie fremden Körpern auf dem Grund anhaften, Polyphemus versieht seine Eier mit einer dickeren Gallertschicht, Leptodora, Bythotrephes und Evadne schützen sie nur durch eine dicke, doppelte hornige Schale und nur die Lynceiden zeigen wieder die Tendenz, die abgestreifte Haut des Mutterthieres als Schutz für das Ei zu verwerthen und es kommt hier zum Theil sogar zur Bil- dung von Ei-Logen. Wie verhält es sich nun mit allen jenen Eiern, welche nicht in einem Ephippium abgelegt werden? unter welchen Bedingungen entwickeln sie sich? wo gerathen sie überhaupthinund wie werden sie verbreitet? Ausser dem Wenigen, was ich selbst früher schon mitgetheilt habe, wissen wir leider darüber so gut wie Nichts; auch war ich seither nicht in der Lage, darüber weitere Beobachtungen anzustellen. Für Leptodora, Polyphemus, Sida, Dapbnella, Bythotrephes habe ich angegeben, dass sie unter normalen Verhältnissen langsam zu Boden sinken; sie sind um ein Weniges schwerer als Wasser und schwimmen nur dann an der Oberfläche, wenn sie vorher an die Luft gebracht wor- den waren. Wir dürfen also annehmen, dass sie sich meistens in den Schlamm einbetten und dort ihre Latenzperiode durchmachen. Dort werden sie in der Regel weder einfrieren, noch austrocknen, sondern im Wasser selbst ausharren und so wird auch Einfrieren und Austrocknen bei ihnen nicht den gewöhnlichen Anstoss zur Ent- wieklung abgeben können, sie werden vielmehr nach Ablauf einer ge- wissen Latenzperiode von bestimmter Dauer sich entwickeln , ähnlich wie die überwinternden Puppen vieler Schmetterlinge erst nach be- stimmter Latenzdauer sich entwickeln, und sich durch Wärme nur ‚wenig »treiben« lassen. Uebrigens können alle diese Eier unter Um- stäinden dem Eintrocknen und Einfrieren ausgesetzt werden und in vielen Sümpfen und selbst Seeen wird dies sogar oft vorkommen durch das Zurücktreten des Wassers von dem Ufer im Winter. Dass jedenfalls alle diese Arten das Eintrocknen vertragen , beweisen zuerst die oben mitgetheilten Erfahrungen, welche ich in meinen künstlichen Sümpfen an Polyphemus und Daphnella machte. Beide Arten erschienen wieder, 4) Siehe diese »Beiträge«. Abhandlung U. p. 402. Diese Zeitschr. Bd. XX VI. 146. 200 August Weismann, obgleich die Sümpfe einen ganzen Winter hindurch trocken gelegen hatten. Weiter aber schliesse ich es aus einer von Frıc !) mitgetheilten Thatsache. Viele der grossen , böhmischen Fischteiche werden alle drei Jahre ganz trocken gelegt und mit Gras und Getreide besäet. Nichts- destoweniger enthalten sie immer wieder dieselbe Daphnoiden-Fauna, wie andere Teiche, welche nie abgelassen werden. Unter ihren Bewohnern befinden sich nun gerade auch Arten mit ephippiumlosen Dauereiern, nämlich Sida erystallina, Daphnella brachyura und Leptodora hyalina. V. Zusammenfassung der gewonnenen Thatsachen. Aus vorstehenden Untersuchungen geht hervor, dass ein- und zweigeschlechtliche Generationen in verschiedener Weise bei den Daph- noiden miteinander abwechseln und dass der Modus ihres Wechselns in auffallender Beziehung zu den äussern Lebensverhältnissen steht. Je nachdem Vernichtungsursachen (Kälte, Austrocknen u. s. w.) mehr- mals im Jahr oder nur einmal oder gar nicht die CGolonien einer Art ‚heimsucht, finden wir Daphnoiden mit mehrfachem Cyclus innerhalb eines Jahres oder mit einem Cyclus, oder schliesslich sogar Arten oder wenigstens einzelne Colonien dieser Arten, welche gar keinen Gene- rationscyclus mehr erkennen lassen und wir können danach polycy- clische, monocyclische und acyclische Arten unterscheiden. Damit sind indessen die Verschiedenheiten in der Generationsfolge noch keineswegs erschöpfend bezeichnet, besonders stuft sich die Gruppe der polycyclischen Arten noch vielfach ab und zwar — soweit wir es beurtheilen können — entsprechend den feineren Abstufungen der Lebensverhältnisse, vor Allem nach dem häufiger oder weniger häufigen Eintreten von Vernichtungsursachen. Die beste und wissenschaftlich genaueste Eintheilung der verschiedenen Cyclusformen wäre nicht die eben gegebene, sondern diejenige, welcher die Zahl der ein- und zwei- geschlechtlichen Generationen zu Grunde läge, wie sie bei den ver- schiedenen Arten in ihrer Aufeinanderfolge den Cyclus ausmachen. Dazu fehlt indessen noch eine genügende Anzahl von genauen Beob- achtungen. Die polycycelischen Arten. Wenn man die Daphnoiden nach ihrem Wohnort in Pfützen-, ‚Sumpf- und See- (Meeres-) Bewohner eintheilt, so gehören alle Pfützen- 1) » Ueber die Crustaceen-Fauna der Wittingauer Teiche etc.« Sitzungsberichte d. k. b. Gesellschaft d. Wissenschaften. 4873. ei Beiträge zur Naturgesehichte der Daphnoiden. 201 und die meisten Sumpfbewohner zu den polyceyclischen Arten. Ver- steht man unter der Dauer eines Generationseyclus die Zahl der Gene- rationen vom Dau£rei bis wieder zum Dauerei, so besitzen die Pfützen- bewohner den kürzesten Cyclus, die Sumpfbewohner aber einen längeren, einige von ihnen sogar einen schon so vielgliedrigen, dass er unter ungünstigeren äussern Verhältnissen nur einmal im Jahr sich ab- spielen kann und damit eine Art, welche ursprünglich polyeyclisch ist, zur Monocyclie gezwungen wird. Die Generationsfolge der Pfützenbewohner gestaltet sich bei den beiden am genauesten untersuchten Moina-Arten am kürze- sten, denn der Cyclus, wenn man ihn in dem eben angegebenen Sinne fasst, bestünde hier nur aus zwei Generationen. Bei Moina ist nur die erste, aus den Dauereiern hervorgehende Generation rein eingeschlecht- lich, schon die folgende enthält zahlreiche Geschlechtsthiere, neben welchen aber auch noch parthenogenesirende Weibchen vorkommen. Von Letzteren geht dann die Bildung einer dritten Generation aus, die ebenfalls wieder zum grösseren Theil aus Geschlechtsthieren, zum weit kleineren aus Jungfernweibchen besteht. Noch mehrere Generationen können dann ferner aus einander hervorgehen, alle — soweit sie ver- folgt wurden — in derselben Weise zusammengesetzt. Man wird also genauer sagen müssen : der Generationscyclus dieser Arten kann schon mit zwei Generationen beendet sein, einer ersten eingeschlechtlichen und einer zweiten ein- und zweigeschlechtlichen, "welch Letzterer aber noch eine unbestimmte Reihe gemischter Genera- tionen nachfolgen kann. Es ist zweckmässig nur die ersteren als den Generationseyclus im engeren Sinn zu bezeichnen, die ganze Reihe von Generationen aber von der Gründung einer Colonie aus Dauereiern bis zu ihrem Untergang als Colonieperiode zu be- zeichnen. Offenbar entspricht dieser Fortpflanzungsmodus sehr genau den Lebensbedingungen der beiden Moina-Arten. Die erste Generation vervielfältigt sich in wenigen Tagen auf das Zehn- bis Zwanzigfache und diese neuerzeugte zweite Generation sorgt sofort für die Sicherung der Colonie durch Hervorbringung von Dauer- eiern. Schon drei Wochen nach dem ersten Regen , der die ausgetrock- net Pfütze füllte, kann die Erhaltung der Art einem abermaligen Aus- E der Colonie gegönnt wird, vermehrt die Anzahl der Dauereier, während _ zugleich ununterbrochene Jungfernzeusung für Erhaltung und Vermeh- _ rung der lebenden Individuen Sorge trägt. trocknen ai sichergestellt sein, und jede weitere Woche, welche ‚Dieser erste Fall ist zugleich der einfachste und in Bezug auf seine 202 August Weismann, Ursachen der klarste. So genau und auffallend hier auch die Beziehung zu den äussern Lebensbedingungen ist, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass ein directer Zusammenhang zwischen beiden nicht besteht, dass momentane äussere Einwirkungen auf die Ein- oder Zweigeschlechtlichkeit der Generationen ganz ohne Einfluss sind. So oft und unter welchen äussern Umständen auch die Versuche wiederholt wurden, immer zeigte sich die gleiche Art der Generationsfolge und der Schluss ist unvermeidlich, dass dieselbe hier inder Gonstitu- tion der Art selbst begründetliegt, dasssie ein füralle- mal fixirt ist und unter allen Umständen in derselben Weise eintritt. Ich betone dies besonders deshalb, weil es ein Licht auf die zweite Art der Generationsfolge wirft, die weniger scharf aus- geprägt, wechselvoller und deshalb auch schwieriger in ihren wahren Ursachen zu erfassen ist. Diese zweite Form der Generationsfolge findet sich bei denjenigen polyceyclischen Arten, welche nicht ausschliesslich die klein- sten Wasseransammlungen bewohnen, sondern vorwiegend grössere, also weniger Pfützen und Regenlachen, als tiefere Wasserlöcher, Gräben und Sümpfe. Sie unterscheidet sich von der ersten durch die Zahl der rein eingeschlechtlichen Generationen; es folgen deren mehrere aufeinander, ehe zweigeschlechtliche Fort- pflanzung eintritt. Die Zahl der eingeschlechtlichen Generationen ist offenbar je nach der Art verschieden, bei Daphnia pulex sind es deren zwei bis vier, bei Polyphemus schwerlich mehr als zwei, bei Daphnella aber wahrscheinlich wieder mehr. Von der Zahl der rein bi eingeschlechtlichen Generationen, natürlich auch von der Schnelligkeit, mit welcher sich dieselben folgen und von der Zeit, welche der ganzen Art gegeben ist, muss es abhängen , ob mehrere Generationseyelen sich = im Jahre abspielen können oder nur ein einziger. 3 Daphnella brachyura tritt im Bodensee stets nur monocyelisch, in den benachbarten Sümpfen aber oft polyeyclisch auf und es ist sehr wahrscheinlich, dass gar manche dieser Arten, welche im Süden von Deutschland die Zeit zu zwei Cyclen noch finden , im Norden nur einen Gyelus durchlaufen können. Mit Sicherheit wird man dies von den arktischen Daphnien annehmen können. Dass diese noch unter dem 80° nördlicher Breite vorkommen, ist mir aus mündlicher Mittheilung meines Freundes, Herrn Dr. Bessers, dem kühnen Theilnehmer an der Polaris-Expedition vom Jahre 1871—1872, bekannt!). Auch in Island an De all Dal ul öde da ward ze BB Een Or. 2 ah DER ig Ei han uk TS NS NR eh La wäh a EN a a EEE ER 4 nf BY: 7 A) In dem nach Abschluss des Manuscriptes erschienenen grossen Reisewerke von Enır Bessers: »Die amerikanische Nordpol-Expedition« findet ich = DE ae 4 $, u u Du Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 203 kommt eine Daphnia-Art vor, und zwar D. hyalina, die Bewohner in unserer Seeen, wie ich aus einigen isländischen Exemplaren ersehe, welche ich der Güte des Herrn von Rousczmoxt verdanke. Allerdings ist diese letztere Art auch bei uns monocyclisch. Alle Arten, welche in der vierten oder fünften Brut schon Dauer- eier hervorbringen , werden unter günstigen klimatischen und meteoro- logischen Verhältnissen zwei oder mehr Gyclen im Jahr durchlaufen können. Es wird dies zuerst vom Eintritt des Frühjahrs abhängen und von der mit ihm verbundenen bestimmten Höhe der Wassertemperatur, bei welcher die überwinierten Eier ihre Brut entlassen. Damit ist also der Anfang des ersten Gyclus gegeben und nach den oben mitgetheilten Daten über Polyphemus und Daphnella darf man vermuthen, dass dieser Anfang nicht für alle Arten gleichzeitig erfolgt, sondern dass die Dauer- eier verschiedener Arten bei verschiedener Temperatur sich entwickeln. Diese Annahme wird noch wesentlich gestützt durch die im Mai 1879 gemachte Beobachtung, dass die Sexualperioden von Daphnia pulex, Simocephalus vetulus und CGhydorus sphaericus zwar gleichzeitig in demselben Sumpfe eintraten,, die von Geriodaphnia reticulata aber etwas später und die von Daphnia longispina noch später. Die Schnelligkeit, mit welcher die Bruten einer neugegründeten Colonie aufeinander folgen, hängt wesentlich von der Wassertemperatur ab und so wird also eine zweite, wenn auch bedeutend geringere Ur- - sache der zeitlichen Schwankungen im Eintritt der Sexualperiode in den ferneren Witterungsverhältnissen liegen, welche die neugegründete Colonie treffen und man wird sich nicht wundern dürfen, wenn z. B. bei Daphnia pulex die erste Geschlechtsperiode des Jahres bald in den März, bald in den Mai oder Juni fällt, und zwar nicht nur an ver- schiedenen Localitäten während desselben Sommers, sondern auch _ an derselben in verschiedenen Jahren. Von der Zeit aber, in welcher die neuen Dauereier abgelegt werden , muss es in erster Instanz wieder abhängen, ob noch ein zweiter Cyclus beginnen kann oder nicht. Es _ wurde für die bekanntesten Sumpfbewohner gezeigt, dass ihre Dauer- eier sich auch ohne Austrocknen entwickeln, dass sie aber auch bei Aufbewahrung unter Wasser stets eine Latenzperiode einhalten, welche durch höhere Temperatur nicht abgekürzt werden kann. Es folgt _ daraus, dass auch mitten im Sommer erst nach Ablauf dieser Latenz- "Periode die Entstehung eines zweiten Cyclus möglich ist, und dessen ' neben vielen andern, höchst interessanten faunistischen Bemerkungen auch eine lotiz (p- 308), nach welcher während des Sommers sich ungeheure Mengen kleiner ster (Daphnia rectispina Kr. und Branchinecta grönlandica Verrill.) in den Land- 204 August Weismann, Realisirung wird dann wieder davon abhängen, ob zu dieser Zeit die Wassertemperatur nicht schon wieder unter das Minimum gesunken ist, bei welchem sich die Eier noch entwickeln. Aehnlich wird sich die Sache gestalten, wenn ein Austrocknen des betreflenden Sumpfes im Sommer eintritt. Da vollständiges Austrocknen der Dauereier sie zu so- fortiger Entwicklung disponirt,, so wird ein zweiter Cyclus sich stets entwickeln können, falls der den Sumpf füllende Regen nicht allzuspät im Jahre, d. h. bei einer allzu niedrigen Temperatur eintritt. Aus diesen Erwägungen geht hervor, dass der Eintritt der Ge- schlechtsperioden bei vielen dieser Arten nicht genau an bestimmte Monate gebunden sein kann, wie dies bei den monocyclischen Arten der Fall ist. In der That ist dem auch nicht so, denn auch die zweite Sexualperiode fällt bei Daphnia pulex z. B. keineswegs immer in den September, sondern oft schon in den August und nicht selten findet man Dauereibildung noch im October oder selbst November, von der ohne Beobachtung derselben Golonie während des ganzen Sommers freilich nicht zu sagen ist, ob es die zweite, oder aber vielleicht eine dritte ist. Im Allgemeinen wird man sagen können, dass der Eintritt der Geschlechtsperioden und damit zugleichdie Anzahl der Jahrescyclen um so grösseren Schwankungen aus- gesetzt sein wird, je kürzer der Cyelus und jeniedriger das Temperatur-Minimum für die Entwicklung der Dauer- eier ist. Das Erstere ist selbstverständlich, das Letztere berubt dar- auf, dass das erste flüchtige Steigen der Wassertemperatur in kleinen Wasseransammlungen zu sehr verschiedener Zeit des Frühjahrs eintre- ten kann, während eine gewisse noch höhere Temperatur vermuthlich erst nach länger anhaltender wärmerer Witterung erreicht wird, also ‘auch der Zeit nach constanter eintritt. | Es fragt sich nun, ob auch bei dieser mehrgliedrigen Form des polyeycelischen Generationscyclus die‘ Anpassung an die äussern Lebensbedingungen sich erkennen lässt. Darauf muss im Allgemeinen gewiss bejahend geantwortet werden, wenn auch von vornherein zuzugeben ist, dass diese Anpassung nicht so scharf und bestimmt bervortritt wie bei dem zweigliedrigen Cyelus von Moina. Es unterliegt keinem Zweifel, dass in sehr vielen Fällen die Wohnstätten dieser Arten im Sommer austrocknen und es kann da- gegen nicht in Betracht kommen, dass dies auch häufig nicht geschieht, | denn Anpassungen können immer nur ad majorem partem geschehen, | die grössere Zahl der Fälle entscheidet, ob es für die Erhaltung der Ar nothwendig ist, oder nicht, dass schon nach der dritten, vierten od n Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 205 fünften Generation Dauereier gebildet werden. Gerade deshalb aber, weil die Majorität entscheidet, fehlt uns ein bestimmtes Urtheil, ob im einzelnen Fall wirklich eine Anpassung vorliegt oder nicht und wir werden sicherer gehen, wenn wir aus der Kürze des Cyelus schliessen, dass die Mehrzahl der Colonien der betreflenden Art einem sommer- lichen Austrocknen unterworfen ist, als wenn wir umgekehrt versuchen wollten abzuschätzen, ob wirklich in der Mehrzahl der Fälle ein Aus- trocknen stattfindet, und danach zu entscheiden, ob die kurze Dauer dieser Gyclen auf Anpassung beruht. Diese Sumpfbewohner sind des- halb zu einem förmlichen Beweis, dass die Cyclusform auf Anpassung an die Lebensverhältnisse beruht, am wenigsten geeignet. Erspriesslicher erscheint es, sich zu vergegenwärtigen, welcherlei Verhältnisse hier überhaupt in Betracht kommen. Zuerst ist nicht aus dem Auge zu verlieren, dass die Gliederzahl des Generationscyclus sich _ nur im Laufe langer Zeiträume fixirt haben, dass sie deshalb auch im Allgemeinen keinem raschen, dem augenblicklichen Wohnort ent- sprechenden Wechsel unterworfen sein kann. Wenn wir z. B. sehen, dass Polyphemus in den Sümpfen am Nordabhang der Alpen einen sehr ' kurzen und deshalb häufig doppelten Generationscycelus durchmacht, obgleich in dem feuchten Sommerklima der dortigen Gegend ein Aus- trocknen der Sümpfe meist nicht eintritt, so ist zu bedenken, dass die Art weit verbreitet sein und sich z. B. iu den Sümpien Ungarns oder Italiens andern Lebensbedingungen gegenüber sehen mag!). Ferner kommt in Beiracht, dass das Austrocknen nicht der einzige sommerliche Vernichtungsfactor einer Daphnidencolonie ist, sondern wie in dem Abschnitt über die » Vernichtungsursachen« dargelegt wurde, deren noch andere vermuthet werden müssen: Zu hohe Tempera- tur des Wassers (in wärmeren Gegenden) und Ausfüllung des freien Wassers mit wuchernder Pflanzenmasse. Wenn sich aber schon das Austrocknen einer statistischen Be- handlung vorläufig noch entzieht, so noch vielmehr diese Factoren. Wir müssen uns deshalb für jetzt damit begnügen, wahrscheinlich ge- macht zu haben, dass die kurzen Generationscyclen der SumpfbewohneraufAnpassung andie durchschnittliche kurze Dauer der ihnen gegönnten Lebensperioden oder Golonieperioden beruhen. Nehmen wir dies einmal als erwiesen an, so wird sich aus den grossen Schwankungen, welchen diese Colonieperioden besonders für “ 4) Ueber die Verbreitung dieser Art in den genannten Ländern habe ich keine Angaben finden können. 206 August Weismann, die Bewohner kleinerer Wasserlöcher, Gräben u. s. w. unterworfen sind, eine weitere durch Beobachtung gefundene Eigenthümlichkeit dieser mehrgliedrigen Cyclusform verstehen lassen, ich meine das über mehrere Generationen zerstreute Erscheinen der Sexual- thiere. In den Züchtungsversuchen mit Daphnia pulex traten Ge- schlechtsthiere nicht selten schon in der vierten Generation auf, häufiger in der fünften und sechsten, zuweilen aber auch schon in der dritten, wenn auch nur in späteren Bruten derselben. Dies heisst mit andern Worten, die Generationen Il—-VI sind gemischte, sie bestehen zum Theil aus Jungfern, zum Theil aus Geschlechtsthieren, und zwar so, dass in Generation Ill nur ganz vereinzelt Geschlechtsthiere enthalten sind, in IV deren mehrere, in V und VI aber dieselben die Mehrzahl ausmachen. Öperirt man nur mit kleinen Individuen-Mengen, so kann es leicht geschehen, dass man weder in der dritten, noch der vierten Generation ein Geschlechtsthier erhält, während diese Wahrscheinlich- keit keine Geschlechtsthiere zu erhalten in Generation V und VI nur gering ist. Offenbar entspricht dieses allmälige Anwachsen der Dauereibildung sehr wohl den Schwankungen im Eintritt der Vernichtungsperioden. Die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes einer solchen schon in der dritten Generation ist sehr gering, dementsprechend auch die Anzahl der Ge- schleehtsthiere dieser Generation u. S. w. Noch eine andere auffallende Erscheinung lässt sich auf Grund der bisherigen Erfahrungen erklären, während sie auf den ersten Blick ein Einwurf gegen die Theorie zu sein scheint. Es ist dies die Un- gleichheit in der Intensität der Sexualperioden bei diesen polycyclischen Arten. In der Regel findet man auf der Höhe der Geschlechtsperiode bei Daphnia pulex dieimmense Majoritätaller Weibchen gleich- zeitig in geschlechtlicher Fortpflanzung, in andern Fällen aber nur eine geringe Minorität. Das Letztere verlangt eine Erklärung und ich möchte sie darin sehen, dass die Entwicklung der Colonie aus Wintereiern nicht gleichzeitig, sondern während eines längeren Zeitraums stattgefunden hat. Es besteht dann streng genommen die betreffende Colonie nicht aus einem, sondern aus vielen über- einandergreifenden Generationscyelen, und die Folge muss sein, dass auch die Sexualperioden dieser Separateyclen nicht zusammenfallen, sondern gewissermassen hintereinander herlaufen. Damit stimmt die Thatsache, dass schwache Spexualperioden | immer sehr lange andauern, starke dagegen nur verhältnissmässig kurz; damit stimmt weiter, dass solche schwache, man könnte sagen ver- Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden.. 207 zettelte Sexualperioden gewöhnlich (soweit meine Beobachtungen reichen) zweite Sexualperioden sind. So wurden in Tümpel I vom 45. October 1876 bis Ende Januar 1877 fortwährend eine kleine Minorität von Ge- ' schlechtsthieren neben einer grossen Ueberzahl von Jungfern weibchen | beobachtet und diese Thatsache würde sich gut verstehen lassen, wenn man annehmen dürfte, dass die im Mai 1876 massenhaft producirten Dauereier ihre jungen Thiere nicht genau zur gleichen Zeit, sondern ganz unregelmässig hintereinander entlassen hätten. Diese Annahme hat nun durchaus nichts Bedenkliches, insofern die Versuche gelehrt haben, dass das Ausschlüpfen der Wintereier von Daphnia von mancherlei Umständen derart abhängig ist, dass daraus ganz wohl eine grosse Ungleichheit der Entwicklung resultiren kann. Ein Theil der abgelegten Ephippien schwimmt auf der Oberfläche, ' ein anderer sinkt unter. Der Letztere nun lässt schon nach den oben angeführten Versuchen ein sehr ungleiches Ausschlüpfen der: Jungen vermuthen, da die Eier zu einer ziemlich verschiedenen Länge der Latenzperiode disponirt zu sein scheinen. Bei dem Ersteren aber kommt ' es daraufan, wie bald und wie vollständig die ans Land getriebenen ' Eier austrocknen und dann wiederum, ob sie nach der Austrocknung plötzlich alle auf ein Mal etwa durch einen heftigen Gewitterregen wieder ins Wasser geschwemmt werden, oder aber durch kurze und ' schwache Regen in mehreren kleinen Partien. Im letzteren Fall wird _ auch das Ausschlüpfen der Jungen nicht gleichzeitig erfolgen können. Sobald also nicht der ganze Tümpel austrocknet, hängt es von mancherlei Zufälligkeiten ab, ob die Entwicklung der Dauereier mehr oder weniger gleichzeitig erfolgt, von der Witterung, von den localen Terrain- verhältnissen, von der steilen oder flachen Beschaffenheit der Ränder des Sumpfes u. s. w. Anders steht die Sache bei vollständigem Austrocknen des ganzen Tümpels. Da hierdurch die Latenzperiode abgekürzt wird, werden sich alle Eier gleichzeitig entwickeln müssen, sobald derselbe sich von ' Neuem mit Wasser füllt, und dasselbe wird nach den oben mitgetheilten Eisversuchen eintreten müssen, wenn die im Eis eingefrorenen Eier im - I Frühjahr frei und höherer Wärme ausgesetzt werden. 1% Im Allgemeinen wird man deshalb erwarten müssen, dass die Sexualperiode des ersten Jahrescyclus eine zeitlich concentririere sein ' wird, als die zweite und es scheint in der That bei Daphnia pulex sich ' so zu verhalten. | FE An solchen Localitäten freilich, welche ein Ueberwintern einzelner @ ungfernweibchen gestatten, muss auch das Bild der Frühlings-Sexual- )eriode in seiner Reinheit getrübt werden. Nach den oben mitgetheilten 208 Angust Weismann, Versuchen 18 und 49 muss geschlossen werden, dass die Nachkommen solcher überwinterter Weibchen auch wieder in geschlechtliche Fort- pfanzung eintreten können. Eine solche zweite Sexualperiode ein und desselben Gyclus braucht aber durchaus nicht mit derjenigen des neuen, im Frühling begonnenen Cyclus zusammenzufallen. Die Verhältnisse liegen hier complieirter, als bei irgend einer an- dern Gruppe und es werden noch viele Versuche und Beobachtungen zu ihrer völligen Klarlegung erforderlich sein. Die monocyclischen Arten. Der Generationscyclus ist hier immer ein vielgliedriger, ınd zwar beginnt derselbe mit einer grösseren Zahl eingeschlechtlicher Gene- rationen, der sodann gegen Ende der warmen Jahreszeit die Ge- schlechtsgenerationen folgen. Diese bilden in den meisten Fällen den Abschluss des Gyclus, nur wenn die Sexualperiode wie bei Daphnia hyalina sehr früh fällt (Ende August), folgt noch eine Anzahl vorwiegend eingeschlechtlicher Generationen nach. Die Zahl der eingeschlecht- lichen Generationen ist noch für keine Art genau bestimmt wor- den, doch muss sie jedenfalls für die verschiedenen Arten eine ver- schiedene sein. Man kann dies schon aus der verschiedenen Länge der . eingeschlechtlichen Periode schliessen, wenn man zügleich die ver- schiedene Fortpflanzungsgeschwindigkeit mit in Betracht zieht. So verlässt die junge Sida (in den Sümpfen) vermuthlich schon Ende April das Winterei, während die Sexualperiode erst in der Mitte des October beginnt. Die rein eingeschlechtliche Periode dauert somit volle sechs Monate. | Daphnia hyalina findet sich schon Mitte April im Bodensee und zwar bereits trächtig; ihre Sexualperiode beginnt aber schon Mitte August, so dass die Dauer der eingeschlechtlichen Fortpflanzung etwa vier Monate beträgt. Bythotrephes schlüpft Anfangs April aus dem Ei und pflanzt sich dann bis in den October, also volle sechs Monate lang rein eingeschlechtlich fort. Leptodora endlich verlässt bei uns wohl Anfang Mai das Ei (wenn nicht — wie im Lago maggiore!) — schon im 4) Ich möchte bei dieser Gelegenheit nicht unerwähnt lassen, dass sich meine früher geäusserte Vermuthung, die Leptodora werde sich in allen oberitalienischen Seeen finden, inzwischen bestätigt hat. Mein Freund, Herr Professor Pavzsı in Pavia, hat dieselbe kürzlich im See von Como, Lugano, Varese, Monate, Comabbio, Ghirla und im Albaner See bei Rom nachgewiesen; dagegen schien sie im Lago Trasimeno | zu fehlen. Von Bythotrephes wurden einige Exemplare im Comersee gefunden; höchst wahrscheinlich wird derselbe aber auch in den übrigen Seeen der Südalpen = Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 309 April) und tritt im September in geschlechtliche Fortpflanzung, die aber erst im October ihren Höhepunkt erreicht. Die eingeschlechtliche Periode dauert also hier drei bis vier Monate. Eine Abschätzung der Zahl der eingeschlechtlichen Generationen ist sehr schwer, da die Schnelligkeit der Fortpflanzung je nach der Tempe- ratur des Wassers eine sehr verschiedene ist. Doch wird man vielleicht für Sida mindestens 20 Generationen annehmen dürfen, für Daphnia hyalina mindestens 12, für Bythotrephes vielleicht 40, für Leptodora wohl nur 6 oder 7. Ein strieter Beweis, dass bei diesen Arten immer dieselben Generationen die Geschlechtsthiere enthalten, lässt sich somit für jetzt nicht führen, doch liegt auf der Hand, dass das ungemein regelmässige Eintreten der Geschlechtsperiode in ganz bestimmten Monaten sehr zu Gunsten dieser Auffassung spricht. Es kann durchaus nicht über- raschen, dass hier dieselbe Generationszahl in jedem Jahr fast genau um das nämliche Datum herum erscheint, denn es liegt in der Natur des Wohnortes, dass auch der Anfang des CGyclus in jedem Jahr sehr genau in die nämliche Zeit fallen muss. Die betreffenden Arten sind sämmtlich Seebewohner und die Temperatur solcher grösserer Wassermassen hebt und senkt sich all- ‚ Jährlich fast genau in der gleichen Weise. Wohl ist Sida cerystallina auch Bewohnerin grösserer Sümpfe und Weiher, sie ist aber auch in Seen nur Uferbewohnerin und wird deshalb an beiderlei Orten so ziem- lich ähnlichen Temperaturverhältnissen unterworfen sein. Jedenfalls sind die jäbrlichen Schwankungen im Eintritt der für Entwicklung der Wintereier erforderlichen Minimaltemperatur in einem grösseren Sumpf oder Weiher sehr unbedeutend gegenüber denjenigen in einem kleinen Graben oder Wasserloch, wie solche den Hauptaufenthalt z. B. der Daphnia pulex bilden. In Letzteren kommt die directe Sonnenwirkung wesentlich in Betracht, während grössere Wassermengen doch nur der mittleren Lufttemperatur langsam nachfolgen. Dass sich bei den bis jetzt genannten monocyclischen Arten die Monoeyclie als Anpassung an die Lebensverhältnisse auffassen lässt, bedarf keiner besonderen Erläuterung. Die Thatsache wenigstens liegt leben. Danach besitzt wenigstens Leptodora eine sehr weite nordsüdliche Verbrei- tung von den skandinavischen bis zu den mittelitalienischen Seeen, eine Thatsache, die es wohl ausser Zweifel setzt, dass auch bei dieser Art mit nackten, des Ephip- Piums entbehrenden Dauereiern eine Verschleppung Letzterer durch Vögel stalt- n findet. Die Untersuchungen von Pavezsı siehe in »Rendiconti del R. Istituto Lombardo Serie II. Vol. XIl, fas. XI—XIl. »Nuova serie di ricerche della fauna pelagica nei ıl italiani«e. 4879. hrift f. wissensch. Zoologie. XXXIH. Bd. Ah 210 August Weismann, vor, dass alle diese Arten im Winter aussterben und in den Monaten Januar, Februar und März im See fehlen. Warum sie im Winter aus- sterben, ist eine weitere Frage, deren Beantwortung nicht so einfach ist, als sie scheint, wie oben in dem Abschnitt über die Vernichtungs- ursachen zu zeigen versucht wurde. Die Temperatur der ‘oberfläch- lichen Schichten des Seees sinkt auch in den Monaten Januar und Februar nicht unter 5° C. und bei dieser Temperatur pflanzt sich Daphnia pulex z.B. noch sehr gut fort und Bosmina longispina lebt thatsächlich den ganzen Winter durch im See. Es bedürfte also genau genommen ersi des experimentellen Nachweises, dass die übrigen See-Daphnoiden eine so niedrige Temperatur nicht vertragen, oder sich wenigstens bei der- selben nicht fortpflanzen, ehe man das Aussterben derselben auf die Temperaturverhältnisse zurückführen könnte. Mag nun aber die winterliche Seetemperatur directe oder indirecte Ursache des Aussterbens sein, die Thatsache des Aussterbens steht fest und somit muss auch die dem Untergang der Golonie unmittelbar vor- hergehende Bildung der Dauereier als eine Anpassung an das allwinter- liche Aussterben aufgefasst werden. Wohl aber ist man berechtigt zu fragen, warum bei einzelnen Arten die Sexualperiode dem Verschwinden der Artnicht unmittelbar vorhergeht, sondern noch eine ganzeReihe voneingeschlechtlichen Generationen folgt, denen höch- stensnoch einige Sexualthiere beigemengt sind? Dies kommt von den in Betracht gezogenen Arten nur bei Daphnia hyalina vor, bei welcher die Sexualperiode schon Ende August ihren Höhepunkt erreicht, während Jungfernweibchen noch bis in den Novem- ber hinein den See bevölkern. Ich halte diese Erscheinung für eine sehr interessante, weil ich glaube, dass sie auf vergangene Lebensperioden dieser Art zurück weist. Aus den jetzigen Lebensverhältnissen der Art lässt sie sich jedenfalls nicht erklären, denn es liegt auf der Hand, dass es für die Art weit nützlicher wäre, wenn ihre Dauereibildung wie die der übrigen un- mittelbar vor die Vernichtungsperiode fiele. So wie es jetzt ist, gehen alle Jungfernweibchen, welche noch nach der Sexualperiode auftreten, für die Erhaltung der Art einfach verloren. | Eine Erklärung des jetzigen Thatbestandes bietet sich nun m doppelter Weise. Beiden Erklärungsweisen liegt dieselbe Voraussetzung | zu Grunde, dass das zu frühe Eintreten der Sexualperiode auf der Vor- geschichte der Art beruhen muss, darauf also, dass die äusseren Lebens= | verhältnisse der Vorzeit einen kürzeren Cyclus erforderten, als er jetzt. nöthig wäre. F Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 211 Es fragt sich dabei nur, wie weit man zurückzugehen hat. Hat dieselbe Daphnia hyalina etwa schon zur Eiszeit gelebt und hat die Ver- mehrung der Glieder ihres Cyclus seitdem nicht vollständig gleichen Schritt gehalten mit der Verlängerung des Sommers? oder müssen wir noch weiter zurückgehen und in dem relativ kurzen Cyclus ein Erb- stück der sumpfbewohnenden Daphnia-Arten sehen ? Mag nun die eine oder die andere Erklärung die richtige sein, immer wird man die geschlechtlichen Nachzügler, welche den letzten Generationen des Jahres beigemischt sind, als ein Zeichen auffassen dürfen, dass die Sexualperiode in einer Verschiebung gegen den Winter hin begriffen ist. Es wäre zu einer sichereren Beurtheilung erwünscht, Beobachtungen aus einer Reihe von Jahren und aus mehreren Seeen zu haben, wie sie ein einzelner Beobachter zu geben nicht im Stande ist. Es ist nicht unmöglich , dass der ebenfalls sehr frühe Beginn der Sexualperiode bei Leptodora (September) in ähnlicher Weise zu erklären ist, nur dass bei dieser das Ende der Sexualperiode bereits so weit als irgend möglich gegen den Winter hin vorgeschoben erscheint (Novem- ber, December). Am günstigsten liegt die Geschlechtsperiode bei Sida und Bythotre- phes, nämlich Ende October und November, d. h. zu derjenigen Zeit, in welcher die Individuenzahl der CGolonie ihre grösste Höhe erreicht ‚ hat, somit also auch die grösste Anzahl von Dauereiern gebildet werden muss. Allerdings läuft aber bei Bythotrephes eingeschlechtliche Fort- pflanzung ununterbrochen neben der geschlechtlichen her. Noch im December finden sich einzelne Jungfernweibchen mit Brut und man ‚ könnte auch diese Thatsache als den Versuch eines noch weiteren Vor- ' schiebens der Sexualperiode deuten. Bei Sida verschwinden die Jungfernweibchen im November voll- ständig und man findet alle Weibchen in Wintereibildung. Dies stimmt vollkommen zu der Beobachtung, dass die Siden beim ersten Frost ver- schwinden, denn diese Art muss sowohl in den im Winter wasser- armen Sümpfen als in den Seeen unter die Eisdecke gerathen, weil sie nur die Ufer bewohnt. Ein weiteres Hinausschieben der Sexualperiode gegen den Winter hin ist also hier nicht möglich. Es wurden bisher blos die sicher als monocyclisch erkannten "Arten ins Auge gefasst. Diese sind alle Bewohner von Teichen, Seeen oder grösseren Sümpfen. Es ist sehr wohl möglich, dass noch eine An- ‚zahl von Lynceiden hierher gehört, sowie von Lyncodaphniden, die nicht ‚ausschliesslich Bewohner solcher grösserer Wasseransammlungen sind. Die eigenthümliche, dem Grunde der Gewässer angepasste Lebensweise vieler dieser Arten legt die Vermuthung nahe, das sie im Stande sind 14, * 212 August Weismann, | auch in grossentheils ausgetrockneten oder von Pflanzen erfüllten Sümpfen auszudauern, wo Sida und verwandte Formen zu Grunde gehen müssten. 3. Acyclische Arten, Wenn wir schliesslich bei Bosmina- und CGhydorus- Arten ein gänzliches Zurücktreten der Sexualperioden beobachten , so ist auch dieses vom Standpunkt der Nützlichkeit aus zu verstehen, insofern diese Arten auch im Winter ausdauern und sich fortpflanzen,, somit also für 4 die Fortdauer einer einmal bestehenden Colonie der Dauereier entbehren können. Ob freilich aus einer ununterbrochen andauernden partlıeno- genetischen Foripflanzung nicht schliesslich Schäden irgend welcher Art entstehen müssen, darüber kann vorläufig noch nicht abgesprochen werden; zuerst wird genauer festzustellen sein, in welchem Maasse überhaupt die geschlechtliche Fortpflanzung bei diesen Arten geschwun- den ist, ob etwa immer nur local, oder an verschiedenen Wohnorten 7 in verschiedenem Grade, oder ob bei einzelnen Arten überall. und fast vollständig. Bei CGhydorus sphaericus ist die Acyclie jedenfalls nur an bestimmten Oertlichkeiten zur Ausbildung gelangt, an den meisten Wohnstätten der Art haben sich die Sexualperioden ungeschwächt er- halten. Man wird voraussagen können, dass Letzteres an allen solchen Wohnorten bleibend der Fall sein wird, an welchen Vernichtungsperio- | den eintreten. Eine Abschwächung der geschlechtlichen Fortpflanzung durch Kreuzung mit rein eingeschlechtlichen Colonien wird nicht oder kaum je eintreten können, da den Letzteren die zur Verbreitung beinah unentbehrlichen Dauereier fehlen. : Die hauptsächlichsten der bisher gewonnenen Resultate lassen sich etwa in folgende Sätze zusammendrängen: 1) Das Auftreten von Geschlechtsthieren im Gene- rationscyelus der Daphnoiden wird nicht durch momen- tan wirkende äussere Ursachen hervorgerufen. 2) Dasselbe ist vielmehr ein fest bestimmtes, und | zwar gebunden an bestimmte Generationen und Bruten. 3) Diese zweigeschlechtlichen Generationensindbei | verschiedenen Arten verschiedene, bei manchen Arten | ist schon die zweite Generation zweigeschlechilich, bei | andern erst die dritte bis sechste, bei noch andern etwa die zehnte, zwölfte oder selbst zwanzigste. m. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 213 4) Somit ist der Generationscyelus nicht für alle Daphnoiden der gleiche, sondern unterscheidet sich vor Allem durch die verschiedene Anzahl der den Ge- schlechtsgenerationen vorhergehenden eingeschlecht- lichen Generationen. 5) Allen Gycelusformen gemeinsam ist nur die Zu- sammensetzung der ersten Generation, welche überall rein eingeschlechtlich ist. 6) Die Geschlechtsgenerationen könnenneben männ- lichen und weiblichen Geschlechtsindividuen noch eine grössere oder geringere Zahl von eingeschlechtlich sich fortpflanzenden Jungfernweibchen enthalten, nicht bei allen Daphnoiden aber gehen die Geschlechtsweibchen unter natürlichen Verhältnissen nach der Hervorbrin- gung von Dauereiern zur Parthenogenese über. | 7) Die Vertheilung der beiden weiblichen Fortpflan- zungsweisen auf zweierleilndividuenist eine verschie- den scharfe, je nach Generation und nach Art; dieerste Generation aller Arten vermehrt sich niemals auf ge- sehlechtlichem Wege und bei einigen Arten sind die als _ Jungfernweibchen geborenen Individuen aller Gene- ' rationen unfähig zur Hervorbringung befruchtungsbe- dürftiger Eier |Moina), wie auch umgekehrt bei einzelnen Arten (Polyphemus) Geschlechtsweibchen immer nur be- fruchtungsbedürftige Eier hervorbringen und nicht spä- ter zur Parthenogenese schreiten. 8) Eine indirecte Abhängigkeit der CGyclusform von den äussern Lebensverhältnissen äussert sich dadurch, dass die Anzahl der den Geschlechtsperioden voraus- gehenden eingeschlechtlichen Generationen um sokleiner ist, je häufiger durchschnittlich die Colonien der be- treffenden Art von Vernichtungsperioden heimgesucht werden und andrerseits um so länger, je seltener Ver- nichtungsperioden eintreten; solche Arten, welchen regelmässig nureinmalim Jahre dieLebensbedingungen entzogen werden (durch die Winterkälte) haben den längsten Eycelus, Arten, welche sehr häufig der Vernichtung (durch ‚ Austrocknen, Kälte u. s. w.) ausgesetztsind, haben einen sehr ‚kurzen Cyelus; imersteren Fall kann sich nur ein Cyclus E Jahrabspielen, im Letzteren deren zwei oder mehrere 'onocyclische und polycyclische Arten. 214 August Weismann, 9) Bei einzelnen Arten, welche Orte bewohnen, die ihnen das ganze Jahr hindurch Existenz und Partheno- genese ermöglichen, ist durch gänzlichen Ausfall der Geschlechtsthiere die eyclische Fortpflanzung zur acy- clischen geworden — acyclische Arten. VI. Die Entstehung der cyclischen Fortpflanzung bei den Daphnoiden. Die Generationsfolge der Daphnoiden beruht auf einem Wechsel geschlechtlicher und parthenogenetischer Fortpflanzung, jedoch nicht so, dass aus der einen immer die andere unmittelbar hervorginge, dass also ein Alterniren beider Vermehrungsarten stattfände,: vielmehr so, dass zwar aus der Geschlechtsgeneration stets eine parthenogenetische her- vorgeht, aus einer parthenogenetischen aber nicht immer wieder eine geschlechtliche, sondern sehr häufig wieder eine parthenogenetische. Diese Thatsache ist von Bedeutung, weil sie von vornherein zeigt, dass der Wechsel der Fortpflanzungsweise unabhängig ist von der thatsächlich vorhandenen Verschiedenheit der beiderlei Eiarten, der parthenogenetisch sich ent- wickelnden (agamen, Lussock) und der befruchtungsbedürf- tigen. Diese Verschiedenheit ist meistens eine erhebliche und beruht, ausser auf der fehlenden oder vorhandenen Befruchtungsbedürftigkeit, auf Unterschieden der Form, Grösse und chemischen Zusammensetzung, sowie der Hüllenbildung. In der Beschaffenheit und den Schutzhüllen des Eies, zuweilen 5 9 auch in besondern Begattungsvorrichtungen (Bythotrephes, Evadne) andererseits in den mehr oder weniger complicirten Einrichtungen eines Brutraums sind die anatomischen Unterschiede der beiderlei Weibchenformen begründet, welche die beiden Eiarten hervorbringen. Es giebt jedoch Daphnoiden,, bei welchen jeder sicht- bare Unterschied fehlt (Sida) und somit die physiologische Eigenthüm- lichkeit, agame oder befruchtungsbedürftige Eier hervorzubringen , der einzige Unterschied zwischen beiderlei Weibchen ist. Aber selbst bei solchen Arten, deren Dauereier Schutzhüllen von Seiten des weiblichen Körpers erhalten (Ephippien), oder deren agame Eier sich mit Hülfe eines Nährbodens entwickeln, sind diese Unterschiede häufig nur vorüber- gehende, da dieselben Individuen zuerst geschlechtlich, dann par- thenogenetisch sich fortpflanzen können. Bleihende Bauverschieden- heiten finden sich nur da, wo ein Theil der Weibchen ausschliess- lich der sexuellen Fortpflanzung obliegt, ein anderer ausschliesslich der parthenogenetischen. Absolut scharf scheint aber diese Arbeits- Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 95 theilung nur bei wenigen Arten (Polyphemus) durchgeführt zu sein, bei andern (Moina) sind zwar die Jungfernweibchen niemals zur ge- schlechtlichen Fortpflanzung befähigt und auch die Geschlechtsweib- chen verharren unter normalen Verhältnissen bei der Production von Dauereiern, allein unter abnormen Verhältnissen (bei Männchenmange)l) vermögen sie doch zur Parthenogenese überzugehen. Für die grosse Mehrzahl der Daphnoiden gilt somit der Satz, dass die Jungfern- und die Geschlechtsweibchen sich durch keinerlei bleibende anatomische Merkmale unterscheiden, vielmehr nur durch vergängliche, d.h. solche, wie sie als Begleiterscheinungen der einen oder der andern Fortpflanzungsweise auftreten. Diese selbst muss natürlich in letzter Instanz auch auf anatomischen Unterschieden beruhen, auf Unterschie- den im Bau des Ovariums, in der Anordnung der Keimzellen — sie sind aber zu feiner Natur, um für jetzt schon überall und in ihrer ersten Anlage erkannt zu werden. Die beiden: Eiarten unterscheiden sich aber nicht blos in ihrer physikalischen und chemischen Beschaffenheit, sondern auch in der _ Entwicklung ihres Embryo. Bei allen Daphnoiden treten die agamen Bier sofort nach dem Austritt aus dem Ovarium die Embryonalent- wicklung an und vollenden sie ohne Unterbrechung im Brutraum der Mutter. Ebenso allgemein bleibt die andere Art von Eiern, die befruchtungsbedürftige, in ihrer Embryonalentwicklung stehen, nachdem sie das Blastulastadium erreicht hat; das Ei wird sodann gelegt und macht nun eine Latenzperiode durch, nach deren Ablauf es sich erst zum Embryo vollständig ausbildet. Die Begriffe agame Eier und be- fruchtungsbedürftige decken sich also mit denen von Subitan- eiern!) (Sommereiern) und Dauer- oder Latenzeiern (Wintereier). | Es verdient dies wohl hervorgehoben zu werden, denn es ist keines- wegs selbsiverständlich, wie sogleich gezeigt werden soll. Der Generationscyelus besteht nun in einer verschieden langen Reihe von eingeschlechtlichen Generationen, denen dann mehr oder weniger ausschliessliche Geschlechtsgenerationen folgen, d. h. Gene- 1) Es war gerade für die vorliegende Untersuchung unerlässlich , eine Bezeich- R nung für die agamen Eier zu bilden, weiche an die sofortige (subitus) Entwick- lung erinnerte und als Gegensatz zu den mit Latenzperiode sich entwickelnden Dauereiern (= Latenzeiern) dienen konnte. Continuirlich und discon- tinuirlich sich entwickelnde Eier würde den Begriff noch schärfer aus- drücken, wäre aber sprachlich allzu schwerfällig gewesen. Es kommt doch auch bei enen Wortbildungen weniger darauf an, den Begriff möglichst vollständig uszudrücken, als vielmehr ein handliches Wort zu haben, das einigermassen an n Begriff anklingt und nicht allzu barbarisch gebildet ist. 216 August Weismann, rationen, welche beide Geschlechter enthalten und deren weibliche Individuen Dauereier hervorbringen können. Es wird nun gefragt, wie ist dieser Generationscyclus entstanden, aus welchen Ursachen, in welcher Folge der Erscheinungen? Die Frage lässt sich auflösen in eine Reihe von Unterfragen, deren erste wohl die sein muss: Ist überhaupt die cyclische Fort- pflanzung bei den Daphnoiden selbst entstanden, oder ist sie ihnen von ihren Stammformen schon übermittelt worden? | Ohne Zweifel haben die Daphnoiden mit den Phyllopoden gleiche Wurzel, ja es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie sogar die direcien Abkömmlinge eines Zweiges der Phyllopoden sind, der Estheriden !); die Uebereinstimmung im Bau zwischen Letzteren und den Daphniden sensu strictiori ist so gross, dass man die Annahme eines directen genetischen Zusammenhanges nur schwer zurückweisen kann. Es muss daher bedeutsam erscheinen, dass gerade die Estheriden keine Spur einer cyclischen Fortpflanzung besitzen. Von allen Phyllopoden hat nur die Gattung Artemia eine Andeutung davon, indem bei ihr zweier- lei Eier vorkommen, wie bei den Daphnoiden : Subitaneier und Latenz- eier; weder bei dem nächstverwandten Branchipus, noch bei Apus werden Subitaneier gebildet und die oben gestellte Frage kann demnach bestimmt dahin beantwortet werden, dass die cycelische Fort- pflanzung der Daphnoiden nicht überkommen, sondern erst in und mit dieser Ordnung erworben ist. Wenn nun weiter gefragt wird, wie, von welchem Aus- gangspunktausistdiecyclische Fortpflanzung der Daph- noiden entstanden, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Anstoss dazu von der Eibildung ausgegangen ist, von der Differen- zirung der weiblichen Geschlechtsproducte nach zweierlei Richtung in: Sommereier und Wintereier, agamische (parthenogenetische) und sexuelle (befruchtungsbedürftige), Subitaneier und Latenz- eier (Dauereier). Wie diese vielen Namen für dieselbe Sache schon ee ist der Unterschied zwischen beiden Eiarten ein doppelter: die agamen° Eier sind zugleich Subitaneier, d. h. sie durchlaufen sogleich die ganze Embryonalentwicklung, die Latenzeier bedürfen zugleich der Befruch- tung, um sich entwickeln zu können. Dass diese vier physiologischen Eigenthümlichkeiten sich auch in anderer Weise combiniren können, 1) Vergleiche: CLaus, Untersuchungen zur Erforschung der genealogischen | Grundlage des Crustaceensystems. Wien 1876. ägag Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 34-7 beweisen die Phyllopoden. Die Gattungen Apus und Limnadia erzeugen, wie die meisten Phyllopoden, nur eine Art von Eiern, nämlich Latenz- eier, diese können aber sowohl parthenogenetisch sich entwickeln, als auf Befruchiung hin; bei Apus sogar bei ein und derselben Art, hei Limnadia jedenfalls wenigstens bei verschiedenen Arten. Der Weg- fall der Befruchtung kann somit nicht das Moment sein, welches die Subitanentwicklung bedingt, und umege- kehrt die Befruchtung nicht das Momeni, welches die Latenz bedingt. Weiter besitzen zwei Artemia-Arten, A. salina und fertilis zweierlei Eier, Subitaneier und Latenzeier und beide können sich sowohl parthenogenetisch entwickeln, als nach Befruchtung! Ersteres ist durch von SıesoLD für Artemia salina festgestellt worden !), Letzteres durch denselben Forscher für Artemia fertilis?2). Ob die letztere Art sich auch parthenogenetisch fortpflanzt, ist allerdings noch ungewiss, und umgekehrt fehlt noch der sichere Nachweis, dass bei Artemia salina beide Eiarten befruchtungsfähig sind, dies ist aber für die hier ins Auge gefasste Frage gleichgültig, es genügt zu wissen, dass bei zwei nächst- verwandten Arten die beiden Eiarten einmal parthenogenetisch, das andere Mal geschlechtlich entwicklungsfähig sind. - Füge ich noch hinzu, dass die Dauereier von Limnadia Hermanni sich — wie es scheint — der Befruchtung gänzlich entwöhnt haben, während die von Limna- “dia Stanleyana Claus und von L. africana Brauer, sowie die von ' Branchipusarten durchweg befruchtungsbedürftig sind, so wird der ‚ obige Satz hinreichend belegt erscheinen. Es wird zugleich aus den angeführten Thatsachen hervorgehen, - dass der Gegensatz in der Natur des Eies, um dessen Erklärung es sich hier zunächst handelt, nicht der ist: befruchtungsbedürftig oder nicht, parthenogenetisch oder nicht, sondern Subitanentwicklung oder Latenz. Ich glaube, dass man bisher allzu sehr den Wechsel von einge- ‚ schlechtlicher und sexueller Fortpflanzung in den Vordergrund gestellt hat, offenbar unter dem Einfluss der Thatsachen des Generationswechsels ‘wie er von Hydrozoen und Trematoden bekannt war. Dort ist ja in der That der Wechsel von ungeschlechtlichen und geschlechtlichen Genera- ‚tionen das Wesentliche der eyclischen Fortpflanzung und bei den Hydro- ‚zoen liegt sogar die Annahme nahe genug, dass der Generationswechsel ‚aus der Arbeitstheilung am Stock hervorgegangen sei, sei es nun durch = 4) v. SIEBOLD, »UÜeber Parthenogenesis der Artemia salina«. Münchn. Sitzungs- ‚berichte. 1873. p. 168. Via 218 August Weismann, Umwandlung der Geschlechtsorgane in Geschlechtsindividuen, oder auf dem umgekehrten Weg, oder auf beiden. So gelangte man unwillkürlich zu der Vorstellung, als sei jeder Generationswechsel nothwendig mit einem Wechsel von geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Fortpflanzung verbunden und fand diese An- schauung durch die Daphnoiden nur von Neuem bestätigt. Dennoch bedingt die cyclische Foripflanzung, als solche durchaus nicht schon diesen Wechsel der Entwicklungsmomente des Eies, wie wir aus den bisher bekannt gewordenen Fällen von Heterogonie er- fahren haben. Beim Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge zeigen ‚die periodisch mit einander abwechselnden Generationen prägnante ; Verschiedenheiten, die Fortpflanzung aber erfolgt in jeder Generation - durch Eier und diese sind nicht nur völlig gleich, sondern entwickeln sich auch stets nur nach erfolgter Befruchtung und genau in der näm- lichen Weise. Wenn deshalb auch vollständig zugegeben werden darf, dass CY- clische Fortpflanzung gerade von dem Wechsel ungeschlechtlicher und geschlechtlicher Vermehrung ausgegangen sein kann und in vielen Fällen wirklich ausgegangen ist, so wird es doch nicht erlaubt sein, aus dem Umstand, dass in einem bestimmten Fall von cyelischer Fortpflanzung der Wechsel der Generationen mit geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Vermehrung zusammenfällt, den Schluss zu ziehen, dass die geschlechtliche oder ungeschlechtliche Ver- ‘mehrung auch hier das wesentliche Moment der eyeli- schen Entwicklung sei, dass sie den Ausgangspunkt für dieselbe gegeben habe. E: Bisher war es unentschieden, ob nicht eine grosse Zahl von 3 Sommereiern bei den Daphnoiden befruchtet werde, trotzdem sich die- selben auch ohne Befruchtung entwickeln können. Erst jetzt, nach- dem für gewisse Arten (Bythotrephes, Evadne) eine Begattung der Jungfernweibchen als unmöglich nachgewiesen wurde !), sind wir be= rechtigt, das Vorkommen einer Befruchtung für die Subitaneier minde- stens dieser Arten in Abrede zu stellen und daraus mit einiger — Wahrscheinlichkeit den Schluss zu ziehen, dass auch bei den übrigen 2 Arten eine Befruchtung dieser Eiart nicht rk Käme sie aber doch vor, wenn auch nur in einzelnen Fällen, wo bliebe da ein prineipieller Unterschied zwischen den beiderlei Genera- tionen, falls man denselben eben in der Ungeschlechtlichkeit oder Ge- schl&chtlichkeit finden wollte? Niemand wird übrigens in Abrede 4) Siehe oben bei: Bythotrephes und Evadne. a 4 - F Beiträge zur Natnrgeschichte der Daphnoiden. 219 stellen wollen, dass man sich den Generationswechsel der Daphnoiden ganz wohl mit der Veränderung vorstellen könnte, «dass auch die Sommereier befruchtet würden; er bliebe dennoch ein Wechsel von Generationen, welche sich in wesentlichen Punkten genau so unter- schieden, wie sie sich heute unterscheiden. | Wenn also auch die eingeschlechtliche Fortpflanzung bei den Daphnoiden ihren Grund und ihre Bedeutung haben muss und eine Er- klärung verlangt, so glaube ich doch nicht, dass auf ihr die eyclische Fortpflanzung hier beruht, ich glaube vielmehr, dass sie von den Fähig- keiten der beiden Eiarten ausging, sich sofort oder erstnach einer Latenzperiode zu entwickeln. Die oben nebeneinander gestellten Thatsachen über die Fortpflanzung der Phyllopoden werden diese An- sicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Die zunächst zu beantwortende Frage formulirt sich also so: Hatten die Urdaphnoiden Sommereier oder Wintereier, Subitaneier oder Latenzeier? Die Antwort findet sich leicht. Einmal besitzen die Phyllopoden mit einziger Ausnahme von Artemia nur Latenzeier, speciell die Esthe- riden nur Latenzeier ; dann aber ergiebt eine einfache Erwägung der Lebensbedingungen,, dass Daphnoiden kaum irgendwo und irgendwann ohne Dauereier hätten existiren können. Höchstens die Bewohner nie austrocknender Seeen in tropischem Klima vermöchten solcher auf die Länge zu entbehren und ich habe oben in einzelnen Bosmina-Arten solche Formen nachzuweisen gesucht, welche durch ihre Fähigkeit, bei niederer Temperatur auszudauern, selbst in unserm Klima sich nicht ausschliesslich, aber doch vorwiegend durch Subitaneier erhalten. Nun ‚ist aber zu bedenken, dass die Daphnoiden wohl schon bei ihrer Ent- stehung Süss- oder wenigstens Brackwasser-Bewohner waren, dass sie somit hauptsächlich in geringeren bis ganz gerinsen Wasseransamm- lungen lebten, welche in warmem Klima dem häufigen Austrocknen, in kaltem dem Einfrieren ausgesetzt waren. Schliesslich kommt noch dazu, dass auch für die Verbreitung der Arten (von einem Süsswasser zum andern) die Hervorbringung von Dauer- oder Latenzeiern fast un- erlässlich, jedenfalls aber ein so ungeheurer Vortheil war, dass er sicherlich nicht wieder aufgegeben wurde, wenn er einmal erwor- ' ben war. em Wir werden deshalb mit grosser Bestimmtheit annehmen dürfen, dass die von den Estheriden überkommenen Dauereieran- fänglich die einzigeEiform der damals noch nicht cyeli- chen Urdaphnoiden bildeten. - Natürlich wäre es ein nutzloser Wortstreit, wenn man hier ent- | u 220 August Weismann, gegenhalten wollte, dass diese Urdaphnoiden ohne cyclische Fortpflan- zung eben noch keine Daphnoiden gewesen wären. Auf den Namen kommt es nicht an, es handelt sich nur darum festzustellen, dass die Formenreihe, welche von den Estheriden zu den heutigen Daphnoiden führte, anfänglich noch die einfache Fortpflanzung der Estheriden be- sessen haben muss. Dass die Latenzeier der Phyllopoden selbst wieder erworben, nicht aber von Alters her überkommen sind, ändert daran Nichts. Es ist selbstverständlich, insofern die continuirliche Entwicklung des Embryo, wie sie heute noch die meisten Thiere be- sitzen, ohne Zweifel das Primäre ist, die Einschiebung aber einer Latenzperiode mitten in die embryonale Entwicklung hinein auf An- passung an bestimmte Lebensverhältnisse beruht. In Bezug auf die Daphnoiden ist es gleichgültig, zu welcher Zeit die Latenzeier bei den Phyllopoden entstanden sein mögen, nur darauf kommt es an, dass siebeidenselben vorhanden waren, als dieUrdaphnoiden sich von ihnen abzweigten. Es mag hier gleich festgestellt werden, dass diese Urdaphnoi- den mit Dauereiern zweigeschlechtlich gewesen sein müssen; ihre Eier waren befruchtungsbedürftig. Dies folgt nicht nur daraus, dass heute noch die Dauereier aller Daphnoiden befruchtungsbedürftig sind, sondern vor Allem daraus, dass alle Phyllopoden-Gattungen Männchen besitzen und dass selbst die Eier solcher Arten, welche Parthenogenese aufweisen, doch immer auch befruchtungsfähig sind {Apus). Limnadia Hermanni scheint darin eine Ausnahme zu machen, da aber Limnadia africana und Stanleyana : E x rg ; I Männchen besitzen, so müssen auch bei L. Hermanni früher Männer vorhanden gewesen sein. Die Parthenogenese muss eine später erwor- bene sein. Wenn nun also die Urdaphnoiden lediglich eine Art von Eiern hervorbrachten und zwar befruchtungsbedürftige Dauereier , so fragt es sich, wie aus oder neben diesen sich die zweite Art von Eiern entwickelt hat, die Subitaneier? zuerst ist zu entschei- den: aus welchen Motiven? Wenn man die Fortpflanzung eines Apus oder Branchipus mit der einer Daphnia vergleicht, so wird man über den Nutzen der Subitan- eier nicht lange im Unklaren bleiben. Je grösser die Anzahl der eier- bildenden Individuen einer Colonie ist, um so grösser wird auch die Zahl der Eier und um so grösser die Sicherung der Existenz für die Colonie, sowie die Wahrscheinlichkeit ihrer weiteren Ausbreitung. Bei den Urdaphnoiden harrten sämmtliche Eier, welche von einer Colonie’ Y abgelegt wurden, so etwa wie heute bei Apus oder Limnadia — in Beiträge zur Naturgeschiehte der Daphnoiden. 221 latentem Zustand auf dem Boden der Gewässer aus, und überdauerten dort die durch Trockene oder Frost aussterbende CGolonie. Wenn nun — etwa durch Besiedelung neuer Wohnorte, oder durch klimatische Ver- änderungen — die Vernichtungsperiode durchschnittlich später eintrat, als vorher, so resultirte daraus eine Verlängerung der Zeit, welche je einer Colonie zum Leben und zur Fortpflanzung gegönnt war — der Golonieperiode. Sobald eine Verlängerung dieser Golonieperiode eintrat, war da- mit die Möglichkeit gegeben, dass der ersten Generalion noch eine zweite unmittelbar nachfolgte. Darin muss ein Vor- ibeil gelegen haben , weil dadurch die Anzahl der von der Colonie pro- ducirten Dauereier ungemein vermehrt wurde. Sobald aber darin ein Vortheil lag, muss auch Jdie Tendenz aufgetreten sein, die Latenzperiode der von der ersten Generation producirten Eier abzukürzen, weil da- durch die jungen Thiere der zweiten Generation um so mehr Aussicht _ erhielten, noch zur Fortpflanzung zu gelangen. Diese Erwägungen beruhen keineswegs aul blossen Hypothesen. Die Einrichtung der Dauereier, wie wir sie bei den Phyliopoden vor- finden, hat in erster Linie ihren Grund in der durchschnittlichen Kürze der Colonieperioden, welche diesen Thieren vermöge ihrer Aufenthalts- orte gegönnt ist. Eine alte Beobachtung von BeneDict Pr£vost!) zeigt mir, dass auch heute noch die Kürze dieser Periode der Colonie zu- weilen den Untergang bringt, ehe sie Zeit halte, Eier hervorzubringen. Nach diesem Beobachter entwickeln sich die Eier von Branchipus zu- weilen schon nach kurzen ‚Regengüssen und die jungen Thiere gehen dann lange vor ihrer Geschlechtsreife durch das rasch erfolgende Aus- trocknen der Pfützen zu Grunde. Auch durch einiretenden Frost soll dasselbe erfolgen können. Bei solchen Lebensbedingungen ist es gewiss vom grössten Vortheil, dass die Eier alle Dauereier und dass ihre Latenzperiode möglichst lang ist. Prevost giebt an, dass die Eier — wenn sie unter Wasser aufbe- wahrt werden — sich zwar entwickeln, aber erst nach 4—7 Monaten. “ Dadurch wird verhindert, dass bei mittlerer Dauer der Golonieperiode die Jungen ausschlüpfen und dann durch Austrocknen der Pfützen zu ” 4) B. Pr£evost, M&m. sur le Chirocephale, publicirt in Jurıne’s Hist. des Mono- eles, Geneve 1820. Dort heisst es p. 236: »s’il survient, pendant la secheresse, quel- es pluies de peu de duree, les oeufs Eclosent aussitöt et le petit perit des que umidite vient A manquer. (est ce qui arriva ici en d&cembre 4804«... und 222. August Weismann, Grunde gehen. Auf der andern Seite ist es vom grössten Vortheil, dass eingetrocknete oder eingefrorene Eier (ebenso wie bei den Daphnoi- den) sich unmittelbar nach dem Anfeuchten entwickeln, da auf diese Weise die Colonieperiode so viel als irgend möglich ausgenutzt wird. _ Ueberhaupt leuchtet es ein, dass, wenn einmal die Entwicklung des Embryo begonnen hat, eine möglichst rasche Entwicklung im Interesse aller dieser Arten mit beschränkter Colonieperiode liegt. Wir finden deshalb auch bei Allen eine relativ ungemein rasche Ent- wicklung und frühe Fortpflanzung. Doch muss diese Beschleunigung der Entwicklung ihre Grenzen haben und diese werden verschieden sein je nach der Complicirtheit des Baues, nach der ab- soluten Grösse, kurz nach der Constitution der Art. Dies führt auf die Daphnoiden zurück. Offenbar ist auch die Dauer einer Colonieperiode eine relative Grösse, d. h. dieselbe, z. B. einen Monat lang ausdauernde Pfütze kann für die eine Art mit rascherer Entwicklung eine lange Colonieperiode darstellen, für die andere mit langsamerer Entwicklung eine kurze. Eine Verlängerung der Golonialperiode wird somit nicht nur durch wirkliche Verlängerung derselben erzielt werden können, sondern auch durch Abkürzung der Entwicklung der betreffen- den Arten. Nun ist aber thatsächlich die Entwicklungsdauer der Daphnoiden eine bedeutend kürzere, als die der Phyllopoden, hauptsächlich wohl durch Wegfall der Metamorphose und in letzter Instanz durch Ver- kleinerung des Körpers und Vereinfachung des Baues. Wir werden also somit zu der Ansicht geführt, dass die Möglichkeit einer mehrglied rigen, unmittelbaren Generationsfolge während einer Colonieperiode wesentlich nicht durch Wechsel des Wohnortes oder klimalische Ver- änderungen geschaffen wurde, — wie ich oben vorläufig annahm — sondern durch Umwandlungen der Thiere selbst, welche mit Abkür- zungen der Entwicklung verbunden waren. Gerade dadurch, dass der Bau der Phyliopoden sich in den der Daphnoiden allmälig umformte, | kam eine relative Verlängerung der Colonieperiode zu Stande und wurde ein mehrgliedriger Generationscyclus möglich. Die Vermuthung | wird nicht voreilig sein, dass in diesen Verhältnissen sogar eines der | wesentlichsten Momente lag, welches die Ordnung der Daphnoiden ins Leben gerufen hat. Die Vereinfachung des Baues, die Abkürzung der Metamorphose und damit der ganzen Entwicklung einerseits und die Einschaltung von | Subitangenerationen andererseits wird sich somit gleichzeitig und ent- % sprechend gesteigert haben. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 223 Stellen wir nun aber die Frage, auf welche Weise die Umwandlung der althergebrachten Latenzeier in Subitaneier zu Stande kam, so giebt es nur die eine Antwort darauf: durch Naturzüchtung. Wir können uns den Gang des Ausleseprocesses hier sehr leicht vorstellen. Die oben mitgetheilten Versuche über die Entwicklungsbedin- sungen der Daphnoiden-Dauereier haben gezeigt, dass bei ein und der- selben Art die Dauer der Latenzperiode eine sehr ungleiche ist. Wenn die Eier unter Wasser aufbewahrt werden — und nur davon kann hier die Rede sein — betrug die Latenzperiode bei Moina paradoxa 10 bis 43 Tage, bei Daphnia pulex von etwa 20 bis etwa 80 Tagen. Diese Schwankungen konnten nicht auf Verschiedenheiten der äusseren Ent- wicklungsbedingungen zurückgeführt werden, sie müssen also in der _ Constitution der Eier selbst ihren Grund haben. Eine bedeutende Variabilität der Latenzperiode muss auch bei den Dauereiern der heu- tigen Phyllopoden bestehen, da Pr£vosr dieselbe für Branchipus dia- phanus auf —7 Monate angiebt. Die Grundlage jeden Ausleseprocesses: individuelle Varia- bilität, ist demnach hier in reichlichem Maasse vorhanden und wir können uns leicht vorstellen, wie zuerst nur bei einem Theil der her- vorgebhrachten Eier die Latenzperiode mehr und mehr abgekürzt wurde, bis sie schliesslich ganz ausfiel, d.h. zu Sommer- oder Subitan- eiern wurde. Wir können auch bestimmen, welche Eier zuerst auf diese Weise in Sommer- oder Subitaneier umgewandelt wurden, näm- lich die zuerst gereiften, weil diese am meisten Aussicht hatten, noch vor dem Eintritt der Vernichtungsperiode zur Geschlechtsreife und zur Fortpflanzung zu gelangen. Wohl gleichzeitig ist ein geringer Grad von Brutpflege entstanden. Es gehörten dazu keine grossen anatomischen Umwandlungen, da ja ‚ schon bei den Estheriden die Eier eine Zeit lang unter der Schale auf- bewahrt werden. Es wird somit zuerst eine Generationsfolge entstanden sein, wie wir sie heute bei Artemia fertilis vorfinden. Diese producirt nach VON SIEBOLD zuerst ein Mal Subitaneier oder, wie man gewöhnlich sagt: »sie ist zuerst ein Mal vivipar« dann aber folgen nur noch Dauereier. Je mehr nun die relative Länge der Colonieperiode zunahm oder — was dasselbe ist — je mehr die Entwicklung vom Ei bis zum ge- seblechtsr eifen Thier sich verkürzte, um so weiter musste der auf Aus- lese beruhende rssindinneisnröcess der Eier voranschreiten. So wer- den nacheinander auch der zweite, dritte, vierte Eiersatz der ersten 6 neration sich in Subitaneier esse wandelt haben und wir können auf se Weise uns einen zweigliedrigen Gyclus entstanden denken, dessen | | 224 August Weismann, erste Generation nur Subitaneier, die zweite nur Latenzeier bervor- bringt; die erste stammt aus Dauereiern, die zweite aus den von der ersten Generation in mehreren Sätzen geborenen Subitaneiern. Be- zeichnet man die Weihchen der ersten Generation nach der Eiart, welche sie hervorbringen,, als Subitanweibchen, die der zweiten Generalion in entsprechender Weise als Latenzweibcehen, so hätten wir also hier einen Cyclus, in welchem stets Subitan- und Lätenzweibchen miteinander abwechseln. Ich kenne keinen Fall, der diesem theoretisch construirten ganz gleich käme, es müsste denn sein, dass einzelne Colonien von Artemia salina, etwa die von Leypie in Gagliari beobachtete Colonie einen solchen Gyclus besässe !). Geht man aber noch einen Schritt weiter, so gelangt man wieder zu Verhältnissen, wie sie heute noch thatsächlich vorkommen. Nimmt man nämlich an, dass die Verhältnisse für manche Arten so lagen, dass zwar zuweilen die Vernichtungsperiode schon in der zwei- ten Generation eintrat, häufiger aber erst später, so wird es für die Er- haltung der Art vortheilhaft gewesen sein, wenn die Fähigkeit, Subitan- eier zu erzeugen, sich auch noch auf die zweite Generation übertrug. Die Uebertragung selbst wird man sich durch Vererbung begünstigt und dadurch beschleunigt vorstellen dürfen. Trotzdem wird keine voll- ständige Umwandlung der gesammten zweiten Generation in Subitan- weibchen eintreten können, so lange die äussern Lebensbedingungen die angenommenen sind. So lange es noch öfters vorkommt, dass die Vernichtungsperiode schon in der zweiten Generation eintritt, kann diese zweite Gereration sich nicht ganz auf die Hervorbringung von Subitaneiern beschränken, weil dann bei jeder CGolonie ein völliges Aus- ‚sterben ohne Hinterlassung von Dauereiern von Zeil zu Zeit eintreten E“ müsste, mitbin die Existenz der Art in Gefahr käme. Es wird somit nur ein Theil der zweiten Generation die Eigenschaft annehmen, Subitaneier hervorzubringen , der andere Theil wird bei der alten Gewohnheit der Latenzeier beharren. Wir gelangen damit zu der Art der cyclischen Fort- pflanzung wie wir sie heute bei den pfützenbewohnen- den Moina-Arten vorfinden: die erste Generation produeirt nur Subitaneier, die zweite vorwiegend Latenzeier, daneben aber auch noch Subitaneier und zwar sind die Individuen streng getheilt in solche, die nur Latenzeier und solche, die nur Subitaneier hervorbringen, also — wenn der kurze Ausdruck erlaubt ist — in Latenz- und Subitanweibchen. A) LEYDIG,, »Ueber Artemia salina und Branchipus stagnalis. Diese Zeitschr! Bd. Ill. p. 280. a N ur 3 : Beiträge zur Naturgesehichte der Daphnoiden. 225 Sobald nun in der zweiten Generation Subitanweibchen auftraten, konnte auch noch eine dritte Generation folgen, wofern nicht der Eintritt der Vernichtungsperiode dieselbe abschnitt und in dieser dritten Gene- ration musste sich wiederum derselbe Kampf wiederholen, der früher in der zweiten stattfand. So kam es auch in der dritten Generation zu einer Spaltung in Subitan- und Latenzweibchen, wobei wiederum — wie die Erfahrung bei Moina zeigt — die Letzteren ganz bedeutend überwiegen. Wir können die Lebensbedingungen solcher Arten nicht so genau beurtheilen, um abschätzen zu können, warum dies der Fall seın muss, wir können nur im Allgemeinen verstehen, dass das Zahlen- verhältniss zwischen beiden davon abhängen wird , ob die Wahrschein- lichkeit baldiger Zerstörung der Colonie grösser ist, oder die längerer Dauer, d. h. ob bei den meisten Colonien von Moina die Zerstörungs- periode in die zweite, dritte, vierte u. s. f. Generation fällt. Da es immer einzelne Golonien giebt, die unter besonders günstigen Verhält- nissen leben, so dass hier eine sehr lange Reihe von Generationen auf einander folgen kann, so ist es auch erklärlich, warum in jeder folgen- den Generation von Moina immer wieder einzelne Subitanweibchen enthalten sind, denn so lange das Leben in der betreffenden Pfütze überhaupt möglich ist, so lange ist es auch vortheilhaft für die Art, dass ‚ neue Generationen den absterbenden nachfolgen. Ob schliesslich eine Generation folgt, die nur aus Latenzweibchen besteht, ist mir bisher noch nicht gelungen mit voller Sicherheit festzustellen; die Colonie würde dann mit diesen aussterben, ihr Wiederaufleben wäre aber durch eine grosse Masse von Latenzeiern völlig gesichert. Ich sehe in der Fortpflanzung der Moina die älteste Form des 'Daphnoidencyclus, welche uns erhalten ist; nur die erste ' Generation besteht ausschliesslich aus Subitanweibchen, alle andern ent- halten daneben , meist sogar in überwiegender Menge Latenzweibchen. Es hält nun nicht schwer aus dieser Form des Cyclus alle übrigen, wie sie bei den Daphnoiden vorkommen, abzuleiten und ich kann mich in dieser Beziehung kurz fassen. Alle Arten, deren Wohnort ein sehr rasch erfolgendes Austrocknen u. s. w. ausschliesst, werden keiner Ge- fahr ausgesetzt worden sein, wenn sie nicht schon in der zweiten Ge- "neration Latenzeier hervorbrachten. Die Tendenz der ersten Genera- ‚tion, ihre Fortpflanzungsweise auf die zweite Generation zu vererben, ‘wird von Seiten der Naturzüchtung begünstigt worden sein, es werden somit in der zweiten Generation bald alle Weibchen ausschliesslich Subitaneier producirt haben oder — wie man es auch ausdrücken kann — es werdenallmäligalle Latenzweibchen aus dieser neration ausgemerzt worden sein. chrift f. wissensch. Zoologie. XXXIII. Ba. | j 15 226 August Weismann, In dieser Weise wird sich der Process weiter fortgesetzt haben, nach der zweiten wird die dritte, nach der dritten die vierte von dem- selben Einfluss betroffen worden sein und so wird genau in dem Maasse, als die Dauer der Golonieperiode wuchs, auch eine Generation nach der andern in reine Subitangenerationen umgewandelt worden sein. Auf diese Weise entstanden Cyclen, wie der von Daphnia pulex, bei welchem nur die erste und zweite Generation lediglich aus Subitan- weibchen besteht, die dritte daneben schon Einige Latenzweibchen ent- hält, die dann in der vierten, fünften und sechsten Generation sehr be- deutend an Zahl zunehmen. Es ist klar, dass eine Generation, welche zuweilen schon von der Vernichtungsperiode überfallen wird, die Latenzweibchen nicht gänz- lich eliminiren darf, sie wird derselben aber um so weniger bedürfen, je seltener dieses Ereigniss sie trifft. Dies erklärt die verschiedene Mischung der einzelnen Generationen, in welchen die Zahl der Latenz- weibchen mit der Generationszahl zunimmt (Daphnia pulex). Offenbar kann sich die Erzeugung von Latenzeiern auf eine um so kürzere Zeit concentriren, je weniger der Eintritt der Verniehtungsperioden hin und her schwankt. Bei allen Arten also, welche grosse Wassermassen bewohnen, Seeen, Teiche, grosse und tiefe Sümpfe, bei welchen in der Regel erst der Frost die Vernichtung der lebenden Colonie herbeiführt, werden Dauereier erst _ im Herbst produeirt zu werden brauchen und da die Anzahl der von einer CGolonie producirten Dauereier um so grösser ist, je mehr Indivi- duen sich an ihrer Hervorbringung betheiligen, da ferner die Zahl der Individuen um so-mehr anwächst, je mehr Generationen unmittelbar auf einander gefolgt sind, so wird es also von Vortheil sein, wenn die Latenzweibchen aus allen Generationen elimi- nirt werden, in denen sie nicht unbedingt nothwendig sind. Erst kurz vor dem Eintritt der Vernichtungspe- riode, d.h. im Herbst, oft erst im Spätherbst, treten bei solchen Arten die Latenzweibchen auf, dann aber auch so massenhaft, dass die vorletzte Generation schon zum grossen Theil, die letzte beinahe ganz aus Latenzweibchen besteht. Die letzte denkbare Steigerung dieses Ausmerzungsprocesses der Latenzweibchen besteht darin, dass sie nun auch in der letzten Jahres- generation verschwinden. Das kann nur eintreten, wenn die Lebens- bedingungen das ganze Jahr hindurch günstig sind und, wie oben ge- zeigt wurde, ist dies bei einigen Arten wirklich der Fall; einige Bosmina- arten, ein Chydorus, haben wirklich (wenigstens in einzelnen Al % Colonien) die alljährlich wiederkehrende, regelmässige Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 3237 Hervorbringung von Dauereiern aufgegeben; sie pflanzen sich dasganze Jahrhindurch durch Subitaneier fort. Da- mit ist dann zugleich der Generationscyclus wieder zur einfachen acyclischen Fortpflanzung zurückgekehrt. Ein Punkt wurde bei der bisherigen Betrachtung noch ganz ausser Acht gelassen, dass nämlich mit der Entstehung der Subitaneier zu- gleich Wegfall der Befruchtung, Uebergang der zweigeschlechtlichen zur eingeschlechtlichen Fortpflanzung verbunden ist. Die Latenz- eier sind hier zugleich die befruchtungsbedürftigen, die Subitaneier entwickeln sich parthenogenetisch. Wenn es sich bei der Einführung von Subitaneiern in die Fort- pflanzung der Daphnoiden vorwiegend darum handelte, die Anzahl der Individuen , welche zuletzt durch Production von Latenzeiern die Fort- dauer der Art sicher stellen, nach Möglichkeit zu vergrössern, so lässt sich das Wegfallen der geschlechtlichen Fortpflanzung gerade bei den Subitangenerationen leicht aus demselben Gesichtspunkt verstehen. Denn wenn bei geschlechtlicher Fortpflanzung nur etwa die Hälfte aller Individuen Eier hervorbringt, nehmen bei der eingeschlecht- lichen alle Individuen Theil an der Eiproduction. Sobald es also mög- lich ist, dass die Männchen wegfallen und gewissermassen alle Indi- viduen in Weibchen verwandelt werden, so muss die Vermehrung der Colonie ungemein viel rascher vor sich gehen und das ist es gerade, worauf es hier vor Allem ankommt. Es war deshalb hier keineswegs gleichgültig, ob die Subitan- oder die Latenzgenerationen die Fähigkeit parthenogenetischer Fortpflanzung erlangten. Wären die Latenzgenerationen die eingeschlechtlichen, , so würde der daraus entspringende Vortheil sich darauf beschränken, dass - in jeder Latenzgeneration die doppelte Anzahl Eier geliefert würde. So ; aber, wie es sich wirklich verhält, liefert jede Subitangeneration schon die doppelte Anzahl Nachkommen; da aber die Vermehrung in geo- metrischer Progression zunimmt, so wächst durch diese Verdoppelung jeder einzelnen Subitangeneration die Gesamnıtzahl der Individuen am Schluss der subitanen Fortpflanzung nicht um das Doppelte, sondern _ unendlich viel stärker. % Dass die subitane oder latente Form der Eientwicklung mit der Eigenschaft der monogonen oder amphigonen Entwicklung nicht zu- _ sammenfällt, wurde oben schon gezeigt. Ofienbar haben diese beiden X _ Physiolagischen Eigenschaften des Eies Nichts mit einander zu thun und "5 lässt sich nicht nur der umgekehrte Fall wie bei den Daphnoiden = vorstellen, sondern er scheint auch wirklich vorzukommen. 15* 228 August Weismann, von Capo d’Istria Subitan- und Latenzeier erzeugt werden und dass beide sich auf parthenogenetischem Wege entwickeln. Leyvie beobachtete dagegen in Cagliari, dass die meisten der Weib- chen Subitaneier hervorbrachten (vivipar waren) und zugleich, dass eine grosse Menge von Männchen vorhanden war und sich mit diesen Weibchen begattete. So viel darf daraus wohl mit Sicherheit abgeleitet 2 werden, dass die Subitaneier von Cagliari befruchltet wur- den; ob freilich die Latenzeier dort nicht befruchtet wurden, das kann erst durch weitere Untersuchungen festgestellt werden. Jedenfalls hat sich in den Colonien von Capo d’Istria und auch von Cette die Fähigkeit der parthenogenetischen Entwicklung bei beiden Eiarten ausgebildet. Es scheint mir nun sehr lehrreich, dass diese beiden Eiarten 5 gerade bei Artemia in Grösse, Dotterinhalt und also gewiss auch in chemischer Zusammensetzung ganz gleich sind. Aus von SIEBOLD’S Angaben scheint mir dies hervorzugehen, wenn es auch nicht ausdrück- lich angegeben wird. Der einzige anatomische Unterschied besteht darin, dass die Subitaneier nur eine zarte Dotterhaut besitzen, die Latenzeier ausserdem noch eine secundäre derbere Eischale.. Wenn wir nun aus dieser Thatsache den Schluss ziehen dürfen, dass an und für sich die Fähigkeit zur subitanen Entwicklung keine andere Zusammensetzung des Eies bedingt, als die zur latenten, dass ferner die Fähigkeit zur parte Bone tischen Entwicklung keine andere bedingt, als die zur geschlechtlichen!), so fragt es sich, wie die grosse Verschie- denheit zwischen Sommer- und Wintereiern der Daph- noiden zu erklären ist. Bekanntlich sind — so weit wir wissen — bei allen Arten Sommer- und Wintereier verschieden, nicht nur durch Grösse, sondern oft noch viel auffallender durch Farbe und Beschaffenheit des Dotters. Ich bin oben mit Hinweis auf die Verhältnisse bei den Estheriden von der Annahme ausgegangen, dass die Urdaphnoiden nur eine Art von Eiern besassen und dass dies Latenzeier waren. Können wir annehmen, dass diese ältesten Dauereier den heutigen schon im Wesentlichen gleich waren, dass somit nur die aus ihnen hervorgegangenen Subitaneier sich auch in ihrem Aussehen um- gewandelt haben? oder müssen auch die Latenzeier seit jener Zeit be- deutende Wandlungen durchgemacht haben ? Offenbar ist das Letztere der Fall. Hat sich doch seit jener Zeit, Tr 4) Es handelt sich hier natürlich nur um die gröbere cheiniech: plySU a Eu Zusammensetzung des Eies. ET * SE u ba a En SEE Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 229 die Metamorphose der Daphnoiden bis auf einen einzigen Fall (Leptodora) vollständig verloren und ist dies doch (für die Dauereier) nur möglich gewesen durch eine Vergrösserung des Eies. Da sämmtliche Phyllopoden heute noch als Nauplius oder Metanauplius das Ei verlassen, da der Nauplius auch noch bei Leptodora vorkommt, so unterliegt es keinem Zweifel, dass die Metamorphose erst während der Entwicklung der Daphnoidenordnung verloren ging. DieLatenz- eier müssen also seit jener ältesten Zeit relativ grösser geworden sein. Man kann aber noch auf einem viel directeren Wege zu diesem Schluss gelangen. Die Entdeckung P. E. Mürter's, dass bei vielen Daph- noiden die Eier aus je vier Zellen entstehen, von welchen drei sich auf- lösen und nur die vierte sich zum Ei ausbildet, wurde im zweiten Heft | dieser Beiträge dahin erweitert, dass ausnahmslos bei allen Daphnoiden derBildungeines Eieseine solche vierzellige »Keimzellengruppe«oder»Keimgruppe« zu Grunde liege. Es wurde aber noch weiter dargethan, dass nur die Subitaneier, die sogen. Sommereier, sich mit den drei Nährzellen ihrer Keimgruppe be- enügen, dass dagegen die Winter- oder Latenzeier bei vielen Arten mehrere Keimgruppen in Anspruch nehmen, dass bei Leptodora ein Dauerei zwei Keimgruppen und also sieben _ Nährzellen zu seiner Bildung bedarf, bei Daphnia vier Keimgruppen und demnach 15 Nährzellen, bei Moina etwa 43 Nährzellen. Es wurde nachgewiesen, dass die grosse Anzahl dieser »secun- _ dären« Nährzellen in genauem Zusammenhang steht mit der Grösse - der Dauereier, welche stets, aber bei verschiedenen Arten in sehr _ verschiedenem Grade, dem Sommerei an Volumen überlegen sind. a Es ist nun sehr bemerkenswerth, dass bei vielen Phyllopoden die x Eier aus ganz ähnlichen vierzelligen » Keimgruppen « hervorgehen, wie bei den Daphnoiden, nur dass — soweit man weiss — stets eine jede Keimgruppe auch ein Ei liefert, secundäre Nährzellen _ also nieht vorkommen. Besonders werthvoll erscheint mir die kurze Bemerkung SpanGEnBERG’s, dass bei Limnadia die Eibildung in PN Be er dieser Weise vor sich gehe!). Wir sehen daraus, dass die Einrichtung _ der vierzelligen Keimgruppen eine sehr alte ist, dass sie bei den Phyllo- - poden ihren Ursprung haben mag und dass dort je eine Keim- gruppe eben gerade die Anzahl von Keimzellen in sich _ vereinigte, wie sie zur Bildung eines Eies erforderlich i A) SPANGENBERG, Zur Kenntniss von Branchipus stagnalis. Diese Zeitschrift. lementband zu Bd. XXV. p.1. | 230 August Weismann, Diese Einrichtung ging auf die Abkömmlinge der Estheriden, auf die Daphnoiden über und wenn wir nun sehen, dass zwar bei der einen Eiart, welche die Daphnoiden hervorbringen, die Keimgruppen ihre alte Bestimmung beibehielten und eine jede sich zu einem Sommerei ausbildete, dass aber zur Bildung je eines Wintereies mehrere solche Keimgruppen verwendet werden, so werden wir nicht umhin können, darin eine Bestätigung des oben schon gezogenen Schlusses zu sehen, dass nämlich die Latenzeier der Daphnoiden im Laufe der phyletischen Entwicklung an Grösse zuge- nommen haben und zum Theil sehr bedeutend. Natürlich kann hier nur von relativer Grösse die Rede sein, nicht von absoluter. Es handelt sich nur um das Verhältniss von Eivolum zum Körpervolum; Letzteres hat wahrscheinlich bei allen Daphnoiden im Verhältniss zu ihren Stammeltern abgenommen, die Eigenthümlichkeiten des Baues lassen sich ja vielfach gerade aus einer Abnahme der Körpergrösse ver- stehen. Dabei hat aber die Grösse der Dauereier relativ zugenommen. Wir kommen so zu dem scheinbaren Paradoxon, dass zwar die Einrichtung der Dauereier eine weit ältere ist, als die der Subitaneier, dass aber dennoch die Bildungsweise der heutigen Dauereier die jüngere ist. Die Subitaneier bilden sich noch heute, wie die Dauereier der Urdaphniden, aus je einer Keimgruppe, die heutigen Dauereier aber haben sich bei vielen Arten eine complicirtere Bildungsweise an- gewöhnt!). 4) In Abhandlung I dieser » Beiträge« habe ich versucht, die merkwürdige Ein- richtung der Einährzellen physiologisch zu erklären. Ich ging dabei von dem Ge- danken aus, dass eine bestimmte Zelle bei bestimmter Ernährungsintensität auch nur eine bestimmte Maximalgrösse erreichen könne, dass dieseabernoch ge- steigert werden könne, wenn die Ernährung eine intensivere werde. Wenn nun also in der phyletischen Entwicklung einer Artengruppe eine weitere Vergrösserung des Eies aus irgend einem Grunde wünschenswerth, d. h. vortheilhaft war, so konnte diese dadurch erzielt werden, dass eine oder mehrere Eizellen sich als Nährzellen auflösten und ihr gelöstes Protoplasma die Maximalgrösse des Eies hinaufsetzte. Cravus hat sich dann in seiner Abhandlung über »Polyphemiden« (Wien 1877) gegen die Berechtigung dieses Erklärungsversuches ausgesprochen, ohne aber — wie mir scheint — den Kern der Frage getroffen zu haben. Seine Erwägungen sind zum Theil ganz richtig, sprechen aber nicht gegen meinen Erklärungsversuch. Ge- wiss ist der allmälig in der Phylogenese eingetretene Ausfall der Metamorphose Hauptursache der eingetretenen Eivergrösserung. Darum handelte es sich aber für mich nicht, vielmehr darum, weshalb die nothwendige Vergrösserung desEies nur auf dem Wege der Hinzufügung weiterer Nährzellen l erreieht werden konnte. CraAus meint meine Anschauung von der für eine | z bestimmte Ernährungsweise fixirten Maximalgrösse dadurch zu widerlegen, dass ee). Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 231 Wenn aber gefragt wird, in wiefern eine Abkürzung der Ent- wicklungsdauer in dem Wegfall der Metamorphose gelegen sei, so ist ein präciser Nachweis dieser gewöhnlich als selbstverständlich betrach- teten Annahme kaum zu leisten. Sicherlich entwickelt sich eine heutige Daphnia rascher aus dem Ei zur Geschlechtsreife, als sie es thun würde, wenn sie als Nauplius das Ei verliesse; es fragt sich nur, ob nicht die Bildung grösserer Eier, respective die Abscheidung nahrungsreichen Fruchtwassers um ebensoviel Zeit mehr in Anspruch nimmt, als die Öntogenese des jungen Thieres abgekürzt wird. Höchst wahrscheinlich ist dies nun nicht der Fall, sondern die Herbeischaffung desselben Quantums Nährmaterial, wie es zum Aufbau einer jungen Daphnie er- forderlich ist, wird rascher und mit weniger Kraftaufwand vom Mutter-- thier geleistet als es von einer winzigen Larve geschehen könnte. Uebrigens kommt dieses Moment nur für die Sommereier in Be- tracht, da die Zeit, welche mit Bildung der Dauereier verloren geht, nicht dem Generationscyclus verloren geht, zu welchem die Sprösslinge dieser Dauereier gehören, sondern dem vorhergehenden. Hier wird also das Ziel : raschere Ausbildung zur Geschlechtsreife (resp. zur Fortpflan- zung) jedenfalls erreicht werden. Allerdings aber musste durch die Ver- grösserung der Dauereier eine Verminderung ihrer Anzahl herbeigeführt werden, dieser Nachtheil aber wurde reichlich dadurch aufgewogen, dass die gleichzeitig entstandene Generationsfolge durch Einschaltung von Subitangenerationen die Individuenzahl der Colonie ins Ungeheure vermehrte. Wenn nun auch diese Umwandlung der indirecten in eine directe Entwicklung bei den Sommereiern zum grossen Theil durch intrauterine Ernährung der Embryonen erzielt wurde, so würde man doch irren, darauf hinweist, wie bei den Polypbemiden die Grösse der Sommereier durch Uterinalernährung der Embryonen auf ein Minimum gesunken sei und dennoch die - drei Nährzellen beibehalten wurden. Ich bezweifle nicht, dass die Eizelle - wenn Sie eine andere Geschichte hinter sich hätte — im Stande wäre, ein »so winziges« ‚Ei»aus eigener Kraft«, ohne den Beistand von Nährzellen hervorzubringen,, allein ee CrAus vergisst dabei nur, dass sie eine Geschichte hintersichhat, dass dieKeimgruppen eine altererbte Einrichtungsind, die nicht ohne Weiteres wieder aufgegeben werden kann! Ich bin weit entfernt, meinen Erklärungsversuch für ausreichend zu halten. 3) Craus hat ganz recht, wenn er von einer »wahren Erklärung« dieser Vorgänge den Nachweis verlangt, »aus welchem Grunde und unter welchen Bedingungen Eizellen zu Nährzellen werden etc.«, nur sind solche Fragen leichter zu stellen , als zu be- ntworten. Die Grundidee meines Versuches scheint mir auch heute noch richtig und wenn damit auch nur ein erster Schritt zur vollständigen Erklärung gethan ist, - 50 ist es eben doch immer ein Sehritt. 232 August Weismann, . wollte man in den heutigen Sommereiern die unveränderten Ab- kömmlinge der Eier der Urdaphnoiden sehen. Vielmehr drängt Alles zu der Annahme, dass “auch diese Eiart Wandlungen durchgemacht hat und zwar nicht blos solche der Grösse sondern auch solche der Qualität. Eine Verminderung der Eizahl und eine Zunahme der Eigrösse wird sehr wahrscheinlich auch bei den Sommereiern statt- gefunden haben. Dafür spricht zuerst die grosse Anzahl sehr kleiner Eier bei den Estheriden (Limnadia), dann aber der Umstand, dass offenbar die Brutpflege erst sehr allmälig bei den Daph- noiden entstanden ist. Dies geht aus der sehr verschiedenen In- tensität hervor, mit welcher dieselbe heute von den verschiedenen Gruppen der Daphnoiden ausgeübt wird, sowie aus der Verschieden- artigkeit der Einrichtungen, durch welche dieselbe ermöglicht wird. Da nun bei allen Daphnoiden ohne eine einzige Ausnahme die Metamor- phose bei den Sommereiern ganz verloren gegangen ist, so darf man vermuthen, dass sie auch hier ursprünglich mit einer Vergrösserung des Eies begonnen haben wird und dass die intrauterine Entwicklung erst nachträglich hinzugetreten ist. In dem Maasse aber, als diese Letztere intensiver wurde durch immer vollständigeren Abschluss des Brut- raumes (Daphnia), durch Bildung blutführender Schwellkörper am Boden des Brutsackes (Moina!, schliesslich durch Entstehung förm- licher Milchdrüsen in demselben (Polyphemus), um so mehr war die Möglichkeit gegeben, die Grösse der Eier wieder zu vermindern und dafür ihre Zahl zu vermehren. | Dies ist denn auch wirklich in mehreren Fällen geschehen, so bei Moina und Polyphemus, bei welchen beiden die Sommereier ungemein klein und beinahe dotterlos sind, dafür aber ihre Anzahl relativ gross. Nicht immer aber hat die Natur den durch die Uterinalernährung erlangten Vortheil nach dieser Richtung weiter verwerthet. Nicht überall ist die Eizahl der jedesmaligen Brut mit dem Sinken der Ei- grösse vermehrt worden. Bei Bythotrephes, wie auch bei Podon und Evadne treten stets nur wenige Eier gleichzeitig in den Brutsack, allein dieselben werden über das gewöhnliche Maass hinaus ernährt, sie bleiben länger im Uterus und erreichen eine grössere Reife, als sonst bei den Daphnoiden geschieht. Die aus dem Brutsack ausschlüpfenden Jungen von Bythotrephes sind bei jungen Müttern nur 1/, kleiner, als ihre Erzeugerin !). Was nun den zweiten Punkt in Betreff der Sommereier betrifft, Er Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 233 nämlich ihre chemische und physikalische Zusammen- setzung, so ist es ja bekannt, wie sehr sich Sommer- und Wintereier bei ein und derselben Art unterscheiden. Die Sommereier entbalten stets im Centrum des Eies jene grosse, oft gefärbte Fettkugel, welche Levoig als » Oeltropfen « bezeichnet hat; ferner enthält der Dotter grosse und kleine, immer lichte, durchscheinende und meist charakteristisch gefärbte Dotterkugeln ; beim Winterei fehlt der centräle Oeltropfen und der Dotter entbehrt der grösseren Fettkugeln, besteht aus sehr kleinen körnigen oder kugligen Elementen und ist stets ganz undurchsichtig. Chemische Analysen der beiden Eiarten liegen bis jetzt nicht vor. Die Thatsache, dass hier zwei in Aussehen und chemi- scher Gonstitution höchst verschiedene Eier genau ein und dasselbe Thier liefern, scheint mir in allgemeiner Beziehung bisher zu wenig beachtet worden zu sein. Was kann grösser sein, als der Unterschied zwischen Winter- und Sommerei bei Moina rectirostris? Ersteres enorm gross, undurchsichtig, ziegelroth, aus feinsten Körnchen bestehend, Letzteres winzig klein, nur wenig schön blassblauen , durchsichtigen Dotter enthaltend. Aber aus beiden entsteht dasselbe Thier, die junge Moina rectirostris, gleich gross, gleich weit entwickelt. Man hat gesagt, es müsse auf geringen Unterschieden der chemi- schen und physikalischen Constitution des Eies beruhen, dass aus dem einen Ei eine Gans, aus dem andern eine Ente komme. | Obgleich im letzten Grunde wohl richtig, enthält dieser Satz doch eine Ungenauigkeit, die ihn unrichtig macht; das beweisen die Winter- und Sommereier der Daphnoiden. Der Unterschied in der physikali- schen und soweit hieraus ersichtlich auch der chemischen Constitution ist um Vieles grösser, als der zwischen Gänse- und Entenei und den- _ noch entsteht aus beiden das gleiche Wesen. Der Schluss scheint un- _ abweisbar, dass eben nicht die chemisch-physikalische Constitution des gsanzenKEies, auch überhaupt nicht diechemisch-physi- kalische Constitution in dem gewöhnlichen, gröberen Sinne die Ursache der einzuschlagenden Entwicklungsrichtung ist - sondern eben jene feinste und für uns noch unfassbare Constitution der lebenden Zelle, auf welcher es beruht, dass die ererbte Entwicklungs- richtung steis wieder von Neuem eingehalten wird. Nur der Körper EEE BU der Eizelle selbst, das Protoplasma im weiteren Sinn (den fr; & Kern mit eingeschlossen) kommt hier in Betracht, nicht die Zuthaten an _ Dottersubstanzen, welche die Ernährung des Embryo besorgen. Gerade ieser Fall beweist, wie mir scheint, dass das Deutoplasma (E. van EDEN) keine andere Rolle bei dem Aufbau des Embryo spielt, als 234 - August Weismann, etwa das nahrungsreiche Fruchtwasser von Polyphemus oder als das mütterliche Blut in der Placenta eines Säugethiers. Welche von beiden Eiarten den Eiern der Urdaphnoiden in chemisch- physikalischer Hinsicht am nächsten stehen, liesse sich vielleicht durch. Vergleichung mit den Phyllopodeneiern, speciell mit denjenigen der Estheriden,, entscheiden. Doch stand mir frisches Material nicht zu Ge- bot und die bisherigen Angaben darüber genügen zu diesem Zwecke nicht. Die cyclische Fortpflanzung der Daphnoiden beruht danach also auf folgendem Vorgang. Die Stammformen be- sassen dieselbe noch nicht, sondern verhielten sich, wie heute die Mehr- zahl der Estheriden, d. h. sie pflanzten sich lediglich durch Dauereier fort und zwar zweigeschlechtlich. Ihre in Menge producirten Eier sanken in den Schlamm ein und entwickelten eine neue Generation in der Regel erst lange nach dem Absterben der ersten. Cyclische Fortpflanzung ent- stand dann dadurch, dass ein Theil der Dauereier in Subitaneier sich umwandelte. Es folgten nun je zwei Generationen unmittelbar auf- einander, von denen die erste sich allmälig vollständig auf die Bil- dung von Subitaneiern concentrirte, während die zweite zuerst noch reine Latenzeier-Production betrieb, später aber daneben auch noch Subitaneier hervorbrachte. So entstand ein Gyclus von drei Genera- tionen, später durch Einschaltung von Subitanweibchen in die dritte Generation ein Gyclus von vier Generationen und so fort. Von dem früheren oder späteren Eintritt der Vernichtungsperioden hing es ab, wie weit die Dauereibildung hinausgeschoben werden konnte, wie viele Generationen also ausser der ersten nur aus Subitanweib- chen bestehen durften, von den Schwankungen im Eintritt der Vernichtungsperioden dagegen hing es ab, auf wie wenige Genera- tionen die Latenzeierbildung beschränkt sein durfte. Je weiter diese letztere hinausgeschoben werden konnte und je concentrirter, d. h. auf je weniger Generationen beschränkt sie auftreten durfie, um so vor- theilhafter war es für die Erhaltung der Art, denn um so grösser wurde die Gesammitzahl der bis zum Ende jedes Cyclus produeirten Dauereier. Der Ausfall der Befruchtungsbedürftigkeit für die Subitaneier trat mit oder nach der Subitanentwicklung auf und beruht wohl auf dem- selben Motiv, welches diese hervorrief, auf dem Streben nach einer möglichst raschen Vervielfältigung der Individuenzahl. Die Veränderungen, welche die Eier im Laufe der phyletischen Ent- wicklung erlitten, blieben aber nicht darauf beschränkt, dass ein Theil von ihnen die Latenzperiode aufgab, und zugleich die Fähigkeit partheno- genetischer Entwicklung erwarb, sondern es ging damit Hand in Hand E Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 235 die Tendenz, die bisher mit Metamorphose verbundene Entwicklung zu einer direecten umzugestalten. Dies ge- schah bei den Latenzeiern durch bedeutende Vergrösserung des Eies, bei den Subitaneiern zum Theil wohl auch auf diesem Wege, hauptsächlich aber durch Herstellung von Einrichtungen zur Ernäh- rung der Embryonen aus dem Blute der Mutter. In beiden Fällen muss die Zahl der von einem Individuum erzeugten Nachkommen ab- genommen haben. Es bleibt nun noch zu untersuchen übrig, ob dieser Entwurf einer Entstehungsgeschichte des Daphnoidencyclus nicht in Widerspruch steht mit irgend welchen Thatsachen, ob sich also auch solche Züge in dieses Bild eintragen lassen, die beim Entwerfen desselben nicht speciell be- rücksichtigt wurden. Nur eine oberflächliche Betrachtung wird darin einen Einwurf gegen die entwickelte Theorie sehen, dass die parthenogene- tische Fortpflanzung bei den meisten Arten so ausser- ordentlich überwiegt, dass die geschlechtliche Fortpflanzung sich gewissermassen nur als Ausnahme von der Regel darstellt. Aber dieses Ueberwiegen äussert sich zum Theil in einer Weise, welche auch tieferem Eingehen als ein Widerspruch gegen die Theorie erscheinen kann und nicht ohne Weiteres mit ihr in Einklang zu setzen ist. Ich meine die beiden Thatsachen, dass nach Ablauf der Sexu- alperiode wieder Vermehrung durch Subitaneier eintritt und dass in vielen Fällen die Geschlechtsweibchen selbst, nachdem sie Dauereier hervorgebracht haben, zur Bil- dung von Subitaneiern übergehen. Nach der Theorie — so könnte man etwa schliessen — sollte man erwarten, dass eine scharfe Trennung von reinen Subitan- und Latenzweibchen allmälıg erzielt _ worden sein müsse, jedenfalls aber, dass die Erzeugung von Subitan- eiern ihren Abschluss mit dem Eintritt der Sexualperiode finden müsse. Was kann für ein Nutzen für die Art darin liegen, dass der Geschlechts- "generation noch reine Jungferngenerationen nachfolgen und doch müsste irgend ein Nutzen damit verbunden sein, wenn die Theorie richtig ist und wirklich Dauereier erzeugende Geschlechtsthiere das Primäre waren? Denn was sollte sonst die Latenzweibchen bestimmt haben, die altererbte Gewohnheit der Latenzeier-Production theilweise aufzu- geben? n a 5 - Darauf ist nun Folgendes zu erwiedern. Zuerst gilt es keineswegs zür alle Daphnoiden, dass die Geschlechtsweibchen auch Subitaneier vorbringen. - Bei Polyphemus, bei Sida und möglicherweise auch bei 236 August Weismann, Latona scheinen die Sexualweibchen im strengen Sinne des Wortes Latenzweibchen zu sein, d. h. ausschliesslich Latenzeier hervorzu- bringen; die Colonie stirbt mit ihnen aus. Bei andern Arten (Moina rectirostris und paradoxa) besitzen die Latenzweibchen zwar die Fähig- keit, Subitaneier hervorzubringen, aber sie thun dies nur dann , wenn es an Männchen zur Befruchtung der Dauereier fehlt und wenn diese letzteren im Ovariıum oder im Brutraum in Folge dessen zerfallen. Bei einer dritten Reihe von Arten ist es allerdings die Regel, dass die Sexualweibchen zuerst ein oder zwei Mal Latenzeier und dann Subitan- eier hervorbringen (Daphnia pulex u. s. w.). Hält man diese drei thatsächlich vorkommenden Fälle zusammen, so erkennt man in ihnen unschwer drei Stadien eines Umwandlungs- processes. Von welcher Seite her derselbe begonnen hat, lässt sich allein aus diesen Daten nicht ersehen, jedenfalls aber ist die Auffassung, dass es sich hier um ein allmäliges Vorrücken der Fähigkeit zur Subitan- eibildung handle nicht minder berechtigt, als die umgekehrte. Weiter aber ist gegen die obigen Einwürfe geltend zu machen, dass wenigstens für polycyclische Arten auch ein Vortheil darin liegen kann, dass auf die Sexualperiode noch parthenogenetische Generationen folgen. Vorausgesetzt nämlich , dass sie sich eine geraume Zeit hindurch unge- hindert fortpflanzen, also z. B. den Winter überdauern können, ver- mögen sie eine zweite Sexualperiode einzuleiten (man vergleiche: Daphnia pulex, Versuch 18 und 19). Sehr wahrscheinlich kann eine ganze Reihe von Arten den Winter über ausdauern, so Bosmina-, Chy- dorus-, Lynceus-, Daphnia- und Simocephalus-Arten,, und noch viel häufiger wird es vorkommen, dass ihre Colonieperiode den ganzen Sommer hindurch ohne Unterbrechung fortdauert. Eine vollständige Abschaffung der Sexualperioden braucht daraus noch keineswegs her- vorzugehen, würde vielmehr nur dann eintreten können, wenn dies nicht blos häufig und an vielen Localitäten , sondern regelmässig und an fast allen Wohnorten der Art vorkäme. Ich glaube deshalb, dass die auf den ersten Blick sehr befremdende Thatsache des Wiedereintritis der parthenogenetischen Fortpflanzung nach Ablauf der ersten Sexualperiode seinen Grund zumeist darin hat, dass häufig die Vernichtungsperioden keine absoluten sind, d.h. dass viele Golonien nicht jedes Mal von ihnen getroffen wer- den. Es entspricht dann dem Nützlichkeitsprincip, dass die der Sexual- | periode unmittelbar nachfolgenden Generationen sich wieder durch Subitaneier vermehren und die Dauereibildung sich nur in einer der späteren Generationen, die an das Ende des Sommers oder (bei Ueber- E wintern) in den Kung des Frühjahrs fällt, erhalten und fixirt hat. Bein . are N EN ee ee ed By. sl er Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 98T polyeyclischen Arten würde demnach eine zweite Sexualperiode nicht nur innerhalb desselben Jahres oder Sommers eintreten können, sondern auch innerhalb derselben Colonieperiode, d. h. innerhalb einer continuirlichen Reihe von Jungferngenerationen. Aber wenn selbst der Art keinerlei Vortheil daraus erwüchse, dass ihre Sexualweibchen einen Theil ihrer Kraft in der Erzeugung von Subitaneiern verwendeten, wenn also diese der Sexualperiode nach- folgenden Subitangenerationen durch die Vernichtungsperiode stets nach- kommenlos vertilgt würden, so könnte man daraus dennoch keinen Ein- wurf gegen die Theorie ableiten. Denn wer vermöchte die Behauptung zu widerlegen, welche in der Uebertragung der Fähigkeit zur Subitanei- bildung auf die Latenzweibchen blos einen einfachen Vererbungsvorgang sehen wollte? eine mechanische Folge des Einflusses so vieler vorherge- gangener reiner Subitangenerationen, der zu widerstehen selbst Natur- züchtung nicht stark genug sei? Leider sind wir auch hier noch lange nicht so weit, um der Natur nachrechnen zu können, aber bei der Kenntniss der Vererbungsvorgänge, wie wir sie heute besitzen, sollte man sich fast weniger darüber wundern, dass die grosse Ueberzahl von Subitangenerationen ihre Eigenschaften schliesslich auch auf die Latenz- weibchen übertragen, als vielmehr darüber, dass diese Letzteren nicht längst von dem überwiegenden Einfluss der Ersteren ganz zu Subitan- weibchen umgewandelt wurden! Wir sehen wohl die Nothwendigkeit ein, dass dies nicht geschehe, weil ein gänzliches Ausfallen der Dauerei- bildung den Untergang der meisten Arten herbeiführen würde, aber wir sehen nicht sogleich ein, wieso es der Naturzüchtung gelingen _ konnte, diesem Postulat nachzukommen. Ich werde auf diesen Punkt im letzten Abschnitt näher eingehen. | Wenn wir aber auch in Bezug auf die tieferen Ursachen der fraglichen Thatsache lediglich auf Vermuthungen angewiesen sind, so stehen wir auf etwas soliderem Boden, wenn es sich nur um die Er- _ kenntiniss der nächsten Ursache handelt. Mag ein Nutzen für die Art darin liegen, oder nicht, so viel lässt sich nachweisen, dass in den - Latenzweibchen gewissermassen ein Kampf vor sich geht zwischen der Tendenz zur Bildung von Dauereiern und derjenigen zur Bildung von ' Subitaneiern. a Bei Daphnia pulex tritt dies in sehr interessanter Weise hervor. 5 Ich habe schon früher mitgetheilt!), dass ganz junge Thiere dieser Art 4) Siehe: diese Beiträge Abhandlung IV. p. 202. Die erste Beobachtung solcher bortiver Dauerei-Keime gehört Sir Joux Lussock, der sie indessen nicht — wie ich üher irrig annahm — bei jungen, erstbrütigen Weibchen, sondern bei erwachsenen 238 August Weismann, nicht selten eine Dauereianlage im Ovarıum erkennen lassen, welche einige Tage hindurch wächst, sogar beginnt, den charakteristischen, feinkörnigen Dotter des Dauereies in sich abzulagern, dann aber in der Entwicklung stille steht, um sich sodann allmälig aufzulösen und voll- ständig zu verschwinden. Statt eines Dauereies entwickeln sich dann mehrere Subitaneier und das betreffende Thier bleibt dann bei der Parthenogenese — soweit meine Beobachtungen reichen. Man beobachtet also hier direct den Kampf zwischen der Anlage zur Dauereibildung und der zur Anlage der Subitaneibildung und zwar bleibt in diesen Fällen die jüngstererbte Tendenz Siegerin. Aber auch im umgekehrten Falle, wenn es zur vollen Ausbildung des Dauereies ge- konimen wäre, hätte ein solcher Kampf stattgefunden, denn — wie früher dargelegt wurde — gehören zur Ausbildung eines Dauereies immer ausser den vier Keimzellen der Dauereianlage selbst noch mehrere vier- zellige Keimgruppen, welche als Nährzellen des Eies functioniren. Diese Letzteren unterscheiden sich aber in Nichts von den gewöhnlichen Sommereianlagen; es sind somit unter allen Umständen neben der Dauereianlage stets auch Subitaneianlagen vorhanden und es fragt sich nur, welche von beiden Anlagen die Oberhand gewinnt. Nachdem einmal die hier dargelegten theoretischen Anschauungen über die Entstehung des Daphnoidencyclus ausgebildet waren, lag die Frage nahe, ob etwa bei allen Individuen stets beide Eianlagen neben- einander vorhanden sind, oder ob nicht vielmehr die Generationen sich hierin verschieden verhalten. Wenn die Theorie richtig ist, wenn in der That der heutige Cyclus von Daphnia dadurch zu Stande kam, dass zu- erst die erste Generation aus Latenz- in Subitanweibchen verwandelt wurde, dann die zweite und dritte, dass in den späteren Generationen aber ein Theil der Weibchen die Latenzeierbildung beibehielt, während ‚sie ein anderer Theil ebenfalls aufgab, so müssen wir erwarten, der- artige abortirende Wintereianlagen am häufigsten in den Generationen zu finden, welche Geschlechtsthiere enthalten, oder welche wenigstens unmittelbar an die Sexualgenerationen anstossen, am seltensten aber in den von den Sexualgenerationen weit entfernten, vor Allem in der ersten Generation. beobachtete. Beinahe alle Weibchen sollen , sobald sie Brut abgesetzt haben, die | Anlage eines Dauereies im Ovarium erkennen lassen, welches dann aber meistens nicht zur Entwicklung gelangt. Die Beobachtung selbst ist richtig, die darauf ge- gründete Ansicht aber zu sehr verallgemeinert. Die abortirenden Dauereianlagen kommen nur in bestimmten Generationen vor. Vergleiche: LusBock, »On the two methods of reproduction in Daphnia etc.« Philosoph. Transact. 1857. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 339 Soweit ich bis jetzt den Sachverhalt prüfen konnte, verhält es sich nun wirklich so und darin scheint mir ein schwerwiegender Beweis für die Richtigkeit der hier vertretenen Theorie zu liegen. Ich habe viele Individuen der ersten Generation vom Aus- schlüpfen aus dem Ei an Tag für Tag verfolgt und niemals die Anlage eines Dauereies gefunden; ebenso fehlte eine solche bei allen unter- suchten Individuen der zweiten Generation. Leider verhinderte das Fehlschlagen eines Zuchtversuchs die genaue Controlirung der folgenden Generationen und ich vermag nicht anzugeben, in welcher Generation zuerst abortirende Dauereikeime auftreten!). Nur so viel kann ich mit Sicherheit sagen, dass in späteren Generationen sehr häufig solche Keime als erste Eianlagen auftreten, eine Zeit lang wachsen und körnigen Dotter abscheiden und dann wieder verschwinden. Allerdings liessen sich auch diese Thatsachen, wenn man sie allein ins Auge fast, in umgekehrtem Sinne deuten, nicht als Nachklang der allmälig zurückgedrängten Dauereibildung, sondern als Zeichen be- ginnender Ausbreitung derselben. Sobald man aber die übrigen Ver- hältnisse mit berücksichtigt, ist es klar, dass an einen heute im Gange be- findlichen Ausbreitungsprocess der Dauereibildung nicht zu denken ist. Noch ein anderes Verhältniss spricht zu Gunsten der aufgestellten Theorie: die Reihenfolge, in welcher Latenz- und Subitaneier von demselben Individuum hervorgebracht werden. In allen neueren Arbei- _ ten und Schriften über Daphnoiden wird stillschweigend angenommen, dass dieselben Individuen abwechselnd und ohne bestimmte Reihenfolge bald Winter-, bald Sommereier hervorbrächten. Dies verhält sich aber keineswegs so. Schon Jurıne war es bekannt, dass die Sexualweibehen von Daphnia pulex das Fortpflanzungsgeschäft in der - Regel mit der Hervorbringung von Dauereiern beginnen und ganz _ ebenso ist es bei vielen Daphnoiden?2). Ich führte schon an, _ dass bei Einigen (Sida, Latona, Polyphemus) die betreffenden Indi- _ viduen bei der Dauereierzeugung zu verharren scheinen, also Sexual- - weibchen im strengen Sinne des Wortes sind, während bei Andern die 3 ‚Möglichkeit, Subitaneier nachfolgen zu lassen, zwar vorhanden ist, aber nur in ganz bestimmten Fällen benutzt wird. Bei Moina kommt es im | f normalen Zustand einer Colonie niemals vor, dass ein Sexualweibchen | noch Sommereier erzeugt. Nur wenn die Männchen fehlen, die erzeugten _ Dauereier also nicht befruchtet werden können, dann tritt der Ueber- gang zur Sommereibildung ein; so z. B. wenn man ein Latenzweibchen 4) Siehe den »Nachtrag« zu dieser Abhandlung. a 2) Bei Daphnella brachyura produciren im Beginn derSexualperiode viele e chen zuerst Sommereier und dann erst Wintereier. Lig . 240 August Weismann, von Männchen absperrt. Bei Moina rectirostris werden die Dauereier erst während und durch den Begattungsact aus dem Ovarium in den Brutraum übergeführt. Tritt keine Begattung ein, so bleibt das Ei im Ovarıum liegen und zerfällt schliesslich und dann kommt es zur Bildung von Sommereiern. Hier gewinnt also — so kann man sich den Vor- gang etwa zurechtlegen — die in jedem Individuum natürlich vorhan- dene Anlage zur Sommereiproduction erst dann die Ueberhand, nachdem der Versuch, Dauereier abzusetzen, erfolglos geblieben war!). Bei Daphnia hat schliesslich die Tendenz zur Sommereibildung in den Latenzweibchen einen noch höheren Grad erreicht und es kommt immer zur Sommereibildung, nachdem ein oder zwei Mal Wintereier gebildet worden waren. Hier ist diese Tendenz so stark, dass sogar in einzelnen Fällen die durch die Vererbung ursprünglich bedingte Reihen- folge der Eiarten durchbrochen wird. Es war schon Jurine£ bekannt und ebenso Lusrock,, dass in einzelnen Fällen die Fortpflanzung mit der Er- zeugung von Sommereiern beginnt, darauf die von Dauereiern folgt, um schliesslich wieder zur Sommereibildung zurückzukehren. Wer jemals die Anlage eines Wintereies im Ovarium von Daphnia gesehen und die Entwicklung zum fertigen Ei verfolgt hat, der wird sich das Mechanische einer solchen zeitlichen Verschiebung in der Bil- dung der beiderlei Eiformen sehr leicht klar machen können. In den oben besprochenen Fällen des Abortirens der Wintereigruppe bilden sich die vor der Wintereianlage befindlichen Keim- gruppen zu Sommereiern aus und die Wintereigruppe geht zu Grunde. Da nun aber die Sommereier zu ihrer Ausbildung keiner Beihülfe bedürfen, so wird es vorkommen können, dass trotz Ausbildung von Sommereiern die Wintereigruppe sich erhält. Dann kann später noch eine Entwicklung derselben eintreten, indem neue 4) Nicht blos durch künstliche Isolirung kann man die Sexualweibchen zur Bildung von Sommereiern zwingen; es kommen solche Fälle auch spontan vor. So beobachtete ich kürzlich eine aus mehreren Hundert Individuen bestehende Colonie von Moina rectirostris, bei welcher gar keine Dauereier gebildet wurden, höchstens einmal ein leeres Ephippium. Trotzdem waren zahlreiche Männchen vorhanden, aber die nähere Untersuchung derselben ergab, dass ihre Hoden durchweg keine oder doch abnorm beschaffene Samenelemente enthielten und die Weibchen erwiesen sich zum grossen Theil als Sexualweibchen, welche aber ihre Dauereier nicht hatten absetzen können und deshalb zur Sommereibildung übergegangen waren. Entweder befand sich im einen Ovarium noch ein in Zer- fall begriffenes Winterei, während vom andern Ovarium aus Schon Sommereier in den Brutraum getreten waren, oder der Brutraum enthielt Sommereier oder Em- bryonen, daneben aber die unverkennbaren Reste eines in Auflösung begriffenen Wintereies. In diesem Falle hatten beide Ovarien Sommereier erzeugt. R Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 241 Nährgruppen aus dem Keimlager an ihr vorbeirücken und das Material zur Bildung des Dauereies liefern. Dann aber wird wieder Sommer- eibildung eintreten, falls nicht das Ovarium noch eine zweite Dauer- eigruppe enthielt. Wenn aber auch das Mechanische dieses Vorganges verständlich ist, so sind doch die Motive, welche den Ausschlag geben in diesem Kampf, welche entscheiden, ob Dauer- oder Sommerei siegen wird, dunkel. Wir können nur vermuthen, dass Vererbungsgesetze hier massgebend sind. Man nimmt gewöhnlich und im Allgemeinen gewiss mit Recht an, dass die längstvererbten Tendenzen die stärkeren sind; gerade in dieser Beziehung liegt aber der Fall besonders verwickelt bei Daphnia und auch bei Moina. Allerdings nämlich ist die Tendenz zur Dauereibildung die längstvererbte, allein die Form des Dauereies, wie wir sie heute vor uns sehen, ist nicht die alte ursprüngliche, sondern eineneuerworbene! Die Wintereier sind im Verlauf der phyletischen Entwicklung bedeutend vergrössert worden und zwar durch Hinzuziehung einer grossen Anzahl von Keim- gruppen als Nährmaterial für das Ei. Die Tendenz dieser secundären Nährgruppen sich zu Gunsten des Wintereies aufzulösen, ist jünger, ais die Tendenz derselben, sich zu Sommer- eiern auszubilden und so können wir uns nicht wundern, wenn wir die letztere zuweilen noch über die erstere siegen sehen , obgleich die altererbte Tendenz zur Ausbildung des Wintereies dem entgegen- steht. Mag man mich aber in diesen Erwägungen weiter oder weniger weit begleiten, so viel wird man immer zugeben müssen, dass in den erwähnten Ausnahmefällen keine Instanz gegen die aus der Regel ab- ‚geleitete Theorie gesehen werden kann, dass sie vielmehr von dieser aus — wenn auch nicht wirklich erklärt —, so doch einigermassen "plausibel zurechtgelegt werden können. Ein Punkt wurde bisher nicht näher berührt: die Entstehung der Männchen. Man könnte eine Erklärung verlangen, warum die ‘Männchen immer zur selben Zeit mit den Geschlechtsweibchen auftreten. "Eine Erklärung nun in dem Sinne eines Nachweises der Ursachen, auf welchen es beruht, dass das eine Ei sich zum männlichen, das andere ‚zum weiblichen Thier entwickelt, kann nicht gegeben, sie kann aber auch für jetzt nicht verlangt werden. Nur so viel lässt sich feststellen, dass die Befruchtung hier ganz ohne Einfluss auf die Geschlechtsbestimmung ist, ja überhauptauf die Quali- des jungen Thieres. Denn es können bei ein und der- >lben Art nicht nur Männchen und Geschlechtisweibchen, Ze tschrift f, wissensch. Zoologie. XXXIII. Bd. 16 242 August Weismann, sondern auch Jungfernweibehen aus unbefruchteten Eiern hervorgehen, die beiden ersten entstehen sogar immer aus soleben; Jungfernweibchen aber gehen auch aus befruch- beten Eiern hervor. So verdanken die Jungfernweibchen der ersten Generation bei ‚allen Arten befruchteten Eiern ihr Dasein, die der. zweiten aber unbefruchteten Eiern. % Sollte aber gefragt werden, warum die Männchen stets gleichzeitig ‚mit den! Geschleehtsweibchen erscheinen , so erklärt sich dies in soweit “ sehr einfach, als nach unserer Anschauung die ‚primäre Form der Fort- ‚pflanzung eben: die zweigeschlechtliche war, die Erzeugung von; beider- lei :Geschlechtsthieren also nur in gewissen Generationen beibehalten, nicht aber neu erworben wurde. | E Kurz zusammengefasst beruht demnach die Entstehung des Daph- ‚noideneyclus und der Daphnoiden selbst zunächst darauf, dass die Stamm- formen. dieser Ordnung, den heutigen Estheriden nahe verwandt, allmä- dig kleiner und einfacher von Bau wurden, als ihre ‚Voreltern. Dadurch h: ‚verkürzte sich die 'Ontogenese, so dass zwei Generationen sich,in der- ‚selben Colonieperiode folgen konnten und dies ‚mit um so .grösserer -Sicherheit, als nun auch bei den Eiern der ersten Generation eine immer mehr zunehmende Verkürzung der Latenzperiode ein- treten musste. Relative Vergrösserung der Dauereier, andererseits -gänzliche Umwandlung .der Eier .der ersten Generation in Subitaneier und Beginn einer Uterinernährung des Embryo begleiteten und steiger- ten die zunehmende Verkürzung der Metamorphose und führten schliess- lich zum gänzlichen »Ausfall derselben. Gleichzeitig übertrug sich die Fähigkeit der Subitaneierbildung und Brutpflege auf die zweite | ‘Generation, bei den meisten Arten ‚später auch noch «auf die ; dritte, | vierte u. s. w. und schliesslich fixirte sich die Generationsfolge so, dass | Latenzeier nur noch in den Generationen ‚hervorgebracht wurden, | welche der Vernichtungsperiode yorhergingen. Hand in Hand mit der Ausbildung der Subitaneier ging “ Entsteh- ung der Fähigkeit’zu.parihenogenetischer Entwicklung, wie denn über- "haupt alle diese Umwandlungsvorgänge auf das Genaueste zusammen- ;hängen und ineinander greifen. Wenn auch der erste Anstoss von einer] 'Seite' her erfolgt sein wird, so haben sich doeh nachher alle: diese Neue-) ‚rungen nicht hintereinander, sondern nahezu gleichzeitig ausgebildet, | ‚eine gestützt, gefördert, zum Theil wohl auch hervorgerufen dureh! -dieandere. So gab die Vereinfachung des: Körperbaues :zuerst »wohl! den Anstoss zur Bildung einer Gerserationsfolge innerhalb einer Colonie-) periode und zur Entstehung von Subitaneiern ; ‚aber diese Folge brachte Beiträge zur-Naturgesehiehte' der Daphnoiden. 243 nun ihrerseits eine viel grössere Individuenzahl zu Wege und bot da- durch die Möglichkeit zur'Herabsetzung der Eizahl und dadurch zu einer relativen Vergrösserung der Eier (oder zur Brutpflege) und damit zur allmäligen Zusammenziehung der :Metamorphose. Diese wiederum wirkte günstig auf die rasche Vermehrung der Colonie,, erlaubte einen noch grösseren Aufwand von Material für das einzelne Ei und führte so den gänzlichen Wegfall der Metamorphose, die directe Entwicklung ‚herbei. Als weitere ‘Beförderung raschester Vermehrung kam dann ‚noch die Einführung der Parthenogenese, respective der Wegfall der Männchen für die Subitangenerationen hinzu. So wirkten also: Vereinfachung des Baues, Umwandlung eines Theils der Eier in Subitaneier, Vergrösserung der Dauereier, Einführung der Brutpflege für die Subi- taneier, sowie der Parthenogenese (Wegfall der ‚Männchen), Umwandlung der eingliedrigen Fortpflanzung in einen vielgliedrigen CGyclus alle zusammen und miteinander, um die heutige Fortpflanzungsweise der Daphnoiden hervorzurufen. Und darin möchten auch viele wesentliche ’Eigen- thümlichkeiten des Baues, wie sie uns heute vorliegen, ibre Erklärung finden können, jedenfalls, soweit sie sich auf die Fortpflanzung be- ziehen. | Wenn nun auch hiermit der Gang der Entwicklung annähernd rich- ‚tig geschildert sein sollte, so fragt es sich doch noch vor Allem, wo- durch es möglich wurde, dass bestimmte Fortpflanzungs- ‚weisen sich auf bestimmte Generationen fixirten. 'Eine Lösung dieser Frage soll in dem folgenden Abschnitt versucht werden. VII. Gedanken über Wesen und Entstehung der cyclischen Vererbung. Jede cyclische Fortpflanzung beruht darauf, dass Abänderungen "zunächst latent vererbt 'werden um erst wieder bei der Generation -evident zu werden, welche derjenigen entspricht, bei welcher sie entstanden sind, oder‘kürzer bei der »correspondirenden« Gene- ration. | ®% Schon in den Untersuchungen über den Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge suchte ich diese Form der Vererbung als veyclische _Vererbun g« näher zu kennzeichnen. Ihre Entstehung und damit ihre "nächste Ursache suchte ich in folgendem Satze auszudrücken: - -»Umstimmende Einflüsse, wenn sie in regelmässigem Wechsel alter- ir nd eine lange Reihe ursprünglich gleicher Generationen treflen, L 16* 244 August Weismann, modeln nur die betroffenen Generationen um, nicht aber die dazwischen | gelegenen; oder kürzer: Cyclisch einwirkende Abänderungsursachen : erzeugen cyclisch auftretende Abänderungen; unter ihrem Einfluss ge- = staltet sich die Reihe monomorpher Generationen zu einem Cyclus di- oder polymorpher Generationen «. 3 Wendet man diese Sätze auf die Daphnoidenfortpflanzung an, so | scheinen sie nicht ganz zu passen, denn man fragt sogleich, welches sind R) hier die umstimmenden Einflüsse, welche durch ihre eyclische Einwir- | kung das Alterniren der Fortpflanzung hervorgerufen haben? Die Weib- | chen aller Generationen leben ja unter wesentlich gleichen Bedingungen 4 und es war gerade die erste Aufgabe dieser Abhandlung nachzuweisen, a dass die äusseren Lebensbedingungen direct keinerlei Einfluss auf dem 4 Modus der Fortpflanzung ausüben, dass weder die Temperatur, noch die i Quantität oder Qualität des Wassers im Stande ist, den einen in den R andern Modus umzuwandeln, dass sie ihn also auch direct nicht her- ; vorgerufen haben können. 1 Wenn sie ihn aber nur indirect hervorgerufen haben, so kann hier von »umstimmenden Einflüssen« überhaupt nicht die Rede sein; dieeinzelnen Individuen sind überhaupt von gar keinen umstimmenrden Einflüssen getroffen worden, rein nur # durch Beseitigung der für die Erhaltung der Artmomen- tan weniger geeigneten Individuen hat sich der Gene- # rationsceyclus festgestellt. Dies ist wenigstens die einzige An- nahme, welche als Versuch einer Erklärung gemacht werden kann; Zurückweisung der Naturzüchtung heisst in diesem Falle, wie in so vielen andern : Verzicht auf Erklärung. |! Wenn nun aber Naturzüchtung auch nach den bekannten Grundsätzen ® die Umwandlung von Latenz- in Subitanweibchen ganz wohl hervor- 5, rufen konnte, wie war es möglich, dass sieallein auch im Stande ®: war, den periodischen Wechsel von Latenz- und Subitan- seinen festzustellen? | Bei oberflächlicher Betrachtung scheint das zwar sehr einfach a in der That ist der äusserliche Vorgang dabei auch wirklich ein einfacher. Wie oben schon ausgeführt wurde, werden zuerst eine Anzahl von Latenzweibchen zu Subitanweibchen geworden sein, nach dem Nütz- lichkeitsprincip werden sie zuerst in der ersten Generation zur Herr- | schaft gelangt sein und nun nach demselben Princip, unterstützt durch das der Vererbung auch in der zweiten Generation die Latenz- weibchen ımehr und mehr verdrängt haben, genau nach dem Maasse der Nützlichkeit, bei Moina nur theilweise, bei Daphnia, Sida, Lepto- dora ganz, Ä Br Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 245 Erst wenn man sich ganz klar macht, wie das geschah, wird man sich der Schwierigkeit der ganzen Erklärung bewusst. Im Laufe der Jahrzehnte hatten jedesmal die Subitanweibchen, d. h. diejenigen, _ welche für rasche Vermehrung sorgten, am meisten Aussicht zu über- leben in ihren Nachkommen, also Nachkommen in der zweiten, dritten, x. Generation zu hinterlassen, deren Dauereier nun überwinterten und im nächsten Frühjahr ausschlüpften. Dass dem so sein muss, ist auch ganz plausibel, denn wenn eine Art — Sida z. B. — im Jahre zehn Generationen hätte, und es existirten überhaupt in der zweiten Gene- ration schon Latenzweibchen (was in Wirklichkeit jetzt längst nicht _ mehr der Fall ist), so würde jedes von diesen einige Dauereier, ich will annehmen zehn, hervorbringen. Die Subitanweibchen der zweiten Gene- ration aber würden statt dessen jedes vielleicht 400 weibliche Nach- kommen lebendig gebären, von diesen würde jedes wieder 100 Nach- kommen hinterlassen, also in der vierten Generation im Ganzen 100 Mal 100 —= 10000 Nachkommen eines einzigen Weibchens der zweiten Generation! In der zehnten Generation würden die Nachkommen dieses einen Weibchens zu einer ungeheuren Zahl angewachsen sein, die immer noch sehr gross bliebe, auch wenn wir einen hohen Vernich- tungscoeffieienten mit in Rechnung setzten. Genug! in der zehnten Generation würden die Tausende von Nachkommen des einen Thieres, soweit sie weiblichen Geschlechtes sind, Dauereier produciren und die Aussicht, dass ein Dauerei des supponirten Latenzweibchens der zwei- ten Generation der Zerstörung durch Feinde u. s. w. entgehe und im "nächsten Frühjahr ausschlüpfe, wird sich zu derjenigen, dass ein _ Dauerei aus der Generationsfolge des Subitanweibchens der zweiten Generation ausschlüpfe,, verhalten wie eins zu vielen Tausenden, oder mit andern Worien, der letztere Fall wird sehr wahrscheinlich, der erstere sehr unwahrscheinlich sein. | Nun lautet der weitere Schluss bei Naturzüchtung gewöhnlich so: ‘da nun das betreffende Weibchen mehr oder — wenn wir häufige Wiederholung der Auslese durch längere Zeiträume hindurch an- ‚nehmen — allein Aussicht hat, Nachkommen in das nächste Jahr hin- überzusenden , so wird es auch allein seine Eigenschaften auf diese Nachkommen vererben ; unter diesen befindet sich auch die Fähigkeit, parthenogenetische Subitaneier zu erzeugen, also werden seine Yachkommen wieder Subitanweibchen sein. So richtig aber analoge Schlüsse für die gewöhnlichen Fälle von aturzüchtung sind , so ungenügend sind sie hier, denn die gesammte Tr ü jahrsgeneration stammt ja nicht von Subitanweibchen ab, sondern 246 August Weismann, von Latenzweibchen ; sie kommt aus Dauereiern. Warum erbt sie nun nicht die Eigenschaften ihrer Eltern ? In Folge des Gesetzes der cyclischen Vererbung wird man sagen! Sie schlägt auf. die»correspondirende Generation« zurück! Gerade hier liegt der Kern der ganzen Frage.. Welches ist die correspondirende Generation? und wodurch wird sie in sich selbst als solche gekennzeichnet? Sobald der Gyclus auf direct wirkenden Einflüssen beruht, ist dies r ne N45 r g. 3 7a 4 ga on & ira ie Se er . 2 Fr = = N n £ RE nicht schwer zu sagen. Beim Saison-Dimorphismus z.B. ander ge gewisse Generationen dadurch: zu correspondirenden, dass in jedem L .. . . D WE Jahre wieder von Neuem die Soemmerwärme auf sie einwirkt. Insofern & konnte ich sagen: »eyclisch einwirkende Abänderungsur- sachen erzeugen cyclisch auftretende Abänderungen«; ich stellte mir vor, dass z. B. die Sommerwärme, welehe allmälig die Umfärbung einer Schmetterlingsart hervorruft, nur diejenige Generation umwandeln kann, auf welche sie alljährlich einwirkt. Ich hätte aber noch schärfer einen Punkt dabei betonen sollen, dass nämlich nur dann die Umwandlung sich nicht auch auf die übrigen Generationen : vererbt, wenn diese unter einem andern, gewissermassen entgegengesetzten Einfluss stehen. Allerdings liegt dies schon in dem Satz, »dass sofort ein Cyclus von Generationen sich bildet, so- bald dieselben unter regelmässig alternirenden Einflüssen stehen«, aber es muss geradezu ausgesprochen werden, dass die latente Vererbung der Sommercharaktere durch die Wintergeneration hindurch nur dadurch hervorgerufen sein kann, dass auf diese. entgegen- gesetzteEinflüsse sich geltend machen; liessen dieselben auf die Dauer nach, geriethe also z. B. die Art in ein Klima, in welchem sie einer wirklichen Winterkälte nicht mehr ausgesetzt. wäre, so müsste sich sofort der Einfluss der Sommergeneration an ihr offenbaren, die. Sommercharaktere müssten sich auf sie übertragen und müssten im Laufe der Jahre die Winterform ganz beseitigen. Dies würde eintreten, obgleich auch dann die Wintergeneration noch lange nicht einem Sommer- klima ausgesetzt wäre, vielmehr lediglich deshalb, weil die Ursache, welche das Winterkleid hervorgerufen und auch bisher erhalten hat, weggefallen ist. Beim Saison-Dimorphismus werden also die »correspondirenden . Generationen« dadurch in sich gekennzeichnet, dass sie denselben periodisch wiederkehrenden äussern Einflüssen unter- worfen sind. Derartige Einflüsse fehlen bei den Daphnoiden. Was ist esnun hier, das gewisse Generationen als correspondirende £ ER Pe Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 247 charakterisirt und die ceyelische Vererbungsform her- vorruft? Woran erkennt sich z. B. die letzte Generation des Jahres bei monoceyclischen Arten? Man wird daraufnicht antworten wollen: an: der eintretenden Kälte, denn es ist ja gezeigt worden, dass weder Kälte noch Wärme die Natur der Generationen direct beeinflusst. Die Antwort kann vielmehr nur lauten: eine Generation wird lediglich durch den regelmässigen Turnus sämmtlicher vorangegangener Generationen zu einer correspondi- renden. Bei näherem Eingehen auf die: Entistehungsweise wird der Sinn dieses Satzes erst recht klar werden. Gehen wir als Ausgangspunkt der Betrachtung auf die Zeit zurück, in welcher die Entstehung von Subitanweibchen bereits erfolgt war, in welcher es sich also nur noch um Regulirung des numerischen Verhält- nisses handelte, in welchem die Subitan- und Latenzweibchen in jeder Generation zu einander stehen sollten. Die indirecte Wirkung der äussern Lebensverhältnisse, d. h. also Naturzüchtung, Auslese des Passendsten übernimmt diese Regulirung und zwar durch Beseitigung der Nachkommenschaft derjenigen Individuen, deren Eiqualität in Ver- bindung mit der Generationszahl, der sie angehören, weniger vortheil- haft für die Erhaltung der Art war. Am deutlichsten wird dies bei der letzten Generation des Jahres. Gesetzt, es seien bis dahin in dem be- treffenden Sommer nur Subitanweibchen aufgetreten, so dass also noch keine Dauereier vorhanden sind, welche die Art über den Winter hinaus erhalten, so ist es klar, dass die Art aussterben müsste, wenn nun auch diese letzte Generation lediglich aus Subitanweibchen be- stünde, denn diese würden sammt ihrer Brut durch den Eintritt der - Kälte vernichtet werden. Es liegt also im Interesse der Erhaltung der Art, dass in dieser Generation nur Latenzweibchen auftreien, wie aber ist es möglich, dass diesem Interesse Genüge geschieht ? ' ii Ich suchte zu zeigen, dass der Cyclus mit Latenzweibchen be- sonnen haben muss, die Subitanweibchen traten secundär auf und ver- drängten die Ersteren aus einer Generation nach der andern, warum | A nicht auch aus der letzten? Die Antwort: weil ine gegen ‚das Nützlichkeitsprincip wäre, ist nicht ausreichend, wenn nicht zu- gleich gezeigt werden kann, dass dieses Princip auf ir- gend einem Wege die Constitution dieser Generation be- einflussen kann. Es ist ganz richtig, dass jedes Individuum der letzten Generation, welches nur Subitaneier erzeugt, verloren ist für h die Art, aber wer verhiridert es, dass nicht dennoch sämmtliche Indi- uen miteinander durch den übermächtigen Einfluss aller vorher- 248 August Weismann, gehenden Generationen zu Subitanweibchen gestempelt werden? Die stete Beseitigung aller Subitanweibchen in der letzten Generation ist doch nur ein negatives Moment, welches an und fürsich unmöglich die Entstehung der nothwen- digen Latenzweibchen hervorrufen kann! : a he ti EEE Der Fall liegt entschieden anders als beim Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge. Dort beeinflusst die Kälte in jedem Winter wieder von Neuem die Wintergeneration und verhindert so das Evidentwerden der Sommercharaktere, hier aber kann unmöglich das Zu- grundegehen der Nachkommenschaft der Subitanweib- chen Schuld daran sein, dass die andern Weibchen der letzten Generation Dauereier hervorbringen. Man kann sich die Sache noch einfacher vorstellen, wenn man an- nimmt, es habe eine Art bisher in zwei verschiedenen Formen A und B bestanden, aber so, dass in jeder Generation beide Formen gleich günstig für die Erhaltung der Art gewesen seien, und nun ändern sich die äussern Bedingungen und begünstigen die Form A in der ersten, die Form B in der zweiten Generation. Durch Naturzüchtung wird nun A in der ersten, Bin der zweiten Generation zur Herrschaft gelangen und in dem Maasse als dies geschieht, wird die Zahl der Individuen A in der ersten Generation sich vermehren , welche nicht von A herstam- men, sondern von B, und umgekehrt die Zahl derjenigen Individuen B wird in der zweiten Generation steigen, welche nicht von Individuen der Form B der ersten Generation, sondern von Individuen der Form A abstammen — mit andern Worten, die sogenannte »alternirende Ver- erbung« wird sich ausbilden und wird zur Regel werden, sobald die Naturauslese es soweit gebracht hat, dass in der ersten Generation nur noch Individuen der Form A, in der zweiten nur noch solche der Form B enthalten sind. Der thatsächlich vorliegende Fall unterscheidet sich von diesem hypothetischen nur dadurch, dass hier die Ausbildung der heiden ver- schiedenen Formen, unter welchen die Art auftritt der Zeit nach mit der Ausbildung des Cyclus zusammenfällt, nicht aber ihr vorhergeht. So beruht denn der Cyclus darauf, dass die Individuen der Form A die Gewohnheit annehmen, Individuen der Form B hervorzubringen, die Individuen der Form B aber solche der Form A. Damit ist, wie mir scheint, doch etwas mehr gesagt, als mit dem Wort: alternirende Vererbung; wenn man damit auch noch nicht auf die letzten Ur- sachen zurückgeführt wird, so kommt man doch zu der Einsicht, dass 74 es sich hier um die Fixirung einer Aufeinanderfolge von Stadien handelt, 5 Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 249 _ von denen immer das folgende nothwendig aus dem vorhergebenden hervorgeht. Der Vergleich mit den Stadien der Ontogenese ist gewiss kein blos äusserlicher, sondern beiden Cyclen liegen die gleichen Ursachen zu Grunde. Die Ontogenese eines jeden, auch des einfachsten Thieres, setzt sich aus zahlreichen, wenn man will aus unzähligen Stadien zusamınen; nehmen wir aber einmal nur wenige Stadien, a—e an, so zwar, dass a den Eizustand, b das junge, e das fortpflanzungsfähige Individuum be- deute, so werden bei vielen Thieren die Stadien b, c, d, e nur geringere Unterschiede aufweisen und unter sehr allmäligen Wandlungen in ein- ander übergehen, es wird aber trotzdem aus 5b nicht obne Weiteres wie- der a hervorgehen können, sondern nur c und aus d ebenso nicht a, sonderu e. Nun wissen wir aber, dass jedes dieser Stadien umwand- lungsfähig ist. Durch directe und indirecte Einwirkung äusserer Lebens- bedingungen kann ein jedes Stadium allmälig abändern und zwar ohne dass nothwendig alle andern auch abändern. Dass dem so ist, lehrt die Metamorphose (secundäre) der Insecten. Es kann also z. B. das Stadium d sich allmälig in d! verwandeln. Dennoch geht es nach wie vor aus c hervor und erzeugt e. Es kann sich vielleicht noch stärker verändern, etwa in d2, d®, d ete., ohne dass das vorhergehende oder nachfolgende eine wahrnehmbare Veränderung zu zeigen braucht. Je nachdem nun die Abänderung durch directe, oder durch indirecete Wirkung der Verhältnisse hervorgerufen wird, muss der Gang des ganzen Processes ein anderer sein. Fassen wir zuerst die directe Abänderung ins Auge, so wird die Umwandlung eines einzelnen Stadiums damit beginnen, dass ein um- _ wandelnder Einfluss dasselbe einmal trifft (genau genommen das Sta- - dium vorher; doch kann man von dieser CGomplication absehen, wenn ‚man das Wort »Stadium« als Stadiencomplex auffasst). Die Umwand- 1 Jung wird meist oder wohl immer eine sehr geringfügige sein und wird - keinen Einfluss auf die folgenden Stadien ausüben. Gesetzt, es sei das Stadium e, das der Puppe -+ Schmetterling durch Wärme ein wenig verändert den so würde dies auf das folgende Stadium a, das Ei, ® keinen Einfluss hen: das Ei würde sich vollständig gleich bleiben, _ der in seiner Färbung minimal veränderte Schmetterling würde Eier . legen, welche denen der früheren Generation genau entsprächen. | go scheint es al Nichts eur, muss eine solche I £ 250 August Weismann, können, unerklärlich. Die Aenderung der Eizelle, welche auf einmalige Abänderung eines Stadiums hin eintritt, wird freilich so minimal sein, dass sie sich nicht einmal in der weiteren Entwicklung des neuen Indi- viduums geltend machen kann und es ist ja genügend festgestellt, dass einmalige Abänderungen selten oder nicht vererbt werden. Wenn nun aber viele Generationen hindurch stets derselbe abändernde Einfluss auf das Puppenstadium einwirkt, dann muss wohl die schwache Tendenz zur Vererbung dieser Abänderung insoforn zur Geltung kommen, als sie bewirkt, dass die Reaction auf den abändernden Einfluss immer leichter und damit auch immer stärker eintritt. Dadurch wird umgekehrt auch die Tendenz der Abänderung zur Vererbung stärker und die Thatsachen lehren uns, dass sie schliesslich so stark wird, dass der neue Charakter auch dann auftritt, wenn die ihn ursprünglich hervorrufende Ursache einmal-ausbleibt. | Hiergehtalsodie Abänderung des betreffenden Sta- diums der Abänderung des Keimes voraus. Umgekehrt verhält es sich bei der indirecten Abänderung. Es handelt sich hier um Naturzüchtung, also um Fixirung und Steige- rung einer nützlichen Abänderung. Die äussern Verhältnisse, welche der Abänderung den Nützlichkeitsstempel aufdrücken, sind nicht im Stande, sie direct hervorzurufen, sie können sie nur — wenn sie ein- mal da ist — bevorzugen. Der Grund der Abänderung muss also im Organismus selbst und zwar zunächst im vorhergehenden Stadium liegen. Es ist denkbar, dass dieses etwas anders sich entwickelt, als gewöhnlich bei der betreffenden Art und dass daraus eine Abänderung des folgenden Stadiums hervorgeht. Diese abweichende Entwicklung des vorhergehenden Stadiums — d — könnie durch directe Wirkung äusserer Verhältnisse hervorge- rufen worden‘sein, dann aber würde der Fall in die schon besprochene Categorie der directen Abänderung gehören. Ist dies nicht der Fall, so kann sie ihren Grund nur im Stadium c haben, welches sich eben- falls um ein Minimum anders verhält, als sonst, und dessen Abände- rungsursache im Stadium 5 liegen muss. Dieses aber entwickelt: sich‘ entsprechend der Beschaffenheit von a und so werden wir also für die sichtbare Abänderung des Stadiums d auf den Keim als Grund ver- wiesen, den wir etwas anders beschaffen annehmen müssen, als den der übrigen Individuen der Art. Darwın nimmt dem entsprechend mit Recht an, dass die indivi- duelle Variation ihren Grund schon im Keime babe, dass die Natur- züchtungalso mitsogenannten»angeborenen« Variationen Er Beiträge zur Naturgeschiehte der Daphnoiden. 351 borener Abänderungen ist, in letzter Instanz auf directer Wirkung äusserer Einflüsse beruht, habe ich an einem andern Ort eingehend zu begründen gesucht!); hier braucht dies nicht weiter in Betracht zu kommen. Nach dieser Vorstellung liegt also der Grund der indirecten Ab- änderung in einer Keimesabänderung. Wenn Naturzüchtung z. B. die ihr gebotene Abänderung des Stadiums d in d! gutheisst, so bevorzugt sie damit die Beschaffenheit des Keimes, aus welcher d! resultirte. Be- zeichnen wir dieselbe mit a!, so ist klar, dass eine Steigerung der ge- wünschten Abänderung z. B. d?2, d®, d* u. s. w. nur eintreten kann, ‚wenn sich vorher Keime a2, a?, a* dargeboten haben. Obgleich nun die Veränderungen des Keimes nicht durch directe Einwirkung irgend einer bestimmten äussern Ursache hervorgerufen werden, sondern nur entsprechend den wechselnden Einflüssen, welche sie während ihrer Entstehung treffen, innerhalb naher Grenzen hin und herschwan- ken, so wird doch durch den Züchtungsprocess selbst das Auftreten der gewünschten Keimesvariationen befördert werden. Wenn nämlich das Keimesstadium, wie jedes andere Stadium, Variationen von einer ge- wissen Schwingungsweite um einen Normalpunkt herum macht, und nun durch Naturzüchtung etwa die je höchsten Abweichungen von der Normale bevorzugt werden, so muss die Normale selbst sich stetig nach der betreffenden Seite hin’ entfernen und es werden sich also — je länger der Züchtungsprocess dauert auch um so höhere Abweichungen des Keimes darbieten. Darauf, scheint mir, beruht die Steigerungsfähigkeit eines Gharak- ters durch Naturzüchtung. Es besteht also ein wesentlicher Unterschied in dem Transmutations- process, je nachdem er auf directer oder indirecter Abänderung beruht und dieser Unterschied macht sich' auch da geltend, wo es sich um alternirende Umwandlungen handelt. Greift man auf die letzten Ursachen der Transmutationen zurück, dann gelangt man bei beiden Abänderungswegen zu demselben An- fangspunkt: den direct abändernden: äussern Einflüssen. _ Denn auch die Grundlage der Naturzüchtung: die individuelle Variation kann nur auf ungleiche äussere Einwirkungen zurückgeführt werden, _ welche den Keim beeinflusst haben, sei es direct, sei es vermittelst un- gleicher Vererbung. Ich habe an einem andern Orte nachzuweisen ge- sucht, dass die allen organischen Formen eigene individuelle Variabilität sich verstehen lässt als eine durch ungleiche äussere Einflüsse bedingte is { 4) Siehe meine »Studien zur Descendenztheorie«. Leipzig 1876. Ueber die zten Ursachen der Transmutationen. IV. 252 August Weismann, r Ablenkung der durch die Vererbung vorgezeichneten Entwicklungs- richtung. In Bezug auf die Entwicklung cyclischer Fortpflanzung ist, wie ge- sagt, dieses Zurückgreifen auf die letzten Ursachen überflüssig; wenden wir uns deshalb wieder zu unserm eigentlichen Thema, so wird man sich die Wirkung directer Abänderungsursachen ganz so vorstellen müssen, wie dies oben schon für die gewöhnliche, nicht-eyclische Fortpflanzung dargelegt wurde, nur mit dem Unterschied, dass das Minimum von Keimesabänderung, welches z. B. beim Saison-Dimorphismus durch die erstmalige Wärmewirkung im Keim des minimal abgeänderten Schmetter- lings entstand, in der folgenden Generation wirkungslos blieb, weil in dieser die abändernde Ursache (Wärme) nicht wieder einwirkte. Wir sind aber unzweifelhaft zu der Annahme gezwungen, dass schon diese ersteAbänderungsich in Gestalt einer minimalen -Keimesänderung bis auf die dritte Generation übertrug unddortdernunzumzweiten Male einwirkenden Wärme einenumein Minimum günstigeren Boden bereitete. Diese Annahme müssen wir machen, weil ohne dieselbe eine Steigerung der Abänderung, die doch offenbar stattgefunden hat, unmöglich eintreten könnte. Wenn nicht bereits die erste Abänderung den Keim bis auf die dritte Generation hin beeinflusste, so würde die zweite oder dritte Wärme-Einwirkung keine stärkere Abänderung zu Stande bringen können, als die erste. | Durch die in jeder andern Generation von Neuem eintretenden Ah- änderungsanstösse wird nun auch die Keimesänderung sich entsprechend steigern und wir könnten uns vorstellen, dass sie schliesslich so stark würde, dass sie der Wintergeneration das Sommerkleid aufdrängen müsste, wirkte hier nicht stets wieder derjenige Einfluss entgegen, der die Färbung der Winterform hervorgerufen hat: die Kälte. Dieser stets wieder von Neuem auf den Keim der Wintergeneration wirkende Einfluss muss die Gewohnheit, sich in der althergebrachten Richtung, d. h. zur Winterform zu entwickeln immer von Neuem wieder befesti- gen. Das sogen. Latentbleiben der Sommercharaktere in der Winter- generation beruht somit darauf, dass diese beiden Generationen zu- sammen eine höhere Einheit bilden, den Generationscycelus, dessen Glieder sich zu einander verhalten, wie die Sta- dien der Ontogenese, d.h. dessen Glieder sich daran ge- wöhnt haben auseinander hervorzugehen. Durch allmälige Abänderung der sich einschiebenden Sommergeneration gewöhnten sich die von ihr produeirten Keime daran, sich immer nur in der altererbten Weise zu entwickeln und diese Entwicklungsrichtung wird deshalb Beiträge zur Naturgeschiehte der Daphnoiden. 253 “auch dann uoch beibehalten, wenn der sie ursprünglich bedingende Einfluss — die Kälte — einmal ausbleibt. Der Versuch hat gezeigt, dass dem so ist. Der Cyelus entsteht also in diesem Fall durch alternirend einwir- kende Abänderungseinflüsse, ist er aber einmal festgestellt, so nimmt er seinen Ablauf auch ohne dass diese Einflüsse in jedem einzelnen Falle von Neuem einwirken, er beruht also jetzt auf einer secundär von der primären Abänderung des Schmetterlings aus entstandener alter- nirender Keimesänderung. Bei der durch Naturzüchtung entstandenen cyclischen Fortpflanzung nimmt die Feststellung des Cyclus gerade den entigegen- gesetzten Weg. Das Primäre ist die Keimesänderung, das Secundäre die Abänderung der ausgebildeten Individuen. Durch Auslese werden stets diejenigen Individuen einer jeden Genera- tion zur Nachzucht erhalten, welche derartig abgeänderte Keime pro- duciren , wie sie zur Hervorbringung der gewünschten Abänderungen der folgenden Generation führen müssen. Wenn also fünf Generationen einen Gycelus bilden, und zwar so, dass die Generationen a, b, e, d nur aus Sommerweibchen bestehen, e allein aus Geschlechtsthieren, so kann sich dieser Cyclus nur dadurch gebildet haben, dass die Keime der Ge- schlechtsgeneration E durch natürliche Auslese der auf sie folgenden Generation A allmälig derart abänderten,, dass sie nicht mehr, wie ur- sprünglich Geschlechtsthiere hervorbrachten, sondern nur noch Subitan- weibchen : ebenso werden die Keime der Generation A durch Auslese der auf sie folgenden Generation B in Subitankeime verwandelt worden sein, desgleichen die Keime der Generationen B und € durch Auslese der reifen Tbiere der Generationen € und D. So muss also eine Reihe von Generationen entstanden sein, welche nur aus Subitanweibchen be- standen und zugleich auch Keime zu Subitanweibchen hervorbrachten, nämlich die Generationen A, B und C. Die Keime der Generation D, der vorletzten des als Beispiel angenommenen Cyclus, müssen dagegen durch umgekehrte Auslese in der letzten Generation die ursprüngliche Beschaffenheit beibehalten und sich nach wie vor zu Geschlechtsthieren : entwickelt haben, denn diese (die vorletzte) Generation des Cyclus hat - sich aus Geschlechtsthieren in Subitanweibchen umgewandelt, dabei aber die Eigenschaft beibehalten, Eier zu produciren, aus denen sich Geschlechtsthiere entwickeln. F: Man sieht aus diesem Process, dass die einzelnen Generationen Transmutationen erleiden können, wie die Stadien der Ontogenese, ohne dass die von ihnen hervorgebrachten Keime sich ändern, so in Generation D; dass aber andererseits eine Keimesände- 254 | August Weismann, rung eintreten kann, obne dass die denKeim produeirenden Individueneine Abänderungerlittenzuhaben brauchen, so in Generation E. Die zwischen E (der letzten) und D (der vorletzten ‚des folgenden Cyclus) eingeschobenen Generationen A, B und C lassen sich betrachten als die in mehrere gleichgestaltige Generationen aus- einander gelegte Generation D und müssen auch so entstanden sein, wie oben gezeigt wurde. Die ganze Entstehung des Cyclus beruht offenbar auf der Mög- lichkeit, dass die einzelnen Stadien des Individuums bis zu einem gewissen Grad unabhängig von einander sind und ein jedes für sich durch Naturzüchtung ver- ändert werden kann. Es hat hier eine doppelte Auslese bei jeder Generation stattgefunden. In der Generation D z. B. wurde durch Auslese jedes Geschlechtsthier eliminirt, aber zugleich auch jedes Indi- viduum , .aus dessen Subitaneiern sich Subitanweibchen entwickelten, anslalt Geschlechtsthiere. Die Naturzüchtung war also stets einerseits auf die Beschaffenheit des reifen Individuums gerichtet, andererseits auf die intime Beschaffenheit der von ihm hervorgebrachten Keime. Dies ‚gilt natürlich ganz ebenso auch für die Generationen B und (, welche wieder ihres Gleichen hervorbringen. In der letzten Generation E aber war die Auslese einerseits gegen die Subitanweibchen, andrerseits gegen diejenigen Geschlechtsthiere gerichtet, deren Keime (männliche oder ‚weibliche) zur Entstehung von Geschlechtsthieren Veranlassung gaben, denn die darauffolgende erste Generation A sollte ausschliesslich Subi- tanweibchen enthalten. Wieso es nun möglich wird, dass die Stadien der Ontogenese sich unabhängig von einander ändern können, lässt sich nicht weiter ein- sehen, wir,können nur die Thatsache constatiren und daraus den Schluss ziehen, dass die sogen. latente Vererbung dadurch ent- steht, dass eine Reihe von gleichen Stadiencomplexen (oder Individuen) durch Abänderung einzelner dersel- ben zu einer ungleichen wird und zwar derart, dass auf die abgeänderten und die nicht abgeänderten doppelte Züchtung eingewirkt hat. Da alle diese Processe als sehr langsame vorgestellt werden müssen, so kann man sich dieselben auch ais eine langsam eintretende Gewöhnung begreiflich machen und z. B. sagen, der Gyclus kommt zu Stande, indem eine Generation sich gewöhnt, etwas abweichende Keime hervorzubringen,, eine zweite aber sich zu etwas abweichender Form und Function zu entwickeln, dabei aber die Gewohnheit Koi der althergebrachten:Form zu produeiren beizubehalten. | Beiträge zur Naturgeschiehte der Daphnoiden. 255 Uebrigens darf nicht übersehen werden, dass die Umwandlungen, auf welchen der Cyclus beruht, sich keineswegs blos auf je eine, oder auf die zwei aufeinanderfolgenden Generationen erstreckt. Sowie die Generation B mit A zusammenhängt und durch diese bedingt ist, so hängt auch € wieder mit B und durch diese mit A zusammen und ist durch diese bedingt. Der Gyelus der Generationen bildet so gut ein Ganzes, wie der Gycelus der Stadien (Eikreis), und kein Glied kann in demselben fehlen, so wenig, als das Raupenstadium in einer Schmetterlingsentwicklung fehlen könnte. Wenn also die oben aufgeworfene Frage wieder aufgenommen wird: woran die einzelnen Generationen des Gyclus als corre- spondirende oder nicht correspondirende zu erkennen seien, subjectiv, d.h. gewissermassen in ihrem eigenen Wesen, so wird die Antwort lauten: durch ihre Abstammung. Die Generation E z. B. wird sich daran als solche erkennen, dass ihre Ahnen vier Generationen hindurch Subitanweibchen waren, und erst in der fünften (rückwärts gelegenen) Latenzweibchen;, die Generation C wird sieh als solche dadurch fühlen, dass sie von zwei Subitangenera- tionen abstammt, dann von einer Latenzgeneration, dann wieder von einer Subitangeneration u. s. f. In dieser Beziehung wird der durch Naturzüchtung entstandene -Cyelus sich ganz so verhalten, wie der durch direct wirkende, alter- nirende Einflüsse, denn auch z. B. beim Saison-Dimorphismus gräbt sich die Generationsfolge schliesslich so tief der physischen Natur der ein- zelnen Generationen ein, dass die entsprechenden Formen auseinander hervorgehen, auch wenn die Einflüsse, welche sie hervor- "gerufen haben, einmal nicht eintreten, wenn also auf die 'Wintergeneration keine Kälte einwirkt, oder auf die Soemmergeneration keine'bedeutende Wärme. Dass diese Letztere unter längerem Einfluss der-Kälte mehr oder weniger häufig (je nach der Species) in die Winter- "form übergeht, spricht nieht gegen diese Auffassung, sondern zeigt nur, dass die jüngere Sommerform noch nicht so fest fixirt ist, als die ältere Winterform. Bei dem Daphnoidencyclus findet wohl heute noch fortwährend eine Auswahl durch Naturzüchtung statt, am meisten bei den Arten mit ‚starken Schwankungen im Eintritt der Vernichtungsperiode. Gerade in diesen Schwankungen in den äussern Verhältnissen liegt auch der Grund, warum bei vielen Arten eine so scharfe Fixirung des Cyelus nieht möglich ist, warum der Eintritt der Sexualperiode und die Pro- duction der Latenzeier nicht immer genau und ausschliesslich an die- 256 August Weismann, selbe eine Generation gebunden ist, warum Subitan- und Latenzeier- production oft mehrere Generationen hindurch nebeneinander herlaufen, kurz, warum die Erscheinung in ihrer Realisirung nicht so scharf und glatt ausgeprägt erscheint, wie in der reinen Theorie. Am nächsten kommen derselben die monocyclischen Arten, bei denen der Beginn der Generationsfolge,, sowie der Schluss derselben durch die Jahreszeit be- dingt wird. Hier wird annähernd wenigstens die Dauer des Gyclus die gleiche sein und damit auch die Zahl der Generationen. Dem entsprechend wird auch die Production der Dauereier auf wenige, in besonders günstigen Fällen vielleicht sogar auf eine einzige Generation concentrirt worden sein. VIII. Beziehung des Daphnoidencyclus zu andern Generations- cyclen. Wenn man den Generationscyclus der Daphnoiden zur Heterogonie zählt, so wird dies heute wohl kaum noch auf Widerspruch stossen. Ich habe in einer früheren Arbeit!) den Versuch gemacht, Metage- nese und Heterogonie nach ihrer Genese von einander zu scheiden. Bisher hatte man unter Metagenese jene Fälle eyclischer Fortpflanzung verstanden, bei welchen geschlechtlich sich fortpflanzende Generationen mit ungeschlechtlich sich fortpflanzenden abwechseln; unter Hetero- gonie dagegen die Aufeinanderfolge verschieden gestalteter Geschlechts- generationen. Mir schien diese Unterscheidung ungenügend, weil ich überzeugt war, dass die cyclische Fortpflanzung keineswegs überall auf einer Verschiedenheit der Fortpflanzungsart beruht. Ist aber dies rich- tig — und ich glaube in vorliegenden Untersuchungen einen weiteren Beweis dafür geliefert zu haben , so kann die Fortpflanzungsweise auch nicht ferner als natürliches Eintheilungsprincip gelten. Man würde sie auch schwerlich bisher so in den Vordergrund gestellt haben, hätte es ‚sich nicht gewissermassen von selbst so gemacht durch den historischen Entwicklungsgang der Wissenschaft. Der Generationswechsel wurde entdeckt an den Salpen, dann an den Medusen und Trematoden, also an lauter Formen, bei welchen in der That geschlechtliche und unge- schlechtliche Generationen miteinander abwechseln. Es kann nicht Wunder nehmen, dass man gerade diesen Wechsel der Fortpflanzungs- weise für das Wesentliche, für die Grundlage eines jeden Generations- wechsels nahm und nun auch ohne Bedenken die Fortpflanzung der Aphiden als einen ganz analogen Vorgang auffasste. Dennoch ist er dies nicht und man zählt ihn mit Recht heute allge- i: 1) Studien zur Descendenztheorie. I. DE nn a a Dar 76 Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 257 mein zur Heterogonie, der andern Gruppe des Generationswechsels, welche nach der heute üblichen Auffassung aus verschieden gestalteten Geschlechtsgenerationen besteht. Fragen wir aber: warum hält man die Parthenogenese der Aphidenweibchen nicht mehr für Ammenzeugung und rechnet diese in gewissem Sinn doch auch ungeschlechtliche Fort- pflanzung jetzt mit zur geschlechtlichen? Aus keinem andern Grunde, | als weil man jetzt erkennt, dass sie auf ganz anderm Wege entstanden sein muss, als jene, also wegen ungleicher Genese. Die »Ammenzeugung« der Polypen, Trematoden u. s. w. ist die Form der ungeschlechtlichen Vermehrung, wie sie auf einer sehr niedrigen Stufe thierischer Differenzirung schon auftrat, der geschlechtlichen Fortpflan- zung vorherging oder doch unabhängig von ihr entstand und sie heute noch bei vielen niedern Thieren begleitet, die Parthenogenesis der Aphi- den aber ist, wie alle Parthenogenesis wohl unzweifelhaft aus der ge- schlechtlichen Fortpflanzung secundär hervorgegangen. Man muss also wissen, wie die betreffende Vermehrungsart sich -phyletisch entwickelt hat, um beurtheilen zu können, ob man sie als Parthenogenese oder als Armmung auffassen, ob man den ganzen Gene- rationswechsel somit als Metagenese oder als Heterogonie zu betrachten _ hat. Damit hat man aber schon den Weg betreten, den ich vorschlage bis zu Ende zu gehen: den genetischen Weg. Mir scheint es richtiger, nicht blosaufdie Genese der Fort- pflanzungsweise zurückzugehen, sondern — soweit möglich — gleich auf die Genese des Generationswechsels selbst und nach dieser die verschiedenen Formen desselben zu kennzeichnen. Ich schlug deshalb als Versuch einer genetischen Eintheilung vor, unter Metagenese diejenigen Fälle des Generationswechsels zu begreifen, deren Ausgangspunkt eine phyletisch ungleichwerthige Formen- _ reihe gewesen sein muss, unter Heterogonie dagegen solche Fälle, als deren Ausgangspunkt eine phyletisch gleichwerthige Formen- reihe zu betrachten ist. Danach würde der Daphnoidencyclus zur _ Heterogonie zu zählen sein, zu welcher er übrigens auch nach dem _ andern Eintheilungsprincip gehören würde, sobald man die Partheno- genese als geschlechtliche Fortpflanzung lei Keineswegs aber kann - man in ihr blos die »Vorstufe eines wahren Wechsels zweier ver- - schieden sich fortpflanzender Generationen« sehen, und dieselbe als eine _ Art»unvollkommener Heterogonie« betrachten, wie Craus!) neuer- - dings will rer 2 Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXIU. Ba. 17 338 August Weismann, Fortpflanzungsweisen vollzieht, welches sich zuerst zweigeschlechtlich dann eingeschlechtlich fortpflanzt, zuweilen auch in umgekehrter Reihe, aber nichtsdestoweniger existiren hier „ausschliesslich partheno- genesirende Generationen«, welche Craus als das sine qua non der »wahren Heterogonie« postulirt. Es wurde oben nachgewiesen, dass die aus Wintereiern schlüpfende erste Generation eines jeden Cyclus niemals Männchen enthält, niemals Dauereier hervorbringt, sondern sich stets rein parthenogenetisch fortpflanzt. Dies selbst bei solchen Arten, welche (Moina) schon in der zweiten Generation in geschlechtliche Fort- pflanzung eintreten. Bei vielen Arten ist nicht nur die erste, sondern auch die zweite rein parthenogenetisch, und bei den streng monocgeli- schen Arten sogar eine grössere Anzahl von Generationen. Die Craus- sche Forderung für » wahre Heterogonie« ist somit erfüllt. Mir scheint es allerdings fraglich, ob diese Forderung überhaupt berechtigt ist. Nachdem man zuerst die Heterogonie als » Aufeinanderfolge verschieden gestalteter, unter abweichenden Ernährungsverhältnissen lebender Ge- schlechtsgenerationen « definirt, also genau die gleiche Fortpflanzungs- weise für beiderlei Generationen constatirt hat, legt man nachher gerade auf den strengen Wechsel verschiedenartiger Fortpflanzung den Hauptwerth und will nur da die Fortpflanzungsweise der Rotatorien und Phyllopoden als »wahre Heterogonie« anerkennen, wo rein parthenoge- netische Generationen mit zweigeschlechtlichen abwechseln. Was ist nun also das Kennzeichen der Heterogonie, Formverschiedenheit der Gene- rationen oder Verschiedenheit des Fortpflanzungsmodus? Ich meine, schon aus der einen Thatsache, dass » wahre Hetero- gonie« einmal mit gleichartiger, das andere Mal mit ungleichartiger Fort- pflanzung verbunden ist, geht hervor, dass das Wesen derselben nicht in dem Fortpflanzungsmodus der beiderlei Generationen zu suchen ist. Damit wird es aber überhaupt bedenklich, ob man gut thut, nach der ‚bisherigen Weise den Wechsel oder Nichtwechsel sexueller und nicht sexueller Vermehrung als Eintheilungsprincip des Generationswechsels bestehen zu lassen. Will man es aber, dann muss man auch dieses Princip scharf einander gegenüberstellen und die Metagenese als den Wechselvon Knospen- und von Eigenerationen, die Heterogonieaberalsden Wechselverschiedenartiger Ei- generationen bezeichnen. Es ist nicht richtig, dass durch die Par- thenogenese die Grenze zwischen geschlechtlicher (Ei) und ungeschlecht- licher (Spore) Fortpflanzung verwischt wird. Unter den Metazoen wenigstens wird man in der Ein- oder Mehrzelligkeit des Keimes immer ein scharfes Kriterium haben; wir kennen bis jetzt keinen Fall ein- zelliger Keime, welche nicht als Eier zu betrachten wären und deren u e} > - Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 259 ohne Zutritt einer Samenzelle erfolgende Entwicklung sich nicht als Parthenogenese enthüllte. Die Gemmulae der Schwämme sind vielzellige Keime, die Statoblasten der Bryozoen desgleichen. Beide kommen über- dies bei Thieren vor, welche auch noch in anderer Form sich durch Knospung fortpflanzen. Man könnte somit ganz wohl in dieser Form das Prineip der Vermehrungsart zur Scheidung des Generationswechsels in Metagenese und Heterogonie verwerthen, allerdings aber nur für die Metazoen. Schon diese letztere Beschränkung aber deutet wieder von Neuem darauf hin, dass wir mit diesem Princip nicht ausreichen; schon aus dem Grund, weil auch bei den Protozoen Generationswechsel vorkommen kann und wahrscheinlich auch wirklich vorkommt, müssen wir uns nach einem andern Eintheilungsprincip umsehen. Wenn aber eine natürliche Eintheilung nichts Anderes heisst, als Aehnliches zusammen- bringen, Unähnliches scheiden, wie könnten wir dies Erscheinungsreihen gegenüber besser thun, als wenn wir auf die Entwicklung derselben zurückgehen und das für gleichartig erklären, was sich in gleicher Weise entwickelt hat, das für ungleichartig, was in ungleicher Weise? Wenn deshalb Craus meinen Versuch einer genetischen Eintheilung des Generationswechsels als »eine ziemlich willkürliche und wissenschaft- lich unberechtigte Determination« kurzer Hand abmacht,, so dürfte ihm der Beweis dafür vielleicht schwer fallen. Ich zweifle nicht, dass mein Versuch noch mancher Verbesserung fähig ist, aber der Grundgedanke desselben ist wahl ohne Zweifel vollkommen berechtigt. Vielleicht wird man später die Gegensätze besser formuliren, vielleicht auch statt nur zwei Formen des Generationswechsels deren drei oder noch mehr unterscheiden, aber auf dem Princip der Genese muss man stehen bleiben, denn gerade dieses ist, wie ich wenigstens glaube, auch auf diesem Gebiet das einzig berechtigte. Jedenfalls wird man daraus, dass nach meinem Eintheilungsprinecip die bisher als Metagenese aufgefasste Fortpflanzung der Salpen mit unter den Begriff der Heterogonie fiele, einen Einwurf gegen dieses Princip kaum herleiten können; hat man ja doch auch die früher als Metagenese angesehene - Foripflanzung der Blattläuse später zur Heterogonie gezogen und damit den Begriff der Heterogonie nicht unwesentlich verändert!). Dergleichen Begriffe sind ja überhaupt fluctuirende, sie verändern sich mit der 4) Das Wort »Heterogenesis« wird sogar noch in ganz anderm Sinn ge- braucht; HERBERT SPENCER versteht darunter »ungeschlechtliche Fortpflanzung mit von Zeit zu Zeit wiederkehrender geschlechtlicher Fortpflanzung« — im Gegensatz zu»Homogenesis«, bei welcher alle Generationen geschlechtliche Fortpflanzung besitzen. Principien der Biologie deutsch von VETTER. Stuttgart 1876. Re | 17% 260 August Weismann, Zunahme unserer Kenntnisse und mit dem Auftauchen neuer Gesichts- punkte. Der Gesichtspunkt aber als sei ein Alterniren verschieden- artiger Generationen nur auf Grund verschiedener Vermehrungsarten möglich, auf Grund eines Wechsels ungeschlechtlicher und geschlecht- licher Fortpflanzung, ist längst aufgegeben und so wird es auch berechtigt. sein, einen neuen aufzustellen, die Erscheinungen des Generations- wechsels auf ihre Genese zu untersuchen und danach zu Gruppen zu vereinigen. FreiburgimBr., den 1. August 1879. Nachtrag zur Abhandlung VII. Bis zum Abschluss des Manuscriptes konnte ich aus Mangel an Zeit die merkwürdige Thatsache, dass Keime zu Dauereiern im Ovarium von Daphnia pulex sehr häufig auftreten, um wieder zu verschwinden, nicht so weit verfolgen, als ich gewünscht hätte. Zwar wurde festgestellt, dass solche abortive Dauereikeime nur bei bestimmten Generationen auf- treten, aber es musste doch wo möglich noch genauer beobachtet wer- den, wie weit das Auftreten der Abortivkeime ein regelmässiges sei, -gebunden an bestimmte Generationen, vielleicht auch an be- stimmte Eisätze!). Namentlich auch das Letztere bedurfte besonderer Prüfung und so kam es mir sehr erwünscht, dass Herr Dr. J. van Rees aus Amsterdam, der vorigen Sommer auf dem zoologischen Institut in Freiburg arbeitete, sich bereit erklärte, die Versuche nach dieser Richtung hin von Neuem aufzunehmen und in Gemeinschaft mit mir soweit fortzusetzen, als es die Zeit erlauben würde. Es wurden zwei Arten zu den Versuchen benutzt; Simocephalus vetulus und Daphnia pulex. Da eine vollkommen ausreichende Ernäh- rung erste Vorbedingung normaler Eibildung ist, so wurde besondere Sorgfalt auf die Ernährung verwendet. Für Solche, welche etwa die Versuche aufnehmen und weiterführen wollen, bemerke ich, dass ich seit Jahren als Daphniafutter mit bestem Erfo!g den Ueberzug organischer, theils lebender, theils verwesender Substanzen benutze, welcher sich an den Wänden und am Boden von Brunnentrögen mit fliessendem 1) Unter »Eisatz« verstehe ich die Totalität der gleichzeitig reifenden, also auch gleichzeitig abgesetzten Eier. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 261 Wasser ansetzt. Wenn es sich, wie in diesen Versuchen, nicht um Iso- lirung einzelner Daphnien handelt, kann dieser flockige Ueberzug frisch verwandt werden, im andern Falle dient er auch gekocht und durch Schütteln fein zertheilt, nur muss er dann öfters erneuert werden. Simocephalus vetulus. Von dieser Art wurden nur die beiden ersten Generationen verfolgt. Die erste Generation, d. h. die aus Dauereiern hervorgegange- nen Individuen zeigten niemals eine Spur eines Dauereikeimes. Sie wurden verfolgt von der Hervorbringung des ersten Eisatzes bis zu der des fünften. Die zweite Generation enthält bei dieser Art bereits einzelne Männchen. Vierzehn in ihrer Eibildung verfolgte Weibchen zeigten alle schon bei dem ersten Eisatz eine Dauereianlage, welche bei 11 sich wie- der auflöste, bei dreien sich zum Dauerei ausbildete. Von diesen 14 Weibchen gehörten fünf dem ersten Eisatz der ersten Generation an, neun dem zweiten; von Ersteren wurde ein Winterei ausgebildet, von Letzteren zwei, es verhalten sich also diese beiden ersten Brutsätze der ersten Generation fast genau gleich. Dabei verdient hervorgehoben zu werden, dass bei dieser Art stets eine gewisse Menge von Dotter von der Dauereizelle abgeschieden wird, auch wenn dieselbe sich später wieder auflöst. Bei Daphnia pulex verhält sich dies anders. Bei jedem folgenden Eisatz dieser Generation fehlte niemals die Dauereianlage. Die dritte und vierte Generation wurde nur in wenigen Fällen untersucht, aber auch hier fehlte die Dauereianlage niemals, sobald der rechte Moment der Beobachtung nicht versäumt wurde, d.h. sobald unmittelbar nach der Entleerung eines Eisatzes in den Brutraum untersucht wurde. Daphnia pulex. Von dieser Art wurden die ersten fünf Generationen ver- folgt, die Letzte aber nur bis zur Entwicklung des ersten Eisatzes. ‚Bei der ersten Generation wurde, wie bei Simocephalus, nie- mals ein Dauereikeim beobachtet, wenigstens nicht bei der Ausbildung der drei ersten Eisätze. Bei der zweiten Generation fehlte sie constant bei der Aus- ‚bildung des ersten Eisatzes im Gegensatz zu Simocephalus. Bei zwei Individuen fand sich aber unmittelbar nachdem der erste Eisatz in Hi A ANDERE VER NDRNTE 3 EEE EEE 262 August Weismann, den Brutraum übergetreten war eine unverkennbare !) Dauereianlage noch ohne Spur von Dotterkörnchen. Höchst wahrscheinlich kommt es bei dieser Brut überhaupt nicht zur Abscheidung von Dotter in der Dauereizelle, da neun andere Individuen, welche jenen beiden um wenige Stunden in der Entwicklung voran waren, bereits keine Spur einer Dauereianlage mehr erkennen liessen. Offenbar also steht in dieser Brut der Dauereikeim schon sehr früh in der Entwicklung still und bildet sich rasch wieder zurück. Bei Ausbildung des dritten Eisatzes fehlte die Dauereianlage in keinem der beobachteten Fälle und erhielt sich bedeutend länger, nämlich 1—2 Tage. Es kommt zur Ablagerung feinkörnigen Dotters in der Dauereizelle, der zuerst vollkommen schwarz aussieht (bei durch- fallendem Licht), dann aber während seiner Resorption bräunlich wird und schliesslich als bräunlicher Flecken vorn im Keimlager die Stelle des schwindenden Dauereikeimes andeutet. Ganz ebenso verhält es sich beim dritten, vierten und fünf- ten Eisatz dieser zweiten Generation. Zur Ausbildung von Dauereiern kommt es noch nicht, ebensowenig finden sich Männchen unter dieser Generation. Beide treten erst in der folgenden, der dritten Generation auf, wenn auch die Männchen nur in geringer Zahl. Auch in dieser Gene- ration zeigt sich die Dauereigruppe in der Mehrzahl der Fälle erst beim zweiten Eisatz. Beim ersten wurde sie nur bei drei Individuen beob- achtet als eine sehr kleine und gänzlich dotterlose, dennoch aber durch die relative Lagerung der vier Zellen und den Grössenunterschied von den umgebenden Keimgruppen sicher zu erkennende Dauereianlage. Bei etwa 30 andern jungen Thieren desselben Stadiums war keine Spur davon aufzufinden und falls dieselbe dennoch vorhanden gewesen sein sollte, müsste sie eine ausserordentlich ephemere Existenz gehabt haben. Ob es bei den drei Thieren mit Dauereianlage zur Ausbildung derselben ‚gekommen sein würde, liess sich nicht entscheiden, da dieselben starben. Beim zweiten Eisatz wurde die Dauereianlage in allen Fällen (14) beobachtet und zwar stets mit reichlicher Dotterabscheidung in der Eizelle. In keinem dieser Fälle kam es indessen zur Ausbildung von Dauereiern ; es waren lauter Abortivkeime. Beim dritten, vierten und fünften Eisatz verhält es sich 4) Sie charakterisirt sich einmal durch ihre Lage weit hinten am Ventralrand des Eierstocks, dann durch bedeutendere Grösse als die vor ihr gelegenen Keim- gruppen und schliesslich durch die gegenseitige Lagerung ihrer Zellen, von welchen die dreieckige Eizelle stets ventral liegt, mit der Hypothenuse ventralwärts, wäh- rend auf den beiden Katheten die drei Nährzellen aufliegen. a K Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. | 263 ebenso, nur mit dem Unterschied, dass nicht selten die Dauereianlage sich zum fertigen Dauerei entwickelt. Die vierte Generation verhält sich fast genau wie die dritte. Gegen Erwartung gelang es hier bei keinem von 10 Individuen schon beim ersten Eisatz einen Dauereikeim zu entdecken. Möglich, dass die geringe Anzahl der untersuchten Exemplare daran schuld ist, da grosse individuelle Schwankungen gerade bei dieser Art schon durch die oben niedergelesten Beobachtungen constatirt sind. Indessen darf nicht ver- hehlt werden, dass auch bei der fünften Generation die 12—14 darauf untersuchten Individuen beim ersten Eisatz noch keine Dauereianlage erkennen liessen. Das Verhältniss der Weibchen, welche die Dauereianlage zur Aus- bildung brachten, zu denen, bei welchen sie wieder verschwand, würde sich nur dann annähernd feststellen lassen, wenn man mit grösseren Individuenmengen operirte. Dazu fehlte leider die Zeit. Aus vorstehenden Beobachtungen geht hervor, dass die Dauer- keimeim Grossen und Ganzen etwa soauftreten, wieman es der Theorienach erwarten musste. Bei beiden untersuch- ten Arten fehlen sie vollständig in der ersten Generation, bei Daphnia pulex auch in dem ersten Satz der zweiten Generation, beim zweiten Eisatz aber treten sie auf, um rasch wieder sich aufzulösen, ohne nur einmal bis zur Dotterabscheidung gelangt zu sein, beim dritten Eisatz kommt es dann bis zur Dotterbildung, ohne dass aber je ein Keim zur vollen Ausbildung gelangte; sie sind alle abortiv. Erst in der dritten Generation bleiben einige Dauereikeime Sieger im Kampfe mit den Sommereikeimen und es kommt zur Ausbildung fertiger Dauereier, aber auch in dieser Generation erlangen die Dauereikeime erst allmälig, nicht schon beim ersten Eisatz den Sieg, ja bei diesem ersten fehlen sie sogar häufig noch ganz. Das kann nicht Wunder nehmen, wenn man erwägt, dass der Zeit nach der erste Eisatz der dritten Generation mit dem zwei- ten Eisatz der zweiten Generation zusammenfällt, dass dieser letztere aber stets nur Abortivkeime enthält. Diese Erklärung würde für den ersten Eisatz der vierten Generation kaum gelten können, gewiss nicht ‚für den des fünften, vielmehr muss für diese die Erklärung späteren und weiter fortgeführten Untersuchungen vorbehalten bleiben. Höchstens darf einstweiler daran erinnert werden, dass eine absolute Gleichheit im Verhalten aller Individuen ein und derselben Generation oder Brut nirgends weniger zu erwarten ist, als bei Daphnia pulex und ähnlich lebenden Arten, deren Vernichtungsperioden grossen Schwankungen 2641 August Weismann, nach Ort und Jahr unterliegen. Eine Zerstreuung der Sexualthiere über einen längeren Zeitraum, somit eine Mischung der gleichzeitig lebenden 'Thiere aus Jungfernweibchen und Sexualthieren entspricht hier am meisten den äussern Bedingungen. Man wird deshalb das Verhalten bestimmter in dieser Weise gemischter Bruten in Bezug auf Dauerei- - keime nur nach Beobachtung zahlreicher Individuen sicher beurtheilen können. Gerade dieser Umstand erschwert aber ungemein die Weiter- führung dieser Versuche, ihre Ausdehnung auf die verschiedenen Bru- ten, aus welchen jede Generation zusammengesetzt ist und auf die späteren Generationen. Bei Simocephalus tritt das allmälige Ueberwiegen der Dauereibil- dung weniger scharf hervor, weil es hier auf einen kürzeren Zeitraum zusammengedrängt ist. Während in der ersten Generation die Dauerei- keime noch ganz fehlen, kommt es in der zweiten schon zu Bildung reifer Dauereier. Dennoch lässt sich auch hier erkennen, wie die Ten- denz zur Dauereibildung sich allmälig steigert, bis sie den Sieg über die Sommereikeime erlangt und zwar an der allmälig zunehmenden Zahl reifer Dauereier. In der zweiten Generation zeigt jedes Weibchen schon beim ersten Eisatz eine Dauereianlage, allein nur sehr wenige, etwa 27 Procent, produciren dann auch wirklich reife Dauereier. Das Verhältniss der producirten Dauereier zur Individuenzahl wurde nun freilich für die dritte und vierte Generation nicht ziffermässig fest- gestellt, ich kann aber aus früheren Beobachtungen verschiedener Colo- :nien von Simocephalus angeben, dass auf der Höhe der Sexualperiode die Mehrzahl der Weibchen Dauereier hervorbringt. Weitere Versuche würden sich zunächst auf das wahrscheinlich verschiedene Verhalten der einzelnen Bruten zu richten haben , welche jede Generation zusammensetzen, sodann aber auf die späteren Gene- rationen. Es ist sehr möglich, dass nach Ablauf der Sexualperiode auch die abortiven Dauereikeime mehr und mehr verschwinden, bis sie in noch viel späteren Generationen — falls der Colonie eine so lange Lebens- periode gegönnt ist — zum zweiten Mal auftauchen, allmälig die Ober- hand gewinnen und zu jener zweiten Sexualperiode innerhalb derselben 'Colonieperiode führen, welche wenigstens in einigen Fällen oben con- statirt werden konnte. Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 265 Erklärung der Abbildungen. Tafel VIII. Fig. 4. Sida erystallina, Hoden eines jungen Thieres!) im optischen Quer- schnitt. Kl, Keimlager, in welchem Zellgrenzen erst bei a sichtbar waren. Weiter nach hinten ist der Klüftungsprocess in vollem Gang, durch welchen die Zellen zum grossen Theil sich von der Wandung abschnüren und als Samenzellen in das neu- gebildete Lumen gelangen; Sz, Sz’, solche in Abschnürung begriffene Samenzellen. Vergrösserung: HArTNAcK 3/VII (300). Fig. 2. Sidacrystallina. Hoden eines noch jüngeren Thieres im optischen Querschnitt; Abspaltungsprocess im Beginn; L, ZL, Lumen. Vergrösserung: HART- NACK 3/VII (300). Fig. 3. Sida erystallina. Aelterer Hoden; der dünnen Wandung W sitzen hier und da in Ablösung begriffene Samenzellen Sz an. Vergrösserung: HARTNACK 3/VIl (300). Fig. 4. Sida erystallina. Hoden des reifen Thieres, Wandung W dünn, Lumen gefüllt mit durcheinander wogender Masse von Samenzellen, deren dickste Partie in der Mitte den Kern K enthält und als Haufen glänzender Körner hervor- tritt, während der blattförmige Theil des Zellkörpers als Fadenbündel erscheint. Vergrösserung: H. 3/VII (300). Fig. 5. Sida erystallina. Samenzellen, frisch ins Wasser ausgetreten; A und C zeigen an beiden Enden des blattförmigen Zellkörpers feine Ausläufer, B nur ‚am einen Ende. Vergrösserung: H. 3/VII (300). Fig. 6. Latona setifera. A. Begattungsorgane eines jungen Männchens. _ P, P', Penis; zwischen beiden das Ende des Postabdomen mit den Schwanzklauen (Skr) und dem After, sowie dem Rectum mit den radiär ausstrahlenden Musculi di- latatores. Skr, Schwanzkrallen, Vd, Vas deferens, dicht nach seinem Austritt aus dem Hoden; bei x optischer Querschnitt des Vas deferens bei seinem Eintritt in den Penis; innerhalb des Letzteren Spermazellen Spz. Vergr.: H. 4/IV (420). B. Drei Samenzellen ins Wasser ausgetreten. Vergrösserung: H. 3/VII (300). Fig. 7. Daphnella brachyura. Hinterende eines Männchens von ‚ der rechten Seile gesehen. Sb, Schwanzborsten, Skr, Schwanzkrallen, A, After, -p® sechster Fuss, B, Bauchseite, R, Rücken; D, Darm, Vd, Vas deferens, P, der “eine der beiden stiefelförmigen Penis, in seinem Lumen zwei Samenzellen; nach "einem in Glycerin aufbewahrten Präparat. Vergrösserung: H. 3/VII (300). Fig. 8. Daphnella brachyura. Hinterende eines Männchens von oben. sb, die abgeschnittenen Schwanzborsten, P, P, die beiden Penis, in ihrem Innern ‚die Vasa deferentia und in dem linken eine durch Compression feinstreifig gewor- ‚dene Samenzelle (Sz’); Sz, Sz, Sz, ins Wasser frisch ausgetretene Samenzellen, 52”, eine Samenzelle mit feiner Längsstreifung, Sz’”, eine solche in Quellung begriffen. T, rechter, 7’, linker Hode, Ke, Keimlager, Sz, Samenzellen. Vergrösserung: H. 3/VII (300). - 2. [39 4) Die Zeichnungen sind alle nach dem lebenden Thier mittels der Camera da entworfen, wenn es nicht ausdrücklich anders bemerkt ist. 266 August Weismann, Fig. 9. Sida crystallina. Männliche Sexualöffnungen von unten gesehen, Sn, saugnapfartiger Wall um jede Oeffnung und zwischen beiden. D, Darm, p6 Basis des letzten Fusspaares. Vergrösserung: H. 3/IV (100). Fig. 40. Daphnella brachyura, abise, ein und dieselbe Samen- zelle in den verschiedenen Gestalten, welche ihr von der peristaltisch sich bewe- genden Hodenwand im Verlauf weniger Minuten aufgezwungen wurden. Vergrösse- rung: H. 3/VII (300). Fig. 44. Ceriodaphnia quadrangula,;, Hoden mit reifem Inhalt, einer Masse von Samenstäbchenbündeln, in allen Richtungen durcheinander liegend, ein- gebettet in heller , schleimiger Flüssigkeit. W, Hodenwand. A, der ganze Hoden; Vergrösserung: H. 3/VII (300). B, ein Stückchen davon bei 3/VIII (400). Fig. 42. Pasithea rectirostris. A. Rechter Hoden, prall mit braunen Samenzellen gefüllt. Vergrösserung: H. 3/VII (300). B. Einige Samenzellen bei H. 3/VIII (400). AR Fig. 43. Daphnellabrachyura. Rechtsseitige weibliche Geschlechtsöffnung (Yv) nebst Receptaculum seminis (Rs) und Anfangstheil des Oyarium (Ov) von oben gesehen. Die Vulva durch radiäre Muskel- (?) fäden an der Haut befestigt, im Re- ceptaculum eine Samenzelle, deren Kern durch Zusatz schwacher Essigsäure her- vortrat, während das Bun ne dadurch körnig wurde. Vergrösserung: HART- NACK 3/VII (300). ’ NER i Va Au x Tafel IX, Fig. 144. Bythotrepheslongimanus. BrutsackeinesGeschlechts- weibchens unmittelbar vor dem Eintritt der beiden Dauereier, linke Seite. RS, Rückensinus (Blutraum) über dem Herzen (H); Drb, Drüsenboden (das Homologon e; des »Nährbodens bei Jungfernweibchen «), 1DrbR, linker Drüsenbodenrand, rDrbR, rechter Drüsenbodenrand; SW, Schalenwurzel, SR, Schalenrand, aeBl, äusseres Blatt der Schale, BS, Binnenraum der Schale von feinen Stützfasern senkrecht durch- setzt; Vv, Vulva'(Begattungsöffnung); Ov, Ovarium, ein einziges grosses reifes Dauerei enthaltend (Ei) und einige jüngere Keimgruppen (Kgr). Od, Oviduct, dessen Mün- 3 dung in den Brutraum deutlich ist; M, Rückenmuskel. 2 Fig. 44 B. Die weibliche Begattungsöffnung desselben Thieres durch Druck vor- gestülpt, Br, Brutraum, R, Rücken, die übrigen Bezeichnungen wie in A4A. Ver- grösserung: H. 3/IV (100). x Fig. 45. Bythotrepheslongimanus. A. Brutraum mit den beiden Dauer- Hr eiern, deren Schale noch dünn ist; fünf Samenzellen ($z) liegen den Eiern an. Vv, Vulva, SW, Schalenwurzel, S, Schale. Vergrösserung: H. 3/IV (400). u: B. Eine der Samenzellen bei H. 3/VII (300). BR Fig. 46. Bythotrepheslongimanus. Brutraum unmittelbar vor dem Aus- » tritt bereits befruchteter und mit Schale versehener Dauereier (Ei), rechte Seite; die a alte Schale besteht nur noch aus den beiden dünnen Chitinlamellen (aeBl, iBl, während die Hypodermis bereits zerfallen ist. Unter den Dauereiern hat sich eine ; neue Schale in Gestalt einer mächtigen Hypodermisduplicatur gebildet, deren Rand (SR) dem Rand der alten Schale (SR) anliegt. Od, Oviduct, Ov, Ovarium, in ve chem ein Dauerei in Ausbildung begriffen ist (E’’); H, Herz, DrB, Drüsenboden #1 (Hypodermis des Rückens), SW’, Wurzel der neuen Schale, SW, Wurzel der alten Schale. Vergrösserung: H. 3/IV (100). Fig. 47. Bythotrephes longimanus. Brutraum eines Geschlechiee E: Ss 2 af 0 Se Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 267 chens, in welchen abnormer Weise keine Eier eingetreten sind. Der Brutraum ist ausgefüllt mit dem gelbbraunen Sekret des Drüsenbodens (DrB), in dessen Zellen man Häufchen gelbbrauner Körner erkennt. Das Eischalensekret ist durch die Vulva nach aussen hervorgedrungen, ein Beweis für die Durchgängigkeit dieses Begattungs- canals. SR, Schalenrand, SW, Schalenwurzel, RS, Rückensinus, H, Herz, Od, Ovi- duct, BS, Binnenraum der Schale. Vergrösserung: H. 3/IV (100). Fig. 48. Bythotrephes longimanus, Eine in Zerfall begriffene Samen- zelle aus dem Brutraum eines lebenden Weibchens, dessen Dauereier bereits mit Schale versehen (also befruchtet) waren. A, Zelle gequollen,, aber noch durch eine dünne Randschicht zusammengehalten. B. Zellwand geplatzt und nur noch ein Haufen Körner übrig. Fig. 49. Peracantha truncata; ein Paar in Coitusstellung combinirt, um zu zeigen, dass eine »innere Begattung« hier thatsächlich unmöglich ist, indem die männlichen Geschlechtsöffnungen die weiblichen nicht berühren können. Beide Thiere mit dem Zeichenapparat nach Präparaten aufgenommen; SW, Schalenwinkel, bei dieser Art so weit abwärts gerückt, dass eine wesentlich andere Stellung des Männchens, als die hier angenommene, nicht möglich ist. Vergr.: H. 3/IV (100). Tafel X, Fig. 20. Bythotrephes longimanus, Samenzellen. A. Spitze des Penis (P) mit drei ins Wasser entleerten Samenzellen,, deren weiches Protoplasma mehr oder weniger zerfetzt und gequollen ist; a hängt noch durch einen langen schlei- migen Protoplasmafaden an der Spitze des Penis fest, während sich der übrige Theil der Zelle knäuelartig aufgewunden hat, oder in Fortsätze zerrissen ist. Vergrösse- rung: H. 3/IV (100). B. Spitze des Penis mit gerade heraustretender, langgestreckter Samenzelle d, die Samenzelle e hat sich schon wieder auf die normale Gestalt zusammengezogen, die Samenzelle f ist durch die strudelnden Füsse zerrissen. Vergr.: H. 3/IV (400). C. Eine frisch ins Wasser ausgetretene Samenzelle. Vergrösserung: H. 2/V1l. D, Mehrere solche frisch ausgetreten, aber durch die Füsse mehr oder weniger zerrissen oder gedehnt (g, h,:); !, m, nach längerer Einwirkung des Wassers, n, nach noch längerer Wasserwirkung. Vergrösserung: H. 2/VII-{(240). Fig. 21. Bythotrepheslongimanus. Penis (P) mit Vas deferens und dem "Anfangstheil des Hodens. H, Hodenwand, Sz, Samenzellen. Vergrösserung: H. 2/VII (240). | Fig. 22. Moina paradoxa. Samenzellen, a, a, a, normale, unmittelbar nach ‚ihrem Austritt ins Wasser; b, optischer Querschnitt einer solchen; c, durch längere ‚Einwirkung von Wasser gequollene Samenzellen. Vergrösserung: H. 3/VIII (400). Fig. 23—28. Evadne spinifera (mit Ausnahme von Fig. 27 nach Original- zeichnungen von Herrn Dr. Sprngrt). ® Fig. 23. Eierstock eines unreifen Geschlechtsweibchens. Im Eierstock eine vierzellige Keimgruppe (Kgr); Br, Brutraum, hier als ein selbständiger Sack er- scheinend, der nur durch einen dünnen Stiel (St) mit der äussern Haut des Rückens üsammenhängt; M, Muskel; Od, Oviduct. Vergrösserung etwa 300. - Fig. 24. Sexualorgane etwas weiter entwickelt. Bruthälter grösser und mit äumigerer Höhle, in den Zellen seiner Wandung viele Körnchen, das Sekret zur dung der festen Eischale (Chorion). Die dritte Zelle der Keimgruppe kennzeich- 268 August Weismann, dritte wird durch die Eizelle verdeckt), Od, Einmündungsstelle des Anleifere in den Brutraum; Ch, Chitinschicht der Rückenhaut, Hyp, Hypodermis. Fig. 25. Dieselben Theile, noch weiter vorgeschritten, Eizelle (Eiz) bereits von feinkörnigem Dotter geschwellt; Wand des Bruthälters dick und reich an körni- gem Schalensekret; St, Stiel des Bruthälters, in dem sich eine Spalte — der spätere Begattungscanal — gebildet hat. Fig. 26. Dieselben Tbeile noch weiter entwickelt. Der Stiel (S?) enthält jetzt einen Canal, der bis zur Hypodermis des Rückens reicht. Bezeichnung wie in Fig. 23 bis 25. Fig. 37. Bruthälter eines Jungfernweibehens, mit sieben Eiern (Ei) gefüllt, deren Embryonalzellen theilweise eingezeichnet sind. Br’, die noch nicht ausgedehnte Spitze des Bruthälters, Si, der Stiel zeigt hier keine Spur eines Lumens; Sb, Schwanzborsten. Vergrösserung: H. 3/VII (300). Fig. 28. Stück eines Bruthälters, in welchem ein bereits befruchtetes aa liegt; Eis, Eischale (Chorion), W, Wand des Bruthälters, St, Stiel desselben von dem Begattungscanal durchsetzt, dem auch eine Oeffnung in der neuen Chitinhaut Ch entspricht. Vergrösserung etwa 300. Tafel XI. Fig. 29. Eurycercuslamellatu's. A. Männchen in Seitenansicht. Man er- kennt zu Seiten des Darms den schlauchförmigen, prall mit Samen gefüllten Hoden, der mit kurzem Ausführungsgang an der Bauchseite des Postabdomens (Pabd) aus- mündet. Nur die linke männliche Geschlechtsöffnung (& sex Oe) ist sichtbar. Sb, Schwanzborsten, Skr, Schwanzkrallen, pes,, erster mit Haken und kurzem Flagel- / lum bewaffneter Fuss, At!, erste Antenne mit 42 Riechfäden mehr, als beim Weib- chen vorkommen; hSchw, hinterer Schalenwinkel; A, After. Vergr.: H. 3/IV (100). B. Einige Samenzellen von Eurycercus, ins Wasser ausgetreten, aber noch un- verändert bei H. 3/VIII (400). Fig. 30. Acroperus leucocephalus. Postabdomen eines Männchens. Sb, Schwanzborsten, A, After, D, Dorsal-, V, Ventralseite des Postabdomen. Vd, Vas deferens mit Samen gefüllt, der aus der Geschlechtsöffnung ausströmt ; M, Rückzieh- muskel des Vas deferens. Vergrösserung: H. 3/VIII (400). Fig. 34. Acroperusleucocephalus, Spitze des Postabdomens in Ventral- Ansicht; Skr, Schwanzkrallen, & sex, männliche Geschlechtsöffnungen. Vergrösse- rung: H. 3/VII (300). Fig. 32. Alonella pygmaeaSars. A. Postabdomen eines Männchens, Ven- tralansicht; & sex, männliche Geschlechtsöffnung, Vd, Vas deferens mit dem der andern Seite zusammen verschmelzend zu einem einfachen Ductus ejaculatorius (Dej); in denselben Samenzellen. B. Postabdomen eines Männchensin Seitenansicht; Vd, Vas deferens. C. Postabdomen eines Weibchens in Seitenansicht; scharfe Dornen stehen auf dem Dorsalrand,, welche beim Manne rudimentär sind. Vergrösserung: H. 3/VIII (400). Fig. 33. Pleuroxussp. Männliches Postabdomen in Seitenansicht. Bezeich- nungen wie vorher. Vergrösserung : H. 3/VII (300). Fig. 34. Peracantha truncata Baird. Männliches Postabdomen gerade _ nach hinten gestreckt nebst einem Theil der Schale; Seitenansicht. R, Rücken-, B, Bauchseite; hSchR, hinterer Schalenrand mit mächtigen Dornen bewehrt. A, After, Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. 369 T, Hoden, Va, Vas deferens, 5 sex, Geschlechtsöffnung, Skr, Schwanzkrallen, SD, Schwanzborste. Vergrösserung: H. 3/VIII (400). Fig. 35. Camptocercusrectirostris. Männliches Postabdomen. A, After, Va, Vas deferens, in welchem die kleinen Samenzellen sichtbar sind , welche theil- weise schon aus der Geschlechtsöffnung hervorgetreten sind (& sex); Sb, Schwanz- borsten. Vergrösserung: H. 3/VII (300). Fig. 36. Camptocercus rectirostris. Weibliches Postabdomen mit dop- pelter Reihe starker dreispitziger Zähne auf der Dorsalseite. Vergr.: H. 3/VII (300). Fig. 37. Alona testudinaria. A. Männliches Postabdomen, Seitenansicht, T, Hoden, A, After, Vd, Vas deferens, Geschlechtsöffnung ventral gelegen an der Basis der Schwanzkrallen. B. Dasselbe in Ventralansicht, die beiden Geschlechtsöffnungen sind in eine zusammengeflossen. Vergrösserung: H. 3/VII (300). Tafel XII. Fig. 38. Simocephalus Vetulus. A. Männliches Postabdomen in Seitenansicht. T, ein Stück des Hodenschlauchs mit Samenzellen gefüllt, Vaq, das sehr weite, ebenfalls prall gefüllte Vas deferens; Dej, Ductus ejaculatorius mit kräftiger Ringmuskulatur und einem flügelartig sich ansetzenden Dilatator, welchem eine rundliche Zelle g (Ganglienzelle?) aufliegt. Aus’ der Geschlechtsöffnung sind Samenzellen (Sz) ausgetreten, A, After, Skr, Schwanzkrallen nicht in der gewöhn- lichen Stellung, sondern nach hinten zurückgeschlagen (passiv). Sb, Schwanzborste, Sg, Schwanzborstenganglion, von welchem ein kleineres Ganglion sich abzweigt und einen Nerven gegen den Ductus ejaculatorius entsendet; Az, Afterzähne. Ver- grösserung: H. 3/VII (300). B. Samenzellen in ‘verschiedenen Entwicklungsstadien; C ein Spermato- blast. Vergrösserung: 3/VII. Fig. 391). Daphnia pulex. A. Spitze des Postabdomens eines jüngeren Männ- chens mit der Geschlechtsöffnung (&$ sex), aus welcher Samen ausströmt; A, After, R, Rectum, M, Flexor des Postabdomen, Skr, Schwanzkrallen, Az, Afterzähne, hier in der Zahl 9 jederseits vorhanden, bei älteren Männchen bis zu 13; Vd, Vas defe- rens, Dej, Ductus ejaculatorius mit deutlichen Ringmuskeln; die Afterzähne be- zeichnen zugleich die Rückenseite des Postabdomen; x, Ausschnitt in der harten Chitinschicht der Krallenbasis, von zarter Haut gebildet, so dass eine passive Beu- gung der Kralien möglich ist. Vergrösserung: H. 3/VII (300). Fig. 40. Ceriodaphnia reticulata Jurine. Postabdomen des Männchens, ö sex, Sexualöffnung, Vd, Vas deferens, Dej, Ductus ejaculatorius, A, After, davor die Afterzähne, D, Rückenseite, V, Bauchseite des Postabdomen. Vergrösserung: - H. 3/VII (300). : Fig. 44. Bosmina longispina, männliches Postabdomen, T, ein Stück des _ Hodens, A, After, Vd, Vas deferens; aus der Oeffnung desselben strömen die blassen mit Körnchen besetzten Samenbänder; Sb, Schwanzborsten. Vergrösserung: HART- - SACK 3/IV (100). : Fig. 42. Moina rectirostris, Hoden im optischen Querschnitt. Der Wand = sitzen mehrere blasige Spermatoblasten an, in welchen einige Samenzellen liegen, die der Strahlen noch entbehren; eine dieser Mutterzellen (Mz) gehört nicht in die 4) Durch ein leider zu spät bemerktes Versehen des Lithographen ist die im Text (p. 69, resp. 285) citirte Figur 39 B weggeblieben. 270 - August Weismann, Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. optische Schnittfläche, sondern sass der obern Wand an. Bei $z’ ein Haufen frei gewordener Samenzellen, noch ohne Strahlen ; Sz’ fertige Strahlenzellen. Vergrösse- rung: H. 3/VIII (400). Fig. 43. Scapholeberismucronata. Blindes Ende des Hodens von einem reifen Männchen; in jeder der grossen Wandungszellen scheint eine grössere Zahl winziger Samenzellen zu liegen, und ausserdem ist das Lumen des Hodens mit ihnen angefüllt. Vergrösserung: H. 3/VII (300). Fig. 44. Daphnia pulex. A. Hoden eines jungen Männchens, eine solide Zellenmasse, Zellgrenzen aber nicht bemerkbar, Vd, das spätere Vas deferens. B. Hoden eines etwas älteren, aber auch noch unreifen Männchens. Ein Lu- men beginnt sich zu bilden (L). Vergrösserung: H. 3/VII (300). Fig. 45. Simocephalus vetulus. Hoden eines jungen, aber schon reifen Männchens; Vd, Uebergang ins Vas deferens, Sz, fertige Samenzellen im Lumen, W, Wand des Hodens, noch sehr dick und aus vielen kleinen, locker aufeinander gehäuften Zellen bestehend, aus welchen die Samenzellen hervorgehen. Vergrösse- rung: H. 3/VII (300). Fig. 46. Simocephalus vetulus. Unreifer Hoden, noch völlig solid, Zell- grenzen nicht sichtbar. Vergrösserung: 3/VIII (400). Fig. 47. Chydorussphaericus. A. Optischer Querschnitt des Hodens, die Körnchen sind die einzelnen in der Hodenflüssigkeit suspendirten Samenzellen. Vergrösserung: H. 3/VII (300). B. Einzelne Samenzellen und Spermatoblasten. Vergr.: H. 3/VIII (400). Fig. 48. Geriodaphnia quadran gula. Ein Weibchen mit Ephippium und Winterei in Dorsalansicht, um zu zeigen, wie die Ephippialbegattung bei E dem Eingang in den Ephippialraum durch blosses Anlegen der männlichen Geschlechts- öffnungen möglich ist. Schw, Schwimmgürtel des Ephippium, Wei, Winterei, M, Medianlinie auf der völlig ebenen Rückenfläche des Ephippium. Vergrösserung: H. 3/IV (100). Tafel XIII, Fig. 49. Leptodora hyalina. A. Rechter Hoden eines jungen Thieres in Seitenansicht, die Spitze bei Ac nach Einwirkung schwacher Essigsäure, das Uebrige nach dem lebenden Thier gezeichnet. L, mit Flüssigkeit gefülltes Lumen des Ho- dens; M, die Matrix der Samenelemente; letztere springt mit buchtiger Oberfläche in das Lumen vor, gebildet durch Samenzellen und Spermatoblasten (Sp), in der Rinde der Matrix starke Proliferation der Zellen, vielfach doppeite Kerne. Einige Stellen der Matrix sind nicht ausgezeichnet. Vergrösserung: H. 3/VIII (400). Fig. 49 B. Samenelemente aus derselben Matrix. a, Spermatoblast mit vier Tochterzellen (Samenzellen); b, eine Samenzelle mit Kern und der spiraligen Fälte- lung der Rindenschicht. Vergrösserung: etwa 400. Fig. 50. Leptodora hyalina. A. Samenelemente. Samenzellen mit sehr deutlicher (in Natur aber weit zarterer) Spiralfältelung a, a, a, a, a; a’, ohne Fältelung; b, eine Zelle deren Spiralfalten nach Zusatz von Essigsäure versirichen sind; c, c, c, eine der amöboiden Zeilen der Hodenflüssigkeit in verschiedenen Con- | tractionszuständen. Vergrösserung: 3/VII (300). B. Eine Wandungszelle aus dem Hoden eines alten Männchens; V, die Vacuole, B n, kernartiger Körper, x, Gebilde unbekannter Bedeutung. Vergr.: H. 3/VIII (400). 7 ae ee ae k Die Wurmfauna Madeiras. Ik Von Dr. Paul Langerhans, Professor in Freiburg. Mit Tafel XIV—XVII. Aphroditea. 1. Hermadion pellucidum Ehlers. Die von Esers als Polynoe pellucida, von CLarAripe als Hermadion fragile aus dem Mittelmeer beschriebene Art ist in Madeira recht häufig. Ich fing sie sowohl in Tümpeln am Strande und an den Fischkörben, als in allen mir zugänglichen Tiefen. Die Färbung variürt sehr; neben fast farblosen Exemplaren fanden sich solche, deren Rücken fast ganz braun gefärbt war, einmal mit sehr auffallender Unterbrechung der Färbung auf dem 6. und 12. Segment, ähnlich wie das bei vielen Euniceen vor- kommt. Andere Exemplare entbehrten des Pigmentes, hatten aber alle Gewebe bräunlich-rosa gefärbt. Die Grösse der vollständigen Tbiere, wie sie trotz ihrer Brüchigkeit von den Körben leicht zu haben waren, betrug bis zu 2 cm. Die Anzahl der Elytren wird von Enzers!) auf 10, von ÜCLAPAREDE ?2) und MARENZELLER®) auf 14 angegeben; es ist mir ge- glückt, einmal deren 15 zu beobachten, die letzten auf dem 26., 29., 31. Segment. Das Exemplar war 2,0 cm lang mit 42 Segmenten. 1% Die Elytren sind von Enrers eingehend geschildert; MARENZELLER bemerkt mit Recht, dass jede kleine Papille ein Büschel von Tasthaaren trägt. Das gilt auch für die Papillen, welche den grösseren glocken- förmigen Papillen aufsitzen, und somit stimmen alle diese Gebilde voll- 3 kommen überein mit den Kleinen Papillen an den Cirren, welche von 1. |: { 4) Borstenwürmer. p. 405. Mi 2) Ann. de Naples. I. 383; Supp!l. 380. 8) Wiener Akad. Ber. 1875. p. 13. u 212 Paul Langerhans, CLAPAREDE So genau geschildert sind (l. c. Taf. V, Fig. 2). Nur in einer Beziehung muss ich ihm widersprechen. CLArArEpE lässt nämlich von dem axialen Nervenstrang der Cirren Aeste abgehen, welche » penetrent dans les papilles tactiles et les parcourent jusqu’a l’extr&mite, ou ils se terminent en un pinceau de soies libres, flottant dans le milieu ambiant«. Er nimmt mithin eine directe Endigung der Nerven in Tasthaare an. Dasselbe thut er bei Polynoe laevigata!); dieselbe Ansicht vertritt GREEFF in seinen Untersuchungen über die Alciopiden?2). »Am meisten ver- breitet finden sich feine Härchen an der nach Aussen gerichteten Ober- fläche dieser Hautanhänge (Cirri etc.), entweder einzeln oder in Büscheln zusammengestellt. In beiden Fällen lässt sich ihre Verbindung mit inne- ren Nervenfasern bestimmt beobachten. Man kann sie als directe Fort- setzung der letzteren, als nach Aussen getretene Nervenfasern oder Nervenhaare betrachten.« Ich kann dem nicht beistimmen. Wo auch immer man diese feinen Nervenhaare bei den Ghaetopoden findet, Kann man sich überzeugen, dass dieselben modifieirten Epithel- zellen aufsitzen. Mit diesen steht dann der Nerv in Verbindung, und endet somit in umgewandelten Epithelien, Fühlzellen, und nicht frei in Nervenhaaren. Dem entsprechend gelingtes bei H. pellucidum nicht, den Nerven in die kleinen Papillen der Cirren zu verfolgen. Man kann viel- mehr an der Basis der Papillen eine deutliche Anschwellung des Epithels beobachten, und mit dieser tritt der Nervenast in Verbindung. i Ein besonders günstiges Object für diese Frage sind die Kiemen der Serpulaceen. Dieselben tragen bekanntlich auf der Innenseite Reihen von Wimperzellen, während die Aussenseite der Hauptstrahlen mit starren, oft sehr ansehnlichen Tasthaaren besetzt ist. An diesen gelingt es bald am frischen Object, bald mit Hülfe von Osmiumsäure leicht zu erkennen, dass sie besonderen, von ihren Nachbarn deutlich verschie- denen Epithelzellen aufsitzen. Ich habe das in Fig. I von der in Madeira sehr häufigen Ditrupa arietina dargestellt. t Die Verbindung der Nerven mit diesen Fühlzellen in so überzeugen- der Weise darzuthun, wie es z. B. bei Amphioxus so leicht ist, war mir bisher nicht möglich. Trotzdem aber scheint es mir erlaubt auf Grund der angeführten Beobachtungen auch die Anneliden den Thierclassen anzureihen, bei denen die einfach sensiblen Nerven in modificirten Epi- thelzellen — Fühlzellen — enden. | Diese Endigungsweise ist bis jetzt mehr oder weniger bestimmt an- gegeben worden für Goelenteraten, Arthropoden, Mollusken, Fische und 4) l.c. Suppl. p. 378. 2) 1876. Leopoldo-Carolina. p. AA5. Be u 1 DE Sl ae Die Wurmfauna Madeiras. 273 Säuger, und es gewinnt immer mehr an Wahrscheinlichkeit, dass sie sich mit äusserst unbedeutenden Modificationen — je nach der Dicke des Epithels und dem umgebenden Medium — im ganzen Thierreiche wie- derfinden wird, soweit überhaupt ein äusseres Keimblatt ausgebildet ist, vielleicht mit Ausnahme der niedersten Coelenteraten. Die Ueber- einstimmung, die wir dadurch für die Endigung der einfach sensiblen Nerven in so weiter Ausdehnung gewinnen würden, erscheint fast noth- wendig, sobald wir uns erinnern, mit welcher Zähigkeit in den höheren Sinnesorganen, trotz aller Mannigfaltigkeit der Hülfsapparate, von den Nerven die Endigung in Zellen festgehalten wird. Und alle diese Hör- und Riechzellen müssen doch die Abkömmlinge von Fühlzellen sein, die in noch weiterer Verbreitung im äusseren Keimblatt sitzen müssen. Es scheint mir nothwendig, diese einfache epitheliale und jedenfalls älteste Art!) der Nervenendigung schärfer von den in ihrer Verbreitung so beschränkten Nervenendkörpern der höheren Vertebraten zu trennen, ‚als das meist geschieht. Dieselben gehören dem mittleren Keimblatt an, und zeigen, so weit wir bis jetzt wissen, keinen Zusammenhang mit dem Epithel. Dagegen erscheinen die sogen. Becherorgane der Teleostier und die Seitenorgane etc. der Fische und Amphibien als nächstliegende und ein- fachste Modificationen der Fühlzellen, denen sich dann Schmeck-, Hör- und Riechzellen anschliessen. Selbst im Endapparat des Opticus, der sich doch entwicklungsgeschichtlich so viel früher vom äusseren Keim- blatt getrennt hat, hat man bekanntlich in den letzten Jahren die epi- thelialen Elemente erkannt, die auch bei ihm das Wichtigste sind. Am weitesten von der ursprünglichen Form entfernt erscheint die Art der Nervenendigung in der Cornea: denn bei ihr haben wir ganz gewiss keine Sinnesepithelien. Vielleicht ergiebt die Embryologie eine Entwick- lung der interepithelialen Nerven aus Fühlzellen. Phylogenetisch würde dann ihre Entwicklung wohl bei Petromyzon beginnen; den Haien fehlen Fühlzellen in der Cornea. 2. Lepidonotus clavaMont. var. MARENZELLER?) hat die Differenzen zwischen’der Oceansart L. squa- " matus und der Mittelmeerform L. clava kürzlich eingehend besprochen. Danach muss ich die in Madeira am Strand sehr häufige Form als Varie- tät der letzteren bezeichnen. Sie wird 3,0 cm lang, 0,75 cm breit, hat 26 Segmente und ist schmutzig-grün; nur einmal ist mir ein ganz farb- loses albinotisches Exemplar begegnet. Die Mitte des Rückens und die | 4) cf. Hertwıg’s Medusen. 4878. 21.6. Pp: 4. E - Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXIH. Bd. AS 274 Pau! Langerhans, letzten Segmente bleiben unbedeckt, Cirren und Fühler sind glatt; die Palpen haben an der oberen Hälfte einige Reihen von Papillen, unten sind sie glatt. Die Elytren sind glattrandig, ihre hintere Hälfte rosenroth oder grün, und ihre Oberfläche mit grösseren und kleineren Papillen be- deckt, welche mit sehr dicker Chitinhülle versehen sind. Stets 12 Paar Elytren. Da L. squamatus gefranste Elytren und glatte Palpen hat, so schliesst sich die Madeiraform folglich an L. clava mit glatten Elytren und rauhen Palpen an; sie unterscheidet sich von ihm nur dadurch, dass die Palpen nicht ganz rauh sind, sondern nur in ihrer oberen Hälfte. Die Madeira- form bildet durch diese Abweichung einen Uebergang zu Kınzere’s L. Wahlbergi vom Gap, bei der die Elytren vollkommen übereinstimmen, die Palpen aber ganz glatt sind. — In Tenerife habe ich die unveränderte Mittelmeerart gefangen. Die grossen gelben Borsten des unteren Ruders sind einzähnig; aber nach hinten zu kommt bisweilen eine Andeutung eines zweiten Zahnes vor. Bei einem jungen Exemplar von 25 Segmenten hatte das 25. nur ein ventrales Ruder aus zarten Borsten (Fig. 2a); im 24. waren ventral Borsten von der Gestalt Fig. 2 a und 5; im 23. noch eine Borste (Fig. 2 b) neben den gewöhnlichen einzähnigen der Gattung. Wir haben ' also an den jüngeren Rudern in Gestalt der Borste Fig. 2 b in der That zweizähnige Borsten und es ist somit sehr erklärlich, dass gelegentlich auch in andern Rudern einzelne Borsten diese Form zeigen. 3. Lagisca propinqua Man. Einmal bekam ich aus grösserer Tiefe ein farbloses mit wenigen plassbraunen Flecken versehenes Thier von 2 cm Länge, 35 Segmenten und 15 Paar Elytren. Kopf mit den Chitinspitzen; Fühler und Cirren mit feiner Spitze ohne Anschwellung vor derselben und ohne Färbung, mit kleinen Papillen besetzt. Auch die Palpen tragen mehrere Längs- reihen feiner Papillen. Die Elytren (Fig. 3 c) haben eine vordere Zone, in der sie einander decken, nur fein punktirt, und eine grössere hintere freie, in der sie feine Chitinspitzen (Fig. 3 a) und dazwischen zarte weiche Papillen tragen.‘ Die letzteren, die auch MarEnzeLLer bei L. ex- tenuata abbildet, haben an der Spitze ein Bündel von Tasihaaren (Fig. 35). Die Borsten sind gelb, im oberen Ruder Fig. 3 d, im unteren Fig. 3 e. 5 Diese Form unterscheidet sich somit von der Mittelmeerart L. ex- tenuata durch die Papillen an den Palpen und den Mangel des kleinen dorsalen Fortsatzes am Fuss!) und stimmt am meisten mit Marn- 4) Wiener Akademie-Ber. 1875. Juli. p. 5. Die Wurmfauna Madeiras. 275 GREN’S!) L. propinqua überein, die übrigens ebenso wie rarispina am besten wohl nur als Varietät von extenuata anzusehen ist?). 4. Polynoe spinifera Ehlers var. Zusammen mit Lepidonotus clava, aber ungleich seltener, fand sich an Strandpflanzen eine 1,5 cm lange, 0,3 cm breite sehr zerbrechliche Polynoe von 36 Segmenten. Die 15 Paare Elytren decken den Rücken und die letzten Segmente; das vorderste Paar ist ganz farblos, die hinte- ren ebenso, die mittleren in ihrer freien Hälfte grün und braun gefärbt. Sie sind ungefranst und besetzt mit kleinen farblosen runden Warzen, die eine wenig verdickte Cuticula haben. Die gefärbten Epithelzellen zeigen deutlich ihre farblosen Kerne, ähnlich gewissen Silberbildern. Der Kopf stimmt ganz mit Enzers’ Beschreibung überein, nur sind die Palpen nicht glatt, sondern mit Längsreihen kleiner Papillen besetzt. Die Borsten (Fig. 4) des oberen Ruders sind erheblich stärker als die des unteren; die letzteren sind zweizähnig, aber bei wachsenden Thieren und jungen Segmenten sind sie zarter und einzähnig. Cirren, Antennen und Palpen sind in ihrer unteren Hälfte dieker und braun gefärbt. In der Reihe verwandter Formen stimmt mit dieser völlig Crarı- REDE’S P. torquata°), nur hat sie 16 Paar Elytren, die Madeiraform nur 15. Evarne impar*) von Marneren hat gefranste Elytren, EnLers°) P. spini- fera glatte Palpen : zwischen ihnen steht also unsere Art ähnlich wie der Madeira-Lepidonotus zwischen clava und squamatus, und ich bezeichne sie daher als Varietät von spinifera. Die Borsten stimmen vollständig zu Mc. Intosn’s Harmothoe Sibbaldii®), welche aber nur 14 Paar Elytren besitzt. 5. Polynoe zonatan.s. Einmal erhielt ich aus grösserer Tiefe eine schneeweisse Polynoe von 2 em Länge und fast 4 cm Breite mit 39 Segmenten und 15 Paaren den Rücken völlig deckender Elytren. Der Kopf (Fig. 5 a) ist in die beiden Chitinspitzen ausgezogen, die Augen sitzen nicht weit von einan- der entfernt. Antennen und Palpen spärlich mit Papillen besetzt; die unpaare Antenne fehlte. Die Oberlippe hat eine ähnliche Structur wie 4) Annulata polychaeta. p. 133. 2) Mc. Intos#, L. Jeffreysi (Trans. Zool. Soc. London. IX. VII. 397) hat im ven- tralen Ruder einzähnige Borsten, die unserer Art fehlen. 3) Annelides de Naples. I. p. 378. 4) Hafs-Annulater. p. 74. 5) Borstenwürmer. p. 95. 6) Trans. Zool. Soc. London. IX. VII. p. 378. 4874. 18* 276 | Paul Langerhans, bei P. spinifera : sie hat einen medianen Wulst, der aber nicht, wie bei dieser Art, einfach ist, sondern aus fünf Längswülsten besteht. Die beiden Ruder der Füsse sind nicht von einander an Stärke verschieden ; Borsten oben Fig. 5 e, unten Fig. 5 fund g, die untersten im Bündel einzähnig. Die Elytren sind sehr auffallend: sie haben eine kleine vordere feinpunktirte Zone (Fig. 5 d «), dann eine breite mittlere, besetzt mit kleinen Chitinzähnen (Fig. 5 5 P, d), und endlich eine grosse hintere Zone, welche mit unregelmässigen Flecken bedeckt ist, die sich bei stärkerer Vergrösserung als kleine Chitinschuppen von netzförmigem Bau mit einigen grösseren Zähnen herausstellen (Fig. 5 by). Aus den Lücken des Netzes ragen weiche Tastpapillen hervor (Fig. 5 c). 2 6. Sthenelais idunaeH. Rathke. Auf feinem Sandboden in 20 Faden Tiefe fing ich einmal ein 2,0 cm langes, 2 mm breites Stück einer farblosen Stihenelais von 74 Segmen- ten, das sich wohl nicht wesentlich von S. idunae unterscheidet. Der Kopf (Fig. 6 a) war röthlich durch Färbung des Nervensystems; er hatte zwei Paar einander berührende Augen vorn; die unpaare Antenne mit geringelter Basis, die sogen. paarigen Antennen kurz, mit Wimpern bedeckt, die schlanken Palpen fast dreimal so lang wie die unpaare Antenne. Das erste Segment hatte schon eine dorsale Wimperrosette, dazu einen kleinen dorsalen Cirrus, der etwas nach Innen gebogen war (Fig. 6 a, cd), einen langen, anatomisch als terminalis zu bezeichnen- den Fühlereirrus (ct), an Länge der mittleren Antenne gleich, und einen das Ruder nur wenig überragenden Cirrus ventralis. Es trug ein grosses Bündel feiner langer Haarborsten mit der feinen Zähnelung (Fig. 6 9). Die Elytren deckten den Rücken vollständig, waren dick mit kleinen Chitinwarzen bedeckt und am Rande, mit Ausnahme der inne- ren und eines Theiles der vorderen Seite, einfach gefranst. — Die folgenden Ruder (Fig. 6 h) hatten zwei Aeste, über dem dorsalen die Kieme, die erst vom 5. Segment an völlig ausgebildet ist, unter dem ventralen den teleskopförmigen Cirrus ventralis, welcher am 2. und 3. Ruder länger war. Beide Aeste des Ruders tragen kleine cirrenartige Papillen. Borsten dorsal nur Haarborsten (Fig. 6 9); ventral zunächst einige einfache (b), ferner einige stärkere zusammengesetzte (d), endlich ein reiches Bündel feinerer zusammengesetzter mit zierlich gezähntem Schaft und langem, unvollständig articulirtem Endglied (f, ec). In den vorderen Rudern sind die Endglieder länger, oft nur einzähnig; und im 2. bis 4. wird die einfache Borste b vertreten durch zusammengesetzte - Die Wurmfauna Madeiras. DI von der Gestalt e. — Ueber dem dorsalen Borstenbündel sitzen 3 Wimper- rosetten. | Nach Marnsren’s eingehender Beschreibung!) steht diese Form jedenfalls Rarner’s S. idunae sehr nahe. Von Crararkpe’s Arten scheint mir St. fuliginosa?) am nächsten verwandt zu sein. 7. Psammolyce Herminiae Me. Intosh. Mc. Inros# hat in seinen Anneliden der Porcupine-Expeditionen 3) nach Exemplaren von Tanger und der algerischen Küste eine sehr ein- gehende Beschreibung einer Psammolyce gegeben; mit seiner Form stimmt eine in Madeira in 20 bis 30 Faden Tiefe auf Sandboden vor- kommende vollkommen überein. Nur möchte ich das, was Mc. Intosa »large peduncles of the tentacular eirri« nennt, lieber als Füsse des ersten Segmentes bezeichnen, an denen dann die Tentakelcirren als kürzerer Cirrus dorsalis (Fig. 7 c, d), als längerer Cirrus terminalis (c, &) und als Cirrus ventralis aufzufassen sind. Elytren und Borsten sind von Mc. Intosu so genau geschildert, dass ich auch für die Madeiraform nur auf seine Abbildungen zu verweisen brauche. — Amphinomea. 8. Amphinome carunculata Pallas. Das Vorkommen von A. car. bei Madeira ist schon 1857 von GruBE festgestellt®). Sie ist weitaus die prächtigste Annelide der dortigen Fauna, und kommt in allen Tiefen vor. Die Grundfarbe ist ziegelroth oder ein sehr elegantes rauchgrau ; Kiemen, Saum des oberen Borsten- köchers, Karunkel und Kopf sind purpurn , letztere beide mit goldenen Linien: Ausserdem sind die Segmente dorsal durch einen schwarzen und einen goldenen Querstrich getrennt. — Die Borsten sind, wie das CLAPAREDE von Euphrosyne Audouinii) zuerst angegeben hat, hohl und von kohlensaurem Kalk. Sie brechen leicht ab und verursachen eine Hautentzündung wie Nesseln. Daher ist das schöne Thier kein ange- nehmer Gast im Schleppnetz, und wird im Aquarium von den Fischen gemieden. Die auffallende Farbe wird somit wohl bei unserer Art als Warnungsfarbe zu fassen sein, und in gleicher Weise dürfte sich die Färbung der ganzen Familie erklären. 1) 2) Annelides de Naples. p. 404. 3) Trans. Zoolog. Soc. London vol. IX. part. VII. 1876. p. 410. ) ) Hafs-Annulater. p. 86. 4) Annulata Oerstediana. p. 419. — 5) Ann. de Naples. p. 519. 278 Paul Langerhans, Die Borsten sind im oberen Bündel glatt (Fig. 8a) im ventralen am oberen Theil gezähnt (b); diese Zähnelung ist aber in demselben Bündel verschieden : einzelne Borsten erscheinen durch Entwicklung eines zwei- ten Zahnes am Ende bident, andere sind gar nicht gezähnt, nur der eine Zahn in Fig. 8 b bei g ist doppelt. Am inneren Ende sind die Borsten offen, und hier tritt ein weiches Gebilde in sie ein, das vielleicht der Gang einer Giftdrüse ist. Meine Exemplare maassen bis 20,0 cm und hatten 95 Segmente. Palmyrea. 9. Chrysopetalum fragile Ehlers. Diese von Enrers!) im adriatischen Meere, von CLAPAREDE 2) bei Port-Vendres und Neapel?) gefangene Art ist an den Algen der Ufer- felsen ziemlich häufig. Sie wird bis 0,75 cm lang mit 35—40 Segmen- ten, am Kopf sind die vorderen Augen grösser als das hintere Paar, und. hinter demselben findet sich eine rundliche Occipitalprominenz. Diese heiden Umstände werden von der so genau beschriebenen Mittelmeer- form nicht erwähnt: wenn sie in der That bei ihr fehlen sollten, könnte man die Madeira-Art als Varietät der anderen bezeichnen. Im Uebrigen ist die Uebereinstimmung vollständig. 10. Chrysopetalum caecum n. sp. Einmal bekam ich aus grösserer Tiefe zwei unreife Exemplare eines Chrysopetalum von 0,2 cm Länge, 23 Segmenten, farblos, Darm roth durchschimmernd. Kopf ohne Augen, rundlich (Fig. 9 ec); drei Fühler, der mittlere kürzer, alle kleiner als die Cirren; zwei schlanke Palpen mit kleinem basalen Ring. Das Mundsegment trägt zwei Paar Fühlereirren ; das erste Paar ohne Borsten, mit besonderem Basalstück für jeden Fühler, von denen der dorsale erheblich länger ist — das zweite Paar mit einem ansehnlichen Paleenbündel, aber noch ohne ven- wale Borsten. Dann folgen 19 Segmente mit Paleenbündel, Cirrus dor- salis, ventralem Bündel zusammengesetzter Borsten und Cirrus ventra- lis. Die Paleen (Fig. 9 a) sind nicht: breit, ihr Stiel bräunlich; die zu- sammengesetzten Borsten (Fig. 9 5b) ebenfalls bräunlich. Anal ein kleiner ventraler Cirrus. | Pharynx mit zwei kleinen braunen Kiefern. Vom 7. Segment an bis zum 16. der Darm zinnoberroth. 4) Borstenwürmer. p. 84. 2) Glanures. 4864. p. 426. 3) Ann. de Naples. 4868. p. 447. Die Wurmfauna Madeiras. 379 Diese Form unterscheidet sich von den andern Arten der Gattung namentlich durch die starke Entwicklung des Paleenbündels an dem zweiten Paar der Cirri tentaculares. Das Bündel ist hier genau so gut _ ausgebildet wie auf den folgenden Segmenten, und es könnte daher zweifelhaft sein, ob man die beiden Cirri noch als tentaculares bezeich- nen darf. Es fehlt indess das ventrale Borstenbündel vollständig, und das bestimmt mich zu der gegebenen Auffassung. Lycoridea. 11. Leonnates pusillus n. sp. Eine kleine Nereide, die ich öfters an alten Fischkörben fing, ge- hört ganz streng genommen nicht in Kınserg’s Genus Leonnates, inso- fern sie am Rüssel nur weiche und keine hornigen Paragnathen hat. Ich will sie indess einstweilen der kleinen Leonnatusgruppe an- schliessen. Sie maass nur bis 2,0 cm, hatte reif 35—53 Segmente und war rosa gefärbt. Der Leberdarm schimmerte braun durch und auf dem Kopf fand sich oft ein grosser gelber Pigmentfleck, der aber bis- weilen fehlte. Kopf und Augen cf. Fig. 10 i; die Cirri tentaculares sind kurz, der längste erreicht kaum das 3. Segment. Das Mundsegment ist bei unreifen Thieren lang. Die Füsse sind vorn und hinten nicht ver- schieden, mit Ausnahme natürlich der beiden ersten; ihren Bau cf. Fig. 10 f. Die Borsten sind nur von dreierlei Art, nach CLAPAREDE'S Schreibweise: | homogomphe Gräten homogomphe Gräten heterogomphe Sicheln (Fig. 10 b) heterogomphe Gräten heterogomphe Sicheln. Am Rüssel haben wir die beiden Kiefer, welche auffallend schmal und gerade sind und deren breite 13—15 Zähne (Fig. 10 e) an Selachier- zähne erinnern. Braune Nebenkiefer fehlen ganz, aber bei sehr ge- nauem Zusehen findet man einige farblose grosse häutige Gebilde, die ich aber nur an frischen Thieren beobachtet habe, an in Glycerinholz- ‚ essig conservirten Präparaten nicht wieder finde. Von diesen hellen Paragnathen sass am Maxillarring nur dorsal jederseits ein breiterer (Fig. 10 A), am Basalring dorsal jederseits ein schmälerer, ventral jeder- - seits ein schmälerer und in der Mitte ein dritter. 250 Paul Langerhans, Ich habe einige dieser Thiere längere Zeit im Aquarium geztichtet und dabei im Januar den Uebergang in die Heteronereisform beobachtet; die kleinen Thiere bauten sich am Glase und auf Algen helle Röhren. Bei den © waren die Eier schon vor dem Uebergang in die epi- toke Form zu erkennen. Die Augen wurden allmälig grösser, das Mund- segment kürzer und breiter, bis die ersteren einander berührend, die ganze Seite des Kopfes einnahmen, und das Mundsegment die Hälfte seiner ursprünglichen Länge hat. Vom 6. Segment an waren in jedem vier weissgelbe oder schwach röthliche Eier vorhanden. Die vorderen 17 Ruder waren unverändert; vom 18. an (dem 19. Segment) hatten sie bis hinten hin nur Heteronereisborsten. Die Cirri dorsales waren einfach; das eine reife @ starb und zerfiel leider bevor Genaueres über die Füsse beobachtet wurde. Dasselbe hatte nur 34 bewaffnete Seg- mente. Anal (Fig. 10 a) besass es zwei Cirri und praeanal zwei dicke mit Acicula versehene ventrale Fortsätze. Das eine reife g! hatte 50 Ruder und maass 1,5 cm; Augen und Mundsegment wie beim ©. Der Thorax hat 15 Segmente; vom 2. bis 8. sind die Cirri dorsales verdickt, und zwar vom 5. an plumper; am 9. bis 45. Segment sind sie dünn. Im 16. Segment (15. Ruder) be- ginnen die Heteronereisborsten, und die Ruder haben die Gestalt Fig. 10 d. Aber diese Form der Ruder erstreckt sich nicht bis hinten hin, sondern nur bis zum 40. Segment. Vom 41. bis zum 51. Segment waren die Ruder wieder anders gestaltet: sie hatten (Fig. 10 k) einen starken Cirrus dorsalis, und trugen Nereisborsten, und zwar im oberen Ast homogomphe Gräten, im unteren Bündel des unteren Astes hetero- gomphe Sicheln. Das obere Bündel des unteren Astes trug nur 1 bis 2 besondere, einfache, braune Borsten (Fig. 10 c), die sowohl unreifen Thieren als reifen © vollständig fehlten. Das Analsegment hat zwei lange ventrale Cirri (Fig. 10 d) und zwei dicke krumme dorsale An- hänge, welche wohl in Beziehung zur Begattung stehen. Vielleicht stellt sich bei Beobachtung frischer Exemplare bei man- chen heut als Leptonereis geführten Thieren eine ähnliche Bewafinung des Rüssels heraus, wie denn unsere Art sowohl GLararipe's L.. glauca als GrusE’s L. cebuensis nahe steht. 12. Geratonereis Costae Gr. Zu dieser von EHLers in seinen Borsienwürmern p. 524 genauer beschriebenen Mittelmeerart rechne ich einige am Strande unter Steinen - gefangene fleischfarbene Thiere. Sie waren unreif, hatten bis 4 cm Länge, 50 Segmente. Der Kopf stimmt vollkommen mit Enters Ab- bildung überein. Die Ruder sind überall einander ähnlich; sie unter- Die Wurmfauna Madeiras. 281 scheiden sich von denen der Mittelmeerform nur dadurch, dass die obere Lippe des oberen Astes ein wenig kürzer ist als die untere (Fig. 11). | Der Rüssel hat am basalen Ring keine Paragnathen; maxillar dor- sal nur zwei laterale Gruppen (Ordnung II), ventral zwei laterale (IV) und eine mittlere (II) nur aus drei Spitzen bestehende. Die Borsten sind dreierlei; ihre Vertheilung ist: homogomphe Gräten homogomphe Gräten heterogomphe Sicheln heterogomphe Gräten heterogomphe Sicheln. Vielleicht stimmt diese Form mehr noch zu Gruse’s C. lapinigensist), als zu Costae. 13. Leontis Dumerilii. Die von Norwegen bis ins Mittelmeer verbreitete L. Dumerilii ist auch in Madeira an den Pflanzen der Strandfelsen sehr häufig. Die grössten Exemplare erreichen kaum 4,0 cm; die violette Pigmentirung des Peritoneums ist sehr ausgesprochen; auch im Kopf, in den Basen der Tentakeleirren und in der Höhle der Kiefer finden sich violette Pig- mentzellen. — Ich habe unter vielen Hunderten auffallender Weise nie ein Exemplar in Heteronereisform gefangen; dagegen ist es mir ge- lungen, reife Thiere in Nereistracht, wie sie CLararkpE?) geschildert hat, beim Eierlegen zu beobachten. Es waren kleinere Exemplare, das Q von 1,5 cm, A5 Segmenten, abgerissen; das g' ebenso gross, 41 Segmente; beide waren falbbraun und hatten violette Pigmentzellen im Peritoneum. Einen besonderen Testikel, wie ihn CLArArkpE beschreibt, habe ich bei dem J! nicht wahrgenommen; dagegen war seine Leibes- höhle mit Spermatozoen mit länglichem Kopfe erfüllt3). Das Q war voll weisser Eier mit schwach grünlichem Hauch. Diese beiden Thiere nun sassen am 16. Juli in einer der hellen Röhren, wie sie die Nereiden zu bauen pflegen, beisammen, und Mit- tags legte das Q eine bedeutende Menge Eier in die Röhre. Um festzu- 4) Annulata Semperiana. Petersb. Acad. 1878. p. 69. 2) Ann. de Naples. Suppl. p. 426. 3) Ebenda. Taf. III, Fig. 1 d. 282 Paul Langerhans, stellen, welcher Art sie angehörten, unterbrach ich das Legen und untersuchte Jg’ und ©. Die Eier waren indess befruchtet und entwickelten sich sofort. Am Nachmittag waren bereits vier grosse grünliche Furchungskugeln vor- handen. Gegen Abend traten daneben kleine Zellen auf — wie, wurde nicht genügend beobachtet. Am folgenden Morgen waren die vier grossen Zellen vollständig von den kleinen umwachsen ; an den letzteren, den Ectodermzellen, sieht man deutlich den Kern, umgeben von hellen Dottertropfen ; an den vier Entodermzellen ist nichts davon zu sehen. — Am folgenden Tage ist eine Oeffnung im äusseren Keimblatt deutlich zu erkennen. Weiter sind an diesen Eiern diese lückenhaften Beobachtungen nicht gegangen. Aber sie genügen, um CLArıripr’s Ansicht zu stützen, dass Leontis Dumerilii in der That auch in Nereisform reif wird und sich fortpflanzt. — x Ich habe in demselben Monat an den Strandpflanzen ringförmige Nereidenröhren voller Eier oft gefunden, und zwar waren die Eier ent- weder roth — und diese glaube ich auf die unten zu beschreibende N. funchalensis beziehen zu müssen — oder sie waren weiss mit einem leichten Stich ins Grüne, und diese stimmten so vollständig mit den im Aquarium von L. Dumerilii gelegten überein, dass ich sie dieser Art zu- .ertheilen kann. Die Entwicklung der Eier in einer dieser Röhren habe ich einige Tage lang verfolgt. Das jüngste Stadium schliesst sich nicht direct an das älteste der im Glase gelegten Eier an; aber ich habe an anderen Eimassen einige Zwischenstadien beobachtet, welche beide verbinden. Sie waren alle durch den vollkommenen Mangel an Wimperreifen ausgezeichnet. Schon Mirse-Enwarns !j folgerte aus der Gestalt sehr kleiner Nereiden, dass die Thiere dieser Familie sehr frühe das Larvenstadium verlassen. Wir können einen Schritt weiter gehen und sagen, dass sie ein solches gar nicht durchmachen, sondern sich in ihren hellen ringförmigen Röhren direct entwickeln und aus diesen Röhren als junge Nereiden, nicht als Larven, herauskriechen. Solche junge Nereis sind schon wiederholt abgebildet worden, so von ÜLAPAREDE 2), WILLEMOES-SUHM 3), EHLERS ?). — Die jüngsten der von mir beobachteten L. Dumerilii (Fig. 13) hatten einen Kopf mit vier Augen, der in zwei frontale Spitzen (a) ausgezogen ist, die Anlagen der Antennen, und ventral vor dem Munde nur undeut- 4) Ann. sciences naturelles. IIIme. serie. t. Ill. p. 467. 2) Normandie. p. 52. 3) Diese Zeitschrift 4874. Bd. XXI. Taf. I, Fig. 12. 4) Borstenwürmer. p. 504. Die Wurmfauna Madeiras. 283 lich zwei stumpfe Polster erkennen lässt, die Palpen (p). Darauf folgt ein stets unbewaffnetes Mundsegment 1, welches auf diesem Stadium nur ein Paar seitlicher Anhänge trägt (ci) in denen wir die vorderen dorsalen Cirri tentaculares erkennen werden. Auf das Mundsegment folgen drei bewaffnete Segmente, 2, 3, 4, jedes mit einem oberen und unteren Borstenbündel. Das obere Borstenbündel hat ausser seiner Aci- cula nur eine Borste, das untere hat deren mehrere. Alle Borsten sind einander gleich (Fig. 12); es sind zusammengesetzte Borsten, homo- somph, mit kurzem grobzähnigem Endglied. Das Analsegment trägt zwei kurze Cirri. Der Mund (Fig. 43 o) führt in einen noch ganz unbewaffneten aber deutlich dickwandigen Schlund. An diesen schliessen sich die vier „is fünf grossen grünlichen Zellen des inneren Keimblattes, von deren die dorsal gelegenen länger sind, als die ventralen. Ein genau terminaler Anus mit kurzem Enddarm (r), welcher bis zum Hinterende der grossen Entodermzellen zu verfolgen ist. Das Bauchmark ist als ganz gleichmässiger paariger Strang zu er- kennen, der im Mundsegment die Schiundcommissur abschickt. Einen Tag später fand ich die erste Anlage der Kiefer. Zwei Tage später (Fig. 14) sehen wir den Munddarm deutlich gesondert in Rüssel- röhre und Kieferträger; im vorderen Abschnitt des letzteren die Anlage der Kiefer (m). Auf diesen Munddarm folgen die grossen Zellen des Entoderms, dann der Enddarm (r) mit deutlicher Höhle. Das ganze Thier hat inzwischen ausser dem Mundsegment fünf bewaffnete, im Ganzen also sechs Segmente bekommen und vor dem Analsegment sieht man die noch unbewaffneten Anlagen neuer Segmente. Am Kopf treten die Palpen (p) deutlicher hervor. Am Mundsegment finden wir die erste Anlage des Cirrus tentacularis ventralis (cv). Die Ruder zeigen ihre Cirri dorsales mehr entwickelt, namentlich das des 2. Segmentes, wel- ches zugleich sehr nah an das Mundsegment herangerückt ist. Das Nervensystem stellt einen gleichmässigen Zellstrang (n) dar. Am folgenden Tage hatten die Thiere nur !um ein Segment zuge- nommen. Wieder 24 Stunden später (Fig. 16) finden wir aber eine sehr wesentliche Veränderung. Die Thiere haben nun acht Segmente, aber das 2. hat seine Borsten verloren und zeigt nur noch durch den Be- sitz der Aciculae an, dass es früher bewaffnet war. Sein Cirrus dorsalis (ed) ist stark gewachsen, den beiden Tentakelcirren des Mundsegmen- tes ganz nahe gerückt und präsentirt sich nunmehr als zweiter dorsaler Tentakeleirrus. Von einem 'zweiten ventralen Tentakelcirrus ist noch keine Spur. — Am Kopf sind die Antennen gewachsen, die Palpen zeigen den ersten Anfang des Endgliedes (p). Der Mund ist sehr deut- 284 Paul Langerhans, = lich; am Münddarm Rüsselröhre und Kieferträger noch schärfer geson- dert, der Kiefer nun vierzähnig. Der Darm ist noch nicht durchgängig, die vier grossen Entodermzellen noch sehr deutlich. In den ventralen Borstenbündeln der Segmente 3 bis 6 finden sich neben den Borsten der Fig. 12 nun zuerst auch heterogomphe Sicheln (Fig. 17). Das Nervensystem stellt noch einen gleichmässigen Zellstrang ohne Gan- glien dar. Am folgenden Tage haben wir ein Segment mehr, aber am 3. und 4. ist das obere Ruder borstenlos geworden und hat nur noch seine Aci- cula. Die Borsten der anderen Ruder sind oben nur homogomph, unten auch heterogomph. Der Darm fährt fort vom Enddarm aus weiter offen zu werden, ist aber noch nicht durchgängige. Der 7. Beobachtungstag (Fig. 15) zeigt uns 10 Segmente. Das zweite Mundsegment lässt immer noch eine Acicula erkennen. Der Munddarm, bis ins 3. Segment reichend, ist noch hinten geschlossen. Dann folgen die grossen Entodermzellen,, zwischen denen sich im Anschluss an den bis ins 7. Segment reichenden Enddarm, aber von ihm durch ein Septum geschieden, der Mitteldarm entwickelt. Am Nervensystem ist ein erstes dem 2. Segment angehöriges Ganglion deutlich, ebenso ein zweites im 3. Segment. Im 4. bis 8. sind die Ganglien nur durch leichte An- . schwellungen des Nervenstranges angedeutet, im 9. und 10. ist der zellige Strang ohne jede Anschwellung. Am 7. Beobachtungstag war die einzige Veränderung das Auftreten einer Pigmentlamelle am Hirn, innen von den Augen (Fig. 19). Das Hirn reicht bis ins zweite Segment hinein nach hinten. Am 9. Beobachtungstage fand ich 11 Segmente. Der Munddarm war (Fig. 20) hinten in den noch immer gegen den Mitieldarm abge- schlossenen Uebergangstheil fortgesetzt. Der Mitteldarm war nun mit dem Enddarm in offener Verbindung, seine Farbe zeigte die Provenienz aus den grossen Entodermzellen an. Der Uebergangstheil des Mund- darmes ist aussen mit grossen Zellen besetzt. Vom +10. Tage habe ich das Nervensystem gezeichnet (Fig. 18). Das Thier hatte nun 12 Segmente; im 2. bis 10. waren Zellen und Nerven- strang deutlich gesondert, im 11. und 12. gingen beide in den unseg- mentirten Zellstrang über, den wir zu Anfang überall gefunden hatten, Am folgenden Tage fanden sich in den vorderen setigeren Segmen- ten je eine Borste mit längerem Endglied (Gräte),, die letzten haben dagegen noch die alte embryonale Borste (Fig. 12) im oberen Ruder. Der Darm war noch immer durch ein Septum gesperrt. Damit schliesst auch diese unvollständige Reihe ab. Bei einem Thiere von 16 Segmenten fand ich auch nur drei Cirri tentaculares; der nu ER Die Wurmfauna Madeiras., 3835 Darm war durchgängig, wenn auch seine Abschnitte sehr auffallend verschieden. Auch bei einer nicht genau bestimmbaren Nereis von 26 bewaffneten Segmenten fand ich nur drei Tentakelcirren, bei einer von 28 dagegen alle vier. Wir hatten in dieser Reihe die Thiere von sieben Segmenten noch mit bewaffnetem zweiten Segment gefunden, die von acht Segmenten nieht mehr. Bei einer anderen kleinen Nereide, welche im Kopf vorn einen grossen paarigen Pigmentfleck hatte, wie die von Esters und . WiırLemoes-Sunu abgebildeten Thiere, fand ich Exemplare von acht Seg- menten noch mit bewaffnetem zweiten. Aber am folgenden Tage hatten sie neun Segmente und die Bewaffnung des zweiten verloren. Diese lückenhaften Beobachtungen zur Nereidenentwicklung zeigen uns zunächst, dass ursprünglich alle Segmente, ausser Kopf- und Mund- segment mit oberem und unterem Ruder versehen sind. Erst später wird das 2. Segment ganz unbewaflnet und verschmilzt mit dem Mundseg- ment zu dem einen grossen Mundsegment der Nereiden, dessen Zu- sammensetzung aus zwei Segmenten LEucKkART!) also ganz richtig ver- muthet hatte. Und die beiden folgenden Segmente verlieren ihre oberen Ruder und werden rudimentär. Das sind also alles relativ jüngere Modificationen. Ausserdem finden wir ursprünglich überall homogomphe Borsten mit kurzem Endglied. Sowohl heterogomphe Sicheln als Gräten treten erst später auf. Es sind somit homogomphe Sicheln wohl die ur- sprüngliche Nereidenbewaffnung, und wir haben in den homogomphen Sicheln, die wir im oberen Ruder mancher Arten finden, vielleicht den Rest einer embryonalen Bewaffnung. Am Darm liessen sich die Ectodermantheile als Mund- und End- darm sehr deutlich von dem entodermalen Mitteldarm unterscheiden. Am Nervensystem fanden wir zuerst einen unabgetheilten paarigen Zellstrang. In ihm entsteht erst ein innerer Nervenfaserzug, und dann iheilen sich Ganglien ab. Diese Beobachtungen stimmen gut mit denen von Harscuer?) überein und weisen wie diese auf eine Ableitung des Annelidennervensystems von einem nemertinenähnlichen Zustande hin. Ik. Lycoris procera Ehlers. Das eine Exemplar aus dem Gulf of Georgia, welches Euters°) vor- gelegen hat, hatte allerdings viel beträchtlichere Dimensionen, als meine 4) Archiv für Naturgeschichte. 1849. 2) Arbeiten des Zool. Institutes zu Wien, Heft 3. 4878. 3) Borstenwürmer. p. 557. 2856 Paul Langerhans, ER: Madeiraexemplare,, aber sonst ist die Uebereinstimmung eine so voll- ständige, dass ich glaube, dieselben der Enzers’schen Art zurechnen zu können. Die Art gehört in Madeira zur Strandfauna, ist aber nicht häufig. Die Thiere sind ziegelroth, haben 60 bis 70 Segmente und messen gegen 3,0 cm. Palpen gross, Fühler kürzer, Fühlercirren mässig, der längste bis zum sechsten Segment reichend. Ruder Fig.21 a, ändern sich lang- sam nach hinten durch Zunahme der Höhe des oberen Züngelchens. Borsten: homogomphe Gräten vom 20. Segment ab nur 1 bis zwei homogomphe Sicheln (Fig. 21 c) homogomphe Gräten N heterogomphe Sicheln (Fig. 21 b) heterogomphe Gräten heterogomphe Sicheln. Die charakteristische Borste der Art, Fig. 21 c, stimmt mit der von Enuzers abgebildeten überein. Der Rüssel hat (Fig. 21 d) dorsal maxillar median (Gruppe I) eine Spitze, die bei unreifen Thieren oft fehlt, wie sie auch bei Enters Exemplar fehlte; lateral (II) zwei Gruppen, die bei jüngeren Thieren weniger Paragnathen enthalten, als in der Figur dar- gestellt ist. Dorsal basal (VI) nur lateral je eine Gruppe. Ventral (Fig. 21 e) sind maxillar drei starke Haufen von Spitzen vorhanden, basal eine vor- dere Reihe grösserer und bis drei Reihen kleinerer Spitzen. Aber jüngere Thiere haben maxillar median (III) nur eine oder zwei quere Reihen, basal ein oder zwei Reihen kleinerer Spitzen hinter der einen grösseren. Nur einmal habe ich ein reifes © gefangen, welches 63 Segmente hatte und vom 17. Ruder an Heteronereisborsten trug. Aber die Um- wandlung in die epitoke Form war noch nicht vollendet, an einzelnen Rudern fanden sich noch Nereisborsten, unter ihnen die charakte- ristische Borste der Art. Jedenfalls steht diese Art auch N. zonata und fucata!) sehr nahe. 15. Lycoris rubicunda Ehlers. Aus grösserer Tiefe bekam ich einige Exemplare einer Nereis, welche mir mit Enters adriatischer N. rubicunda?) übereinzustimmen scheinen. 4) EHLERS. p. 540 und 546. 2) Ebenda. p. 529. Die Wurmfauna Madeiras. 257 Sie maassen etwas über 2,0 cm, hatten 60 Segmente und waren rothbraun gefärbt. An den conservirten Präparaten zeigt das Perito- neum braune Flecke. Der Kopf gleicht vollkommen der Enrers’schen Abbildnng, nur sind die Palpen etwas länger. Fühlereirren lang. Die Ruder zeigen ebenfalls die von EuLers so genau beschriebenen Verhält- nisse; ich gebe in Fig. 22 « ein Ruder aus dem vorderen Körpertheila., Die Borsten sind dreierlei: homogomphe Gräten mit langem Endglied homogomphe Gräten heterogomphe Sicheln heterogomphe Gräten heterogomphe Sicheln. Die Sicheln (Fig. 22 b) entsprechen ganz der Enzers’schen Beschrei- bung. Ebenso der Rüssel; er hat dorsal maxillar zwei seitliche Reihen (II), basal zwei seitliche Gruppen (VI); die medianen Spitzen Il und V fehlen. Ventral maxillar zwei seitliche Gruppen (IV), eine mittlere Querreihe (III); basal eine einfache Querreihe von wenigen Spitzen. 16. Lycoris funchalensis n. sp. An den Strandfelsen Madeiras ist weitaus die am reichsten vertretene Nereide eine Form, die ich mit keiner der beschriebenen identificiren kann, und deshalb neu benenne; es ist mir trotzdem wahrscheinlich, dass eine genauere Untersuchung der Anneliden an Frankreichs Oceans- küste uns dieselbe als alibekannte Form erweise. N. funchalensis ist hellbraun; das Peritoneum hat einzelne bräur- liche Pigmentzellen. Sie ist 1,0 bis kaum 2,5 cm lang, und hat, wenn ausgewachsen, 40 bis 50 Segmente. Der Kopf (Fig. 23 a) ist ausge- zeichnet durch Grösse und Dicke der Palpen; die Cirri tentaculares sind kurz, die längsten nur wenig länger als die Palpen. Die Füsse sind, mit Ausnahme des ersten und zweiten, am ganzen Körper einander ziemlich gleich, der Cirrus dorsalis ist lang, das obere Züngelchen hoch (Fig. 23 e). Nach hinten zu werden die ganzen Ruder etwas kleiner, die Cirri dor- sales aber eher grösser. Die Borsten sind: homogomphe Gräten 1 homogomphe Sichel vom 13. oder 14. Ruder an homogomphe Gräten heterogomphe Sicheln 288 | | Paul Langerhans, heterogomphe Gräten heterogomphe Sicheln. Die Sicheln des unteren Ruders (Fig. 23 n) zeigen die Form der Gattung, die eine Sichel des oberen Ruders (Fig. 23 m) ist durchaus eigenartig und charakteristisch. Anal zwei Cirri; das Analsegment ist oft dunkler gefärbt. Der Rüssel hat dorsal (Fig. 23 b) maxillar zwei seitliche Gruppen, und median eine Spitze, welche bei jüngeren Individuen oft fehlt; basal zwei enggestellte Gruppen und zwischen ihnen eine unregelmässige weitere. Ventral (Fig. 23 c) maxillar zwei grössere seitliche und einen kleinen mittleren Haufen; basal einen Gürtel von vier Reihen, der beiderseits auf den Rücken übergreift und die seitlichen Gruppen hier erreicht. Die beiden Kiefer sind gross und haben meist 7 bis 10 grosse Zähne. Diese Art habe ich nun sehr häufig in der epitoken Form gefangen und ebenso in meinen Gläsern in diese Form übergehen sehen. Bei beiden Geschlechtern werden dabei die Augen grösser (Fig. 23 d), das lange Mundsegment wird kurz und breit und die braune Farbe verliert sich allmälig am Abdomen. Die vordere Hälfte der © ist grünlich ge- färbt, die hintere, selbst farblos, wird durch die Eier röthlich. Die J' behalten etwas mehr braun bei. Bei den g'! umfasst der Thorax stets 14 Segmente.. Am zweiten bis achten Segment (Fig. 23 f) werden die Cirri dorsales dicker, die Ruder des 9. bis 14. Segmentes ändern sich fast gar nicht. Mit dem 14. Ruder beginnen am 15. Segment die stark veränderten abdominalen Ruder (Fig. 23 k), welche mit Heteronereisborsten versehen sind. Das Analsegment hat zwei lange Cirri und zwei ventrale hohle Fortsätze (Fig. 23 !). Sperma . zart rosa, Kopf der Spermatozoen mit kleiner Spitze. Die reifen Q sind etwas grösser als die g', eirca 2,5 em: 2,0 cm. Die Ruder am Thorax sind nur wenig verändert; am zweiten und dritten Segment ist der Cirrus dorsalis verdickt (Fig. 23 g); das A. bis 19. Seg- ment haben die Ruder Fig. 23 h. Vom 20. Segment an treten die grossen Heteronereis-Ruder und -Borsten auf (Fig. 23 ‘). Anal zwei Cirri und zwei ventrale Fortsätze ähnlich denen des g' aber kürzer. Die Eier sind roth gefärbt. | Die reifen Thiere habe ich vom Juli bis zum Januar gefangen. Ich vermuthe, dass die ventralen Fortsätze des Analsegmentes irgendwie mit der Begattung zu thun haben; vielleicht dienen sie zur Ejaculation des Sperma. In meinen Gläsern hat diese, ebenfalls in hellen Röhren lebende Art nie Eier gelegt. Aber ich habe an den Pflanzen der Strand- = un, x a er 7 a ER En nn ge RE TE - N N ET aaa ae Die Wurmfauna Madeiras, | 289 felsen sehr oft helle ringförmige Röhren gefunden, erfüllt mit roihen Eiern, die ganz mit denen dieser Art übereinstimmen und die ich glaube auf dieselbe beziehen zu dürfen. Was ich an, diesen Eiern über Ent- wicklung beobachtet, stimmt ganz mit den Beobachtungen an Leontis Dumerilii überein. 11. Perinereis cultrifera Grube. Diese von der Nordsee bis zum schwarzen Meer verbreitete Form ist am Strande von Madeira sehr häufig; sie ist grün mit schwarzen Punkten, namentlich der Kopflappen hat viel schwarz, und erreicht mit 70 bis 80 Segmenten eine Grösse von A0 cm. EHLERS und ÜLAPAREDE haben diese Art eingehend beschrieben; meine Exemplare stimmten in Bezug auf Vertheilung der Borsten ganz mit CLararkpe’s Angaben. Die Füsse zeigten nach hinten zu eine meist geringe aber immer be- merkbare Zunahme des oberen Züngelchens in Höhe und Länge, wäh- rend die Lippe des unteren Ruders sich verkürzt. Die Anordnung der Nebenkiefer anlangend, so zeichnet CraPartpe maxillar dorsal (I) median nur zwei kleine, Enters drei etwas grössere Spitzchen: meine Exemplare hatten sehr constant eine grössere und eine kleinere; basal dorsal me- dian (V) stimmten sie ganz mit EuLers Bild überein : eine grössere Spitze zwischen zwei kleineren. Nur einmal habe ich ein reifes © in epitoker Form gefangen, das ganz mit CLaparkpe’s Beschreibung stimmt. 18. Perinereis floridana. Während P. cultrifera die bewachsenen Strandfelsen bewohnt, lebt eine nahe verwandte Form im grobkörnigen Sande unter Steinen, die nur bei tiefer Ebbe trocken liegen. Es ist eine 4 bis 7 cm lange, weisse Nereide, bei der nur die vorderen Segmente dorsal braun gefärbt sind mit leicht siahlblauem Glanz. Sie hatte 60 bis 90 Segmente und wurde nur unreif in den Monaten Januar bis März beobachtet. Der dunkel gefärbte Kopf (Fig. 24 d) ist sehr ähnlich dem von CLaParEDe’s P. macropus; der lange Fühlereirrus wird gegen 4 mm lang. Die Füsse sind denen von cultrifera ähnlich (Fig. 24 c); hinten ist das obere Züngelchen stärker entwickelt (Fig. 24 e), ohne indessen darin P. macropus zu erreichen; es ist in den letzten 30 Segmenten durch eine kreidige Färbung ausgezeichnet. Gestalt und Vertheilung der Borsten wie bei eultrifera. Am Rüssel haben wir dorsal (Fig. 24 a) maxillar median (I) nur einen Paragnathen, selten zwei, lateral nur wenige, -basal die beiden Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXIII. Bd. - 49 290 Paui Langerhans, sehr breiten Nebenkiefer der Gattung, dazwischen, in der V. Gruppe, nur einen. Ventral (Fig. 24 b) maxi drei ansehnliche Gruppen, basal eine doppelte bis dreifache Reihe. Bei kleinen Exemplaren sind die Para- gnathen heller und schwer zu erkennen. Während sich diese Madeiraform von den zunächst ee P. Ponteni, obfuscata und striolata durch die Zahl der Paragnathen erster Ordnung, von variegata durch die Füsse unterscheidet, ist die Aehnlich- keit mit EnLers’ floridana eine so grosse, dass ich glaube, sie zu dieser bis jetzt nur epitok bekannten Art rechnen zu müssen. — Eunicea. 19. Diopatra madeirensis.n. sp. Ein abgebrochenes Exemplar von 1,0 cm, 35 Segmenten, leicht violett gefärbt.- Kopf ohne Augen, Fühler ziemlich lang, die paarigen hinteren die längsten, bis zum fünften Segment reichend. Die Cirri ten- taculares entspringen seitlich am Rücken des ersten Segmentes. Vordere Ruder mit Cirrus dorsalis, terminalis und ventralis. Der letztere ist aber nur am zweiten bis fünften Segment gut entwickelt, weiterhin auf : ein rundes Polster reducirt. Der Cirrus terminalis ist noch am 19. Seg- ment zu erkennen, weiter nach hinten schwindet er. Neben dem Cirrus dorsalis tritt am fünften Segment die erste Kieme auf, länger als die Breite des Thieres, mit zartem Stiel und circa 12 bis 15 spiralig ange- ordneten zarten und langen Fäden. Solche Kiemen sitzen auf den Seg- menten 5 bis 14, auf den letzten mit weniger Fäden; dann auf 15 und 16 noch je ein Kiemenfaden, auf den folgenden keine mehr. Die Borsten sind in den ersten vier Rudern einfache gesäumte Borsten und zusammengesetzte Haken (Fig. 25 b); im fünften bis achten Ruder nur die einfachen Borsten, und vom neunten Ruder an daneben einfache Borsten mit bräunlicher rauher Fläche, ferner zwei starke ein- fache Haken (Fig. 25 a) und die zarten sogen. Spateln. Der Unterkiefer zeigt vorn mehrere Einschnitte und in der Mitte einen schwarzen Streifen. Der Oberkiefer ist unsymmetrisch; der Zahn hat rechts 12, links 15 Zähnchen, die unpaare Platie 17, die paarigen links 10 und rechts 12. Ueber ein Jahr nachdem ich dieses Thier in circa 20 Faden Tiefe gefangen, kamen aus derselben Tiefe 6 junge Individuen von 31 bis 35 Segmenten in meinen Besitz, die ich trotz einzelner Abweichungen der- selben Art zurechne. Die Borsten stimmten in Form und Vertheilung vollkommen überein, nur bei einem Exemplar fehlten die zusammenge- Die Wurmfauna Madeiras. 291 ‚setzten Haken schon im vierten Ruder; die starken Haken fanden sich stets im neunten Ruder. Aber die erste Kieme sass ausnahmslos auf dem sechsten Segment: ich möchte darum ihr Vorkommen auf dem fünf- ten, wie oben angegeben wurde, für eine Ausnahme halten, wie sie ähnlich auch bei D. neapolitana von CLararkpe beobachtet worden ist. Uebrigens waren bei den jungen Thieren die Kiemen nur auf zwei Seg- menten gut entwickelt; am achten und neunten hatten sie nur zwei bis drei Fäden, am 10. fehlten sie schon. Anal vier Cirri. — Die interes- santeste Abweichung ist aber, dass den jungen Thieren die Cirri tenta- culares noch vollständig fehlen. — Von allen bekannten Diopatra-Arten steht die neapolitana unserer Art wohl am nächsten; indess die Differenzen im Bau des Oberkiefers scheinen mir eine Vereinigung zu verbieten. 20. Hyalinoecia tubicola ©. F. Müller. Die lange Liste der Namen, welche diese vom adriatischen Meer bis Grönland verbreitete Art empfangen hat, ist von EHLERS zusammen- gestellt!\. Was den Gattungsnamen anlangt, so bin ich mit CLAPAREDE?) der Ansicht, dass man für die Onuphiden ohne Cirri tentaculares den Marmeren’schen Namen Hyalinoecia wählen muss. Es bleiben dann für die Formen mit Tentakelcirren die drei Genera: Onuphis, mit kamm- förmigen Kiemen; Diopatra, mit spiraligen Kiemen; Northia, mit ein- fachen Kiemen. Man könnte diese vielleicht passender als Untergenera eines Geschlechts bezeichnen. H. tubicola ist so oft und noch kürzlich von EnLers so eingehend beschrieben worden, dass ich mich darauf beschränken kann, die kleinen Abweichungen, die sich bei meinen Exemplaren fanden, hervorzuheben. Dieselben waren in 15 bis 30 Faden Tiefe gefangen, 2 cm lang, unreif, hatten gegen 60 Segmente und waren bräunlich gefärbt. Der Cirrus ventralis war nur am ersten, zweiten und dritten Ruder gut entwickelt, am vierten nicht mehr zu erkennen; nach Enrers ist er bei Thieren aus dem adriatischen Meere bis zum fünften Ruder gut entwickelt. Die kleine dorsale Lippe ist schon vom fünften Ruder an reducirt, nach Enzers erst am 13.; die grössere ventrale, die man eigentlich einen Cirrus ter- minalis nennen muss (EuLers zeichnet sie ventral, aber er nennt sie dorsal), ist vom 41. bis 19. Ruder klein, am 20. geschwunden; bei den Exemplaren von Enters schwindet sie erst am 23. Die Kiemen endlich treten in Madeira am 22. Ruder auf, in der Adria am 23. In den letzten sieben Segmenten (von 57) fehlen sie. Der Oberkiefer hat an seinen a | 4) Borstenwürmer. 297. \ PT . 2) Supplement. p. 390. 292 Paul Langerhans, Zähnen und Platten überall 10 bis 11 Zähnchen. Der Unterkiefer end- lich (Fig. 26 a) ist ein wenig abweichend gestaltet. Alle diese Ab- weichungen sind nur gering; aber sie fanden sich an zwei Individuen ganz übereinstimmend. Im Uebrigen vermag ich dem über diese Art bekannten nur zwei Bemerkungen hinzuzufügen. Einmal fand ich auch bei ihr die beiden kleinen frontalen Augenflecke, die bei so vielen Euniceen sich finden (ef. Nematonereis); und dann habe ich die Borsten noch etwas genauer untersucht. Im ersten Ruder haben wir, neben den in eine feine ge- krümmte Spitze auslaufenden Stütznadeln, zwei bis drei starke Haken (Fig. 26 db), die eine Andeutung von Zusammensetzung zeigen, und ebensoviel, die wirklich zusammengesetzt sind (Fig. 26 c). Die letztere Form kommt dann noch im zweiten und dritten Ruder vor neben den vom zweiten Ruder bis hinten reichenden einfachen gesäumten Borsten und den zarten Spateln.. Vom 14. Ruder an haben wir ein bis zwei starke einfache Hami (Fig. 26 e), die mit den Stütznadeln nichts zu thun haben. — Im 48. Ruder finden wir wieder zusammengesetzte Haken (Fig. 26 d), erst einen, dann mehrere; vom 52. an fehlen die einfachen Hami, vom 53. an die Spateln und an den letzten vier Rudern (bei 57 Segmenten) haben wir somit nur die einfach gesäumten Borsten und zusammengesetzte Haken. 21. Hyalinoecia rubra.n. sp. Mehrere Exemplare von 66 bis 120 Segmenten, 2,0 cm Länge, aus 15 bis 20 Faden Tiefe. Kopf farblos bis auf einen Stirnfleck ; sonst ist der Rücken der Thiere, mit Ausnahme der farblosen Mittellinie zweier zarterer Seitenlinien und der Ursprungsstelle der Ruder, roihbraun ge- färbt. In den ersten Segmenten greift die Färbung auch in die Mittel- linie über und an der Basis der Cirri dorsales finden sich Pigmentflecke von wechselnder Grösse. Am Kopf zwei Stirnaugen und zwei hintere unregelmässige Augenflecke. Die geringelten Basalglieder der fünf grossen . Fühler sind ansehnlich; von den Fühlern sind die hinteren paarigen weitaus die längsten, fast doppelt so lang als der bis zum sechsten Seg- ment reichende unpaare. Bei einem Exemplar maassen die grossen Fühler 2,8 mm, wovon 0,3 auf die Basis kamen, in welcher stets das Peritoneum gelb gefärbt ist. Füsse einrudrig; Cirri ventrales vom zweiten bis sechsten Segment gut entwickelt, dann bis zum 14. als runde Prominenz zu erkennen, weiterhin ganz geschwunden. Cirri terminales vom 2. bis 10. Segment gut entwickelt. Cirri dorsales vom zweiten Segment bis hinten gut ent- wickelt, mit den rudimentären Stütznadeln eines oberen Ruders. Vom Die Wurmfauna Madeiras. 293 “ fünften oder-sechsten Segment an neben dem Cirrus dorsalis eine ein- fach fadenförmige Kieme, die sich über eine grosse Zahl von Segmenten erstreckt, aber doch stets auf der ganzen hinteren Hälfte des Thieres fehlt. Bei einem Individuum von 65 Segmenten war sie vom sechsten bis zum 15. Segment ebenso gross oder grösser als der Cirrus dorsalis, nahm dann an Grösse ab und war vom 29. Segment ab nur noch als kleiner Höcker mit Gefässschlinge am Cirrus dorsalis zu erkennen. Bei einem anderen Exemplar von 100 Segmenten war die Kieme vom 5. bis 27. gross, am 43. ganz verstrichen. In allen Rudern finden wir einfach gesäumte Borsten. Ausserdem im zweiten bis siebenten oder achten Segment zusammengesetzte Haken (Fig. 27 b); vom achten Segment an Spateln,, vom 11. einen bis zwei starke einfache Hami (Fig. 27 a). Bei dem Exemplar von 400 Segmen- ten hören am 73. die Spateln auf, am 7%. erscheint neben dem Hamus ein eigenthümlicher zusammengesetzter Haken (Fig. 27 d). Am 76. Seg- ment ist der letzte einfache Hamus ausgebildet, vier weitere Segmente zeigen ihn angelegt, den folgenden fehlt er ganz. Alle diese Segmente haben neben den einfach gesäumten Borsten zusammengesetzte Haken, deren Endglieder allmälig die Form Fig. 27 c annehmen. — Das einzige Individuum mit erhaltenen Cirri anales hatte deren drei. — Im Ober- kiefer links eine Platte mehr; der Zahn hat sieben bis neun kleine Zähne, die Platten sechs bis acht. Der Unterkiefer ist lang und hat vorn jederseits eine Incisur. I Diese Art unterscheidet sich von der vorigen namentlich durch die grössere Zahl der gut entwickelten und mit zusammengesetzten Haken bewaffneten Füsse. Sie stimmt darin mit H. rigida Clap., von der sie die Farbe, die Länge der Fühlerbasen und die Beschränkung der Kiemen auf die vordere Körperhälfte unterscheidet. 22. Eunice vittata Delle Chiaje. Nach der Beschreibung, die CLarırkpe in seinen Ann. de Naples p. 443 und Suppl. p. 398 gegeben, ist die E. limosa von EHLErs, Borsienwürmer p. 348, ohne Frage mit der alten Art DELLE Cnunse’s identisch. GrusE zieht in seinen Bemerkungen über die Anneliden des Pariser Museums auch die Rubrocincta hierher und MArıon und BoBRETZKI thun dasselbe. Die in Madeira in 20 und mehr Faden Tiefe gefangenen Exemplare sprechen ebenfalls für diese Vereinigung. Sie stimmen ganz vollkommen mit der vittata-limosa überein, sowohl in Verbreitung der Kiemen als Gestalt der Borsten. Aber sie besitzen im oberen Borsten- _ bündel Spateln, deren Mangel bei E. vittata CLarartpe als einen der _ Hauptunterschiede von rubrocincta bezeichnete. Der Oberkiefer hatte 294 Paul Langerhans, im Zahn links acht, rechts neun Zähne, in der unpaaren Platte acht, in der paarigen links zehn, rechts elf. Die Thiere maassen 3,0 bis 4,0 cm, hatten bis 70 Segmente, Kiemen vom 5. bis 33., resp. 63. Segment. Sie zeigten neben den grossen Augen zwei kleine frontale Augen, die den früheren Beobachtern entgangen sind. 23. Eunice Harassii Aud. und M. Edw. Die verwickelte Synonymie von E. Harassii und E. Claparedii ist von CLAPAREDE in seinem Supplement p. 395 f. Anm. zusammengestellt worden. Danach gehören zwei aus grösserer Tiefe stammende Individuen zu Aupouin-MıLne Epwarv’s E. Harassii. Eines von ihnen maass 7 cm, 115 Segmente, und war gleichmässig braun gefärbt. Antennen und Cirri tentaculares waren articulirt, die ersten beiden Cirri dorsales zeigten die Andeutung einer Gliederung, die anderen waren ganz glatt. Die Kiemen begannen schon am vierten Segment mit einem kleinen Faden; Aupouin und MıLne Epwarns lassen sie am vierten oder fünften, QUATRE- FAGES am fünften beginnen. Sie hörten schon am 60. Segment auf, was wohl daran lag, dass das Exemplar noch nicht ausgewachsen war; vom 13. Segment an waren sie voll entwickelt, mit sechs bis sieben Fäden. Vom vierten Segment an ein Pigmentfleck an der Wurzel des Cirrus dor- salis. Der Cirrus ventralis ist vorn dick und kurz, vom siebenten Seg- ment an ist er an seiner Basis rundlich angeschwollen, wie das Aupovin und Mırne Epwarps abgebildet haben ; nach Aufhören der Kiemen wird er fadenförmig. Borsten überall zusammengesetzte Haken und einfach gesäumte; vom 13. Ruder an Spateln, vom 27 an einfache Hami. — Die Kiefer wurden mir in Salpetersäure zerstört; ich kann daher über sie nur bemerken, dass sie reich an kohlensaurem Kalk sind. 24. Eunice siciliensis Gr. Diese vom Mittelmeer!) bis zu den Philippinen 2) verbreitete Art ist auf den Felsen am Strande in dem von Algen gelieferten Kalküberzug nicht selten, aber es ist schwer ganze Thiere zu erhalten. Die dunkle Färbung, herrührend von einer Färbung des Darmes, begann bei einem Exemplar am 37. Segment. Die Kiefer enthalten kohlensauren Kalk. Einmal fand ich an zwei Kiemenfäden Bifurcation. 25. Amphiro Johnsoni?) n. sp. Kıngerg ?) stellte 1864 die Gattung Amphiro für eine mit Lysidice 4) EaLers, Borstenwürmer. p. 353. CLAPAREDE, Suppl. p. 391. 2) GRrUBE, Ann. Semperiana. p. 464. 3) Genannt nach Mr. JAmEs YATE Jonnson, dem verdienten Zoologen von Madeira. 4) Annulata nova. Overs. Vetensk. Akad. Förh. 1864. p. 565. Die Wurmfauna Madeiras. 295 zunächst verwandte Form der Euniceen auf, bei der sich aber kamm- förmige Kiemen neben den Cirri dorsales fanden. Ich habe in Madeira in der Tiefe eine sehr ähnliche Art gefangen, deren Kiemen einfach fadenförmig sind, es liegt wohl kein Grund vor, deshalb ein neues Genus aufzustellen; man muss nur die Diagnose Kınerg’s etwas modificiren : Labidognathe Euniceen mit drei Tentakeln und Kiemen neben dem Cirrus dorsalis. Von meiner Art fing ich zwei Exemplare, eines von 35 Segmenten, 1,0 cm und ein abgerissenes von 22% Segmenten und 0,5 cm. Beide sind unreif und farblos. Kopf (Fig. 28 a) vorn eingeschnitten, mit drei An- tennen, von denen die mittlere den vorderen Rand des Kopfes überragt; zwei grössere Augen mit Linse, zwei kleine frontale Augen. Zwei ruder- lose Segmente, von denen das erste viel länger ist. Vom dritten Seg- ment an Ruder mit Cirrus dorsalis und ventralis, vom 17. Segment an neben dem Cirrus dorsalis eine mehr als doppelt so lange einfach faden- förmige Kieme. Oberkiefer unsymmetrisch (Fig. 285). Der Zahn hat links nur drei Einschnitte, rechts sechs; die unpaare linke Platte fünf; die vordere Sägeplatte beiderseits vier. Unterkiefer r:3..28 c. Borsten überall ein oberes Bündel einfach gesäumter Borsten und ein unteres, das aus zusammengesetzten Haken (Fig. 28 e) und zu- sammengesetzten Messern (Fig. 28 f) gebildet wird. Vom 9. oder 10. Ruder an dazu ein starker Hamus (Fig. 28 d), weiterhin auch feine Spa- teln. Die Stütznadeln sind schwarz. Ausser den Kiemen unterscheiden auch die zusammengesetzten Messerborsten diese Art von der am La Plata gefangenen A. atlantica KInBERG’S. 26. Lysidice Ninetta Aud. undM. Edw. Diese an den Küsten Englands und Frankreichs sowie im Mittel- meer verbreitete Art ist auch in Madeira in grösseren Tiefen nicht selten. Meine Exemplare maassen 4 bis 6 cm und waren gleichmässig braun mit weissen Tüpfeln, kein Segment war farblos, wie das an anderen Orten beobachtet worden ist. Spateln und Hami traten am 20. Ruder auf. 27. Nematonereis unicornis Grube. Unreifes Thier von 1,0 cm, 42 Segmenten, gelblich. Kopf mit einem _ frontalen Fühler, zwei grösseren hinteren und zwei kleineren vorderen Augen. Zwei Segmente ohne Ruder, dann Ruder mit Cirrus dorsalis _ und ventralis; vier Cirri anales, zwei aa und zwei kürzere. Borsten K: überall nach gesäumte und zusammengesetzte Haken; vom 24. Ruder 296 Paul Langerhans, an auch feine Spateln und ein starker einfacher Hamus. — Kiefer: Zahn links mit vier, rechts mit fünf Sägezähnen ; linke unsymmetrische Platte mit vier Zähnchen;; vordere Platte zum Theil schwarz gefärbt, links sechs, rechts wohl nur fünf Zähne. Unterkiefer ganz wie bei Enters Taf. XVI, Fig.:22%. —- | Diese Beschreibung stimmt ganz vollständig mit der von N. oculata, Enters!); nur am Oberkiefer haben die vorderen Sägeplatten mehr, resp. weniger Zähnchen. Indess diese kleinen Zähnchen sind in der Zahl wohl kaum ganz constant, und die Uebereinstimmung der Kiefer ist sonst eine vollkommene. Ich müsste somit meine Madeiraform als N. oculata bezeichnen: indess nachdem CrArArkpe 2) darauf aufmerksam gemacht hat, dass Gruse’s®) Angabe in Betreff der Cirri dorsales seiner N. unicornis wohl auf Verstümmelung des einen untersuchten Exemplars beruhe, ist der Unterschied zwischen beiden Arten auf die Zahl der Augen reducirt. Ich habe nun die kleinen vorderen Augen, welche bei N. unicornis bisher nicht gesehen wurden, bei mehreren oft untersuch- ten Euniceen gefunden, bei denen sie ebenfalls bisher nicht angegeben sind, und glaube mich dadurch zu der Annahme berechtigt, dass sie auch bei N. unicornis nur von den früheren Untersuchern übersehen worden sind. Das gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass diese Augen bei älteren Thieren schwerer wahrzunehmen sind, als bei jünge- ren, wie sie Enters und mir vorlagen. Es würde demnach der Ver- einigung beider Arten nichts mehr im Wege stehen. Uebrigens scheint N. unicornis trotz ihrer ziemlich weiten Verbreitung — von der Adria bis Madeira — überall ziemlich selten zu sein; denn nur CLAPAr&DeE hatte in Port-Vendres mehrere Exemplare zu seiner Verfügung, während GRUBE, EHLERS und mir nur je eines vorlag. Lumbriconereis. CLAPAREDE sieht in seinen Ann. de Naples die Anwesenheit eines zarten Bündels dorsaler Aciculae als Gattungsmerkmal für das Genus Notocirrus an, während bei Lumbriconereis diese Nadeln fehlen sollen. Ich habe bei drei hierher gehörigen Arten stets die dorsalen Aciculae gefunden, und zweifle nicht, dass eine genaue Untersuchung sie auch bei den anderen verwandten Formen wird auffinden lassen. Damit fiele die Gattung Notocirrus in CLAPAREDE'S Sinn von selbst fort, und es steht nichts im Wege, sie in der besser charakterisirten Auffassung von EnLers beizubehalten. 4} Borstenwürmer. p. 374. 2) Glanures. p. 112. 3) Actinien, Echinodermen und Würmer. p. 80. er > E 5 5 a Ey ER ET B 2 « ” - a a ER Die Wurmfauna Madetas, 297 Bei zwei Arten habe ich sowohl in der Zange, als im Zahn des Oberkiefers Canälchen beobachtet, die an der Spitze der einzelnen Zähnchen ausmünden. Wir werden daraus auf die Existenz einer Gift- drüse schliessen dürfen, analog der von CLarArkpE bei den Lycoriden aufgefundenen. 28. Lumbriconereis fragilis ©. F. Müller. L. borealis Kinberg. Ann. nova. 1864. p. 568. L. madeirensis. Ib. p. 569. MALMEREN hat in seinen Annul. polych. Spetsb. den L. borealis von Kıngere mit der alten Mürter’schen Art vereinigt; ich kann Kınzerg’s L. madeirensis als derselben Art angehörig bezeichnen. Es kommen bei Madeira drei Arten dieser Gattung vor: A bei der die erste Reibplatte zweizähnig ist — Kıngere’s L. funchalensis — und zwei bei denen die- selbe einzähnig ist. Von diesen hat Kınsers nur eine Art gefangen, nur mit einfachen Borsten, das ist sein madeirensis-fragilis. Die andere Art ist L. gracilis. L. fragilis lebt in der Tiefe, ist fleischfarben ; er Kopf zugespitzt. Meine Exemplare waren bis 3,0 cm lang. Der Vohn des Kiefers hat vier Sägezähne, wie dies auch Enters in dieser Zeitschrift, Bd. XXV, p. 53, angiebt. Die erste Reibplatte hat nur einen Zahn. Der Unterkiefer ist vorn ausgezackt, ganz ähnlich dem von L. gracilis. Die Borsten sind alle einfach : vorn nur gesäumte Haarborsten; dann treten neben diesen solche auf, die an der Spitze etwas gezähnt sind (Fig. 30 e) — das fand bei einem jungen Thier von 80 Segmenten schon im achten Ruder statt. Diese langen Haken werden allmälig kürzer (Fig. 30 b und «a) und verdrängen hinten die Haarborsten ganz. Kleine dor- sale Acicula. Ganz ähnliche Borsten bildet auch Enters ab, in dieser Zeitschrift, Bd. XXV, Taf. III, Fig. 29 bis 31. 29. Lumbriconereis funchalensis Kinbere. Diese von Kınzere (l. c.) beschriebene Art ist eine der gemeinsten "Anneliden Madeiras; sie findet sich sowohl an den Algen der Strand- felsen als in der Tiefe, ist ausgezeichnet durch ihre Orangefarbe und er- reicht eine Länge von über 6,0 cm mit 150 Segmenten. Kopflappen rundlich. Kiefer: Zahn mit fünf Zähnen, erste Reibplatte mit zwei Zähnen. Unterkiefer cf. Fig. 29 c. Bei jungen Individuen konnte in der Zange (Fig. 29 a) wie im Zahn 298 Paul Langerhans, erwähnt habe. Alle Borsten einfach, vorn gesäumte Haar- und Haken- borsten, hinten nur Haken (Fig. 29 b). Aciculae bald hell, bald schwarz. Zarte dorsale Aciculae meist zwei bis drei. Vier breite Analcirren. Diese Art ist sicher mit L. breviceps Ehlers, impatiens Clap. nahe verwandt; nur die Form der Haken ist ganz abweichend (Ann. de Naples. IX, Fig. 25). Vielleicht ist sie mit Gruse’s Laurentiana identisch; aber Grugr’s Beschreibung!) ist nicht ausreichend, um das zu erkennen. 30. Lumbriconereis gracilis Ehlers. Enters hat bei Fiume eine der L. Nardonis sehr ähnliche Form in einem Exemplar gefunden und als_L. gracilis beschrieben 2). Diese Art ist nun bei Funchal in 20 Faden Tiefe und darüber sehr häufig, und die Beschreibung von Enzers stimmt vollständig auf alle von mir untersuch- ten Exemplare. Die Farbe ist stets regenwurmfarben ; reife Q wie 51 maassen 3,0 bis 6,0 cm, mit 60 bis 100 Segmenten. Im Kiefer hatte der Zahn stets vier Sägezähne, die Reibplatten jede nur einen Zahn. Der Unterkiefer ist vorn gezähnelt. — Die Füsse zeigen vorn nur eine kürzere Lippe, hinten aber, und zwar schon vom 15. Segment an, deren zwei. Die Borsten sind von dreierlei Art: zusammengesetzte Haken (Fig. 31 5) im den ersten 13 bis 48 Rudern, einfache Haken an ihrer Stelle in allen folgenden Segmenten (Fig. 34 a), und ausserdem in den ersten 33 bis 40 Rudern gesäumte Haarborsten. Die helle Acicula ist ausgezeichnet durch einen kleinen spitzen Aufsatz (Fig. 31 c). Das obere Ruder ist vertreten durch ein bis zwei zarte Aciculae, die in einem sehr kleinen dorsalen Cirrus sitzen. Bei jungen Thieren fanden sich die Giftecanälchen in den Stücken des Öberkiefers. 31. Halla sulfurea n. sp. Schwefelgelb, über 3,0 cm lang, unreif, 100 Segmente und darüber, in der Tiefe lebend. Kopf (Fig. 32 d) mit drei Antennen, von denen die mittlere die grösste, und sechs Augen, von denen die grössten aussen von den paarigen Antennen, die mittleren innen von ihnen sitzen. Die beiden kleinsten befinden sich vorn an der ventralen Seite des Kopfes (Fig. 32 «). Unterlippe median eingeschnitten. Zwei Segmente ohne Ruder; dann Ruder mit zur Kieme entwickeltem Cirrus dorsalis und plumpem Cirrus ventralis. Anal A Cirri und A kleine Papillen zwischen ihnen. 4) Archiv für Naturgeschichte. 1863. p. 40. 2) Borstenwürmer. p. 393. Die Wurmfauna Madeiras. 299 Oberkiefer mit zwei langen Trägern (Fig. 32 g) die nur aus einem. Stück bestehen, und jederseits fünf Kieferstücken. Links (Fig. 32 e) ist das erste das grösste, rechts (Fig. 32 f) ist das erste viel kleiner als das zweite. Die vier ersten Stücke jederseits haben viele Zähne, die in den Figuren 32 e und f von einem Individuum ganz genau abgebildet sind; das fünfte ist einzähnig. Die beiden Hälften des Unterkiefers trennen sich leicht; sie haben jede eine starke Incisur, die in der Mitte des vor- deren Randes (Fig. 32 d) oder mehr nach innen liegt. Die Borsten sind überall gesäumte Haarborsten mit zarter Spitze; vom 10. Ruder an dazu ein bis drei starke einfache Hami (Fig. 32 c). ‚Die Stütznadeln des Ruders sind hell, die in den Cirrus dorsalis hinein- ragenden dorsalen Aciculae sind ansehnlich. So sehr diese Halla der Mittelmeerform parthenopeia ähnelt, so ist sie doch durch den Besitz der beiden kleineren Augen, der Hami und die Gestalt des Unterkiefers wie der Träger des Oberkiefers von ihr ver- schieden. 32. Staurocephalus erucaeformis Mlgn. Mehrere reife Exemplare von 1,0 bis 1,5 cm, 35 bis 42 Segmenten, lebhaft roth gefärbt, an CGorallen in der Tiefe lebend. Kopf bis auf Stirn und Scheitel farblos, mit vier rothbraunen Augen, von denen die vor- deren weiter auseinander stehen (Fig. 33 a) und grösser sind. Fühler kürzer als die Palpen, alle ungegliedert. Im Nacken vier epauletteförmige Wimpergruben. Erstes und zweites Segment ohne Ruder, erstes ganz roth, zweites und alle folgenden mit zwei rothen Querbinden. Am dritten Segment das erste Ruder ohne Cirrus dorsalis; dann vom vier- ten an der charakteristische Cirrus dorsalis der Gattung mit langem cylindrischen Basal- und kleinem Endglied. Vier Cirri anales, die ven- tralen grösser und mit kleinem Endglied. | Die Borsten im oberen Bündel sind einfach und alle einander gleich (Fig. 33 c), die im unteren zusammengesetzt (Fig. 33 b). Der Unterkiefer besteht aus zwei Hälften, die vorn gezähnelt sind (Fig. 33 e); Oberkiefer hat zwei Reihen von Zähnen, ohne die kleinen Nebenkiefer, wie sie Enters bei rubrovittatus und Crararipe bei Chiaji beschrieben haben. Beide Reihen bestehen aus einem Träger und 15 bis 20 Stücken; die der oberen Reihe haben lange, nach vorn an Grösse = zunehmende Zähnchen (Fig. 33 d); die Stücke der ventralen Reihe sind kürzer (Fig. 33 f). RR Bei reifen © sind die Segmente vom achten an voll Eier. Wenn ich diese Form mit ‘der von S. Lovix im hohen Norden bei 1 ammerfest gefundenen zusammenstelle, so setze ich dabei voraus, dass 300 Paul Langerhans, MALnGRrEN!) an seinen Spiritusexemplaren sowohl die Wimperepauletten des Nackens, als die Gliederung des Cirrus dorsalis übersehen hat. Sonst ist der einzige Unterschied in der etwas geringeren Länge der Palpen bei meinen Thieren zu finden, was wohl nicht der Vereinigung beider Formen im Wege steht. 33. Staurocephalus Rudolphii D. Ch. Ein unreifes Exemplar von 25 Segmenten und 1,0 cm Länge, am Strande auf Algen gefangen, glaube ich als junges Thier dieser von EnLers?) genau beschriebenen Form auffassen zu dürfen. Es war fast farblos, hatte aber im Basalglied der Palpen sowie in einer queren Binde auf dem Rücken jeden Segmentes orangefarbene Körner, ähnlich wie die Varietät von Autolytus prolifer. Dazu kam vom fünften Segment an eine rothe ventrale Längslinie, die in der Mitte jeden Segmentes zwei kleine Seitenäste abgiebt. Kopf mit vier Augen, die vorderen grösser; Fühler wenig länger als die Palpen, fünfgliedrig. Palpen zweigliedrig. Im Nacken zwei Wimpergruben. Zwei Segmente ohne Ruder, das dritte ohne Cirrus dorsalis; dann Cirrus dorsalis der Gattung mit Zwei Reihen Wimpern. Anal nur zwei Cirren zu fünf Gliedern beobachtet. Die Ruder sind kaum so lang wie die halbe Segmentbreite; Borsten im oberen Bündel einfach, alle gleich (Fig. 34 e); im unteren zusammen- gesetzt (Fig. 34 d). Unterkiefer vorn gezähnt mit freien Körnern (Fig. 34 c). Der Ober- kiefer besteht aus sehr wenig Stücken :: die obere Reihe hat einen stärke- ren gezähnten Träger (Fig. 34 b) und dazu nur noch vier bis fünf Stücke. Die untere Reihe (Fig. 34 a) hat einen sehr feinen Träger und 13 bis 14 freie Stücke, die hinten mehr gezähnt sind und vorn einfacher werden. Die Unterschiede zwischen dieser Form und Enuters Beschreibung von Rudolphii sind ja nicht gering: Enters’ Thiere hatten Fühler von 11 Gliedern und im Oberkiefer 60 bis 80 Stücke. Aber es sind das doch nur Differenzen in der Zahl, und die Formen sind so übereinstimmend, dass wenn mit dem Grössenwachsthum eine starke Zunahme dieser Zahlen stattfindet, die Unterschiede schwinden müssen. 34. Staurocephalus pallidus n. sp. Ungefäbt, 50 Segmente, 1,0 cm, in der Tiefe lebend. Kopf mit nur zwei Augen; Fühler neun- bis zehngliedrig, länger als die zweigliedrigen 4) Hafsannulater. 4865. p. 484. Annul. polych. Spetsb. p. 177. 2) Borstenwürmer. p. 434. Die Wurmfauna Madeiras. | 301 Palpen. Wimpergruben nicht beobachtet. Zwei Segmente ohne Ruder, dann das dritte ohne Cirrus dorsalis, vom vierten an der gegliederte _Cirrus dorsalis. Ruder fast so lang wie die Segmente breit. Anal vier Cirren, zwei längere mehrgliedrige dorsal, zwei kürzere einfache ventral. Per, Unterkiefer vorn stark gezähnelt, mit 7 bis 10 Zähnchen jederseits und drei bis fünf freien Körnern. Oberkiefer wie bei den beiden ande- ren Arten nur aus zwei Reihen von Zähnen bestehend, ohne Neben- kiefer. Der Träger der oberen Reihe (Fig. 35 a) ist compact, und er- innert an ein Sacrum; die Stücke, circa 25 an Zahl, werden nach vorn hin einfacher und sind hinten mehr gezähnt (Fig. 35 b). Der Träger der unteren Reihe ist ein dünnes gezähntes Blatt; die Stücke sind an Zahl denen der oberen Reihe gleich, aber weniger gezähnelt, sehr ähnlich dem der Fig. 34 «. | Die Borsten im oberen Bündel sind von verschiedener Gestalt: über- all eine bis zwei (Fig. 35 e); dazu im vierten Segment eine Borste (Fig. 35 d), an ihrer Stelle im 5. bis 12. eine (Fig. 35 c), und vom 13. Segment an eine Borste (Fig. 35 f) an Stelle der vorigen. Im unteren Ruder zu- sammengesetzte Borsten (Fig. 35 g) mit etwas verschieden langem End- glied. Diese Art steht durch die Bewaffnung ihres oberen Borstenbündels den Arten St. Chiaji, rubra und vittata nahe, unterscheidet sich aber von allen durch den Besitz von nur zwei Augen. Glycerea. 35. Glycera tesselata Grube!). Farblos, vorn braun gefleckt, 2,0 cm, 90 Segmente. Kopf vorn ventral, oft mit Pigmentfleck. Die beiden ersten Füsse ohne Cirrus dor- salis, an den anderen ist er rundlich (Fig. 36 @). Ruder mit zwei langen vorderen und zwei kurzen hinteren Lippen; Cirrus ventralis zugespitzt; keine Kiemen. Borsten im oberen Ast einfach, im unteren zusammen- gesetzt; in den letzten Segmenten auch im unteren Ruder neben den zusammengesetzten einige einfache Borsten. Zwei breite Cirri anales. Kiefer (Fig. 36 b) am Flügelfortsatz mit zwei gleich langen stabförmigen Fortsätzen. Der Unterschied zwischen dieser meist in einer Tiefe über 30 Faden lebenden Form und der von Enuters so genau beschriebenen Mittelmeer- ‚art liegt zunächst in der Farbe, welche bei dieser braun ist, bei meinen a > 4) Archiv für Naturgeschichte. 4863. p. 41. Enters, Borstenwürmer. 1868. 654 302 Paul Langerhans, Exemplaren weiss, selten bräunlich. In Alkohol werden jedoch grössere Thiere dunkler. Und dann differirt die Gestalt des Rückeneirrus, der nach Enzers »an den vorderen Rudern fast fadenförmig, beinahe dreimal länger als dick « ist, » weiterhin wurde er kürzer und sichelförmig«. Bei meinen Exemplaren war er überall rundlich. Ich denke indess, diese Differenzen sind nicht gross genug, um zur Aufstellung eines neuen. Namens zu nöthigen. Be 36. Goniada maculata Oersted!). Bis 100 Segmente, 2,0 cm, gelblich gefärbt. Kopflappen neunring- lig, mit vier kleinen Fühlern. Die ersten 37 Ruder einästig, mit Cirrus dorsalis, einer Lippe und Cirrus ventralis; vom 20. Segment an wird die Lippe doppelt; am 38. Segment tritt zuerst ein dorsales Borsten- bündel auf. Borsten ventral zusammengesetzt, Endglied vorn bei vielen kürzer, hinten sehr lang; dorsal einfache Borsten. Rüssel mit kleinen herzförmigen Chitinpapillen, zwei Reihen mit sechs bis sieben Kiefer- spitzen, zwei Hauptkiefer, drei ventrale und vier dorsale Nebenkiefer. Zwei Cirri anales. — Diese in der Nordsee und an der englischen Küste beobachtete Art ist bei Funchal in geringer Tiefe, 10 bis 20 Faden, im Sande nicht sel- ten. Sie ist entschieden hier kleiner als im Norden. Sonst unterscheidet sie sich nur durch eine etwas stärkere Entwicklung des oberen Ruders (Fig. 37) und eine kleine Abweichung im Bau der Kiefer. Bei den Thieren aus dem Norden ist nämlich nach EnLzrs der mittlere ventrale Nebenkiefer nur halb so gross als die beiden seitlichen: bei meinen Exemplaren sind sie von gleicher Grösse. Diese Abweichungen sind wohl in ihrer scheinbaren Geringfügig- keit von Interesse als Zeugen von der Beweglichkeit der Form ; aber sie sind wohl noch nicht so bedeutend, um zur Trennung im Namen zu zwingen. Nephthydea. 37. Nephthys Hombergi Aud. und M. Edw. In geringer Tiefe, 10 bis 20 Faden, ist bei Funchal eine Nephthys im Sande ausserordentlich häufig, welche im Bau der Ruder so vollstän- dig mit der betreffenden Darstellung von Enters 2) übereinstimmt, dass ich sie für dieselbe Art halte. Ich bilde den Fuss in Fig. 38 a ab. Die 4) Annulatorum danicorum consp. 4843. p. 33. — Jouxston, Catalogue etc. p. 189. — Euuers, Borstenwürmer. p. 704. 2) Borstenwürmer. p. 619. Die Wurmfauna Madeiras. | 303 Aciculae (Fig. 38 d) biegen an der Spitze um und stossen hier auf das charakteristische Chitinscheibchen. Die Borsten sind im unteren Bündel des oberen Astes und im oberen des unteren wie Fig. 38 b; in den beiden anderen Bündeln wie Fig. 38 c. Abweichungen von Enrzrs Darstellung liegen nur darin, dass ich an meinen Exemplaren auf dem Hirn im dritten Segment jederseits ein Auge mit Linse finde, und dass die vier Papillen der 22 Längsreihen am Rüssel zwar nach hinten an Grösse abnehmen, aber nicht so stark wie nach EHLers. Die genauen anatomischen Angaben von Exters über N. caeca kann ich nach Untersuchungen an dieser Art in einigen Punkten erweitern. Die Muskeln konnte ich mit 20 procentiger Salpetersäure, deren ich mich zur Isolirung der Ruder bediene, sehr schön isoliren, und fand lange platte Zellen mit einem Kern, körnigem Achsencylinder und sehr deutlicher doppelter Schrägstreifung der contractilen Substanz. Mit der gleichen Methode konnte ich am Mundpolster jederseits sechs von den Schlundcommissuren zum Rüssel tretiende Nerven nachweisen, welche ohne Zweifel die Papillen innerviren. — Auf dem Darm (Fig. 38 k) fand sich ein äusserst feines Capillarnetz in Verbindung mit dem ventralen Gefäss. Am meisten aber interessirte mich der eigenthümliche, von Ekrrrs (l. ce. p. 600) kurz erwähnte Bandapparat. Derselbe liegt unmittelbar dem Nervensystem auf (Fig. 38 9, 38e, £) und besteht aus zwei Längs- zügen, welche in jedem Segment zweimal Aeste zu den Seitentheilen des Körpers abgeben und an diesen Stellen eine glänzende sternförmige Figur zeigen. In (Fig. 38 g) ist oben bei I der hintere Stern eines Seg- mentes, bei II beide Sterne des folgenden, bei III der vordere Stern eines dritten Segmentes auf dem Centralnervensystem dargestellt. Die seitlichen Aeste theilen sich wieder und treten zum Theil miteinander in Verbindung, und an allen Vereinigungs- und Theilungspunkten fin- den wir eben solche glänzende Sterne, wie auf dem Nervensystem, die | jederseits in zwei Reihen seitlich und ventral angeordnet sind. Von diesen seitlichen Sternen aus sowohl als von den mittleren treten dann (Fig. 38 e bei 7 und 9) lange Bänder in die Ruder ein und erreichen die Ursprungsstelle der Borstenbündel, um dort (Fig. 38 h) fein ausgefasert zu enden. Was den feineren Bau dieses Apparates anlangt, so besteht derselbe, wie schon Enters angab, aus flachen Strängen, die in der Quere von Zickzacklinien durchzogen werden (Fig. 38 7). Zwischen diesen Linien erscheint eine zarte und enge Längsstreifung. Man kann an isolirten E Bruchstücken oft seitlich einen Protoplasmarest mit Kern unterscheiden an (Fig. 38 f). Dieser ganze Apparat ist gegen die oben erwähnte 20 pro- 304 | Paul Langerhans, centige Salpetersäure sehr resistent. Ich habe ihn durch mehrtägiges Maceriren in solcher mit consecutivem Auswaschen in grosser Aus- dehnung isolirt. Mit Hämatoxylin färbt er sich dunkel. — Bei der zwei- ten Art Nephthys verhielt er sich im Wesentlichen ebenso. In diesem Bandapparat,, dessen Lagerungsbeziehungen am besten aus Fig. 38 e ersehen werden, sehe ich eine Art von innerem Skelet. SemPER hat früher in den sogen. Leypiıe’schen Fasern ein inneres Skelet, ein Homologon der Vertebratenchorda erblicken wollen. Wir werden unten sehen (Prionospio Steenstrupü), dass ich ihm nur bei- stimmen kann, wenn er neuerdings diese Auffassung aufgiebt. Hier aber bei den Nephthydeen finden wir ein zartes aber äusserst complicir- tes inneres Skelet, dessen Centraltheil genau die Lage der Chorda ein- nimmt. In der Gliederung wie in der Entwicklung seitlicher Aeste ent- fernt es sich freilich so weit von der Chorda, dass sich kaum andere als freund-vetterliche Beziehungen werden aufrecht erhalten lassen. — 38. Nephthys agilis sp. n. Mit der vorigen zusammen kommt eine orangefarbene viel lebhaftere Art vor von derselben Grösse. Sie hat auf dem Rücken jeden Segmen- tes ein orangefarbenes Querband; die Bänder sind durch einen Längs- streifen in der Mitte verbunden, doch so, dass eine schmale Dorsallinie farblos bleibt. Kopf mit vier Fühlern (Fig. 39 a), von denen die vor- deren durch eine schwimmhautähnliche Ausbreitung der Kopfhaut klein ‚erscheinen, die hinteren weit zurück sitzen und leicht übersehen werden können. Mundsegment mit starkem ventralen Cirrus tentacularis; in ihm auf dem Hirn zwei grosse Augenpunkte ohne Linse. Ruder Fig. 39 d. Aciculae (Fig. 39 b) etwas prominent. Die Borsten sind sehr lang. Im oberen Ast das obere Bündel und im unteren Ast das untere sind die hinteren und bestehen aus Borsten wie Fig. 39 e. Die einander zugewandten Bündel beider Aeste sind die ‚vorderen. Sie haben Borsten wie Fig. 39 f und wenige wie Fig. 39 g. Der Pharynx trägt vorn seine 20 Doppelpapillen; an den breiten derselben sind die sehr langen Tasthaare, wie sie GLararkpe bei N. Hombergi (scolopendroides) beobachtet hat, gut zu sehen. Seitlich trägt der Pharynx 14 Längsreihen von 23 bis 24 Papillen, die von vorn nach hinten stark und schnell an Grösse abnehmen. Diese Papillen haben ebenso wie die schmalen des vorderen Kranzes kurze Tasthaargruppen und sind mit Follikeldrüsen erfüllt, deren Ausmündungen sehr deutlich zu sehen sind (Fig. 39 c). Im Kieferträger wie bei der vorigen Art zwei braune Zähne. — Nachdem GruseE im Archiv für Naturgeschichte 1870 nachgewiesen, 2. - Die Wurmfauna Madeiras. 305 dass auch QuAtrerages’ Portelia rosea vier Fühler besitzt, bleibt für die Gattung Portelia nur noch Kınzere’s Quatrefagesii übrig. Sollte sich auch bei dieser der Besitz von vier Fühlern herausstellen , dann möchte ich vorschlagen den Namen Portelia für die, im Ganzen einander sehr ähn- lichen Formen anzuwenden, welche am Pharynx nur 12 bis 14 Längs- reihen von Papillen haben. Bei ihnen stimmen auch die Füsse und der Kopflappen überein. Es sind das bis jetzt die Arten: P. rosea, N. longi- setosa Mgn., polyphara Schmarda und agilis. — Hesionea. 39. Syllidia armata Quatrelf. Die von QuArrerases zu den Syllideen gestellte Gattung Syllidia !) gehört, wie schon CLArArtpE bemerkt hat, zur Familie der Hesioneen und ist von QUATREFAGES genügend charakterisirt: vier Fühler, sechs Paar Cirri tentaculares, zwei Kiefer. Die einzige bekannte Art dieser Gat- tung, von QUATREFAGES bei La Rochelle gefangen, glaube ich in einem Exemplar aus grösserer Tiefe erhalten zu haben. Es war ein reifes Q voll rosa Eier, 1,0 cm, abgerissen, 30 Segmente; Darm braun, zwei Kiefer (Fig. 40). Kopf mit vier Augen, zwei Palpen, zwei Antennen. Alle Cirri tentaculares und dorsales gegliedert. Füsse mit zusammenge- setzten Borsten mit langem, einzähnigem Endglied. Am Cirrus dorsalis nur zarte Aciculae, keine Borsten. k0. Magalia perarmata Mar. und Bohr. Diese erst kürzlich bekannt gewordene Mittelmeerart 2) ist in Madeira am Strande wie in einer Tiefe von 10 bis 20 Faden auf felsigem Grunde sehr häufig. Meine Exemplare erreichten 1,5 cm mit 33 setigeren Seg- menten; sie hatten ventral einen braunen Längsstreifen. Die Eier waren schwach violett gefärbt. Die Bewegungen dieser Thiere waren sehr schnelle; sie secernirten im Glase eine helle Röhre, in der sie sich auf- hielten, und waren sehr zerbrechlich. — Weiter kann ich der Beschrei- bung von Marıon und BoBrErzkı nichts hinzufügen. Alles andere: die beiden Kiefer und der mittlere kleine Dolch, die sechs Paar Cirri tenta- eulares, die Gliederung der langen Cirri dorsales und die Gestalt der zusammengesetzten Borsten stimmen vollkommen überein. Nur will ich _ bemerken, dass ich im letzten Segment in dem Bündel der zusammen- gesetzten Borsten meist eine einfache fand. a A) Annel6s. II. p. 13. ee: Ge sciences nat. 4875. p. a Er N 306, Paul Langerhans, 44. Hesione cirrata Kefersiein. Der Name Psamathe hat Unglück gehabt. Sein Urheber, JounsTon, musste selbst später anerkennen, dass er mit dem alten Genus Castalia von Savıcny zusammenfalle. Darauf wurde er von Grararkpe !) mit neuer Diagnose versehen, entsprechend der typischen Ari Ps. cirrata 2) KrrER- STEIN’S. Aber diese Diagnose fällt vollständig mit Sıvıcny’s Hesione zu- sammen und so muss Psamathe zum zweiten Male fallen. Freilich hat QUATREFAGES 3) Hesione Sav. anders definirt, indem er ihr nur sechs Paar Cirri tentaculares zuschrieb. Indess das ist, wie Gruge *) bemerkt, gegen den Wortlaut der Sıvısnv’schen Diagnose. Qusrtreragss Art Hesione Steenstrupii muss deshalb den alten Rırtuke’schen Namen Halimede an- nehmen, denn dies Genus ist nach Raruke unbewaffnet, hat vier Fühler und sechs Paar Cirri tentaculares. KEFERSTEIN’s Hesione cirrata aus dem Canal, welche CLararkpe in Neapel angetrofien hat, habe ich einmal in Madeira gefangen. Das grünliche Thier war 1,0 cm lang, hatte 41 Seg- mente, jederseits vier Paar Cirri tentaculares; alle Cirri dorsales geglie- dert. Pharynx unbewaffnet mit Papillenkranz vorn. Alle Borsten zu- sammengesetzt mit zweizähnigem Endglied (Fig. #1). Der Kopf war etwas breiter als ihn Krrerstein abbildet; Augen, Fühler, Füsse stimmen vollständig überein. Phyllodocea. Phyllodoce Sav. GrugE hält noch in seinen eben erschienenen Annulata Semperiana die Gattung Phyllodoce im weitesten Umfang fest, weiter selbst als SAvıeny, der sie doch auf die Arten mit vier Antennen und acht Cirri tentaculares beschränkte. Aber auch für diese Arten scheint mir die Eintheilung in Untergenera, wie sie sich langsam vollzieht, im Interesse der Uebersicht | unabweisbar. Brauchbare Untergenera scheinen mir zu sein: 1. Gene- iyllis Mgn.>) alle Cirri tentaculares von einem Segmeni getragen. 2. Anai- tis Mgn. drei Paar Cirri tentaculares an einem Segment, ein Paar nebst Borstenbündel am zweiten. 3. Carobia Quatref.-Marenzeller 6). Drei Paar Cirri tentaculares und Borstenbündel am ersten oder ersten und zweiten Segment, ein Paar am folgenden. #. Eine vierte Untergattung würde die Formen umfassen müssen, bei denen jedes der beiden ersten Segmenit zwei Paar Cirri tentaculares trägt, wie Ph. Paretti, corniculata u. a. A) Ann. de Naples. p. 535. 3) Diese Zeitschrift. Bd. XU. p. 107. 3) Anneles. II. 95. 4) Ann. Semperiana. p. 103. 5) Nord. Hafs-Annulater, p. 93. Ann. polych. p. 142. 6) Wien. Akad. Ber. 1874. p. 21. Die Wurmfauna Madeiras. 307 4. Phyllodoce (Garobia) Gervillei Aud. und M. E. re Diese an der französischen Küste gefundene Art lebt in Madeira mit e Eulalia viridis zusammen, ist aber viel seltener, als diese. Ich habe sie nur in unreifen Exemplaren von kaum 1,0 cm Länge beobachtet. Sie _ waren grün, Kopf mit vier Antennen, zwei rothen Augen ; Mundsegment „ mit einem Paar Cirri tentaculares, zweites Segment mit zwei Paaren und - Borstenbündel. drittes Segment mit einem Paar, Borsten und Cirrus ven- tralis foliaceus. Cirri dorsales klein, herzförmig; anales kurz und dick. - Rüssel ganz mit grünen Papillen bedeckt. 43. Phyllodoce (Carobia) Dohrnii n.s. » Einmal fing ich in 20 Faden Tiefe eine Phyllodoce von 2,0 cm, 70 $ Segmenten, schwefelgelber Farbe; die Cirren waren etwas dunkler, die 8 Teniakelcirren und Antennen braun. Kopf (Fig. 43 «) rundlich, mit zwei grossen schwarzen Augen und vier Äntennen, deren dicke braune Basis ein kleines farbloses Endglied trägt. Am ersten Segment drei Paar Cirri _ tentaculares und ein Borstenbündel; am zweiten Segment ein Paar Cirri _ tentaculares, ein Borstenbündel und ein gewöhnlicher Cirrus ventralis. Die Cirri dorsales (Fig. 43 b) sind herzförmig, ziemlich gross, lassen aber den Rücken frei; die ventrales sind bohnenförnig, die anales breit. Die Segmente werden hinten zweiringlig. Borsten alle zusammengesetzt mit fein gezähntem Endglied von mässiger Länge. — 2 Die zweigliedrigen Antennen unterscheiden diese Art von allen _ ausser Ph. corniculata Clap., und bei dieser sind die Cirri tentaculares Rn anders angeordnet. Ich erlaube mir, durch die Benennung dieser Art dem Gründer der K löeischen Station in Neapel den Dank auszusprechen , den ihm wohl Eder Fachgenosse schuldet. Di; 32 Br , 2 Pe EM ur ; er x Ak. Phyllodoce (Anaitis) madeirensis n.s. Exemplare bis 2,0 cm waren noch fast farblos; sie kamen öfters _ am Strande vor; ein grösseres von 7,0 cm und 195 Segmenten dagegen erhielt ich aus grösserer Tiefe; es war maltgrün; die Cirri dorsales Fe ‚etwas heller. Kopf (Fig. 44 a) mit zwei Augen, vier Antennen, ist hin- ten herzförmig eingeschnitten, und in diesem Einschnitt sitzt ein kleiner = ES 74 r keit zu erkennen ist. Das erste Segment trägt drei Paar Cirri tentacu- ares mit geringelter Basis; das zweite ein Paar und einen Cirrus ven- tralis foliaceus, aber noch kein Borstenbündel. Am dritten Segment N ınen die rahnlichen Ruder: die grossen Cirri dorsales sind blatt- 20€ er En See a 308 Paul Langerhans, 2 \ förmig und werden nach vorn umgeklappt getragen, die Cirri ventrales sind ebenfalls spitz; die Borsten (Fig. 4% b) mit langem Endglied und gestreifter Schutzlamelle. Anal zwei Cirren mit kurzer Spitze auf cylin- drischer Basis. Zwischen den ersten Segmenten ist in der Mitte ein kleines Feld abgegrenzt, das nach hinten zu bald zu einem kleinen Ring anwächst und die Segmente zweiringlig erscheinen lässt. Rüssel vorn glatt mit Längsrippen und mit vorderem Papillenkranz; hinten jederseits mit sechs Reihen von sieben bis neun Papillen und einer dorsalen mittleren Gruppe von sechs Papillen. Das Nervensystem färbte sich mit Osmium sehr deutlich und liess einen von jeder Ganglienscheibe (cf. Crararzpe, Ann. de Naples, Taf. XVI, Fig. 4 b) abgehenden Nerven erkennen, der an der Basis des Fusses zu einem kleinen seitlichen Ganglion anschwoll und sich dann in zwei Aeste theilte. — Es ist mir auch für diese Form wahrscheinlich, dass eine genauere Kenntniss der europäischen Arten gestatten wird, sie mit einer derselben zu vereinen: aber einstweilen ist sie durch die dorsale Papillengruppe am Rüssel und das Knöpfchen am Hinterhaupt von allen verschieden. Eulalia Oersted. Die artenreiche Gattung Eulalia von OErstep muss der Uebersicht wegen in Gruppen oder Untergenera zerlegt werden. (JUATREFAGES’ Ver- such in der Richtung, die Gründung des Genus Eracia, war unglücklich, denn seine typische Art ist gerade dieselbe, wie für Eulalia selbst; beide # Namen fallen also zusammen, wie Crararkpe bemerkt hat. Enrers hat # bei seiner Besprechung von E. virens auf die Bedeutung des Rüssels für | eine Unterscheidung der Formen hingewiesen, und MaALmerEn hat ein | Jahr später nach diesem glücklichen Princip die Gattung Eulalia zerlegt. CrarartpE hat dasselbe offenbar missverstanden, und ausserdem Orr- | step’s Abbildung von E. pusilla für eine von sanguinea gehalten; er‘ schlägt selbst das brauchbare Subgenus Pterocirrus vor. Wir würden danach folgende Untergenera erhalten: | | Genus Eulalia: Phyllodoceen mit fünf Antennen, vier Paar Cirri® tentaculares, einem Ruder. a. Rüssel ganz mit Papillen bedeckt; a. alle Cirri tentaculares an Gestalt ähnlich : Eulalia s. str.; ß. Cirrus tentacularis ventralis mit einen, breiten Saum: Piero-) eirrus; | b. Rüssel nur vorn mit einem Papillenkranz : Eumida; c. Rüssel ganz ohne Papillen:: Sige. Die Wurmfanna Madeiras. 309 45. Eulalia viridis Sav. i Nach Euıers Auseinandersetzung ist OERSTED-JoHnsToN’s E. viridis = mit seiner eigenen virens identisch und damit fällt nach Marıon und E BoBRETzkı auch E. guttata Clap. zusammen. Die in Madeira beobachte- ten Thiere unterscheiden sich von den Mittelmeerexemplaren nur durch ihre Grösse; sie hatten bis 10,0 cm und 220 Segmente, waren gras- grün, ofı mit schwarzen Flecken auf Rücken und Cirren. Das Mundseg- ment hatte ein Paar Cirri tentaculares; das zweite deren zwei, von denen der ventrale oft basal etwas stärker angeschwollen war, wie das - auch Marıon und Bosarrzkı bemerken. Am dritten Segment der letzte €irrus tentacularis, Borstenbündel und Cirrus ventralis foliaceus. Von S allen Tentakeleirren hat nur der ventrale des zweiten Segmentes in seiner Basis eine oder zwei Aciculae, wie MARENZELLER angiebt. Ruder mit zwei Lippen, von denen die vordere etwas länger und _ mit medianem Einschnitt versehen ist. Anal zwei Cirren, die bald mehr - fadenförmig, bald dicker und mehr blattförmig sind. Die Borsten haben ein nicht langes und sehr fein gezähntes Endglied, das bei vielen von ihnen halb abgebrochen zu sein pflegt. E Der Rüssel ist bis auf eine kleine Strecke am Munde ganz mit Pa- _ pillen bedeckt, die an der Spitze gelbgrün sind. Magen etc. wie es - Euters beschreibt. Bei wachsenden Thieren findet man in drei bis sechs Segmenten hinten je eine einfache Borste. Diese Eulalia lebt auf den bewachsenen Strandfeisen und kriecht auf ihnen, wenn sie bei Ebbe trocken sind, munter umher. Sie ist ein elihrliche Raubthier und fällt selbst Ner erden von gleicher Grösse an, Me mit weit ausgestülptem an ein jaltllepes a tpersgemien! ihrer 46. Eulalia (Eumida) notatan.s. Zu L Bis 2,0 cm, 63 Segmente, schwach röthlich, auf Kopf und Mund- segment ein leiter Deck (Fig. 45 a): an den Strandfelsen nicht selten. Kopf mit fünf Antennen, die unpaare weit zurück. Mundseg- ent dorsal nicht sichtbar, a sehr entwickelt, mit einem Paar Cirri Re ntaculares. Am zweiten Segment zwei Paar Cirri tentaculares und stenbündel, der ventrale Tentakelceirrus mit kleinem Saum. Am ten Segment ein Paar Cirri tentaculares, Borstenbündel und Cirrus alis foliaceus. Cirri dorsales herzförmig, lassen den Rücken frei. 310 Paul Langerhans, Anal zwei Cirren mit dicker-Basis und feiner Spitze. Borsten alle zu- sammengesetzt mit zart gezähneltem Endglied (Fig. 45 b). Rüssel vorn mit einem Kranz von 18 Papillen, sonst ganz glatt. Magen lang, liegt im 15. bis 24. Segment. Die Thiere färben sich schnell und stark in Osmium. Mystides Theel!). Phyllodoceen mit vier Antennen. Drei Paar Tentakelcirren, einen) Berstenbündel. 47. Mystides caeca n.s. Kleine Thiere von Strandfelsen, 0,2 bis 0,75 cm, 23 bis 35 Seg- menten, grün. Kopf (Fig. 42 a) oval mit vier zarten Antennen und einem gelben, linsenlosen Pigmentfleck. Mundsegment mit einem Paar Lirri tentaculares, welche einem kleinen Basalglied aufsitzen, und selbst (Fig. 42c) eine dickere rundliche untere Hälfte haben, wit feinerer Spitze. Zweites Segment mit zwei Paar Cirri tentaculares von gleicher Gestalt und einem Borstenbündel. Vom dritten Segment an sind Cirri dorsales und venlrales eiförmig; die beiden anales ebenso (Fig. 12 b); reiche Follikelschläuche. Borsten in allen Rudern zusammengesetzt (Fig. 42 d\, Schaft grün, Endglied farblos. Der Rüssel ist mit einigen Reihen zarter fadenförmiger Papillen ver- sehen, aber wohl nur in seiner kinteren Hälfte — ich habe ıhn nicht ganz ausgestülpt gesehen. Das grösste Exemplar war ein reifes Q und hatte vom 12. an in jedem Segment ein grosses grünes Ei; diese geringe Zahl der Eier lässt Brutpflege vermuthen. ın allen 48. Mystides bidentatan.s. Ein unreifes Exemplar, von 0,75 cm, 60 Segmenten, im März in 40 Faden Tiefe gefangen; saftgrün, mit dunkler-grünen Punkten. Kopf (Fig. 46 a) lang-oval, mit vier kleinen frontalen Antennen und zwei schwarzen Augen. Mundsegment mit einem Paar Cirri tentaculares; zweites und drittes Segment jedes mit einem Paar Cirri tentaculares. Borstenbündel und Cirrus ventralis foliaceus. Vom vierten Segment an auch die Cirri dorsales flach und oval; ebenso die beiden anales, zwi- schen denen sich ein kleiner medianer Appendix befindet. Borstenbündel breit; die Borsten alle zusammengesetzt (Fig. 46 b); 1) Hs. Tage, Les annelides polychetes des mers de la Nouvelle-Zemble. Kgl. Svenska Vet.-Akademiens Handlingar. Bd. XVI. Nr. 3. Die Wurmfauna Madeiras. 311 er * Schaft läuft in zwei Zähnchen aus, die bei genauer Profilstellung nander decken. Endglied ersähleiler lang, fein gezähnelt. Rüssel nicht beobachtet. 49. Notophyllum alatum n.s. on an ich in 18 Faden Tiefe ein schmutzig grünes Thier von 4 1,2 cm, 45 Segmenten. Kopf (Fig. 47 a) mit zwei grossen braunen er ! B . . = Augen, vier vorderen dicken, einer hinteren längeren Antenne. Mund- % segment dorsal eben noch sichtbar mit einem Paar Cirri tentaculares 6 x und einen Paar dorsaler wimpernder Lappen, welche bis fast ans vierte Segn:ent nach hinten reichen und an die ganz ähnlichen Gebilde bei den Syllideengattungen Amblyosyllis und Virchowia erinnern. Zweites Seg- ment mit zwei Paar Cirri teniaculares und Borstenbündel; drittes Seg- = ment mit einem Paar Cirri tentaculares, Borstenbündel und Cirrus ven- tralis foliaceus. Vom vierten Segment an sind die Cirri dorsales sehr gross (Fig. 47 b), werden umgeklappt getragen und decken einen Theil des Rückens, hinten den ganzen Rücken; sie sind grün mit vielen en Punkten. Die Cirri ventrales sind klein (Fig. 47 c), bohnen- förmig. Jedes Ruder hat zwei Aeste: der obere besteht nur aus einer ins und einer einfachen Haarborsie; der untere hat ein grosses Bi _ Bündel zusammengesetzter Borsten (Fig. 17 d). Anal zwei breite Cirri. r Dies Thier wird wahrscheinlich von Notophyllum generisch zu - trennen sein: aber ehe die Arten dieser Gattung genauer bekannt sind, % : ‚scheint mir die Aufstellung neuer Gattungen unnütz. Es 50. Notophyllum frontale n.s. ‚Zwei farblose junge Thiere, 30 Segmente, 0,3 cm. Kopf (Fig. 48) zu einem vorspringenden Höcker erhebt. Zwei braune Augen. Mund- eament kaum dorsal sichtbar, mit einem Paar Cirri teniaculares; zwei- ‚les Seginent mit zwei Paaren und Borstenbündel; drittes Segment mit einem Paar, Borstenbündel und breitem Cirrus veniträlln. Vom vierten a an u zunoliehe Cirri dorsales er pur aussen einen ; Bes Ruder hat Aeste; der obere ist nur mit einer Acicula d einer einfachen Borste versehen; im unteren ein reiches Bündel mmengeseizter Borsten, die ganz denen der vorigen Art gleichen 312 | Paul Langerhans, Alciopea. 51. Alciopa lepidota Krohn!). Unreife Exemplare von 35 Segmenten, 1,0 bis 1,5 cm; Fühler fron- tal von der Länge des Augenhalbmessers, der unpaare etwas kleiner; ‚vier Paare Cirri tentaculares anscheinend von einem Segment getragen. Dann ein Segment ohne Borsten und eines mit Borsten mit blattförmigen aber kleinen Cirri; erst vom zweiten setigeren Segment an sind die Cirren gross, die dorsalen fast scheibenförmig, die ventralen schmäler. — Borsten einfach; vorn in jedem Segment mehrere stärker, hinten nur eine. — Pharynx nur mit kleinen Papillen. Analsegment abgerundet. Ueberall zerstreute braune Pigmentzellen. — Diese Thiere stimmen bis auf die Grösse mit Kronn’s Beschreibung überein; diese allerdings ist bei den Mittelmeerexemplaren 4 Zoll. — Greerr 2) hat als A. cirrata eine sehr ähnliche Form beschrieben, die sich.nur durch den Besitz eines Analcirrus und einen mehr ventralen Sitz der paarigen Fühler unterscheidet. Indess der Analcirrus könnte bei den Exemplaren von Kronn und mir abgefallen sein, und so könnten beide Arten wohl übereinstimmen. 52. Alciope (Halodora) Petersii.n.s. 0,5 cm lang, abgebrochen, 47 Segmente vorhanden. Die paarigen Fühler sind so lang wie bei der vorigen Art, der unpaare ist kürzer, er #1) sitzt zwischen den Augen (Fig. 49 a). Am Mundsegment ein Paar Cirri ® tentaculares oder, wie sie CLaPartDE hier nennt, Palpen; dann folgen ® zwei Segmente ohne Borsten, jedes mit einem Paar langer dorsaler Ten- © takeleirren und einem kleinen blattförmigen Cirrus ventralis, in dessen 9 Basis eine kleine Acicula sitzt, Vom folgenden, vierten Segment an sind FF Cirri dorsales und ventrales herzförmig und überall starke Bündel zu- # sammengesetzter Borsten vorhanden. Einzelne Borsten, namentlich in | | den vorderen Rudern, sind viel stärker .als die anderen (Fig. 49 b).| Pharynx ohne grosse Papillen. | Diese Alciope ist mit A. Reynaudii die einzige mit zusammenge- | setzten Borsten; sie gehört also auch in Greerr’'s Genus Halodora. Der | Unterschied von A. Reynaudi liegt in dem Mangel der grossen Papillen | im Pharynx und der von Aupouin3) und MıLnz Epwarps als Kiemen be-' zeichneten Anhänge an den Füssen. Ich erlaube mir diese Art nach 4) Archiv für Naturgesch. 1845. p. 175. 2) Nova Acta Leopoldo-Carolina. XXIX. 1876. p. 60. 3) Classification etc. p. 215. er Die Wurmfauna Madeiras. 313 . Herrn Professor Prters zu benennen in dankbarer Anerkennung des Wohlwollens, das er für meine Arbeiten in Madeira gezeigt hat. 53. Vanadis erystallina Greeff. Unreifes Thier von 3,0 cm, 69 Segmente; paarige Fühler kurz, unpaarer nur ein Knöpfchen. Mundsegment mit einem Paar Tentakel- -_ eirren (Palpen), die seitlich etwas über die Augen prominiren. Dann kommen noch sieben Segmente ohne Borsten: die vorderen drei haben nur dorsal einen kleinen Tentakelcirrus, die hinteren vier dazu einen viel kleineren Cirrus ventralis. Erst am neunten Segment beginnen die gewöhnlichen Ruder mit Cirrus terminalis und einem Bündel zusammen- gesetzter Borsten. Die Cirri dorsales und ventrales nehmen nach der Mitte des Körpers hin allmälig zu und werden breit oval. Anal keine Cirren ; Pharynx mit zwei grossen Papillen. GREEFF’S!) Art unterscheidet sich nur durch den Besitz von zwei Analcirren , die bei meinem Exemplar abgefallen sein können, und da- durch, dass der unpaare Fühler etwas grösser ist. Da indess sonst die _ Uebereinstimmung vollständig ist, halte ich beide Formen für specifisch identisch. 54. Vanadis tentaculata n.s. Unreif, 2,0 cm; abgerissen, 40 Segmente. Kopf viel breiter als der Leib; Fühler alle frontal, das dorsale Paar über die Augen hinaus- reichend,, alle länger als bei den anderen bekannten Arten der Gattung (Fig. 50). Am Mundsegment ein Paar Tentakeleirren (Palpen); dann folgen drei Segmente ohne Borsten, von denen die beiden ersten dorsal cylindrische Tentakeleirren tragen, das dritte einen Cirrus dorsalis folia- ceus. Ventral haben alle drei kleine platte Cirren mit kleiner Acicula im _ Basalgliede. Das folgende fünfte Segment ist das erste setigere. Die Ruder haben oblonge relativ kleine Cirren; Cirrus terminalis; Acicula etwas prominent. Borsten zusammengesetzt, nur im ersten setigeren Segment einige stärkere einfache. — Pharynx ohne lange Papillen. Diese nur einmal in zwei Exemplaren gefangene Art unterscheidet ‚sich von V. formosa Clap. durch den Mangel der langen Pharynxpapillen, von allen Arten der Gattung durch die Grösse der Fühler. _ Puerto de la Orotava (Teneriffa), Mai 1879. Ey. ec p- 68. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIV— XVII. Fig. 4. Ditrupa arietina. Fühlzellen und Epithelien von der Kiemenspitze. Fig. 2. Lepidonotus clava. Borsten der letzten Segmente eines jungen Thieres. Fig. 3. Lagisca propinqua. a, Chitinspitze, b, weiche Papille von der Elytra c, d, Borste des oberen, e, des unteren Ruders. Fig. 4. Polynoe spinifera. a, Borste des oberen Ruders, b, obere, c, untere Borste des unteren Ruders. f Fig. 5. Polynoe zonata. a, Kopf, b, Elytra, c, d, Chitingebilde auf der Elytra, e, Borste des oberen, f, obere, g, untere Borste des unteren Ruders. Fig. 6. Sthenelais idunae. a, Kopf (ct, Cirrus terminalis, cd, Cirrus dorsalis des ersten Ruders), db, c,d,e, f, Borsten der ventralen Ruder, g, dorsale Borsten, Ah, Ruder. Fig. 7. Psammolyce Herminiae. p, Palpe; cd, Cirrus dorsalis, cf, Cirrus termi- nalis, cv, Cirrus ventralis des ersten Segmentes. Fig. 8. Amphinome carunculata. a, dorsale, b, ventrale Borste. Fig. 9. Chrysopetalum caecum. a, Palee, 5, ventrale Borste, c, Kopf ventral. Fig. 10. Leonnates pusillus. «a, Analsegment des reifen ©, b, heterogomphe Sichel, ce, besondere Borste des hinteren Segmentes des reifen 5, d, Analsegment | des 5, dorsal, e, Kiefer, f, Fuss der atoken Form, g, Fuss des 5, 16—40 Segmente, h, Rüssel dorsal, i, hinteres Ruder des & von oben gesehen, k, atoke Form. Fig. 14. Geratonereis Gostae. Ruder. Fig. 42-—-20. Leontis Dumerilii. Entwicklung. cf. Text p. 282 f. a, Anlage der Antennen, p, Palpen, o, Mund, ct, Cirrus tentacularis dorsalis I, cv, Cirrus tentacularis ventralis I, cd, Cirrus tentacularis dorsalis II, m, Kiefer, n, Nervensystem, r, Enddarm. Fig. 24. Lycoris procera. a, vorderes Ruder, b, gewöbnliche Sichelborste, c, eigene Borste der Art, d, Rüssel dorsal, e, Rüssel ventral. u Fig. 22. Lycoris rubicunda. a, vorderes Ruder, b, Sichelborste. Be ‘Die Wurmfauna Madeiras. 315 des ©, h, 3. bis 18. Ruder des Q, i, hinteres Ruder des ©, k, hinteres Ruder des - &, !, Analende des 5, m, eigene Borste der Art, n, Sichelborste. Fig. 24. Perinereis floridana. a, Rüssel dorsal, db, ventral, c, vorderer Fuss, _ d, Kopf, e, hinterer Fuss. Fig. 25. Diopatra Madeirensis. a, einfacher Haken, b, zusammengesetzter Haken der vorderen Ruder. Fig. 26. Hyalinoecia tubicola. a, Unterkiefer, b, Borste des ersten Ruders, ce, Haken des ersten, zweiten, dritten Ruders, d, Haken der letzten Ruder, e, ein- _ facher Hamus vom 44. Ruder an. Fig. 27. Hyalinoecia rubra. a, Hamus, b, zusammengesetzter Haken der vor- deren, d, der hinteren Ruder, c, Endglied der letzteren. Fig. 23. Amphiro Johnsoni. a, Kopf, b, Oberkiefer von unten gesehen, c, Unter- kiefer, d, Hamus, e, zusammengesetzter Haken, f, zusammengesetztes Messer. Fig. 29. Lumbriconereis funchalensis. a, Spitze der Zange eines jungen Thieres, b, Hakenborste, c, Hälfte des Unterkiefers, d, Zahn eines jungen Thieres. Fig. 30. Lumbriconereis fragilis. a, aus dem 76., b, aus dem 40., c, aus dem achten Ruder. Fig. 31. Lumbriconereis gracilis. a, Haken der hinteren, 5, der vorderen Ru- der, ce, Spitze der Stütznadel. Fig. 32. Halla sulfurea. a, Kopf ventral, 5, d, Unterkiefer, c, Hamus, d, Kopf dorsal, e, linke Hälfte des Unterkiefers, f, rechte Hälfte, g, Träger. Fig. 33. Staurocephalus erucaeformis. b, Borste des unteren, c, des oberen Bündels, d, Stück der oberen Reihe im Oberkiefer, e, halber Unterkiefer, f, aus der unteren Reihe im Oberkiefer. Fig. 34. Staurocephalus Rudolphii. a, Stücke aus der unteren, b, aus der oberen Reihe im Oberkiefer, c, Unterkiefer, d, Borste des unteren, e, des oberen Bündels. Fig. 35. Staurocephalus pallidus. a, b, aus der oberen Reihe im Oberkiefer, ce bis f, Borsten des oberen Bündels, g, aus dem unteren Bündel. Fig. 36. Glycera tesselata. a, Ruder, b, Kiefer. Fig. 37. Goniada maculata. Ruder von der hinteren Körperhälfte. Fig. 38. Nephthys Hombergi. a, Ruder, b, Borsten der einander zugewandten “ Bündel, c, Borsten der von einander abgewandten Bündel, d, Spitze der Acicula, e, halber Durchschnitt («, dorsaler Längsmuskel, $, dorsales Gefäss, y, Darm, d, ven- trales Darmgefäss, &, Centralnervensystem, Z, Centraltheil des Bandapparates, 7, Aeste ' desselben zum dorsalen Ruder, #, Aeste zum ventralen Ruder, :, ventraler Längs- muskel), f, isolirtes Stück des Bandapparates, g, Centraltheil desselben auf dem Centralnervensystem , I, hinterer Theil eines Segmentes, II, zweites Segment, III, ‚ Vordertheil eines dritten Segmentes, h, isolirtes Ende eines Seitenastes, bei « Ur- | sprung des Borstenbündels, ;, isolirtes Stück, k, Capillarnetz des Darmes mit Vas ' ventrale. Fig. 39. Nephthys agilis. «, Kopf. Das Mundsegment hatkein braunes Querband, : das des zweiten Segmentes ist mit I! bezeichnet, b, Spitze der Acicula, c, seitliche ' Pharynxpapille mit Drüsen, d, Ruder, e, f, 9, Borsten; cf. den Text p. 304. Fig. 40. Syllidia armata. Kiefer. Fig. 44. Hesione cirrata. Borste. Fig. 42. Mystides caeca. a, Vordertheil dorsal, d, Analcirrus, c, Cirrus tenta- eularis, d, Borste. Fig. 43. Carobia Dohrnii. a, Kopf, d, Cirrus dorsalis. Fig. 44. Anaitis Madeirensis. a, Kopf, b, Borste. 316 | Paul Langerhans, Die Wurmfauna Madeiras. Fig. 45. Eumida notata. a, Kopf, b, Borste. - | Fig. 46. Mystides bidentata. a, Vordertheil, ventral, db, Borste. | Fig. 47. Notophyllum alatum. a, Kopf, b, Cirrus dorsalis, c, Cirrus ventralis, d, Borste. Fig. 48. Notophyllum frontale. Fig. 49. Halodora Petersii. a, Kopf dorsal, db, Cirrus dorsalis, c, starke zu- sammengesetzte Borste. E Fig. 50. Vanadis tentaculata. a, Fuss von oben gesehen, b, Vorderende ventral. Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. Von Dr. Conrad Keller, Docent für Zoologie an der Universität und am eidgen. Polytechnicum in Zürich. Mit Tafel XVII—XX und einem Holzschnitt. ; Obschon die formenreichen Horn- und Kieselspongien ein Haupt- eontingent zur marinen Küstenfauna liefern, sind unsere anatomischen y Kenntnisse dieser Gruppen noch äusserst lückenhaft. Erst in jüngster ® Zeit hat F. E. Scnuze einige Gattungen von Hornschwämmen in Angriff genommen und in einer Vollendung, wie sie ihm auf diesem Gebiete | eigen ist, den histologischen Bau erschlossen. ı Fragmentarisch ist die Entwicklungsgeschichte bisher immer noch E geblieben. Wir kennen von keinem einzigen marinen Horn- oder Kiesel- schwamme eine vollständige Entwicklungsreihe. Die vereinzelten werth- \ vollen Beobachtungen von Oscar ScHmiDr und CARTER einerseits, von Barroıs und ScuuLze anderseits haben einzelne Momente des u E nallebens ‚bekannt gemacht, aber sie gestatten noch kein sicheres Urtheil 14 ‚über den Aufbau des Spongienkörpers. In dieser Hinsicht sind die F Caleispongien und Myxospongien weit genauer verfolgt. Meine früheren Versuche, bei Horn- oder Kieselschwämmen des | Meeres die Embryonalentwicklung zu studiren, blieben ohne Resultat. Dagegen ist es mir nunmehr gelungen , die Batwieklun: der Chali- _ neen an einem sehr geeigneten Object bis zur Metamorphose genauer zu verfolgen. 2 Im Frühjahr 1879 konnte ich den von der Schweiz gemietheten itsplatz der zoologischen Station in Neapel benutzen. Das lebende erial, welches mir zufloss, war ein reiches, die Larvenproduction 241 | 14 | 318 Conrad Keller, aber theilweise schon vorüber (Amorphina, Reniera) oder noch nicht eingetreten (Hircinia, Cacospongia). Nur in Esperia Lorenzii traf ich noch Eier und ganz junge Larven, aber spärlich und die Acme der Fort- pflanzungsthätigkeit war offenbar schon überschritten. Eine Chalinula dagegen, welche massenhaft im Porto militare von Neapel vorkommt, erwies sich als ein Object, das alle günstigen Be- dingungen für eine anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Untersuchung in sich vereinigt: Das Material ist reich und auch bei bewegter See lebend zu erhalten, die Eier in den ersten Stadien hell und die vorge-. rückteren Furchungszustände durch aufhellende Mittel zu bewältigen, sodann läuft der ganze Entwicklungsvorgang verhältnissmässig rasch ab und ist die Larvenproduction eine ungewöhnlich reichliche. Als Uebergangsformen zwischen reinen Hornschwämmen und reinen Kieselschwämmen bieten die Chalineen ferner ein weiteres Interesse dar. Da die von mir untersuchte Form neu ist, so schicke ich zuerst eine kurze Beschreibung derselben voraus: Chalinula fertilis nov. spec. In den »Spongien der Küste von Algier« machte Oscar Scunipr im Jahre 1868 den Versuch, die mittelmeerischen Spongien nach ihren natürlichen Verwandtschaftsverhältnissen zu ordnen und begründete hierbei als neue und selbständige Gruppe die Chalineae, die er den Geraospongiae coordinirte und von den reinen Kieselschwämmen ab- trennte. Diese Auffassung entspricht gewiss eher den natürlichen Ver- wandtschaftsverhältnissen,, als die systematische Einordnung der eng- lischen Forscher. Die Chalineen besitzen ausgesprochene Faserstruetur, wie die Hornschwämme, sind aber dadurch ausgezeichnet, dass ihre Spongiolin- fasern einfache Kieselnadeln in Zügen eingebettet enthalten. Dadurch wird ihre nahe Beziehung zu den Kieselschwämmen deutlich documen- #9 tirt und einzelne Glieder führen ganz unmerklich zu den Renieren #9 hinüber, so dass sich eine scharfe Grenze nicht ziehen lässt. Auch die # Axinelliden dürften wohl in ebenso nahen Verwandischaftsbeziehungen‘ 5 zu den Chalineen stehen. 4 Die von mir untersuchte Art besitzt den gemischten Charakter von # Kiesel- und Hornschwämmen in ausgesprochenstem Maasse, reiht sich "# aber an keine der bisher bekannt gewordenen Formen an. Ihrer massen- | haften Larvenproduction wegen nenne ich diese Art Chalinula fertilis. Im atlantischen Gebiete, der eigentlichen Heimat der Chalineen, scheint derselben eine an der nah hen Küste sehr gemeine Form nahe zu stehen, welche von Jonnston als Halichondria simulans beschrieben Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 319 urde und von Bowersank bald als Isodyctia simulans, bald als Chalina simulans aufgeführt wird. Carter hat diese englische Species in der Familie der Chalinidae unter seine Raphidonemata gestellt und auch meine Chalinula fertilis würde an die gleiche Stelle gehören. Oscar Scamipr hat die von mir untersuchte Form bereits vor sich E gehabt , wenigstens fand ich in der Spongiensammlung der Station B Er ein Exemplar in Alkohol und die betreffende Flasche ist von seiner Hand als Chalinula angeschrieben. Eine Angabe der Species da- gegen fehlt. Die Hauptkennzeichen der Chalinula fertilis, welche ich auf Taf. XX, - Fig. 27—29 dargestellt habe, sind folgende: Der Schwamm ist vorzugsweise monozoisch und bildet 2—3 cm E; lange, aufrechte Röhren oder Kegel mit einem Osculum an der Spitze, dessen Durchmesser 2—3 mm beträgt. s Der Schwamm zeichnet sich im Leben durch grosse Zartheit aus und frisch aus dem Wasser genommen, können sich die einzelnen Röhr- 2 chen kaum aufrecht erhalten, nach dem Abfliessen des im Schwamme reichlich enthaltenen Wassers wird derselbe sehr schlaff und zerreiss- bar. In getrocknetem Zustande ist derselbe elastisch. v Neben monozoischen Formen kommen auch grössere oder kleinere Polster vor, deren Durchmesser selten über 4 cm hinaus geht und auf E _ denselben erheben sich 2—4 fingerförmige Personen mit weitem Os- eulum. Das Fasernetz oder Schwammgerüst besteht aus regelmässig um einen centralen Magenraum angeordneten Radiärfasern,, welche durch ein System von Kreisfasern verbunden sind (Fig. 3). In diese Hornfasern eingebettet sind gerade oder schwach gebogene einfache Kieselnadeln, welche bald an beiden Enden zugespitzt, bald an em oder auch an beiden Enden abgerundet sind. Ihre Länge beträgt ‚092—0,10 mm. _ Die Dermalfläche ist glatt. Mit blossem Auge erkennt man zahl- rei he bis zu !/, mm weite Hautporen. 2 In frischem Zustande und ausserhalb der Fortpflanzungszeit ist die i E gelbbraun. Fi ndort:: Porto militare im Golf von Neapel. a PR TERN, Pk >! u I. Histologischer Ban. uszeichnen. Bei der grossen Brüchigkeit und Schlaffheit des er ' 24 320 Conrad Keller, | | ar ; Schwammes genügt Erhärten in absolutem Alkohol nicht, um nach ver- schiedenen Richtungen Schnittserien anzulegen, sondern es ist nöthig, nach vorausgegangener Tinction den ganzen Schwamm in eine schniti- fähige Masse einzubetten. Exoderm. Seit SchuLze auf der ganzen vom Wasser bespülten und nicht von Geisselzellen ausgekleideten Oberfläche der verschiedenen Spongien mit- tels Silberbehandlung ein Plattenepithel entdeckte, wurde die Bezeich- nung Exoderm in verschiedener Bedeutung gebraucht und ist darüber noch keine Einigung erzielt, ob diese Gruppe als zweischichtig oder drei- schichtig oder gar als dreiblättrig zu betrachten sei. Ich hielt bisher an der Anschauung von Hazcekzı fest, dass das so- genannte Syneytium als Ectoderm betrachtet werden müsse. Einmal liessen sich die Thatsachen der Embryologie, so weit sie bekannt sind, eher im Harcker’schen Sinne verwerthen. Dann vermochte ein Syncy- tium das Oeffnen und Schliessen der Poren, die Bildung von wandel- baren Mundöffnungen (Spongilla) u. s. w. unserm Verständniss näher zu bringen. Für mich blieb immer noch die Möglichkeit offen, dass die Silber- linction ein Kunstproduct hervorgerufen haben könnte und in der soge- nannten Schwammsarcode sind neben zelligen Elementen häufig freie Kerne und Zellenreste sichtbar. Den Entscheid musste man eben in die Hand der Histiogenese legen. Zu Gunsten der von ScHuLze vertretenen Ansicht hat sich kürzlich GANIN ausgesprochen in einer vorläufigen Mittheilung!; über den Süss- wasserschwamm (Spongilla fluviatilis). Seine ausführlichere Arbeit ist inzwischen in russischer Sprache erschienen ?). Nach ihm bilden sich schon im Larvenleben drei Blätter, welche in 4) Zoologischer Anzeiger vom A4. October 4878. 2) M. Ganın, Marepiaısı kg mosuaniro Orpoeria u Paspuria Tyoors. Warschau | 1879. Durch die grosse Freundlichkeit von Herrn Prof. Owssannıkorr in Petersburg wurde es mir ermöglicht, von dem Inhalt dieser Abhandlung Kenntniss zu nehmen und ich verdanke ihm bestens seine Mühe bei der Uebersetzung. Im Uebrigen dürfte # eine Bitte bei diesem Anlass nicht ungerechtfertigt sein. Wenn die russischen For- scher in ihrer Muttersprache schreiben, so kann man ihnen das nicht verdenken. _ Wenn dieselben aber vom Auslande genauere Berücksichtigung verlangen, so mögen sie doch wenigstens ihren Abbildungen eine lateinische, deutsche oder französische | Tafelerklärung neben die russische beisetzen. Auf Gebieten, wo bisher vorzugs- weise nichtrussische Forscher gearbeitet haben, dürfte dieser Wunsch nicht san ungerechtfertigt sein. 4 re ee Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 321 - die entsprechenden Gewebe der Spongilla übergehen. Bei der Metamor- phose bildet sich neben der Magenhöhle noch eine Körperhöhle aus und _ wenn ich Ganiw richtig auffasse, so öffnet sich der Mund in die Leibes- höhle, die Leibeshöhle aber durch das Osculum nach aussen, so dass - Osculum und Mundöffnung nicht identisch sind. Exoderm und Ento- derm berühren sich bei Spongilla nirgends und das Osculum besteht nur aus Exoderm und Mesoderm. Da ich für Chalinula fertilis zu ganz andern Resultaten gekommen bin und von einer Leibeshöhle nichts wahrnehmen konnte, so betrachte ich nunmehr, was unten durch die Entwicklungsgeschichte genauer be- sründet werden soll, als Exoderm eine einfache Lage von platten Epi- thelzellen,, welche in einschichtiger Lage die Dermalfläche überziehen. Das Exoderm reicht bis zum Osculum und berührt so- wohl hier, als an den Dermalostien das Entoderm. Sehr deutlich ist das Exoderm an eben festgesetzten Schwämmen zu erkennen (Fig. 23). Auch in der Umgebung des oft schornsteinartig vorgestreck- ten Osculum sind die Epithelzellen ohne weitere Behandlung sichtbar. Sie sind in Form und Grösse (Fig 2) variabel, zeigen einen rundlichen hellen Kern, in dessen Umgebung ein geringer körniger Hof auftritt, während der übrige Zellenleib hell, homogen und durchsichtig er- scheint. An jungen Exemplaren überzeugt man sich, dass das Exoderm mit srosser Contractilität begabt ist und im erwachsenen Thiere ‚wahrscheinlich das Oeffnen und den Verschluss der wandelbaren Haut- poren besorgt. Es stellt daher ein sogenanntes Amöboid-Epithel dar. Die Contractilität dieser Lage ermöglicht ganz jungen bereits sessilen Schwämmen, sich von der Unterlage loszulösen (was immer geschieht, wenn das Thier zu sehr beunruhigt wird), um sich später an einer andern Stelle festzusetzen. Die ziemlich glatte Dermalfläche zeigt an zahlreichen Stellen durch die bei den Spongien so allgemein vorkommenden Poren Unterbrechungen , des Exoderms, welches hier wie am Oscularrande mit dem Entoderm zusammentrifft. Die Poren sind theils constante kreisrunde Oeffnungen, deren Durchmesser !/,—'!/; mm beträgt und die mit blossem Auge leicht ‚sichtbar sind als Mündungen der grössern in den Gastralraum führen- " den Canäle — sie mögen als Dermalostien bezeichnet werden. Da- neben finden sich zahlreichere wandelbare und mit blossem Auge nicht sichtbare Poren in einer zwischen den Enden der radialen Fasern aus- gespannten Dermalmembran , sie mögen als Dermalporen bezeichnet werden. Sie durchbrechen die Membran (Fig. 1) siebartig und führen 322 a Conrad Keller, en, . - Hohlräume, in sogen. Subdermalräume. Die Räume sind ebenfalls mit einem Plattenepithel ausgekleidet und ich lasse es vorläufig noch unent- schieden, ob dieses Epithel ebenfalls in den Bereich des Exoderm ge- rechnet werden muss oder nicht. Mesoderm. Die in Rede stehende Formation des Spongienkörpers betrachtete ich bis anhin nach dem Vorgange Hazckzr’s als ein Plasmalager, das aus verschmolzenen Zellen besteht. Allerdings sprachen die neuern Befunde von F. E. ScauLze sehr zu Gunsten eines bindegewebigen Charakters dieser Lage und nur ge- zwungen konnte man ihr mikroskopisches Verhalten bei Chondrosia und Cortieium als aus einem weitergreifenden Umwandlungsprocess des Syneytiums sich entstanden denken. Die Entwicklungsgeschichte be- stätigt auch für Chalineen die Richtigkeit der Scuurze’schen Auffassung. Die Ausscheidung einer homogenen gallertigen Grundsubstanz zwischen den zelligen Elementen beginnt schon im Larvenleben mit dem ersten Auftreten des mittleren Keimblattes. Der Zellenreichthum und die Beschaffenheit der Grundsubstanz variirt im ausgewachsenen Individuum an den verschiedenen Stellen. In der Dermalmembran,, welche die Subdermalhöhlen überzieht, ist 4 die Grundsubstanz reichlich, klar und körnchenarm. Oft zeigt die Grundsubstanz in der Umgebung mancher Geisselkammern ebenfalls eine helle, durchsichtige Beschaffenheit, in andern Fäen sind die Ele- mente zahlreich angehäuft und die Intercellularsubstanz stark granulirt. Gegen die Gastralfläche hin erscheint das Mesoderm besonders massig und zellenreich. a Die amöboiden Mesodermelemente sind von der mannigfachsten Gestalt. Spindelförmige Zellen mit langen fadenförmigen Ausläufern finden sich häufig in den dünnen Strängen, welche die zuführenden Canäle durchsetzen. In der Umgebung der Poren sind sie zuweilen # sphincterartig angeordnet, fehlen aber eben so häufig und können nicht @ als eigentliche muskulöse Elemente angesprochen werden. Aehnliches # hatte ich früher schon bei Reniera semitubulosa beschrieben. Daneben # findet sich eine grosse Zahl kugeliger Zellen von bedeutender Grösse mit # zahlreichen dunkeln Körnchen im Innern, an denen eine lebhafte Mole- | Vacuolenbildung stark aufgetrieben und gehen ihrem Zerfall entgegen. A Amylumhaltige Zellen. | In meiner Mittheilung über Reniera, welche ich in dieser Zeitschrift, Bd. XXX, veröffentlichte, machte ich die Angabe, dass bei Spongilla u NE Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen, 323 sowohl als bei einer Reihe mariner Gattungen amylumhaltige Mesoderm- - zellen vorkommen, zeitweise vielleicht in grosser Menge vorhanden sein können, um gelegentlich wieder aufgebraucht zu werden. Diese Beobachtung reiht sich an eine andere von SchuLzE beob- _ achtete Thatsache an, welche an Chondrosia festgestellt werden konnte. Bei dieser Gattung findet sich als Reservestoff in der Rinde und in den Gefässscheiden zeitweise eine fettähnliche Substanz als stark licht- brechendes, knolliges Gebilde. Die von mir gemachte Angabe wird von Ganın bestätigt und in einer Anmerkung (p. 10 seiner Abhandlung) erwähnt er, dass bei Spon- gilla Mülleri besonders zahlreiche und grosse amylumbhaltige Zellen vor- kommen !). Bei Chalinula fertilis konnte ich sie im Mesoderm ebenfalls beob- achten, aber sehr spärlich, zudem sind sie auffallend klein. Da ich diese Art während der Fortpflanzungszeit untersuchte, so ist denkbar, dass diese Reservestoffe bereits aufgebraucht waren, während zu einer andern Jahreszeit dieselben vielleicht reichlicher vorhanden sind. Den bisherigen zelligen Elementen des Mesoderms reihen sich zwei weitere an — die Spermazellen und die Eier. Die morphologischen - Eigenschaften und die Genese der Sexualproducte werden bei der Ent- wicklungsgeschichte genauer erörtert werden. Entoderm. So sehr bis jetzt die Auffassung der einzelnen Forscher über Organe "und Gewebe auch aus einander gehen mochten, so herrschte doch in einem Punkte völlige Uebereinstimmung — darin nämlich, dass die Geisselzellenlage, aber auch nur diese, als Entoderm aufgefasst werden ‚müsse. Die mit einer Geissel versehene Kragenzellenschicht kleidet das Canalsysiem inwendig vollständig aus (Ascones) oder nur die zuführen- den Radialtuben (Sycones) oder nur gewisse Abschnitte des zuführen- ' den Canalsystems (Leucones, Halisarca, Gummineen, Horn- und Kiesel- schwämme). Gerade diese Uebereinstimmung hat besonders mit Bezug auf die tectologische Seite des Spongienorganismus viel Verwirrung hervorge- ı bracht. | Bei den Ascones konnte Niemand zweifelhaft sein, dass der ge- sammte Gastralraum eine völlige Homologie mit dem coelenterischen Apparat zulässt. E er it X # —ı E B< 2 ER Ar 324 Conrad Keller, Bei den Leuconen und Syconen giebt HarckeL an, dass anfänglich | der gesammte Innenraum mit Entoderm ausgekleidet, später aber die Geisselzellenlage sich in die Wimperkörbe, resp. Radialtuben zurück- ziehe, also bestimmte Theile des Canalsystems von Entoderm entblösst werden. F. E. Scauurze wies aber ein Plattenepithel auch auf der Gastral- fläche nach und dasselbe kann in seiner Existenz nicht mehr bezweifelt werden. Da er es zum Exoderm rechnet, so musste consequenterweise der Radialiubus und die Geisselkammer einem Olynthus gleichwerthig gesetzt werden und dagegen der centrale Gastralraum nicht auf den Gastralraum des Asconentypus bezogen, sondern unabhängig von dem- selben entstanden gedacht werden. Ich machte schon 18761) darauf aufmerksam, dass bei den Syconen, falls ein gastrales Plattenepithel existiren sollte, dasselbe als Entoderm aufgefasst werden müsste, welches das Mesoderm da überzieht, wo es von den geisseltragenden Kragenzellen entblösst ist oder dann als ein Endothel, welches seinen Ursprung vom Mesoderm ableitet. Mit der Auffassung von ScHurze konnte ich eine in Triest an Sycan- dra raphanus gemachte Beobachtung nicht vereinbaren, wonach die Radialtuben zuerst als einfache Ausstülpungen des centralen Gastral- raumes entstehen und wie Harckeı bereits angiebt (Kalkschwämme, Band I, p. 348) die Entodermzellen noch die ganze Magenfläche überziehen. Inzwischen ist es SchuuLzE gelungen, die Metamorphose der Larven von Sycandra raphanus vollständig zu verfolgen und meine Angaben bestätigten sich. | Die Untersuchung von Chalinula fertilis ergiebt nun, dass die centrale Gastralhöhle bis zum Oscularrande, ferner das gesammte zuführende Ganalsystem von Entoderm ausgekleidet ist (ausgenommen dürften möglicherweise nur die Subdermalhöhlen # werden). % Das Entoderm geht somit auch an den dermalen Ostien in das Exo- ’ | derm über, während Ganin für Spongilla nirgends einen Zusammenhang # zwischen beiden Gewebslagen annimmt. ” Chalinula fertilis besitzt zweierlei Br von ‚EutodernelErueniuig 4 einiger Spongien des Mittelmeeres. Basel 1876. 5 5 - Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 335 - körpern,, welche zufällig in die Nähe des Osculums gelangen, leicht überzeugt, einen sehr energischen Wasserstrom. 'b. Da wo die Geisselzellen fehlen, findet sich als Auskleidung des Canalsystems eine einfache Lage dünner polygonaler Plattenepithelzellen, | deren Grenzen durch Silbernitrat leicht zur Anschauung gebracht wer- den können. Ohne weitere Behandlung sind sie sichtbar an den dünnen Strängen und Balken, welche die zuführenden Canäle quer durchziehen. Die Beschaffenheit dieser Elemente stimmt im Allgemeinen mit derjenigen _ des dermalen Epithels überein. Wir erkennen somit in den Elementen des Entoderms eine ohne Uebergänge vermittelte morphologische Differenzirung, die auf eine Ar- beitstheilung derselben zurückzuführen sein wird. Für die Nahrungs- aufnahme und die Respiration fungiren wohl ausschliesslich die Geissel- zellen der Wimperapparate, die in ihrem basalen Abschnitt stets körn- chenreich und mit Pigment erfüllt sind. Die übrigen Stellen sind lediglich für die Zufuhr und Abfuhr des Wassers bestimmt und fallen für die Nahrungsaufnahme ausser Betracht. Berücksichtigen wir die bereits bekannt gewordenen Thatsachen in den verschiedenen Gruppen der Spongien, so werden wir zu dem Schlusse gedrängt, dass diese Arbeitstheilung der Entodermschicht keineswegs einen primären Zustand repräsentirt. Den phyletisch ältesten, primären Zustand finden wir noch erhalten in der Familie der Ascones, wo sämmtliche Entodermelemente morpho- logisch und functionell gleichwerthig sind, also die ganze Gastralfläche _ eine verdauende Cavität darstellt. Aber die dünnen Wände der As- cones sind eben nur mit Poren versehen. Di Hieran schliesst sich möglicherweise als ein Zustand bereits begin- nender Arbeitstheilung die Gattung Halisarca. Leider gelang es F. E. ‚ScHULZE nicht, die Larvenmetamorphose bei dieser Form mit der wün- Schenswerthen Sicherheit zu verfolgen, aber immerhin scheint mir der in Fig. 23 seiner Arbeit!) abgebildete Durchschnitt eines ganz jungen Schwammes von besonderem Interesse. Der Eciodermüberzug stellt daselbst eine einfache Lage geisselloser Platienzellen dar. Dagegen er- \ wiesen sich die mit Geisselkammern in Zusammenhang stehenden hellen ' Hohlräume ausgekleidet mit einem Epithel von platten Geisselzellen überzogen. Dieses Verhalten führt zu den Syconen hinüber. Die wasserzuführenden Ganäle sind vollständig mit Geisselepithel ausge- ‚kleidet und genügend gross, um die mit dem Wasserstrom eingeführten ‚Nahrungspartikel zurückzuhalten. Tritt das Wasser in den centralen MER, SchuLzeE, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spon- 326 Conrad Keller, Magenraum ein, so wird die Hauptmasse der Nahrung bereits abgefangen sein, dieser Abschnitt sinkt also herab zu einem blossen Ausführweg des Wasserstromes und dieser wird an der Magenwand um so leichter hin- gleiten, je glatter die Oberfläche beschaffen ist — daher die glatte Magenwand so vieler Spongien. Aber immerhin findet sich der phyle- F tisch ältere Zustand der Asconen in dieser Gruppe wenigstens im Jügend- lichen Zustande des Schwammes vorübergehend. Indem durch Ausbildung von Geisselkammern auch in den Zufuhr- canälen eine grössere Gomplication eintritt, die verdauende Fläche also noch mehr decentralisirt wird, als dies hei Syconen der Fall ist, ge- langen wir schliesslich zum Canalsystem der Leucones, der Halisarcen, Gummineen und der meisten Horn- und Kieselschwämme. II. Organologisches, Ganalsystem. Dasselbe erhält beiChalinula einen sehr hohen Grad der Ausbildung und kann am besten an guten Querschnitten und an Längsschnitten studirt werden, wozu man die regelmässig gebauten Einzelindividuen auswählt. Hier zeigt dasselbe einen centralen und einen peripherischen Ab- schnitt. Ersterer bildet einen mässig weiten, regelmässig entwickelten, bis zur Basis reichenden Hohlraum mit glatten Wänden, welche von zahl- reichen, schon mit blossem Auge sichtbaren Gastralostien durchbrochen. werden (Fig. 28). Auf Querschnitten erscheint es kreisförmig. Ze Diese Ostien bilden die Einmündungsstellen des peripherischen Abschnittes, gebildet von radiär wie Syconröhren verlaufenden Canälen, neben welchen aber zahlreiche grössere und kleinere nach verschiedener Richtung verlaufende Verbindungscanäle abgehen. 1 Die unregelmässigen kleinern Canäle münden nicht, wie die Haupt-ä | röhren, direct auf der Hautoberfläche aus, sondern in die von CArrer als »Subdermalräume« (subdermal cavities) bezeichneten, unter der Haut gelegenen Höhlungen. Die Subdermalhöhlen sind auf Querschnitten als regelmässig ange- ordnete linsenförmige Räume zwischen den Enden der Radialfasern ge- legen (Fig. 1). Eine siebartig durchlöcherte Hautmembran begrenzt dieselbe Bach aussen und deren Poren aim wandelbar. 2 können. BE Als Aussackungen der zuführenden Canäle, besonders reichlich Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen, 327 ‚gegen die Oberfläche hin, findet man die kugeligen und sehr regelmässig gebauten Wimperkammern. Sie bilden eine Hohlkugel, welche eine kleine Oefinung in das Ganallumen besitzt. Ihr Durchmesser beträgt 0,02 mm. Ueber ihre Vertheilung giebt Fig. 1 eine genauere Darstellung. F Indessen findet man in einzelnen Exemplaren Abweichungen von dem bisher geschilderten Bau. So fand ich Einzelpersonen mit einem , einfachen Osculum, bei welchen nicht eine einfache Magenhöhle, son- - dern an deren Stelle drei bis vier weite verticale Röhren , welche durch 'Scheidewände von einander getrennt waren. Wie diese Verticalröhren im Magen einer Einzelperson entstehen, konnte ich nicht ermitteln und es muss künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben, ob diese Verti- - cealröhren aus einer einfachen Magenröhre dadurch hervorgehen, dass - von der Wand her mehrere verticale Scheidewände einander entgegen- wachsen. | Diese Thatsache scheint mir insofern von Interesse, als in der Ord- nung der Lithistiden solche Verticalröhren in grösserer Verbreitung bei - fossilen Formen bekannt geworden sind !), und die betreffenden Arten dann als »syndesmotische« Stockformen betrachtet wurden (z. B. Jerea _pyriformis). [ Bei polsterförmigen Individuen endlich ist zuweilen weder ein Os- ' eulum noch eine Gastralhöhle erkennbar und sind solche Fälle dann als - Lipogastrie aufzufassen. Hier erscheinen die Canäle ebenfalls senkrecht ? zur Oberfläche gerichtet, ein Theil derselben functionirt als Zufuhrröhren, _ andere als Abfuhrröhren. Diese Stellvertretung des Magenraums durch Röhren des periphe- _ rischen Canalsystems wird auch bei Gegenwart einer Magenhöhle bei Bbalinula ungemein häufig beobachtet. ’ Da das Hohlraumsystem in vielen Gruppen der Spongien (Esperia, % _ Siphochalina etc.) sehr entwickelt ist, so dient es einer Menge kleinerer _ Thierformen , namentlich Krustern, Echinodermen und Anneliden als _ Zufluchtsort. | En - So fand ich in Neapel einen bedeutenden Procentsatz von Chalinula E fertilis mit einem kleinen Röhrenwurm (Sabella) vergesellschaftet, wel- cher sich in die Magenhöhle einmiethet, deren Wand vollständig ver- baut und die Fäden über dem Osculum ausbreitet. Trotz diesem Ein- _ miether bleibt der Schwamm vollständig lebenskräftig. Zuweilen trifft man als Commensale auch die von ScHuLze unter dem Namen Spongi- ‚cola fistularis (Stephanoscyphus mirabilis Allmann) beschriebene Hy- roidform in den een Canälen. Ps ya 328 Conrad Keller, Fasergerüst. Die Hartgebilde stellen ein äusserst zierliches, zartes und zusam- menhängendes Skelet dar, von welchem ich in Fig. 3 eine halbschema- tische Darstellung gebe. Dasselbe erhält man durch künstliches Mace- riren, noch einfacher ist die natürliche Maceration , welche nach der Geburt beim Weibchen eintritt. Wie Oscar ScHamipr bereits in seiner Diagnose der Chalineen ange- geben, besteht das Gerüst aus Hornfasern, welche einfache Kieselnadeln einschliessen. Es lassen sich drei Fasersysteme unterscheiden: radiale, longitudi- nale und Kreisfasern. Davon sind unbedingt die Radialfasern am stärk- sten ausgebildet und ein Querschnitt erinnert vielfach an das Nadel- system eines Sycon. Hier liegen 2, 3 und mehr Kieselnadeln parallel neben einander und greifen mit ihren Enden in einander ein. Diese sind dann durch Hornsubstanz fest verkittet (Fig. I u. %). Auch longi- tudinale stärkere Faserzüge sind erkennbar. Zarter sind bei Chalinula die Kreisfasern und selten sieht man in denselben zwei Nadeln neben einander liegen. Dieselben sind nicht als gerade Spangen zwischen den Radiärfasern ausgespannt, sondern stets gegen den Gastralraum zu ge- bogen (Fig. 1). Ohne Zweifel ist diese Biegung als eine Wirkung des Wasserstromes anzusehen. Die Kittsubstanz ist hyalin, farblos oder schwach gelblich, oft spär- lich, an andern Stellen ist sie mächtig entwickelt und lässt eine deut- liche Schichtung erkennen. Ihre Oberfläche ist glatt und deutlich gegen die Umgebung abgesetzt. Ich beobachtete einigeMale an den Spongiolin- fasern knotenförmige Auftreibungen und Nodositäten wohl als patholo- gisches Verhalten. Die Nadeln besitzen eine durchschnittliche Länge von 0,09—0,1 mm und sind an beiden Enden zugespitzt, auch an einem oder an beiden Enden abgerundet. Ein Centralcanal ist leicht sichtbar. Ausser den in Hornsubstanz eingeschlossenen Kieselnadeln finden sich solche, jedoch in geringer Zahl , frei im Mesoderm gelegen als sog. Fleischnadeln. Ihre Entstehung erfolgt im Innern von Mesodermzellen (Fig. 20) ‚und kann bei Larven und jungen Schwämmen leicht verfolgt werden. Das Gerüst ist anfänglich regellos und die einzelnen Nadeln zer- streut. Ich nehme an, dass mit der Entstehung von Poren und Ganälen der Wasserstrom bestimmend auf die Lagerung der Nadeln einwirkt und zunächst radiale Faserzüge bildet. Die verkittende Spongiolinsubstanz kommt erst später hinzu und ist wohl ein Ausscheidungsproduct des Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 339 III. Entwicklung. | Neben der ungeschlechtlichen Vermehrung durch Sprossung findet bei Chalinula fertilis eine geschlechtliche Fortpflanzung statt und tritt ich in Neapel eine Menge von Individuen mit reifen Genitalproducten, A doch scheint mit Anfang April die Acme der Fortpflanzungsthätigkeit erreicht zu sein und nimmt gegen Ende dieses Monats bedeutend ab. Sexualität und äussere Erscheinungen bei eintretender | Geschlechtsreife. Wenn noch vor wenigen Jahren ernste Zweifel in Bezug auf die - Existenz einer geschlechtlichen Fortpflanzung bei Spongien laut wurden, so darf gegenwärtig die Frage als erledigt angesehen werden. Schon Lieserkünn !) hat bei Spongilla unzweifelhaft die Samenelemente im Jahre 1856 beobachtet, seine Angaben hatte ich unlängst in ihrem ganzen man zu bestätigen Gelegenheit gehabt. HarckeL?) und Eimer’) machten ebenfalls eingehende Angaben über das Vorkommen von Sperma ' bei Kalk- und Kieselschwämmen und die successiven und höchst genauen _ Publicationen von F. E. Scnurze entschieden diese Frage endgültig. Letzterer Forscher constatirte die Thatsache, dass Halisarca lobularis und wahrscheinlich auch Halisarca Dujardinii, ferner Aplysilla sulfurea, Es Er Spongelia pallescens getrennten Geschlechtes sind; über den echten _ Badeschwamm wird Scauzze wohl bald genauere Angaben veröffent- liehen und nur der Curiosität wegen mag angeführt sein, dass an den griechischen Inseln unter den Schwammfischern allgemein die Ansicht herrscht, dass es männliche und weibliche Schwämme gebe). Auch bei Spongilla lacustris hielt ich Geschlechtertrennung für rscheinlich, während Ganın angiebt5) bei Spongilla fluviatilis Eier iss bei den einen die Eier, bei andern das Sperma vorwiegend ist. 4) LiEBERKÜHN, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Spongillen. MüLLERr’s iv 41856. ; 2) HaAEcKEL, Die Kalkschwämme. Berlin 1872. Mr 83) Eımzr, Nesselzellen und Samen bei Seeschwämmen. Archiv für mikr. Ana- 4) GEORG v. EckHEL, Der Badeschwamm. Triest 41873. (Von SCHULZE jüngst be- Burn! 2 330 Conrad Keller, Ein äusserlicher Unterschied bei Geschlechtertrennung ist bisher ; Be von keinem Forscher bemerkt worden. i Chalinula fertilis ist getrennten Geschlechtes und der Unter- schied zwischen Männchen und Weibchen sehr in die Augen fallend. Die männlichen Individuen sind auch zur Zeit ihrer Geschlechts- reife von dürftigem , gracilem Baue. Die Weibchen dagegen doppelt bis dreifach so gross, und bedeutend praller und massiger als die Männchen und ferner ausgezeichnet durch eine seltsame Erscheinung bei eintre- tender Geschlechtsreife. Sobald die Bildung von Eiern beginnt, nimmt | ihre bisher braungelbe Färbung ein röthliches Colorit an. Sie erscheinen wie rosafarben angehaucht, einzelne Weibchen, besonders kräftig ge- baute, werden beinahe pfirsichblüthroth, andere besitzen einen Stich ins Lila. Dieser zarte Farbenton verschwindet aber nach der Befruchtung, respective mit beginnender Eifurchung ziemlich rasch und das trächtige Weibchen wird bis zur Zeit, wo die Larven ausschwärmen , ockergelb. Mit diesen Erscheinungen einmal vertraut, konnte ich unter Dutzen- den von Exemplaren, die ich im Aquarium hielt, mit Sicherheit nach dem äussern Charakter vorher bestimmen, welche Exemplare männlich und welche Weibchen unbefruchtete oder in Furchung begriffene Eier und welche bereits reife Larven enthielten. | Diese auffällige mit der Geschlechtsreife parallel verlaufende Firbend erscheinung bei Chalinula darf wohl als eine Art Hochzeitskleid ange- sehen werden, vergleichbar dem Hochzeitskleid vieler Wirbelthiere. Während das Männchen aber stets unscheinbar bleibt, tritt es hier nur bei weiblichen Individuen auf. Sperma. Beim Zerzupfen des Schwammgewebes trifft wian die Spermatozoen entweder einzeln oder zu grösseren Ballen vereinigt in lebhafter Be- -wegung. An ihnen ist ein Köpfchen und eine lange Geissel zu unter- scheiden. Ersteres ist länglich, schwach gebogen und in seinem oberen | Ende ist ein stark lichtbrechendes Körperchen wahrzunehmen. Die Grösse beträgt ungefähr ein Drittel einer Kragenzelle des Entoderms. Der Schwanz ist seitlich am Köpfchen inserirt und zehnmal so lang als dieses (Fig. 5 und 6). Die Spermatozoen entstehen, wie man sich an Querschnitten durch | männliche geschlechtsreife Exemplare überzeugen kann, im Mesoderm; und sind dort in einer von Epithel ausgekleideten Kapsel eingeschlossen. Ueber die Genese dieser Spermaballen habe ich keine befriedigenden Resultate erlangen können. el Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 331 Eier. Sobald das Weibchen beginnt eine rosa- oder lilafarbige Oberfläche - zu erhalten, ist man sicher, dieselben in grosser Zahl im Mesoderm an- zutreffen. Im ausgereiften Zustande sind sie kugelig und enthalten einen grossen, meist excentrisch gelegenen Kern oder Keimbläschen und einen stark lichtbrechenden kugeligen Keimfleck. Um dasKeimbläschen herum - findet sich eine grosse Zahl stark lichtbrechender kugeliger Dotter- elemente. Ganz junge Eier sind frei im Mesoderm gelegen, körnchenarm Bons daher sehr durchsichtig. Sie sind mit ausgesprochener amöboider ; Bewegung ausgestattet und können ihre Lage im Mesoderm verändern. i Das reife Ei dagegen ist in eine deutliche Kapsel eingeschlossen und man erblickt zwischen Eifläche und Kapselwand einen hellen Zwischen- raum. Letztere ist auf ihrer innern Seite mit einer deutlichen Lage von _ platten Endothelzellen ausgekleidet. In der Umgebung der Eikapsel treffe ich stets eine grössere Zahl { körnchenreicher Mesodermzellen (Fig. 8), welche beim Herausschälen der Kapsel an der Wand haften bleiben. Da während der Furchung Beine bedeutende Volumzunahme des Inhaltes stattfindet, haben diese Zellen wohl eine nutritive Bedeutung. Aus den verschiedenen Alters- - zuständen der Eier ist zu entnehmen, dass sie durch reichlichere Ernäh- rung aus gewöhnlichen Mesodermzellen hervorgehen. In welcher Weise die Befruchtung erfolgt, konnte ich nicht er- mitteln. Da die Kapsel sich frühzeitig ausbildet, so muss angenommen "werden, dass die Spermatozoen die Kapselwand erst durchbohren - Furchung. - Ueber die Furchung besitzen wir weder von marinen Hornschwäm- men noch Kieselschwämmen genauere Kenntniss; die Ghalineen, in der Mitte zwischen beiden stehend, sind bisher ebenfalls noch nicht unter- - Barroıs!) bemerkt über die Furchung bei seiner Verongia rosea Aplysilla rosea Schulze) : On trouve de ces oeufs tous les stades de Un fait interessant du fractionnement que j’ai con- ° d’une facon certaine, c’est la division des elements de l’oeuf en | Ca. Barroıs, M&moire sur l’Embryologie de quelques Eponges de la Manche. scienc. nat. Zool. Ser. VI. T. IH. art. 14. 4876. z Be - z 4 r Er ee ee 332 Conrad Keller, deux parties differentes, des les premiers stades du fractionnement. Aus der Furchung resultirt nach Barroıs eine Amphiblastula. Für Aplysilla sulfurea giebt SchuuLze an, dass er den Process der Furchung und der Larvenanlage nicht Schritt für Schritt habe verfolgen können und die innerhalb ihrer Mesodermkapsel angetroffenen Larven zeigten eine unregelmässige Eiform und waren an der Aussenfläche gleichmässig mit langen Wimpern besetzt. Unter einer äussern zelligen Rindenschicht wurde der Innenraum mit einer dem gallertigen Binde- gewebe vergleichbaren Zellenmasse erfüllt. Für Spongelia avara und pallescens konnte ScHurze eine Furchungs- höhle nicht erkennen und nimmt an, die Morula möchte durch fortge- setzte Zweitheilung entstanden sein. Hinwiederum berichtet Oscar Scanipr!) über Kieselschwämme (Esperia), dass schon in den ersten Stadien das Ei den Zellencharakter einbüsse und dass man von einem deutlichen Furchungsprocess nicht reden könne. ° Carter?) giebt über Chalina simulans Bow. (Halichondria simulans Johnst.) ebenfalls keinen Aufschluss über diese Vorgänge: »By what stages the sphaeroidal ovum passes into the elongated embryonal form, I do not know.« Auch über Kieselschwämme (Isodyctia rosea und Den fruti- cosa) machte Barroıs®) Angaben. Die Furchung ist eine regelmässige und totale und im Verlauf der Furchung entsteht eine centrale Höhle. Beim Süsswasserschwamm fand Ganın *) ebenfalls eine reguläre, totale Furchung, ein Morulastadium, welches später eine innere Höhlung bekommt und wobei durch Delamination das Exoderm und Entoderm gebildet wird (Planogastrula). Welche Vorgänge die Bildung der beiden ersten Furchungszellen bei Chalinula fertilis einleiten, gelang mir nicht zu ermitteln, zahlreiche reife Eier waren ohne Keimbläschen, dasselbe verschwindet wohl vor der Befruchtung. Andeutungen von Bu in der Um- gebung des Eies konnte ich nicht finden. Die Furchung verläuft rasch und ist normal nach 20 bis 30 Stunden beendigt. Sieisteine totale, aber inäquale. Die beiden ersten” 4) OscAR SCHMIDT, Zur Orientirung über die Entwicklung der Spongien. Diese’ Zeitschrift. Bd. XXV. Suppl. 1875. 2) J. CArtTEr, Development of the Marine Sponges. Ann. and Mag. of Nat. Hist, A874. | a 3) BARRoIS, loc. cit. 4) 1. c. Taf. I, Fig. 8—16. Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 333 - Fuschungszellen sind ungleich, eine übertrifft die andere wesentlich an - Grösse (Fig. 9). Senkrecht auf die erste Theilungsebene folgt eine zweite und es entstehen 4 Furchungszellen. Anfänglich liegen sie in einer Ebene (Fig. 10), später erfolgt aber eine Lagenverschiebung. Ich finde wenigstens Stadien, bei welchen 4 Zellen vorhanden sind, und die Verbindungslinie zweier Furchungszellen diejenige der beiden _ andern unter einem rechten Winkel kreuzt. Ein häufig beobachtetes Stadium mit 4 Zellen zeigt später eine tetraedrische Anordnung. Drei kleinere Zellen bilden die Basis einer Kugelpyramide. Auf diesen ruht - die vierte, bedeutend grössere Zelle (Fig. 11). Damit ist bereits die zu- künftige Sonderung von Ectoderm und Entoderm angedeutet. Ich be- trachte die 3 untern kleineren Furchungskugeln als zukünftiges Ecto- derm, die obere dagegen als Stammzelle des Entoderms. Diesem Stadium folgt ein solches mit 7 Furchungszellen. Indem die _ basalen Ectodermzellen durch Ebenen senkrecht zur Basis getheilt wer- - den, die Entodermzelle aber unverändert (Fig. 12) bleibt, bilden 6 kleine Zellen eine schüsselförmige Unterlage, welche die Entodermzelle an der Basis umgreifen. Wir finden also eine raschere Theilung der Ectoderm- elemente. Jetzt schneidet eine neue Theilungsebene die obere Zelle in ‘zwei, unmittelbar nachher eine zu der vorigen Theilungsebene senk- rechte, also der Basis der Kugelpyramide parallelen Ebene die 6 klei- ‚nern Zellen in 12, einen obern und einen untern Kranz von 6 Zellen. Daraus geht ein Stadium von 1% Zellen (Fig. 13) hervor, 12 dem Eeto- derm angehörige und 2 grosse Entodermzellen, letztere von ersteren Schon stark umwachsen. Bis zu diesem Stadium findet zwar eine Zu- _ nahme der Dotterkörnchen statt, indem aber ein gelbbraunes Pigment jetzt auftritt, wird der gefurchte Keim in seiner Durchsichtigkeit stark beeinträchtigt, so dass man zu aufhellenden Mitteln greifen muss. Kalilauge ist insofern unbrauchbar, als sie die Zellen stark auf- treibt. Am geeignetsten erwies sich folgende Methode: Die Furchungs- Stadien, mit blossem Auge leicht sichtbar, werden in absolutem Alkohol | erst entwässert und hierauf für 2—3 Tage in eine nicht zu dicke San- ‚ daraklösung eingelegt. Nach einigen Tagen sind sie hinreichend aufge- ‚ hellt und werden in dem flüssigen Harz untersucht. Durch Hin- und Herrollen mit dem Deckglase kann man die verschiedenen Stellen der | Oberfläche untersuchen. "Bisher ist von einer Furchungshöhle nichts vorhanden und auch EEE BE DR ——— u 334 Conrad Keller, Eindruck einer Morula. Man überzeugt sich aber beim Rollen unter dem Gläschen, dass an der Oberfläche ein deutlich umgrenztes Feld exi- stirt, dessen Zellen sich durch Grösse von den übrigen peripherischen Zellen auszeichnen. Dieses Feld wird später zum hintern Pol der Larve und entspricht dem Urmund derselben. Dieses Feld gehört dem Ento- derm an und wird daher dieses nicht vollständig von den rascher sich theilenden Exodermzellen umwachsen. Wie aus den ersten Furchungsstadien ersichtlich ist , stellt dieser im ersten Moment einer Morula vergleichbare kugelige Zellenhaufen in Wirklichkeit eine wahre Gastrula dar, die Invagination des Entoderms erfolgt nicht vollständig und der Urmund ist durch einen sogen. » Dotter- pfropf« verschlossen (Fig. 14). Dieses Stadium wandelt sich sehr bald in die freischwimmende Larve um. Die Theilung der Ectoderm- und Entodermzellen erfolgt sehr rasch, es scheint mir sogar, , dass die Furchungszellen simultan in eine Menge kleinerer Elemente zerfallen, wenigstens erkennt man letztere auf der Oberfläche zu polygonalen Feldern gruppirt, welche den Zell- grenzen grösserer Furchungszellen entsprechen. In der Mesodermkapsel eingeschlossen streckt sich der Embryo und geht in eine ovale Larve über. Die Exodermzellen werden cylindrisch und bilden eine hellere einfache Schicht, jede derselben treibt eine Geissel hervor. Die oberflächlichen Zellen des Dotterpfropfes sind an- fänglich ohne Geisseln (Fig. 15). Nun beginnt auch die Bildung des Mesoderms. Das primäre Ento- derm zerfällt in eine periphere Lage, welche zum Mesoderm sich um- bildet und eine centrale Lage, aus der das definitive Entoderm hervor- geht. Dieser Process macht sich bemerkbar durch das Auftreten von einfachen schwach gebogenen und an beiden Enden zugespitzten Kiesel- nadeln, welche in Zellen entstehen, wovon man sich an ganz jungen isolirten Zellen überzeugt (Fig. 20). Diese Nadeln liegen stets peripherisch unter dem Geisselepithel meist in der Richtung der Körperachse. Der Urmund- rand,d.h. die Umgebung des Dotterpfropfes, ist die Stelle, wo zu- erst eine Differenzirung desMesodermsauftritt. Hier tre- ten die Kieselnadeln zuerst und an allen Punkten gleichzeitig auf und schreiten allmälig weiter gegen den vordern Pol. Schon METScHNIKOFF !) | scheint bei Renieralarven, wie ich aus seiner Abbildung schliessen muss, etwas Aehnliches beobachtet zu haben. 1) E. METScHNIkorr, Zur Entwicklung der Kalkschwämme. Diese Zeitschrift. Bd. XXIV. 4874. / A Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 335 Die Furchung von Chalinula fertilis erfolgt also auf dem Wege einer Epibolie. Sie ist im gewissen Sinne der Furchung der Amphibien ver- “ gleichbar, nur dass dort eine Furchungshöhle existirt, hier dagegen nicht. Im Wesentlichen schliesst sie sich eng an die merkwürdigen Vor- gänge an, welche kürzlich durch En. vaw BENEDEn als Gastrulation der Säugethiere und als Furchungsvorgänge an den nematogenen Keimen von Dieyema entdeckt wurden!). VAN BENEDEN ist geneigt, diese Epibolie als die ursprünglichste Form _ einer Amphigastrulabildung aufzufassen, während Hacker in diesem Modus eine abgekürzte Gastrulabildung erblickt. | Die freischwimmende Larve ist in allen wesentlichen Theilen schon in der Mesodermkapsel des Mutterthieres vorgebildet. Mit dem Uebergang aus einem kugeligen Kör- per in die Eiform ist die gelbbraune Färbung nicht mehr gleichmässig, sondern das Pigment sammelt sich an der hintern, als Entodermpfropf bezeichneten Stelle an. Dieser Bezirk, den ich als indifferente Zone auffasse, von der aus die Scheidung in Mesoderm und Entoderm der Larve nach dem vordern Pole fortschreitet, ist scharf von der Umgebung abgesetzt (Fig. 15). Die Larvenkapseln sind vorwiegend in der Um- gebung der centralen Magenhöhlung angehäuft, bei polsterförmigen, - magenlosen Individuen an der Basis des Schwammes und mit unbewaff- netem Auge als gelbliche Punkte erkennbar. Der Lage nach sollte man erwarten, dass die Larven durch das Osceulum ausschwärmen , wobei der Wasserstrom unterstützend wirkte. Dem ist aber nicht so; die Thätigkeit wird in den Geisselkammern nach und nach sistirt und das Ausschwärmen erfolgt durch die grösseren nach der Dermalfläche führenden Canäle. Man sieht die Larven aus den Dermalostien austreten. Das Schwärmen erfolgt zuerst an der Basis des Schwammes, wo die Embryonen zuerst ausreifen, und schreitet gegen das Osculum hin fort. _ Die ovale Larve durchbricht mit dem vordern spitzen Pole ihre Kapsel, welche ohnehin durch die Volumzunahme ihres Inhaltes ausge-- “dehnt und dünnwandig geworden ist. An gehärteten reifen Weibchen 4) EDUARD van BENEDEN, La maturation de l’oeuf, la f&condation et les premieres _ phases du developpement embryonnaire des Mammiferes, d’apres des recherches es chez le lapin. Communication preliminaire. Extr. d. Bull. de !’Acad. Roy. d. gique. Bruxelles 4875. — Derselbe, Recherches sur les Dieyemides survivants Is d’un embranchement des Mesozoaires. Extr. d. Bull. de l’Acad. Roy. d. Bel- . Bruxelles 1876. 22* 336 | Conrad Keller, fand ich den spitzen Pol bereits ins Canallumen ragen, während das braune Hinterende noch in der Kapselwand eingeklemmt war. ee Die Geburt ist gewöhnlich nach 10—15 Stunden beendigt und dann | bleibt vom Weibchen nichts mehr übrig, als das zarte und zierliche Fasergerüst ; die Geisselkammern und die Mesodermzellen fallen ab und werden rasch von Infusorien bevölkert, der Schwamm erscheint nach der Geburt vollständig macerirt. : Ich glaube mit Bestimmtheit annehmen zu können, dass die Weib- chen von Chalinula fertilis überhaupt nur einmal in ihrem Leben träch- tig werden, dann aber in Folge massenhafter Larvenproduction (ein ein- ziges Weibchen bildet gegen 100 Larven aus) regelmässig zu Grunde gehen. Wahrscheinlich werden beim Geburtsact die mütterlichen Ge- E webe so stark mechanisch geschädigt, dass das Mutterthier diese Insulte nicht zu überleben im Stande ist. Nicht nur im Aquarium konnte ich das Abfallen der Geisselkammern verfolgen, sondern solche frische aus- macerirte Schwammgerüste wurden mir auch aus dem Kriegshafen ge- bracht. | Nach Beobachtungen von Oscar Schmipr zu schliessen, kommt das vielleicht auch bei Renieren vor. Die freie, mit einem langen Wimperkleide versehene Larve von Chalinula fertilis besitzt eine durchschnittliche Länge von 0,33 mm bei einer Breite von 0,22 mm (Fig. 16). Der vordere Pol ist spitz wie bei der von Carter abgebildeten Larve von Chalina simulans. Hinten ist der intensiv braungefärbte Pol jetzt stark vorgezogen und quer abgestutzt. Die einfache Lage der schlanken Geisselzellen des Ectoderms ist farblos und reicht bis zum braunen Dotterpfropf. Die darunter gelegene innere Zellenmasse ist gelblich pig- mentirt. Der stark pigmentirte hintere Theil besteht aus cubischen Zellen, welche einen deutlichen kugeligen Kern besitzen und dicht an- einander gedrängt sind, während namentlich die vordere und mittlere Mesodermmasse schon eine deutliche Intercellularsubstanz besitzt. CAr- TER und Barroıs geben an, dass dieser hintere Pol bei Kieselschwämmen keine Wimpern besitze und bestätigen die Angaben METScHNIKOFF’S, dass an seiner Grenze ein Kranz besonders langer kräftiger Cilien vor- handen ist, während Oscar Scanipr freischwimmende Larven abbildet (von Esperia und Reniera), die auf der ganzen Oberfläche bewim- pert sind. i N. In der Mesodermkapsel ist nach meinen Beobachtungeu der hintere Pol bei Chalinula geissellos, ebenso bei Esperia Lorenzii, aber mit dem’ Ausschlüpfen wachsen von der Oberfläche lange Geisseln aus. Dagegen‘ sind zwischen geisseltragenden Zellen zuweilen einzelne helle geissellose . TE Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen, 337 Zellen sichtbar. Doch sind die Geisseln am Entodermpol nur temporär, ie verschwinden wieder vor dem Festsetzen zu einer Zeit, wo die Geisseln des Eetoderms noch vorhanden sind. Eine Unsleichhan der _ Geisseln konnte ich nicht wahrnehmen. | Bei Spongilla ist nach Ganın die ganze Larvenoberfläche mit geissel- tragendem Ectoderm überzogen, dem dunklen hintern Pol bei- vielen Kieselschwämmen dürfte dann wahrscheinlich die mesodermale Anhäu- fung entsprechen , welche im hinteren Ende auftritt und von Ganin auf Taf. II, Fig. 17 und 18 seiner Abhandlung abgebildet wird. Diese Deu- tung ist um so wahrscheinlicher, als auch von dieser Stelle aus die Meso- dermbildung beginnt. Um die freilebenden Larven von Chalinula zu beobachten, setzte ich in ein mit frischem Seewasser gefülltes Becherglas mehrere trächtige Weibchen. Schon nach 2—3 Stunden waren eine Menge von Larven sichtbar und zwar an einer ganz bestimmten Stelle. Sie sind wie die Schwärm- - sporen gewisser Algen offenbar für das Licht empfindlich und suchten “möglichst lichtarme Stellen auf. Sie halten sich mit Vorliebe an dem Wasserspiegel auf und schwimmen sehr lebhaft in der durch Adhäsion am Glase emporgehobenen Wasserzone. Nur wenn sie beunruhigt wer- den gehen sie zu grösseren Schaaren vereinigt in die Tiefe, halten sich aber auch hier immer auf der dem Lichte abgewendeten Seite. Auf eine Eigenthümlichkeit, die allerdings vor dem Festsetzen ver- schwindet, möchte ich noch zurückkommen, weil ich sie morphologisch nicht für bedeutungslos halte. Am hintern Ende bildet sich während _ des Freilebens eine napfförmige Vertiefung aus und der Rand derselben - erscheint mehr oder minder stark aufgewulstet. Diese Bildung möchte ich als Andeutung einer primitiven Magen- höhle betrachten und den aufgewulsteten Rand als Urmundrand in An- spruch nehmen). Will man mit van Benepen annehmen, dass die durch _ Epibolie entstandene zweischichtige Larve oder Amphigastrula bei den Dieyemiden und beim Kaninchen einen primären Zustand darstellt, aus dem die Amphiblastula nach und nach sich herausbildete, so wird man diese Grube als erste Andeytung einer Invaginationshöhle aufzufassen haben, nimmt man dagegen mit HarckeL an, dass diese eigenthümlich modificirte Gastrulabildung, wie sie sich bei Chalinula auch findet, einen secundären Zustand vorstellt und aus der durch Invagination entstan- denen Amphigastrula entstanden ist, so würde die Chalinulalarve ein 338 Ä Conrad Keller, Mittelglied darstellen, das noch eine rudimentäre Urdarmhöhle besitzt. Der beigefügte Holzschnitt giebt eine Darstellung derselben. 4 Diese Grube mag auch zur Aufnahme von Nahrung dienen. Fütte- rungsversuche mit Carmin ergaben, dass suspendirte Körnchen in grosser Zahl in derselben angesammelt und festgehalten werden. Die kräftige Bewegung der nach hin- ten gerichteten Geisseln ist besonders ge- eignet, suspendirte Stoffe in diese Grube zu wirbeln. B Da die Larve einige Tage frei lebt, durch die Geisselzellen ein verhältniss- mässig grosses Quantum lebendiger Kräfte frei wird, die erst aus vorhandenen Spann- kräften umgesetzt werden, die Dotter- körner aber bereits nicht mehr so reich- ° lich vorhanden sind, so werden diese Spannkräfte in irgend einer Form von aussen her bezogen werden müssen. ren Meder Jedenfalls ist dieser hintere Pol auch ent, Entoderm, Im,Larvenmund. respiratorischer Abschnitt. Festsetzen und Metamorphose. Einige Larven machen schon wenige Stunden nach dem Aus- schwärmen den Versuch, sich festzusetzen, bleiben kurze Zeit haften und lösen sich dann wieder los. Normal erfolgt das Festsetzen erst am zweiten oder dritten Tage. Zuerst gehen die Geisseln am hintern Pole verloren und die Larve er- scheint plötzlich stark abgeflacht in einer zur Längsachse senkrechten | Richtung. In diesem Zustande habe ich die Larve auf Taf. XIX, Fig. 18 von der Bauchseite und in Fig. 17 von der Kante abgebildet. CARTER giebt für Chalina simulans an, dass das Festisetzen mit dem hintern geissellosen Pole erfolge. Dies ist auch für Chalinula fertilis in gewissem Sinne richtig, indem es den Eindruck macht, als ob sich die Larve mit dem hintern Pole an die Glasfläche anklebe, aber sie stellt sich nicht auf- recht, wie es CARTER!) in seiner Fig. 28 darstellt, sondern sie legt sich auf die Breitseite, welche zur Basis des künftigen Schwammes wird. 5 Diese Abflachung ist bereits auch von Oscar Scauipr für Esperia 3 beobachtet). h 7 4) J. CARTER, Development ofthe Marine Sponges. Ann. and Mag. of Nat. Hist. 1874. E 2) Oscar Scamipr, Zur Orientirung über die Entwicklung der Spongien. Diese Zeitschrift. Bd. XXV. Suppl. 1875. E Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. . 339 In dieser Lage festgesetzt, kann man indessen die Geisseln des xoderms noch stundenlang lebhaft schwingen sehen. Nach und nach verschwinden die Geisseln, vermuthlich werden sie eingezogen , die eylindrischen Exodermzellen werden niedriger, aber "keineswegs abgeworfen, wie METScHnıKoFF früher angab. Das Geissel- zellenlager geht in ein sehr contractiles Lager von flachen Epithelzellen über und hierauf erfolgt ein vollständiges Umfliessen des hinteren bis jetzt vom Ectoderm entblössten Poles. Das contractile oberflächliche Zellenlager schickt über denselben binweg, übrigens auch nach allen übrigen Richtungen veränderliche Fortsätze aus, welche zur Befestigung an der Unterlage dienen (Fig. 19 und 21). Eine innere Höhlung fehlt noch und der Schwamm gleicht auf die- sem Stadium einem unregelmässigem Fladen mit zipfelförmig ausge- zogenem Rande. Die oberste Lage ist gebildet von einem einschichtigen Lager farb- loser platter, contractiler Epithelzellen, welche besonders am Rande (Fig. 22) deutlich erkennbar sind. Darunter folgt eine Mesodermlage mit Kieselnadeln und im Centrum eine Lage nadelfreier Zellen (Ento- derm). Der pigmentirte Pol ist verschwunden und das Pigment in der Zellenmasse wieder gleichmässig vertheilt. Der Durchmesser eines solchen Fladens beträgt ungefähr 4 mm. Auch Oscar Scunipr hat solche Fladen beobachtet. Um die folgenden Veränderungen, die für die Auffassung des "Spongienorganismus entscheidend sind, genau verfolgen zu können, richtete ich mir eine Anzahl Schwammzuchten ein. u Anfänglich versuchte ich in einem Miniaturaquarium die Larven Baum Festsetzen zu bringen. Auf die Gewohnheit der Larven bauend, stets die dem Lichte abgewendete Seite aufzusuchen, stellte ich an der _ hintern Wand Objectträger auf, allein mit grosser Har inäckigkeit krochen die Larven stets hinter die Objectträger und setzten sich an der Wand des Aquariums fest. Man kann diesem Uebelstande abhelfen, indem man die Objectträger mit Paraffin anklebt. Aber einmal gehen viele Larven zu Grunde und Pilze zerstören die - Zuchten und sodann ist das nachherige Reinigen der Gläser von dem an- haftenden Paraffin zu umständlich. = Viel zweckmässiger fand ich, die Larven mit einer Pipette heraus- _ zubolen und auf eine grössere Zahl von Uhrgläsern zu vertheilen, ich te 6—8 Stück in je ein Glas. Da die Larven an der Oberfläche lekien, setzte ich ein kleines Exemplar einer schwimmenden grünen Alge teromorpha) in das Glas, dadurch wird die Oberfläche stets mit 'stoff gespeist und die Larven, vor Staub gut geschützt, gediehen 340 - er Conrad Keller, sehr gut. Indem man gleichzeitig mehrere Zuchten zur Verfügung hat, läuft man nicht Gefahr, dass diese Zuchten alle von Pilzen heimgesucht werden. Dann kann man darauf rechnen, dass einige Larven sich an der Oberfläche des Wassers ausbreiten und ansetzen und gerade diese kann man jederzeit auch mit starken Vergrösserungen untersuchen. — Nach erfolgtem Festsetzen sind bis zum 3. Tage an den gezüchte- ten und gesund aussehenden Schwämmen keine grossen Veränderungen beobachtet worden. Nur in der Mitte des Fladens zeigte sich eine schwache Anschwellung und bei kräftigen Exemplaren erhob sich ein abgerundeter Zapfen, der aber im Innern noch solid war. Einen solchen jungen, 21/, Tage alten Schwamm habe ich in Fig. 21 dargestellt. Am Ende des 3. Tages, meist am 4. Tage traf ich im Innern des Schwammes Entodermzellen, welche sich zuGruppen vereinigten und viel intensiver als die übrigen gefärbt erschienen ; es sind dies die ersten An- lagen der Wimperkörbe. Zunächst bilden sie geschlossene Zellgruppen. Am vierten Tage erfolgte durch Auseinanderweichen der centralen Zellen eine Höhlung im Innern — die Anlage des Magenraums. Auch die braunen Zellgruppen, die an verschiedenen Punkten und völlig un- abhängig von einander entstanden, wichen etwas auseinander und öffneten sich in den centralen Raum und begannen eine gestreckte Ge- stalt anzunehmen. Die umgebenden blassern Entodermzellen gruppiren sich zu einer einfachen Lage, welche den Magenraum zwischen den ge- bildeten Geisselkammern auskleiden. Am 5. Tage war das Osculum deutlich sichtbar und ziemlich weit. Es entsteht, indem an der obern Wand des Magenraumes ein Durchbruch nach aussen erfolgt. In gleicher Weise erfolgt am 5. Tage auch die Bildung der Hautporen. Damit ist der junge Schwamm im Wesentlichen fertig und hat eine Gestalt erlangt, wie ich auf Fig. 23 dargestellt habe. Fig. 24 zeigt einen solchen jungen Schwamm im Durchschnitt. Stellt man die Hauptmomente, wie sie zeitlich verlaufen, zusammen, so findet man durchschnittlich als normale Vorgänge: Dauer der Furchung: 30 Stunden. Ausschwärmen der Larven: bis zu Ende des 2. Tages. Freilebendes Larvenstadium: am 3., k. und 5. Tage. Festsetzen: am 5. Tage. Bildung der Wimperkammer und der Gastral- höhle: / am 8. Tage. Durchbruch der Mundöffnung und Bildung der Hautporen: | am 9. Tage. Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 341 Während Ganiın 'bei Spongilla noch eine Leibeshöhle angiebt, welche ‚neben einer Magenhöhle entsteht, und nur von Exoderm und Mesoderm “ _ begrenzt ist und die Mundöffnung in die Leibeshöhle sich öffnen lässt, = konnte ich bei Chalinulalarven nichts Derartiges beobachten. Eich füge hier noch einige Beobachtungen über die Larven von = Esperia Lorenzii an, deren Entwicklung mir allerdings nicht zu verfolgen - e Betas. Ich fand die durchsichtigen Eier und Larven spärlich im Meso- _ derm auf. Letztere besassen im Wesentlichen den gleichen Bau, wie bei _ Chalinula. Es war ein hinteres, geisselloses Ende deutlich zu unter- scheiden. Auch hier bildet das geisseltragende Exoderm eine einfache Lage cylindrischer Zellen. Die beobachteten Stadien besassen eine grosse - Durchsichtigkeit und zeigten die Entodermzellen in radiärer Anordnung. Im Centrum der Larve war von einer Höhlung nichts zu erkennen, da- gegen erscheinen die centralen Zellen stark dunkelbraun pigmentirt, was den Larven eine äussere Aehnlichkeit mit Syconlarven verleiht. Nadeln fand ich noch keine vor. Fig. 26 zeigt einen Durchschnitt der Esperialarve. Oscar Scamipr beschrieb in der mehrfach erwähnten Mittheilung eine eigenthümliche Knospung oder ungeschlechtliche Fortpflanzung für Reniera, und seine Angaben passen vollständig auch für Chalinula fer- tilis. Er sagt (Zur Orientirung über die Entwicklung der Spongien) = p. 139: »Ich habe noch einige Beobachtungen über Knospung von Kieselschwämmen anzuführen. Manche Exemplare der im Aquarium angesiedelten Reniera waren im Zerfall begriffen , wobei es dahingestellt bleibt, ob die zahlreichen im Schwamme befindlichen Monaden und In- % BE iien Ursache oder Folge der Auflösung sind. Die Geisselzellen der Canäle und Wimperkörbe haften nicht mehr aneinander, bewegen sich ‚erst, wenn auch nicht lebhaft, gleich den von ihnen wohl zu unter- e ‚scheidenden Monaden und schen dann in einen amöboiden Zustand über, ! den ich nicht weiter verfolgen konnte. Das Nadelnetz bleibt wenigstens theilweise , wie bei den abgestorbenen Spongillen, erhalten und dient einzelnen Fe nakuzehn als Stütze, welche, als Keiminseln zurückblei- bend, den Schwamm wieder aufleben lassen.« Oscar Schmipt hatte seine Beobachtung auch in den Aquarien der Station Neapel gemacht und es fiel mir bei Chalinula auf, die gleichen en. entstehen zu sehen. ‚Ich hob oben hervor, dass beim Weibchen nach der Geburt nur IC och das ‚zarte Fasergerüst übrig bleibt. Da ich bis jetzt bei marinen ingien vergeblich nach Gemmulae fahndete, so suchte ich das Schick- er schon mit blossem Auge als weisse Punkte erkennbaren Knospen, | | B 1% 342 Conrad Keller, welche so häufig in den abgestorbenen Gerüsten auftraten, genauer zu } verfolgen. Die von mir beobachteten Plasmakugeln stimmen sehr über- | ein mit der Abbildung, welche Scunipr auf Taf. X Fig. 27 giebt. Im Innern waren ebenfalls eine Masse stark lichtbrechender grosser Körner sichtbar. Auch an den aus dem Kriegshafen stammenden Gerüsten fand ich die Kugeln in Menge. k. Ich kann aber mit Bestimmtheit angeben, dass diese Plasmakugeln #* nichts mit dem Schwamme selbst zu thun haben, und über ihre Genese | wurde ich klar, als ich in diesem Schwammgerüste einen eigenthüm- # lichen Wurmorganismus, der Gattung Dinophilus angehörend, herum- kriechend antraf, welcher genau die gleichen Plasmakugeln, nur kleiner, in seinem Körper enthielt. Dieser Dinophilus war mit seiner Eierablage beschäftigt und dieses Schwammgerüst ist allerdings ein gut ausgewählter Schlupfwinkel für die Embryonen, welche in diesem elastischen Gitterwerke vortrefflich gegen mechanische Schädigungen geschützt sind. IV. Die Spongien und die Keimblättertheorie. Zu den bisher bekannt gewordenen histologischen Daten über den Organismus der Schwämme gesellt sich nunmehr ein entwicklungsge- schichtliches Material, welches ein klares Urtheil über die Stellung dieser Thierclasse zur Keimblätterlehre ermöglicht. Die Gewebselemente lassen im fertigen Organismus drei verschie- dene Schichten erkennen, welche bei Chalinula in unzweideutiger Weise sich von drei im Embryonalleben schon scharf ausgeprägten Keimblättern ableiten lassen. Noch in seiner letzten Publication über die Metamorphose von Sy- candra raphanus ging ScHurze nicht weiter, als dass er an dem drei- schichtigen Bau festhielt, aber nur zwei Blätter annehmen musste. Damit war zugegeben, dass ein eigentliches Mesoderm bei Spongien noch nicht aufrecht erhalten werden konnte, während Ganın diese Be- zeichnung für Spongilla beibehält. Da gerade innerhalb des Coelenteratenkreises die Entscheidung, was man unter Mesoderm, unter drei Blättern oder blossen drei Schich- ten zu verstehen hat, baden schwierig wird , so ist es eben nöthig, über diese Begriffe Sch vorerst zu einigen. Mit vollem Recht verlangt HaEck£L !) mindestens für den Begriff eines Keimblattes eine selbständige‘ Br Zellenschicht, welche eine bestimmte morphologische Einheit darstellt, in 1) Ernst HAEcKEL, Biologische Studien. II. Heft. Jena 1877. A a TE a A ne a a ee Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 343 sinen engern Zusammenhang besitzt. 2 In Wirklichkeit ist allerdings die Anwendung einer so ganz klar gefassten Definition nicht immer leicht, und gerade für das mittlere 4 eimblatt haben Oscar und Rıcnarn Herrwic !) an dem Organismus der Medusen in lichtvollster Weise gezeigt, wie ein Mesoderm nicht plötzlich, ‘sondern ganz allmälig entstehen kann, und das Ziehen einer scharfen “ Grenze, wo ein Mesoderm beginnt, zur Unmöglichkeit wird und natur- gemäss in manchen Fällen subjectiv sein muss. Diese beiden Forscher "haben den Nachweis geliefert, dass den Forderungen Harckzr'’s gemäss die Mehrzahl der Medusen als zweiblätterig betrachtet werden muss, “eine relativ kleine Zahl dagegen einen höheren Differenzirungsprocess erfährt und ein unzweifelhaftes Mesoderm entwickelt. / Bei Spongien ist die Sachlage weniger verwickelt und wie die Be- funde an Chalinula ergeben und sich wohl verallgemeinern lassen, bin ich zu der Annahme gezwungen, dass während der Entwicklung ein Mesoderm aus den primären zwei Keimblättern vollständig ausscheidet. Inwieweit die beiden primären Keimblätter einem gemeinsamen Bildungsmodus folgen, ist noch nicht für alle Gruppen klar. Eine Am- ‚phiblastula kommt nicht nur bei CGalcispongien vor, sondern scheint in ‚verschiedenen anderen Abtheilungen ebensowenig zu fehlen. Bei Sy- ‚candra haben wir regelrechte Invagination. Für Spongilla giebt GAnın an, dass Ectoderm und Entoderm durch Delamination entstehen. Bei Chalinula fertilis sehen wir das Amphiblastulastadium fehlen ‚und durch Epibolie eine Amphigastrula entstehen. Die Frage der Mesodermbildung ist zur Zeit in allen Abtheilungen ‚des Thierreichs noch äusserst dunkel und einheitliche Gesichtspunkte "hierüber noch nicht gewonnen. Bei Spongien scheint sogar dasselbe ‚bald vom äussern, bald vom innern primären Keimblatt geliefert zu werden. EN Bei Chalinula fertilis entsteht das Mesoderm durch Delamination ‚ausschliesslich aus dem primären Entoderm, dieser Process lässt sich mit aller nur wünschbaren Klarheit verfolgen. Nach Ganıx entsteht ine mesodermale Anhäufung ebenfalls unterhalb des Ectoderms bei ‚Spongilla. u ‚Diese Thatsachen unteretitint eine Annahme von OÖ.und R. Hrarwıs, 344 | Conrad Keller, a 2 stammen, sich gegenseitig durchwachsen und das Mesoderm dar- stellen. ; Bei Chalinula, wie bei den übrigen Spongien ist das Mesoderm nur Bindegewebe. Eine mit dem Ectoderm in Verbindung stehende Muskel- lage existirt bei Spongien nicht, kommt dagegen bei andern Coelenteraten verbreitet vor. Die Bewegungserscheinungen sind eben so unbedeutend (Oeffnen und Verschluss der Poren, Bildung wandelbarer Mundöffnungen in der Haut), dass ein contractiles Ectoderm hierfür ausreicht. Anderseits scheint nach den neuesten Beobachtungen von ScHuLzE bei Sycandra das Larvenentoderm nur das definitive Entoderm zu lie- fern, für das Mesoderm wäre also eine Abstammung aus dem äussern E Keimblatt anzunehmen. In den einzelnen Thierstämmen ist die Enisloh des Mesoderms nicht immer mit der wünschenswerthen Sicherheit bekannt. Es mehren sich aber stets die Angaben, dass die erste Bildungsstätte am sogen. Properistomrande zu suchen ist. Für eine Reihe von Bilaterien existiren solche Angaben und erst jüngst hat Sruexka diese Thatsache für mehrere Echinidenformen beobachtet!), nachdem er Aehnliches früher schon bei Holothurien constatirt hatte. | Für Spongien existirten bisher hierüber keine Anhaltspunkte. Da nun Chalinula und wahrscheinlich eine grössere Zahl von Kieselschwäm- men einen Ruscontschen After, welcher durch den Dotterpfropf ver- schlossen ist, besitzt, so will ich hervorheben, dass auch in dessen Umgebung Dr den von mir untersuchten Laser die Mesodermbildung | zuerst auftritt. Diese Thatsache lässt sich deswegen genauer ermitteln, weil deniä Auftreten des Mesoderm hier eine Begleiterscheinung parallel läuft, nämlich das Auftreten von Kieselnadeln im Innern von Mesodermzellen. Ferner mag nicht unbeachtet bleiben, dass die Mesodermanlage an allen Punkten in der Umgebung des Urmundrandes gleichzeitig erfolgt — also eine radiäre ist. | Der radiäre Bau der Coelenteraten spricht sich demnach auch bei den Spongien schon im Auftreten des Mesoderm aus. Andererseits wird es für die bilateral symmetrisch gebauten Thiere auch immer wahrschein- _ licher, dass die Bildung des mittleren Blattes dem Gesetz der bilateralen } Symmetrie folgt, seine erste Anlage eine dipleure ist und die ersten Mesodermzellen eine seitlich symmetrische Lage zur frühzeitig ausge- sprochenen Körperachse besitzen. | A) Keimblätter- und Organanlage bei Echiniden. Sitzungsbericht der ph med. Societät zu Erlangen 4879. A Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 345 Wenn ich der ursprünglichen Annahme von ScauLze beipflichte und d ie Existenz eines echten mittleren Blattes, wie es die Keimblätterlehre verlangt, annehme, so befinde ich mich inkksen in einem principiellen ensatz zu ELias METSCHNIKOFF. E Anfänglich den dreiblättrigen Bau der Spongien vertheidigend, _ kommt er in jüngster Zeit zu der seltsamen Annahme, dass die Spon- - gien-zeitweise drei Blätter besitzen, zeitweise aber nur zwei! Vor mehreren Jahren (187%) machte er die Entdeckung, dass Kiesel- schwämme nur zeitweise ein Ectoderm besitzen und dass die Larve _ dasselbe abwirft. e Im Jahre 1877 machte er die weitere Entdeckung !), dass das En- toderm der Spongien nur zu gewissen Zeiten existirt, zu gewissen Jahreszeiten dagegen verschwindet. Ohne Zweifel wird diese Abwerfungstheorie bei den Spongien noch einen weiteren Ausbau erfahren und bei der dritten und letzten Abwer- fung oder Verschwindung wird dann voraussichtlich das Mesoderm zum Opfer fallen! V. Individualität der Spongien. Mit Rücksicht auf das causale Verständniss der thierischen Form ist es nothwendig, sich über die Individualität derselben Klarheit zu ver- schaffen. Nach dieser Richtung hin bilden die Spongien eine wahre Schick- -salsgruppe, welche den Zoologen stets wieder zu entschlüpfen droht, sobald man glaubt, ihre Individualität bestimmt zu haben. Seit dreissig Jahren sind nun nachgerade alle denkbaren Versuche r gemacht worden und heute sind wir eben so klug wie zuvor. Da damit die systematische Stellung in innigem Zusammenhange steht, so musste zu verschiedenen Zeiten die Beantwortung dieser Frage sehr verschieden ausfallen. a CARTER sieht noch heute in der einzelnen Zelle das Spongienindivi- duum (Spongozoon) und demgemäss muss er einen Schwammstock als ein Aspregat einzelliger Organismen auffassen. ; Dieser Annahme gegenüber nahm in viel natürlicherer Weise Oscar ‚Scnnipr schon 1864 an, dass zum Spongienindividuum ein abgegrenztes _ Canalsystem gehöre und das Osculum den Mittelpunkt eines solchen anzeige. Er unterscheidet deshalb die monozoen von den socialen 346 Conrad Keller, An derHand eines reichen Beobachtungsmaterials erweiterte HaccreL in seiner Monographie der Galeispongien diese Auffassung und überwand mit kritischem Blicke die einzelnen Schwierigkeiten, welche der Scanipr- schen Auffassung noch entgegenstanden. Der Vergleich und die Homo- logie des Ganalsystems der Spongien mit dem Gastrovascularsystem der Coelenteraten erschien so durchsichtig und vollständig durchgeführt, dass die Spongienfrage als vollständig gelöst angesehen werden durfte und die Coelenteratennatur nicht mehr anzuzweifeln war. Mit dem Auffinden eines Epithels, welches als einschichtige Lage das sogen. Syncytium oder die Schwammsarcode nicht allein auf der Aussenseite, sondern auch im Innern des Ganalwerkes sich vorfand und als Ectoderm gedeutet wurde, veränderte sich die Sachlage wieder. Die Homologie des Canalsystems mit dem coelenterischen Apparat musste theilweise fallen gelassen werden und hatte nur noch für die Ascones Gültigkeit. Damit wurden die Beziehungen der Spongien zu den Coelen- teraten wieder gelockert, und in der That ist seither der Versuch ge- macht worden, die Spongien von ihnen abzutrennen. Hyarr!) z. B. be- trachtet sie ähnlich wie Huxıey als besonderen Typus (sub-kingdom) des Thierreiches. Jetzt ist der Versuch naturgemäss, die Ansicht wieder aufzunehmen, welche Carter früher (1859) vorübergehend vertreten, dass die Geissel- kammern oder Wimperorgane (Ampullaceous sacs) die eigentlichen Indi- viduen darstellen , welche nach Art der zusammengesetzten Ascidien zu Stöcken sich gruppiren. | Dieser Ansicht geben SıvıLLe Kent und MEREJKOWSKY einen präcise- ren Ausdruck. MEREJKOWSKY Spricht sich darüber folgendermassen aus): » Un vrai individu d’&ponge serait une »»chambre ciliee«« rien qu’une petite partie de ce que aujourd’hui nous sommes habitue a appeler in- dividu. « — »Une Halisarca entiere, d’apres ce point de vue, ne serait pas um’ seul individu, mais un amas immense, compose& de milliers de petits in- dividus spheriques. « # Meine Ergebnisse über die Entwicklung von Chalinula stehen aber dieser Annahme durchaus entgegen. Wie wir sahen, wird das Materiall der Embryonalzellen nur theilweise zum Aufbau der Geisselkammern verwendet und diese entstehen unabhängig an verschiedenen Stellen E\ 4) A. Hyatt in Proceedings of the Boston Society of Nat. Hist. 1876. 2) C. MEREIKOWSEy, Etudes sur les Eponges de la mer Blanche. St. Petersbourg 1878. 3 | Studien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 347 blatte hervor, sind daher Organe und nicht etwa eine Brut von meh- ai Individuen. Aehnliches ist auch von Barroıs für Hornschwämme, von Sanurze für Halisarca, von Oscar Scumipr an Kieselschwämmen be- x bachtet. Diese Schwierigkeit hat auch Oscar ScHmipT in seiner letzten Ar- beit!) über die Spongien von Mexico sehr wohl gefühlt, indem er sagt: »Ich behaupte, dass man auf diesem Wege nie zum Ziele kommen wird..... Der von mir formulirte Charakter des Spongienkörpers entspricht völlig den Thatsachen, aber bei der Wandelbarkeit aller Kennzeichen schwindet in der Spongienclasse auch der Begriff des Or-- _ganismus als einer abgegrenzten oder wenigstens centralisirten Indivi- dualität, und an Stelle von Individuum und Stock tritt die in Organe sich differenzirende organische Masse. Individuell beginnend über- nehmen in vielen Spongien die anfänglich neutralen oder gemeinschaft- lichen Gebiete die Rolle der Individuen, aber der sich nährende und fortpflanzende Körper ist weder Individuum noch Stock, auch der blosse Vergleich mit Individuum und Stock passt nicht auf ihn.« Oscar Schuipr bezeichnet die individualitätslosen Spongien geradezu als Zoa impersonalia. Gewiss ist die Formbiegsamkeit der Spongienclasse eine ausser- ordentliche und bei einer und derselben Species kommen gut begrenzte " Individuen neben solchen vor, wo es schwer zu sagen ist, ob eine Person oder ein Stock vorliegt. _ Wir werden aber solche stark modificirte, durch Astomie und Lipo- Sastrie in ihrer Individualität stark verwischte Fälle nicht zum Aus- " gangspunkt wählen. Sie sind lediglich von physiologischem Interesse, morphologisch ist deren Entscheidung bei der Frage nach der Indivi- ‘ dualität nicht massgebend, sondern wir werden von den einfachen und klaren Fällen ausgehen. Ich halte die so einfache und durchsichtige Coelenteratentheorie, wie sie von Hazckzr in der Tectologie der Kalkschwämme entwickelt ist, - für vollständig naturgemäss und ausreichend. Weil einzelne Thatsachen mit ihr nicht in Einklang gebracht wer- den konnten, hat man zu neuen Erklärungsversuchen seine Zuflucht genommen, statt die Resultate der Entwicklungsgeschichte abzuwarten, - ‚die hier einzig den Ausschlag geben. } Die Embryologie ist nun so weit, um Scuurze’s Entdeckung zu | ern und den dreiblätterigen Bau der Spongien zu bestätigen. Da das Plattenepithel des Ganalsystems ein® andere Genese besitzt als 348 Conrad Keller, das dermale Epithel, so wird dadurch an Harcker’s Auffassung des Spon- gienkörpers principiell nichts geändert. Die Spongien sind echte Coelenteraten, histologisch erheben sie sich sogar über die meisten Hydromedusen, indem ein mittleres Keimblatt vollständig ausscheidet. In ihrem histologischen Verhalten stehen sie wohl den Korallen am nächsten. Zürich, Juli 1879. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVIII. Fig. 4. Stück eines Querschnittes durch Chalinula fertilis. Die radialen Faser- 3 züge sind durch Kreisfasern verbunden. Ueber den Enden der erstern ist eine Der- 4 malmembran mit geöffneten Poren ausgespannt. Darunter liegt der Subdermal- 5 raum. Vergrösserung 180/1. 4 Fig. 2. Epithelzellen der Hautfläche mit einzelnen geöffneten Poren. Nach ° = einem Silberpräparat mit der Camera lucida gezeichnet. Vergrösserung 150/14. Fig. 3. Fasergerüst von Chalinula fertilis in halbschematischer Darstellung. 2 Vergrösserung 42/1. f Fig. 4. Kieselnadeln von Chalinula mit der umgebenden geschichteten Hordi 4 | substanz. Vergrösserung 250/1. 4 | Fig. 5 und 6. Reife Spermatozoen von Chalinula fertilis stark vergrössert. u Fig. 7—18. Verschiedene Entwicklungsstadien von Chalinula fertilis vom Ei bis | zur freien Larve. Sämmtliche Figuren in einer ungefähr 300 fachen Vergrösserung. Fig. 7. Junges Ei. | Fig. 8. Reifes Ei mit dem umgebenden Follikel und einzelnen nutritiven Meso- } dermzellen. E Fig. 9. Die beiden ersten Furchungszellen. | Es Fig. 10. Stadium mit 4 Furchungszellen, welche noch in einer Ebene liegen. Fig. 41. Dasselbe Stadium, nachdem eine Umlagerung der Zellen zu einer, Kugelpyramide stattgefunden hat. Die grosse Zelle ist Stammzelle des Entoderms. Fig. 42. Stadium mit 7 Furchungszellen. B Fig. 43. Stadium mit 44 Furchungszellen. Die zwei grossen Entodermzellen sind theilweise umwachsen von den 12 kleinern Exodermzellen, = Fig. 14, Amphigastrulastadium. Das Entoderm bildet eine centrale Zellen- masse und tritt am Gastrulamund als Dotterpfropf an die Oberfläche. Diese Stelle wird später zum hinteren Ende der freischwimmenden Larve. (Das Exoderm ist H gelassen.) : Tafel XIX. Fig. 15. Späteres Stadium der noch in einer Mesodermkapsel eingesc senen Amphigastrula im Durchschnitt. Die cylindrischen Ectodermzellen ze Stndien über Organisation und Entwicklung der Chalineen. 349 scharf abgesetzt. Im Innern hat die Mesodermbildung begonnen und treten unter dem Geisselectoderm Kieselnadeln auf. Die Gestalt der zum Durchbrechen der K apsel vorbereiteten Larve ist oval. * Fig. 16. Freischwimmende Larve von Chalinula. Ihre Gestalt ist noch mehr E: gestreckt, der spitze Pol ist das Vorderende, der abgestumpfte Pol das Hinterende. | Der vorgezogene und abgestumpfte Dotterpfropf ist stark pigmentirt. Wie in früheren Stadien so ist auch jetzt noch keine innere Höhlung vorhanden. Fig. 47 und 48. Larve unmittelbar vor dem Festsetzen. Sie erscheint stark ab- geplattet. Fig. 47 zeigt dieselbe von der Kante, Fig. 48 von der Breitseite. Fig. 49. Junger Schwamm ungefähr 36 Stunden nach dem Festsetzen. Ver- grösserung 100/4. - Fig. 20. Isolirte Nadeln der Larve. Die Nadeln liegen noch in ihren Mutter- zellen. Fig. 21. Junger Schwamm von Chalinula ungefähr 21/, Tag nach dem Fest- setzen. Eine innere Höhlung ist noch nicht vorhanden. Vergrösserung 400/1. Fig. 22. Einige zipfelartige Fortsätze des fladenartigen jungen Schwammes etwas stärker vergrössert. Das Exoderm stellt einen hyalinen, aus Amöboidepithel . bestehenden Saum dar. Darunter liegen die Mesodermzellen. ’ Fig. 23. Junger Schwamm von Chalinula fertilis am fünften Tage nach dem ' Festsetzen und nach dem Leben gezeichnet. Die Wimperkörbe sind zahlreich und “münden in einen weiten Magenraum. Das Osculum und mehrere Hautporen sind . sichtbar. Die natürliche Grösse beträgt 11/, mm. Tafel XX. Fig. 24. Senkrechter Durchschnitt durch voriges Stadium (Combinationshild). Der Gastralraum ist mit den Zellen der Geisselkammern und mit niedrigen Epithel- ‚zellen ausgekleidet. r - Fig. 25. Senkrechter Schnitt durch einen jüngern fladenförmigen Schwamm kurz nach dem Festsetzen. | Si Fig. 26. Junges Larvenstadium (Amphigastrula) von Esperia Lorenzii im Durch- Bin. nat Das Ectoderm ist ein Geisselepithel. Das Entoderm tritt am Gastrulamund _ unbewimperter Dotterpfropf zu Tage (hinteres Ende), ist aber an dieser Stelle | ine Dagegen sind die centralen Zellen stark pigmentirt und radiär angeordnet. rFig. 27, 28 und 29. Chalinula fertilis in ausgewachsenem Zustande und in na- wer Grösse R Fig. 27 ist eine polsterförmige Colonie. Fig. 28 eine monozoe Form. Fig. 29 eine trächtige weibliche Colonie mit 4 Personen. a 23 Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. Von Dr. 6. Haller in Bern. Mit Tafel XXI—XXII. Nachstehende Beiträge sind die Frucht eingehender Studien, welche in Messina begonnen und in Villafranka fortgesetzt wurden. Gern hätte - ich sie zu einem vollständigen Abschluss gebracht; allein voraussicht- lich werde ich das Meer und seine interessante Fauna nicht wieder- sehen. Ich übergebe daher meine Beiträge mit der Bitte um Nachsicht dem Drucke. | Während eben bemeldeten Zeitraumes hatte ich die Ehre als Assi- stent am Privatlaboratorium von Professor H. For zu dienen. Er ge- - stattete mir eine beschränkte Mussezeit, welche ich auf diese Studien verwandte. Ebenso fühle ich mich verpflichtet ‘gegenüber Professor C. Vosr in Genf, welcher mir sein in Roscoff gesammeltes Material zur Verfügung stellte. Ich benutze daher diese Gelegenheit den beiden Herren meinen besten Dank auszusprechen. ii Es fehlte mir am Meeresstrande nun allerdings nicht an einem reich- haltigen frischen Materiale, dagegen empfand ich bitter den Mangel fast aller Literatur und eines vervollkommneteren Instrumentes, da ich nur einen kleinen Hartnack benutzen konnte. Ich muss daher jedenfalls zum Vornherein davon absehen eine allgemeine Monographie zu schreiben. - Ueberdies ist der Beschreibung der allgemeinen Körperverhältnisse be- reits von meinen Vorgängern Genüge geleistet worden. Auch eine aus- führliche Bibliographie würde kaum etwas Neues bringen können. Sof entschloss ich mich denn nachstehende Resultate als » Beiträge zur Kennt- niss der Laemodipodes filiformes« zu veröffentlichen. E Ein jeder von den vielen Autoren, die vor mir über diesen Gegen- Beiträge zur-Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 351 ie geliefert. Aus oben angeführten Gründen ist dieses auch von meiner beit nicht zu erwarten; ich habe mich im Gegentheil darauf beschränkt, I. Anatomisches. 1. Nervensystem. E Von den bisherigen Autoren hat sicherlich Dourn !) das Nerven- - system am richtigsten beschrieben, doch weichen seine Mittheilungen oft von der Wirklichkeit ab, indem er dasselbe offenbar zu einseitig be- trachtet hat und das noch dazu unter erschwerenden Verhältnissen im _ lebenden-Thiere. Man vergleiche seine Beschreibung mit der meinigen ; es war mir nicht möglich auf eine eingehende Vergleichung einzugehen. Gamroru 2) suchte die von Donrw gemachten Fehler zu überwinden, allein schon ein Blick auf seine Tafeln belehrt uns, dass ihm dieses ar gelungen ist. Seine Abbildung des Gehirns von der Seite aus gesehen stimmt offenbar nicht mit derjenigen überein, welche er uns von dem N von oben betrachteten giebt. Ebenso ist die ak ar derregit desselben & ‘von ihm noch mehr missverstanden worden, wie von DoHrn. Was meine eigenen Untersuchungen anbelangt, so verfuhr ich | folgendermassen. Die Verhältnisse wurden zuerst in situ und am leben- sodann gezeichnet. Schon hier tritt uns eine grosse Schwierigkeit ent- ee Be; ; da nämlich die Centren des em meist sehr lan pig- Ener. Detail entstellt. Um dieser Täuschung zu Keen bahaiideitä h das Thier zuerst mit zweiprocentiger Osmiumsäure, hierauf mit ALE's Carmin. Durch diese en wurden die Nervenpartien E. zerrissen, de Gangliengruppen herausgezerrt und nochmals so _ beobachtet und En Diese letzte Methode erwies sich als die sc Iwerste und unsicherste. Ueberhaupt hätte es nicht genügt, nur eine er drei Untersuchungsweisen anzuwenden, die Resultate wären zu 3 A Zur Naturgeschichte der Caprellen von Dr. A. Dourn in dieser Zeitschrift T. 1866. p. 245 u. ff. Taf. XIII B. Beitrag zur Kenntniss der Naturgeschichte der Caprellen von A. GAMROTH in ren Bd. XXXI. 4878. p. 104 u. ff. Taf. VIN—X. 232 352 6. Haller, trügerisch gewesen. Dagegen gebe ich mich der Hoffnung hin, dass es mir gelungen ist durch Combination aller drei sicheren Aufschluss über das täuschende Nervensystem der Gaprelliden erhalten zu haben. Von den vier Gattungen, , welche das Mittelmeer bewohnen: Poda- lirius, Proto, Protella, Caprella, eignete sich die erstere zu mikroskopi- schen Untersuchungen durchaus nicht, weil sie undurchsichtig und noch dazu selten war. Besser dienten die drei anderen, und von diesen war namentlich die grosse und wenig pigmentirte Protella der Gegenstand 4 meiner Untersuchungen. Protella und Caprella verhalten sich gegen- seitig ziemlich ähnlich, sind aber von jener in einigen Punkten verschie- den. Ich werde daher stets so verfahren, dass ich zuerst die Verhält- nisse von Protella beschreibe und dann an diese diejenige der beiden übrigen untersuchten Gattungen anreihe. Wo es mir nothwendig schien, habe ich überdies Amphipoden untersucht, und namentlich hat mir zu dem Zwecke die schöne Vibilia jeangerardii Marion , sowie verschiedene Gammarus-Species gedient. Das Gehirn (Fig. 1—4) nimmt den grössten Theil des Stirnab- schnittes am Kopfe in Beschlag und tritt nach unten bis über die Inser- tion des zweiten Fühlerpaares herab. Was die Masse anbelangt, so über- trifft dasselbe ungefähr um das Dreifache das Volumen eines der grösse- ren Thoracalganglien. Seiner allgemeinsten Zusammensetzung nach be- steht es aus dem Haupthirn und den Ganglienanschwellungen der von diesem ausstrahlenden Nerven. In Bezug auf die Zahl und die relative Grösse dieser Anschwellungen finden wir aber bemerkenswerthe Ver- schiedenheiten. Ich beginne also mit der Schilderung dieser genaueren Verhältnisse für die Gattung Protella. Bei der seitlichen Ansicht (Fig. I) im lebenden Thiere orientiren wir uns am besten nach dem Auge (Fig. 1 a). Den ganzen oberen Rand 3 desselben nimmt das von der Seite gesehene gedrungen birnförmige Haupthirn (Fig. 4 h) in Anspruch. Es zieht sich schräg nach oben und 3 hinten; seine obere Spitze ist zugerundet; mit seiner unteren quer ab- gestutzten Fläche stösst es an den accessorischen Gangliencomplex an. Auch können wir schon jetzt wahrnehmen, dass die Aorta dasselbe durchsetzt. Nach seitwärts und vorn vom Auge stösst an das Vorige dieg ; mehr kugelige Anschwellung des oberen Antennennervens (Fig. 1 o) an. Es ragt dieselbe über jenes stark vor und steht ihın an Masse nicht ganz 8 um die Hälfte nach. Unterhalb dem Auge und etwas nach einwärts folgt nun die Anschwellung des unteren Antennennervens (Fig. 1 u), mit | jener an Grösse und Gestalt ziemlich gleich. Nach hinten und etwas nach oben verschoben von dieser zweiten accessorischen Nervenmasse Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 353 "an. Dieselbe entsendet nach hinten und schräg nach unten die mächtige Schlundeommissur (Fig. 1 sc). Auf ihrer oberen Seite sehen wir "einen eigenthümlichen grossen Aufsatz (Fig. 4 oa), auf dessen oberer concaver Fläche das Ganglion des Nervus opticus (Fig. 4 og) ruht. Dieses schliesst nach hinten den das ganze Auge umgebenden Ganglienring ab. Seiner Form nach ist es birnförmig, etwas comprimirt; seine verbreiterte Seite kehrt es nach hinten, seine Spitze gegen den Innenraum des Ringes zu. Es stösst nach oben an das Haupthirn, nach unten an die Anschwellung ‚der Schlundeommissur an. Was seine Masse anbelangt, so ist es nicht ganz halb so gross wie eine der vorderen Anschwellungen. So viel lernen wir bereits aus der Seitenansicht; um die weiteren Verhältnisse zu prüfen, müssen wir diesen Gangliencomplex aus seiner nächsten Umgebung und aus dem Kopfe befreien. Dieses gelingt auch bei Uebung nur selten unverletzt. Namentlich ist es geradezu unmöglich die Gan- - glien in ihrer natürlichen Stellung zu belassen. Wie wir uns nämlich erst jetzt überzeugen ist das Haupthirn mit dem übrigen Gangliencom- plex nur durch breite aber sehr dünne Brücken verbunden. Sobald es daher aus den dasselbe in seiner Lage haltenden Bändern befreit ist, kippt es nach vorn um und liegt dann mit seinen Genossen in einer Ebene. Der Gehirncomplex bietet uns nun zwei verschiedene Flächenansichten - dar, die eine von vorn, von der Stirnseite gedacht (Fig. 2), die andere von hinten, vom Leibesinnern aus (Fig. 3). Das Haupthirn stellt sich uns sowohl von vorn wie von hinten ge- sehen unter der Form zweier birnförmiger Lappen dar, die schräg ge- stellt sind, so dass die sich gegenseitig genäherten und zugerundeten Spitzen nach innen und oben stehen. Mit ihrer ganzen unteren Hälfte ‚sind diese Lappen mit einander verwachsen. Oben bleibt dagegen ein mittlerer freier Ausschnitt, welcher Raum bietet zum Durchtritt für die vordere Aorta. Nach hinten ist derselbe etwas erweitert und zugerundet. _ Wir überzeugen uns nun aufs Neue, dass von dem Haupthirn gar keine ‘Nerven ausgehen. Gamrotn!) hat nun allerdings einen feinen Nerven- 'stamm beschrieben, der von dessen Spitze nach einer Art Sinnesorgan _ ziehen sollte. Wir werden später sehen, dass derselbe nur ein pigmen- _ tirtes bindegewebiges Aufhängeband ist. Nach unten setzen sich nun die Anschwellungen der mächtigen Gehirnnerven an. Dieselben bilden zwei getrennte Gruppen, von denen eine jede aus drei mächtigen Knoten | besteht. Diese zwei Gruppen sind entweder vollständig getrennt oder ängen an der Basis, doch nur durch eine ganz schmale Brücke zu- ammen. Ich habe beide Fälle an einer und derselben Art gesehen und 4) Gamroru, Beitrag zur Kenntniss der Naturgeschichte der len in dieser Fruw na; XXL. p. 143. Taf. X, Fig. 1, 2 und 3 nfr. 394 G. Haller, gezeichnet. Mit dem Haupthirn hängen diese Gruppen, wie bereits | mehrfach erwähnt wurde, jederseits nur durch eine sehr dünne aber y breite Brücke fast in ihrer ganzen Breite zusammen. Diese Verbindung geschieht der Art, dass dieselben von vorn gesehen den unteren Rand des Haupthirns verdecken, nach hinten das Verhältniss ein umgekehrtes ist. In der Vorderansicht nehmen wir oben das grössere Anfangsgan- “ glion für den Nerven der oberen, unten das kleinere für denjenigen der unteren Antennen wahr. Sie verdecken die hinter ihnen stehende An- schwellung für die Schlundeommissur ; diese letztere tritt dagegen ver- eint mit dem oberen Ganglion in der Ansicht vom Leibesinnern aus zu Tage. An der Anschwellung des unteren Äntennennervens ist es nun sich hinter den beiden Genossen zu verbergen. Nach dieser Seite sendet das obere Ganglion keinen Nervenstamm aus, am unteren Ende des unteren sichtbaren Ganglions entspringt aber die breite Schlundcommis- sur. Dicht oberhalb dieser letzteren und etwas nach aussen nehmen wir auf dem zu ihr gehörenden Ganglion wieder jenen Aufsatz wahr, welcher etwa so hoch wie breit, im Grundriss fast kreisrund und oben concav ausgehöhlt ist. Derselbe wird im lebenden Thiere über dem Anfangstheile des Magens jederseits als ein dünner Lappen sichtbar. Werfen wir wieder einen Blick auf die Seitenansicht des Gehirns, so lehrt uns dieselbe, dass auf der concaven Oberfläche dieses Aufsatzes die hintere Hälfte der unteren Längsseite des Ganglions für den Nervus opticus ruht. Suchen wir dasselbe nun in unserer Ansicht des Gehirns von hinten, so sehen wir sie zu beiden Seiten des Haupthirns, dem sie nur mit einem kleinen Theile ihrer oberen Längsseite anliegen. Sie haben im Ganzen die Form eines Eies mit stark abgestumpfter Spitze. So verhalten sich die rein anatomischen Verhältnisse bei Protella pbasma, in etwas veränderter Form treffen wir sie bei Gaprella aequi- libra und an diese schliessen sich ziemlich innig die Verhältnisse von Proto an. Bei Gaprella aequilibra (Fig. 4 mit nämlicher Bezeichnung wie vor- hin) fällt uns das Haupthirn, von der Seite gesehen, sofort durch seine plumpere Form, sowie durch das zugerundete obere Ende auf. Mitunter ragt es auch schräger in den Binnenraum des Kopfes herein als bei Pro- tella. Die Anschwellung für den oberen Antennennerven und diejenige für die Schlundcommissur sind zusammen in einen grossen Knoten ver- schmolzen, welcher nach vorn sehr stark verbreitert, nach hinten eben- soviel verschmälert ist. Er liegt zum grössten Theil vor dem Auge, zum kleinsten innerhalb desselben. Es bleibt mithin der ganze hintere Rand des Sehwerkzeuges leer. An Masse übertrifft dieser durch Ver- schmelzung zweier Ganglien hervorgegangene Abschnitt das Haupthirn Beiträge zur Kenntwiss der .aemodipodes filiformes. 355 ya um die Hälfte seiner eigenen Grösse. Vorn giebt derselbe in der filte den starken Nervenstamm ab, welcher in die oberen Fühler tritt. Jach hinten entspringt dicht unter dem Auge die breite Schlundcommis- Ober- und ausserhalb der letzteren und nach innen von dem Auge springt die mittlere Masse über das Haupthirn nach hinten etwas vor und Aiesem Gesimse, wie ich es heissen möchte, liegen die Opticusganglien auf, welche von innen nach aussen treten, also nicht mehr tangential En Auge, sondern senkrecht zu dessen Mittelpunkt stehen. In der Seitenansicht werden daher dieselben vom dunkel pigmentirten Seh- 2 werkzeug verdeckt, doch überzeugt man sich von ihrer Anwesenheit, wenn man das Gehirn aus dem Kopfe heraus präparirt. Unter jener grossen Anschwellung liegt nun, wie vorhin, die kleinere für den unteren Antennennerven, welche in ihrem Umrisse mehr längsoval wie rundlich erscheint. Sie stösst nur mit ihrem oberen Ende, welches etwas abgeplattet ist, an den übrigen accessorischen Gangliencom- . Er an. Bei Proto sind die Verhältnisse ähnlich, einige leichte Modificationen ausgenommen. So ist z. B. das Gesammthirn kleiner wie bei den übri- gen Caprelliden; das Haupthirn steht schiefer u. s. w. = - Mit meiner Beschreibung der Verhältnisse des Gehirns bei Protella | lässt sich am ersten noch diejenige Donrn’s!) vergleichen. Sie lautet: Er Hirnknoten besteht aus zwei grossen verschieden gefonmien An- En. und einen vorderen kleineren. Durchsetzt wird der obere Knoten von den zwei Aesten der oberen Aorta, der untere von dem Oesophagus; hinter diesem gehen die breiten Schlundeommissuren _ schräg nach hinten und münden in den ersten Knoten des Bauchmarkes. « Bi Die Verbindung des Gehirns mit dem Bauchmarke vermittelt auch hier wieanderwärts die Schlundcommissur. Dieselbe bildet eine breite stark comprimirte und sehr kurze Brücke. Sie übersetzt die Speiseröhre nahe dem Anfangstheile des Magens und sendet in ihrem Eu keinerlei nis aus, ESSEN der Ansicht Gamrorn's 2), welcher ee eher das Unterschlundganglion und das Ganglion des ten BE enmentes herrschten bis jetzt vollkommen irrige BE BLEEN 356 6. Haller, Anschauungen. Dourn !) giebt nämlich an, dass dieselben mit einander verschmolzen seien, ebenso Gamrort#?). Wie aus meiner Zeichnung (Fig. 4) ersichtlich, kann aber von einer Verschmelzung nicht die Rede sein, vielmehr finden wir hier ein Gesetz ausgesprochen, das uns in dem Endabschnitte noch deutlicher wird: Mit der Verschmelzung von Körper- segmenten ist nämlich auch eine auffallende Verkürzung der Commissur verbunden, welche sich bis zu einer vollständigen Absorption derselben steigern kann, aber nie bis zu einer Verschmelzung der Ganglien führt. So finden wir denn, dass entsprechend der Verschmelzung des ersten Brustsegmentes mit dem Kopfe auch eine Verkürzung der die beiden. ersten Ganglien verbindenden Längscommissuren aufgetreten ist. Die letzteren sind daher einander allerdings äusserst nahe gerückt, so nahe, dass die beiden einander zugewandten Enden sich abplatten. Das Unterschlundganglion (Fig. 4sg) hat im Ganzen eine eiförmige Gestalt mit nach vorn gekehrter Spitze. Es empfängt die Schlundeommissur nicht an der Spitze selbst, sondern nahe derselben an der Rückenfläche. Etwas nach hinten von derselben erhebt sich der kurze, aber stark ge- krümmte Verbindungsstamm und zieht zum zweiten Leibesganglion (Fig. 4g,), welches denselben wieder an der Rückenseite aufnimmt. Vom Schlundganglion gehen einige kleinere Nervenstämme zum An- fangstheil des Darmcanals und zu den Mundtheilen. Das Ganglion des ersten Leibessegmentes ist kleiner als diejenigen des dritten und vierten Ringes. Dieses gilt auch für die Arten der Caprellen, bei denen erstes und zweites Körpersegment ausserordentlich verlängert sind. Von die- sem Ganglion steigen die Längscommissuren nach hinten und oben zum zweiten Thoracalganglion. Vom ersten geht überdies ein kleiner Nerven- stamm zum ersten Fusspaar, hinter diesem entspringt ein zweiter kleinerer, der sich wahrscheinlich zum Anfangstheile des Darmrohres schlägt. Das Ganglion des ersten freien Körpersegmentes sollte nach FREY-LEUCKART®) alle übrigen an Grösse übertreffen. Wie bereits Donrn*) und Gamroru 5) gezeigt haben, ist dem aber nicht so, im Gegen- theil stimmt dasselbe auch nach meinen Untersuchungen mit demjenigen des drittletzten Körpersegmentes in Grösse und Gestalt überein. Anders verhält es sich mit den zwischen diesen liegenden Knoten des Bauchmarkes. Dieselben sind nämlich am kleinsten A) l.c. p. 246. Taf. XIII B. 2) l.c. p. 140. Taf. X, Fig. 4, 2 93, gthı. 3) Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere mit besonderer Berücksichtigung der Fauna des norddeutschen Meeres. Braunschweig 1847. (Liegt mir nicht vor.) 4) 1. c. p. 246. 5)l.c. p. AM. E a je > Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filitormes, 357 Japrella. Bei Protella sind die Unterschiede nicht merklich, bei io fast ganz verschwunden. Dagegen muthmasse ich, dass auch bei dalirius das Ganglion des drittletzten Thoracalsegmentes kleiner als isjenige des zweiten Brustringes ist und somit könnte hier die Angabe n Frey-LeuckaArt eintreffen. Am meisten Interesse bietet uns aber die Endigungsweise des Vervensystems (Fig. 5, 6), welche bis jetzt nur von Dourx!) an- 'nähernd verstanden wurde. Selbst dieser Autor, welchem wir doch son t wohl die genauesten Angaben über die Gaprelliden verdanken, hat > Verhältnisse nur geahnt und das in ihnen ausgesprochene Gesetz vielleicht mehr durch Zufall errathen. Gamrorn?) ist dem Thatbestande rn geblieben. BR: Betrachten wir ein ausgewachsenes und lebenskräftiges Thier (vgl. fig. 6) von Protella phasma von oben, so scheint das vorletzte Thora- :a egment nur zwei Nervenknoten zu enthalten, welche zugleich die beiden letzten des Bauchmarkes sind. Das vordere Ganglion (Fig. 5 und € 696) ist kaum merklich grösser und hat die Form eines Herzens. Etwas ach vorn und auswärts von dessen Hügeln, welche nach hinten gewen- ‚ sind, treten die mächtigen Nervenstämme für das vorletzte ausgebil- re (in uns. Fig. n) hervor. Die Herzhügel selbst entsenden segen die sehr kurzen Längscommissuren zum nachfolgenden Knoten n uns. Fig. G7)- Dieser selbst ist halbrund und sendet an den beiden den seiner nach hinten gewendeten Querfläche die mächtigen Nerven- tämme für das letzte Beinpaar (nt) aus; diese theilen sich kurz nach em Ursprunge und nur ein Ast zieht nach den Locomotionsorganen, " andere tritt nach oben und hinten zum Darme. So wurden die Ver- inisse auch von Gamrortu gezeichnet und beschrieben. Vergleichen wir nun aber die Seitenansicht (Fig. 5) des nämlichen eres, so überzeugen wir uns bald, dass die eben beschriebenen nicht letzten Ganglien sind, sondern dass die Endigungsweise des Nerven- stems eine viel complicirtere ist. Hinter dem letzten grossen Ganglion t sich nämlich ein Complex (in uns. Fig. durch ge bezeichnet) klei- ‘. Ich zähle derselben stets fünf. Das grösste inbegriffen endigt das Nervensystem mit einer Anhäufung von sechs Ganglien, welche er Gesammtheit die Masse eines der grösseren gewöhnlichen Gan- ungefähr um das Doppelte übertreffen. Wir haben also ein ähn- Verhältniss, wie es schon von Donrn angegeben wurde, doch hat * Autor die näheren Details falsch beschrieben, von einer »Ein- ung« kann insbesondere keine Rede sein. Eiwas unterhalb ETTTTICL ET ZEBT OTE ST TER BRASS 6 TEE u . rs G v 2 u Su an er 4 F u u rn u nn nn 358 G. Haller, Be des von der Bauchfläche aus sichtbaren letzten grossen Ganglion (in uns. Fig. g,) liegt ein letztes einfaches (Fig. 5,). Dasselbe ist von vorn ge- sehen ungefähr herzförmig und erinnert einigermassen an das zweit- letzte der ausgebildeten. Es erhält noch vom vorhergehenden grossen Ganglion zwei starke den Längscommissuren entsprechende Stämme und sendet selbst zwei feine Nerven (in uns. Fig. na) nach dem Ab- domen. Zwischen dem letzten Thoracalganglion (Fig. 5 und 6g,) und diesem ersten kleineren Knoten liegt ein Paar kleiner Ganglien. Sie schmiegen sich mit ihrem vordern Ende innig an das vorhergebende grosse, mit ihrem hinteren Ende an das nachfolgende kleine an. Sie sind etwa drei bis viermal kleiner wie das erste dieser hinteren Gruppe. Nach vorn von diesem Paare, die Spitzen desselben mit dem hinteren breiteren Ende etwas verdeckend, sich überdies dem Rücken des grössten Ganglions, mit welchem sie durch eine gemeinsame Bindegewebsmasse verbunden sind, innig anschmiegend, finden wir endlich ein letztes und kleinstes Paar. Ihre Umrisse müssen etwa als mandelförmig bezeichnet werden. Die Ganglien dieser beiden hinteren Gruppen berühren sich in der Mitte nicht, sondern lassen hier eine Bahn frei, welche von den Gommissuren durchzogen wird, die vom letzten Thoracalganglion zum ersten Abdomi- nalknoten ziehen. Die kleineren vier Ganglien lassen äusserlich gar keine Spur von Längscommissuren oder abtretenden Nervenstämmen mehr erkennen. Was man etwa dafür halten könnte, ist ein auswärts von ihnen vorbeiziehendes starkes und pigmentirtes Aufhängeband, welches vom letzten grossen Ganglion aus schräg nach oben und hinten zieht, um diesen Endcomplex in seiner natürlichen Lage zu befestigen. Nun suche man diesen Complex von Ganglien aus dem Innern des Thoracalsegmentes zu ziehen! Es geräth dieses nur schwer, denn fast stets bleibt eines oder mehrere derselben zurück, oder wird gar ganz zerstört. Es giebt dann eine solche Verstümmelung leicht Anlass zu einen Irrthume. Ist es aber gelungen, so bestätigen sich alle diese Ver- hältnisse aufs genaueste (Fig. 6). Wir überzeugen uns dann noch im Besondern, dass von vorn gesehen die Enden des ersten Ganglienpaares | (Fig. 65) zwischen den zwei letzten verschmolzenen (in uns. Fig.g, u.) zu Tage treten. Dieses Bild hat vielleicht Donrn zu seiner Bezeichnung | einer »Einschachtelung « verführt. | Suchen wir nun diese Ganglien einzeln heimzuweisen, so ist das ın unseren Figuren mit g, bezeichnete dasjenige des zweitletzten, 9, das jenige des letzten Thoracalsegmentes. Was nun die hintere Gruppe an- belangt, so gehört das hinterste noch verschmolzene und grösste Gan- X Jon (in uns. Fig. ,) offenbar dem ersten Abdominalsegmente an, das‘ Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 359 En eklalis gegenüber seinen nachfolgenden Genossen noch einer ge- # "wissen Bevorzugung erfreut. Das erste Paar (in uns. Fig. 5) dagegen ein Abdominalsegment ist Sazlich verloren gegangen, nur bei Proto ei ich noch eine Spur davon erkennen zu können. Wir begegnen also auch hier wieder dem weiter oben bereits ausgesprochenen Gesetze. Mit der Verkümmerung der letzten Segmente trat auch eine Contraction der Läpgscommissuren ein, welche, wie wir später noch eingehender sehen werden, sich bis zum vollständigen Verschwinden derselben ge- = steigert hat. Doch auch die Ganglien selbst erleiden eine Veränderung. "x In dem Maasse, wie die ihnen zur Versorgung angewiesenen Extremi- > täten sinden, verkümmern auch sie. Mit der Absorption ihrer Gom- missuren ist eine Trennung der früher , wie wir es ja noch leicht er- kennen können, vereinigten verbunden, und in dem Maasse, wie sie _ verkümmern , rollen sie sich auf, so dass die hintersten die vordersten werden. En Die oben beschriebenen Verhältnisse beziehen sich alle auf erwach- sene Thiere. Es muss nun interessant sein, zu untersuchen, wie weit dieselben bereits im jugendlichen Individuum (Fig. 7) gediehen sind. "Ueberdies hat Donrx versucht einige Verschiedenheiten, welche sich aus seinen und Frey-LeuckArr’s Untersuchungen ergaben, durch Altersdiffe- = renzen zu erklären. Man gehe daher nach Untersuchung möglichst er- wachsener Laemodipoden zu derjenigen jugendlicher, am besten der - Brutkammer der Mutter entnommenen Individuen über, wobei die näm- lichen oben beschriebenen Präparationsweisen und Vorsichtsmassregeln au beachten sind. Wir nehmen dann wahr, dass erstlich die Differen- zivung des Gehirns noch nicht so weit vorgeschritten ist, wie bei den Erwachsenen. Die einzelnen Anschwellungen sind ler unter sich "noch vom Haupthirn deutlich getrennt, die Trennung ist jedoch durch Furchen angedeutet. Sie bilden einen länglichen nach vorn zugerunde- ten, nach hinten abgestutzten Complex, welcher ungefähr dieForm einer Semmel hat und an die frühere Darstellung des Gehirns erinnert. Das Ganglion des zweiten Thoracalsegmentes (Fig. 7 95) überragt hier seine aassen. an Grösse; N erscheinen en des drikien und ae Bauchmarkes bildet, ist zwar bereits vorhanden, vedueh IC ‚nicht so ausgesprochen, wie bei den Erwachsenen. Die Ganglien noch um weniges zerstreuter und ragen theilweise in das letzte alsegment hinein. Es mag dies einerseits zu der falschen Angabe rich dem rain noch geudlich u: abdenämalpm nie: 360 G. Haller, von FrEy-LeuckArt Veranlassung gegeben haben, dass sich auch im letzten Thoracalsegment ein Ganglion vorfinde;; andererseits entsteht da- durch, dass die kleineren Ganglien noch nicht hinter dem letzten grossen verborgen sind, von der Bauchseite aus betrachtet ein Bild, welches an die »eingeschachtelten Ganglien « Dourw’s erinnert. ImGanzen erweisen sich aber die Verhältnisse als nicht sehr verschieden vom erwachsenen Tbiere. Hat nun bereits die Beschreibung dieser äusseren Verhältnisse inter- 'essante Einzelnheiten zu Tage gefördert, so ist es eben so sehr der Fall, wenn wir in die mikroskopische Structur des Nervensystems eindringen. Sind die oben beschriebenen Präparationsweisen glücklich gerathen, die einzelnen Ganglien herauspräparirt, so braucht man dieselben nur einem starken Drucke auszusetzen und die Structur tritt mit voller Klarheit zu Tage. Es liegt uns zunächst eines der mittleren Thoracalganglien vor (Fig. 10), welche die einfachsten Verhältnisse darbieten und deren Kenntniss deshalb nachfolgender Beschreibung vorangehen muss. Bei Anwendung einer starken Vergrösserung und bei Betrachtung im leben- den Thiere (vergl. Fig. 5) stossen wir zuerst auf einen Haufen grosser Zellen, welche augenscheinlich mit dem Nervensystem noch nichts zu schaffen haben. Wir treffen sie auch um andere Organe gelagert, ja so- gar haufenweise im Leibesinnern zerstreut; sie interessiren uns daher für den Augenblick nicht und ich werde sie in einem der folgenden Ab- schnitte als fibrogene Zellen beschreiben. Für jetzt erwähne ich nur, dass sie einer hindegewebigen weiten Kapsel aufliegen, die das Ganglion auf allen Seiten lose umgiebt. Sie wird von den Nervenstämmen durch- brochen und setzt sich auf ihnen nur eine kurze Strecke weit fort. Nur diese Kapsel ist die Trägerin des reichlich vorhandenen Pigmentes, Ner- venstämme und Ganglien sind ganz frei davon. Die Masse der letzteren verräth sich im Innern der Kapsel bei einigen Arten durch leicht grau- liche, bei anderen durch leicht gelbliche Farbe und überdies durch feine Granulirung. Das Pigment häuft sich namentlich an den Rändern der Kapseln an, die Mitte bleibt stets freier. Es findet sich hier wie überall im Gaprellidenkörper in Form winziger brauner Körnchen und ist stern- förmigen Zellen eingelagert, welche stark verzweigte und reichliche / Ausläufer besitzen. Eine farblose blasse.Stelle inmitten derselben scheint dem Kern zu entsprechen. Diese Pigmenizellen besitzen, wie auch diejenigen, welche an manchen Körperstellen die äussere Färbung er- zeugen, die Fähigkeit sich zu contrahiren. Die nun hinlänglich bekannte | Kapsel hüllt also das Ganglion ein, dessen feinere Verhältnisse nun nach“ oben beschriebener Präparation geprüft werden sollen. Be & An v % . Ber ö \ Ben: Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 361 Das Neurilemm, welches Nerven wie Ganglien gleichmässig um- iebt ‚ wird an der Eintrittsstelle der Commissuren in die Knoten etwas ngestülpt, setzt sich aber dann ununterbrochen auf jene fort. Im Gan- io stossen wir sodann auf eine dünne Rindenschicht, welche sich bei nserer Präparation stets röthlich färbt. Sie scheint aus einer grossen ahl rundlicher Kügelchen zu bestehen, die selbst etwas verdunkelt, von einem heilen homogenen Stroma umgeben sind. An günstigen Stellen unseres Präparates überzeugen wir uns aber bald, dass diese Kügelchen pur den verdunkelten Kernen grosser polygonaler Zellen entsprechen (Fig. 8), welche dicht gedrängt liegen und sich durch Garmin leicht färben. Unter dieser Rindenschicht liegt die centrale Marksubstanz von sräulicher Färbung, leicht kenntlich, da sie sich durch obige Präparation nicht röthlich färbt. Der ursprüngliche Zerfall des Ganglions in zwei ‚symmetrische Hälften lässt sich äusserlich nicht immer deutlich erken- nen. Dagegen finden wir die im Ganglion eingeschlossene Marksubstanz ‚entsprechend der Zusammensetzung desselben stets in zwei ovoide Massen getrennt, welche dem Verlaufe der Längscommissuren gegen- ‚ständig eingelagert sind. Suchen wir in das Gemenge der Granulation Ordnung zu bringen, so erkennen wir deutlich, wie diese Körnchen sich an einzelnen Stellen zu einem von vielfach verbundenen und winkelig bgebrochenen Linien zusammengesetzten Netze reihen. Den Maschen les letzteren entsprechen also polygonale, die Marksubstanz zusammen- setzende Zellen, deren Kerne ich aber noch nicht auffinden konnte. Das Neurilemm der Commissuren ist deutlich gewellt und setzt sich sonlinuirlich auf die Seitenzweige fort, welchen jene Ursprung geben. ‚urz nach ihrem Eintritte in das Ganglion lösen sich die Commissuren in eine reiche Quaste feiner Fasern auf. Wie man deutlich sieht, durch- setzt ein geringer Theil derselben den ganzen Knoten unverändert, ein e ungefähr gleicher verliert sich in der Rindenschicht. Bei weitem le ler grösste Theil der Fasern löst sich aber in der entsprechenden Ab- ıeilung des Markcentrums auf. Die abtretenden Commissuren nehmen Er ‚ersten Theil der Fasern unverändert wieder auf, einen zweiten ziehen sie aus der Mark-, einen dritten aus der Rindensubstanz. Die ite Halbkugel der Kernmasse liefert das Material zum Aufbau der aus _ Ganglion zu den Organen tretenden Nervenstämme; diese scheinen " That ihre Nervenmasse nur von daher zu beziehen. Ich konnte en sorgfältigsten Beobachtungen nicht bemerken, dass sich Fasern r ‚Rindensubstanz herleiten, liessen. Im Aukınak besitzt der Nerv E Abe ” 4 362 6. Haller, Br Re > zeichnen überdies zuweilen die radiär an ihn herantretenden Nerven- fasern sternförmige Figuren. EL Von den Ganglien zeigen nur die mittleren dieses Verhalten; die | plex (Fig. 14), müssen besonders besprochen werden. Den allergröss- ten Theil des Haupthirns füllt eine einzige ungetheilte graue Masse aus, F, = ihrer grauen Kernsubstanz zusammen. Dagegen erstrecken sich die- selben nicht bis in die Spitzen. Diese sind im Gegentheil hell, durch- sichtig und farblos; sie geben mithin zu erkennen, dass sie einzig aus Neurilemm bestehen. Die Marksubstanz wird auch in dem Haupthirn von einer Rindenschicht umgeben , doch ist dieselbe sehr gering. Die dünnen und sehr breiten Brücken, durch welche das Haupthirn mit Seinen zwei accessorischen Gangliencomplexen zusammenhängt, er- weisen sich nun als von grösster Wichtigkeit. Sie vermitteln den Ueber- tritt der Nervenfasern, welche das Haupthirn zur Bildung der ihm ange- hörenden Nervenstämme ausschickt. An den inneren Rändern der Brücken findet offenbar Kreuzung statt in dem Sinne, dass Fasern von einer Hirnhälfte zur accessorischen Masse der gegenüberliegenden Seite verlaufen. In einer jeden einzelnen Anschwellung finden wir zwei mehr oder weniger halbkugelige Hälften der Marksubstanz , welche sich mit ihren abgeflachten Seiten gegenseitig beinahe berühren. Die eine derselben entspricht der Auflösung der eintretenden Nervenfasern,, wogegen die andere dem abtretenden Stamme Ursprung giebt. Wir sehen ein Ver- hältniss, ähnlich demjenigen, welches wir oben für die mittleren Gan- glien kennen gelernt haben. Nur in der Anschwellung der Schlund- commissur findet sich einige Unregelmässigkeit. Hier sitzt dem zweiten Theil der grauen Substanz jener früher beschriebene Aufsatz auf. Die äusseren Wände desselben werden von der grosszelligen Rindenschicht bekleidet, im Innern scheint dagegen eine Brücke grauer Markmasse durch. Wir können dieselbe einerseits bis nach der Masse des Gan- glions der Schlundeommissur verfolgen, wo sie direct mit der grauen Masse desselben in Verbindung steht, andererseits sehen wir sie am Grunde der Ganglien für den Nervus opticus in dieselben eintreten und | sich zu der einen halbkugeligen Masse ausbreiten, unterdess aus der anderen der Sehnerv entspringt. Derselbe ist sehr dick, aber so kurz, | dass die Augen den Ganglien scheinbar direet aufsitzen. Rings um dessen Ursprung treten die Fasern von allen Seiten radienförmig aus der + a F ne ns ee er. Te ae ı rs « T r x a RK 4 j - 5 > Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 363 rauen Marksubstanz hervor und es bilden sich hier ebensolche stern- rmige Figuren, wie wir sie schon weiter oben erwähnt haben. Die Opticusganglien liegen, wie wir gesehen, gleichzeitig auch dem ehirn dicht an, doch stehen sie mit demselben in keinerlei innigerem jusammenhang. Es spannt sich von ihnen nach der Mitte einer jeden ler beiden Hälften eine breite, bindegewebige Brücke, welche sich an ihrem Ende in mehrere Aeste spaltet. Es ist mithin kein Zweifel, dass der Nervus opticus nicht aus dem Haupthirn selbst seinen Ursprung nimmt, sondern aus dem Ganglion der Schlundeommissur. Verschmilzt dieselbe mit der vor ihr liegenden Anschwellung des oberen Äntennennervens, so versorgt diese gemeinschaftliche Masse das Auge mit seinem Opticus. a Noch interessantere Verhältnisse treffen wir bei den allerletzten ‚Ganglien (Fig. 11). Das letzte noch ungetheilte des Bauchmarkes ver- hält sich noch ziemlich normal. Wir haben jederseits eine mehr oder weniger ausgebildete Längscommissur, welche in das Ganglion eintritt und sich in eine grosse (Juaste feinster Nervenästchen auflöst. Dieser entspricht am andern Pole die granulirte Hälfte derMarksubstanz, welche ‚dem zum Abdomen ziehenden Nerven den Ursprung giebt. Seiner Hin- terfläche aufliegend und mit ihr verwachsen treffen wir das erste Paar der kleinen Nervenknötchen. Dieselben bestehen zum grössten Theil | aus Rindensubstanz und haben nur einen sehr kleinen grauen Kern, "welcher mehr gegen das vordere spitze Ende gedrängt ist. Dieser steht | d ırch eine Brücke mit dem Marke des kleinsten ungetheilten Ganglions in Verbindung, diese ist aber so stark verkürzt, dass sie nicht über die Peripherie des grossen Ganglions hervortritt, sondern gerade hinreicht, e Rindensubstanz desselben zu durchbrechen. Ich gehe wohl kaum iere, wenn ich in ihr den Rest der ausserordentlich verkürzten Gommis- r erkenne. Die allerletzien Ganglien bestehen absolut nur aus Rinden- 113. Taf. IX, Fig. 4 ofr; Taf. X, Fig. 12. REN 1. Ar 4 A Sr \ 364 G. Haller, u poden für allgemein verbreitet hält. Ich habe dasselbe sowohl an leben- den Thieren, wie an gelungenen Präparaten von Amphipoden und Laemo- dipoden mit stets erneuter Aufmerksamkeit gesucht und nicht gefunden. Ich muss dessen Existenz sogar ganz entschieden verneinen und zwar aus folgenden Gründen: 1) Habe ich da, wo Ganrotn das trichterförmige Frontalorgan zeichnet, am lebenden Thiere nie etwas derartiges gefun-- den. Dagegen beobachtet man ungefähr an dieser Stelle einen kleinen Complex jener grossen Zellen, welchen ein späterer Abschnitt gewidmet ist. 2) Es gehen vom Gehirn keinerlei Nervenstämme aus; was GAMROTH für einen solchen gehalten hat, ist, wie wir uns leicht noch ein Mal über- zeugen, nur ein stark pigmentirtes, bindegewebiges Ligamentum suspen- sorium, welches von der Hirnspitze nicht nach vorn, sondern schräg nach oben und hinten zieht. Endlich 3) Es treten die sämmtlichen feine- ren Details der Sinnesorgane nach Behandlung mit Osmiumsäure und Pierocarmin sehr deutlich hervor, dennoch gelang es mir nie dieses Fron- talorgan auf künstlichem Wege zu demonstriren. Es muss daher die Angabe von Gamrorn durch irgend einen leicht verzeihlichen Irrthum hervorgerufen worden sein und ist fallen zu lassen. Unter den Haargebilden und namentlich unter den zahlreichen, welche die Antennen besetzt halten, sind manche als Sinnesorgane zu betrachten. Wollen wir sie kennen lernen, so wird es am besten ge- schehen, indem wir den Verlauf des Nervens für die vorderen Fühler unserer genauen Betrachtung unterziehen. Dazu eignen sich namentlich Osmiumsäure-Pierocarminpräparate; es ist aber gut, wenn man zur Ver- gleichung auch lebende und ohne weitere Vorbereitung in Glycerin ge- legte Thiere untersucht. Die zahlreichen äusserst feinen Details treten namentlich bei recht grellem durchfallendem Lichte aufs schönste hervor. Diese Beobachtungsweise hat aber den Uebelstand, dass das Auge sehr rasch ermüdet wird und man sich dann vor Irrthum hüten muss. Ich habe daher die Vorsicht gebraucht, erstlich nur ganz kurze Zeit hinter einan- der so zu arbeiten und dann das nämliche Bild unter verschiedenen Be- dingungen mehrmals meiner Prüfung zu unterwerfen. Auf diese Weise hoffe ich meiner Resultate ohne Irrthum sicher zu sein. Der Nerv für die oberen Antennen tritt noch immer ungetheilt in das erste Glied derselben ein, durchzieht sogar dasselbe nebst dem zweiten, um sich erst am Anfange des dritten in zwei Aeste zu spalten. Unterwegs giebt er immer von Zeit zu Zeit kleine Verzweigungen ab, welche sich selbst wieder verzweigen. Von den beiden Hauptästen schlägt sich einer nach der Beuge, der andere nach der Streckseite der 4 Fühler. Sie streben dann ungetheilt nach vorn gegen die Spitze zu und geben unterwegs ein jeder eine reichliche Zahl grösserer und. Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 365 inerer Aeste ab, in dem Maasse, dass sie schliesslich selbst zu dünnen enfäden werden. Die feinsten Verzweigungen gehen entweder zu n Muskeln, welche die Bewegungen der Fühler vermitteln, oder sie erden Sinnesnerven. Von diesen können wir die eine Gruppe als inerven bezeichnen, die andere versieht die mannigfachen als Sinnes- ‚organe zu deutenden Gebilde. Die Hautnerven, es fallen in das meiner rer zu Grunde Jiegende mikroskopische Bild drei derselben (Fig. 3 Ah), durchziehen s helle stark lichtbrechende Fasern dicht unter der Chitindecke und ahrscheinlich deren Matrix eingebettet die Fühler der Länge nach. e sind ausserordentlich lang, unverzweigt und werden in kurzen Ab- änden spindelförmig verdickt. Diese Verbreiterungen lassen zuweilen nige leichte Granulationen und einen kernförmigen Einschluss er- nnen, was für deren gangliösen Charakter zeugt. Als charakteristisch Eäiöse blassen Fasern ist, dass sie endigen, ohne dass eine jener peciellen Nervenendigungen für sie nachgewiesen werden könnte, wie r sie für die Sinnesnerven kennen. Wir treffen dieselben aber nicht nur in den Fühlern, sondern alle Nerven scheinen dieselben abzugeben. Ss ) beobachtete ich sie in sämmtlichen Extremitäten, wo sie sich in Zahl ıd Grösse nach dem Umfange derselben richten. In der stark verbreiter- en Greifhand zählen wir ihrer z. B. bei weitem mehr als wie in deren alle, wo sich nur drei, höchstens vier nachweisen lassen. Ich konnte lagegen noch nicht mit Sicherheit erkennen, ob sie sich auch im Körper vo inden, doch ist dieses kaum in Zweifel zu ziehen. Wir wollen unter- ‚suchen, ob jene etwas voreilige Bezeichnung als »Hautnerven« zu recht- fertigen ist. Dass es Nerven sind, unterliegt keinem Zweifel, da wir sie ® Mühe bis zu ihrem Ursprunge verfolgen. Sodann kann mit voller :herheit behauptet werden, dass sie weder zu Muskeln ziehen, noch Sinnesorgane eintreten, sie müssen mithin Gefühlsnerven sein. Dafür cht auch ihr Verlauf dicht unter der Oberfläche. Es sind einfache ‚ welche keine Zweige abgeben, keine Verbindungen eingehen. ı Eindruck , welcher sie trifft, wird daher nur von ihnen empfunden, ne auf die benachbarten Fasern zu wirken. Der Schmerz wird daher den Centren von dem Orte aus, wo er entstanden, zugeführt. » ” bi 5 BR ke E n br E b issensch. Zoologie. XXXI.Bd. PA en; N en a Eee PEN: 366 | G. Haller, Osmiumsäure und Picrocarmin roth zu färben, weiter gelangte ich hier 2 wegen der geringen Grösse der untersuchten Individuen nicht. An den Antennen grösserer Caprelliden beobachtet man, wenn auch in geringerer Anzahl, ganz die nämlichen Gebilde, so z. RB. bei Caprella aequilibra, von 4 welcher Art die vorliegende genaue Zeichnung (Fig. 12 cv) stammt, auch von Protella phasma und anderen grösseren Arten. Hier konnte ich ohne Mühe nachweisen, dass es Sinnesorgane allereinfachster Art sind. Die- selben treten als sehr feine dreieckige Granulationen oder als etwas grössere Stäbchen verschiedener Länge auf, die an einer Seite etwas ausgezogen sind. Wir sehen einen feinen Nervenfaden zu ihnen treten und in ihnen ohne weitere Vorbereitung endigen. Dieser letztere zeich- net sich dadurch aus, dass er nie von dem nächst gelegenen Theile eines Nervenastes aus zu ihnen zieht, sondern sich schon lange zum Voraus abzweigt; auch kommt er nicht im kürzesten Verlauf, sondern in einem merklichen bogenförmigen Umwege zu ihnen. Vielleicht ist es erlaubt, über die Bedeutung dieser einfachen Sinnesorgane zu muthmassen, dass es primitivste Sehwerkzeuge sind. In dem Falle muss freilich der Mangel alles Pigmentes sehr auffallen. Bereits als etwas complicirter sind sehr kleine blasse säbelförmige Härchen zu betrachten, die sich stets hinter einer kleinen wallförmigen Erhebung der Chitindecke finden. Auch zu jedem von ihnen tritt ein blasser Nervenfaden und endet in ihnen auf höchst einfache Weise. An ihrer Basis lassen sich, wie bei allen noch zu besprechenden Sinnesorganen, in Gestalt kleiner blasser Gebilde und von der ihnen eigenen Grösse die vorgebildeten Ersatzhaare (eutlich beobachten. Man überzeugt sich bald von ihrer wirklichen Natur und dass es nicht stäbchenartige specielle Sinnesorgane sind, als solche functioniren überhaupt die Härchen selbst. In unserem Bilde bemerken wir längs der Seiten des Fühlergliedes eine Menge derselben im Profil (hk), in der Mitte mehrere solche von vorn gesehen (hk’). Doch bedecken sie in grosser Verbreitung auch den ganzen übrigen Körper, wir sehen sie am Leibe, an den Extremitäten und namentlich auch auf den Kiemensäckchen, wo sie auf den Seiten in concentrisch um den Rand geordneten Reihen stehen. Ueber ihre Nervenfäden gilt dasselbe, was oben gesagt wurde. | Was nun die ührigen Sinnesorgane anbelangt, so scheint es mir, dass GamroTu einige derselben bereits bekannt gemacht und abgebildet | hat; ich bin aber nicht sicher, ob er dieselben nicht mit den zahlreichen Pack- und Greifborsten verwechselte. Wir werden bald sehen, dass sich 7? einige dieser Organe zum Verwechseln ähnlich sehen. Jedenfalls hat sich dieser Autor ganz auf die Beschreibung ihrer äusseren Form be-| schränkt. Eine zweite Form dieser Sinnesorgane stimmt, ziemlich mib, | Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 367 m Gebilden überein, welche wir durch CLaus und weitere Forscher an den Fühlern mancher Copepoden und anderen Crustaceen als cuticuläre € Anhänge kennen gelernt haben; leider ist mir die Literatur zur Ver- gleichung der Beschreibungen nicht zugänglich. In unserer Figur sehen wir ganz oben am Seitenrande (Fig. 12 hh, hh) zwei kurze Haare, welche in vier dünne Ausläufer enden. Sie finden sich in sehr geringer Anzahl und nur an den vorderen Fühlern. Der basale einfache Theil besteht aus fester, das Licht sehr stark brechender Chitinsubstanz. Wir sehen in ein jedes dieser Haare einen kleinen Nervenzweig eintreten, in dem sich deutlich vier primitive Fasern demonstriren lassen. Denselben scheinen die vier Ausläufer zu ent- sprechen, welche in ihrem Aussehen vollkommen mit den blassen Nervenfasern übereinstimmen. Doch gelang es mir nicht im Innern des basalen Theils Continuität der Fasern zu beweisen; sonst möchte man glauben, dass diese Ausläufer die frei endenden Nervenfasern sind. Diese selbst divergiren nach aussen etwas und sind ungefähr von der Länge des Basaltheiles. Man kann vielleicht diese Haare als Hörhaare be- zeichnen. j Dicht über und unter diesen eben beschriebenen Gebilden und ausserdem noch an der rechten und linken Seite des dargestellten Fühler- abschnittes sehen wir in unserem Bilde paarweise stehend vier weitere Haargebilde (Fig. 12 th, th). Dieselben stehen gleich den kleinen und blassen Härchen, welche oben beschrieben wurden, hinter Vorsprüngen der Chitinhaut. Sie bestehen wie die nächstvorigen aus einem stark lichtbrechenden Basaltheile und einer blassen, allein dieses Mal einfachen ‚Spitze. Die Ränder der letzteren sind auch nicht einfach contourirt, wie ‚ein jeder der Ausläufer der vorigen Gebilde, sondern doppelt, mithin wohl ebenfalls aus Chitin bestehend. Ihre Mitte ist stets doppelt und tief ausgerandet. Wir sehen in sie nur zwei einfache Nervenfasern ein- _ treten, die wir in ihrem Innern eine Zeit lang verfolgen, um sie dann ausser Gesicht zu verlieren. Auch diese Organe stehen gleich den vorigen nur sehr vereinzelt und gleich ihnen nur an den vorderen Ab- schnitten der Fühler, doch treffen wir sie stets paarweise. Häufiger nun als die vorgenannten finden sich die als Sinnesorgane zu deutenden Haargebilde, welche an die cuticulären Fühleranhänge der Copepoden erinnern (Fig. 13 ch, ch, Fig. 14). Dieselben stehen je- _ weilen aussen und oben am Ende eines jeden Gliedes der Geissel und _ zwar in gleicher Anzahl bei Männchen und Weibchen. Wir beobachten ; sie stets paarweise und von zwei kleineren säbelförmigen Haaren (Fig. 13 sh, sh) begleitet. Am lebenden Thiere überzeugen wir uns |, dass auch an ihrer Basis die Ersatzgebilde schon vorhanden, und | 24* u 368 6. Haller, dass sie selbst eiwas zurückziehbar sind. Ihrer Form nach erweisen sie sich als sehr lang gestreckt, ungefähr von der Länge eines der ersten Geisselglieder und als sehr dünn. In der Mitte sind sie kaum merklich erweitert, nach beiden Enden ebenso verdünnt. An ihrer breitesten Stelle lassen sie deutlich eine Ringfurche erkennen, durch welche das ganze Haar der Quere nach in zwei gleiche Glieder getheilt wird. Im frischen Zustand beobachten wir im Innern des röhrenförmigen Lumens eine granulöse Masse, welche man durch Druck austreiben kann und in der man gleich zwei Kernen zwei kleine Kügelchen erkennen kann; das eine der letzteren liegt nahe der Ringfurche, das zweite am Grunde des Haares. Durch die Behandlung mit Osmiumsäure und ammoniakalischem Garmin lässt sich leicht auch der zutretende- Nerv zeigen. Derselbe zweigt sich mit grosser Regelmässigkeit von einem der Endäste des oberen Fühlernervens ab und zwar in so gleichmässigen Zwischen- räumen, dass er diesen innerhalb der ersten Geisselglieder schon je- weilen ganz am Anfange des entsprechenden Gliedes, bei den nach- folgenden und namentlich gegen die Spitze hin erst in der Mitte des entsprechenden Abschnittes verlässt. Er eilt direct auf die Organe zu und besteht aus vier primitiven Fasern, von denen jeweilen eine zu einem dieser cuticulären Anhänge zieht, die zwei weiteren zu den oben erwähnten dieselben begleitenden Haaren. Mit blosser Behandlung durch Garmin lässt sich endlich zeigen, dass diese Haare an der Spitze ofien sind. Es coagulirt nämlich ihr Inhalt, zieht sich ganz zusammen und färbt sich röthlich. Wir nehmen dann an glücklichen Präparaten stets noch wahr, dass die Nervenfaser ungetheilt und ohne Verbreite- rung in die Gebilde eintritt und dass jene granulöse Masse, wahrschein- lich als deren gangliöse Endigung zu betrachten ist. Endlich wird tiefer als die über sie hinwegtretende Faser eine grosse rundliche Zelle mit deutlichem Kern, oder zwei solche sichtbar, die vielleicht als die Drüsen zu betrachten sind, denen jene Organe ihr Dasein verdanken (Fig. 14). Der Gedanke, in diesen nem hrDieen Haaren Geruchsorgane zu suchen, liegt nicht fern. An der Spitze der Fühler (vergl. Fig. 13) finden wir endlich noch einige von allen vorigen abweichende Sinnesorgane. Dieselben stellen sich uns in der Form ausserordentlich langer, am Ende leicht geknöpfter Haare dar (Fig. 13 eh, eh). Einige derselben fallen dadurch auf, dass ihre basale Hälfte bei weitem stärker contourirt ist, wie ihre äussere. Ausser- dem treten die Ersatzhaare an ihrer Basis durch sehr starke Contourirung | hervor. Eigenthümlicher Weise sind an diesen die Endknöpfchen nach hinten gerichtet. Zu allen sehen wir die letzten Fasern des Antennen nervens ziehen, so dass man sie gewiss als Tastborsten bezeichnen darf. ; Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes, 369 | Der Palmarrand der Krallen dient sowohl als Vertheidigungs- und -_ Angriffswaffe, wie zum Festhalten. Er ist dem entsprechend ungefähr vier bis sechs Mal stärker verdickt, wie die übrige Körperdecke. Auch ist die Spitze derselben äusserst leicht dem Abbrechen ausgesetzt; wir R - beobachteten daher eine ähnliche Erscheinung, wie wir sie für jene ®. Sinneshaare kennen lernten. Es liegt nämlich etwas nach hinten _ und innen von jener entfernt im Innern der Kralle ein ersatzbereites Gebilde von ganz entsprechender Form. Doch dieses nur als Abwei- _ chung, kehren wir wieder zu den Sinnesorganen der Kralle zurück! — Augenscheinlich ist es von grossem Nutzen oder gar nothwendig, dass das Thier alle Gegenstände erkennt, welche es mit seinen Krallen er- fasst, mithin muss der der Hand zugekehrten Seite der Kralle Unter- % scheidungsvermögen zukommen, es müssen sich Sinnesorgane vorfinden. Wir erkennen denn auch hier wieder das System der Hautnerven, das - sich aber, weil es daselbst auch ganz unnütz wäre, nicht längs der Kan- ten der Kralle hält, sondern den weniger chitinisirten Seiten folgt. Auch die kleinen Härchen, welche sich wie am ganzen Körper, so auch bier finden, genügen nicht. So sehen wir denn eigene Organe entstehen, um diese Bedingungen zu erfüllen. So wenigstens glaube ich folgende - Gebilde deuten zu dürfen, welche zwar schon am lebenden oder frischen _ Thiere einigermassen en sind, aber doch erst recht durch Be- 4 handlung mit Osmiumsäure- en hervortreten. Auch habe ich dieselben mehr oder weniger mit Endfasern von Nervenästen in Verbin- E ‚dung bringen können. Wir finden dieselben nach zwei durchaus ver- schiedenen Plänen gebaut. ® So weit dieKralle mit der Hand beim Schlusse in Berührung kommt, & zuweilen noch etwas darüber hinaus, nehmen wir eine verschieden zahlreiche Reihe feiner, etwas gewundener Canälchen wahr (Fig. 35). # Dieselben münden BR aussen nicht frei, sondern scheinen durch ein feines Knöpfchen (Fig. 32c) geschlossen. Endlich glänzen ihre augen- Ex. - seheinlich glatten Wandungen, weil sie sehr stark lichtbrechend sind. % Buch alle diese Kennzeichen unterscheiden sie sich von anderen be- ER. . ‚verfolgen konnte, sondern stets inmitten der die Krallen füllenden = e verlor. Diese Bean wie ich sie heissen möchte, finden an En ı Krallen aller Extremitäten, ‚währenddem die nachfolgenden lälen verliert. Es ist aber wahr, dass ich ihn niemals bis zu seinem | Kr 370 G. Haller, muthmasslichen Sinnesorgane sich nur an den Endgliedern der Mandibu- larpalpen sowie der Krallen des ersten und zweiten Fusspaares finden. Diese treten uns unter der Form äusserst kleiner Chitinleistchen (Fig. 15) entgegen; sie nehmen namentlich den der Hand am nächsten gelegenen Theil der Seitenflächen in Beschlag. Hier sind sie derartig zu mehreren schrägen Reihen geordnet, dass sie sich in querer Richtung abwechselnd ergänzen, ohne jedoch eng aufzuschliessen. Soweit können die Verhältnisse selbst an lebenden Individuen ohne Schwierigkeit er- kannt werden, die folgenden genaueren Details jedoch werden nur an Präparaten gesehen. Auf den Leistchen erheben sich nämlich in einer Reihe und dicht gedrängt feine homogene Spitzen, welche fast eine zu- sammenhängende Membran ausmachen. An ihrem Grunde lässt sich auch nicht selten eine geronnene Masse erkennen, welche sich nach Carminbehandlung röthlich färbt. Sie darf vielleicht als gangliösen Cha- rakters betrachtet werden, leider gestattet aber die dicke Chitinhaut der Krallen keine genauere Untersuchung derselben. 3. Einige mikroskopische Beobachtungen über Haar- gebilde, welche theils zum Ergreifen und Festhalten, theils zum Schwimmen dienen. Bei den Grustaceen kommen in ausserordentlicher Verbreitung eine Masse aus den Chitinhaaren der Arthropoden entstandener Gebilde vor, welche die verschiedenfachsten Formen annehmen. Dieselben sind allerdings zum Theil als Sinnesorgane zu betrachten, allein es scheint mir, als ob in der Tendenz, diese zu solchen zu stempeln, die neueren Arbeiten zu weit gehen. Der allergrösste Theil hat jedenfalls nur den Zweck, das Greifen, Festhalten u. s. w. auf mechanische Weise zu unterstützen. Ich habe daher, wenigstens was die Caprelliden anbelangt, gesucht, die Dinge auf ihr natürliches Maass zurückzuführen und lasse hier in diesem Sinne die Beschreibung der als rein mechanische Werk- zeuge anzuschauenden Chitingebilde direct der Beschreibung der Sinnes- organe folgen. Bekanntlich finden sich stets zwei Fühlerpaare vor, die als ein obe- res und ein unteres unterschieden werden können. Das obere ist stets und überall Sinnesorgan, daher mit allerlei Haargebilden besetzt, welche wir im vorigen Abschnitte untersucht haben, das hintere stimmt ihm in dieser Bedeutung nicht immer bei. Wo dieses der Fall ist, sind die obe- \ ren Antennen mitunter etwas verkürzt; die unteren stimmen mit ihnen ' dann auch in der Behaarung überein. Diese letzteren verlieren aber in einer grossen Anzahl von Fällen die Bedeutung von Sinnesorganen fast ganz und werden zum Ersatze, dazu geschickt, die Locomotionsorgane Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 371 | unterstützen. In diesem Falle treten sie uns in der Form von hwimmantennen entgegen, ähnlich denjenigen, welche wir durch die ‚sorgfältigen Untersuchungen von Craus für viele Copepoden kennen ge- lernt haben. Namentlich trifft dieses letztere bei der artenreichen Gat- tung Caprella für eine grosse Zahl von Species überein, und wir sehen “daher darin ein willkommenes Kennzeichen zur Unterscheidung des grossen Genus in zwei handlichere Subgenera. Bei dem ersten derselben sind also die unteren Antennen ihrem ursprünglichen Berufe noch nicht entfremdet, sie haben noch die Bedeutung von Sinnesorganen. Bei dem zweiten Subgenus sind die unteren Antennen dagegen Schwimmorgane geworden. Wenn die Thierchen nothgedrungen ihre Stelle schwim- mend verlassen, können wir deutlich wahrnehmen, wie sie damit das Wasser peitschen; es sind mithin nicht » Strudelorgane«, wie GAMROTH ‚glaubte. Als Locomotionsorgane zeigen sie einen entsprechenden, von dem der oberen Antennen abweichenden Bau (vergl. Fig. 36 A). Sie erweisen sich nämlich als ihrer ganzen unteren Seite nach mit sehr lan- gen und steifen Haaren, die auf zwei einfache Reihen geordnet sind, - dicht besetzt. Diese Schwimmborsten sind beweglich eingelenkt und nehmen an jedem Gliede von hinten nach vorn an Grösse zu. Innerhalb - der Fühler finden sich schräg übereinander gelagert auch hier die gleich langen Ersatzhaare. Auf der oberen Seite der unteren Antennen stehen _ dagegen jene als Sinnesorgane beschriebenen blassen Härchen. Auch P entbehrt das letzte und kürzeste Glied derselben selbst an der Innen- seile die Schwimmborsten gänzlich und trägt an ihrer Stelle nur wenige ‚und einfache Haare. Dasselbe endet aber mit drei jener Dornen, welche zum Greifen bestimmt sind und die wir bald besprechen werden. Schenken wir vorerst noch den Schwimmborsten selbst einige Auf- _ merksamkeit! Bereits eine den unteren Antennen entnommene Schwimm- _ borste erweist sich unter stärkerer Vergrösserung als ein zierliches Ge- bilde. Sie endet entweder mit einfacher oder doppelter Spitze und lässt von dieser an bis ungefähr gegen die Mitte hin eine grössere Anzahl _ paarweise angeordneter kleiner Seitenanhänge erkennen. Der derart geflügelie Stamm selbst ist beweglich einem Chitinringe eingelenkt, _ welcher an der Innenseite höckerartig verdickt ist (Fig. 36B). Solche _Borsten finden wir auch sehr zahlreich an den Extremitäten, wo sie stets zu ‚mehreren, wenigstens zwei bis fünf, in einfacher Reihe angeordnet ‚sind. Auch hier wieder werden wir auf das sonderbare Bild aufmerk- sam, dass an ihrem Fusse unter der durchsichtigen Chitinhaut und ähn- h wie ihr Spiegelbild sich die zum Ersatz bereiten Haare zeigen. An vorderen Greiffüssen von Protella lassen sich einige solcher Schwimm- en auffinden, mit denen eine eigenthümliche Modification vor sich 3172 6. Haller, ° gegangen ist. Der Schaft bleibt in einem ersten Falle unverändert, wäh- renddem sich die seitlichen Anhänge vermehrten und gleichzeitig ver- breiterten. Es entstehen so zierliche Bildungen (Fig. 34. B) von der Form | einer Gänsefeder. Greift die Umänderung noch weiter, krümmt sich der 3 Schaft und spitzen sich die verbreiterten Seitenanhänge nach oben und aussen zu, so werden daraus jene Borsten von der Form eines Palm- 2 blattes (Fig. 34 A). Wir haben hier also keineswegs, wie man etwa denken könnte, complicirte Sinnesorgane vor uns, sondern einzig und h allein edihiitte Schwimmborsten. F Längs des Beugungsrandes der Tarsalglieder der entwickelten Fusspaare finden wir bei allen Caprelliden verschieden geformte Dornen (Fig. 32 und 33), welche nach zwei ziemlich verschiedenen Typen ge- baut sind. Es sind Dornen, die theils zum Festhalten an glatten Gegen- ständen, theils zum Ergreifen und Packen der Beute geeignet erscheinen. Für den ersten Typus kann man eine entschiedene Fortentwicklung con- statiren. Auf der untersten Stufe desselben stehen grosse und sehr dicke Dornen, deren eine Seite unregelmässig und in schräger Richtung abge- stutzt ist. Diese schräge Fläche zeigt ein leicht gekörntes Aussehen. An weiter entwickelten Greifdornen (Fig. 32), die wir namentlich an Stellen ‚aufsuchen müssen, wo ihre Beihülfe von grosser Wichtigkeit für das Thier ist, sind diese Instrumente weit vervollkommneter. Die schiefe Ebene wird daselbst durch eine Anzahl paralleler und tiefer Furchen in eben so viele zahnartig vorspringende Höcker abgetheilt. An der Spitze sind diese am kräftigsten und flachen sich nach der Basis allmälig ab. Diese Dornen, welche ihrer rauhen, sägeartigen Fläche nach am meisten zum Festhalten taugen, finden wir, wie schon oben erwähnt, an den Tarsalgliedern aller Extremitätenpaare, auch an der Spitze der Ruderantennen. Der zweite Typus scheint dagegen eher zum Festhalten der Beute (Fig. 33), zum Einstemmen geeignet und wir haben ihn daher vorzugs- weise längs der Greifflächen der zwei vorderen Extremitätenpaare zu suchen. Ausnahmsweise finden wir ihn auch an den hinteren derselben. Im Baue zeigt er einige entfernte Aehnlichkeit mit jenen doppeltlippigen Haargebilden, welche oben als Sinnesorgane beschrieben wurden. Diese Greiforgane sind sehr kräftige, jedoch einfache Dornen, welche nur durch einen schwach gekrümmten, nach oben und aussen vorstehenden dün- nen Fortsatz nahe ihrer Spitze ausgezeichnet sind. Man ist bei oberfläch- | | licher Untersuchung geneigt, sie für Sinnesorgane, und den die Spitze nur schwach überragenden Fortsatz für einen frei vortretenden Nerven- faden zu halten. Bei genauer Beobachtung überzeugt man sich jedoch, | dass die Gavität der Borste nicht bis zur Basis des kleinen Hakens zieht, | R Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 373 ‚im Gegentheil dieser und die Spitze solide Chitinbildungen sind. Alle diese Chitinbildungen sind natürlich sehr leicht zerbrechlich, und wir - können uns nicht genug wundern, nie solche Organe zu finden, die - durch den Gebrauch schadhaft geworden sind. Es war mir daher über- - aus interessant, eine Beobachtung immer und immer wieder machen zu _ können, welche die stete Integrität derselben zur Genüge explicirt. Ich - eonstatire sie daher auch für alle diese starken Greifdornen aufs neue. - Hart an ihrem Grunde und dicht unter der Chitindecke (Fig. 335), und zwar in einer trichterförmigen Aushöhlung, deren Boden wahrscheinlich der haarerzeugenden Drüse entspricht, nehmen wir einen zweiten Dorn wahr. Dieser entspricht dem ersten vollkommen an Grösse und Gestalt. Er ist ohne Zweifel dazu bestimmt, nachdem sein Vorgänger zerbrochen oder verloren gegangen ist, an dessen Stelle zu treten. An den Tarsalgliedern der hinteren Beinpaare von Proto stehen zwei eigenthümliche Dorngebilde (Fig. 25), welche schon von Spenck BATE - und Westwoop beschrieben und abgebildet wurden. Diese stellen offen- bar nur eine weitere Modificirung der vorhergehenden vor; Sinnesorgane - sind es jedenfalls nicht. Sie stehen paarweise und sind ihrer Form nach zweispitzig. Ihre Höhlung ist anfangs schwach bauchig erweitert und _ reicht nur wenig mehr als über deren Hälfte hinaus. ders FERR, vs \ | k. Kreislauf, namentlich Herz. “ Die ersten, welche den Kreislauf der Gaprelliden beschrieben, , sind _ Frey- LeuckArT!). In Bezug auf denselben sind ihre Ansichten noch die heute geltenden. Doch irrten sie sich, was die Anzahl und Lage der Spaltöffnungen betrifit. Die Angaben von Donrn ?) hierüber waren sehr abweichende, was dieser Autor damit zu erklären suchte, dass die Ver- .- beim erwachsenen und jungen Thiere versöhredänte seien. Nach ihm machte Crararipe noch eine interessante Mittheilung über _ diesen Gegenstand. Dann folgte Gamrorn’s®) Studie, welcher gar von fünf Herzspalten spricht. Endlich ist noch einer Meikeiliing von Craus ®) zu gedenken, welcher im Gegensatz zu dem Vorigen nur drei Spalten annahm. Es wird daher nicht ohne Nutzen sein, wenn wir das Herz der Caprelliden einer erneuten Prüfung unterwerfen. Dasselbe liegt, wie bis jetzt alle Angaben richtig aussagten, dicht inter der den Rücken bekleidenden Chitindecke und zwischen dieser ind dem Darme. Doch gehört es nur dem ersten bis vierten Gliede an ,. 17). Es stellt sich uns in der Form eines cylindrischen, langge- Baı)re. p. 405. .2) 1. c. p. 249. sy 1.e. m. 117. +) Ueber Herz und Gefässsystem der Hyperiden von Professor Dr. C. Craus in 374 G. Haller, streckten und sehr dünnwandigen Muskelschlauches dar. Mit den um- liegenden Organen ist es durch zahlreiche bindegewebige Aufhänge- bänder verbunden. Beim Uebertritte von einem Körpersegmente in das folgende erleidet dieser Schlauch jedes Mal eine sehr starke Einschnü- rung, welche wahrscheinlich von Frey-LeuckArr als ebensoviele Spalt- öffnungen angesehen wurden. Durch dieselben wird das Herz in vier einzelne Abschnitte zerlegt, von denen die drei letzten meistens einander gleich lang sind, wogegen sich der erste durch seine starke Verkürzung auszeichnet. Derselbe ist übrigens gleich den folgenden in der Mitte schwach spindelförmig erweitert, wetteifert sodann mit diesen an Enge des Lumens und zeigt keineswegs wie Donrn und GAmroTH angeben, am Ende eine bulbusartige Erweiterung. Wir zählen sodann im Ganzen vier schmale von einfachem Randsaume umgebene Spaltöffnungen. Die erste findet sich hart am Uebergange des ersten Leibessegmentes in den Kopf, wodurch vielleicht angedeutet wird, dass nur die vordere Hälfte dieses Segmentes in die Verschmelzung eingegangen ist. Die nachfolgenden drei Spaltöffnungen haben wir dagegen, wie Dourn zuerst angab, jeweilen in der Mitte ihres Herzabschnittes aufzusuchen. Auch über die Aorta sind die Angaben noch sehr unsicher. Die- selbe verhält sich ungefähr wie Donrn gesagt, nur in Wenigem weichen meine Untersuchungen ab. Das Herz erweitert sich vorn nicht bulbus- artig und entsendet jeweilen nur einen oberen und unteren Ast. Der obere durchzieht den Spalt zwischen den beiden Hälften des Haupt- hirns und endet kurz ausserhalb desselben, der untere steigt sofort nach abwärts und endet hart über dem Magen. Auch nach hinten entsendet das Herz eine Aorta; dieselbe bleibt jedoch in ihrem Verlaufe einfach. Sie endet am Ende des fünften Ringes, besitzt also die Länge eines der vorderen Leibessegmente, welche immer sehr lang gestreckt sind. Ihre Mündung wurde von GAmrorn als fünfte Herzspalte angesehen. Gleichwie über die Zahl und Lage der Herzspalten sind auch über ! die Form der Blutkörperchen verschiedene Meinungen laut geworden. Ein jeder von den Obgenannten liess sich darüber hören, nur Craus blieb dieser Angelegenheit fern. Derselbe wird aber durch WıEemann!) - ersetzt, welcher in seinem Archiv einen Beitrag zur Lösung dieser Frage gab. Nach meinen Untersuchungen lassen sich die beiden herrschenden Richtungen leicht vereinigen. Der arterielle Strom enthält meistens rundliche, der venöse fast nur spindelförmige Körperchen. Doch kann dieses ebenfalls nicht als Regel gelten, denn auch hier ist den Blut- körperchen eine Bewegung durch amöbenartige Körperveränderung 4) Siehe dessen Archiv für Nalurgeschichte 1839. p. A414. Be Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 319 eigenthümlich. Ihre Form ist daher sehr mannigfach. Im arteriellen "Blutstrom scheint diese Formveränderung langsamer von Statten zu gehen, wie im venösen und am lebhaftesten zeigt sie sich innerhalb der iemensäckchen. | 5. Reproductionsorgane. : Frey-LEucKART sind es, Jdie zum ersten Male die Eierschläuche be- "schrieben, doch sind ihre Nachrichten darüber noch sehr unvollständig. "Auch gelang es ihnen nicht die männlichen Reproductionsorgane aufzu- "finden. Vollständiger berichtet uns darüber Dourn !), welcher uns auch die männlichen Organe kennen lernt. Am vollständigsten ist wohl die Be- - schreibung von Gamrora#?), doch finden sich in ihr einige althergebrachte "Irrthümer, welche vielleicht durch Folgendes corrigirt werden können. _ Die männlichen Organe (Fig. 16 A und B) sind von ihrem ersten -Auffinder bereits ziemlich ausführlich beschrieben worden und es bleibt mir, was die inneren Verhältnisse anbelangt, fast nur übrig, dieselben zu bestätigen. Sie werden durch Behandlung mit Picrocarmin sehr schön ‚demonstrirt. Auffallend ist an den Hoden der ausserordentlich lange Zipfel, in den die freie Spitze ausläuft; nahe dem Ende findet sich ein leines unpaares Säckchen. Das oe hand setzt sich schräg an E- Verlängerung der Hoden an und zwar weit hinterhalb deren Ende. Es haben mithin weder Ganmrortn noch Donrn die Hoden ganz gesehen, » sie die lange Spitze, auf die ich im letzten Abschnitt zurückkommen ’erde, für das Aufhängeband hielten. Dieses Versehen ist um so leich- F Ezeihlich, als es ausserordentlich schwer hält, die gesammten männlichen Geschlechtsorgane unversehrt aus dem Körper herauszuprä- E.- Es erweist sich dann dabei nur die vordere Anschwellung als j- ie Samen bereitende Drüse, die hintere muss dagegen als Samentasche angeschen werden, sie ist stets mit Samenfäden dicht gefüllt, welche ' die von DonHrn Es heiehene Form haben. Diese Samentasche ist nur als eine symmetrisch laterale Ausbuchtung des Ausführungsganges zu ‚ betrachten und stimmt im mikroskopischen Baue durchaus mit diesem A überein, ihre Wandungen sind nur mit kleinen polygonalen und platten Epithelialzellen belegt, währenddem das hauptsächliche Gewebe der Ho- n aus mässig grossen eylindrischen Zellen besteht. Donrx hat sodann in em vollkommen ähnliche Samenzellen aufgefunden ?), wie sie BRuzE- für Gammarus zeichnet und beschreibt. Eben genannter Autor muth- st, dass die Ausführungsgänge an der Spitze der kleinen Abdominal- 376 6. Haller, beinchen enden, welche von ihm nur mangelhaft abgebildet wurden. Gam- ROTH, wohl mehr durch die Autorität seines Vorgängers als durch eigene 5 Anschauung überzeugt, macht diese Angaben mit mehr Bestimmtheit. Seine Zeichnung!) dagegen nähert sich dem wahren Thatbestande, welcher - folgender ist. Etwas nach innen und vorn von der Basis des letzten Fuss- paares erhebt sich am concaven Rande des Thorax, genau an der Grenze | zwischen letzterem und dem Abdomen ein kurzer Höcker (Fig. 30 p und 37 A p), welcher von einem Canal durchbrochen wird. Dieser letztere entspricht dem Ende des Ausführungsganges der männlichen Geschlechts- drüsen. Wir haben also hier ein wirkliches Zeugungsglied vor uns. Es x fällt nun auch von selbst in die Augen, warum sowohl Donrn wie Gan- ROTH die Ausführungsgänge nur bis zur Scheidelinie zwischen dem Vor- derleibe und dem rudimentären Abdomen verfolgen konnten. Sie ver- loren sie hier aus den Augen, da ein jeder Samengang hier in sein Zeugungsglied eintritt, welches von den beiden Autoren übersehen wurde. Dieser primitive Penis überragt schon als Höcker jene oben be- schriebene Grenzlinie zwischen Thorax und Abdomen. Gesteigert wird dieses Verhältniss dadurch, dass er sich zu einer kurzen :Röhre ver- längert. In dieser Gestalt — man vergleiche die Abbildungen — treflen wir das Zeugungsglied bei einer grossen Reihe von Arten; es wird dann gewöhnlich von einem jener kurzen Härchen begleitet, die wir oben als Sinnesorgane kennen gelernt haben. Nur wenig entfernt stehen hinter ihm die stummelförmigen Abdominalbeinchen, welche den früheren Forschern als die eigentlichen Zeugungsglieder galten. Diese spielen’ aber bei der Begatiung, wie ich direct beobachten konnte, nur die Rolle accessorischer Organe, indem vermittels derselben das Männchen den reichlich hervorquellenden Samen an der Mündung der Eileiter ab- streicht. Die Verhältnisse der weiblichen Geschlechtsorgane sind von GAn- ROTH ?2) im Ganzen genügend beschrieben worden, nur in wenigen! Punkten weicht seine Schilderung von dem von mir Vorgefundenen ab. Wie von ihm durchaus richtig beobachtet wurde, münden die Eileiter in zwei Oefinungen, welche sich an der Bauchfläche des fünften Körper- segmentes befinden und von einem eigenthümlichen Gebilde geschützt (meine Abbildung Fig, 38) werden. Dieses letztere beschreibt GAmroru folgendermassen: »Die Ausführungsgänge der engen Oviducte sind runde, mit einem chitinösen Wulst versehene Oeffnungen, über deren jeder sich ein eigenthümliches spitzes, aus Chitinlamellen bestehendes Täsch- chen hebt (seine Tafel IX, Fig. 7). Nach innen, d. h. gegen die Median- 1) lee. Taf. IX, Fiesa. Be: 2)1.c. p. 120. Taf. IX, Fig. 6 und 7. | Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 377 'mässig langer Borsten besetzt ist. Die Täschchen dienen zur Aufnahme ‚des Sperma. Beim geschlechtsreifen Weibchen findet man sie stets er- füllt mit Klumpen von Spermatozoiden. Es lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass die Gopulation des männlichen Thieres mit dem weiblichen ırin besteht, dass das erstere dem letzteren mit Hülfe seiner knieförmig ‚gebogenen Geschlechtsorgane Spermaklumpen in diese Gopulations- taschen einführt. Die Borsten der hinteren Lippe des Spaltes haben wahrscheinlich den Zweck nach vollzogener Begattung den Austritt des ‚Spermas aus dem Täschchen zu verhindern. Die Befruchtung des Kies ‚erfolgt in dem Momente, als dieses sich durch den engen Oviduct hin- ‚durchzwängend das Täschchen passirt um in die Bruttasche zu gelangen. Auf welche Weise dieses letztere geschieht, ist unschwer einzusehen. Das Thier beugt im entscheidenden Augenblick die vordere Partie des E. derart über die hintere, dass die Bruttasche über die Oeffnungen d r beiden Oviducte zu liegen kommt, öffnet hierauf die Lamellen der- elben und nimmt das herausfallende Ei in den Brutraum auf. Hierbei functioniren die langen Randborsten der vorderen Bruttaschenbehälter als Fangorgane. « In erster Linie erweist sich durch directe Beobachtung, dass der »ehitinöse Wulst«, welchen Gamrorn beschreibt, muskulöser Natur ist. ; bildet derselbe einen mächtigen Schliessmuskel, welcher das zu hzeitige Austreten der Eier, vielleicht auch das Herausfallen derselben dem Oviducte verhindern soll. Wäre derselbe wirklich chitinös, so ebe die Oeffnung stets gesperrt offen, die Eier würden, da die Aus- irgänge sich nach unten öffnen, herausfallen. In diesem Falle läge ; Legen derselben nicht mehr innerhalb dem Willensbereiche des hieres. Der Verschluss zeigt sich aber so fest, dass man die grossen lichen Eier nicht einmal durch auf das Deckgläschen angewandte ewalt unbeschädigt herauspressen kann. ‘Sodann darf wohl von » Gopulationstaschen « nicht gesprochen wer- Was wir über den Oeffnungen der Eileiter wahrnehmen, werde in Folgendem beschreiben. Bei Proto und Podalirius an der Basis s mittelständigen, fast oder ganz rudimentären, bei Protella und lla an dem Urprunge des wohlgebildeten und am Ende eines Seg- ; eingelenkten drittletzten Beinpaares erhebt sich an der Bauch- er Weibchen ein eigenthümliches Rudiment eines dritten Paares uthlättern. Als solches, glaube ich, muss man zwei kleine Platten en, die am Ende verbreitert, nach der Basis allmälig ver- sind. Sie beugen sich gleich einer hohlen und geknickten ee 378 ; 6. Haller, | | | R - Hand ganz nach unten und innen über die Bauchfläche. Die inneren freien Ränder berühren sich fast und lassen zwischen sich einen engen Raum, welcher dem Spalte der Copulationstasche GamroTH's entspricht. 9 | Wir een denn auch an ihnen stets den den Hinterlippen zuge- | \ schriebenen Borstenbesatz. In ihrer Gesammtheit bildet diese rudimen- täre Bruttasche das »Täschchen« Gamrorw’s. Bei einigen kleineren Arten zeigen die Brutlamellen besondere Chitinverdickungen in Form polygo- naler Felder, durchfurchter Warzen u. s. w. In diesen Fällen suchen wir ähnliche Bildungen am übrigen Körper umsonst, wir finden sie nur auf die drei Paare von Brutblättern beschränkt. Die übrigen Verhält- nisse, namentlich das Uebertragen des Eies in den Brutbehälter, sind. ? ziemlich getreu geschildert. : 6. Verdauungsapparat und Darmdrüsen. Auch der Verdauungsapparat mitsammt den Darmdrüsen hat seine eigene Geschichte. Von einem jeden der Autoren, welche sich ausführ- licher mit der Anatomie der Caprelliden befassten, wurde etwas zur Kenntniss desselben beigefügt, gewissermassen ein Stein zum Baue her- beigetragen. Allein was sie derartig bauen halfen, haben sie theilweise wieder zerstreut, indem sie diese oder jene falsche Angabe machten. Es ist daher schwer, einem Jeden gerecht zu werden. FrEy-LEuckARrT !) bestimmten die allgemeinsten Umrisse. Das Skelet blieb ihnen verbor- sen. Ebenso Dourn 2), doch sah dieser die Verlängerung des Magens in den Anfangstheil des Darmes, die blindsackförmige Ausstülpung unter- halb desselben und die Mündungsweise derLeberschläuche. Gamrot# 3) endlich erkannte das Magenskelet, hat es aber zu undeutlich beschrieben. Zugleich ist es ihm, wahrscheinlich aufmerksam gemacht durch die von ihm ebenfalls benutzte Studie von BruzeLius®), gelungen, die unteren Ausstülpungen des Magensackes, sowie die Excretionsorgane aufzufinden. Die genauen Studien von RasGnAar BruzeLius betreffen zwar nicht die Caprelliden, sondern einige Crevettinen. Dieselben stimmen aber mit auffallender Genauigkeit mit dem überein, was GAmRoTH für Protella ge-' funden hat und auf das ich nochmals zurückkommen muss. & Nachdem ich namentlich in Bezug auf diesen Abschnitt der inneren Anatomie zahlreiche Amphipoden untersucht habe, kann ich seine Re- sultate nur bestätigen. Es herrscht wirklich zwischen dem Darmtractus 4). c. p. 403. 2) lc. 9. 347. 3) I. ce. p. 145. Taf. X, Fig. 13, 43°. ) 4) RAGNAR BRUZELIVUS, Beitrag zur Kenntniss des inneren Baues der Amphipoden; übersetzt von Dr. CrepLis in Archiv für Naturgesch. Bd. I. 4879. p. 4859. Taf Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 379 CE : I der Amphipoden und demjenigen der Caprelliden fast vollständige Ueber- einstimmung. Ein eben so genaues Zusammentreffen erkennen wir auch in Bezug auf die Excretionsorgane. # a Der Verdauungsapparat besteht aus drei verschiedenen Theilen: Speiseröhre, Magen und Darm. Zu diesen treten ferner vier Anhänge, 2 welche in ein vorderes und ein hinteresPaar unterschieden werden kön- nen. Jene functioniren als Leber, diese als Harnorgane. Die Speiseröhre ist nur wenig lang und weit, sie steigt in sanftem "Bogen etwas nach oben und weit nach hinten. Am Anfange wie am "Ende erweist sie sich als schwach verengert, in der Mitte kaum merk- lich erweitert. Der Magen (Fig. 18) ist gegen sie durch steil zulaufende Seiten deutlich abgegrenzt. Er liegt innerhalb des durch Verschmelzung des Kopfes und ersten Leibessegmentes hervorgegangenen ersten Ringels und zwar etwas unterhalb dessen Mitte. In seiner Bedeutung kommt er gleichzeitig dem Kau- wie dem Labmagen der Insecten gleich, doch sind diese Abschnitte undeutlich gesondert, denn er zerfällt in eine obere Partie (Fig. 18 A), welche jenem, und in eine untere (Fig. 15 B), welche diesem entspricht. Wenn wir einem von diesen Theilen die Benennung eines eigeni- lichen Magens zulegen sollen, so ist es wohl der obere; die untere Partie ist nur als eine paarige Bakseiihank desselben zu betrachten. Jene überragt denn diese mindestens um das dreifache an Ausdehnung. Sie übertrifft das Lumen der Speiseröhre an Höhe ebenfalls ganz beträcht- ich und zwar etwa um das fünffache. Der Form nach erweist sie sich | als unregelmässig ceylindrisch. Ihr unterer Boden ist mit Ausnahme der - paarigen Ausstülpungen flach, ihre Diele, eine geringe Neigung nach vorn in der vorderen Hälfte abgerechnet, ebenfalls. Die Seitenwände dagegen _ dachen sich nach beiden Seiten hin ziemlich gleichmässig ab. Die Speise- _ röhre öffnet sich nicht in gleicher Höhe mit dem Darme, sondern etwas _ höher als derselbe. Nach dem Darmcanal hin zieht sich die Chitinkapsel des Magens in eine gegen das Ende hin sich allmälig erweiternde Chitin- _ röhre aus (Fig. I5chr), welche ganz frei in das Lumen des- Darmes hereinragt, ohne mit dessen Wandungen (Fig. 18 do, dw) nur irgend- wie in Berührung zu kommen, im Gegentheil bleibt zwischen diesen _ beiden ein beträchtlicher Zischehranen Von einer Auskleidung der Bis benwand des Darmcanals, mithin von einem Verhältnisse ähnlich dem- igen, wie wir es für tell Insecten kennen, darf man daher hier zentlich nicht sprechen. Diese Chitinröhre (Fig. 18chr) ist ziemlich und ragt selbst bei den langhalsigen Arten, wie Caprella aequilibra, BERN weit in das erste Segment hinein. 380 6. Haller, Bekanntlich hat bereits Dourn!) dieses Verhältniss richtig beschrie- ben und gezeichnet. Ich musste darauf zurückkommen, weil GAmROTH 2) diese Röhre mit einem an ihrem Eingange gelegenen Gebilde verwech- selte. Bei allen untersuchten Crevettinen habe ich das Gebilde ebenfalls vorgefunden. Es ist daher als eine fehlerhafte Auslegung zu bezeichnen, _ wenn Bruzeuius®) diese Chitinröhre als eine » Auskleidung des Anfangs- theils des Darmcanals mit einer Chitinmembran « erklärt. In dem Kaumagen stossen wir, entgegen den Angaben fast aller früheren Monographisten — nur GAmrotH hat dasselbe gesehen, aber schlecht abgebildet — auf ein sehr entwickeltes Chitinskelet. Dasselbe besteht aus zwei paarigen Stücken, nämlich den Platten (uns. Fig. pl) und den Fortsätzen. Erstere treffen wir nach aussen von den letzteren und längs den Wänden der Magenkapsel. Sie stehen fast vollkommen frei und stehen nur mit der Magendiele durch eine schmale Brücke in Verbindung. Was ihren Umfang anbetrifft, so ergeben sie sich nur wenig geringer wie das Lumen des Magens, dessen Längsdurchschnitt sie ziemlich genau angepasst sind. IhreGestalt ergiebt sich mithin etwa als zungenförmig, dabei kehren sie die stark zugerundete Spitze gegen die Oefinung des Darmes hin; dagegen ist die nach der Speiseröhre ge- wandte Seite abgestutzt und ausgebuchtet. Längs ihrem oberen bogen- förmigen Rande läuft eine einfache, längs dem unteren geraden eine doppelte bis dreifache Reihe von Haaren. Wir sehen ohne Mühe, dass letztere in den Zeichnungen und Beschreibungen von GamrortH und Bru- zeLius den zwei mit Borsten besetzten Reihen oder Kanten der Magen- wand entsprechen. Die äussere Seite dieser Organe muss als convex, die innere als concav beschrieben werden. Endlich ist noch zu erwäh- nen, dass durch Isoliren dieser Gebilde ihre Natur als schmale Chitin- platten aufs Unzweideutigste demonstrirt werden kann. | An der Innenseite einer jeder dieser Platten ragt von der Chitin- | decke nahe dem Eingange der Speiseröhre jeweilen ein kräftiger Kau- fortsatz (Fig. 18 A f) etwas schräg nach hinten und unten. Sie erweisen sich als etwa zwei bis drei Mal so lang wie breit und erinnern in der Configuration etwa an den Vordertheil eines muskulösen Mannesarmes ) mit geballier Faust. Auf dem der letzteren entsprechenden, durch eine starke Einschnürung vom Grundstücke getrennten Theile nehmen wir eine einfache oder doppelte Reihe sehr kräftiger und einwärts gekrümm- ter Chitindornen wahr, vor diesen stehen in ihnen ähnlicher Anordnung ! längere und einfache Borsten. Dieses kräftige Zermalmungswerkzeug : ' wird der ganzen Länge nach von einem starken Muskelbündel durch A) 1. c. p. 247. Taf. XIII B, Fig. 4 9. 2 l2C.. pe aa 3) 1. cc. p. 2965 Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 381 zogen, wodurch ein hoher Grad der Beweglichkeit ermöglicht scheint, es beschränkt sich aber derselbe nur auf ein allerdings sehr ausgiebiges Schlagen gegen die obere Wand des Magensackes. Dieser Fortsatz ist bereits gut und deutlich von BruzeLius für die Gammariden beschrieben worden, auch Gamroru gedenkt desselben, doch nicht genügend. Den unpaarigen mittleren Fortsatz über dem Eintritt der Speiseröhre, wel- chen, BruzeLius für Gammarus Locusta erwähnt, konnte ich weder für die Caprelliden, noch für die Amphipoden zur Anschauung bringen. Von dem Boden des derartig beschaffenen oberen Magenabschnittes senken sich nun nach unten und treten allein über die untere Darmwand hervor die paarig auftretenden Ausstülpungen, welche durch eine gemeinsame Haut vereinigt äusserlich betrachtet als unpaare kropfförmige Aussackung er- scheinen. Diese Ausstülpungen (Fig. A5ast) , welche, ihre Blindsäcke abge- rechnet, ungefähr von der von BruzeLius für die Amphipoden dargestell- ten Form sind, haben auch zusammengerechnet ein weit geringeres Volumen wie der Kaumagen selbst, dieser mag sie ungefähr um das ‚dreifache an Raum übertreffen. Doch erhalten sie einige Vergrösserung dadurch, dass sie nach hinten in kurze Blindsäcke (in uns. Fig. bl) aus- laufen. Diese stehen ihnen sowohl an Höhe wie an Länge bedeutend nach; ihre eigene Länge übertrifft die Breite nicht ganz um das dop- pelte. In ihrem Verlaufe krümmen sie sich bogenförmig nach unten, verjüngen sich allmälig und ihr stark zugerundetes Ende überragt nach ‚unten nicht den Boden der Ausstülpungen. Diese Blindsäckchen be- stehen aus einer äusserst zarten Chitinmembran, so dass es mir nie ge- lang, sie am vollständig isolirten Magen zur Anschauung zu bringen, dagegen wird man sie im lebenden Thiere hinter und innerhalb der -Qeffnungen der Leberschläuche sehr deutlich gewahr und kann auf ihre Existenz auch durch das stete Vorkommen von Rudimenten ihrer Chitin- wandungen schliessen, welche am isolirten Magen in mehr oder weniger grosser Ausdehnung hinter den unteren Ausstülpungen flottiren und als | mit diesen zusammenhängend erkannt werden. Was nun die unteren Ausstülpungen selbst anbelangt, so treten dieselben, wie bereits erwähnt, paarig auf; sie sind nach unten ver- lmälert und gehen nach okfot mit weiter de in den Magensack ‚über. Sie werden durch einen Zwischenbalken getrennt, der demjenigen sehr ähnlich ist, welchen BruzeLius!) für die Amphipoden beschreibt und ‚abbildet. Das ganze Gebilde ist mit kurzen und steifen Borstchen be- setzt. In den beiden Ausstülpungen, welche übrigens bereits Donrn 2) Ei l. c. p. 295 und 298. Taf. X, Fig. 3 und 8. 2) C. p. 347. - wissensch. Zoologie. XXXIII. Bd. 25 382 6. Haller, | DR ‚ | gesehen zu haben scheint, finden wir auch hier die zwei länglichen, ge- E rundeten Oberflächen, welche Bruzeuıus !) für die Amphipoden beschreibt und abbildet. Von der Seite gesehen (Fig. 18 «), erscheinen sie aber mehr dreieckig und wir erkennen deutlich, dass wir es mit quer über die ganze Magenwand verlaufenden Chitinkanten zu thun haben, welche ich vielleicht als Kaufalten bezeichnen darf. Die eine Seite derselben wird von kleinen viereckigen Höckerchen begrenzt und von hier ziehen sich diese Kaufalten in grosser Zahl und stark divergirend nach der ent- gegengesetzten äusseren Wand. Von der Reihe jener Höckerzähne aus gehen wenige starke Falten (Fig. 48) nach: hinten und erstrecken sich fast bis in die röhrenartige Verlängerung des Magens hinein. Sie schei- nen den zwei »kleinen borstenbesetzten Erhabenheiten« zu entsprechen, welche Bruzeius?) als hinter dem Zwischenbalken liegend beschreibt. In eine jede der Be en sackartigen Ausstülpungen ergiesst je ein Leber- schlauch durch eine grosse rundliche Oeffnung (Fig. 18y) sein Secret. Erst aus diesen Säcken gelangt dann dasselbe in die obere Abtheilung des Magens und von diesem in den Darm. Es würden mithin dieselben als Reservoir dienen und vielleicht haben jene Falten an der Innenwand der Taschen die Aufgabe, die öligen Tropfen mit dem Magensafte zu mischen. Der Vergleich mit dem Labmagen der Insecten ist daher un- vollkommen, auch nur insofern gestattet, als diese untere Abtheilung die chemische Verarbeitung der Speisen vermittelt, wogegen jener unpaare obere Sack die Zermalmung besorgt. Dergestalt verhalten sich also die ausserordentlich complicirten Ver- hältnisse, welche dem Magen eine so überraschende Aehnlichkeit mit dem entsprechenden Organe der Amphipoden verleihen. Wenden wir uns nun zu seinen mikroskopischen Verhältnissen! Dieselben sind fast vollkommen diejenigen, wie sie von BruzeLıus und GAMmRoTH angegeben wurden. Die Speiseröhre und der Magen werden durch ein Chitinge- rüst gebildet, dem innen absolut keine weitere Bekleidung zu Theil | wird und dem aussen fast direct die Muskeln aufgelagert sind. Dieselben bestehen aus starken Ringfaserbündeln, welche unter sich nicht anasto- mosiren und parallel gelagert den ganzen Magen umziehen. Die vordere Wand der unteren Ausstülpungen ist noch stärker mit Muskeln ver- sehen als der übrige Magen und wir sehen im lebenden Thiere, dass derselben auch ein sehr hoher Grad von Beweglichkeit zukommt. Die beiden Muskeln, welche diesen Theil des Magens von Gammarus locusta nach BruzeLius mit der unteren Kopfgegend verbinden, konnte ich wohl dort wahrnehmen, doch nicht bei den Caprelliden. = Stelle derselben 4) l. c. für Gammarus p. 295. Taf. X, Fig. 4. Bei Amphitho& fehlen sie. 2) 1. 6:59: 295. TafıX, Kig 30: Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes, 383 wi: 4 ‚tritt hier eine merkliche Anhäufung der Ringmuskeln, welche dicht ge- drängt stehen, unter ihnen sehen wir sodann eine starke Schicht von längs verlaufenden Muskelfasern. Weiter nach hinten zu werden die Muskelbündel immer seltener und an den blindsackförmigen Anhängen finden wir gar keine mehr. Das Chitinskelet besteht, wie sich nament- lich aus der Präparation mit Carminlösungen ergeben hat, aus zwei deut- lich zu trennenden Schichten. Die eine ist ein äusserst dünner Epi- thelialbeleg, welcher nirgends fehlt, sogar im Magen jeweilen die eine Seite jener zungenförmigen Platten überzieht. Er besteht aus kleinen, - dicht gedrängten und polygonalen Zellen mit deutlichem Kern, welche, wie wir im optischen Querschnitt erkennen, ein Plattenepithelium bilden, mithin die Matrix der Ghitinmembran vorstellen. Diese letztere ist sehr - dünn, vollkommen durchsichtig und glashell. | Die ausserordentliche Aehnlichkeit des Verdauungscanals mit dem- jenigen der Amphipoden wird noch bedeutend erhöht durch die Ver- ' hältnisse des Darmes selbst. Dieser ist bereits von GamrorH!) richtig beschrieben worden, und so will ich mich keiner Wiederholung schuldig “ machen, sondern nur kurz einiger mikroskopischer Beobachtungen ge- ‘ denken. Vor Allem scheint mir die Art und Weise Aufmerksamkeit zu verdienen, wie Darm und Magen zusammenhängen. Es gelingt nämlich ' bei der Isolation fast stets den Magen sammt seinem langen röhrenartigen Anhange aus dem Darme ohne alle Verletzung herauszuziehen. Es scheint recht eigentlich, als ob der Magen in die Anfangsöffnung einge- ‚steckt sei, wie wir etwa eine Tüte in die andere stecken. Untersuchen wir die Art der Verbindung näher, so sehen wir, dass dieselbe oben durch eine einfache Duplicatur der Darmwandung hergestellt wird. Dieselbe biegt sich einfach nach innen um und bildet so jene Art oberer kropf- förmiger Ausstülpung (Fig. 48kr), welche hinten der oberen Darmwand anliegt und die sowohl von BruzeLıus 2) für die Amphipoden, wie von Gamrorn3) für die Caprelliden bereits beschrieben wurde. Diese ist _ durchaus nicht drüsenartigen Charakters, im Gegentheil besteht sie aus den vollkommen nämlichen Elementen und Schichten, wie wir sie für ‚die übrigen die Eingangsöffnung umgebenden Wandungen des Darm- canals kennen. Zu innerst finden sich nämlich ganz kleine in mehrreihi- gen Schichten dichtgedrängte Zellen mit nur einem Kern, diese werden von aussen umgeben durch die Tunica propria und an diese schliessen sich innig die nunmehr unter sich reichlich anastomosirenden Muskel- _ bündel an, an welche sich, wie an den übrigen Organen so auch hier, A)l.c. p. 44. 25 * 384 00 0@, Haller, RE | u das reichlich vorhandene Pigment anschliesst. Von diesen Elementen | finden wir an der hinteren Wand des »Kropfes« noch alle, an der vor- deren dem Magen angelehnten fehlen dagegen die Muskelbündel, die Membrana propria jedoch zieht sich vollkommen längs derselben bis zur schwach einwärts gekrümmten Spitze. Eine Verdickung dieser Wan- dungen, wie wir sie zuweilen antreflen, rührt einzig und allein von einer stärkern Wucherung der Pflasterzellen her. Unten ist das Verhältniss ein anderes. Hier schiebt sich die allmälig zugeschärfte Magenwand keil- artig zwischen die röhrenartige Verlängerung des Magens und den blindsackförmigen Anhang der unteren Ausstülpungen ein; doch habe ich auch hier umsonst nach einer innigen Verbindung mit dem Chitin- skelet gesucht. Die Verhältnisse auf den beiden Seitentheilen habe ich zu prüfen unterlassen. Am hinteren Abschnitt des Darmes habe ich stets jene grossen poly- edrischen Zellen mit zwei Kernen gefunden , welche BruzeLius!) für die Amphipoden beschreibt. Einen so hervorragenden mikroskopischen Unterschied, wie nach ihm zwischen dem Anfangstheile des Darmes und dem Rectum existiren soll, konnte ich nicht beobachten. Als Rec- tum wird man bei den CGaprelliden offenbar nur denjenigen Theil bean- spruchen können, welcher sich innerhalb dem rudimentären Abdomi- nalhöcker erstreckt und mit zahlreichen starken Flügelmuskeln an dessen Seitenwandungen befestigt ist. Dank derselben kommt ihm ein grosser Grad von Beweglichkeit zu und er pulsirt ganz unabhängig vom vorhergehenden Abschnitte. | Die paarigen Ausstülpungen am hinteren Abschnitt des Darmes sind schon von GAmroTH?) nach dem Vorbilde von BruzeLius®) aufgefunden und richtig als Harnorgane beschrieben worden. Doch gelang es ihm laut seinem eigenen Geständnisse nicht, dieselben im Körper unversehrt und in situ zu beobachten. Es ist dieses jedoch leicht, wenn man ein- - mal weiss, wo sie liegen. Sie finden sich nämlich direct hinter der End- anhäufung des Nervensystems zur Hälfte noch innerhalb des vorletzten, zur anderen bereits im Bereiche des letzten Thoracalsegmentes. | Was die Leberschläuche anbelangt, so bleibi mir nur übrig, alle Beobachtungen der früheren Monographen zu bestätigen. Das eigen- thümliche Phänomen der Zellwanderung ist seit Dourn weder von GAnm- ROTH noch von mir aufs Neue beobachtet worden. ‘ 4):1. ‘ec. p..296. Taf! X, Fig: 3. 2)1. €. pP. 446. Tal X, Rie. 4422, = 3).1..:C...p. 297.1 Baf..X, Bag. 6. Sa Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 335 Ueber eine Drüse im Handgliede des zweiten Fuss- | paares einiger Gaprelliden. Paur Mayer!) beschrieb vor Kurzem eine Drüse, welche sich in der ‚Greifhand von Phronima sedentaria vorfindet. Er unterrichtet uns des Weitläufigsten über ihre Lage, Form, die Zahl ihrer Ausführgänge und endlich ihre mikroskopische Zusammensetzung. In Bezug auf die Be- deutung derselben spricht er sich dahin aus, dieselbe sei entweder eine Giftdrüse oder liefere das zur Auflösung der inneren Theile der Sal- ‚pen u. s. w., kurz der Thiere, welche die Phronimen zu ihren schwim- menden tonnenartigen Gehäusen benutzen, nöthige Secret. Aufmerksam gemacht durch diese schöne Arbeit untersuchte ich einige benachbarte Formen, wie Vibilia, Physis u. s. w., dehnte dann meine Studien auch auf die Amphipoden aus und durchmusterte endlich die Hand der Gaprelliden. In Bezug auf jene beiden ersten Gruppen kann ich bis jetzt nur sagen, dass ich auch hier diese Drüsen bemerkt zu haben glaube; was die Laemodipodes filiformes anbelangt, so liegt ihr Vorkommen ausser Zweifel und sollen dieselben in Nachfolgendem beschrieben wer- den. Ich wurde auf sie zuerst bei Gaprella Dohrnii mihi (Fig. 39 «a u. b) aufmerksam, fand sie hierauf bei Protella phasma (Fig. 31 A, B) und - glaube nun. mit Sicherheit behaupten zu dürfen, dass sie den Gaprelliden in grosser Verbreitung zukommen. Bei den Gaprelliden mit gewölbter Innenkante der vergrösserten "Greifhand des zweiten Fusspaares bleiben zwischen den die Kralle be- _ wegenden Muskeln und den Chitindecken bedeutende leere Räume, welche durch eine Drüse ausgefüllt werden, auf deren Existenz man “schon nach der grossen Menge vorhandener Krystallisationen am todten _ Thiere schliessen kann. Es gelingt aber nur schwer derselben ansichtig au werden, indem dieselben im lebenden Thiere äusserst hell sind, i ‚todten Thiere dagegen wegen der opak werdenden Chitindecken bald _ undeutlich werden. Am besten wählt man zum Studium derselben ein frisches und möglichst lebenskräftiges Thier. Bei Caprella Dohrnii findet sich diese Drüse in zwei deutlich ge- ‚trennten und unter sich gänzlich” unabhängigen Gruppen vor. Die eine (Fig. 39 b) derselben erblicken wir in unserer Abbildung dicht hinter und innerhalb dem kleinen Dornfortsatz, welcher sich an der Innen- ‚Kante erhebt. Diese innere Gruppe, wie wir sie bezeichnen wollen, be- steht aus drei bis vier deutlichen Lappen. In der Ansicht von der seren Seite aus überragen zwei obere meist durch ihre beträchtliche A) PauL MAyER, Carcinologische Mittheilungen. Mit einer Tafel und 4 Holzschn. theilungen der zool. Station Neapel. I. Bd. 4. Heft. p. 40—53. 386 6. Haller, punkt radienartig zusammenstreben. Sie ergiessen ihren Inhalt in einen Gang zweiter Ordnung, eine jede Drüse besitzt nur einen einzigen dieser letzteren. Er zieht nach aussen gegen den Anfang des Dornfortsatzes zu. Ungefähr kurz vor dem Eintritt in denselben vereinigen sich die drei oder vier Gänge zweiter Ordnung um einen gemeinsamen Haupt- 3 ausführgang zu bilden, welcher nun ungefähr die Stärke sämmtlicher früheren zusammengerechnet besitzt und nach der Spitze der Chitin- bildung zieht. Er scheint jedoch nicht direct an derselben auszumünden, sondern etwas unterhalb an der Basis eines festen Greifdorns. | Ganz am unteren Ende der Hand, sowie nach aussen und vorn von der Insertionsstelle der Kralle und von ihr nur durch einen kleinen Zwischenraum getrennt, finden wir die zweite .oder äussere Gruppe (Fig. 39 a), deren Lobi sich zu einer einzigen Drüse mit gemeinsamem Ausführungsgang vereinigt haben. Dieser eine Drüsenlappen ist sehr gross, beträgt an Masse ungefähr etwas mehr als das einundeinhalb- fache der inneren Gruppe und hat im Grundriss etwa die Form eines etwas verzogenen Ovales. In Bezug auf die Sammlung der kleinen Nebencanäle zeigt er ganz das Verhalten, welches ich vorhin für die kleinen Lobi beschrieben habe, er besitzt auch wie dieselben nur einen einzigen aber starken Ausführungsgang, welcher nach aussen von der Basis der Krallen mündet. Alle meine Versuche, mich über die mikro- skopische Structur dieser Drüsen zu belehren, blieben resultatlos. Ein merklich verschiedenes Verhalten zeigen die Drüsen in der Hand von Protella phasma (Fig. 31 A, B). Dieselben scheinen erst- lich nur aus einer inneren Gruppe zu bestehen (Fig. 31 A), die aber weit beträchtlicheren Umfang besitzt wie in der vorigen Modification. Sie erstreckt sich noch weit zu beiden Seiten über den Dornfortsatz hinaus. Eine bedeutende Abänderung wird auch dadurch erzielt, dass sie nicht nur aus einem oder wenigen grösseren Lobi besteht, sondern - aus einer starken Anzahl kleiner Lobuli, von denen vier bis acht zu- sammengenommen etwa das Volumen eines der Lappen in der inneren Gruppe der Gaprella Dohrnii ausmachen. Der hauptsächlichste Aus- fübrungsgang mündet ganz an der Spitze des Dornfortsatzes, welche mit- hin durchbrochen ist. Ersterer erweist sich übrigens als geräumige Höhle und die ersten Läppchen drängen sich auch bis in sein Lumen Her Le a hinein. In langem einfachem Verlauf zieht der Hauptausführungsgang ungefähr bis zu einer Linie, welche man sich als Verbindung der unte brochenen Kanten der Hand denken kann. Hier nimmt er die er a‘ Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 387 sich in wenige, vielleicht drei bis vier, Ausführungsgänge zweiter Ord- nung zu Spalten, welche sich hierauf in Bezug auf die Verzweigung ‚gleich dem Hauptstamme ähnlich wie Nerven verhalten, d. h. ein be- - stimnites Gesetz liegt in ihrer Vereinigung offenbar nicht ausgesprochen. - Ein jeder der einfachsten Gänge eilt nun zu seinem Lobulus und tritt ungefähr in der Mitte in denselben ein. Ein solcher bildet einen flachen eonvexen oder schwach concaven Kuchen von Rosettenform (Fig. 31 B). "Wir sehen in seinem Innern von allen Seiten kleine einfache Ganälchen zum Ausführungsgang zusammentreten, welcher sich in seinem Verlaufe entweder mit anderen verbindet, oder direct in den Stamm tritt, kurz sich dem oben erwähnten regellosen Verhalten anschliesst. Was nun die mikroskopische Structur anbelangt, so besteht ein jeder solcher Drüsenlappen aus mehreren rosettenartig zusammenge- drängten Drüsenzellen (unsere Fig. 31 B). Eine jede derselben hat einen deutlichen Kern mit oft etwas undeutlichem Kernkörperchen ; ihr äusse- ‘res Ende ist verbreitert und zugerundet, ihr Inneres stark zugespitzt. Sie schiebt sich mit diesem letzteren keilförmig zwischen die anderen ein. In der Mitte stossen die Spitzen nicht völlig zusammen, sondern lassen daselbst einen rundlichen Raum frei, welcher den Anfangspunkt ihres eigenen Ausführungsganges bildet. Die kleinen und unverzweig- ten Nebencanälchen, welche radienartig nach dem Mittelpunkt streben, scheinen mit den Interstitialräumen zwischen jenen keilförmigen Zellen zusammenzutreffen, wenigstens stimmen sie mit ihnen an Lage und Zahl "ziemlich genau überein. Was nun die Bestimmung dieser Drüsen anbelangt, so ist es mir eben so wenig möglich, wie P. Mayer, dieselbe mit Sicherheit anzuge- ben. Von Bedeutung für das Thier sind dieselben jedenfalls, das be- "weist ihre Verbreitung und Ausbildung. Die Theorie der Bestimmung dieses Drüsensecretes zum Auflösen von Pyrosomen- und Salpentönnchen ‚fallt jedenfalls hier von selbst weg. Mehr Glaubwürdigkeit verdient die "Ansicht, dass diese Drüsen ein Gift zur Abwehr gegen äussere Angriffe absondern. Dieselbe wird auch durch den Ort der Ausmündung unter- stützt. Wie wir gesehen haben münden die Drüsen an den Innenkanten stets an den Dornfortsätzen aus. Eine Abweichung erreicht diese Regel nur dadurch, dass bei Protella phasma einige der kleinen Drüsenrosetten ihre eigenen zerstreut an den Flächen der Hand mündenden Gänge en. Wo eine der Aussenkante der Hand angehörende Gruppe auf- 388 ee Haller Einige Bemerkungen über die im Körper der Gaprelliden _ oft massenhaft angehäuften grossen Bindegewehs- zellen. Wie wir bereits beim Nervensystem gesehen haben ist ein jedes E der Ganglien (Fig. 5) von einer beträchtlichen Menge grosser Zellen um- ringt, welche in inniger Beziehung zu dessen bindegewebiger Kapsel 4 scheinen. Das ganze Nervensystem wird überdies durch eine grosse Zahl bindegewebiger Fäden in seiner natürlichen Lage gehalten. Dieses ist auch in hohem Grade der Fall mit den übrigen Organen. Offenbar in Verbindung mit denselben finden wir diese grossen Zellen auch ander- wärts im Körperraum zu starken Haufen zusammengedrängt, sei es, dass sich dieselben um ein inneres Organ gruppiren oder nicht. Nennen wir sie daher einstweilen nur wegen ihrer sieten Begleitung des Binde- gewebes Bindegewebszellen und sehen wir uns dieselben bei den ver- schiedenen Lebensstufen näher an. - Der Körper des ganz jungen, dem Ei kaum entschlüpften Thieres ist noch sehr weich, farblos und glashell. Wir beobachten an ihm die inneren Organe am deutlichsten, was auch die früheren Autoren, wie Dourn veranlasste, ihre Studien nur an solchen Individuen zu machen. Von dieser Einseitigkeit rühren wohl die Fehler, welche uns ungeachtet der schönen Entdeckungen, das Bild der inneren Organisation unserer Thiere immer noch verdunkeln. Dieses leichte Erkennen der inneren Körpertheile wird uns auch dadurch ermöglicht, dass jene grosse Menge von Bindegewebe noch nicht vorhanden ist, welche wir in zunehmen- dem Grade bei den folgenden Lebensaltern finden. Es beschränkt sich dieselbe auf wenige jener nachzubeschreibenden Zellen und einige Liga- menta suspensoria, welche mithin schon im Ei sich entwickelten. All- mälig nehmen die Körperdimensionen zu; die Chitindecke färbt sich all- mälig und die Bindegewebszellen fangen an sich durch Zweitheilung bedeutend zu vermehren. Bei Betrachtung durch eine geringere Ver- grösserung besitzt jetzt das Thier eine durch die Chitindecke aus dem Leibesinnern hervorbrechende sehr schwach gelbliche oder grünliche” Färbung. Letztere rührt von den in diesem Lebensalter bereits zahlreich” | vorhandenen Bindegewebszellen her. Diese Färbung bleibt auch von. nun an bis zu einer gewissen Stufe constant, von der an sie sich wieder verliert. Letztere Stufe müssen wir als das erwachsene Stadium be zeichnen. Untersuchen wir die Ursache davon, so finden wir sie in den Bindegewebszellen begründet. | In den verschiedenen vorerwähnten Lebensstufen stimmen Bindegewebszellen sowohl durch ihre beträchtliche Grösse, sowie Beiträge zur Kenntniss der l,aemodipodes filiformes, 3839 durch überein, dass sie stets in innige Verbindung zum Bindegewebe treten. Im Uebrigen verhalten sie sich bei jungen und alten erwachsenen - Thieren vollkommen verschieden. Im jungen Thiere besitzen sie das Aussehen normaler, lebenskräf- ;> tiger Zellen (Fig. 9). Sie haben stets einen sehr Bentlänhen Kern mit % zuweilen siehlbarem Nucleolus. Ihr Protoplasma ist homogen, meist sehr schwach grünlich oder gelblich gefärbt; der Kern besitzt letztere Eigenschaft in stark erhöhtem Maasse. Wir sehen nun auch, woher diese vorübergehende leichte Färbung der mittleren Lebensstufen stammt. - Die jugendlichen Bindegewebszellen sind übrigens in sehr lebhafter Vermehrungsthätigkeit. Wir treffen sie stets entweder bereits getheilt, oder doch in verschiedenen Phasen der Theilung begriffen. Wir sehen gleichzeitig, dass mit zunehmendem Wachsthum eines Tbieres auch dessen bindegewebige Aufhängebänder an Grösse und Stärke sich vor denjenigen der zunächst vorhergehenden Lebensstufe auszeichnen. Je zahlreicher und je stärker mithin diese Aufhängebänder sind, desto grösser ist auch die Anzahl der grossen Bindegewebszellen. Da nun die inneren Organe durch äusserst zahlreiche und zum Theil sehr starke - Brücken theils mit den umliegenden Eingeweiden, theils mit den Körper- decken im Zusammenhang stehen, so kann uns nun auch die ungeheure Zahl jener grossen Zellen nicht Eh wundern. Im erwachsenen Tbiere ändern sich diese Verhältnisse mit einem - Schlage. Die Ligamenta suspensoria haben sich früher in hinreichendem . Maasse vermehrt; ihr Wachsthum ist nur ein beschränktes. Gleichzeitig zeigen uns die grossen Zellen alle Kennzeichen, dass ihr Protoplasma ab- gestorben, ihre Thätigkeit erloschen ist. Sie verlieren vor Allem ihre schwache Färbung, welche offenbar das Kennzeichen der activen Zelle ist. Sodann bieten sie Gerinnungserscheinungen des Protoplasmas dar, welche sich theils in unregelmässiger Granulirung, theils in flockiger Trühung zu erkennen geben. Ihre Umrisse werden undeutlich, ebenso ihr Kern, welcher sich mitunter ganz verliert. Endlich, worauf ich entlich Gewicht lege, ist ihr Vermehrungsprocess beendet ; wir treffen ie Zellen fast stets einzeln, höchst selten mehr unter Verhältnissen, "welche uns auf eine kurz vorher vor sich gegangene, aber noch nicht abgeschlossene Zweitheilung schliessen liesse. Wir sehen auch unter dem grossen Haufen hin und wieder eine Zelle, von der aus sich ein feiner Faden zieht; mitunter vereinigen sich mehrere solcher Ausläufer rzen, unvollendeten Brücken, und endlich liegen einem vollkom- ausgebildeten Ligamentum suspensorium stets mehrere solcher Ele- 4 F ni E 390 G. Haller, Ein ganz kleines Häufchen solcher Bindegewebszellen findet sichin dem im Grundrisse dreieckigen Raume, welcher nach vorn und oben, | sowie seitwärts, von den unter einem Winkel zusammenstossenden Chi- tindecken des Kopfes, nach hinten von einem Theile der vorderenFläche des Haupthirns begrenzt wird. Dieselben wurden von Gamrora für ein trichterförmiges Sinnesorgan gehalten. Er beschreibt auch einen Ner- ven, welcher sich von der Spitze des Gehirnknotens nach vorn ziehen | sollte. Genau da, wo es entspringen soll, inserirt aber ein reichlich ge- färbtes Ligamentum suspensorium, welches nach hinten und oben zieht, um diesen Theil des Nervensystems in seiner erzwungenen Stellung zu B: halten. a Gamrort# erblickt ferner in den Aufhängebändern, mit welchen die $ inneren Organe unter sich und mit der Körperdecke verbunden sind, ein System visceraler Muskulatur. Wir haben oben gesehen, dass dem e i nicht so ist, sondern dass diese Stränge bindegewebiger Natur sind, ihnen mithin das Haupterforderniss fehlt, um einer Muskulatur zu ent- ® sprechen, nämlich dasjenige sich zu verkürzen. 2 II. Biologisches. Zu meinem grossen Bedauern fehlt mir die Literatur, um hier durch Zusammentragen der vereinten Beobachtungen etwas Zusammenhängen- des zu leisten. Ich muss mich daher darauf beschränken, die früher ge- machten Beobachtungen durch meine eigenen precären zu ergänzen. 4. Darwinia. a. Geschlechtliche Differenzen. Bei sehr vielen Caprel- liden zeigt sich zwischen Männchen und Weibchen ein einigermassen N | entwickelter Geschlechtsunterschied. Entweder unterscheiden sich die Männchen durch ihre Leibesgestalt, so z. B. bei Protella aequilibra, wo E der Grund des Unterschiedes namentlich in der auffallenden Ver x rung der zwei vorderen Halssegmente zu suchen ist; oder bei Podalirius Kröyeri, wo der ganze Körper des Männchens söstredider erscheint. In- a diesen Fällen können wir deutlich constafiren, dass die Männchen ” be - hin Tausende von Individuen von Capreik aequilibra untersucht id auf vier bis fünf Weibchen nur ein einziges Männchen gefunden. Bei Podalirius Kröyeri konnte ich diese Untersuchungen nicht vornehmen, weil ich die Thiere stets nur in geringer Zahl vor mir hatte. . Bei einigen Arten, z. B. bei Caprella acanthifera, findet sich dieser Dimorphismus darin aussesprochen dass das Handglied des zweitvorde- Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 391 ren Fusspaares bei Männchen und Weibchen verschieden ausgebildet ist. Gleichwie an die vorigen, so schliessen sich auch an diesen Fall einige weitere Arten, welche ich hier nicht namentlich aufzählen will. Wiederum bei anderen aber nur wenigen Arten, wohin ich z. B. Protella phasma rechne, findet sich ein Schritt zu einem einfacheren Verhalten. Hier constatirte ich unter einer sehr grossen Menge unter- suchter Exemplare auf zwei bis drei Weibchen jeweilen ein Männchen. Die letzteren zeichnen sich vor jenen nur durch ihre kräftigere Gestalt aus. Bei einer sehr beschränkten Anzahl von Species sind alle Unter- schiede gefallen und ich darf auf das vorige gestützt wohl vermuthen, dass sich bei ihnen die Zahl der Männchen und Weibchen gleich- kommen. b. Anpassungsvermögen. Wir finden, wie ich an zwei Bei- spielen beweisen möchte, bei einigen Gaprelliden ein sehr ausgesproche- nes Anpassungsvermögen. Im Mittelmeer fischt man fast überall Proto pedata ziemlich häufig. Diese Form bietet sich uns aber unter sehr ver- schiedenem Farbenkleide, Hand in Hand damit gehen zuweilen gänzlich _ unbedeutende Differenzen im Baue der inneren Kante des Handgliedes am zweiten Fusspaare, welche aber, wie gesagt, so unbedeutend sind, dass sie kaum zur Aufstellung einer neuen Art berechtigen. Ich lernte etwa vier bis sechs solcher Varietäten kennen. Die erste derselben fand ich mit Protella phasma und mit Gaprella aequilibra vermischt in meh- reren Exemplaren, gleich jenen an den schwimmenden Tonnen des Hafens von Villafranca, eine halb pelagische Lebensweise führend. Ihr Leib ist sehr hellgelblich, fast farblos; der Rücken ist dicht mit carmin- rothen bis violetten, der Bauch mit schwarzen Punktflecken besetzt, zwischen beiden bleibt eine freie Zone. Bei denjenigen Exemplaren hin- gegen, welche ich im Hafen von Messina auf dunklem Hafenschlamm er- beutete, war der Leib fast undurchsichtig,, schmutzig schwärzlichbraun gefärbt. Die Flecken traten viel weniger zahlreich auf. Bei Villafranca _ lebt ferner unter Florideen eine dritte Farbenvarietät, welche mit blossem Auge betrachtet fast violett mit ausgesprochenem roth erscheint. Brin- gen wir sie unters Mikroskop, so sehen wir, dass die rothvioletten Punkiflecken sowohl an Intensität der Farbe wie an Menge zugenommen haben, die schwärzlichen des Bauches dagegen fast verschwunden sind. _ Die von Prof. Vosr in Roscoff gesammelten Exemplare gehörten einer vierten Farbenvarietät an, und so liessen sich noch einige Abweichungen ' erwähnen und beschreiben. Unter den anderen Arten habe ich diese Beobachtung an Protella phasma gemacht. Bei dieser Art ziehen sich ganz entschieden die Farbe- ı der Haut zusammen , sobald man das Thier an einen dunklen Ort ee rc de Bir“ 392 el G. Haller, ni 4* bringt. Stellt man den Pokal, welcher dieselben enthält, hierauf wieder an einen helleren Ort, so dehnen sich diese Sternzellen wieder aus. Im ersteren Falle wird eine dunklere Färbung erzielt wie im letzteren ; was i damit bezweckt wird braucht keiner weiteren Erläuterung. Der Nutzen dieser, wie wir früher gesehen haben, ausserordentlich zahlreich vor- Ne Pigmenizellen ergiebt sich sn von selbst. E; 2. Lebensweise. Man suche die grösste Mehrzahl der CGaprelliden namentlich an schwimmenden Tonnen oder an Stellen mit niedrigem Wasserstande, 2 wo sehr viele Bryozoen wuchern. Einige findet man auch auf Ichmigeaä | Boden nahe dem Ufer, und endlich dredgte ich eine Art selbst noch in ziemlich beträchtheher Tiefe. & Ihren Darmtractus findet man im hinteren Abschnitte re voll Mr gepfropft mit den harten Skeleten der Bryozo@n, welche mithin ihre aus- \ | schliessliche Nahrung ausmachen. Auch hat Gamroru beobachtet, dass” sie sich von den Larven derselben ernähren. Sie scheinen somit, weni der Ausdruck erlaubt ist, auf den Bryozo@ncolonien recht eigentlich eine halb oder ganz parasitische Lebensweise zu führen. Sie sitzen bestän- dig auf denselben fest und thuen ihnen grossen Abbruch. Verschiedene 5 Autoren, z. B. Srence Bare und Westwoop, auch Dana, haben, offenbar # von dieser Ansicht ausgehend, sie in dieser Lage gezeichnet. a werden in einer als Schluss angehängten Betrachtung sehen, wie ihre äussere Form sich dieser Lebensweise anpasste. Wir treffen daher Hi die gewiss seltenen Beispiele im Thierreiche vereinigt, dass sich ein Pa- & rasit auf Kosten einer ganzen Golonie von Individuen ernährt und dass der Schmarotzer unendlich viel grösser erscheint, wie das einzelne Wohnthier. ER Entsprechend der parasitischen Lebensweise bewegen sich diese Thiere, von ibren Wirthen entfernt, nur unbeholfen und widerwillig. Sie hnnen auch nur sehr erlis unter stetem Klappen des 3 Leibes und bei den Arten mit Ruderantennen unter stetem Peitschen des 3 | Wassers vermittels derselben. In ein Gefäss mit Salzwasser gebracht, vermögen sie sich nicht lange in schwebender Lage zu erhalten ; sie sin- ken fast sofort unter den oben erwähnten Sch wine u Boden und sind nur dadurch zum erneuten Verlassen ihres Standor es | zu veranlassen, dass man das Wasser durch Schütteln des Gefässes oder durch Umrühren mit einem Glasstabe in wirbelartige Bewegung bring Es ist daher unrichtig, wenn man von einigen Autoren vernimmt, mai sehe unsere Thiere zuweilen freiwillig und augenscheinlich ohne äussere Veranlassung herumschwimmen. Sie verlassen im Gegentheil die Bryo- Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes, 393 ee eolonien nur gezwungen, und verschaffte ich mir sie in hinreichen- der Anzahl unversehrt, jüdem ich kleine Büsche des Wohnthieres unter "Wasser energisch schüttelte oder zerzauste. Höchst selten findet man ‚ganz vereinzelte Individuen unter den Algen, welche an den nämlichen Standorten mit diesen wachsen. In diesem Falle sind es entweder Thiere, die ihre Wohncolonie zu Grunde gerichtet haben und nothgedrungen eine andere aufsuchen, oder sie wurden durch das heftig bewegte Meer von ihrem Aufenthaltsorte entführt. Einmal im Glase zu Boden gesunken, lebten die Gaprelliden noch "höchstens zwei Tage und gingen dann zu Grunde. Etwas länger gelang es mir sie am Leben zu erhalten, wenn ich in das nämliche Gefäss einige Bryozoön setzte. — Im Absterben begriffene oder bereits todte Exem- ‚plare schwimmen in völliger Inertie auf der Oberfläche des Wassers, gleich als ob sie mit Oel getränkt wären. Ich lernte diese Eigenschaft für viele kleinere Krebse kennen, so namentlich auch für Amphipoden ‘ und kleinere Isopoden, wie Tanais, Paranthura und viele andere. Hesse "hat dieses auch schon beobachtet und fragt nach dem Grunde dieser "Erscheinung. So wird es wohl keinen Zoologen geben, der sich mit den kleineren Grustaceen beschäftigte und dem dieselbe unbekannt geblieben wäre. Eine genügende Erklärung hat aber trotzdem noch nicht gegeben werden können. Doch beobachtet man diese Erscheinung nicht nur bei den Arthropoden; sondern nach mündlichen Mittheilungen von Professor For. hat derselbe dieses Benehmen schon längst für die Appendicularien gekannt. Es scheint mithin, dass diese Erscheinung allen absterbenden Thieren eigen ist, deren Körper äusserlich mit einer todten Haut bekleidet ist, ‚insofern dieselben nicht durch ihre Grösse oder das Gewicht ihrer "Bekleidung zu diesem Benehmen ungeeignet sind. Möge mit dieser Gene- ralisirung ein erster Schritt zur Erklärung dieses Phänomens geschehen sein! 3. Epizoen. wa Pflanzen. An einigen Körperstellen mancher Gaprelliden findet "man oft massenhafte und dicht gedrängte Büsche einer grossen gelblich gefärbten Diatomacee. Höchst eigenthümlich ist das allerdings seltene Verhalten einer inen Fadenalge zu kleineren Caprellidenarten. Sie findet sich zur lfte innerhalb des Darmcanals und durch die Chitindecke hindurch itlich sichtbar. Die andere Hälfte ragt frei zum After hinaus. Man zeugt sich leicht durch das kräftige Grün des Chlorophylis, sowie 394 G. Haller, haben. Die Nahrung der Gaprelliden ist ja im Uebrigen auch keine vege- tabilische. Ein Fall von wirklichem Parasitismus liegt ebenfalls nicht vor, so kann ich mir denn dieses auffallende Zusammenleben von Thier und Pflanze höchstens durch eine Art Commensualismus erklären. Sehr häufig sieht man am Körper der Gaprelliden, namentlich der- jenigen, die auf schlammigem Grund gefunden werden, zerstreute rosen- rothe bis violette Flächen, welche dem Körper schildlausartig ankleben. Dieselben erweisen sich als aus vielen einfachen Zellen zusammenge- setzt und entsprechen wahrscheinlich den Prothallien von Florideen, welche sich rings um die Bryozoenwäldchen vorfinden. Endlich finden sich noch einzelne rundliche oder elliptische Diatomaceen vor, welche innig mit der Ghitindecke verwachsen scheinen. Es kann sicher in keinem von allen diesen erwähnten Fällen die Rede von echtem Parasi- tismus sein. | b. Thiere. Dieselben gehören zwei verschiedenen Typen an, den Protozo@än und den Arthropoden. Wahrer Parasitismus lässt sich wohl für keinen derselben nachweisen, doch wählen sie sich ver- schiedene Körperstellen zum Tummelplatz, oder um sich festzusetzen und verdienen daher bescheidenes Interesse. Aus dem Typus der Protozo&n beobachtete ich in erster Linie einen auffallenden Epizo@en. Derselbe wurde von mir vielfach an Amphi- poden und Caprelliden an den hinteren Extremitäten, bei Copepoden an den Furcalgliedern vorgefunden. Er zeigte sich hier unter der Form blasser korkzieherartig gewundener Fäden, die aufs Vielfältigste ver- schlungen ein reichliches Geflecht bildeten. Die Einzelthiere von sehr geringer Grösse lagen eng aneinandergeschmiegt und in einfacher Reihe einem blassen Stroma eingebettet. In Grösse und Gestalt erinnerten sie etwa an Tetrabaena Dujardinii Fromentel!). Sie besassen einen Nucleus und je ein einziges Pseudopodium. Eine pulsirende Vacuole liess sich nicht auffinden. Man beobachtete sehr häufig eine Anastomose des Aus- läufers des einen Thieres, mit demjenigen eines benachbarten. Wurden durch starken Druck auf das Deckgläschen die Ketten gesprengt, so liess sich endlich erkennen, dass die Einzelthiere durch ein Stroma zusammen- gehalten wurden, welches aus sehr blassen und farblosen Fäden bestand, die ein netzartiges Geflecht bildeten und sich an den Berührungsstellen dicht aneinander schmiegten. In diesem Verhalten zeigten sie offenbar Aehnlichkeit mit Anthophysa Mülleri2), bei der die Einzelwesen gruppen- 4) Etudes sur les Microzoaires ou Infusoires proprement dits par E. DE FROMEN- TEL. — Planches et notes descriptives des especes par Mme J. LosArp-MuTEAu. Paris 4874. Pl. XXVI, Fig. 2, 2a. p. 339. | 2) Eodem loc. Pl. XXVII, Fig. 5, 5 a. p. 337. Dr 9 ER x PER N. N Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 395 _ weise von einem verzweigten Stamm getragen werden. Wir haben da- her möglicher Weise eine neue Gattung vor uns. Vielleicht sind aber E diese monadenartigen Wesen nicht einmal erwachsene Thiere, sondern _ nur Entwicklungsphasen eines anderen Infusoriums, weshalb ich es ab- -siehtlich unterlasse, denselben einen Namen zu geben und es vorläufig - bei dieser Signalisirung bleibt. Es ist sodann eine neue Art aus dem Genus Podophrya zu kenn- “zeichnen. Ich heisse sie Podophrya erustaceorum mihi (Fig. 40. A und B), weil sie mit grosser Vorliebe alle Krustenthiere des marinen _ Wassers bewohnt. Sie zeichnet sich vor den meisten verwandten Arten - durch den ausserordentlich langen und deutlich geringelten Stiel, sowie _ durch den leicht gelblich gefärbten, granulirten und am freien Pol kaum - merklich ausgezogenen Körper von schwach verbreiterter Kugelform _ aus. Derselbe trägt erstlich eine sehr grosse Anzahl von Pseudopodien, _ deren wir zwei Gruppen unterscheiden. Die eine weitaus zahlreichere besteht aus einfachen langen Strahlen, die zweite aus kurzen am Ende mit einem einfachen Scheibchen versehenen Saugfüsschen. Ausserdem trägt der Leib der Erwachsenen stets eine beträchtliche Anzahl von Knospen verschiedener Grösse. Im Innern dieser letzteren zeigt sich ein deutlicher Kern mit Nucleolus, eine pulsirende Vacuole fehlt; die- selbe tritt erst bei den bereits selbständig gewordenen und sitzenden "Individuen hinzu. Interessant ist bei den erwachsenen Mutterindividuen das Vorkommen mehrerer Kerne. Wir sehen, dass diese Art durch den geringelten Stiel einigermassen an Podophrya conipes Mereschkowsky !) _ erinnert, sich aber von ihr unterscheidet durch den im Grundriss fast ‚querovalen Körper, sowie durch die sehr kurzen Saugfüsschen mit ein- facher nicht vertiefter Scheibe. Mit der eben erwähnten möchten viel- leicht eher die Podophryen identisch sein, welche ich letzten Winter vorübergehend, theils an Vibilien selbst, theils in den von diesen im Körper der Salpen ausgefressenen Höhlen in grosser Menge beobachtete. Ueberhaupt mache ich die Liebhaber von Infusorien aufmerksam, dass der Körper der kleineren Grustaceen sehr oft einer sehr grossen Menge derselben, namentlich eben Acinetinen, zum Aufenthalt dient. Ich kann mich selbstverständlich hier nur ganz oberflächlich mit denselben be- sen. Vorübergehend soll hier auch eines oxytrichinenartigen Infu- iums Erwähnung gethan sein, das sich zuweilen am Abdomen der ) €. von MERESCHKOWSKy, Studien über Protozo@n des nördlichen Russland in wi. mikroskopische Anatomie. Bd. XVI, 2. Heft. 1878. Taf, X, Fig. 39, 39 a, XI, Fig. 46. p. 173. 396 G. Haller, dipodes filiformes kann ich nur ein einziges Beispiel eitiren. Dasselbe betriffı einen winzigen hellgelblichen Copepoden, soviel ich sehen konnte aus der Familie der Corycaeiden. Wegen seiner Seltenheit konnte ich ihn noch nicht näher untersuchen. Jedenfalls hat er stechende Mund- theile und ist somit vielleicht der einzige wahre Parasit unter allen Epi- zoen, welche wir oben kennen gelernt haben. } III. Systematisches. Ein eingehenderes Studium der vorhandenen systematischen Lite- ratur lehrt uns, dass auch die Systematik noch auf sehr schwachen Füssen steht. Mit hinreichender Sicherheit sind eigentlich nur die vier im Mittelmeer vorkommenden Gattungen bekannt, die übrigen ver- dienen immer noch Misstrauen. Nichts destoweniger habe ich jene vier Genera einer eingehenden Prüfung unterworfen und glaube auch da einiges Neues gefunden zu haben. Leider standen mir nur die selbst gefischten Arten, und diejenigen, welche mir von Professor Vogt aus Roscoff mitgetheilt wurden, zur Verfügung. Man wird mit Ausnahme der neu zu beschreibenden sämmtliche noch zu erwähnende Arten in »A History of the British sessile eyed Cru- stacea Tom II« von GC. Spence Bate and J. OÖ. Westwoon finden, allwo für eine jede eine vollständige Uebersicht der älteren Literatur aufge- führt ist. Seit diesem systematischen Hülfswerke ist auf dem Gebiete - der Artenkenntniss nur Weniges nachzutragen. Erstlich erschienen zwei Arbeiten Grusr’s, in denen einige neue Arten beschrieben wurden; es wird im folgenden Werke darüber berichtet, mir liegen sie nicht ver. Erwähnung verdient vor Allem Heııer’s »Beiträge zur näheren Kennt- niss der Amphipoden des adriatischen Meeres« aus dem XXVI. Bande der Denkschriften der mathemat.-naturwissenschaftl. Classe der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. | Ich habe aus obigen Gründen auch hier Abstand davon genom- men eine gesammte Bibliographie der Genera und Species zu geben, die doch nur eine Wiederholung dessen sein würde, was bereits vor mir ge- leistet wurde. A. Proto Leach. Sämmtliche Thoracalsegmente mit mehr oder minder ausgebildeten Beinpaaren versehen. An der Basis des dritten bis fünften dieser letz- teren findet sich jeweilen ein Paar lang gestreckter Kiemensäckchen. Am Abdomen drei Segmente und zwei rudimentäre Beinpaare. Mandi- bularpalpus vorhanden. Be F Rn Du 5, Sn r u a N hr r % T W x Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 397 Alle Thoracalsegmente mit Ausnahme des letzten erweisen sich als sehr gestreckt und einzig das siebente ist verkürzt. Geschlechtliche in der Körpergestalt begründete Unterschiede fehlen ganz. Am Abdomen beobachtet man drei deutliche Segmente, von denen jeweilen eines be- trächtlich kleiner ist wie das vorhergehende. Das letzte ist das kleinste und sitzt einem Einschnitte des zweiten kappenförmig auf. Die zwei vordersten Beinpaare verhalten sich durchaus wie bei den anderen Gattungen, das heisst sie sind Greifhände. Die drei folgenden sind noch vorhanden, aber zeigen bereits einen deutlichen Schritt zur Verkümmerung. Das dritte derselben ist bereits nicht mehr normal, sondern sehr gering und unbeholfen (Fig. 22). Auffallen muss dieses Verhältniss, weil doch bei den Gattungen Caprella und Protella gerade dieses Beinpaar sich gleicher Ausbildung wie die nachfolgenden erfreut. Im Uebrigen finden wir hier bereits ein Gesetz ausgesprochen, auf das ich später noch aufmerksam machen muss. Die normale Lage der Bein- paare scheint diejenige in der Mitte des entsprechenden Thoracalsegmen- tes zu sein. Mit ihrer Ausbildung zu Klammerwerkzeugen schien aber gleichzeitig eine Verlegung nach hinten von Nutzen zu sein. Wenigstens müssen wir von nun an die zwei oder gar drei letzten Beinpaare ganz _ am hinteren Ende ihres Thoracalsegmentes suchen. Diesen Fall er- _ kennen wir auch hier bei Proto, wo diese Extremitäten stets sehr lang sind. Auf der Bauchfläche des deutlich dreisegmentigen Abdomens er- heben sich, wie schon angemerkt, zwei rudimentäre Beinpaare (Fig. 24). Dieselben sind säbelförmig nach einwärts gekrümmt; sie bestehen aus _ einem unteren stark verlängerten Basaltheile und einem oberen eben so ‚sehr verkürzten und nach einwärts gebogenen Gliede. Das zweite Paar ist beträchtlich kleiner wie das erste. | Bei Proto finden sich stets drei Paare von Kiemensäckchen, also ‚ eines mehr wie bei den nachfolgenden Gattungen. Das erste derselben steht an der Basis des zweiten Thoracalfusspaares, die zwei folgenden an der Basis der vierten und fünften Extremität. Ihre Form ist meist eine viel gestrecktere, wie bei den übrigen Gaprelliden. Für gewöhn- lich differiren sie unter sich an Grösse trotz der verschiedenen Ausbil- dung ihrer Fusspaare kaum wesentlich. Ja bei einer Art ist das erste Paar sogar das grösste und nehmen dieselben nach hinten zu an Grösse | ‚ab, so dass das dritte das kleinste ist. Ich sehe in den beiden mitge- theilten Thatsachen auffallende Widersprüche gegen den noch heute hin und wieder ausgesprochenen Grundsatz, dass sich die Kiemensäckchen ler Laemodipoden auf Kosten der Extremitäten derselben entwickeln. Was den Mandibulartaster anbelangt, so stimmt er fast vollkommen chrift f. wissensch. Zoologie. XXXIII. Bd. 26 7 398 6. Haller, mit demjenigen von Protella phasma überein und dieser soll Pe be 4 schrieben werden. Proto pedata Fleming. Zur Unterscheidung der wenigen Proto-Arten, welche bis jetzt mit Sicherheit bekannt sind, tragen wohl am besten die verschiedenen For- men des Handgliedes bei. BeiProto pedata sind beide Seitenkanten con- vex, die innere vorn ohne Höcker, hinten mit zwei schwachen Dornfort- sätzen. Die Art ist von SrencE BATE und Westwoon sehr kenntlich be- schrieben und abgebildet worden, weshalb ich mich durch sie nicht | weiter aufhalten lasse. Bei Messina, Villafranca, Neapel, Marseille, Liparischen Inseln über- all sehr häufig und auf verschiedenem Meeresgrunde gefunden. Pro- fessor Vogt brachte dieselbe auch in mehrfachen eh von Ros- coff mit. a En AED ai ne 22 En nn Kae a ar ul Proto Goodsiri Spence Bate und Westwood (Fig. 23—25). Die beiden Kanten der Hand laufen fast parallel, weshalb die Flächen vorn und hinten fast von gleicher Breite sind. Die äussere Kante ist convex, die innere in ihrem grössten Theile concav. Nahe der Basis findet sich kein Dornfortsatz, dagegen ein tiefer Einschnitt, in den ein köcherartiges Chitingebilde eingepasst ist. Die Kralle ist kurz, trägt nahe der Ansatzstelle nach innen eine zahn- oder höckerartige Ver- dickung und ihre Spitze passt ganz genau in jenen Köcher. In der Mittellinie der Bauchfläche trägt jedes Thoracalsegment am Vorderende einen eigenthümlichen kielartigen Fortsatz (Fig. 24), den ich nur bei dieser Art beobachtete. Ein jeder Ring besitzt ihn und derselbe wird in dem Maasse kürzer, wie sein Abschnitt. Vorn ist er daher ziemlich lang, nach hinten sehr gedrungen. Nach vorn überragt er schräg aus- gezogen eiwas das Ende des vorhergehenden Thoracalsegmentes, zu- gleich ist er hier beträchtlich erhöht und abgerundet. Nach hinten nimmt er sanft an Höhe ab und geht ganz allmälig in die Bauchfläche: über. Er erweist sich als bedeutend dünner wie die Körperdecke und diese schickt am Ende knopfförmig verdickte Ausläufer und einfache Wellenlinien von ihrer eigenen Dicke in ibn aus, die sich als erhabene Figuren darauf abzeichnen. Endlich lassen sich in ihm selbst eine An- zahl unter sich und mit dem Rande parallel verlaufender Linien verfol gen. Vielleicht müssen wir in diesem kielartigen Gebilde ein Steuer- organ erkennen, dessen das Thier bei seinen kriechenden Bewegung . möglicher Weise eben so gut bedarf, wie wenn es ein vorzügliche: Schwimmer wäre. ee. Beiträge zur-Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 399 Die Beschreibung und Abbildung der Art bei Srence BarE und WesTwoon ist zwar zum Erkennen der Art durchaus genügend. Allein es ist noch in letzter Zeit die Vermuthung ausgesprochen worden, Proto - Goodsiri sei nur das jugendliche Thier von Proto pedata; überdies ist die Abbildung von Spence BATE wenig geeignet, uns einen Begriff von der Zierlichkeit dieser Art zu geben, so habe ich denn meinem Aufsatze eine Farbenskizze dieser schönen Art beigefügt (Fig. 23). Im Mittelmeer fand ich diese Art niemals, was gewiss gegen obige Ansicht spricht, da Proto pedata in allen Lebensstufen vorgefunden wurde. Dagegen sammelte sie Prof. Vosr in Roscoff und theilte mir daher stammende geschlechtsreife Thiere mit. Proto brunneovittata mihi (Fig. 19—22). Artcharakter. Das Handglied des zweiten Fusspaares am Pal- marrande mit drei zugerundeten Höckern und nahe der Basis mit zwei - Stachelfortsätzen, sehr gross. Am Grunde der letzteren ein begrenzter brauner Fleck. Drittes Glied der nämlichen Extremität nach aussen mit einem eigenthümlichen Dornfortsatz. Kiemensäckchen klein, letztes fast | rudimentär. Jedes Thoracalsegment mit breiter brauner Binde. Viel grösser wie die vorigen. “ Der Kopf ist gross, nach oben wie nach unten zugerundet. Das erste Leibessegment übertrifft ihn an Länge um die Hälfte seiner eigenen. Die folgenden Thoracalsegmente, mit Ausnahme des letzten, werden nach hinten zu immer länger; das zweite kommt an Länge ungefähr dem ganzen ersten durch Verschmelzung entstandenen Körperabschnitte gleich. Das letzie Thoracalsegment erweist sich dagegen plötzlich als nur von einem Dritttheil der Länge seines Vorgängers. Körperabschnitt zwei bis fünf zeigen in ihrer Mitte, sechs an seinem Ende eine starke allmälig anschwellende Verdickung. Das letzte Thoracalsegment ist un- ‚gefähr von halber Breite wie das Ende des vorhergehenden. & Das erste Fusspaar hat einen ansehnlichen und sehr gedehnten Wuchs, was namentlich auch dessen Handglied gilt. Letzteres gleicht _ einem Mohr spitzwinkligen Dreiecke, dessen spitzer Winkel nach der Kalle zu gerichtet ist. Das zweite Fusspaar (Fig. 19) und namentlich | dessen Greifhand ist von sehr starken Dimensionen, imponirt völlig durch seine Grösse. Es weist scheinbar nur fünf Glieder auf; ein trügerisches _ Missverhältniss, das wir bei manchen Caprelliden treffen und das da- lurch zu Stande kommt, dass das letzte der drei kleinen Verbindungs- ‚Siteder verborgen an der Innenseite angebracht ist. Das Armglied ist ang, dünn und wenig gebogen, gegen das Ende hin allmälig etwas ker; das erste der Verbindungsglieder erscheint sehr gering und fast TER 26* 400 -G. Haller, rechteckig, das zweite ungefähr von doppelter Länge, seine vordere äussere Ecke ist in einen starken nach vorn gerichteten Dornfortsatz verlängert. Das Handglied kommt dem Arme an Länge fast gleich, über- trifft ihn aber an Breite um ungefähr das vierfache. Es besitzt einen schwach gebogenen Beugungs- und einen fast geraden Streckungsrand. An letzterem erheben sich drei sanft gerundete Höcker, von denen die beiden äusseren grösser sind als der mittlere kleinere. Nach oben von ihnen, d. h. gegen das Armglied zu, entspringen zwei ungleich grosse dünne Dornfortsätze,, der erste ist der grössere und beide tragen starke Greifborsten. DasKrallenglied ist lang und stark, nahe seinem Ursprunge höckerig verdickt und stark gebogen. Von den drei Kiemenpaaren haben nur diejenigen der Greifhand eine normale Ausbildung, diejenigen des dritten sind bereits kleiner zu heissen, die letzten endlich müssen als fast verkümmert bezeichnet wer- den (Fig.20). Die vergrösserten Hinterbeine sind sehr lang und kräftig. Ihre sichelförmigen Krallen erweisen sich als recht ansehnliche Waffen. Recht bezeichnend für diese Art ist die Färbung. Der Körper ist farblos, wird aber von einigen quer verlaufenden braunrothen Binden geschmückt, ausserdem finden wir einige mächtige Flecken nämlicher Farbe. Von den Binden zieht sich jeweilen eine über die Mitte des zweiten bis vorletzten Körpersegments. Am vorletzten und letzten finden wir sie dagegen dicht vor dem Ursprunge der Beinpaare. Von den grossen Flecken nimmt einer die Schnauze und die Mundtheile fast gänzlich in Beschlag, andere haben wir an der Wurzel der Dornfortsätze am Palmarrande des zweiten Fusspaares zu suchen. Proto brunneovittata fand ich bis jetzt nur in wenigen Exemplaren in Messina und zwar im Hafen gegenüber der grossartigen Häuserreihe der Marina. Sie lebte daselbst in einer Tiefe von ungefähr 150 Meter auf schlammigem Grunde. 2 Protella Dana. - Gestalt diejenige der Gattung Caprella, doch rudimentäre Beinstum- mel neben den Kiemensäckchen ; von diesen nur zwei Paare vorhanden. Mandibeln mit Taster. $ In der Gestalt stimmen die wenigen Arten der Gattung Protella mit Caprella vollkommen überein. Die vorderen Beinpaare sind wie bei den | übrigen ar besehnfien, die mittleren zwei ae bis auf kurt und stehen am ande ihres en Es kommen auch hier nur zwei Kiemenpaare vor, welche sich zu den rudimentären Beinpaaren ge- sellen. Was Protella der vorigen Gattung anschliesst, mit Aegina ver Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 401 wandt macht und ebenso sehr von Podalirius wie von Gaprella unter- scheidet, ist das Vorhandensein eines Mandibulartasters. Die kurzen Beinstummelchen erweisen sich als aus einem einzigen kurzen oder nur wenig verlängerten säbelförmigen Gliede bestehend, das an seiner Spitze mehrere kurze Härchen trägt. Sie erinnern in ihrer Form an das Stummelchen des vorletzten Beinpaares von Podalirius, in ihrer Lage, d. h. dadurch, dass sie nicht am Ende des ihnen entspre- chenden Abschnittes, sondern in dessen Mitte nahe der Bauchfläche stehen, sowohl an die halb verkümmerten mittleren Beinpaare von Proto, wie an den vorhin erwähnten Stummel von Podalirius. Wir sehen mit- bin, dass auch die rudimentären Extremitäten den normalen Standpunkt wieder einnehmen. Bei Protella gracilis Dana, welche, wenn wir uns als den Anfangspunkt der von sämmtlichen Laemodipoden gebildeten Reihe die Gattung Proto denken, mithin die ältere Art ist, sind die Stum- melchen noch ungefähr so lang wie die Kiemen, bei Protella phasma da- gegen bereits ganz verkürzt. Das Abdomen (Fig. 28) der Gattung Protella hesteht, wie dasjenige der Caprellen, nur aus zwei Segmenten, einem ersten weitaus grösseren und einem zweiten kleineren. An der Bauchfläche des Abdominalhöckers finden wir an Stelle der zwei rudimentären Beinpaare vier abgerundete Höcker, die dicht mit langen Borsten besetzt sind. Dadurch erinnern - dieselben offenbar'an die Bildung des Hinterleibes der Cyamiden. Der Mandibulartaster (Fig. 27) ist schlank, sowie stets etwas nach - aussen und unten gekrümmt. Er besteht aus drei deutlichen Gliedern, einem kurzen Grundgliede, und zwei folgenden gleich langen, von denen ein jedes etwa sechs Mal so lang als breit ist. Das dritte verdickt sich gegen die Mitte hin ganz allmälig und läuft dann ebenso in eine etwas stumpfe fast nagelförmige Spitze aus. Das Grundglied erweist sich als ganz kahl, das zweite trägt einzelne zerstreute und das dritte eine ein- fache Reihe von Borstenhaaren. An letzterem zeichnen sich die zwei ersten und die letzte der Reihe durch ihre Länge aus, sowie dadurch, dass sie durch eine Biegung in ihrem Verlaufe an die geknieten Borsten der Gopepoden erinnern. Die Mandibeln (Fig. 27, 28 und 29) fallen durch ihre starke Be- | _ waffnung auf. Sie bestehen aus einem sehr gut entwickelten, ungefähr dreieckigen Grundglied, dessen eine nach hinten gerichtete Spitze ab- ' gerundet, dessen obere ausgerandet ist und den Fühler trägt. Die dritte Seite dieses Dreiecks endlich ist ebenfalls quer abgestutzt und trägt eine teihe scharfer Zähne. Am Grundglied der Mandibeln springt nach ken Höcker versehener Fortsatz hervor (Fig. 28 A). Der untere freie - 402 6. Haller, Rand derselben trägt mehrere starke hakenförmige Zähne, von denen nur die inneren (Fig. 28 A, i) ganz glatt, die äusseren (Fig. 28 A, a) da- gegen mit spitzen Granulationen versehen sind. An der inneren con- caven Fläche ragt an diesem ersten Fortsatz ein zweiter höckerarliger (in unserer Fig. 28 B) nach unten. Dieser ist ausserordentlich stark, von unten nach oben und namentlich oberhalb der Mitte stark verdickt. An seiner unteren Querfläche findet sich eine grosse Anzahl undeutlich vier- eckiger bis rundlicher Höckerchen (unsere Fig. 28 B, b), welche sich von der Seite gesehen als ebensoviele dicht gedrängte Zähnchen zu erkennen geben. Von unten betrachtet erhält die Querfläche durch die grosse Zahl derselben ein Aussehen ähnlich einer Schneckenradula (Fig. 29). Es gilt hier noch einen Irrthum GAmroTH’s zu berichtigen. Derseibe hält die spitzen Ausläufer an der Rückenfläche von Protella phasma als charakteristisch für die Gattung. Allein dieselben werden wohl als be- zeichnend für eine Species, doch nie für ein Genus gelten können. Wirklich sehen wir denn auch, dass einige CGaprellen dieselben eben- falls besitzen, so z. B. Gaprella acanthifera Leach, tuberculata Guerin und armata Heller, ohne dass sie als Gharakteristicum für die Gattung Caprella dienen dürften. Hier schliesst sich die Gattung Aegina an, von der ich keine Re- präsentanten in der Mittelmeerfauna gefunden habe. Sie unterscheidet sich von Protella durch das Fehlen der rudimentären Fussstummeln, . von Gaprella durch das Vorhandensein eines Mandibulartasters, wo- durch sie wieder an jene erste Gattung erinnert. Sie bildet mithin ein Uebergangsglied von Protella zu Gaprella. Protella phasma Latr. (Fig. 26). Von dieser Art scheinen zwei verschiedene Varietäten vorzukom- men, welche ich lange Zeit für zwei verschiedene Arten hielt, eine grössere und eine kleinere. Jenes sind die Männchen, von deren einem ich mir eine Farbenskizze zu geben erlaube (Fig. 26). Die Weibchen er- scheinen als weit zierlichere und schmächtigere Gestalten; mit mehr gedrungenem und geringerem Wuchse der zweiten Greifhand, sowie einfachem, eiförmigen Kiemensäckchen; ihr Beinstummel ist end- lich um Weniges länger. In einem Worte, sie entsprechen der Abbil- ‚dung und Beschreibung von Spence Bate und Westwoop. Die Männchen treten uns dagegen in der Form eines viel kräftigeren und grösseren Thieres entgegen, dessen Waffen ungleich viel bedeutender und länger sind. Am zweiten Fusspaar fällt namentlich das vorletzte Glied durch | seine Länge und Ausbildung in die Augen, doch auch das Armglied ist bedeutend länger. Die beiden Flächen der Greifhand werden von De Beiträge zur Kenutniss der Laemodipodes filiformes. 403 schorfartigen Chitinverdickungen überzogen. Die Kiemen endlich haben eine auffallend schuhförmige Gestalt und die Beinstummelchen sind so klein, dass sie leicht übersehen werden können. Diese beiden Formen, mithin Männchen und Weibchen, sammelte ich in buntem Gemenge mit Gaprella aequilibra in ungeheurer Zahl und in allen möglichen Altersstufen an den schwimmenden Tonnen von Mes- ‚sina und Villafranca. Auch in Seilla, Lipari u. s. w. fand ich sie in hinreichender Menge, und Professor Vosr sammelte sie in zahlreichen Exemplaren bei Roscoff. CGaprella Lamarck. Körper in den vorderen Thoracalsegmenten mehr oder weniger ge- dehnt, in den zwei bis drei hinteren merklich gedrungen. Vordere Thoracalfusspaare wie in den übrigen Gattungen. An den zwei mittle- ren Segmenten nur Kiemensäckchen, keine Beinstummel; hintere drei Thoracalfusspaare mehr oder weniger ausgebildet am Ende ihres Seg- mentes. Abdomen mit einem rudimentären Beinpaar und einem Paar flossenartiger Bildungen. Mandibulartaster fehlt. In Bezug auf die Leibesgestalt erinnert die Gattung Caprella an die Genera Protella und Aegina. Ihre vorderen Segmente sind immer etwas _gedehnt, mitunter sogar sehr lang; ihre zwei bis drei hinteren, nament- lich die zwei letzten oft sehr kurz. Dagegen unterscheidet sie sich eben- sowohl von diesen beiden, wie von Proto durch den vollständigen Mangel ‚eines Mandibulartasters. Mit Aegina besitzt sie dagegen gemeinsam, was zum Unterscheidungskennzeichen beider von den Gattungen Proto und _ Protella dienen kann, dass nämlich an den zwei mittleren Thoracalseg- menten weder ganz noch halb verkümmerte Beine vorkommen. Gleich wie Aegina und Protella besitzt auch Caprella drei ausgebildete Hinter- beinpaare, welche am Ende ihres Abschnitts stehen. Der Abdominal- ‚ höcker (Fig. 37 A und B) ist sehr klein. Er lässt. aber zwei deutliche Segmente erkennen. Das zweite wird nach hinten zu von einer rudi- mentären Schwanzflosse abgeschlossen. Ein ähnliches Verhältniss er- kennen wir, wie nachzutragen, ebenfalls bei Protella. An der Stelle der beiden Höckerpaare jener stehen dagegen ein vorderes Paar stummel- förmiger Abdominalbeinchen und ein hinteres Paar rudimentärer flossen- artiger Bildungen. Nach dem Verhalten der unteren Fühler lassen sich ‚ wie wir ge- sehen haben, die zahlreichen Arten in zwei Untergenera eintheilen, die 404 G. Haller, Subgenus I. Caprellen, deren unteres Fühlerpaar Ruderborsten trägt. z 1. Gaprella aequilibra Spence Bate und Westwood. Durch Abhildung und Beschreibung in dem mehrmals angeführten Werke von Spence Bat und Westwoop genügend gekennzeichnet; Wiederholung wäre unnütz. Die von Heer als neu beschriebene und abgebildete Gaprella monacantha ist nur ein junges Thier dieser weit verbreiteten Art. Wurde von Gamrora bei Triest in Menge beobachtet. Sie bewohnt auch in Villafranca in zahlreichen Gesellschaften, worunter alle mög- lichen Abstufungen vorkommen, die nämlichen schwimmenden Tonnen, wo ich Protella phasma sammelte. Von Neapel ist sie mir ebenfalls in zahlreichen Exemplaren bekannt geworden, aus Messina erhielt ich sie nie. 2. Gaprella acutifrons Latr. Ich fand diese von Spence BAtE und WEsTwoon sehr kenntlich be- schriebene Art sowohl bei Lipari als bei Scilla, auch in Messina, dagegen nie in Villafranca. Sie lebt an mit Algen überwachsenen Felsblöcken in sehr geringer Tiefe unter dem Wasserspiegel. 3. Gaprella liparotensis nov. spec. (Fig. 41 und 22). Artkennzeichen. Körper sehr gedrungen, namentlich in der 3 Mitte stark verdickt. Arm- und Verbindungsglieder des zweiten Fuss- 3 paares sehr kurz, Armglied an der Streckungsseite mit nach vorn stehendem Dorn.’ Handglied selbst gross und dick , nahe der Basis mit beweglichem Hakenfortsatz ; Kralle stark und plump. Hinterbeine kurz und dick. E Der Körper erweist sich im Allgemeinen als ziemlich stark ge- drungen und namentlich in der Mitte als sehr verdickt; erinnert mithin einigermassen an Caprella robusta Dana. Sonst ist er weniger abge- flacht wie bei der vorigen Art, doch ist der Rücken ebenfalls unbewehrt und auch hier finden wir an der Stirn den Stachel, welcher Caprella aculifrons ihren Namen verliehen hat. Ausserdem ist der Kopf vier- = schrötig, ungefähr so lang als breit und dick. Er wird vom ersten Leibessegment, das ohne deutliche Trennung in ihn übergeht, an Länge um ein Weniges übertroffen. Als länger wie Kopf und erstes Körper- segment beschreibe ich das zweite, welches etwas hinter seiner Mitte nach unten einen paarigen, sehr breiten aber wenig hohen und zuge- rundeten Höcker trägt. Das dritte und vierte Körpersegment sind unter 7 ie u A 3 a Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 405 sich ungefähr gleich lang, aber bedeutend kürzer wie das zweite; sie erweisen sich in der Mitte als sehr stark verdickt, überhaupt wird ihre Breite von der Länge nur etwa um ein und ein halb Mal übertroffen, ein Verhältniss, wie wir es bei keiner anderen Gaprellide wiedertreffen. Nach hinten zu werden die Thoracalsegmente immer dünner und kür- zer, zugleich schwellen sie auch gegen ihr Ende hin höckerartig an. Die Antennen verhalten sich wie diejenigen von Gaprella acanthi- fera. Die oberen sind stark und kräftig, die halbe Körperlänge ein wenig überragend, ihr Stiel etwas länger wie das Flagellum, das aus 14—A5 am Ende leicht erweiterten Gliedern besteht. Die unteren Antennen übertreffen den Stiel der oberen etwas an Länge. Das erste Glied der zweigliedrigen Geissel ist viel kürzer wie das zweite. Die Greifhand des ersten Körpersegmentes (Fig. 41) weist normal entwickelte Verhältnisse auf. Das dritte Glied ist nach unten und hinten in einen stumpfen starken Fortsatz ausgezogen, ebenso das folgende. Beide Fortsätze tragen starke Borsten. Das Handglied ist stärker wie bei der vorigen Art und ähnlich einem bogenseitigen Dreieck mit gegen die Kralle zu gerich- teter Spitze. Die vier Verbindungsglieder des zweiten handförmigen Fusspaares (Fig. 41) sind dagegen ausserordentlich kurz und verküm- mert, während das Handglied stark ausgebildet ist. Uebrigens ent- springt diese Extremität hinter der Mitte ihres Körpersegmentes an der höckerig verdickten Körperstelle. Das erste Glied ist kaum so hoch als breit und an der Streckseite in einen fingerförmigen Dornfortsatz ver- längert; das zweite Glied zeigt sich uns nur als schmaler Ring. Das dritte und vierte Glied sind zusammen verschmolzen und bilden ein nahezu cubisches Chitinstück, das nach der Beugefläche hin in einen mittleren Dornfortsatz ausgezogen ist. Das Handglied erweist sich uns als zwei und ein halb Mal so lang wie das kurze durch Vereinigung aller Glieder entstandene Armstück und zwei Mal so breit wie dasselbe, zu- gleich sehen wir, dass es dick und angeschwollen ist. Bis nahezu zur Spitze besitzt es gleiche Breite, weshalb die Seiten wenig convex scheinen und fast parallel verlaufen. Nahe vor der Spitze verjüngt es sich dann plötzlich , so dass an der Innenkanie eine vorspringende Ecke entsteht. Dicht hinter derselben zieht sich schräg nach auf- und einwärts ein tiefer und schmaler Einschnitt, durch welchen ein nach vorn vor- springender, stumpfer Dornfortsatz von der inneren Kante abgetrennt wird. Endlich finden wir nahe der Basis einen eigenthümlichen winklig zurückgekrümmten Fortsatz, welcher beweglich inserirt scheint und auf der Aussenfläche zeichnen sich nahe der Ansatzstelle der Kralle einige runde Drüschen ab. Die Kralle selbst ist sehr stark gebogen, kräftig und a plump, übrigens in der Mitte verdickt. 406 6. Haller, Die zwei Kiemenpaare sind mässig gross und birnförmig. Die drei Hinterbeine fallen durch ihre grosse Dicke bei geringer Länge ins Auge und werden von vorn nach hinten länger. Die Tarsalglieder sind an der Basis schwach verdickt und zeigen die nämliche Bewaffnung wie die vorhergehende Art. Die Körperlänge beträgt etwa 15—16 mm. Die Färbung ist ein lichtes Grün, von dem sich die hell carminrothen Augen hübsch abheben. Diese schöne Art dredgte ich in wenigen Exemplaren in einer kleinen Bucht unweit dem Städtchen Lipari. k. Gaprella Helleri nov. spec. (Fig. 43). Zwischen dieser neuen Art und Caprella obtusa Hell. lassen sich auffallender Weise ähnliche Beziehungen auffinden, wie zwischen der vorigen und Gaprella acutifrons, doch auch sie unterscheidet sich von der genannten wesentlich. Der Leib ist sehr lang gestreckt und fast durchwegs von gleich ge- ringem Durchmesser, weshalb er fast faden- oder borstenförmig erscheint. Der Rücken ist vollkommen unbewaffnet, nur erweist er sich durch die kaum merklich verdickten Stellen der Segmente als schwach höckerig. Der Kopf ist klein, die Stirn zugerundet und stachellos. Das erste Thoracalsegment steht ihm in Länge kaum merklich nach. Der folgende Abschnitt erweist sich als fast um ein Dritttheil länger wie der durch Verschmelzung entstandene vorhergehende, drei und vier haben mit ihm gleiche Länge. Als bedeutend kürzer erweisen sich dagegen die drei letzien Thoracalsegmente, von denen ein jedes etwas weniger Länge besitzt, wie das vorhergehende. Die gesammte Körperlänge verhält sich zur Breite ungefähr wie 13 zu 1, ein Verhältniss, welches wir bei den kurzhalsigen Arten so bald nicht wiederfinden dürften. Die oberen Fühler erreichen etwas weniger als ein Drittel der ge- sammten Körperlänge. Sie bestehen aus einem dreigliedrigen Schaft und einer etwas kürzeren 10 bis AA gliedrigen Geissel. Die unteren Fühler stehen ihnen an Länge nur wenig nach. Das erste Thoracalfuss- paar besitzt eine den übrigen Gaprellen entsprechende Ausbildung, nur seine Greifhand scheint etwas vergrössert. Diese ist ungefähr eiförmig und ziemlich dick. t Auf ähnliche Weise verkümmert wie bei der vorigen Art zeigen a sich uns auch hier die Verbindungsglieder des zweiten Fusspaares, welche sämmtlich sehr klein geblieben sind. Auch das.Handglied ist von unbedeutender Grösse; es erinnert in seiner Gestalt etwas an das- jenige von Proto Goodsiri. In unserer Abbildung sehen wir die eine u Ze dieser Gliedmassen in ihrer Verkürzung und derartig gedreht, dass der Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes, 407 ausserordentlich verdickte Beugungsrand des Handgliedes nach dem Be- schauer zu gewendet ist. An demjenigen der gegenüberliegenden Seite treten dagegen die Verhältnisse der Flächen hervor, so bemerken wir, dass das Handglied sehr gestreckt ist. Sein Beugungsrand krümmt sich in doppeltem Bogen, einem vorderen weitaus grösseren und einem hin- teren kleineren. Der Streckungsrand verläuft anfangs eine kleine Strecke weit fast gerade, weist dann aber zwei gerundete Ausbuchtungen auf, die durch eine stark vorspringende Ecke getrennt werden. Der zweiten, 1 merklich kleineren dieser Ausbuchtungen ist die Kralle eingesetzt. Diese erweist sich als nur wenig lang, von kaum mehr als halber Länge des Handgliedes und als stark gebogen. Die Kiemensäckchen sind mittelgross, das hintere kleiner wie das vordere, beide gekrümmt und gestreckt. Die drei hinteren Extremitäten- paare sind dick und kurz , sie nehmen von vorn nach hinten an Grösse zu. Ihre Tarsalglieder sind an der Basis nicht verdickt, dagegen vor dem Ursprunge der kurzen Kralle. Vor der Insertion der hinteren Fuss- paare haben die Thoracalsegmente jeweilen einen geringen vorsprin- genden Höcker. Alle Beinpaare sind spärlich mit kurzen Härchen be- Setzt. Der Körper ist von braunrother Farbe, etwas durchscheinend car- minroth, dicht besetzt mit ganz kleinen dunkelbraunen Sternenfleckchen. An den vorderen Fühlern erscheinen die Grundglieder mehr bräunlich, - sonst heben sich die letzteren nebst den hinteren durch ihre durchwegs ‚ gelbliche Färbung vom Körper ab. Das Augenpigment ist schwarz. Caprella Helleri fand ich mitunter bei Scilla und Messina in einer Tiefe von etwa 60 Meter auf mit Algen bewachsenen Grunde. Ich be- nenne dieselbe nach Prof. Camır Heer in Innsbruck, welcher für die Kenntniss der Gaprellen Wesentliches beigetragen hat. Subgenus II. Die unteren Antennen sind Sinnesorgane. 5. Gaprella linearis M. Edw. Diese bekannteste aller Gaprellen findet sich sowohl bei Messina als bei Villafranca nicht selten; auch sah ich sie aus Neapel. = 6. Caprella Dohrnii mihi (Fig. 44). Artkennzeichen. Sehr kleine Art. Handglied des zweiten Fusspaares fast halbkugelig. Drittes Verbindungsglied nach aussen mit ‚stark abgerundetem mächtigen Höcker. Kralle stark in der Mitte ver- it und fast gerade. "Steht der vorigen in der Leibesform offenbar sehr nahe, ist von ihr 408 fr. Haller, aber verschieden durch die Form der beiden vorderen Fusspaare, sowie durch deutlich gedrungeneren Leibeshau. Gehört zu den allerkleinsten Gaprelliden. Der Kopf erweist sich als ziemlich gross und zugerundet, das erste Leibessegment ist dagegen klein, bedeutend kürzer wie jener. Das “ zweite Segment zeigt sich als ungefähr so lang wie beide zusammen ; 3 drittes, viertes und fünftes mit diesem von gleicher Länge, die beiden letzten kürzer als die vorhergehenden, das erste derselben kaum merk- ° lich länger wie das nachfolgende. Rücken ganz flach; Segmente dagegen an der Bauchseite deutlich von einander abgeschnürt. Verhältniss des grössten Durchmessers eines der mittleren Segmente zur Länge wie 1:8; bei Caprella linearis lautet dasselbe 1: 10. Die oberen Antennen von bedeutend mehr als halber Körperlänge, Schaft dreigliedrig, Geissel mit ® 9 bis 11 Gliedern. Untere Fühler ungefähr &in und ein halbes Mal so lang als der Schaft der oberen. Die Verbindungsglieder des ersten Bein- paares sind gestreckt, das Handglied dagegen klein. Das zweite Bein- paar verhält sich betreffend der Verbindungsglieder ähnlich. Sehr be- zeichnend für diese Art ist die Bildungsweise des grossen zweiten . Verbindungsgliedes, das nach innen als ein mächtiger zugerundeter Höcker vorspringt. Ebenso unterscheidet diese Art von der vorigen auch die Conformation des Handgliedes, welches sehr gross und dick ist und in den Umrissen fast halbkreisförmig erscheint, wobei der Bogen | der gerundeten Aussenkante, die Sehne der fast senkrechten Innenkante entspricht. Diese letztere selbst wird uns wieder durch ihre Bewaffnung merkwürdig; von der Basis an bis zum Ursprung der Kralle folgen sich: Zwei Greifdornen, ein starker nach vorn ausgezogener Dornfortsatz, ein zugerundeter gestreckter Höcker und ein vorstehendes riffförmiges Kan- tenstück. Die Kralle ist sehr stark, fast gerade und gegen die Mitte hin von beiden Seiten aus verdickt zulaufend. Schon beschrieben sind die Drüsencomplexe, weiche ich in dieser Hand auffand. { 1 Die Kiemen ergeben sich als klein und gestreckt. Die drei Hinter- © beinpaare sind alle ziemlich gleich schmächtig. Am drittletzten Gliede derselben steht ein starker Dorn, ihre Tarsalglieder sind am Isa nicht verdickt. | Die gesammte Körperlänge beträgt etwa drei Linien. Körper fast farblos, schmutzig gelb, mit einigen wenigen dunkleren Flecken. An Faeinen Stellen etwas bläulich oder grünlich durchscheinend, wohl mn Folge der Interferenz der kleinen Chitintäfelchen der Körperdeike, Als blassröthlich zeichnen sich die Beinchen aus. Einige Färbung erhält der | Körper dadurch, dass der grüne schwärzlich gefleckte und Ole mit bräunlichem Inhalt erfüllte Darmcanal durchscheint. Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 409 Diese Art beobachtete ich bis jetzt nur in Villafranca und zwar an - Stellen der Baie passable, wo sich streckenweise sandiger, mit Algen- und Bryozoenbüschehen bewachsener Boden dicht unter dem Wasser- spiegel ausdehnt. Ich benenne sie nach Dr. Donrn in Neapel, welchem wir bis jetzt die genauesten Beobachtungen über die Anatomie unserer Thiere verdanken. 7. CGaprella acanthifera Leach. Von dieser Art erhielt ich Individuen sowohl aus Messina, wie von 'Seilla und Lipari, als auch von Villafranca. Auch unter den von Prof. Vosr in Roscoff gesammelten CGaprelliden befanden sich Exemplare davon. 8. Gaprella elongata nov. spec. (Fig. 45). Artkennzeichen. Erstes und letzte Segmente sehr kurz, zwei bis vier sehr gestreckt, Rücken glatt, obere Antennen sehr lang; Arm- glied gerade und gestreckt, Hand subcheliform ; Greiffläche nach unten gekehrt. Kralle klein, kurz, in der Mitte verdickt. — Wie schon aus dieser Diagnose hervorgeht, erinnert unsere Art, namentlich in der Bil- dung der zweiten Greifhand, an CGaprella armata Heller, unterscheidet "sich jedoch durch den dornenlosen Rücken von ihr. Durch eben diese Verhältnisse verräth Caprella elongata auch Verwandtschaft mit Caprella aspera Heller. | Der Kopf ist gross, nach oben hin verbreitert, und erinnert fast an ein Paralleloegramm mit abgestumpften Ecken. Das erste Thoracalseg- ment ergiebt sich als sehr kurz , als mehr wie um die Hälfte kürzer wie ' jener. Dagegen übertrifft der zweite Körperabschnitt jenen ersten durch Verschmelzung entstandenen mindestens um das vierfache; auch das dritte fällt durch seine bedeutende Länge in die Augen. Von dieser auf- ‚fallenden Streckung habe ich den Namen für die Art hergeleitet. Doch schon das vierte steht den beiden vorhergehenden an Länge bedeutend nach, ebenso das fünfte diesem letzteren; als ganz kurz und unter sich ‚von gleicher Länge ergeben sich endlich sechs und sieben, zugleich sind dieselben an ibrem Ende schwach verdickt. Zum Unterschiede von CGa- prella armata erscheint der Rücken vollkommen unbewehrt ‚ und mit "Ausnahme des zweiten Segments, welches in der Mitte nach oben zu einem stumpfen nach beiden Seiten hin ganz allmälig abfallenden Höcker verdickt ist und der beiden leizien fast flach. In diesem letzteren Um- Stande begründet sich auch der Species-Unterschied gegenüber Gaprella ‚aspera Hell. ; | Die oberen Fühler zeigen sich als von voller Körperlänge, sie haben 410 G. Haller, einen dreigliedrigen Schaft und eine vielgliedrige Geissel. Das erste Glied des Schaftes ist eben so stark verkürzt, wie die beiden folgenden stark verlängert sind; sehr lang erscheint auch die Geissel. Als ganz verkürzt müssen dagegen die unteren Antennen beschrieben werden, da sie nicht bis zum Ende des Schaftes der oberen reichen. Klein uni unansehnlich scheint das erste Fusspaar, von wenig bedeutenden Dimen- 3 sionen, aber sehr gestreckt, das zweite. | Wir bemerken an dieser Extremität vorerst ein langes und gerades Armglied, das fast durchweg die gleiche Breite behält, nur gegen die 3 Basis schwach verschmälert ist. Auf dasselbe folgen ar kleine deut- liche Glieder, von denen sich die beiden letzten zu einem vorragenden Knaufe vereinigen. Das Handglied ist nur von mässiger Ausbildung. Seine vordere stark convexe und in weitem Bogen über das Brachialglied vorspringende Kante ist beträchtlich länger wie dieinnere, welche gestreckt nur eine blosse Fortsetzung der Hinterseite des Armes zu sein scheint. Beide Kanten laufen in starke Spitzen aus; diejenige der Aussenkangg ist stumpf und dient zur Insertion der Kralle. Zwischen beiden buchteizg sich die Palmarfläche ein, welche in der Mitte tief eingeschnitten ist. Eine mehr oder weniger Huber mige Chitinleiste grenzt die Greif fläche von der übrigen Hand ab. Die Kralle ist mehr fingerförmig und trägt an der Innenseite ungefähr in ihrer Mitte einen nach beiden Seiten” allmälig abfallenden Höcker. Schliesst sich dieses Krallenglied, so be- 1 rührt es unweit seiner Spitze den inneren Dornfortsatz; es entsteht dann ein dreieckiger abgeschlossener Raum, dessen äussere oder untere Seite von der Kralle, deren zwei übrige vom Palmarrande der Hand ge- 5 ' bildet werden. b Die Kiemensäckchen sind lang und von geringem Durchmesser, dabei können sie etwa als zungenförmig beschrieben werden, endlich” " entspringen sie etwas hinter der Mitte ihresSegments. Die drei hinteren a I Beinpaare nehmen nach hinten an Länge merklich zu. Die Tarsalglieder 2 sind an der Basis nicht verdickt. Krallen kurz und wenig gekrümmt. ai Diese Art, welche ich in wenigen Exemplaren in Messina dredg kennzeichnet sich auch durch ihre hübsche Farbe. Dieselbe ist nämlich oben ein helles Roth und am Bauche vom zweiten Gliede an ein sanftes Gelb. Davon heben sich die Extremitäten und Fühler durch ihre he braune Färbung ab. Podalirius Kröyer. Körper demjenigen von Proto ähnlich, doch beträchtlicher Dimor- | phismus. Drittes und viertes Segment wie bei Caprella; auch fünfte 7 a Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 411 nur mit kleinem Stummel. Hinterste zwei Beinpaare wie bei Proto. Ab- .domen ganz fusslos. Die durch die halb parasitische Lebensweise hervorgerufene Ver- 'kümmerung der Extremitäten hat hier ihren Höhepunkt erreicht, es ist ihr noch ein drittes Fusspaar anheimgefallen. Gleichzeitig finden wir merkliche geschlechtliche Unterschiede. Wie bei der Gattung Proto finden wir, dass die bedeutende Streckung der Thoracalsegmente sich nicht nur auf die vorderen beschränkt, son- dern bis auf das zweitletzte, welches in seiner Länge stets nur wenig ‚hinter seinen Vorgängern zurückbleibt; einzig das letzte sinkt auf die geringe Ausdehnung zurück , welche bei Caprella, Aegina und Protella noch Glied sechs und zuweilen auch fünf mit ihm theilen. An Proto er- innert Podalirius ferner durch die Lage des drittletzten Beinpaares, wel- ches nicht am Ende, sondern in der Mitte seines Segments angebracht ist. In der Form äfft dasselbe die Stummelbeinchen zur Seite der Kie- men von Protella phasma nach. Demuach bestehen sie aus einem kurzen Basaltheile, in welchem ein kleines an der Spitze behaartes Glied arti- eulirt. Es ist daher vollkommen irrthümlich, wenn die .oft erwähnten Autoren Spence BatE und Westwoo» sich bemühen, durch Hinzufügung “eines in Hülfslinien angedeuteten Beinpaares Podalirius mit der Gattung ‘Caprella zu vereinigen. Die zwei hintersten Beinpaare stehen wie bei 'Proto, erreichen aber nie das Uebermaass von Länge wie dort und er- “weisen sich stets als säbelförmig gekrümmt und ausserordentlich dünn. Das Abdomen besteht wie bei den Vorigen aus zwei deutlichen Ab- schnitten, welche sowohl der rudimentären Fussstummeln, wie der Flossen und Höcker ganz entbehren. Podalirius typicus Kröyer. Ich habe in Messina und Villafranca mehrere Formen dieses Genus gefunden, welche alle mehr oder weniger auf den Typus dieser alten Art schliessen liessen, aber keine wollte ganz damit zusammen stimmen. Entweder ist mir daher der wahre Podalirius typicus Kröyer nicht vor- gelegen, oder was mir wahrscheinlicher scheint, diese alte Art muss in | ‚mehrere neue aufgelöst werden. Jedenfalls ist nachstähende wesentlich vom angenommenen Typus verschieden, und so habe ich mit ihrer Be- ‚schreibung den Anfang zur Sichtung jener Arten gemacht. Podalirius Kröyeri nov. spec. (Fig. 46—49). _ Artkennzeichen. Bedeutende Geschlechisdifferenzen. Männ- 412 G. Haller, verdickt. Vordere Fühler des Männchens ausserordentlich lang. Die Schaftglieder derselben sehr gedehnt, erstes gleichzeitig keulenartig ver- dickt. Handglied des zweiten Fusspaares nahe der Basis mit starkem 3 Sporn, beim Männchen stärker als beim Weibchen. Hintere Extremi- täten sehr schmächtig und säbelförmig gekrümmt. Beim Männchen sind 5 dieselben mehr denn zwei und ein halb Mal länger als beim Weibchen. Der geschlechtliche Dimorphismus dieser Art muss als einer der bedeutendsten bei den Gaprelliden hervorgehoben werden. Ich habe als 4 allgemeines Beispiel Männchen und Weibchen in voller Gestalt abgebil- det und muss sie auch gesondert beschreiben. 4 Männchen (Fig. 46 und 49). Leib sehr gestreckt und zugleich sehr dünn. Kopf klein, im Umriss fast dreieckig, nach vorn mit kaum merklicher Senkung nach unten. Erstes Thoracalsegmeni ziemlich deut- lich von ihm abgesetzt und von gleicher Länge, also im Verhältniss zu den nachfolgenden Segmenten sehr kurz. Von ihm an nehmen die sämmtlichen Ringe nach hinten zu bis zum fünften, welches sich durch seine Länge auszeichnet, regelmässig an Länge zu. Das zweite Segment ist am Rücken flach, nach dem Bauche hin verdickt, es überragt das vorausgehende etwa um das ein- und einhalbfache an Länge. Die bei- den nächstfolgenden sind in der Mitte sowohl nach der Rücken- wie Bauchfläche kaum merklich verdickt. Das fünfte ist am Rücken flach und am Bauche kaum merklich verdickt. Das sechste Segment ist fast um einen Drititheil kürzer wie das fünfte, nach dem hinteren das erste Extremitätenpaar tragenden Ende schwillt es ganz allmälig an. Der siebente Ringel endlich ist kaum länger als breit, mithin sehr unbe- deutend und bietet kaum Raum zur Aufnahme des letzten Fusspaares. Der Abdominalhöcker ist sehr klein. — Die Fühler (Fig. 49) sind ausser- ordentlich lang, fast von Körperlänge. Sehr lang gestreckt erscheint namentlich der dreigliedrige Schaft, welcher die 10- bis 11 gliedrige Geissel um ein Mehrfaches an Länge übertriffi. Das ersie Schaftglied erscheint lang und keulenförmig, das dicke Ende gegen die Stirn ge- kehrt. Das zweite übertrifft das nachfolgende an Dicke kaum merklich, } steht dagegen dem vorhergehenden mindestens um das Dreifache an Durchmesser nach. Es erweist sich aber um das Doppelte länger wie das zweite, auch um ein Merkliches wie das dritte. Die Geisselglieder sind klein und kurz, die drei ersten nur undeutlich getrennt, das letzte zugespitzt. Die beiden ersten Fusspaare differiren nach Form und Ge-; stalt wesentlich, doch nicht so stark wie bei den meisten übrigen Caprel- liden. Das erste Fusspaar ist klein, sonst normal. Das zweite ergiebt sich‘ als ebenfalls unbedeutend vergrössert. Sein Armglied ist kurz, schwach gebogen, gegen das Ende mässig verdickt, sein Handglied klein, an der er 5 & Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 413 Basis mit starkem einen Greifdorn tragenden und nach aussen gerichte- tem Dornforisatz. Die Kiemensäckchen müssen als von mässiger Grösse beschrieben werden, das vordere Paar übertrifft das hintere um ein Weniges an Länge, ausserdem sind sie zungenförmig. Das Stummelchen des drittletzten Fusspaares sehr klein, an der Spitze mit wenigen kurzen Härchen. Die zwei letzten Fusspaare werden sehr lang, bleiben aber ausserordentlich dünn, erscheinen so fast fadenförmig und sind stets säbelartig gekrümmt. Ihre Tarsalglieder sind gegen die Spitze fast gar nicht verdickt und tragen an ihrer Innenkante fünf bis sechs starke Greifdornen. i Was nun das | Weibchen (Fig. 47 und 48) anbelangt, so unterscheidet sich das- selbe vor Allem durch geringere Körpergrösse, geringere Länge und zar- teren Bau. Der Kopf ist grösser, rundlich; das erste Körpersegment kürzer, geht in ihn ohne sichtbare Grenzen über. Das zweite Segment erscheint ebenfalls von geringerer Länge wie der entsprechende Abschnitt des Männchens, mit ihm auch die folgenden, von denen drei bis sechs unter sich an Länge nur wenig differiren. Sehr merkwürdig sind die die Kiemensäckchen tragenden Ringel (Fig. 50). Segment drei schwillt nämlich gegen das Ende, Segment vier gegen seinen Anfang hin plötz- lich übermässig an, so dass ihre beiden aneinanderstossenden Hälften ‚sich als mächtiger Höcker über die sonst ziemlich flachen Rücken- und Bauchflächen erheben, die nach auswärts gekehrten Partien haben da- gegen wieder den natürlichen Durchmesser der übrigen Segmente. Ein Blick auf das Thierchen von oben lehrt uns, dass sich diese angeschwol- lenen Stellen auch in die Breite, also nicht nur in die Höhe ausdehnen. Die zwei folgenden Segmente gleichen sich unter einander was Länge und Breite anbetrifft durchaus, doch ist das fünfte in der Mitte und das sechste gegen das Ende ganz allmälig schwach verdickt. Das letzte Seg- ment bleibt wie beim Männchen sehr gering. Die Fühler bleiben bei Weitem hinter denen des Männchens zurück , von denen sie wenigstens um das Doppelte an Länge übertroffen werden. Auch der Unterschied muss im nämlichen Sinne für die vorderen und hinteren Gliedmassen- paare hervorgehoben werden. Die beiden letzten Hinterbeinpaare sind beinahe noch dünner und ebenfalls gekrümmt ; was ihre Länge anbe- trifft, so stehen sie fast um das Dreifache denjenigen des Männchens nach, sonst gilt das dort Gesagte auch für sie. Die Blätter der Brut- taschen erinnern an ein Lindenblatt, dessen breiter Basaltheil nach dem Leibe zu gewendet ist. Rings um den Rand stehen starke Borsten. 414 G. Haller, schmutziges Graubraun beschrieben werden. Auch ist hervorzuheben, dass der Körper fast stets mit einem flockigen Toment bedeckt ist, wel- ches sich unter dem Mikroskop als aus kleinen Körnchen bestehend zu erkennen gieht, Podalirius Kröyeri mihi fand ich bei Messina nahe dem Ufer und auf schlammigem Boden in geringer Tiefe nebst der vorigen Art ziemlich selten; wahrscheinlich habe ich die Art auch an ähnlichen Orten bei Villafranca beobachtet. Ich benenne sie nach dem ersten Beschreiber des Genus. Schluss. Werfen wir nun noch einen kurzen ‚Rückblick auf vorliegenden Beitrag zur Anatomie, Biologie und Systematik der Laemodipodes filifor- mes. Vielleicht gelingt es uns an der Hand derselben Licht auf die Abstammung des gesammten Tribus zu werfen. Die Crevettinen sind vorherrschendGarnivoren. In ihrer Eigenschaft als solche leben sie zuweilen auf Kosten grösserer lebender Thiere, mit- hin in einer Art vorübergehendem Parasitismus. Es möge mir erlaubt sein hier ein Beispiel anzuführen , das geeignet ist zu zeigen, was ich meine. Prof. Vosr hält in seinem Laboratorium in grösseren Aquarien zahlreiche Gammarus fluviatilis und in den nämlichen Behältern ge- schlechtsreife Axolotl, nebst deren ungefähr spannenlangen Larven. Die Keckeren unter den Amphipoden klammern sich nun häufig an den Zehen der Jungen an. Diese suchen sich ihrer unter heftigen Bewegun- gen zu entledigen. Wenn es ihnen gelingt, so sehen wir, dass die Gru- staceen die Zehen der Larven gänzlich ihrer Epidermis entkleidet haben. Sie nährten sich auf Kosten lebender Thiere, lebten mithin in einem ge- ringen Grade von vorübergehendem Parasitismus. Bei demselben ver- bleibt es aber nicht; einige Arten sind bereits fast gänzlich Schmarotzer geworden. Hierhin rechne ich Vibilia, welche in ihrer inneren und äusseren Organisation noch bedeutende Verwandtschaft mit den Cre- vettinen verräth. Es ist nun denkbar, dass sich ein Amphipode auf einer Bryozoen- colonie niedergelassen und da so reichliches Auskommen gefunden habe, dass sich dieser temporäre Parasitismus zu einem vollkommnen steigerte; das Thier wurde Ectoparasit. Suchen wir nun nach den unausbleib- lichen Folgen eines solchen Schmarotzerthums, so finden wir sie in der Anpassung an die neuvorhandenen Verhältnisse. In wie weit sich eine solche Anpassung mit Verkümmerung steigern kann, sehen wir unter den Cirripedien an den Suctorien, unter den Copepoden an den Siphonosto- Fi = a x „= ee nn A > Kr Ss a # nr re hen in y 5 EB > E-} % 3 8 a a a FT u. Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes, 415 4 mata, unter den Euisopoden an den Bopyriden. Allein in unserem obi- gen Falle ist der Ectoparasit nicht nur auf ein Einzelwesen angewiesen, sondern er lebt auf Kosten einer ganzen ausgedehnten Colonie. Es ist daher augenscheinlich von Interesse für das Thier, dass dessen Loco- motion nicht ganz eingeschränkt sei. Wir dürfen daher niemals erwar- ten, eine so gänzliche Verkümmerung sämmtlicher Locomotionsorgane anzutreflen wie dort in vielen Fällen. Ein freies Umherschwimmen wurde für das Thier, welches sich eine derartige Lebensweise gewählt hat, überflüssig. Dagegen wird es für den Schmarotzer offenbar von Nutzen sein, wenn er sich den Büschen seines Wohnthieres anklammern kann. Gleichzeitig muss die Natur dar- auf sehen, dass unser neues Thier eine möglichst grosse Fläche abweiden kann. Wir sehen denn auch dem entsprechend eine beginnende Ver- kümmerung der mittleren Thoracalbeine, welche sich bis zu einem voll- ständigen Verschwinden derselben steigert. Die vorderen Paare, welche auch bei vielen oder fast allen Amphipoden zu starken Greifhänden um- gewandelt sind, bleiben erhalten. Sie müssen offenbar die Mundtheile bei der Zertrümmerung der harten Skelete des Wohnthieres unterstützen und gleichzeitig als zu fürchtende Vertheidigungswaffe dienen. Die hin- teren Beinpaare werden dagegen starke Klammerorgane und erreichen als solche oft erstaunliche Ausbildung. Der dritte Zweck wird nun da- durch erreicht, dass sich die einzelnen sehr beweglich verbundenen Körpersegmente ausserordentlich in die Länge strecken; ausserdem wird das Thier beim Fehlen der mittleren Beinpaare, wenn es daher nur hinten einen Haltepunkt hat, zu einer weit grösseren Beweglichkeit des Thorax befähigt, die sich zu spannerähnlichem Kriechen steigern kann. Endlich muss auch das Abdomen, als bei dieser Lebensart voll- kommen hinderlich, bis auf wenige Rudimente wegfallen. In der That sehen wir bei den Caprelliden alle diese Bedingungen erfüllt. Sie leben als Ectoparasiten auf Bryozo@ncolonien. Diese Thiere bilden ihre ausschliessliche Nahrung. Ihre Locomotion ist sehr be- schränkt; es findet sich nur noch ein sehr eingeschränktes Schwimmen, dagegen sieht man öfters ein spannerähnliches Kriechen. Sie verlassen ‚ihre Wohnthiere nur höchst selten, jedenfalls nur gezwungen, sei es dass sie aufgestört werden, oder eine von ihnen zu Grunde gerichtete Colonie verlassen, um eine neue aufzusuchen. Auch ihre gesammten Körperverhältnisse entsprechen den oben ausgesprochenen Forderungen. Ihr Thorax ist sehr lang gestreckt, die Segmente desselben gelenkiger verbunden als wie dieses bei den übrigen Amphipoden der Fall ist. Die vorderen Beinpaare treten entweder mit voller Stärke auf oder er- ‚reichen noch höhere Entwicklung. Die mittleren Locomotionsorgane ee a 97* 416 6. Haller, beginnen zu verkümmern oder fehlen ganz. Die hinteren Extremitäten- paare stellen sich uns dagegen unter der Form kräftiger, mitunter überaus entwickelter Klammerorgane dar. Endlich ist das Abdomen bis auf wenige Rudimente weggefallen. Untersuchen wir nun endlich die innere Anatomie, so fällt uns trotz der Lückenhaftigkeit unserer bis- herigen Kenntnisse dennoch die grosse Verwandtschaft, ja ich möchte fast sagen Uebereinstimmung der Gaprelliden mit den Greveitinen auf. Dieselbe spricht sich, wie ich oben ausführlich gezeigt habe, erstlich in den Verhältnissen des Darmcanals aus. Sodann mache ich hier auf die ausserordentliche Aehnlichkeit der Geschlechtsorgane der Gaprelliden und Amphitho& aufmerksam. Diese wird dadurch, dass es mir gelang die Hoden in ihrem gesammten Umfange zu beobachten, eine wenigstens in den äusseren Umrissen durchaus übereinstimmende. Sie erstreckt sich jedoch sogar auf die mikroskopischen Einzelnheiten. Donrx hat aus den Hoden der Caprelliden ganz die nämlichen Samenzellen und Spermato- zoen entnommen, wie sie BruzeLivs für die Gammariden beschreibt. Eine weitere Uebereinstimmung liegt offenbar in der grossen Einfachheit der weiblichen Organe ausgesprochen. Leider ist die Abbildung von Gamrorn als nicht ganz getreu zu bezeichnen; aus einer Vergleichung seiner Abbildungen mit denjenigen von BruzeLıus müsste sich sonst auch eine schlagende Aehnlichkeit in der Form ergeben. Freilich liegt ein ge- ringer Unterschied in der Stelle der Ausmündung und der Abzweigung der Eileiter ausgesprochen. Es ist derselbe gewiss auch nur ein schein- barer und nur unsere so sehr lückenhaften Kenntnisse sind Schuld, wenn wir noch keinen Amphipoden mit nämlicher Disposition kennen. Will man noch mehr Beweise, so verweise ich auf den gemeinsamen Besitz einer Drüse im Grundgliede der oberen Antennen, auf die über- raschende Aehnlichkeit der als Sinnesorgane zu deutenden Chitingebilde u.s. w. Einen tiefer greifenden Unterschied finden wir eigentlich nur im Nervensystem ausgesprochen und, wie wir oben gesehen haben, lässt auch dieses auf die unzweideutigste Weise erkennen, dass es sich in seinen Veränderungen eigentlich nur der Umbildung der allgemeinen Körpergestalt untergeordnet hat. Der Gedanke, die Gaprelliden als durch Parasitismus metamorphosirte Crevettinen zu halten, liegt daher nahe. Es stellten sich mithin die Gaprelliden zu.den Crevettinen ungefähr wie die Siphonostomata zu den CGopepoden. Untersuchen wir nun, in welcher Reihenfolge die verschiedenen Gattungen der Laemodipoden beireffs ihrer rückschreitenden Anpassung folgen. | In Proto erkennen wir den ersten Grad beginnender Anpassung, der sich noch am ehesten mit den ursprünglichen Verhältnissen vergleichen > . Pr. RE ut ee rs: ur. RE ET BE u" Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 417 isst. Wir treffen in erster Linie noch sämmtliche Thoracalbeine, von f diesen stellen die zwei hinteren Paare sehr kräftige ee dar, 3 die beiden vorderen haben ebenfalls an Entwicklung gewonnen; nur die drei mittleren und namentlich deren hinterstes Paar zeigen vorwie- gende Neigung zum Verkümmern. Untersuchen wir sodann das Ab- domen, so entdecken wir noch drei der ursprünglichen Segmente, frei- lich in sehr reducirtem Zustande und diese tragen noch zwei rudimentäre Beinpaare. Diese äussere Aehnlichkeit wird noch dadurch vermehrt, dass sich an der Basis der Extremitäten des zweiten bis fünften Thoracalseg- ments statt nur zwei noch drei Paar von in der Mehrzahl der Fälle wohl ‚entwickelten Kiemensäckchen vorfinden. Zu diesen bereits vorhandenen Vergleichungspunkten der äusseren Anatomie von Proto mit derjenigen der Crevettinen gewinnen wir durch das Vorhandensein eines ausgebil- deten Tasters noch einen weiteren und letzten. r Durch Verkümmerung des vierten und fünften Beinpaares bis auf zweigliedrige Stummel, dadurch dass das erste der Kiemenpaare ge- - schwunden, sowie durch weitere Vereinfachung des Abdomens zeichnet sich die Gattung Protella aus. Es erinnert aber dieselbe durch den Be- sitz eines Tasters noch an die vorhergehende. Wir müssen unterschei- - den zwischen Arten mit langen Beinstummelchen und solchen mit kurzen. Als Repräsentant für die ersteren nenne ich Protella gracilis Dana, ihre Extremitätenrudimente sind schwach sichelförmig gebogen und kommen ED an Länge ungefähr den wenig breiten Kiemensäckchen gleich. Die Bein- _ stummel von Protella phasma stehen dagegen an Länge bereits weit _ zurück und sind so klein, dass sie leicht übersehen werden. Von der ersteren Art zweigt sich offenbar der einzige Ausläufer des ganzen Stam- mes ab. Wir können uns etwa denken, dass ein Vorfahre der Protellen - mit langen Stummeln durch Zufall auf einen Walfisch übergesiedelt sei. Das fadenartige schmächtige Thierchen mit seinen langen Klammerbeinen _ und zerbrechlichen Vorderfüsschen mag sich hier Anfangs nicht zu Hause befunden haben. Nach wiederholt:n Generationen passte sich aber der m. Körper allmälig der neuen Lebensweise an. Da Fläche an Fläche fester haftet, dehnte sich der Körper im Breitendurchmesser aus, verkürzte | se - aber in = Längsachse, währenddem der en der e en Ekürzten sich eh mehr und bildeten so kurze aber dicke Klammerwerkzeuge, geeigneter zum Festhaken in der harten und dicken | Haut der Cetaceen wie diejenigen ihres ersten Vorfahren. Untersuchen ' vergleichend den Körper derCyamiden, so entspricht derselbe offen- .? Kr ba diesen Bedingungen, ale Anden wir auch weitere Anknüp- 418 - G. Haller, bei einigen Arten von Cyamus ein fussstummelloses Abdomen, das auch hier jene Höcker aufweist wie dort. Wir brauchen uns des Ferneren nur den langen Fussstummel von Protella gracilis etwas verbreitert zu denken, so erhalten wir den ersten oder oberen der beiden schlauch- förmigen Seitenanhänge des vierten und fünften Gliedes von Gyamus (vergl. Fig. 50a), während der untere (Fig. 505) dem Kiemensäckchen entspricht. Doch auch in der inneren Anatomie lassen sich Anknüpfungs- punkte zwischen den Gaprelliden und Cyamiden finden, so namentlich in der Endigungsweise des Nervensystems, wie dies bereits von den früheren Autoren hervorgehoben wurde. Die directe Linie erlischt mit diesem Seitenspross nicht, im Gegen- theil bilden sich die kurzstummeligen Arten und aus diesen durch wei- tere Verkümmerung die Gattung Aegina. Leider ist dieselbe im Ganzen noch zu wenig untersucht. Wir wissen daher nur, dass ihr Fussstum- meln ganz abgehen, dass ihr aber noch ein Mandibulartaster zukommt. Bald fällt auch dieser weg und es steht die Gattung Gaprella vor uns. In dem Maasse, wie die Beinpaare des dritten und vierten Thoracalpaares verkümmerten, bildeten sich diejenigen der drei folgenden zu Klammer- werkzeugen um, eine Beobachtung, die man übrigens bereits bei Pro- tella machen konnte. Das Abdomen ist nur noch zweigliedrig, zeigt uns als Atavismus, denn die älteren Protellen und Gyamiden entbehren der- selben gänzlich, noch je ein Paar Stummeln und flossenförmige An- hänge. Nun folgt ein ziemlich bedeutender Schritt, und es scheint fast, als ob hier wieder ein Bindeglied ausgefallen sei, worauf die Gattung Poda- lirius auftritt. Dieselbe theilt den Mangel eines Mandibulartasters mit Gaprella, ebenso den Mangel eines dritten und vierten Extremitäten- paares. Dagegen unterscheidet sie sich von ihr und allen vorhergehenden. durch eine Eigenschaft, die vielleicht eher als beginnende Rückbildung, wie bisher als fortschreitende Verkümmerung angesehen werden muss. Das erste der drei letzten Klammerbeine ist nämlich verschwunden und an seine Stelle tritt ein kleiner Stummel. Wir können denselben als den Repräsentanten eines gewöhnlichen Beinpaares, wie wir sie bei Proto gesehen haben, betrachten. Das Abdomen ist wiederum durchaus stum- mellos. Suchen wir nun zum Schluss das eben Gesagte uns noch durch einen Stammbaum zu versinnlichen : Beiträge zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes. 419 Crevettina (Amphithoe) Proto Protella (Protella gracilis Dana 7 Frotella phasma Mont.) Cyamidae Aegina Caprella Podalirius Genf, im Juli 1879. Erklärung der Abbildungen. Vorbemerkung. Weitaus die Mehrzahl der Zeichnungen wurde nach lebenden Thieren oder nach frischen Osmiumsäure-Picrocarminpräparaten gezeich- net. Ersteres wird durch die Abkürzung leb. Th., letzteres durch Osm.-Picr.-präp. bezeichnet. Die Abkürzung Cam. luc. besagt, dass die betreffenden Zeichnungen nach der Camera lucida von NAcHET angefertigt wurden. Wo Angaben über Combi- nationen von Linsensystemen gemacht werden, beziehen sie sich auf das kleine Hartnack'sche Modell. Tafel XXI. Fig. 4. Gehirncomplex mit den zwei ersten Ganglien der Bauchkette von der Seite und in situ gesehen. Wie die übrigen das Nervensystem betreffenden Figuren eine Combination zahlreicher in der Camera lucida gezeichneter Bilder. a, Auge, gı, Ganglion des ersten Thoracalsegmentes, h, Haupthirn, 0, Anschwellung für den oberen Antennennerven, oa, Aufsatz für die Opticusganglien, og, letztere selbst, u, Anschwellung für den Nerven der unteren Antennen, sa, Anschwellung der Schlundcommissur, sc, letztere selbst, sg, Unterschlundganglion. Fig. 2. Gehirncomplex ohne Opticusganglien aus dem Kopf herauspräparirt und von vorn gesehen. Die Bezeichnungen wie vorhin. | Fig. 3. Gehirncomplex mit Beifügung der Opticusganglien frei präparirt und von hinten gesehen. Zur Veranschaulichung der mikroskopischen Verhältnisse noch ER Ka Br, an N r ae 2 A) . 420 Ä | - G. Haller, stärker vergrössert. Die Bezeichnungen wie vorhin. Die Figuren A—3 beziehen sich auf Protella phasma. Fig 14 und 2 leb. Th. Fig. 3 Osm.-Picr.-präp. Fig. 4. Gebirncomplex von Caprella aequilibra; leb. Th., in situ und von der Seite gesehen. Die Bezeichnungen wie in Fig. 1. Fig. 5. Endcomplex des Nervensystems von Protella phasma; leb. Th., in situ und von der Seite gesehen. Um das untere Ganglion eine zahlreiche Gruppe jener mächtigen fibrogenen Zellen angedeutet. Genau in Camera lucida gezeichnet bei Combinalion von Oc. 3, Syst. 7. 1—3, die hinteren Ganglien, die unter ge als Complex zusammengefasst sind, ge, Ganglion des sechsten, 97, Ganglion des achten Thoracalringes, n von ge, ni von g,, ausziehender Nervenstamm, na von 7 nach dem Abdomen ziehender feinerer Nerv. Fig. 6. Endcomplex von Caprella aequilibra; leb Th., aus dem Innern des Kör- pers herauspräparirt und von vorn gesehen. Die Bezeichnungen wie vorhin. Fig. 7. Körper einer jungen Protella phasma; leb. Th. mit Darstellung des Nervensystems. Die Extremitäten sind weggelassen. Cam. luc. Oc. 4, Syst. 3. Neue Bezeichnungen sind 9g—95, Ganglion des zweiten bis fünften Thoracal- segmentes, alle anderen wie oben bei Fig. 4 und 5. Fig. 8. Einzelne Zellen aus der Rindensubslanz Fig. 9. Eine kleine Gruppe lebenskräftiger Bindegewebszellen mit gelblichem Kern. Fig. 40. Eines der mittleren Thoracalganglien unter starker Vergrösserung zur Darstellung der mikroskopischen Structur. Oc. 3, Syst. 7. . Fig. 41. Die fünf hinteren Ganglien des Endcomplexes wie Fig. 4 von Protella phasma. Osm.-Picr.-präp. zur Darstellung der mikroskopischen Verhältnisse in Camera lucida bei Oc. 3, Syst. 7 aus dem Körper durch Quetschung befreit ge- zeichnet. 1, letztes unpaares Ganglion. 2, 2', das erste Paar der kleineren Nervenknoten, 2, im Zusammenhang mit 4, 2’ losgeri-sen, 3, 3’, däs letzte atrophisc e Paar, 3’, tiefer wie die übrigen, nicht mehr im Gesichtsfeld liegei.d. Fig. 12. Ende des leizten Schaftgliedes der vorderen Antennen von Caprella aequilibra. Osm. Picr. präp. bei greliem durchlallendem Lampenlicht in der Cam. lucida und bei Combination von Oc. 4, Syst. 7 gezeichnet. an, Antennennerv, cv, verdickte Chitinpunkte, h. Hautnerven, hh, muthmassliche Hörhaare, hk, kurze blasse Haare von der Seite, hk’, von vorn, ih, Tasıhaare. Tafel XXII. Fig. 43. Endglieder der Geissel eines kleineren Individuums der nämlichen Art unter eben denselben Umständen gezeichnet. ch, »Cuticularanhänge«, eh, geknöpfte Endhaare, sh, kurze Säbelhaare. Beiträge zur Kenntuiss der Laemodipodes filiformes. 421 ; Fig. 44. Einer der Cuticularanhänge einer sehr grossen Protella phasma unter F Merlin nämlichen Verhältnissen wie Fig. 3 und 4 aber schwach schemalisirt. Fig, 45. Kammförmige Sinnesorgane an den Seitenflächen der Krallen. ‚Fig. 46. Männliche Reproductionsorgane von Protella. A, Hoden, B, mit Samen- fäden gefüllte Samenblase mit schematischer Andeutung der mikroskopischen Ver- hältnisse. Mit Benutzung zahlreicher Camera lucida-Bilder frei gezeichnet. Fig. 47. Körperumrisse einer der Kleineren Caprellenarten mit Darstellung der Verhältnisse des Herzens. Fig. 48. Anfang des Verdauungstractus von Protella phasma ; optischer Längs- schnitt durch die eine Hälfte eines einfachen Carminpräparates. In der Camera lu- cida und bei Combination von Oc. 4, Syst. 6 gezeichnet. A, obere, B, untere Magenabtheilung. A. dw, Darmwandungen, chr, röhrenartige Verlängerung der Chitinkapsel des Magens in den Darm (abgebrochen), kr, »kropfartige« Darmduplicatur, pl, senk- rechte Magenplatten, f, bewaffneter Fortsatz, s, abgebrochene Speiseröhre. B. ast, paarige Ausstülpungen des Magensackes, bl, blinddarmförmige Ver- längerung derselben, «, divergirende Kaufalten mit einfacher Reihe viereckiger Höckerchen, 3, rücklaufende Kaufalten, y, kreisrunde Einmündung der Leber- schläuche. Man sieht zu äusserst die Schicht von Rinpgmuskeln, an der vorderen Wand von ast, unter ihnen starke Längszüge, sonst überall zwischen diesen und der dünnen das Magenskelet bildenden Chitinmembran eine einfache Lage sehr kleiner Zellen, die Matrix desselben. Auch am freien Ende von pl sind dieselben angedeutet, stehen jedoch im Grundriss. Fig. 49— 22 beziehen sich auf Proto brunneovittata mihi; leb. Th. Bei Comb. von Oc. 3, Syst. 3 in der Cam. lucida gezeichnet. Fig. 49. Zweite Greifhand. Fig. 20. Kiemensäckchen des vierten Leibesringes. Fig. 21. Abdomen mit zwei Beinstummelchen. Fig. 22. Fast rudimentäres Beinpaar des fünften Thoraxringes. Fig. 23—25 beziehen sich auf Proto Goodsiri Sp. Bate und Westwood; aus Roscoff stammend. Cam. luc. 7 Fig. 23. Kopf nebst den drei ersten Leibessegmenten. Die Extremitäten wie in allen folgenden Fällen nur einseitig gezeichnet. Die Antennen sind nur durch die B- Grundglieder angedeutet. Oc. 4, Syst. 2. Fig. 24. Kielartige Chitinverdickung. Fig. 25. Eigenthümliche Greifdornen der Hinterbeine. Fig. 26—35 beziehen sich auf Protella pbasma Latr. Fig. 26. Kopf und die drei ersten Leibessegmente als Farbenskizze. Oc. 4, Syst. 2. e Fig. 27. Mandibeln mit Palpus. Oc. 4, Syst. 3. a Fig. 28. Deren zwei innere Fortsätze stärker vergrössert und von der Seite ge- Ag ehe. | - A, äussere, i, glatte, a, mit rauhen Höckerchen besetzte Hakenzähne. B, innere, b, kleine Zähnchen der einer Radula ähnlichen Kaufläche. E Fig, 29. Letztere selbst von unten gesehen. ER Fig. 30. Abdomen mit dem Ursprung der Beinpaare und den einer kurzen Röhre 422 6. Haller, Beiträge -zur Kenntniss der Laemodipodes filiformes, Fig. 34. Drüsencomplex inner- und hinterbalb des Dornfortsatzes an der Innen- kante der zweiten Greifhand. A, ein grosser Theil desselben bei schwacher, B, einige rosettenförmige Zellen bei stärkerer Vergrösserung. Beide Cam. luc. Leb. Th. Fig. 32. Erster Typus der Greifdornen mit gesägter Fläche. Oc. 4, Syst. 7. Cam. luc. Leb. Th. Fig. 33. Zweiter Typus mit Chitinfortsatz. Verhältnisse wie vorhin. a, äussere, b, inneres, ersatzbereites Gebilde. Tafel XXIII, Fig. 34. Modificirte Schwimmborsten. A, Palmblatt = B, gänsefederförmige Varietät. Unter den nämlichen Verhältnissen gezeichnet wie die vorigen. Fig. 35. Porenförmige Sinnesorgane an den Krallenkanten. a, blasser Nerven- faden, 5b, stark lichtbrechender Canal, c, dessen Endknöpfchen, d, die Chitinschicht _ der Krallenkante. Fig. 36. Untere als Schwimmorgan modificirte- Antenne der ersten Untergat- tung von Caprella, Caprella aequilibra entnommen. Fig. 37. Abdomen der nämlichen Art. A, von unten, p, Penis, B, von oben. Fig. 38. Drittes, die Eingangsöffnung der weiblichen Geschlechtsmündung um- gebendes Paar Brutblätter (d) von Caprella spec.? Fig. 39. Zweite Greifhand von Caprella Dohrnii mihi; leb. Th., unter starker Vergrösserung (Oc. 4, Syst. 7) beobachtet, aber nur in der Hälfte der Vergrösse- rung ausgeführt zur Demonstration der zwei Drüsengruppen, a, hintere, 5, vordere. Fig. 40. Podophrya crustaceorum mihi, eine neue Acinetine als Parasit von Caprella mit Weglassung der Granulation. Cam. luc. 'Oc. 4, Syst. 7. Leb. Th. A, erwachsenes, knospentragendes, B, junges Thier. Fig. 44 und 42 beziehen sich auf Caprella liparotensis mihi. Erste und zweite Extremität. Cam. luc. Oc. 4, Syst. 3. Fig. 43. Caprella Helleri mihi. Vordertheil eines Individuums. Cam. luc. Oc. A, Syst. 2. Fig. 44. Caprella Dohrnii mibi. Ausgewachsenes Thierchen in voller Gestalt. Die Extremitäten nur einseitig angedeutet. Fig. 45. Caprella elongata mihi. Vorderer Theil des Thieres unter den näm- lichen Bedingungen wie die beiden früheren Figuren gezeichnet. Fig. 46—49 beziehen sich auf Podalirius Kröyeri mihi. Fig. 46. Männchen in voller Gestalt. Die vorderen Extremitäten einfach, die hinteren doppelt angedeutet. Der Hinterleib etwas gewendet um seine Rücken- fläche zu zeigen. Cam. luc. Oc. A, Syst. 2. Fig. 47. Weibchen unter völlig den nämlichen Verhältnissen wie das Männchen gezeichnet. rig. 48. Die mittleren Leibessegmente des Weibchens mit den Verdickungs- stellen und den Beinstummeln. Fig. 49. Fühler des Männchens nebst Kopf und erstem Beinpaar. Oc. 3, Syst. 2. Cam. luc. Fig. 50. Die zwei seitlichen Anhänge der Gattung Cyamus, von denen der eine obere (a) mit dem Fussstummel, der andere untere (db) mit dem Kiemensäckchen der Protellen zu vergleichen ist. 2 Fin A A i 7 ” R Kar Zur Morphologie des Becken- und Schulterbogens der Knorpelfische‘). Von Olga Metschnikoff in Odessa. Mit Tafel XXIV. Bei dem Bestreben, die Extremitäten und ihre Gürtel mit den Kiemenbogen und ihren Theilen in Uebereinstimmung zu bringen, weist GEGENBAUR den Kiemenbögen selbst nur die Gürtel allein zu, alle Ex- tremitätentheile aber betrachtet er als Kiemenstrahlen entsprechend. Von der Thatsache ausgehend, dass bei vielen Haifischen der mitt- lere Kiemenstrahl länger als die Seitenstrahlen ist, und dass er einige Mal beobachiete, wie ein Strahl, an der Basis mit dem anderen articu- lirend, auf diesem anderen sitzt, während die dem mittleren zunächst stehenden Strahlen fast unmittelbar auf demselben sitzen, kommt GEGEN- Baur hierauf schematisch weiter bauend, zu der Flosse des Ceratodus?). Es bildete sich diese letztere seiner Meinung nach in Folge einer ver- stärkten Entwicklung des mittleren Kiemenstrahles, längs dessen und mit ihm articulirend sich die Seitenstrahlen vertheilten. Diesen verlängerten mittleren Fortsatz nennt GEGENBAUR das Stamm- Metapterygion. Er hält jedoch die Flosse des Geratodus nicht für die Urform, von er 4) Dieser Aufsatz wurde an die Druckerei abgeliefert, und die zu ihm gehörende Tafel vollendet, bevor der Aufsatz M. v. Davınorr's, Beiträge zur vergleichenden Ana- tomie der hinteren Gliedmasse der Fische (Morphol. Jahrbuch, Bd. V, Heft 3), er- schien. | D. Red. 2) GEGENBAUR, Zur Morphologie der Gliedmassen der Wirbelthiere. Morph. Jahrbuch. II. p. 447. Das Flossenskelet des Ceratodus ist bei Günther in den Philo- ‚sophical-Transactions 4874, vol. 464, part. 2 beschrieben und abgebildet. Pr 424 02° Olga Metschnikoff, welcher die übrigen Flossenformen ausgegangen wären, und zwar des- halb, weil am Skelet der Ceratodusflosse alle peripherischen Theile am Achsenstamm sitzen, und sich am Schultergürtel in keiner Weise be- festigen. Von den Kiemenbögen aber ist bekannt, dass in jedem Falle, selbst bei starker Entwicklung des mittleren Strahles, einige Seitenstrahlen an dem Bogen sitzen !). Der Urform kommt seiner Meinung nach die Flosse der Selachier näher, eine Flosse, die aus drei sich am Schultergürtel befestigenden Grundsegmenten Pro-, Meso- und Meta-Pterygium besteht. Das Meta- pterygium besteht aus dem Grundtheile, dem Stamm und den an ihm sitzenden Strahlen. Diese letzteren entwickeln sich jedoch nur auf einer Seite des Stammes vollzählig, auf der anderen Seite sind ihrer entweder nur eine geringe Zahl, oder gar keine vorhanden. Es behielt folglich die CGeratodusflosse nur eine primitive Eigen- thümlichkeit, welche sie mit den Kiemen durch die Symmetrie verbindet, die Flosse der Selachier aber bewahrte eine andere, viel ältere Ureigen- thümlichkeit, die Befestigung der Seitenfortsätze am Becken- und Schultergürtel. Danach sind die Thatsachen, welche zu Gunsten der Theorie GEGENBAUR’S sprechen, nur vereinzelt dastehend, wie z. B. die Gegenwart seitlicher Strahlen an dem verlängerten mittleren, oder finden sich bei so hoch organisirten Formen, dass ihre Kennzeichen als Ur- kennzeichen anzuerkennen zu gewagt ist, wie z. B. in Bezug auf die Flosse des Ceratodus. Es ist in Folge dessen GEGENBAUR genöthigt, zu apriorischen Schlüssen Zuflucht zu nehmen, wie z. B. demjenigen, nach ‚welchem das Achsenskelet der Flosse ein verlängerter Strahl des Kiemen- bogens sei. Dieser Schluss ist darauf gegründet, dass bei der Mehrzahl der Selachier der mittlere Fortsatz länger als die übrigen ist, bei einigen Haifischen aber an ihm Seitenstrahlen, wie an einem Stamm sitzen. Als Beispiel der Letzteren führt GEGENBAUR Scymnus?) an, bei welchem sich drei bis fünf Knorpelplatten, Strahlen, finden. Einer von diesen Strahlen sitzt am Vereinigungspunkt zweier mittlerer Bogensegmente, und bildet den mittleren Strahl. »Einige Mal sah ich auch,« sagt er, »dass ein Strahl mit dem anderen an der Basis artieulirt.« Der Um- stand, dass GEGENBAUR die von ihm beschriebene Eigenthümlichkeit nur einige Mal beobachtete, weist aber auf deren Unbeständigkeit hin. 4) GEGENBAUR, Zur Morph. der Gliedm. der Wirbeltbiere. Morphol. Jahrbuch. I. p. #18. 2) GEGENBAUR, Untersuchung zur vergl. Anatomie der Wirbelth. 3. Heft. 1872. »Kiemenstrahlen«. p. 159. - TE = a Zur Morphologie des Becken- und Schulterbogens der Knorpelfische. 425 Ferner?) bei Trygon pastinaca »stellt der letzte mit Strahlen ver- sehene Kiemenbogen den unteren Strahl dar, welcher sich insofern vor den anderen auszeichnet, dass er selbst wieder einige kurze Strahlen unterstützt «. Ausserdem weist GEGENBAUR auf die Thatsache hin, dass bei Rhino- batus und Pristis der mittlere Strahl an der Basis mit den benachbarten Strahlen in eine Platte verschmilzt, so dass die den Haifischen eigen- thümliche Anhäufung der Strahlen an dem Artieulationspunkt zwischen dem oberen und unteren Segmente des Bogens hier einen weiteren Schritt vorwärts macht ?). Die weitere Entwicklung des beschriebenen Stadiums, das heisst die Articulirung der Seitenstrahlen mit dem mittleren sah er, wie schon oben gesagt wurde, nur bei Scymnus, bei mehr primitiven Formen, wie z. B. bei Heptanchus, Hexanchus, Chimaera und bei den höher organi- sirten Formen der Selachier beobachtete er nichts Aehnliches. Das sind die Thatsachen, aus denen GEGENnBAUR Seine Theorie bildete. Da mir diese Thatsachen zu vereinzelt dazustehen schienen, und nicht bei so primitiven Formen vorkommen, um sie als primäre anzuer- kennen, andererseits eine so unbedeutende Abweichung von der ge- wöhnlichen Norm darstellen, dass sie viel eher als secundäre Erschei- nungen betrachtet werden können, so versuchte ich die Ausgangspunkte zur Bestimmung der Entstehung des Extremitätenskeletes bei Formen zu suchen, bei welchen dieses Skelet zwar die geringste Entwicklung zeigte, zugleich aber nicht rudimentär wäre, sondern vollständig functionirte. Dieser Bedingung entsprachen die knorpligen Ganoiden, das heisst die störartigen Fische, am besten, bei welchen sich, wie bekannt, das Achsenskelet, die Wirbelsäule und der Schädel im höchsten Grade pri- mitiv zeigen. Hernach begann ich die Kiemenbogen und ihre Strahlen nicht geradezu mit dem Schultergürtel und der vorderen Extremität, sondern mit dem Becken und der hinteren Extremität zu vergleichen ; und zwar deshalb, weil diese letzteren eine bei Weitem einfachere Bil- ‚dung zeigen. Dies zur Richtschnur nehmend, schritt ich dann von den niedersten Formen zu den höchsten weiter. Von den Störarten zeigte sich Acipenser huso, seiner Grösse wegen, _ am besten zur Untersuchung geeignet. Sein Kiemenapparat (Fig. 1) be- steht aus dem Zungenbeinbogen und fünf Kiemenbögen, die sich sämmt- lich auf der Bauchseite an einem gemeinschaftlichen sehr stark ent- EMI... p.160. = al. e. -p. 460. 426 Olga Metschnikoff, wickelten Verbindungsknorpel, Copula, befestigen. Alle Kiemenbogen sind ausserdem oben zwischen ihren letzten Segmenten verbunden. Der Zungenbeinbogen besteht aus drei Segmenten, von welchen das an den Gopulationsknorpel befestigte das kleinste ist. Die zwei ersten Kiemenbogen bestehen aus fünf Segmenten, von denen, wie auch bei den übrigen Kiemenbogen,, die zwei mittleren, an welchen sich die gleichartigen Kiemenstrahlen befestigen, die grössten sind; die vierten und fünften Segmente sind bedeutend kleiner als die übrigen, und articuliren gemeinsam mit dem dritten Segmente. Ein solches Verhältniss der Kiemenbogensegmente zu einander hat, als dem entsprechend, was von dem Schultergürtel desselben Acipenser huso gezeigt werden wird, eine hohe Bedeutung. Ferner setzt sich der dritte Kiemenbogen aus vier Segmenten zusammen, von welchen das letzte mit einem kleinen Fortsatz endigt. Der vierte und fünfte Bogen hat nur zwei deutlich abgetheilte Seg- mente. Es ist folglich die Zahl der Segmente der einzelnen Kiemenbögen eine ungleiche und schwankt hier zwischen zwei und fünf (Fig. 1). Wenden wir uns nun zum Beckengürtel und seinen Flossen, so sehen wir, dass er aus fünf untereinander articulirenden Segmenten be- steht (Fig. 2). Von ihnen sind drei vollkommen von einander getrennt, das erste, dritte und fünfte, die zwei übrigen aber, das zweite und . vierte sind iheilweise mit dem Nachbarstücke verbunden. Am unteren Rande jedes dieser Segmente sind die Basalstrahlen des Flossenskeletes befestigt (Fig. 2). Mit dem ersten Segmente articuliren von ihnen drei, mit dem zweiten zwei, mit dem dritten und vierten je einer, und mit dem fünften wieder zwei. Diese Strahlen mit Ausnahme des ersten und der zwei letzten sind in Segmente getheilt, und untereinander mittels Bindeknorpel verbunden. Es werden folglich hier die Strahlen durch eine knorpelige Basis unter- stützt, welche aus drei völlig und zwei nicht völlig gesonderten Gliedern besteht. Es ist augenscheinlich, dass diese Basis, sowohl ihrer Beziehung zu den Flossenstrahlen , als auch der Ebenbürtigkeit ihrer Theile nach, einem ganzen Bogen entspricht. Und wirklich, stellt man sich auf den Standpunkt GEGENBAUR’Ss, So muss man annehmen, dass nur das erste Segment dem Bogen, das heisst dem. Beckengürtel entspricht, die übrigen aber den Segmenten des stärker entwickelten Strahles, dem Metapterygium; allein diesem widerspricht sowohl die Gleichheit der Be- deutung aller Segmente, wie sie niemals zwischen den Bögen und ihren Strahlen vorkommt, als auch das gänzliche Fehlen jeder beweglichen Articulation zwischen dem ersten Segmente und den übrigen. Ausser- dem existirt kein Beispiel eines ähnlichen Verhältnisses zwischen den dıra . A be‘ + u ee ns - Zur Morphologie des Becken- und Schulterbogens der Knorpelfische. 427 Bogen und den Strahlen, wie das zwischen den beschriebenen Segmen- ten bestehende. Um dasselbe zuzugeben, müsste man voraussetzen, dass der Becken- gürtel hier im grössten Maasse redueirt, der Strahl, Stamm, Metaptery- gium aber dem entgegengesetzt sehr stark entwickelt wäre. Uebrigens ist auch abgesehen davon, dass sich dieses Schema in der That nicht bestätigt, kein Grund vorhanden, zu denken, dass eine Form, deren Skelet auf einem solch primitiven Stadium steht, ein in so hohem Grade ausgeartetes Verhältniss zwischen dem Bogen und den Strahlen des Beckengürtels zeigen würde. Ausser dem oben Auseinandergesetzten kann man vom Standpunkte der Gesengaur'schen Theorie aus nur annehmen, dass entweder bei Acipenser huso der Beckengürtel gar nicht oder, dem gerade enigegen- gesetzt, ganz allein entwickelt ist. Die Unbegründetheit der ersteren Annahme versteht sich von selbst; in Hinsicht auf die zweite aber spricht die Aehnlichkeit der letzten Segmente mit dem Metapterygium der vor- deren Extremität, selbst eines und desselben Thieres, deutlich genug für sich. Es bleibt folglich nur anzuerkennen, dass die Basis der hinteren Flosse des Acipenser huso aus dem Beckengürtel und dem Stamme des Metapterygium besteht, und dass der letztere kein stark entwickelter Strahl ist, wie GEGEnBAUR glaubt, sondern ein einziges oder eine Summe von mehreren Bogensegmenten. Von diesem Gesichtspunkt aus entspricht die Basis der hinteren Extremität des Acipenser huso nur einem ganzen Bogen, den ich deshalb auch Beckenbogen nenne. Was den Schultergürtel anbelangt (Fig. 3), so tritt derselbe mit den Belegknochen in Verbindung. Seine primitiven, d. h. seine knorpe- ligen Theile zusammen mit den Extremitäten bestehen aus zwei, viel- leicht aber auch aus drei Segmenten, an welchen sich die Strahlen be- festigen. Diese Segmente befinden sich, wenn man den letzteren Fall zulässt, in demselben Verhältniss zu einander, wie das vierte und fünfte Glied der ersten zwei Kiemenbögen (Fig. 1) sich zum dritten Gliede der- selben Bogen verhält. Eines der Segmente (Fig. 3) ist sehr stark ent- wickelt, und längs der unteren Fläche des Belegknochens ausgezogen; das andere dagegen ist sehr klein und steht nicht mit den Knochen im Verbande; das dritte aber liegt fest dem äussersten Stachel der Flosse an. Am ersten sind drei starke Strahlen befestigt, am zweiten vier kleinere, das dritte jedoch trägt ein, sich mit dem benachbarten Strahle verbindendes Segment, welches ebenso, wie die folgenden vier, mit einem kleinen Gliede versehen ist. Diese Knorpel dienen zur Verbindung der Strahlen unter sich. Vergleicht man die beschriebenen Theile mit dem Beckengürtel und 428 Olga Metschnikoff, in seinen Strahlen, so entsprechen dem ersteren selbst die die Strahlen unterstützenden Segmente, weshalb ich selbe auch mit dem Namen Schulterhogen bezeichne. Nach GesEnsaur’s Auffassung werden diese letzteren dem Schulter- gürtel, dem Stamm des Metapterygium und dem Mesopterygium ent- sprechen, insofern man das dritte keine Strahlen tragende Segment als einen Bogentheil, nicht aber als einen abgeänderten Strahl betrachtet. Aus Allem bisher Gesagten geht hervor, dass der Schulterbogen dem Beckenbogen homolog ist, folglich entsprechen beide, wenn nicht unbedingt den Kiemenbögen,, so doch auf jeden Fall einem ganzen, aus einer verschiedenen Zahl von Segmenten bestehenden Bogen. Die übri- gen Störe bestätigen diese Annahme. Bei ihnen allen sind die Kiemen-, Schulter- und Beckenbogen im höchsten Grade übereinstimmend mit dem, was wir bei Acipenser huso sahen. Bei Acipenser ruthenus z. B. besteht der Kiemenapparat aus dem Zungenbein- und fünf Kiemenbögen. Der erstere besteht aus vier Seg- menten (Fig. 4A), dem Hyomandibulare, dem Symplecticum und zwei eigentlichen Hyoidaltheilen. Die zwei ersten Kiemenbögen bestehen je aus fünf Segmenten, welche sich zu einander wie bei Acipenser huso verhalten. Der dritte Bogen schliesst drei, die zwei letzten aber je zwei Segmente in sich. Der Beckengürtel besteht bei demselben Acipenser ruthenus aus fünf Segmenten, von denen eines nicht ganz vollständig ist (Fig. 5), bei - Acipenser stellatus aber aus drei (Fig. 6). Im Wesentlichen verhält sich die Sache bei Acipenser Güldenstädtii, und so viel ich aus einem ziemlich schlecht conservirten Exemplare er- sehen konnte, auch bei Spatularia folium ganz eben so. Die Schultergürtel aber sind bei ihnen allen im Allgemeinen ganz und gar dem ähnlich, was wir bei Acipenser huso sahen). Folglich wird die von mir ausgesprochene Ansicht von allen von mir untersuchten knorpeligen Ganoiden (Acipenser sturio und Scaphy- rhynchus konnte ich nicht untersuchen) bestätigt. Die zunächst folgende höhere Stufe in Bezug auf die Entwicklung des Skelets zeigen die Selachier. Ich beginne mit der Durchsicht des am tiefsten stehenden von ihnen, der Chimaera monstrosa. Der Kiemenapparat zeigt hier einen höchst originellen Bau (Fig. 8). Der Zungenbeinbogen besteht aus drei Hauptsegmenten, dem Hyoman- dibulare und zwei Hyoidalgliedern, welche grosse Kiemenstrahlen tra- gen. Das innere Glied ist durch einen Verbindungsknorpel mit seinem be- 4) cfr. GEGENBAUR, » Brustflosse der Fische«. Taf, VIII, Fig. 3. > Zur Morphologie des Beeken- und Schulterbogens der Knorpelfische. 429 nachbarten, durch einen anderen aber mit dem folgenden Kiemenbogen _ verbunden. Die drei ersten Kiemenbogen bestehen jeder aus vier Seg- menten, und ist das zweite, das grösste von ihnen, mit gleichartigen Knorpelstrahlen versehen (Fig. 8, 9). AlledieseBogen verbinden sich mit ihren Nachbarbogen sowohl, als auch unter sich selbst mittels Verbin- dungsknorpel, wie dies auf Fig. 8 gezeigt wird. Der vierte und fünfte Bogen besitzen nur je ein deutlich abgetheiltes mittleres Segment, die äusseren Segmente aber verschmelzen untereinander (Fig. 8, 9). Von ihnen bildet das innere eine Art Verbindungsknorpel, so dass diese Bogen hier nicht nur unter sich, sondern auch mit ihren Nachbarbogen ‚verbunden sind. Wir sehen hier folglich ein Beispiel der unmittelbaren Verbindung der Bogen untereinander. Ä Wenden wir uns nun zum Beckenbogen (Fig. 40). — Ich werde denselben beim Weibchen untersuchen, da die Untersuchung desselben beim Männchen durch die Gegenwart der Anhänge der Geschlechtstheile, wie auf Fig. 11 abgebildet, erschwert ist. Der Beckenbogen besteht hier aus vier Theilen, die sich sehr leicht zu den Bögen überführen lassen. Er besitzt zwei Segmente, von denen das erste dem Becken- gürtel entspricht (Fig. 10, 41), das zweite aber die Strahlen unterstützt. Der neue Umstand, dass diese Segmente beweglich articuliren , erklärt sich ganz einfach durch functionelle Anpassung. Ueberhaupt zeigt der Beckenbogen der Chimaera, obwohl er sehr einfach erscheint, doch noch eine Complication, die sich darin ausspricht, dass derselbe der ge- genwärtigen Beziehung seiner Theile nach sich mehr zu dem Schulter- als zu dem Beckengürtel der störartigen Fische hinneigt. Abgesehen davon, besitzt derselbe noch solche Eigenschaften, Dank deren er als verbindendes Glied zwischen den Stören und Selachiern dient. Diese Eigenschaft besteht darin, dass hier die Bogen eines und desselben Paares nicht untereinander verbunden sind, während sich bei den höhe- ren Formen dieses primitive Kennzeichen verliert. Bei Weitem complicirter ist der Schulterbogen {Fig. 12). Zu seinem Complex gehören fünf Segmente, welche nach GEGENnBAUR dem Schulter- gürtel und dem Pro-, Meso- und Metapterygium entsprechen. Bezieht man ‚alle diese Theile auf den Beckenbogen, so werden seinem keine Strah- len tragenden Segmente (Fig. 12) der Schultergürtel , dem Strahlen tra- senden Theile aber das Meta- , Meso- und Propterygium entsprechen. Es ist auch möglich, dass dieses Glied des Beckenorgans aus einer Ver- schmelzung der oben genannten Theile, wie z. B. der äusseren Theile des vierten und fünften Kiemenbogens zusammengesetzt ist, oder es hatte sich dem entgegen aus ihnen nur allein gebildet. Den Schulter- gürtel mit dem Beckengürtel vergleichend, setze ich auch bei dem erste- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXIII. Ba. 98 De ie N en + RT Bee ar Be} 7 DEE [= ar ie F - x‘ u a a u En 450 Olga Metschnikoff, ren eine ähnliche Veränderung voraus. — Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zersplitterung eines jeden seiner Bogen (Fig. 12) in zwei Segmente eine secundäre Erscheinung ist. Auf das Verschwinden der primären Eigenschaften am Schultergürtel weist auch die Thatsache hin, dass beide denselben zusammensetzende Bogen mit den Rändern ihrer inne- ren Segmente nach Art eines Verbindungsknorpels verschmolzen sind (Fig. 12). Eine ähnliche Vereinigung wird, wie aus dem schon früher Gesagten hervorgeht, bei den störartigen mit einem primitiveren Skelet versehenen Fischen nicht angetroffen. Und so zeigt es sich, dass, wenn man den Schulterbogen der Chimaera mit deren Beckenbogen vergleicht, die Aehnlichkeit zwischen ihnen in Folge der Zersplitterung des Schulter- sürtels in eine grössere Zahl von Segmenten und durch die Verschmel- zung der inneren Glieder der den Schultergürtel bildenden Bogen ver- loren gegangen ist. Diese Voraussetzung ist natürlich schematisch , aber sie stützt sich auf die eben auseinander gesetzte Thatsache der Verschmelzung der zwei letzten Kiemenbogen bei der nämlichen Chimaera (Fig. 8, 9). Ich will ferner auch noch auf die in die Augen springende Aehn- lichkeit zwischen der Organisation einiger Theile des Zungenbeins- und Schulterbogens hinweisen (Fig. 8, 9 und 12). Eine vollkommene Homodynamie kann man freilich nur in Bezug auf die ersten drei grossen Segmente a, b, c des Zungenbeinbogens mit dem Meta-, Meso- und Propterygium verfolgen, dem Schultergürtel selbst aber entspricht vielleicht der Verbindungsknorpel, welcher den Zungen- beinbogen mit dem Aufhängeapparat verbindet (d). — Es ist überhaupt sehr gewagt, hier genaue Substitutionen durchzuführen, da sich diese Knorpel zu sehr ausgeartet oder rudimentär zeigen. Ich gehe jetzt zur Durchsicht der Haifische, das heisst der Selachier über, die eine Stufe höher als Ghimaera stehen; werde aber keine aus- führliche Beschreibung ihrer Kiemenapparate und Schulterbogen geben, da alles Dieses bereits bei GEGEnBAur geliefert ist!). Als eine der am niedrigsten stehenden Haifischformen zeigt sich Heptanchus cinereus. Sein Kiemenapparat besitzt nichts Aussergewöhn- liches. Der Zungenbeinbogen besteht aus dem Hyomandibulare und den Hyoides, welche unter sich durch Verbindungsknorpel vereinigt sind. Alle sieben Kiemenbögen befestigen sich mit ihren unteren Enden an 4} GEGENBAUR, Unters. z. vergl. Anat. d. Wirbelth. »Das Kopfskelet der Selachier, ein Beitrag zur Erkenntniss der Genese des Kopfskeletes der Wirbelthiere« und _»Schultergürtel der Wirbelthiere und Brustflosse der Fische.« 2. und 3. Theil. Zur Morphologie des Becken- und Schulterbogens der Knorpelfische. 431 dem allgemeinen Knorpel und bestehen jeder aus vier Segmenten. An den zwei mittleren Gliedern sitzen die Kiemenstrahlen !). Der Beckenbogen besteht aus drei Segmenten (Fig. 13), welche sich etwa so zu einander verhalten, wie die Theile des Schulterbogens bei den störartigen Fischen (Fig. 3, 7), und aus zwei anderen am unteren Theile des Metapterygium vertheilten Stücken. Es verbindet sich aber hier das grössere Segment mit dem ihm entsprechenden Gliede des Bogens der Gegenseite, ohne jedoch mit demselben zu verschmelzen. Ueber- haupt verliert, von den Haifischen anfangend, der Beckenbogen seine primitive Selbständigkeit. An den übrigen Segmenten des Beckenbogens des Heptanchus sind die, wie auf Fig. 43 gezeigt, an den Enden mit kurzen Gliedern versehenen Strahlen befestigt. Der Schulterbogen?) be- steht aus dem Schultergürtel, dem Meta-, Meso- und Propterygium. Der erstere hat die Form eines verlängerten in der Mitte breiter werdenden Knorpels. Seine äusseren Enden sind frei, die inneren aber untereinander durch Verbindungsknorpel vereinigt. Mit seinem verbreiterten Theile verbindet sich der Schultergürtel mit den übrigen drei Segmenten des Schulterbogens. Von ihnen trägt nur das Meso- und Metapterygium Strahlen. Das letztere theilt sich noch in zwei weitere kleine Glieder, so dass der Schulterbogen eigentlich aus sechs Segmenten besteht. Er unterscheidet sich folglich bei Heptanchus von dem Beckenbogen durch die Gegenwart eines überzähligen Segmentes, des Propterygium, und durch den Umstand, dass die Bogen seines Gürtels untereinander nicht unmittelbar, sondern durch die Copula verbunden sind. Ausserdem ist auch das Verhältniss zwischen dem Schultergürtel und den übrigen Bogentheilen anders. So geht in diesem Falle, wo sich beim Beckenbogen der Gürtel mit seinem äusseren Ende mit den übrigen Segmenten verbindet, beim Schul- terbogen diese Verbindung vermittels des mittleren verbreiterten Theiles des Schultergürtels vor sich. Das Verhältniss zwischen den Theilen des Beckenbogens ist primi- tiver, wie daraus hervorgeht, dass dasselbe dem gegenseitigen Verhält- _ nisse der Kiemenbogentheile ähnlicher ist. Es ist dieses Verhältniss, wie aus dem Weiteren zur Genüge her- vorgeht, bei den Selachiern und, wie bereits beschrieben, auch bei den störartigen Fischen sehr beständig. Es erhält dasselbe dadurch die Be- deutung, dass es die Primitivität des Beckenbogens bestätigt. Als eine dem Heptanchus sehr nahestehende Form erweist sich Ale: Theil 3. Taf. XVII, Fig. #4. 2) GEGENBAUR, Theil 2. Taf. IV, Fig. 4 und Taf. IX, Fig. 2. > H Br, SE S : 938* 432 Olga Metschnikoff, Scyllium. Ihr Kiemenapparat!) besteht aus einem zweigliedrigen Zun- genbeinbogen, der sich mit seinen paarigen Bogen durch einen stark entwickelten Knorpel verbindet, und aus fünf Paar Kiemenbögen ; vier von ihnen bestehen aus je vier Gliedern, einer aber besteht nur aus drei. Alle sind mit ihren inneren Enden am Verbindungsknorpel be- festigt. — Der Beckenbogen (Fig. 14) besteht aus drei grossen Segmenten, dem Beckengürtel, dem Meso- und Metapterygium und drei kleineren, die unteren Enden desselben vorstellenden. Die Bogen des Becken- gürtels sind so enge mit einander verbunden, dass sie auf den ersten Blick als ganz ungetheilt erscheinen. Auf dem Meso- und Metaptery- gium sitzen, in zwei ungleiche Segmente getheilt, die Strahlen, wie auf Fig. 14 abgebildet ist. — Der Schultergürtel bei Scyllium ist ebenfalls mit seinen Bogen fast vollständig zu einem Ganzen verschmolzen. Ausserdem gehört in den Complex des Schulterbogens noch das Pro-, Meso- und Metapterygium, von denen jedes in zwei Segmente getheilt ist. An diesen sind die drei- und viergliederigen Strahlen befestigt 2). Eine noch grössere Verschmelzung der den Beckengürtel bildenden Bogen zeigt Centrophorus (Fig. 15). Dieser Bogen bietet das Bild einer vollständig ganzen, etwas buckligen Platte, an welche sich auf jeder Seite die übrigen gewölbten Segmente des Beckenbogens, nämlich das Meso- und das dreigliedrige Metapterygium befestigen. An ihnen sitzen die zweigliedrigen Strahlen (Fig. 45). Bei Spinax acanthias endlich (Fig. 16) hat der Beckengürtel das Aussehen eines wirklichen Verbindungsknorpels. An ihm findet man schon keine eigentlichen Spuren secundärer Abstammung mehr. Ich glaube jedoch , dass dieser Knorpel nichts Anderes ist, als zwei ver- schmolzene Segmente paariger Bogen des Beckengürtels, und zwar auf Grund dessen, dass wir von den niedrigsten bis zu den höchsten Formen fortschreitend sahen, wie die beiderseitigen Bogen der Becken- und Schultergürtel sich immer mehr näherten und endlich sich mit einander vereinigten. Ein Beispiel der Atrophie dieser Bogen und ihres Ersatzes durch Verbindungsknorpel kam bis jetzt nicht vor. Auf jeden Fall geht die Verschmelzung des Beckengürtels hier sehr früh vor sich, weil an den von mir beobachteten, freilich nicht sehr frühen Embryonalstadien diese Verschmelzung schon eine vollständige war. Ausser dem Gürtel besteht der Beckenbogen des Spinax acanthias aus dem Meso- und Meta- pterygium, an welche die zum grössten Theil zweigliederigen Strahlen befestigt sind (Fig. 16). Der Schulterbogen aber bestehi aus dem Gürtel, A) cfr. GEGENBAUR, Theil 3. Taf. XVII, Fig. 4. 2) cir. GEGENBAUR, ]. c. Theil 2. Taf. IX, Fig. 8. Zur Morphologie des Becken- und Schulterbogens der Knorpelfische, 433 dem zweigliedrigen Pro- und Mesopterygium und dem dreigliedrigen Metapterygium !\. Die Bogen des Schultergürtels verschmelzen nicht, sondern vereinigen sich untereinander. So sehen wir bei den Haifischen den Verlust eines der hauptsäch- lichsten primitiven Kennzeichen des‘ Bogens, — seiner Selbständigkeit erfolgen. Die Rochen unterscheiden sich in der Hauptsache sehr wenig von den Haifischen. Ihre Hauptunterscheidungszeichen concentriren sich auf dem häufigen Fehlen des Mesopterygium beim Beckenbogen und darin, dass die äusseren Enden des Schultergürtels nicht wie bei den Haifischen frei bleiben, sondern sich nach innen biegend an der Wirbel- säule befestigen. Die inneren Enden jedoch verschmelzen fast immer. Eine Uebergangsform zwischen den Haien und Rochen stellt Rhino- batus dar (Fig. 17). Sein Kiemenapparat mit dem originalen Verbindungs- knorpel ist bei GEGENBauUR beschrieben und abgebildet?) und deshalb lasse ich mich über ihn nicht weiter aus. Was aber den Beckenbogen betrifft, so besteht derselbe aus dem Beckengürtel und dem viergliedri- sen Meso- und Metapterygium (Fig. 47). An der Aussenseite des Meso- pterygium sind ungefähr sieben Strahlen befestigt, von welchen der erste das Aussehen einer breiten kurzen Platte hat. Die Strahlen des Metaptery- gium dagegen sind lang und dünn und bestehen je aus drei Gliedern (Fig. 17). — Der Beckengürtel ist fast vollständig ganz, er bewahrte kaum Spuren seiner paarigen Abstammung. Seine äusseren Enden, an welche das Meso- und Metapterygium befestigt sind, sind verbreitert und in zwei Fortsätze ausgezogen, von denen der eine nach oben, der andere nach unten gerichtet ist. Der Schultergürtel ist ausführlich bei GEGENnBAuUR beschrieben >). Aus dieser Beschreibung geht hervor, dass die den Schultergürtel bil- denden Bogen sich mit den unteren Enden miteinander verbinden, mit ihren oberen Enden aber zur Wirbelsäule treten und folglich eine Art eigentlichen Gürtels bilden. Vergleicht man denselben mit dem Schultergürtel der Haie, so zeigt sich, dass der Unterschied zwischen ihnen nur darin besteht, dass die äusseren Enden der Bogen des Schultergürtels bei Rhinobatus anstatt, wie bei den Haien, frei zu bleiben, sich nach innen zu gegen die Wirbel- säule einbiegen, die inneren Enden sich aber enge miteinander verbin- den. Hieraus entsteht auch die originelle Form des Schultergürtels der A) cfr. GEGENBAUR, |. c. Theil 2. Taf. IV, Fig. 9. Taf. IX, Fig. 4. marc. Theil’3. Taf. XIV, Fig. 4 und Taf. XV, Fig. 3. 3). e. Theil 2. Taf. V, Fig. 4. p. 82. 434 Olga Metschnikoft, Rochen überhaupt; ein greller Unterschied aber mit dem, was wir bei den Haifischen sahen, geht in der Hauptsache daraus nicht hervor. Das was über Rhinobatus gesagt wurde, ist annäherungsweise auch auf die übrigen Rochenarten anzuwenden. So zeigt der von GEGEnBAUR!) beschriebene Kiemenapparat des Torpedo in der Hauptsache selbst keinerlei Unterschied. Ebenso ist der Beckenbogen dem vorhergehenden sehr ähnlich. Sein Gürtel vereinigt sich mit seinem Bogen fast vollständig in eine fast ganze Platte, an deren verbreiterten Enden sich das Metapterygium und der verbreiterte erste Flossenstrahl befestigen. Die äusseren Enden des Beckengürtels verlängern sich wie bei Rhinobatus in lange und dünne Fortsätze (Fig. 18). Das Metapterygium ist ganz und gar nicht entwickelt, obwohl es auf den ersten Blick scheint, dass ihm der erste Flossenstrahl entspricht. Es ist jedoch derselbe in so hohem Maasse übereinstimmend mit den übrigen Strahlen und trägt, wie aus den vorhergehenden Fällen zu er- sehen ist, auch keine Nebenstrahlen, so dass es zu weit hergeholt wäre, ihn für das Mesopterygium zu halten. | Es stört diese Ansicht auf jeden Fall den Einklang des Vorhergegan- genen nicht, da, wie wir gesehen haben, die Zahl der Segmente sehr veränderlich ist. Was den Schulterbogen betrifft, so ist die Form seines Gürtels sehr originell. Ich werde denselben nicht beschreiben, da GEGENBAUR ?) ihn bereits beschrieben und mit dem Schultergürtel des Rhinobatus ver- - glichen hat. An dem Schultergürtel sind, wie bei allen Rochen, die übrigen drei Segmente des Schulterbogenrs befestigt. Von ihnen sind das Pro- und Metapterygium sehr stark eniwickelt und durch das gebogene Mesopterygium von einander getrennt). | Bei Trygon pastinaca zeigt der Beckenbogen in der Hauptsache nichis Neues. Sein Beckengürtel trägt im höchsten Grade schwache Spuren der Theilung. An den äusseren Enden ist er verbreitert und bil- det zwei Fortsätze, von denen einer sehr dünn und lang ausgezogen, — der andere aber kurz und stumpf ist. Mit diesem Ende articulirt das andere Segment des Beckenbogens, — das Metapterygium, — welches aus vier Gliedern und dem ersten Flossenstrahle besteht. An dem Meta- pterygium sind die an ihren Enden getheilten Strahlen befestigt (Fig. 19). Was den Schultergürtel betrifft, so ist derselbe bei GEGENBAUR ®) be- schrieben, und gewährt mit Ausnahme dessen, dass das Mesopterygium sehr schwach entwickelt ist, kein besonderes Interesse. 4)1.c. Theil 3. Taf, XX, Fig. A. 2" 1.0. Rheil'2. "Taf. VaEis; 57973. 3)-1.,@. Taf. IX, Fig..12, 4) 1. c. Taf. V, Fig. 3 und Taf. IX, Fig. 44. ’ > > Zur Morphologie des Becken- und Schulterbogens der Knorpelfische, 435 92 Ich ziehe noch einen sehr interessanten Repräsentanten der Rochen, Raja clavata, in Betrachtung. Sein Kiemenapparat, dessen letzter Bogen mit dem Schultergürtel articulirt, ist bei GeGEnBaur abgebildet!). Die Bogen des Beckengürtels sind ganz miteinander verwachsen (Fig. 20). An den verbreiterten und in die Länge gezogenen Enden des Becken- gürtels befestigen sich der erste Flossenstrahl und das Metapterygium. Der erste sitzt auf einem hervorstehenden Gelenkkopf, das zweite aber auf einer schwachen Erhöhung des unteren Randes des Bogens des Beckengürtels. An dem dreigliedrigen Metapterygium befestigen sich die in eine verschiedene Zahl von Segmenten getheilten Strahlen. Die Zahl dieser Strahlensegmente wird von vorn nach hinten immer grösser. Alle diese Strahlen haben eine sehr sonderbare krallenartige Form. —- Bei dem Männchen befestigt sich, wie in Fig. 20 abgebildet ist, am Ende des Metapterygium ein sehr stark entwickelter Fortsatz, der die Rolle eines Anhanges der Geschlechtsorgane spielt. Der Schultergürtel der Raja zeigt ebenfalls ganz verschmolzene innere Enden; die äusseren dagegen sind sehr stark entwickelt?) und nehmen eine sehr originelle Gestalt an. An ihnen befestigt sich das sehr ‚stark entwickelte Mesopterygium. In dem Zwischenraum zwischen dem letzteren und dem Metapterygium sind mit dem Schultergürtel unmittel- bar fünf Flossenstrahlen verbunden ?). Der Umstand, dass sowohl der Becken- als der Schultergürtel Flossenstrahlen trägt, ist als Beweis der Erhaltung einer derjenigen primitiven Eigenschaften, welche man nur bei den störartigen Fischen findet, sehr interessant. Ich führe keine weiteren Beispiele an, weil ich glaube, dass das Vorgebrachte zur Bestätigung meiner Ansicht über die Herkunft des Schulter- und Beckenbogens hinreicht, und zwar um so mehr, als die übrigen störarügen Fische und Selachier im Ganzen in der Hauptsache keine scharfen Unterschiede zeigen. Es bleibt jetzt nur noch übrig, das Gesagte in ein Ganzes zu- - sammenzufassen. Als Ausgangspunkt den Beckenbogen der störartigen Fische, deren Skelet sich am primitivsten zeigt, annehmend, fand ich, dass er aus einer Summe von Segmenten besteht, welche Flossenstrahlen tragen. Aus den vorgebrachten Gründen ist zu ersehen, dass diese Segmente einen ganzen Bogen darstellen. Der Schultergürtel der störartigen Fische bezieht sich, wie gesagt, auf den Beckengürtel und ist mit demselben 4)1.c. Theil 3. Taf. XVII, Fig. 1. 2) cfr. GEGENBAUR, 1. c. Theil 2. Taf. V, Fig. 4. 3)1. ce. Taf. IX, Fig. 43. 436 Olga Metschnikoff, homodynam. — Da zum Complex des ersteren die Basis des Meso- und Metapterygium gehören, so ziehe ich den Schluss, dass diese Theile den Segmenten des Bogens, nicht aber Strahlen, entsprechen, wie GEGEn- Baur meint. Alle weiteren Beispiele bestätigen diesen Schluss. So zeigt - die Untersuchung der Chimaera, dass ihr Beckenbogen sich in einfach- ster Weise auf den Schulterbogen der störartigen Fische bezieht; der Schulterbogen aber, obwohl er sieh ziemlich complicirt zeigt, bezieht sich doch, wie schon angeführt, ebenfalls nicht nur auf den Becken-, sondern vielleicht auch auf den Zungenbeinbogen. In den Bereich dieses Schulterbogens tritt ein neues Element — das Propterygium —, welches ebenfalls einem einzelnen Gliede eines ganzen Bogens entspricht. Weiter zeigte die Untersuchung der entsprechenden Theile der Hai- fische und Rocher, dass sie in der That homolog sind, und dass die Un- terschiede, welche sich zwischen ihnen finden, wie die Gegenwärt oder das Fehlen des Mesopterygium am Beckenbogen und des Propterygium am Schulterbogen, die Vollständigkeit des Schulter- und Beckengürtels — die Resultate entweder der Verluste primitiver Kennzeichen, oder der Aneignung neuer Kennzeichen sind, wie z. B. dieVeränderung der Form und der Lage des Schultergürtels bei den Rochen. Die Verschiedenheit der Segmentzahl hat keine wesentliche Bedeu- tung; auch die Kiemenbogen zeigen in dieser Beziehung das Nämliche. Der Umstand, dass der Schulterbogen stets eine grössere Segmentzahl in sich schliesst, steht aller Wahrscheinlichkeit nach mit seiner im Allge- meinen stärkeren Entwicklung in Verbindung. Bei einigen Formen (Heterodontus und Scymnus) ist am Schulterbogen ebenfalls nur der Gürtel, das Meso- und Metapterygium entwickelt. Daraus, dass ich die Becken- und Schultergürtel aller durchgesehe- nen Formen auf den Beckengürtel der störartigen Fische beziehe, ent- nehme ich, dass alle Theile, welche in den Bereich dieser Bogen gehören, nämlich der Becken- und Schultergürtel und die Stämme des Pro-, Meso- und Metapterygium die Theile eines ganzen Bogens darstellen. Es scheint mir, dass diese Ansicht schon dadurch bestätigt wird, dass sich mit ihr Umstände vereinigen, die sich auf so primitive Formen, wie die störartigen und quermäuligen Fische beziehen. Von selbst versteht sich, dass dieser Schluss der Theorie GEGEN- Baur’ s, nach welcher er die Gliedmassen der höheren Thiere auf die Flosse der Fische bezieht, nur in der Beziehung widerspricht, dass sein Archipterygium nicht dem Stamme eines einseitig entwickelten Strables, sondern einer Reihe von, in den Bereich des Becken- oder Schulterbogens gehörenden, Segmenten entspricht. Nach GesEnsaur hat sich neuerdings Huxrey in bemerkenswerthcr Nat. A an Pe RR La BET zul u u N, De : 1 eo; un en: N Zur Morphologie des Becken- und Schulterbogens der Knorpelfische. 437 Weise über den Ursprung des Flossenskelets ausgesprochen). Seine Ansichten unterscheiden sich namentlich durch die verschiedene Auf- _ fassung des Archipterygium und der Beziehungen zwischen dem Flossen- skelete der Fische und der höheren Wirbelthiere. In der Frage aber, welche das Hauptthema meiner Arbeit ausmacht, d. h. die Homologie zwischen den Theilen des Flossenskelets und denen des Bozens, hat Huxrey keine besondere Meinung ausgesprochen. Was seine Theorie des Ichthyopterygium (p. 54) resp. Chiropterygium (p.56) anbelangt, so kann auf dieselbe Dasjenige bezogen werden, was ich so eben über die Theo- rie des Archipterygium bemerkte. — Da im Vorhergehenden einige Male die Frage berührt wurde, welche morphologische Verwandtschaft zwischen dem Schulter- und Becken- bogen und den Kiemenbögen besteht, so halte ich es für nöthig, zur Ver- meidung von irgend welchen Missverständnissen, folgenden Zusatz zu machen. Wenn ich auch, gleich Owen und GEGENBAUR, in Bezug auf die Gürtel der Extremitäten annehmen kann, dass die Beeken- und Schul- terbogen den Kiemenbogen homodynamisch sind, so bezieht sich meine dargelegte Auffassung zunächst nicht eigentlich auf diese Homodynamie. Ich behaupte nur, dass der Beckenbogen der störartigen Fische einem ganzen Bogen homolog ist, ohne dabei auf seiner Homodynamie mit dem Kiemenbogen zu bestehen. Ob sich schliesslich in Wirklichkeit, wie man jetzt mit grosser Wahrscheinlichkeit annimmt, zeigt, dass zwischen den Kiemenbögen und den Bogen der Extremitäten eine Homodynamie ‚besteht oder nicht, das ist den hier entwickelten Ansichten gegenüber 438 Olga Metschnikoff, Zur Morphol. d. Becken- u. Schulterbogens d. Knorpelfische. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. nn > oo 19 «u rw» = me eo No a = wo [SS S Erklärung der Abbildungen. Tafel XXIV. . Kiemenapparat von Acipenser huso. . Beckenbogen desselben. . Schulterbogen desselben. . Kiemenapparat von Acipenser ruthenus. . Beckenbogen von Acipenser rutihenus. . Beckenbogen von Acipenser stellatus. . Schulterbogen desselben. . Kiemenapparat von Chimaera monstrosa. . Der Zungenbeinbogen und Kiemenbogen von einander getrennt. . Beckenbogen des Chimaeraweibchens. . Beckenbogen des Chimaeramännchens. . Schulterbogen von Chimaera monstrosa. . Beckenbogen von Heptanchus cinereus. . Beckenbogen von Scyllium. . Beckenbogen von Centrophorus. . Beckenbogen von Spinax acantias. . Beckenbogen von Rhinobatus. . Beckenbogen von Torpedo Galvanii. . Beckenbogen von Trygon pastinaca. . Beckenbogen von Raja clavata. er Neue Infusorien von Dr. August Gruber, Assistenten am zool. Institut in Freiburg im Breisgau. Mit Tafel XXV und XXVI. Vorwort. Obgleich die Classe der Infusorien schon 200 Jahre lang der Wissen- schaft bekannt ist, und seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts einer Reihe bedeutender Forscher zu mannigfachen Studien Anlass gegeben hat, so bietet sie doch noch immer eine reiche Fundgrube für die wissen- schaftliche Untersuchung. Eine Menge von Gattungen und Arten müssen dem Forscher noch unbekannt geblieben sein, denn sogar im süssen Wasser, das im Vergleich mii dem Meere so genau durchsucht worden, zeigen sich immer noch neue Formen. Das Studium derselben wird, wenn nicht immer, so doch häufig neue Beiträge liefern zu dem, was wir über Bau und Lebensweise der Infusorien im Allgemeinen wissen. Ich war so glücklich mehrere Formen zu finden, welche diese Vor- = aussetzung reichlich erfüllten: Einige stellten das erste Beispiel von Stock- oder Coloniebildung in Ordnungen dar, bei denen dies bisber noch nie gesehen worden, nämlich bei den Hypotrichen und den Holo- trichen. Zugleich liessen sie sich während der Verfertigung ihrer eigen- thümlichen Wohnungen aufs Schönste beobachten. Andere aus der Gruppe der Vorticelliden zeigten zum Verschluss ihrer Hülsen sehr merkwürdige Vorrichtungen, welche mit die weit- gehendsten Differenzirungen des einzelligen Organismus sein mögen, die man sich denken kann. : Da endlich auch für die Kenntniss der Fortpflanzungsgeschichte eine REN u - er 5 ee - 440 Angust Gruber, der neuen Gattungen einen nicht uninteressanten Beitrag liefert, so habe ich nicht gezweifelt, diese Beobachtungen der Oeffentlichkeit übergeben zu sollen. Stichotricha socialis nov. spec. Dies Infusorium, auf das ich seiner ausserordentlich eigenthüm- lichen Lebensweise wegen hier die Aufmerksamkeit lenken möchte, ent- wickelte sich in einem kleinen Aquarium, in welchem ausgetrockneter Schlamm aus Wien, der schon seit dem Jahr 1876 auf dem hiesigen zoologischen Institut liegt, aufgelöst worden war. Entdeckt wurde die Strichotricha von Herrn Dr. J. van Rees, der so freundlich war, mich auf dieselbe aufmerksam zu machen, und der mich ausserdem durch die Hülfe, die er mir bei der Untersuchung der schwierig zu entziffernden Wimperbekleidung des Thieres leistete, zu bestem Dank verpflichtet hat. Der merkwürdig verästelte Bau, in welchem die Thierchen sich aufhielten, musste sofort die Aufmerksamkeit des Beobachters erwecken. Das Gebilde erschien auf den ersten Blick so seltsam, dass man zweifeln mochte, ob die Thiere sich nicht irgend einen Fremdkörper zur Woh- nung gewählt hätten. Bald aber fand ich noch eine ganze Menge der- selben Gehäuse im Wasser schweben und so konnte ich kaum mehr im Ungewissen sein, dass sie ein Product der Thiere seien, bis endlich gar jeder Zweifel schwinden musste, als ich direct die Anfertigung der Hülsen durch die Infusorien beobachten konnte. Trotzdem solche Stichotricha-Ansiedlungen wohl noch nicht bekannt geworden sind, so war ich versucht, in der vorliegenden Form, welche diesen merk würdi- gen Kunstitrieb entwickelt, die von Stein !) näher beschriebene Sticho- tricha secunda Perty zu erblicken. Doch bei der näheren Untersuchung des Infusoriums stellten sich manche Unterschiede heraus, so dass es Zweifel in die Genauigkeit der Beschreibung Steın’s setzen hiesse, wollte ich die beiden Formen für identisch halten. Ich werde auf den Bau dieses Infusoriums nachher noch genauer zu sprechen kommen, nachdem ich zuvor das Gehäuse näher beschrieben haben werde. Auch Stein hat bei seiner Stichotricha an einzelnen Exemplaren eine Hülle gesehen, die sehr wahrscheinlich dem hier zu beschreiben- den Gehäuse analog ist. Er sagt?): »Das Thier bewohnt zuweilen eine gallertartige, walzen- förmige, dickwandige, farblose Hülle (Fig. 13 Rh), die hinten bald ge- schlossen, bald offen und immer etwas gekrümmt ist.« 4) STEIS, Der Organismus der Infusionsthiere. I. 2) p. 175. Neue Infusorien. 441 Stein zweifelte aber selber daran, ein Product des Thieres selbst - vor sich zu haben, , da er später von denselben Infusorien eines in einer Schale von Arcella vulgaris, und ein anderes in einer Eischale eines Räderthieres auffand. Beide Thiere trieben das eigenthümliche Spiel des Aus- und Einschlüpfens, wie ich es später auch noch zu beschrei- ben haben werde und verliessen ihre Schlupfwinkel nicht. Stein glaubte auch, dass die Hüllen für Ausscheidungen des Infu- sors zu voluminös seien, wir werden aber später zeigen, dass die Ent- stehung derselben trotzdem keine andere ist!). Das Gehäuse der Strichotricha socialis (Fig. 1) stellt ein Bäumchen dar, dessen Stamm sich zu einer reichen Krone von Aesten verzweigt. Diese hängt stets nach unten, während der Stiel meist an der Oberfläche des Wassers an allerlei feinen pflanzlichen Abfällen, oder an den Seiten- wänden des Aquariums befestigt ist. Der Stamm ist an seinem Anfangstheil dünner und nimmt bis zu seiner ersten Verzweigung stets an Dicke zu und ebenso verhalten sich die Aeste. Die Verzweigung ist eine dichotomische, nie gehen drei oder mehr Nebenäste von einem Punkte des Hauptastes aus, wofür wir bei der Be- schreibung des Aufbaus der Colonien die Erklärung finden werden. Man darf sich unter diesen Zweigen keine soliden Stäbchen vor- stellen, sondern das ganze Gebilde besteht aus einem System vonRöhren, welche an jedem Zweigpunkt mit einander communiciren, und alle aus dem dünnen und langen Stammrohr ihren Ursprung nehmen, das sich frei nach aussen öffnet. Im Endtheil jedes Zweigcehens nun steckt eins der beschriebenen Infusorien, in lebhaftem Spiele hin und her schlüp- fend. Bald schiebt es fast den ganzen Leib aus der Röhre hervor und strudelt sich mit dem langen Wimpersaume seines Peristoms die Nah- rung zu, bald rutscht es wieder blitzschnell in das Gehäuse zurück (s. Fig. 4). Werden die Thiere erschreckt oder stark beunruhigt, so verlassen sie entweder das Gehäuse und entfliehen, oder sie ziehen sich weit in die Röhren zurück. Oefters schlüpfen sie dann auch durch den Stamm "ins Freie hinaus. In den Canälen selber bewegen sie sich nur mittels der drei Wimperreiben und der starren seitlichen Cilien, das Peristom kann sich in den Röhren nicht entfalten. Im Freien dagegen beginnt es 4) Ich habe in einer vorläufigen Mittheilung (Zool. Anzeiger, Jahrg. II, Nr. 39) darauf aufmerksam gemacht, dass Steıs jetzt in dem neuerschienenen Band III des Org. der Infusionsth. bei Flagellaten Formen abbildet, die den hier besprochenen offenbar identische Gehäuse bewohnen, wie ein Blick auf seine Zeichnung von Rhipidodendron splendidum zeigen mag. 442 | August Gruber, sofort sein lebhaftes Spiel und die Thierchen schiessen pfeilschnell im Wasser dahin. Hat ein Infusor einmal seine Golonie verlassen, so kehrt es nie mehr dahin zurück; ich habe wenigstens oft beobachtet, wie alle Individuen einer Ansiedlung, wahrscheinlich durch den Druck des Deckglases in Unruhe versetzt, ausgeschwärmt sind, ohne dass je eines Anstalten ge- macht hätte, seine alte Wohnung wieder aufzusuchen. Auch im Aquarium, wo die Thiere aufgewachsen, fand ich viele ganz verlassene Gehäuse. WRzEsnıowsk1!) giebt in seiner vorzüglichen Beschreibung von Ophrydium versatile sehr richtig an, dass die Colo- nien — ins Aquarium gebracht — selten ihre Bevölkerung behalten und dass die abgelösten Thiere neue Ansiedlungen an einem geeigneten Orte gründen. Ebenso ist es hier bei Stichotricha socialis und man kann es direct beobachten, dass die ausgeschwärmten Thiere sich irgendwo festsetzen und eine neue Behausung zu verfertigen beginnen. Die Art und Weise, in welcher dies geschieht. ist so sinnreich — sit venia verbo — und die Construction des ganzen Baus erklärt sich daraus so einfach, dass es mir gestattet sei, etwas näher darauf einzu- gehen: Einige Zeit, nachdem eine Colonie von ihren Bewohnern ver- lassen worden, findet man häufig einzelne Individuen, welche nicht mehr eilig hin und herschiessen , sondern ziemlich ruhig an einer Stelle liegen bleiben. Sie gleiten dabei immer vor- und rückwärts, ganz wie es die Thiere machen, welche noch im Gehäuse stecken. Sieht man näher zu, so bemerkt man, dass sich um das Infusor eine äusserst zarte Röhre ausgeschieden hat, die so fein ist, dass sie oft nur sichtbar wird, wenn sich kleine Stäubkchen oder — was häufig der Fall ist — kleine Bacterien daran angesetzt haben. Mit der Zeit scheidet das Infusorium aber immer mehr von jener Substanz aus, so dass die Wandung der Röhre immer deutlicher er- scheint, während das Lumen durch das fortwährende Hin- und Her- gleiten des Thieres offen gehalten wird. Ich habe auf Figur 6 und 7 ein Stadium abgebildet, wo die Röhre eben anfängt deutlich zu werden. Sie ist noch sehr kurz, so dass das Infusorium auch beim Rückwärtsgehen weit darüber hinausreicht; die Wände sind noch sehr dünn und collabiren sofort, wenn das Thier sich zurückzieht; erst später erhärten sie — wahrscheinlich durch die Wir- 4) WrzEsniowskı, Beobachtungen über Infus. der Umg. von Warschau. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. ER Neue Infusorien. 443 kung des Wassers — so sehr, dass das Lumen des Rohres unverändert bleibt, ob das Thier dasselbe ausfülle oder nicht. Zugleich bekommt die Gallerte, aus welcher die Hülle besteht, eine gelbliche Färbung, welche, wie ich gleich bemerken will, später immer dunkler wird und bei alten Colonien in Braun übergeht. Indem nun das Thier immer mehr am vorderen Ende seiner Röhre sich bewegt, wird die Gallerte fortwährend an dieser Seite neu abge- lagert und die Röhre muss demnach immer in einer Richtung weiter wachsen. So findet man denn auch häufig ziemlich lange Röhrchen, in deren vorderer Oeffnung die Stichotricha steckt. Das einfache Längenwachsthum der Hülle geht so lange fort, bis das Thier zur Theilung schreitet (Fig. 2), nachdem dasselbe immer grösser und grösser und ihm entsprechend die Röhre weiter geworden war. Die Theilung geschieht der Quere nach, ganz in der Weise, wie sie von Stein u. A. genau beschrieben und abgebildet worden. Ist der Vermehrungsact vollzogen, so stecken also jetzt zwei Indivi- duen in einer Röhre (Fig. 3). Dieselben treiben nun zu zweien dasselbe Spiel, wie vorher das einzelne Thier. Sie gleiten an der Oeflnung des Rohres hin und her, sich mit dem Vorderende weit heraus hängend und lebhaft mit dem Peristome flimmernd (Fig. 4). Da die Ausscheidung von Gallertsubstanz bei beiden vor sich geht, so wird das Rohr natür- lich weiter wachsen, zugleich wird aber zwischen beiden Infusorien eine Scheidewand secernirt (Fig. 5), die immer dicker und dicker wird, und damit ist die erste dichotomische Theilung des Stammes vollbracht ; jedes Thier hat nun sein eigenes Gehäuse, an welchem es so lange wei- ter baut, bis es wieder zum Theilungsprocess schreitet; so entstehen immer neue Äeste, so lange bis dem Weiterwachsen der Golonien durch irgend welche äussere Umstände Einhalt geboten wird. Die Colonien können so schwer werden, dass sie von ihrem Ansatzpunkt abfallen und zu Boden sinken, worauf sie, wie es scheint, von ihren Bewohnern ver- lassen werden. Das Wachsthum geht bei günstigen Lebensbedingungen sehr rasch vor sich, so dass ein darauf hin beobachtetes Stämmchen von einem Tag auf den andern doch beinahe um einen Millimeter länger werden konnte; ich habe dasselbe in Fig. 40 in natürlicher Grösse dargestellt; es ist dies die umfangreichste Colonie, die mir zu Gesicht gekommen. Unter das Mikroskop oder die starke Loupe gebracht, bietet ein sol- ches Stämmchen mit den lebhaft aus- und einschlüpfenden Infusorien an den Zweigenden einen höchst anmuthigen Anblick dar. Was die Substanz betrifft, aus welcher die Röhren gebildet werden, - ist dieselbe — wie gesagt — ein weiches Secret, das allmälig im Wasser 444 | August Gruber, fester wird. Es wird jedoch nie ganz starr, bleibt vielmehr immer biegsam und klehrig, so dass die Stämme an der Präparirnadel hängen bleiben, wenn man etwa ihre Aestchen auf dem Objectglas auseinanderbreiten will. In Folge dessen hängen auch immer allerlei feine Körnchen und Fäserchen an denselben fest. Lässt man den Wassertropfen , in welchem eine Colonie liegt, ver- dunsten,, so zerfliessen alle Röhrchen in eine gelbe Masse auseinander, die etwa die Gonsistenz von halb erstarrtem Leim hat, so dass man mit der Nadel Furchen ziehen kann, welche nicht wieder zusammenfliessen. Es zeigt sich da deutlich, dass die Farbe an die Gallerte gebunden ist und nicht etwa durch äusserlich anhängende Stoffe erzeugt wird. In der Gruppe der Hypotrichen-Infusoren mag dieser Fall von Colo- niebildung durch den Aufbau eines gemeinsamen Gebäudes bis jetzt wohl ganz vereinzelt dastehen, in der Familie der Vorticelliden dagegen scheint mir ein sehr hübsches Analogon zu existiren, auf das ich hier aufmerksam machen möchte. Es ist das schon vorhin genannte Ophry- dium mit den beiden von Wrzsesnıowskı unterschiedenen Varietäten viride und hyalinum!). Während nämlich eine solche Colonie als eine structurlose, homo- gene Gallertkugel erscheint, hat Wrzesnıiowskı durch wohlgelungene Tincetionsmethoden den eigentlichen Bau eines solchen Gallertklumpens als viel complicirter darzustellen vermocht. »An entsprechend tingirten Präparaten ‚« sagt er, »ist es mir ge- lungen, die CGontouren einzelner Hüllen bis zum Centrum der Gallert- kugeln zu verfolgen und auf diese Weise habe ich mich schon davon überzeugt, dass jede Hülse einen soliden, gallertigen Cylinder darstellt, der an seinem oberen Ende eine unbedeutende Aushöhlung besitzt, in der das Tbhier steckt. Alle diese Gylinder stehen dicht neben einander, so dass die ganze Gallertkugel aus unmittelbar an einander stossenden Cylindern besteht (Taf. XX, Fig. 7). Hin und wieder habe ich auch die dichotomischen Verästelungen dieser Gylinder wahrgenommen (Taf. XX, Fig. 8). Die Gallerteylinder tingiren sich zuerst an ihrer Achse und an günstigen Präparaten sieht man parallele, dunkle Streifen, die von un- gefärbten Zonen umfasst sind; in der Mitte einer jeden solchen Zone nimmt man eine feine Linie wahr, die die Grenze zweier sich berühren- der Linien darstellt (Taf. XX, Fig. 7 und 8). Aus dem Angeführten folgt, dass jedes Thier fortwährend seine Hülse nach oben anbaut und gleich- zeitig den Boden derselben verdickt, so dass die Hülse immer dieselbe 4) WRZESNIOWSKI, 1. C. E Neue Infusorien. 445 - Tiefe bewahrt, sein Boden aber in einen soliden Cylinder umgebildet wird «!). Es leuchtet nach dieser Beschreibung ein, dass eine grosse Aehn- liehkeit im Wachsthum und dem Aufbau einer Ophrydiumkugel und eines Stichotrichabäumchens besteht, so verschieden von einander die Colonien auch äusserlich erscheinen mögen. Denn, man braucht sich die Gallertröhren des Ophrydium nur getrennt statt mit einander ver- schmolzen zu denken, um ein ganz ähnliches Gebilde wie das Stämmchen der Stichotricha zu erhalten. Ein Unterschied bleibt allerdings immer bestehen, nämlich der, dass die Röhren der Ophrydinen nicht offen bleiben, sondern dass sie mit dem Vorschreiten des Thieres durch das Secret erfüllt und zu massiven Gylindern umgestaltet werden. Wunderbar ist es in beiden Fällen, wie der einen Zelle, welche den Infusorienleib bildet, neben all den andern Functionen, die sie zu verrichten hat, auch noch in so hohem Maasse das Vermögen zu Theil geworden, als secernirende Drüse zu wirken. Die Stichotricha socialis ist walzenförmig (Fig. 8 und 9); der Körper ist dick und am Ende gleichmässig abgerundet, während er sich nach vornen in den langen, sich verjüngenden sogenannten Hals fortsetzt. Betrachtet man dasselbe in seitlicher Lage, d. h. so, dass die Wimpern des Peristoms entweder an der linken Seite des Thieres und über dem Körper (Fig. 9) oder, dass sie an derselben Seite unter dem Körper liegen (Fig. 8), so beginnt die halsartige Verschmälerung des Leibes etwa an der Stelle, wo der Mund liegt, resp. wo das Peristom aufhört. Bei nor- malen Lebensbedingungen, hauptsächlich wenn das Thier mit dem Hinterende in seiner Behausung steckt, biegt es an besagter Stelle den Hals scharf nach der Seite um, so dass derselbe beinahe unter einem rechten Winkel zum Körper abstehen kann. Das Peristom ist ungemein lang, denn es zieht sich nach hinten bis zur Mitte des Körpers und geht manchmal noch über diese hinaus. Die starren Wimpern beginnen an der Stirnfläche, wo die vordersten zwei ode: drei eine selbständigere Stellung einzunehmen scheinen ; man sieht sie selten parallel den andern stehen, sie sind auch wohl etwas dicker ‚als letztere und schlagen nicht gleichzeitig mit ihnen; als eigentliche 4) Ich habe kürzlich Gelegenheit gehabt, die Beobachtungen WRzEsnIowsk/’s an einer im Bodensee lebenden Varietät des Ophrydium versatile vollständig zu be- stätigen. An diesen meist kleinen Gallertkugeln stellen sich die Cylinder schon ohne Präparation bei der Ansicht von oben als regelmässige Polygone dar, in deren Mitte immer das Infusorium sitzt. Durch Behandlung mit geeigneten Reagentien und Maceriren im Wasser gelang es mir sogar, Stückchen der Gallerte in die einzelnen Q we. > FI Röhren auseinander fallen zu lassen. ee Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXIH. Bd. 99 D 55 r E Aare, Te Pi a N ET BEER ze EEE BT “ 446 August Gruber, Hörner oder Klauen aber, wie sie von OLAPAREDE und LAcHmann!) und von WRrzEsniowsK12) beschrieben werden, erscheinen sie hier nicht. Die übrigen Wimpern des Peristoms ziehen in einer dichten Reihe gegen den Schlund hin; da sie sich immer weiter in diesen hineinsen- ken, so scheinen sie immer kürzer und kürzer zu werden; endlich ver- schwinden sie ganz und man sieht dann in der Tiefe nur noch die paral- lelen Leisten, welche die Basalfläche der Peristomwimpern bilden. Letztere sind bekanntlich von Srerkı®) für die Oxytrichinen aufs Ge- naueste beschrieben worden und dieser Autor hat nachgewiesen, dass dieselben keine Wimpern im eigentlichen Sinne sind, sondern dünne Platten darstellen, weshalb er auch für sie den Namen »Membranellen« vorgeschlagen hat. Auf der rechten Seite, diesen Borsten entlang, läuft, ziemlich nahe der Stirn beginnend ein Saum von Wimpern, die so dicht und dabei so fein sind, dass sie auf den ersten Blick eine feine Membran darzustellen Scheinen. Ich habe auf meiner Abbildung nur durch eine Linie den Verlauf des Wimperzugs angedeutet, die Wimpern selbst hätte ich bei dieser Vergrösserung nicht einzeichnen können, ohne von der Natur abzu- weichen. WRzEsniowsKI®) giebt auf seiner Figur von Stichotricha acu- leata dasselbe Gebilde an, nur dass es hier auf dem anderen Rande der Schlundspalte angebracht ist. Steın5) dagegen spricht von einem undulirenden Hautsaum am Innenrand des Peristoms an dessen hinteren Hälfte; ich möchte aber fast annehmen, dass derselbe der eben beschriebenen Wimperreihe entspricht, zumal Stein noch angiebt, dass am Peristomwinkel » mehrere lang- borstige präorale Wimpern hervorragen«. Gerade an dieser Stelle näm- ‚lich sieht man es am deutlichsten, dass die vermeintliche Membran sich in einzelne Cilien auflöst. Ganz dasselbe Gebilde hat auch Gonn®) bei Lembus velifer ausführlich beschrieben; denn er sagt, dass das » straff gespannte Segel« sich bei gewissen Drehungen in eine Garnitur langer schwingender Cilien auflöst, und dass der »membranartige Anblick des 4) Etudes sur les Infusoires et les Rhizopodes. Geneve et Bäle 1860. 2) Wrzesnıowskı, Beiträge zur Naturgeschichte der Infusorien. Diese Zeitschr. Bd. XX. Taf. XXI, Fig. 14. 3) V. Sterkı, Beiträge zur Morphologie der Oxytrichinen. Diese Zeitschrift. Bd. XXXI. Heft 4. p. 29. 4)l.c. 5) Stein, Der Organismus der Infusionsthiere. Bd. II. 6) Dr. FERDINAND Conn, Neue Infusorien in Seeaquarien. Diese Zeitschr. Bd. XVI. Taf. XIV, Fig. 412, 48. PN # ar u or ei Segels im Ruhezustande nur von einer engen Aneinanderreihung und Verbindung getrennter Wimpern entsteht«. Die übrige Wimperbeklei- dung des Körpers ist, wie schon Stein angiebt, »sehr schwer zu er- mitteln, da die Thiere schnell und anhaltend schwimmen und sich alle Augenblicke um die Längsachse drehen«. Trotzdem ist es mir, wie ich hoffe, gelungen die Reihen der »bloss locomotiven « Wimpern richtig zu entziffern und ich habe versucht, auf den Figuren 8 und 9 ein naturgetreues Bild davon zu geben. In Figur 9 sieht man das Thier von der Bauchseite, in Figur 8 vom Rücken, jedoch nicht ganz genau, indem sonst das Peristom in der Mittellinie liegen müsste. Die Wimperreihen sind mit besonderen Buchstaben bezeichnet; es sind ihrer vier an der Zahl. Die Reihe A sieht man auf der Rückenansicht am rechten Rand be- ginnen, dann erscheint sie am Bauche etwa in der Mitte der rechten Seite wieder, und endlich noch einmal am Rücken in den langen und starken Wimpern des Hinterendes. Der Wimperzug B nimmt seinen Ursprung am linken Rande in der Nähe des Peristoms (Fig. 8), tritt ziemlich nahe dem Hinterende auf die Bauchseite (Fig. 9 B), um hier zu endigen. Der dritte Streifen C zeigt sich zuerst dicht am Peristomwinkel, wenn man das Thier von unten betrachtet, und tritt dort immer durch die starke Wimperung deutlich hervor; auf der Rückenseite sieht man ihn bei C erscheinen und nach hinten auslaufen. Die vierte Wimperreihe endlich durchläuft den längsten Weg; denn sie beginnt ganz vorn an der Spitze des Halses auf dessen Rückenseite, läuft nahe dem Peristom entlang und hart am Peristomwinkel vorüber dem Hinterende des Körpers zu, um dort sich auf die Rückenseite her- überzuwinden und unter den langen Endborsten zu endigen. Je nachdem sich das Thier krümmt und windet, ändert sich natür- lich auch die Lage der Wimperreihen, wie sie denn bei einem stark ge- pressten dem Zerdrücktwerden nahen Thier ziemlich parallel den Seiten- rändern laufen, während sie sich schraubenförmig um den Körper winden, wenn das Thier an der freien Bewegung nicht gehindert ist. Dass diese Lage, die ich auch auf den Abbildungen wiederzugeben suchte, die normalste ist, kann man auch daran sehen, dass die Sticho- tricha bei raschem Schwimmen sich in Drehungen um die Längsachse durchs Wasser bewegt. Wenn wir somit gesehen, dass diese Wimperreihen sich um das ganze Thier herumziehen, also sowohl über die Rücken- als über die Bauchseite laufen, so muss für diese Infusorien der Ausdruck hypotrich 29* Neue Infusorien. 447 AAS August Gruber, wenig zutreffend mehr erscheinen. Auch Sterkı!) sagt mit Bezug auf Dorsalwimpern , die er bei den Oxytrichinen beschreibt, dass »sie sich zu dem Begriffe hypotrich in etwas schiefer Weise verhalten«. _ Es scheint mir, dass für die Repräsentanten dieser Gruppe von In- fusorien die Bezeichnung heterotrich die passendste gewesen wäre, denn ‚sie sind es, welche sich durch die mannigfachsten Formen von Borsten auszeichnen und nicht die jetzt so genannten Heterotrichen. Einer weiteren Form von Wimpern muss ich endlich noch Erwäh- nung thun: Es sind dies ausserordentlich feine, schwer zu unterschei- dende, starre Börstchen, die in weiten Abständen sowohl am rechten wie am linken Körperrande stehen, hier wegen der Peristomwimpern schwieriger zu sehen (Fig. 8 und 9). So viel ich weiss, sind ähnliche Gebilde zuerst von EnGELMAnN 2) beschrieben ‘worden, z. B. bei seiner Drepanostoma (Taf. XXXI, Fig. 7) und dann bei Oxytricha strenua (Taf. XXXI, Fig. 14), als »ziemlich weitläufig stehende steife Wimper- chen,« die längs den beiden Seitenrändern »bei schräger Spiegelstel- lung« sichtbar werden. Er glaubt, dass » diese feinen Wimpern auch in mehreren Reihen auf der Rückenseite stehen. Letzteres konnte ich bei der Stichotricha nicht finden. Die beiden Nuclei der Stichotricha socialis liegen ziemlich weit aus- einander (Fig. 8 und 9 n), der eine nahe dem Hinterende des Körpers, der andere in der Mitte oder sogar weiter nach vorn; sie sind oval und seitlich mit einem Nucleolus versehen. Dicht hinter dem vorderen Kern nahe dem Peristomwinkel liegt die contractile Blase (v). : Es sei mir schliesslich noch gestattet, die Stichotricha socia- lis den andern Arten ihrer Gattung entgegenzustellen. Diese sind die Stichotricha secunda Perty, die Stichotricha aculeata Wrzesniowski und die offenbar zum selben Genus gehörige Sticho- chaeta cornuta Glaparede und Lachmann. Die beiden letzteren könnte man geneigt sein für identisch zu halten. WrzEsnıowskı recht- fertigt die Aufstellung seiner neuen Species zwar durch die runden Nucleoli im Gegensatz zu den ovalen und die zweireihigen Bauch- wimpern gegenüber den dreireihigen der andern Art. Da aber Grarı- REDE und LAcHMANN Sagen: »cependant nous n’oserions affirmer qu'il n’y en ait pas une quatrieme (rangee de cirrhes) placee toute a fait en arriere,« so wird auch das eine Unterscheidungsmerkmal noch hin- fällig. Nimmt man an, dass die eine grosse Stirnborste der CLAPAREDE- und 1).1::C. 2) W. ENGELMANN, Zur Naturgeschichte der Infusorien. Diese Zeitschr. Bd. XI. 1862. “J ur, Neue Infusorien. 449 Lacumann’schen Art und die beiden der Stichotricha aculeata den zwei bis drei stärker entwickelten Wimpern (Fig. 8 und 9 wo) der Stichotricha socialis entsprechen, zweitens dass die Randwimpern der Stichotricha aculeata durch Drehung des Thieres zu zwei weiteren Bauchwimper- reihen werden, dass wir endlich in den langen Fäden an den Seitenrän- dern der Stichotricha aculeata und cornuta die feinen starren Börstchen der Figur 8 und 9 zu sehen haben, so müssten alle drei Arten zu einer zusammenfallen. Die Stichotricha secunda, wie sie STEIN beschreibt und abbildet, scheint sich durch ihr spitzes Körperende und die nur in der Dreizahl vorhandenen Bauchwimperreihen etwas deutlicher, wenn auch sehr wenig scharf davon zu unterscheiden. Alle diese vier Arten endlich scheinen dieselbe Lebensweise zu haben; indem alle die genannten Autoren die eigenthümliche Gewohn- heit der Thiere beschreiben, sich irgendwo im Wasser unter Abfällen und dergl. festzusetzen und von diesem Punkte aus unaufhörlich vor- wärts und rückwärts zu gleiten. Dass sie sich bei dieser Procedur Röhren gebaut hätten, wird nicht angegeben; wohl aber hat Stein die Sticho- tricha secunda — wie Anfangs bemerkt — mehrere Mal in Gallerthülsen steckend gefunden. Mag man nun annehmen, dass dieser Kunsttrieb allen Arten der Gattung zukommt!), oder dass wirklich nur eine Species vorliegt, eine sichere Entscheidung wagte ich nicht zu treffen und so nannte ich die hier beschriebene Art Stichotricha socialis. Endlich ist noch eine Form mit in den Vergleich zu ziehen, nämlich die von LacHmann?) aufgestellte Gattung Chätospira mit den beiden Arten Chätospira Mülleri und Chätospira mucicola. LacHmann rechnete sie zu den Stentorinen und hier wird sie auch im grossen Werke von CraPar&pE und Lacumann aufgeführt. Der Ent- decker sagt nun: »Möglich ist es, dass die freischwimmende Sticho- tricha secunda PerTy’s, die er zu den Oxytrichinen stellt, mit meinen Chätospiren verwandt ist,« und Crararkpe und Lacaman meinen später: »c’est possible, mais nous avons deja vu ailleurs qu’on peut tout aussi bien y voir un proche parent de nos Stichochäta.« Nach der Beschreibung und den Abbildungen, die Lacamann giebt, scheint mir gar kein Zweifel darüber obwalten zu können, dass die Chätospira eine. Stichochäta, respective Stichotricha ist. Das spiralige 4) Ich habe in der That später auch im Meerwasser eine grosse Stichotricha-Art gefunden, welche ganz ähnliche Hüllen secernirt. 2) LACHMAnN, Ueber die Organisation der Infusorien, besonders der Vorticellen. Archiv für Anat., Physiol. und wiss. Medic. von JoH. MÜLLER. Jahrg. 1856. RE Te 450 August Gruber, Peristom, wie es LacHmann auf Fig. 7 abbildet, und welches ihn veran- lasst hat, das Thier zu den Stentorinen zu rechnen, beruht auf einer Täuschung, hervorgebracht durch eine oft zu beobachtende Drehung des halsartigen Vordertheils. Die Chätospira Mülleri lebt in » flaschenförmigen , hornig erhärteten Hüllen,« die Chätospira mueicola in Schleimröhren wie die Stichotricha secunda nach STtEın, mit welcher sie auch das Vorkommen bei Berlin gemeinsam hat. Sie mag deshalb auch mit meiner Stichotricha socialis identisch oder ihr am nächsten verwandt sein. Wenn es mir nach alle Dem auch nicht gelungen ist, die Berechti- gung der verschiedenen Arten festzustellen oder zu läugnen, so Kann ich doch wenigstens die beiden Gattungen, Chätospira (LaAcumann) und Stichochäta (CLArarkpE und Lachmann) auflösen, da sie sicher mit dem Genus Stichotricha (Perry) zusammenfallen. Oxytricha tubicola nov. spec. An demselben Orte wie Stichotricha socialis entwickelte sich eine andere röhrenbauende Oxytrichine in grossen Mengen. Leider waren — als ich darauf aufmerksam wurde — die zahlreichen Hüllen fast alle schon von ihren Bewohnern verlassen und die wenigen Infusorien, die ich noch vorfand, genügten nicht, um über den Bau der nur 0,07 mm langen Thiere hinreichend ins Klare zu kommen. Trotzdem wollte ich dieselben nicht unerwähnt lassen, um die merk- würdige Thatsache hervorheben zu können, dass an einem Orte drei Infusoriengattungen (die dritte wird gleich besprochen werden) leben, die sich die Fähigkeit erworben, schützende Gehäuse aufzubauen, einen Kunsttrieb, der zwar bei manchen anderen Infusorien , wenigstens in ähnlicher Weise, vorhanden, mit welchem sie aber in ihren Familien ganz isolirt dastehen. Wenn wirsehen, dass ein hypotriches Infusor, wie Stichotricha socia- lis, und andererseits ein holotriches, wie (die nachher zu beschreibende) Maryna socialis, zum Verwechseln ähnliche Colonien in ganz überein- stimmender Weise aufbauen, so ist das jedenfalls wunderbar genug. Man sieht daraus, dass Arten, welche in keinem genetischen Zusammen- hange zu einander stehen, durch gleiche äussere Lebensbedingungen beeinflusst, gleiche Eigenschaften zu erwerben im Stande sind. Ich muss allerdings bemerken, dass ich diese Bedingungen nicht kenne, da ich die Thiere künstlich im Aquarium gezüchtet. Was die Röhren der Oxytricha betrifft (Fig. 11), so sind diese ab- weichend von den beiden eben genannten. Sie bilden nämlich keine ve ee le Zn a A A nr .. 2 s OR; en " = Neue Infusorien. 451 verzweigten Stämmchen, sondern hängen in grösseren Haufen an allerlei Detritus, abgestorbenen Vorticellidencolonien und deregl]. fest. Die Röhren sind nicht weich und klebrig, wie die der Stichotricha socialis, sondern ziemlich resistent. Die längsten sind etwa 0,2 mm lang, vorn etwas breiter als hinten. Das Thier schlüpft nun ganz ebenso wie die Stichotricha fortwäh- rend hin und her, dadurch an ihrem Hause weiterbauend (Fig. 12). Der Unterschied ist hier nur der, dass nach erfolgter Theilung die Thiere auszuwandern und sich neue Hüllen anzulegen scheinen. Was die Oxytricha selbst betrifft, so bin ich, wie gesagt, nicht im Stande, sie genau zu beschreiben. Der Körper spitzt sich vornen zu, er hat etwa die Form einer Granate (Fig. 12). Das Peristom ist nach der Mitte zu gekrümmt. Bauchwimperreihen habe ich mit Sicherheit nur zwei constatirt. An der linken Seite nahe der Mittellinie liegt die contractile Vacuole. Den Kern oder die Kerne habe ich an den wenigen Exempla- ren, die ich untersucht, nicht gefunden. Ich verliess mich darauf, noch viele dieser Infusorien in dem Gefässe zu entdecken, musste aber leider bemerken, dass alle ausgestorben waren. Trotz der unvollständigen Beschreibung hoffe ich, dass die Oxytricha tubicola an ihren eigenthüm- lichen Röhren wird wiedererkannt werden können. Maryna socialis nov. gen. nov. spec. Als die vorhin beschriebene Stichotricha socialis kurze Zeit nach ihrem Auftreten aus der kleinen Glaswanne vollständig verschwunden war, übergoss ich den Rest des ausgetrockneten Schlammes aus Wien auch noch mit Wasser, um mir damit eine neue Portion dieser Thiere zu verschaffen. Nach wenig Tagen hatten sich in dem Wasser viele In- fusorien entwickelt und unter andern bemerkte ich an den Seitenwän- den des Aquariums kleine Röhren angebracht, die ich für Gehäuse der Stiehotricha socialis hielt. Als ich dieselben aber unters Mikroskop brachte, bemerkte ich zu meinem Erstaunen, dass die Hüllen zwar denen der Stichotricha ziem- ‚lich ähnlich, die Infusorien aber total verschieden und von sehr unge- 'wöhnlichem Bau waren. Das Gehäuse (Fig. 13) besteht ganz wie bei Stichotricha aus einer gelblich gefärbten weichen Substanz, an welcher viele kleine Körnchen hängen. Auch hier unterscheidet man eine erste Röhre, von welcher aus sich die weiteren dichotomisch abzweigen. Die gelbe Farbe hat un- gefähr denselben Ton wie bei Stichotricha socialis. Die Endzweige sind er ‚ heller, während der Stamm ganz dunkelbraun gefärbt ist. Ich B 452 August Gruber, | werde später zeigen (s. u.), dass bei den CGothurnien ebenfalls solches Nachdunkeln der Hülle stattfindet, so dass man schliessen kann, dass derartige Secrete bei den verschiedenen Infusorien sehr ähnliche chemische Zusammensetzung haben. In den vorderen Enden dieser Röhren nun sitzen die kleinen becher- förmigen Infusorien und schlüpfen wie die Stichotricha socialis fortwäh- rend vorwärts und rückwärts (Fig. 13). Sie füllen das Lumen ihrer Röhren gerade aus, wodurch allein schon der Zweifel gehoben werden musste, dass sich die Thiere die leeren Stichotrichacolonien zum Aufent- haltsort gewählt hätten. Ich fand denn auch bald neben den Hüllen der Maryna solche von Stichotricha, die dem geringeren Umfang ihrer Be- wohner gemäss viel feiner sind als jene. | Ein weiterer Unterschied beruht darauf, dass bei der Maryna die Röhren an der Verzweigungsstelle eingesunken sind, während sie sich nach vorn hin allmälig stark erweitern. Ferner bemerkt man bei jungen Hüllen sehr deutlich eine concen- trische Streifung, als ob das ganze Gebilde aus dünnen Ringen aufge- baut sei (Fig. 13). Ich glaube, dass dies auf der Art und Weise beruht, wie das Secret zur Hülle abgesondert wird. Es findet sich hier nämlich eine Ablagerung dunkler Körnchen im Innern des Thieres, die ganz in derselben Weise bei Stichotricha socialis im hinteren Theil des Körpers vorkommen, und die vermuthlich mit der Secreiion der Hülle in Beziehung stehen. Diese Körnchen bilden bei Maryna einen Kranz am vordersten Körperrand; wahrscheinlich wird demnach das Secret nur hier hervortreten und sich in Folge dessen vorn immer schichtenweise aufbauen. So umfangreiche Colonien, wie ich sie bei Stichotricha socialis ge- funden, habe ich hier nie gesehen. Trotzdem glaube ich, dass sie vorkommen können und dass nur das häufige Durchsuchen und Bewegen des Wassers in dem Glase die Thiere gestört; denn auch die Stichotricha-Ansiedlungen waren sehr ver- kümmert gegen diejenigen im ersten Glase, das lange Zeit unberührt dagestanden hatte. | Auch hier geht die Theilung innerhalb der Röhre vor sich (Fig. 1%); die Theilstücke erscheinen vor ihrer Ablösung als Kugeln, an denen man eine lebhafte Flimmerung und die Pulsationen der contractilen Vacuole beobachtet. Nachdem sie sich getrennt, wird wohl der Weiterbau der Hülle ganz wie bei der Stichotricha vor sich gehen. Wenigstens ist auch hier der Beginn des Gehäusebaus sehr leicht zu sehen: Ich hatte zwei Theilstücke, die noch nicht vollständig von einander getrennt, in die feuchte Kammer gebracht. Tags darauf fand ich sie durch irgend 2 Ü ; Neue Infusorien. 453 _ eine Störung aus der Hülle vertrieben als vollständig entwickelte Indi- viduen, jedes schon von einer neuen zarten kaum erkennbaren Gallert- haut umgeben. Sehr häufig fand ich encystirte Thiere im vordersten Theil der Röhre (Fig. 15). Die letztere ist an dieser Stelle verdickt und zwar um das ganze kuglig zusammengezogene Thier herum. Was die Bewohner der Röhren selbst betrifft, so haben dieselben ein unter ihres Gleichen sehr ungewöhnliches Ansehen. Der Körper, dessen Länge etwa 0,15 mm beträgt, ist becherförmig und ganz walz- rund (Fig. 16), so dass er keinen Druck aushalten kann, ohne sofort seine Form einzubüssen. Der Becher selbst kann am besten mit einer Vorti- celline verglichen werden. Man muss sich jedoch an dieser den Deckel weggenommen und den Körper innerhalb des Peristoms etwas ausge- hölt denken. Ferner ist die Körperwand an einer Stelle von oben nach unten keilförmig geschlitzt und zwar so tief als die Höhlung im Innern ist. In letzterer steckt mitten in ein trichterförmiger Zapfen (Fig. 16 a), der aber rings von den Wänden des Bechers weit absteht. Der Trichter ist eben- falls walzrund und seine Wände laufen denen des Kelches parallel. Auf derselben Seite, wo sich im äusseren Körperrand der Schlitz befindet, ist auch der Trichter gespalten, so dass er sich in das Lumen des Napfes öffnet. Man darf sich aber unter diesem Trichter kein dünnwandiges, sondern ein ziemlich massives, nur von der Stelle, wo es geschlitzt ist, muldenförmig ausgehöhltes Gebilde vorstellen, so dass sein Querschnitt etwa der Fig. 16 a entspräche. Der eigentliche Becher ist an seiner äusseren Oberfläche dicht mit feinen Wimpern besetzt, die nach vorn zu etwas länger werden, während auf dem Rande des Trichters ein Kranz langer zarter Borsten steht, die sich nach der Mitte zu gegen einander neigen. Der Mund ist bei der gewöhnlichen Stellung des Thieres — wobei der Kelch auf der Seite liegt — nicht zu sehen; seine Lage lässt sich aber aus der Stellung des Schlundes (Fig. 16 S) leicht erschliessen. Er liegt nämlich am Grunde der tiefen Rinne zwischen Becher- und Trichter- wand, und zwar nahe dem Schlitze derselben. Bezeichnet man diese Seite des Thieres als die Bauchseite, so liegt links der an der Spalte absteigende Rand des Trichters etwas zurück, _ während der rechte sich mit der Wand des Bechers zu verbinden scheint. Alle Nahrungstheilchen also, welche in die von den langen Borsten gebildete Reuse herein gelangen, gleiten im Trichter nach dem Munde zu. Ferner werden wohl auch die am Becherrande stehenden längeren Cilien dazu dienen, Nahrung in die Rinne und dem Munde zuzustrudeln. - - a u . ' August Gruber, Der Trichter scheint vollständig unbeweglich zu sein; die Spalte im äusseren Körperrand dagegen kann durch Contraction geschlossen werden. Das Tbier ist so undurchsichtig, dass man von inneren Theilen kaum etwas unterscheiden kann. Den Kern sah ich nur bei einem zer- drückten Thier als kleine runde Scheibe (Fig. 47). Die Vacuole dage- gen ist ziemlich deutlich und liegt etwa in der Mitte des Körpers, der Bauch seite genähert (Fig. 16 vc). Was schliesslich die Stellung der Maryna socialis im System betrifft, so ist dieselbe wohl nicht leicht zu entscheiden. Ich glaube, dass sie am ehesten noch in der Familie der Enchely- den, der Tracheliden Crarartne und Lacamann’s, wird untergebracht werden können, und zwar wird ihr hier die Phialina vermicularis Ehrbg. am nächsten stehen. Auch hier steckt im vorderen Theil des Körpers ein Zapfen, der allerdings nicht trichterförmig, sondern ganz massiv ist. An seinem Rande steht ebenfalls ein Kranz langer Wimpern, die aber nicht vorwärts, sondern seitwärts gerichtet sind (nach CGLAPrArkDE und LAcHMmAnN). Eine weitere Aehnlichkeit ist in der Lage des Mundes begründet, denn dieser »au lieu d’etre exactement terminale, est plac&e dans le sillon circulaire qui s6pare le col de l’appendice qui le surmonte «'). Die äussere Gestalt der Maryna aber, ihre bedeutendere Grösse (3/20 mm gegen !/,, mm), die Lage der Vacuole, die Gestalt des Kerns u. S. f. werden sie trotzdem eine ziemlich gesonderte Stellung einnehmen lassen. Tillina magna nov. gen. nov. spec. Dieses Thier entwickelte sich aus demselben Schlamm, in welchem ich auch die vorher beschriebenen Formen gefunden. Es trat gleich in ziemlich grossen Mengen auf, um aber nach kurzer Zeit wieder zu ver- schwinden, wie die übrigen mit ihm enstandenen Arten auch. Diese Infusorien sind so gross, dass sie schon mit blossem Auge als weisse Pünktchen ganz deutlich sichtbar sind , welche sich rasch durch das Wasser fortbewegen. Die Thiere messen bis zu 1/, mm und mehr in der Länge. Die äussere Gestalt ist in ihrem normalen Verhalten nur dann zu sehen, wenn das Thier frei im Wassertropfen schwimmt, oder wenig- stens vom Deckglas nicht gedrückt wird. Ist dies der Fall, so erscheint die Tillina als ziemlich flacher elliptischer Körper (Fig. 18), der in der Mitte 4) CLAPAREDE und LAcHMARN. etc. I. p. 304. AS a dran a 2 m y I Neue Infusorien. 455 die Flimmerung des Schlundes und am hintersten Ende die contractile Vacuole erkennen lässt (Fig. 18 ve). In Wirklichkeit ist die Form eine sanz andere: Der überall mit feinsten Wimpern bedeckte Körper hat die Gestalt einer Bohne, ist also seitlich comprimirt; an der Bauchseite, da wo der Nabel der Bohne liegen würde, befindet sich eine Einknickung, oder Concavität; zugleich muss man sich das Thier noch etwas gewun- den denken, so dass dann an dieser Stelle der äussere Contour nicht mehr sanzrandig ist, sondern dass zwei Linien über einander greifen und zwar so, dass wenn das Thier auf der linken Seite liegt (den Theil, wo die contractile Blase liegt, als Hinterende bezeichnend), der rechte Rand üb er dem linken liegt. Das hintere Körperende ist nicht gleichmässig abgerundet, sondern es erhebt sich an demselben nach links geneigt ein kleiner Fortsatz, in welchem stets die contractile Vacuole liegt (Fig. 18 cv). Diese Protube- ranz mit der rasch pulsirenden Vocuole giebt dem Thier hauptsächlich sein charakteristisches Ansehen. das — wie gesagt — bei stärkerem Drucke verloren geht. An der vorhin genannten Einknickung liegt der Mund (o). Sein äusserer Rand bildet einen Bogen, der etwas grösser ist als ein Halbkreis und der den rechten Körperrand umgreift, so dass demnach der Mund der Oberfläche der rechten Seite viel näher liegt als derjenigen der linken. Vom Munde aus erstreckt sich ein hornförmig gekrümmiter, erst vor-, dann rückwärts laufender Schlund |S) bis in die Mitte des Körpers herein. Während der Mundrand selbst nackt, also gar kein Peristom vorhanden ist, wird der Schlund von ziemlich langen nach rückwärts stehenden Wimpern ausgekleidet, die einen fortwährenden nach innen gerichteten Strom erzeugen. Unbrauchbare Stoffe — fein im Wasser vertheilte Partikelchen — gehen nur bis zur Stelle t und werden dann im Bogen wieder ausgestossen. Auf der Körperoberfläche sieht man oft eine parallele Streifung, die aber wohl von einer Faltung herrührt, wie Stein es auch bei Golpoda cucullus beschreibt!). Das Innere des Körpers setzt der Beobachtung dadurch Schwierig- keiten entgegen, dass das Protoplasma bei den grossen Exemplaren sehr reich an dunkeln Körnchen und daher undurchsichtig ist, wie es STEIN von Colpoda cucullus ebenfalls angiebt. Ebenso kommen hier wie dort eine grosse Menge »kugeliger Ballen« (p) im Innern zerstreut vor, die theils Nahrungsstoffe sind, theils aber Haufen parasitischer bacterienarti- ger Organismen zu sein scheinen (p). Der Kern (n) ist nur bei Jüngeren Exemplaren sichtbar, weil hier das Protoplasma noch durchsichtiger ist. 4) Sıem, Die Infusionsth. auf ihre Entwicklg. uniersucht. Leipzig 1854. p. 18. 456 | August’ Gruber, - Bei älteren Thieren wird er erst bei Anwendung von-Druck deutlich. Er erscheint dann als blasser, sehr grosser elliptischer Körper, der aus hellen Körnchen zusammengesetzt ist. Beim Zerdrücken des Thieres wer- den seine Gontouren deutlich und sein Inhalt dunkel und fein granulirt. Das Rindenparenchym (rp) ist vom Körperparenchym deutlich ge- trennt, so sehr, dass man meist eine scharfe Linie zwischen beiden unterscheiden kann. Hier kann somit an einer Differenzirung der beiden Schichten so wenig gezweifelt werden, als es auf der andern Seite sicher steht, dass bei vielen Infusorien eine solche nicht existirt. Ein Beispiel für letztere habe ich kürzlich in Chilodon cucullus bei Besprechung der eigenthüm- lichen Art der Nahrungsaufnahme zu geben gesucht!). Einen sehr klaren Aufschluss über das Verhältniss zwischen Rinden- und Mark- schicht giebt auch das häufig zu beobachtende Rotiren des Protoplasmas. Sieht man nämlich die Körnchen bis hart an die Peripherie des Kör- ‚pers dem Strome folgen, so kann demnach die Rinde nicht vom Innen- parenchym getrennt sein. Wenn aber — wie bei Tillina — die Theilchen immer an der Grenze der äusseren, helleren Schicht entlang gleiten, ohne dieser je eine Bewegung mitzutheilen, so müssen die beiden Lagen offenbar von sehr verschiedener Consistenz sein. Schon bei schwacher Vergrösserung fällt die Rindensubstanz der Tillina durch ihre bedeutendere Helle auf. Wendet man schärfere Linsen an, so findet man dieselbe von aussen nach innen durchsetzt von feinen parallelen Linien (Fig. 22), welche offenbar nichts anderes sind, als die bekannten stabförmigen Körperchen,, die schon von Enrengerg bei Bur- saria entdeckt, von späteren Forschern als Nesselorgane gedeutet und endlich von Stein?) für eine Reihe verschiedener Infusorien beschrieben und » Tastkörperchen « genannt worden sind. Schliesslich sei noch der Fortpflanzung durch Theilung erwähnt, welche bei Tillina magna eine sehr auffaliende Abweichung von der Regel darbietet: Es zeigt sich hier nämlich ganz derselbe Vorgang, welchen Stein für Colpoda cucullus ausführlich beschrieben hat?) und’ der merkwürdiger Weise in den Lehrbüchern nie aufgenommen worden. Das Thier theilt sich nämlich nicht im freien Zustand, bildet aber auch keine eigentliche Gyste, sondern scheidet nur eine äusserst zarte Hülle aus, in welcher es sich erst in zwei Individuen theilt (Fig. 19), welche sich aber nicht im Ruhezustand befinden, sondern in lebhafter Rotation A) GRUBER, Kleine Beitr. zur Kenntniss der Protozoen. Berichte üb. die Verhdle. der naturf. Ges. zu Freiburg. Bd. VI. 2) Stein, Der Organism. d. Infusionth. etc. I. p. 60. 3) StEin, Die Infusionsth. auf ihre Entwicklung untersucht. p. #5 u. f. Neue Infusorien. 457 begriffen sind, so weit es ihnen der enge Raum, in welchem sie fest aneinandergepresst liegen, gestattet. Nach vollendeter Theilung kriechen die beiden Thiere nicht aus, sondern jedes halbirt sich noch einmal (Fig. 21) und zwar geschieht dies nicht immer zu gleicher Zeit, denn ich fand Hüllen mit drei Theilstücken (Fig. 20). Auch die vier neuentstandenen Thiere machen fortwährende rotirende Bewegungen. In jedem sieht man die contractile Vacuole leb- haft pulsiren, oft scheinen auch mehrere vorhanden oder die eine wenig- stens aus mehreren kleineren zusammenzufliessen. Man sieht oft sehr deutlich wie die contractile Vacuole durch die Rindenschicht hindurch sich nach aussen entleert (Fig. 20). Findet die Entleerung zwischen zwei der aneinandergepressten Tbhiere statt, so werden sie an dieser Stelle durch den aus der Vacuole austretenden In- halt auseinandergedrängt. Besonders deutlich spricht sich bei diesen jungen Thieren die Rindenschicht aus (Fig. 22). Weitere Theilung bis zu acht Stücken und die übrigen Vorgänge, welche Stein von CGolpoda beschreibt, konnte ich bei Tillina nicht beob- achten. Ich fand immer nur Hüllen mit vier oder weniger Theilstücken und bei ersteren gelang es mir mehrere Mal das Ausschlüpfen der Thierchen zu sehen. Colpoda, nach Stein auch Lacrymaria und jetzt Tillina, sind bisher die einzigen Ciliaten, welche diese eigenthümliche, so auffallend an die ersten Furchungsvorgänge der Metazoen erinnernde Theilungsweise auf- weisen, die nur noch bei Flagellaten beobachtet worden. Was die Stellung der Tillina im System betrifft, so muss sie in der Stein’schen Familie der Paramaecinen etwa zwischen Paramaecium und Colpoda ihren Platz erhalten. Cothurnia socialis nov. spec. Ich fand diese Cothurnia in der Kruste von Pflanzen und Thieren, welche sich an den Glaswänden unseres kleinen Seewasseraquariums angesetzt hatte. Das Wasser desselben stammt aus Frankfurt, die Thiere also aus den nordischen Meeren. Was diese Infusorien auf den ersten Blick von anderen ihres Gleichen unterscheiden lässt, ist ihre auffallende Lebensweise. Sie sitzen näm- lich selten, wie sonst die Cothurnien, einzeln an Stengeln und dergl. ‘oder an andern Thieren fest, sondern sind mit ihren bis 0,15 mm langen Stielen eine auf der andern oder auch zu zweien auf einer festgehelftet,. so dass sie eine förmliche netz- oder kettenartig aufgebaute Colonie dar- e stellen (Fig. 23). - 458 August Gruber, Ich fand wohl auch einzelne Exemplare, doch mögen dieselben in vielen Fällen beim Auseinanderbreiten der Algenfäden abgerissen wor- den sein, denn oft sah ich an ihnen noch Stummel abgebrochener Stiele festsitzen. Eine solche Gruppe von zierlichen braunen Gehäusen, aus welchen oben das Peristom des Infusoriums hervorwimpert, sieht überaus seit- sam aus. Wie diese Golonien zu Stande kommen, darüber kann uns am Deut- lichsten die Farbe der Gehäuse Aufschluss geben. Ich sagte schon, dass dieselbe braun ist: Nun ist aber schon früher von WRzEsnIowsk1!) für seine Cothurnia pusilla mitgetheilt worden, was auf die Cothurnia socialis aufs Genaueste anzuwenden ist, dass die Schalen anfangs ganz unge- färbt sind, später aber immer dunkler und dunkler, ja fast schwarz werden, wobei auch Zwischenstufen vorkommen, bei denen der hintere Theil der Hülle braun, der vordere aber noch ganz hell ist (Fig. 24). Betrachtet man nun z. B. die auf Figur 23 abgebildete Golonie, so er- hellt sofort, dass das schwarze Exemplar A der Stammvater ist, auf dem sich der jüngere und demnach hellere Sprössling B niedergelassen hat; auf diesem setzte sich ein weiterer Abkömmling C und ein noch hellerer und darum jüngerer D an, während hier der letzt entstandene Spross jedenfalls das noch sehr hellgelbe Individuum EZ ist; hätte ich mich nicht ganz streng an das vorliegende Original gehalten, so hätte ich noch eine hellere Hülse auf E oder D und auf dieser endlich eine ganz unge- färbte als allerjüngstes Glied der Ansiedlung einzeichnen können. Man sieht also, dass die Thiere sofort nach ihrem Entstehen aus der Theilung eines älteren Individuums sich auf diesem oder einem andern zunächstliegenden Exemplar festheften und auf solche Weise diese Vereinigungen bilden. Es lässt sich nicht recht einsehen, was für ein Nutzen den Thieren dadurch erwachsen kann, ausser vielleicht der, dass sie gegen heftige Stösse, welche sie von der Unterlage wegreissen könnten, in Folge der gegenseitigen Anheftung einen besseren Halt geniessen. Eine solche CGolonie von Cothurnia socialis repräsentirt die nieder- ste Form eines Thierstocks, wo jedes Glied seine vollständige Individua- lität bewahrt und die Zusammengehörigkeit nur eine ganz oberflächliche bleibt. Von hier ausgehend, finden sich in der Familie der Vorticelliden alle Abstufungen zum vollkommenen Thierstaat. Man braucht sich nur zu denken, dass bei der Theilung das eine Individuum sich nicht ablöst, 4) WRzessiowskı. Diese Zeitschrift. Bd. XX. Neue Infusorien. 459 sondern auf dem gemeinsamen starren Stiel sitzen bleibt, so haben wir den Fall von Epistylis. Stamm und Zweige sind hier noch unbewesglich, während bei Carchesium der ganze Stock sich contrahiren kann; doch ist auch hier die Vereinigung noch nicht vollkommen ; denn jeder Zweig hat seinen eigenen Stielmuskel, der sich mit dem des Hauptastes oder Stammes nicht vereinigt. Bei Zoothamnium endlich bildet die CGolonie ein zusammenhängen- des Ganze, da der Stielmuskel sich durch den ganzen Stock verzweigt und eine organische Verbindung zwischen allen Einzelthieren her- stellt. Der Stiel der Gothurnia socialis ist lang und dünn, länger wie die Schale, welche 0,Imm misst. Letztere zeichnet sich, ausser durch die Farbe, von der wir oben schon gesprochen, durch ihren zierlichen Bau aus: Auf ein breites, nach hinten spitz zulaufendes Basalstück folgen sich ganz regelmässig drei Ringe, deren vorderster den anfangs einge- schnürten, dann sich erweiternden Hals trägt. Dieser ist nicht symme- trisch, sondern ist auf einer Seite weiter ausgebuchtet; zu welchem Zweck, soll gleich gezeigt werden (Fig. 24 und 257). Ich bemerke, dass die Ringelung schon bei ganz jungen Hülsen deutlich ausgeprägt ist, auch wenn dieselben noch vollständig farblos sind. Aehnliche Wülste zeigen die Hüllen von Cothurnia nodosa nach CrAPArkDE und Lachmann (l. c. Pl. III, Fig. 4—5) und Cothurnia pupa, welche von Gonx !) beschrieben wurde. Was nun das Thier selbst betrifft, so zeigt dasselbe im Allgemeinen nichts Auffallendes (Fig. 24—26). Das Protoplasma ist ziemlich hell und enthält meist stark lichtbrechende Kügelchen ; der Schlund (S) hat die bekannte spindelförmige Gestalt, er ist lang und beginnt mit einem breiten Mund (0) ; neben ihm und wahrscheinlich in ihn sich entleerend liegt die contractile Vacuole (cv), Peristom und Deckel weichen auch vom gewöhnlichen Typus ab; an ersterem aber entdeckte ich ein Or- gan, welches in dieser Form wohl noch bei keinem Infusor bekannt ge- worden ist und dessen Function eine sehr eigenthümliche ist. Betrachtet man nämlich beim ausgestreckten Thiere das Peristom . genauer, so wird man an der Stelle, wo sich der Deckel von ihm abhebt, wo also der Mund sich befindet, eine scheinbare Verdickung (op) be- merken. Diese rührt von einem Lappen oder Wulst her, welcher sich hier erhebt, und nichts anderes ist als ein Deckel, der ganz in der Weise, wie das Operculum bei den Schnecken, das Lumen der Hülle ver- schliesst, wenn das Thier sich zurückgezogen hat. 4) Dr. Ferpınann Cons, Neue Infusorien im Seeaquarium. Diese Zeitschrift. Bd. XVI. w * rd 460 | August Gruber, Betrachtet man das Organ von oben, so stellt es sich als eine bei- nahe kreisrunde Scheibe dar (Fig. 260p), welche an dem Peristom zu hängen scheint. Noch deutlicher wird der Bau und die Lage dieses Deckels bei einer Seitenansicht des Thieres, wie sie auf Fig. 25 abgebil- det wurde. Man sieht den Querschnitt des Peristomdeckels B, während der Peristomring selber natürlich nicht sichtbar ist; doch erscheint er bei P im Schnitte und gerade an dieser Stelle liegt nun das Opercu- lum (op). Die Art und Weise, wie es zur Wirkung kommt, ist folgende: Die Cothurnia socialis faltet, wenn sie sich contrahirt, ihr Peristom nicht gleichmässig ein, wie sonst die Cothurnien zu thun pflegen, sondern die Seite, an welcher der Peristomdeckel festgeheftet, wird weiter zurück- gezogen, dadurch legt sich die entgegengesetzte Seite, die, an welcher der Mund liegt, über die andere herüber, und wenn die Contraction eine vollständige geworden, ist das hier festsitzende Operculum ganz wag- recht gelegen und über das Thier herübergeklappt (Fig. 27). Aus dem Vorhandensein dieses Apparates erklärt sich auch die Aus- buchtung an der Hülle der Cothurnia socialis; dieselbe liegt nämlich immer an der Stelle, wo das Operculum angebracht ist, und hat ein Aufstossen desselben an den äusseren Rand der Hülse zu vermeiden, welches erfolgen müsste, wenn der Hals auf dieser Seite eben so steil aufsteigen würde, wie auf der andern. Man kann sich davon leicht über- zeugen, wenn man das Thier beim Zusammenschnellen beobachtet. Da das Operculum nicht breiter ist, als das ganze Thier, und dieses seine Hülle nur sehr unvollständig ausfüllt,. so wäre ein hermetischer Verschluss durch ersteres nicht herzustellen. Derselbe wird aber dadurch zu Stande gebracht, dass bei der voll- ständigen Contraction das Operculum gerade in die Einschnürung des Halses (Fig. 26 ünd 27 x) , also die engste Stelle an der Vorderseite des Gehäuses zu liegen kommt. In dieselbe ist der Verschlussapparat genau eingepasst und auf diese sinnreiche Weise wird das Thier, ganz wie die Schnecke durch ihren Deckel, vor vielen von aussen andringenden Gefahren geschützt werden. Ehe ich zur Beschreibung einer zweiten Cothurnia fortschreite, möchte ich auf ein Organ aufmerksam machen, das bei der Nahrungs- aufnahme der Vorticelliden eine wichtige Rolle spielt, bis jeizt aber bei den meisten Arten übersehen oder wenigstens nicht richtig gedeutet worden ist. Dasselbe ist immer als eine Borste abgebildet und beschrieben wor- den, welche am Peristome gegenüber dem Munde angebracht ist. WRzES- Neue Infusorien. 461 _ sıowskı!) erwähnt ihrer ausführlich und sagt: »Die dicke, unbeweg- liche Borste, die allen Ophrydinen und Vorticellinen eigenthümlich ist, ist der oberen Wand des Vestibulums in der Höhe des ziemlich verdick- ten Peristomrandes eingepflanzt und ragt mit ihrer Spitze ziemlich weit nach aussen hervor.« Nun ist das Gebilde aber gar keine Rorste, sondern eine äusserst zarte, durchsichtige, wenn auch starre Membran, die sich gerade vor der Mundöffnung am Peristom ausbreitet. Man wird sich bei Drehungen des Thieres leicht davon überzeugen, noch besser, wenn die Membran zufällig auf eine dunklere Unterlage, eine Alge oder dergleichen zu liegen kommt. Schon EHreEnBeRG?) hat trotz seiner mangelhaften Hülfsmittel, das Organ bei Epistylis nutans ganz richtig erkannt und Unterlippe ge- nannt. Zweitens erwähnt ihrer Stein?) ausführlich und sagt, dass die Gattung Opercularia noch dadurch ausgezeichnet sei, »dass die den Rachen auskleidende zarte Haut nach vorn einen freien, glasartig durch- sichtigen, halbrinnenförmigen bis fast manschettenartigen Fortsatz (Tab. II, Fig. A) ausschickt, der ebenfalls über die Peristommündung hervor- tritt und auf der dem Wirbelorgan gegenüberliegenden Seite eine Art Unterlippe bildet.« Merkwürdiger Weise sind diese beiden Formen die einzigen, bei welchen diese » Unterlippe« beschrieben worden ; während ich sie noch bei allen Vorticelliden gefunden, die ich untersucht, so dass ich annehmen darf, sie werde wohl keinem Vertreter dieser Familie fehlen; jedenfalls sind alle Angaben über jene »starre Borste« am Peristomrand auf die Membran zurückzuführen. Ich habe dieselbe bei Cothurnia socialis, wie sie gewöhnlich er- scheint, als Linie abgebildet (Fig. 24 und 25 M), die sich am Eingange des Schlundes festsetzt und innerhalb deren immer noch eine lebhaft schwingende Borste angebracht ist. Bei der nachher zu beschreibenden Cothurnia operculata zeigte sich die Membran mit grosser Deutlichkeit, so wie ich sie auf Fig. 33 darzu- stellen gesucht. Ueber die Function dieses Apparates kommt man leicht ins Klare, wenn man die Thiere mit Garmin oder Indigo füttert. Ich habe den Versuch bei Epistylis gemacht und beobachtet, wie alle von den Wimpern des Peristomdeckels herbeigestrudelten Körn- chen, welche gegen die Memhran aufschlagen , dadurch direct in den Schlund hineingeleitet wurden, während alle anderen vom Thiere weg- strömten, wie ich es auf Fig. 28 durch die Pfeile anzudeuten versuchte. 4) WrzeEsnıowskı, Beobachtg. etc. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. p. 304. 2) EHRENBERG, Die Infusionsth. etc. 3) Steıs, Die Infusionsth. auf ihre Entw. unters. etc. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XXXII. BA. 30 Fi : - . a N 7 m; * = = u 3; er» RE EN ER a N SR 462 August Gruber, | Vergegenwärtigt man sich die Lage des Mundes unter dem Deckel bei.den Vorticelliden, so wird man diesem Apparat eine grosse Bedeu- tung bei der Nahrungsaufnahme nicht absprechen können. Cothurnia operculata nov. spec. In demselben kleinen Seewasseraquarium, in welchem ich die vor- . her beschriebene Cothurnia socialis aufgefunden, lebte noch eine andere Art derselben Gattung, welche sich bei näherer Untersuchung ebenfalls als bisher noch nicht beschrieben herausstellte. Anfangs schien mir an derselben nichts eben Bemerkenswerthes zu sehen, bis ich später zu meiner Verwunderung auch hier einen sehr merkwürdigen Mechanismus zum Verschluss der Hülle entdeckte. | Nachdem ich vorher das eigenthümliche Operculum bei Gothurnia socialis kennen gelernt, war es mir sehr interessant, dass hier dasselbe Resultat auf ganz andere Weise erreicht wurde. Der Mechanismus ist ein höchst wunderbarer und hat bis jetzt im Reiche der Protozoen seines Gleichen nicht. An der 0,15—0,20 mm langen, durchsichtigen Hülle, welche ohne Stiel an fremde Körper angeheftet ist, findet sich gegen das vordere Ende, ähnlich wie bei Cothurnia socialis, eine schwache halsartige Ein- schnürung (Fig. 29—31), auf welche ebenfalls wie dort eine einseitige Ausbuchtung folgt. An dieser Stelle nun, gerade unter genannter Aus- buchtung, ist an der Innenseite der Hülle ein Deckel festgeheftet (op), dessen Gestalt der Lichtweite der Röhre entspricht. Derselbe ist dünn und zart wie die Wände der Hülse selbst und deshalb leicht zu übersehen. Werzesniowsk1!) hat ein ähnliches Gebilde bei seiner Cothurnia pu- silla (Tab. XXI, Fig. 6) beschrieben, nur dass hier das Operculum am vordersten Rande der Hülle aufsitzt und viel kräftiger gebaut zu sein scheint. So oft nun die Cothurnia aus ihrem Gehäuse hervortrat, drückte sie — so schien es mir — den Deckel auf, und schnellte sie zurück, so schlug derselbe wieder zu. Somit musste ich annehmen, dass die zu- geklappte Stellung des Deckels die natürliche sei, in welche er, sobald kein Hinderniss im Wege, stets zurückkehren musste. Dem ist aber nicht so, denn man findet bei leeren Hüllen den Deckel immer oflen, so dass es also einer besonderen Vorrichtung be- darf, um ihn herab zu ziehen. Eine solche ist auch in der That vorhanden: Als ich ein Thier, dessen Fuss sich am Grunde der Hülse abgelöst, durch Verschieben des Deckglases aus seinem Gehäuse hervorstiess, bemerkte ich, dass nahe 4) l. c. Diese Zeitschrift. Bd. XXIX, : bat, - vn ER ER BE, e erg DE “7 Zr re A n Neue Infusorien. | 463 an seinem hinteren Ende zwei Fäden abgingen, welche ich bis in die Hülle zurücklaufen sah, und welche offenbar am Deckel ihren Ursprung nahmen. Nach dieser Entdeckung ward es mir leicht „ auch bei den’ unver- sehrt in ihrem Gehäuse steckenden Thieren diese Linien wiederzufinden (Fig. 30 und 31 rt). Ich erkannte aber auch, dass es in Wirklichkeit keine Fäden, sondern nur die Grenzen einer dünnen Membran waren. Diese Haut ist eine zarte cuticuläre Ausscheidung, welche anfangs das hinterste Ende des Cothurniakörpers umkleidet, so dass dieses in ihr wie in einem Kelche steckt. Zum grossen Theil hört diese dünne Haut- lage scharfrandig auf; auf einer Seite aber zieht sie sich als dünne Mem- bran, vom Cothurnialeib frei abstehend, durch die ganze Hülle bis zum Deckel hin. Betrachtet man nun das Gehäuse so, dass man auf die Rück-, respective Oberseite des Deckels sieht (Fig. 30 und 31), wenn dieser geöffnet ist, so gewahrt man die beiden Grenzlinien der Membran — die Fäden — sehr deutlich (rt). Den Deckel selber sieht man in dieser Lage nicht, wohl aber als zarte halbkreisförmige Linie seine Änsatzstelle an der Hülle. Ferner sieht man auch zwei kleine, dem Deckel aufsitzende Leisten, an welche sich das Ende der Membran festheftet. Dreht man das Gehäuse um 90 Grad, so liegt der Deckel auf der Seite (Fig. 29), und man bemerkt, wie sich die Membran an seiner Unterseite inserirt. Die Wirkung des ganzen Mechanismus ist nun die: Ist das Thier in ausgestrecktem Zustande, so verlängert sich ebenfalls der hintere Theil des Körpers; die dort befindliche Ansatzstelle der Membran wird dem Deckel genähert und die Haut wird schlaff oder der Hülle entgegen ausgebuchtet,, was man daran sieht, dass sich ihre Con- touren wölben (Fig. 30, 31). Dem Deckel wird dadurch gestattet seine natürliche Stellung, die aufgeklappte, anzunehmen. Dies thut er auch langsam, noch ehe das Thier mit seinem vorderen Ende wider ihn ge- stossen. Sobald sich dagegen die Cothurnia contrabirt, schnurrt auch die hinterste Partie derselben, wo die Membran entspringt, zusammen, diese wird nach hinten gezogen und reisst somit den Deckel herab. Da sich die Haut nahe der Ansatzstelle des Deckels inserirt, so genügt eine kleine Verkürzung, um diesen vollständig herunterzuklappen. Man könnte sich leicht vorstellen, dass bei einer zu heftigen Gon- traction das Operculum zu weit hereingerissen werden könnte; um dies zu vermeiden, ist der Deckel etwas länger als der Durchmesser der _ Röhre, so dass er nie ganz wagrecht zu liegen kommt und sich gegen die Wände derselben anstemmen kann, ohne herabgezogen zu werden. Fe | | u 530* 464 August Gruber, Wie bei Cothurnia socialis, so ist auch hier dieser ganze Apparat natür- lich eine Schutzvorrichtung, durch welche das Thier mancher Fährlich- keit zu entgehen im Stande sein wird. Eine schematische Darstellung der ganzen Vorrichtung auf Fig. 32 mag zur Erklärung derselben bei- tragen. Was schliesslich das Thier selber betrifft, so ist an ihm weiter nichts Aussergewöhnliches zu bemerken. Es wird sehr lang (bis zu 0,25 mm) und dünn und ist im Stande sich ausserordentlich weit aus seinem Ge- häuse hervorzustrecken. In dieser ausgedehnten Stellung tritt eine feine Querstreifung des Körpers immer sehr deutlich hervor (Fig. 30). Das Peristom (Fig. 33) ist dünnwandig und der Deckel hebt sich wenig von ihm ab. Die Mundöflnung (o) und der Schlund (s) sind sehr weit und hart neben ihnen befindet sich die contractile Vacuole (cv), so dass der vorderste Körpertheil ganz durchbrochen erscheint. Sehr häufig habe ich Thiere in Theilung getroffen (Fig. 31). Nur das eine der beiden Individuen besitzt in diesem Falle den Verschluss- apparat, während das andere auswandern und sich ein neues Gehäuse mit allem Zubehör aufbauen muss. FreiburgimBr., Ende Juli 1879. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXV. Stichotricha soecialis. Fig. A. Eine mittelgrosse Colonie von Stichotricha socialis genau nach der Na- tur gezeichnet. 90 Mal vergrössert. Die Röhren sind theils im optischen Längs- schnitt, theils in der Oberflächenansicht gezeichnet. Die Colonie hängt vom Wasser- spiegel herab. Fig. 2. Ein Stück einer Röhre, in welcher ein in Theilung begriffenes Thier liegt. Fig. 3. Dasselbe nach vollzogener Theilung. Die Thiere liegen dicht neben- einander. Fig. 4. Die beiden Thiere schlüpfen am Vorderende der Röhre aus und ein. Fig. 5. Zwei solche Individuen, welche zwischen sich auch schon eine Lage von Gallerte abgeschieden haben; sie liegen jetzt in getrennten Hüllen, welche sie so lange divergirend weiter aufbauen, bis jedes von ihnen abermals zur Theilung schreitet. Fig. 6 und 7. Ein Tbier, welches die Colonie verlassen und angefangen hat eine neue Hülle auszuscheiden. In Fig. 6 zurückgezogen, in Fig. 7 vorgesireckt. 4 Hülle. . Neue Infusorien. 465 Fig. 8. Eine Stichotricha socialis vom Rücken gesehen. Fig. 9. Dieselbe von der Bauchseite. W, die ersten grösseren Wimpern am Peristom, m, die aus feinen Wimpern zusammengesetzte, sog. undulirende Membran ; nur als Linie angedeutet. 4, B, C, D, die vier Reihen locomotiver Wimpern, n, der Kern, v, die contractile Vacuole. Fig. 10, Eine grosse Colonie von Stichotricha socialis an der Wasseroberfläche hängend, in natürlicher Grösse. Tafel XXVI, Fig. 14 und 12. Oxytricha tubicola. InFig. 41 eine Gruppe leerer Röhren 90 Mal vergrössert. In Fig. 12 eine solche bei 300 maliger Vergrösserung, in welcher das Thier noch enthalten ist. Fig. 43—17. Maryna socialis. Fig. 13. Eine Colonie von vier Individuen, 90 Mal vergrössert. Die Thiere stecken noch vorn in den Röhren und schlüpfen aus und ein. Fig. 44. Vorderes Ende einer Röhre mit einem in Theilung begıiffenen Thier. Fig. 15. Eine encystirte Maryna in ihrer Hülse. Fig. 16. Ein Thier von der Bauchseite gesehen; k, der Kelch oder eigentliche Körper, mit seiner feinen Bewimperung, die Spalte in demselben ist dem Beschauer zugekehrt. In dem Kelche steckt der Trichter tr, der an seinem vorderen Rande die - langen Cilien trägt. Kr, die dunklen Körnchen, welche vielleicht das Hüllensecret + an liefern, S, der Schlund, cv, die contractile Vacuole. Fig. 16a. Ein imaginärer Querschnitt durch den Trichter. Fig. 47. Der Kern aus einem zerdrückten Tbier. Fig. 48—22. Tillina magna. Fig. 48. Ein Tbier von der rechten Seite gesehen; bei Y das Vorder-, bei H das Hinterende. Das Rindenparenchym rp unterscheidet sich deutlich vom Körperparen- chym. Rings um den Körper ziehen sich die feinen Cilien, Bei H befindet sich ein vorspringender dünner Wulst, in welchem die contractile Vacuole cv liegt. An den weiten halbkreisförmigen Mund o schliesst sich der hornförmig gebogene, bewim- perte Schlund San. Die unbrauchbaren Stoffe dringen nur bis x ein und werden dann wieder ausgestossen. Der Kern n ist nur schwach als blasse körnige Ellipse zu sehen. Die dunklen Kugeln p sind wahrscheinlich Anhäufungen parasitischer Bacterien. Bei nv ist eine grosse Vacuole mit einem sich auflösenden Nahrungs- ballen. Fig. 49. Die beiden ersten Theilstücke einer Tillina in ihrer zarten gemeinsamen Fig. 20. Eine solche mit drei Theilstücken, indem das eine sich noch nicht wieder halbirt hat. Kurze Zeit darauf war dies geschehen und es war dann eine ‘Gruppe von vier Thieren in der Hülle vorhanden. _ Fig. 21. Eine solche bei derselben Vergrösserung (etwa 90 Mal) wie Fig. 19 u. 20. Man hat sich die Thiere in lebhafter Rotation in dem engen Raume zu denken. Fig. 22. Ein Stück derselben Gruppe, 300 Mal vergrössert, um die Hülle und den deutlichen Unterschied zwischen Rinden- und Innenparenchym zu zeigen. In allen Tbieren liegen die dunklen Kugeln und contractile Vacuolen, meist aus mehreren _ kleinen allmälig in eine zusammenfliessend. Es Fig. 23—27. Cothurnia socialis. u Fig. 23. Eine Colonie derselben nach der Natur bei 90 facher Vergrösserung ge- ichnet. A, das älteste und deshalb dunkelste Thier; B, C, D, E, zunehmend ne E N E r”2 Ber 10 Ss > vu « 4 A „ Fi 22H 406 >: August Gruber, Neue Infusorien. jüngere und daher heller gefärbte Exemplare, welche nach der Theilung sich auf dem Muttergehäuse oder einem zunächstliegenden angesiedelt haben. Fig. 24. Ein Exemplar, dessen Hülle erst bis zur halsartigen Einschnürung bei & gefärbt ist, halb von der Seite. Fig. 25. Ein anderes Individuum vollständig in seitlicher Lage. Fig. 26. Ein solches von vorn (den Mund dem Beschauer zugekehrt). UVeberali bedeutet & die halsartige Einschnürung der Hülle über den drei Wülsten. Z, die Lippe zur Aufnahme des Operculums, p, das Peristom, pd, der Peristomdeckel, M, die Membran vor dem Munde im optischen Längsschnitt als einfache Linie gezeich- net, 0p, das Operculum, s, der Schlund und cv die contractile Vacuole. Fig. 27. Ein Thier, welches sich zurückgezogen und sein Gehäuse durch das Operculum op abgeschlossen hat. Fig. 28. Eine Epistylis nutans, abgebildet, um die Wirkung der vor dem Munde gelegenen starren Membran M zu zeigen. Die Pfeile bezeichnen die Richtung der Nahrungspartikelchen, die von den Peristomwimpern herbeigestrudelt werden. Alle diejenigen, welche an die Membran stossen, werden in den Schlund $ gewiesen. Fig. 29—33. Cothurnia operculata. Fig. 29. Ein Thier aus der Hülle hervortretend. Der Deckel op ist geöffnet und die zurückziehende Membran rt (nur als Linie sichtbar) schlaff. Fig. 30. Ein ebensolches Thier in einer Lage, wo man von hinten auf das auf- geklappte Operculum sieht. Op, die Linie, längs deren es an der Hülle festsitzt; /, die Leisten, an welchen sich die zurückziehende Membran ri anheltet. Fig. 34. Eine Hülle mit zwei Thieren in derselben Stellung. Buchstaben wie vorhin. Fig. 32. Schematische Darstellung des Verschlussapparates. C, die CGothurnia, op, der Deckel, rt, die Membran, welche ihn schliesst. Fig. 33. Das vorderste Ende einer Cothurnia operculata, um die vor dem Munde o sich ausspannende, die Nahrungstheilchen auffangende Membran M zu zeigen. 4 Ueber einen Kieselschwamm von achtstrahligem Bau, und über Entwicklung der Schwammknospen. Von Dr. Emil Selenka, Professor in Erlangen. Mit Tafel XXVII und XXVII. Wenn an der Stammverwandtschaft der Spongien mit den Cni- darien auch kaum gezweifelt werden kann, so ist die Brücke, welche _ beide Gruppen verbindet, bisher doch noch nicht geschlagen. Ueber- gangsformen fehlen ganz, und so muss die Lösung dieses Problems, nächst dem Studium des histologischen und anatomischen Baues, vor Allem der Erforschung der entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge, zu- ‚mal der Anlage und Umbildung der Keimblätter, zugewiesen werden. — In diesem Sinne wurden die folgenden Untersuchungen angestellt. Durch die Ungunst der Verhältnisse beschränkt, vermag ich aber leider nur ein geringes neues Material selbst herbeizuschaffen. Ich traf nämlich unter den zahlreichen Schwämmen, welche ich während der "Wintermonate Juni bis August des Jahres 4877 in der Bai von Rio de Janeiro am Ebbestrande fand oder vom Meeresboden vermittels der - Draga auffischte, zu meinem Bedauern nur ganz wenige Arten in ge- _ schlechtsreifem oder proliferirendem Zustande an, und auch von diesen KERN _ kann ich nur zwei Formen von Kieselspongien zur Lösung der obigen K Fragestellung heranziehen. Die eine Form, die ich Tethya maza nennen will, zeigt eine sehr = reichliche hr durch Knospen oder »äussere ee wie “ er ‚sie von BowERBANK!), O. Scamipr?) und Anderen wohl schon erwähnt, h ‚aber ale nicht näher studirt worden ist. r ee Orientirung über die Entwicklung re N Be Zeitschr. Bd. XXV. ee 139. Big. 28. 468 Emil Selenka, Die andere Form, welche ich auf eine von Oscar Scanmipr!) flüchtig beschriebene, aus Desterro stammende Gattung Tetilla beziehe, zeigt ebenfalls eine ziemlich ergiebige Vermehrung auf dem Wege der Knospung, verdient aber noch besondere Beachtung wegen ihres radiären Baues. I. Tetilla O. Schmidt (Fig. 1—8). Monozoische birnförmige Kieselschwämme mit Wurzelschopf, mit einfachem Osculum und kleinem trichterarlig gestalteten Magenraum, welcher in mehrere (meist 4 mal 2) Radiärcanäle ausstrahlt, die sich ihrerseits in unregelmässige und anastomosirende centrifugale Ramifica- tionen auflösen (Fig. 6, 7, 8); dies Wassercanalsystem ist durchschnitt- lich ebenso weit wie die Zwischensubstanz. Wimperkammern kuglig, im äusseren Durchmesser 0,028—0,03 mm gross, sehr zahlreich, zer- streut, mit je einem sehr kurzen aus- und einführenden Ganälchen. — Kieselspicula von dreierlei Gestalt: A) Radiär angeordnete im Parenchym eingebettete, umspitzige Stabnadeln, welche als Stützapparate fungiren ; dieselben ragen nur zuweilen unbedeutend frei über die Schwamm- oberfläche vor; im Wurzelschopf erreichen sie eine bedeutende Länge. 2) Radiär ausstrahlende und aussen frei hervorragende concave Vier- strahler, welche Waffen und zugleich Fangapparate sind. 3) In der Längsachse gelegene und lediglich zum Wurzelschopf auswachsende lange convexe Vierstrahler (Anker) (Fig. 2 und 3). — Getrennten Ge- schlechts; g'! wie © zeigen eine Individuenvermehrung durch sich los- schnürende Knospen. Ya Von dieser Gattung fand ich in Rio zwei Arten. Die kleinere, bis 40 mm lange Art (den Wurzelschopf nicht mit ge- rechnet) ist von morgenrother Farbe. Sie wurde mit dem Schleppnetze vor dem Eingange der Nebenbai von Botafogo in einer Tiefe von drei Faden gefischt, und lebt in schwarzblauem Schlamm. Ich nenne diese Species Tetilla radiata. Die zweite bis haselnussgrosse Art ist im Leben olivengrün bis gelbhbraun gefärbt. Sie findet sich an jenen seichten Stellen des west- lichen Theils der Bai von Rio, welche nur während tiefer Ebben (be- sonders im August) auf kurze Zeit trocken gelegt werden. Stellenweise 4) Oscar Scamipt, Die Spongien der Küste von Algier. Mit Nachträgen zu den Spongien des adriatischen Meeres. (Drittes Supplement.) Mit fünf Kupfertafeln. Leipzig. EngEerLmAann. 1868. — Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob die auf p. 40 und 44 erwähnte und unter dem Namen Tetilla euplocamus beschriebene Form mit der von mir beobachteten identisch ist, da Verfasser keine ausführliche Beschrei- bung giebt. Habitus und Gruppirung der Nadeln stimmen aber so gut überein, dass ich kein Bedenken trage, beide zu identificiren. jedecken sie hier minutenlange Strecken, die Individuen durchschnitt- | 4—3 Meter von einander entfernt, mit dem Schwammkörper frei hervorragend, den Wurzelschopf vollständig im sandigen Schlamm ver- graben. Auf diese Species will ich den OÖ. Scauipr'schen Namen T. _ euplocamus beziehen. Wie durch Standort, Grösse und Farbe, so unterscheiden sich beide Arten auch anatomisch. T. radiata zeigt eine sehr regelmässige An- - ordnung der 8, selten 7 oder 9 Längscanäle (Fig. 6, 7, 8); auch sind die Stabnadeln zarter, nämlich nur 0,008—0,041 mm dick. — Bei T. euplo- camus sind die Radiärcanäle kürzer, auch ist ihre Zahl schwankender, während die Stabnadeln einen Diekendurchmesser von 0,015—0,02 mm zeigen. 4 Successive Quer- und Längsschnitte durch die morgenrothe T. radiata lehren nun, dass das endständige Osculum in einen trichter- = artig gestalteten Hohlraum führt (Fig. 8), von welchem zunächst vier kurze und weite Canäle entspringen, deren jeder sich wieder gabelt. i Auf diese Weise entstehen acht Längs- oder Radiärcanäle, welche paral- - lel oder etwas divergirend aboralwärts verlaufen (Fig. 6, 7, 8), sich vermittels zahlreicher Seitenäste in netzartige, anastomosirende Rami- ficationen auflösen und endlich in die, das Parenchym dicht erfüllende F Geisselkammern übergehen. — Die das Wasser zuleitenden Ganäle be- _ ginnen in den zahlreichen Hautporen, erweitern sich stellenweise und oft zu unregelmässig gestalteten »subdermalen Hoblräumen « (Fig. 8), und lösen sich in Canäle auf, welche vermittels feiner und ganz kurzer Canälchen in die Geisselkammern überführen. > Etwas regelloser pflegt die Zahl und Anordnung der radiären Magen- canäle bei T. euplocamus zu sein. Man findet zwar regelmässig vier kurze, vom engen Magenraum entspringende Hauptcanäle; auch pflegen diese sich wieder regelmässig zu gabeln,, aber schon nach kurzem Ver- laufe lösen sie sich in eine grössere Zahl von Längscanälen auf, welche M Beer ausstrahlen und keine bestimmte radiäre Anordnung erkennen ee Die Ausbildung von 4 mal 2 Längscanälen stempelt die Tetilla zu neı Thierform. form zu den Cnidarien REN zu wollen; das wäre aber gewiss falsch. 8 einmal erstreckt sich die Bäseaitnätre lediglich auf die er- ähr hten Längscanäle , ohne dass die See lkamesıon oder der periphe- 470 Emil Selenka, die Entwicklung eines Wurzelschopfes hervorgerufen und bedingt, und noch wenig consolidirt. Es stellt demnach diese Form wahrscheinlich eines der Endglieder in der Reihe der Kieselschwämme dar , bei welchem die Radiärsymme- trie sich neu herangebildet hat und zu einer gewissen Constanz ge- langt ist. Ist die Kluft zwischen Spongien und Cnidarien also auch noch nicht überbrückt, so giebt uns die Organisation der Tetilla doch einen werth- vollen Fingerzeig, wie bei den, senkrecht zur Hauptachse noch nicht orientirten Wesen die Radiärsymmetrie sich herausbilden kann. Frei- lich ist die radiäre Differenzirung des Körpers der Cnidarien eine weit constantere und durchgreifendere; doch darf man nicht vergessen, dass gerade bei den Schwämmen die eigenthümliche Art der Nahrungsauf- nahme vermittels zahlreicher Hautporen eine grosse Plasticität des Ecto- derms und Mesoderms bedingt, und dass somit die Bedingungen fehlen, welche bei den Cnidarien eine Differenzirung in radiäre Gewebsterrito- rien veranlassen konnten, wie Aushildung des mundständigen Tentakel- kranzes sowie der dem Ectoderm zugehörigen Locomotions- und Sinnes- organe, welche den Schwämmen durchweg fehlen. In Bezug auf die Lebensweise verdient noch hervorgehoben zu wer- den, dass die den Schwammkörper rings überragenden concaven Vier- strahler (Fig. 2) nicht nur Waffen sind und zum Schutze dienen, sondern auch als Fangapparate für kleinere Thiere functioniren, welche entweder selber nachdem sie abgestorben und zerfallen sind die Nahrung des Schwammes abgeben, oder vielleicht auch als Lockspeise für Larven und Infusorien dienen und in dieser Weise auf indirectem Wege die Er- nährung vermitteln. Sehr häufig findet man an den äusserst fein zu- laufenden Spitzen der drei Gabelzinken Thierreste aufgespiesst. Bei den meisten Individuen der Tetilla radiata und T. euplocamus fand ich eine ziemlich reichliche Vermehrung durch Knospen, sowohl bei Männchen als Weibchen! Durchschnittlich zeigten sich bei den in Querschnitte zerlegten Thieren 40—100 Knospen in verschiedenen Enit- wicklungsstufen. Bei einigen (weiblichen) Individuen fanden sich gar keine Knospen vor. | In folgender Weise geschieht die Bildung und Losschnürung der Knospen. Die erste Anlage äussert sich in einer Zellvermehrung dicht unter der Oberfläche und im Bezirk eines oder einiger benachbarter Nadel- büschel. Durch Vermehrung der Mesodermzellen wird bald eine sphä- riche Zeilenmasse abgegrenzt, welche einige Hundert grosskernige Zellen umfassen mag, in deren Mitte eine kleine Anzahl von Geisselkammern EA Eu AL a Br ee - i - e. er einen Kscieivine v. achtstr. Bau, u. über Entw. der onen: 471 i F: ae 12—20) eingeschlossen sind. Allmälig beginnt nun diese ° sich über die Schwammoberfläche vorzuwölben (Fig. 6, 7, 8 a), | is sie endlich, auf einem Nadelbüschel des Mutterthieres gleichsam fire: leitend, nur noch durch schwache Substanzbrücken mit letzterem in /erbindung steht (Fig. 1 a). Währenddess beginnt die Bildung von umspitzigen Stabnadeln, Fe deren einige an Länge und Dicke rasch zunehmen und zum Wukelschepf | uswachsen (Fig. 4). Damit ist die Längsachse des Knospenthieres in Zeiner, zu den Achsen oder der Richtung der Nadelbündel des Mutter- RB hiers übrigens in keiner Beziehung stehenden Weise gegeben. Die #Knospe wird nun birnförmig und bricht ab, nachdem die Zellenbrücken singezogen. Stücke von einigen, dem Mutterthier entstammenden Nadeln werden stets von der Knospe mitgenommen (Fig. 4 b). Eine Vermehrung k er Geisselkammern hat noch nicht, oder doch nur in sehr unbedeuten- em Maasse stattgefunden. An der reifen Knospe unterscheidet man nun: 4) Ein einschichtiges äusseres Zellenlager. Die Zellen sind pflaster- rlig regelmässig neben einander gelagert, die runden Zellkerne ig. An) den äusseren Contur vorwölbend. — Dass dieses, auch bei " ahlreichen anderen Schwämmen nunmehr mit Sicherheit nachgewiesene peer discreter Zellen dem Eetoderm der übrigen Thiere homolog sei, ; bekanntlich F. E. ScnvLze in seinen mustergültigen Uikörsdusklängen ber Bau und Entwicklung der Schwämme anfangs schlechtweg, später mit einiger Reserve angenommen. Doch scheint es ganz unbe- enklich, die Namen der drei Keimblätter auf die Gewebslagen der schwämme anzuwenden. Zweifelhaft erscheint wohl nur die Homologie es Mesoderms bei Poriferen einerseits und Cnidarien anderseits, da an nicht weiss, ob die gemeinsamen Stammformen beider Thier- ‚rup »n überhaupt schon ein Mesoderm besassen, d. h. eine während les Embryonallebens vom Ectoderm oder Entoderm abgespaltene Zellen- ‚ welche einige bestimmte Funetionen diesen abzunehmen ver- nochte. Weitere Untersuchungen über die Entstehung des Mesoderms b ei Schwammlarven versprechen neue Aufschlüsse. Ba) Der grösste Theil der Knospe wird von den Mesodermzellen ge- Be dieselben liegen dicht an einander gepackt und lassen weder schensubstanz noch Membran erkennen. 3) Eine geringe Anzahl von Geisselkammern. E: en Leidwesen ist es mir nicht gelungen, die reifen Knospen a en aufzuziehen. Eine auffallend grosse, mit dem Mutterthiere amenhängende Knospe der Tetilla radiata zeigte eine magen- 472 Emil Selenka, liegenden Pole, die Bildung der Radiärcanäle sowie des übrigen Wasser- canalsystems habe ich aber nicht wahrnehmen können. | In Bezug auf die geschlechtliche Vermehrung vermag ich nur mit- I zutheilen, dass ich männliche und weibliche Geschlechtsproducte nie in einem und demselben Individuum vereinigt fand. Im Parenchym zer- streut liegende Spermaballen habe ich bei frischen und hinterher auch bei mit Osmiumsäure und absolutem Alkohol behandelten und geschnit- tenen Exemplaren gesehen. | Der Umstand, dass während der Monate Juni bis August keine (scheinbar reife) Eier der weiblichen Thiere in Furchung begriffen ge- funden wurden, legt die Vermuthung nahe, dass hier die ungeschlecht- liche und geschlechtliche Fortpflanzung sich zeitlich ausschliessen. 1. Tethya maza sp. noVv. Diese Form findet sich häufig rings an den Ufern der Bai innerhalb der Fluthmarken, festgeheftet an die Gneissfelsen. Bei dem täglichen Niveauwechsel des Wassers werden die Thiere stets von der Brandung F° bespült und auf kurze Zeit blcssgelegt; seltener findet man sie unterhalb des tiefsten Ebbestandes. Die Schwämme sind äusserlich orangegelb, im Innern etwas schmutzig grasgrün (Fig. 9), von kugliger Gestalt, bis walnussgross. Ein einziges Osculum (Fig. 10, 1A): Die Anheftung an den Felsen geschieht am aboralen Pole direct mit dem Körper, unter gleichzeitiger localer Abplattung der Kugelgestalt, oder auch noch durch einzelne, oft mehrere Millimeter dicke wurzelför- mige Ausläufer (Fig. 9 w). Charakterisirt ist diese Species durch die Kieselnadeln, welche in viererlei Form und Grösse vorkommen: 1) Morgensterne mit wechselnder Zackenzahl; die Entfernung zweier gegenüberstehender (selten gegabelten) Zackenspitzen beträgt durch- schnittlich 0,048 mm. Diese Gebilde finden sich allein in der Rinden- schicht vor (Fig. 13). 2) Morgensterne mit nur 7—10 stumpfen Zacken von 0,042—0,016 mm grösstem Durchmesser. In Parenchym und Rinde zerstreut (Fig. 1). 3) Stabnadeln, in 300—400 Büscheln oder Fascikeln vom Centrum des Schwammkörpers radiär ausstrahlend und die Oberfläche frei über- ragend, von 0,025—0,03 mm Durchmesser. Diese Nadeln sind theils umspitzig, theils einerseits, theils beiderseits abgestumpft oder abge- | rundet. 4) Radiär angeordnete, vereinzelt im Parenchym gelegene Stab- nadeln von durchschnittlich 0,006 mm Dicke, meist umspitzig, oft auch an einem oder beiden Enden abgerundet. Diese Nadeln finden sich aus- "rn is a BE ce» Be Au Br u r einen Kieselschwamm v, achtstr. Bau, u. über Entw. der Schwammknospen. 473 au ich ; im innern Parenchyım ünd erreichen niemals die Rinden- sch icht. Pr 3 Die Vermehrung durch Knospenbildung ist eine sehr reich- liche. Ich vermuthe, dass diese Art der ungeschlechtlichen Vermehrung nur in den Wintermonaten stattfindet; denn erstens traf ich entweder nur ganz kleine, erst kürzlich losgeschnürte, oder hasel- bis walnuss- E 3sse Individuen an, aber gar keine von vermittelnder Grösse; zweitens irt die Eshlechtliche Fortpflanzung während dieser Zeit vollständig, um hnthlich während des Sommers an Stelle der ungeschlechtlichen au ı treten. Aber auch in den Wintermonaten ist die Vermehrung auf dem | Pre: der Knospung keine continuirliche; vielmehr scheint jedesmal nach erfolgter Abschnürung der 300—400 Kdospenn eine Erschöpfung einzu- treten. Man trifft nämlich verhältnissmässig viele Tbiere an, bei denen ‚die Abstossung der Knospen erst vor Kurzem beendet w na ohne dass ee sine Neubildung angedeutet wäre. Doch habe ich den Eindruik gewon- | en, dass bei demselben Individuum während des Winters mehrere Male - hinter einander eine äussere Gemmulation statthaben könne. Die meisten Knospen zeigen bei jeder Tethya ein gleiches Entwick- ngsstadium, indem nur einzelne in der Entwicklung vorauseilen, an- re dagegen zurückbleiben. Die Bildung und Abschnürung der Knospen geschieht nun in fol- ander Weise: Br Inder Rinde, rings um einen jeden der 200—400 Nadelfascikel, | erleiden die stern- oder spindelförmigen Zellen eine Metamorphose, in- dem sie sich zu kleinen, grosskernigen Zellen umwandeln: zugleich tritt eine Vermehrung derselben ein und zwar in solchem Grade, dass Es benachbarten subdermalen und subcorticalen Hohlräume (vergl. - Fig. 9 s und /) verengt oder verdrängt werden. Zugleich wuchern in diese, aus wenigstens 500—1000 Zellen be- stehende Knospenanlagen eine grössere Anzahl von Geisselkammern aus dem Ionenparenchym des Muttertbieres hinein, in Gestalt vielbeeriger Ira uben. Auf dem Wege der Knospenbildung, die ich in ihren Details er nicht zu verfolgen vermochte, vermehrt sich die Zahl der Geissel- } - kammern bis auf viele Hunderte, jedes, unter allmäligem Herauswach- sen der Knospe aus der Rinde des Mutterthieres, das Canalsystem der - Geisselkammern sich von letzterem abschnürt. \ Längs- und Querschnitte durch Knospen aus diesem Entwicklungs- stadium zeigen, dass die Hauptmasse derselben aus gleichartigen Meso- | dermzellen (Rindenzellen des Mutterthiers) besteht, während das Innere on einem @eeammenhängenden , mit der Aussenwelt aber nicht com- nn ” “ x Re u wi Be Fe: 474 Emil Selenka, municirenden System von Geisselkammern und deren kurzen verbinden- den Canälchen dicht erfüllt ist; dieses Geisselkammersystem erscheinll | noch durch radiäre, im Centrum der Knospe zusammenstossende Meso-. dermzellenzüge in Partien (auf Durchschnitten rosettenartig) abgetheilt (Fig. 12). Indem die Knospe über die Oberfläche des Schwammes frei heraus- tritt, gleitet sie auf einem Nadelfascikel des Mutterthieres fort, wobei zu- gleich ein Wachsthum des letzteren stattfindet, so dass die zum Ablösen reife Knospe endlich langgestielt erscheint (Fig. 10). 4 Sehr deutlich unterscheidet man, besonders nach Silberbehandlung, eine äussere, plattenepithelartige Zellensch hi ein einschichtiges Ecios | derm. a Während die Knospe aus dem Mutterkörper heraustritt, vollzicheil sich auch die Gewebsdifferenzirungen des Mesoderms. Zunächst ent- stehen durch Auseinanderweichen der Zellen die subcorticalen Hohlräume, und zwar ohne Communication mit dem Canalsystem der Geisselkammern (Fig. 12 ö). Alle jene, die subcorticalen Hohlräume | begrenzenden Mesodermzellen bilden eine endothelartige Auskleidung. Ferner bilden sich, oft schon in der noch versteckten Knospe, Kieselspicula, und zwar anfangs nur umspitzige Stabnadeln. Bald treten auch Kieselsternchen in der Rinde auf. | Der grösste Theil der Mesodermzellen bildet sich endlich um zu sternförmigen oder Spindelzellen. So lange die Knospe noch mit dem Mutterschwamm — sei es allein i durch die Spicula, sei es zugleich auch durch schmale Zellenbrücken — verbunden ist, findet weder die Bildung des Osculum noch auch der subdermalen Höhlen, sowie der Communicationen mit der Aussenwelt statt. Ich habe een Entstehung an losgelösten Knospen nicht verfolgen können, da mir letztere in den Aquarien immer bald abstarben. Die mitgetheilten Beobachtungen über Knospenbildung der Tethy maga und Tetilla radiata lassen sich theoretisch weiter verwerthen, so- wohl in Bezug auf die Keimblättertheorie, als auch auf die Deutung der den Schwammkörper durchsetzenden Höhlen und Canäle. Die subcorticalen Hohlräume der Tethya maza entstehen inmitten eines vielschichtigen compacten Mesodermzellenlagers, und zwar durch 3 Spaltung dieses Keimblatts. Es können daher diese Hohlräume, in Be- | zug auf die Art ihrer Entstehung, mit der Leibeshöhle höherer Thiere verglichen werden. Sie treten erst später mit dem System der Geissel- ; kammern (welches der Darmhöhle aller höheren Thiere gleichzusetze ist) in Verbindung. — Das gesammte Canalsystem der ausgebildeten N Tethya maza wird demnach von zwei genetisch und morphologisch ver- schiedenen Hohlräumen resp. Keimblättern gebildet, wie das in dieser E Weise bei keiner andern Thiergruppe vorkommt. BR. ; Wenn die Vereinigung von Darm- und Leibeshöhle zu einem, func- tionell zusammengehörigen Canalsystem auch bei vielen oder den meisten andern Schwämmen sich vollzieht, so wurde diese Thatsache doch bisher noch nicht in klaren Zügen dargelegt. Sodann giebt es auch Fälle, wo das Ectoderm ebenfalls an der Bil- Ei dung, bezw. Auskleidung der secundär gebildeten Magenhöhle oder der = peripherisch gelagerten Hohlräume des Schwammkörpers theilnimmt; - darauf weisen die Untersuchungen Hazcxer’s hin. Auch die bei Tetilla radiata beobachtete napfartige Einsenkung des Ectoderms, welche offen- bar zur Magenhöhle wird, giebt dafür einen Beleg. Ob die subdermalen Hohlräume der Tethya maza durch Einwuchern oder durch Einstülpung der Ectodermzellen entstehen, .oder aber durch Lückenbildungen im Mesoderm, bleibt noch zu untersuchen; letztere Vermuthung mag wohl die richtige sein. — Erwägt man weiter, dass unter den niederen Cnidarien solche For- men vorkommen, bei denen die Radiärsymmetrie nur (durch die den Mund umstellenden Tentakel) angedeutet, aber noch nicht zur durch- greifenden Entfaltung gekommen ist, so wird man auf den Wahrschein- liehkeitsschluss hingeleitet, dass die gemeinsamen Stammformen der _ Spongien und Cnidarien zu suchen seien in zweischichtigen, eines Meso- _ derms noch entbehrenden und nicht radiär-symmetrischen Thieren. Unabhängig mag sich in beiden Gruppen eine mittlere Zellschicht, ein _ _Mesoderm durch Vermehrung der Ectodermzellen gebildet haben. Aber während bei den Cnidarien in Folge der höheren Differenzirung des _ Eetoderms, d. h. der äusseren Zellenlage, zu Greif-, Tast-, Schutz- und E Sinnesorganen sich die Radiärsymmetrie des ganzen Körpers her- e; ausbildete, unterblieb bei den Spongien diese Differenzirung des Eetoderms, wogegen das Mesoderm an Mächtigkeit zunahm und meistens _ sogar an der Entfaltung eines die Nahrungszufuhr bewerkstelligenden Ä 2 Canalsystems theilnahm. — Erweist sich diese Hypothese als richtig, so wäre das Mesoderm der Spongien dem der Cnidarien nicht homolog, sondern nur homodynam, d.h. in beiden Gruppen in gleicher Weise, aber unabhängig von einander entstanden. Erlangen, 1879. # Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVII. Fig. 4. Tetilla radiata, drei Mal vergrössert. o, Osculum; a, Knospe. Fig. 2. Tetilla radiata; Anker des Wurzelschopfes. Fig. 3. Tetilla radiata; concave Vierstrahler und Stabnadel. Die Distanz je zweier Ankerspitzen beträgt 0,033 mm. Fig. 4. Tetilla radiata; Knospe (der Fig. A a) 400 Mal vergrössert (gezeich- net bei 800 maliger Vergrösserung). 5, Nadeln des Mutterthieres, mittels deren die Knospe allein noch festgehalten ist; n, Kerne des einschichtigen Ectoderms. Fig. 5. Tetilla euplocamus O0. Schmidt. Natürl. Grösse. Fig. 6. Tetilla radiata; Querschnitt durch die vier Hauptcanäle d, welche die Achse x rosettenartig umstellen. a, Knospen; i, Eier. Camera lucida. 48/A. Fig. 7. Tetilla radiata; Querschnitt durch die acht Radiärcanäle g. Camera lucida. 48/1. Fig. 8. Tetilla radiata; Längsschnitt. o, Osculum; g, Längs- oder Radiär- canal; e, Ankernadeln (convexe Vierstrahler); x, Achse; a, Knospe. Camera lucida. Schwache Vergrösserung. Tafel XX VIII. Tethya maza. Fig. 9. Durchschnitt in natürlicher Grösse. w, Wurzelausläufer; s, subdermale Hohlräume; !,subcorticale Hohlräume ; g, Durchschnitte der Gastralcanäle;; a, Knospe. Fig. 10. Drei Mal vergrössert. Schwammkörper mit Knospen; ein Theil der Knospen hat sich schon abgelöst (f); a, junge Knospen; o, Osculum; %, eine am Mutterthier hängen gebliebene, vergrösserte und abgeplattete Knospe, wie sie sehr häufig in nächster Nähe des Osculum gefunden wird. Nach einer Photographie. Fig. 44. Drei Mal vergrössert. Wiederbeginn der Knospung bei einem ausge- wachsenen Schwamm. Die prismatischen Stummel f deuten noch die Orte der früheren Knospenbildungen an. Nach einer Photographie. Fig. 42. Längsschnitt durch eine reife Knospe, 80 Mal vergrössert. «, Gewebs- lücken des Mesoderms oder subcorticale Hohlräume; x, Geisselkammern; d, Rinde ; y, Nadelbündel des Mutterthieres. Camera lucida. Fig. 43. Morgensterne der Rinde. Fig. 44. Sterne des Parenchyms und der Rinde. Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. Von Dr. Philipp Stöhr, Prosector in Würzburg. Mit Tafel XXIX und XXX. Einleitung. Es giebt wohl kaum ein Capitel in der Geschichte des Wirbe Ehiorakeleies, welches so verschiedene, sich vielfach widersprechen Auslegungen erfahren hätte, als die Entwicklung und Deutung dı ‚Ge hörknöchelchen. Sehen wir auch ab von den eigenthümlichen Resu a Al n, zu denen eine Vergleichung der bei den Säugethieren bestehe: En Einrichtungen nach unten mit denen niederer Wirbelthiere führt 0 er; ziebt sich selbst dann noch eine Reihe von Arbeiten, deren Resu ein direectem Widerspruche zu einander stehen. 2. FE Ratdem von Güntuer!) und Huxrey?) bei Hatteria der diree a mmenhang des Hyoidbogens mit dem Ba nachgewiesen worde , schien die schon früher ausgesprochene Lehre, dass der fraglicl elet ıeil genetisch in engen Beziehungen zum zweiten Visceralboge tehe, das Uebergewicht zu gewinnen. Dem gegenüber aber machte En entwicklungsgeschichtlichen Studien fussende Behauptunge« e En 1d, welche den streitigen Theil — wenigstens bei den Amph - als einen Theil der Labyrinthwand angesehen wissen wollte 'hdi em schon früher Reıcnerr, die viscerale Natur des Operculu Be 4 Puitosopn Transactions 4867. p. 620. 2) »On the Representatives of the Malleus and the Incus of the Mammalia the ı “a Vertebrata« in »Proceedings of the Royal Society«. 4869. p. 394. et er EICHERT,, Vergleichende Entwicklungsgeschichte des Kopfes der nackt Ef. wiss Berge . XXXIII. Ba. 31 x "ra - ,* ; rn R 4 EL: > $ je ur ar BUIRSE: y £ RETRO MW: E 2 nn u nn nn m m nn en en DEE ED ED aD HD ED ED EEREDEIDED Ah Cu = > 478 - Philipp Stöhr, in Abrede gestellt hatte, waren es Srmmer !) und zuletzt Parker 2), welche die Abstammung des Operculum vom zweiten Visceralbogen bei den urodelen Amphibien leugneten, während bei den höheren Thieren eine solche zugestanden wurde. Die Homologie des Operculum der Amphi- bien mit der Golumella resp. dem Stapes der höheren Thiere war damit aufgehoben. Es schien mir indessen eine Vereinigung beider Parteien | möglich durch die Annahme, dass die Columella aus zwei genetisch verschiedenen Theilen bestehe: aus einer in die Fenestra ovalis ein- gesenkten Platte, welche von der Labyrinthwand stammte (Operculum s. s.) und aus einem verschieden geformten, theils knorpligen, theils knöchernen Stiel, welcher das dorsale Ende des zweiten - Visceral- bogens darstellte (Golumella s. s.). Diese Annahme gewinnt an Wahr- scheinlichkeit durch eine Beobachtung Traurmann’s®), die allerdings von diesem in einem andern Sinne gedeutet wurde. Unter solchen Umständen schien es lohnend, die Entwicklung der Columella bei den Reptilien zu verfolgen. Die Untersuchung wurde auch begonnen, allein bald ergab sich die Nothwendigkeit, den Schädel der Urodelen zuvor noch einmal einer genaueren Untersuchung zu unterziehen, da mir die einzige Arbeit von SEmMER (die von PARKER war damals noch nicht erschienen) nicht hinreichende Aufschlüsse bot. Es zeigte sich nun im Verlaufe einer Arbeit, die eigentlich nur eine Voruntersuchung sein sollte, so viel Eigenthümliches, von den bisherigen Beschreibungen Abweichendes, dass ich mich veranlasst sah, mein ursprünglich gefasstes Thema weiter hinauszuschieben und die Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels eingehender zu untersuchen. Die dabei gewonnenen Resultate habe ich in drei Abschnitten | niedergelegt. Der erste behandelt die jüngsten Anlagen des knorp- # ligen Kopfskeletes, des Kranium sowohl, wie des Visceralskeletes, der | zweite Abschnitt den eigentlichen Zielpunkt der unternommenen | Untersuchungen, die Entwicklung der Ohrkapsel und der ihr anlie- # genden Theile bis zu ihrer definitiven Ausbildung; der dritte Ab- | schnitt endlich schildert die Schicksale der Kopfchorda, der knorpligen Basilarplatte und die Bildung des Processus odontoideus des ersten Rumpfwirbels. 4) A. SEmMER, Untersuchungen über die Entwicklung des Mecker’schen Knor- | pels und seiner Nachbargebilde. Dissertation. Dorpat 1872. | 2) Parker, On the Structure and Development of the Skull in the Urodelous Amphibia, in Philosophical Transactions of the Royal Society. vol. 167. pt. 2. 3) TrAUTmann, Der gelbe Fleck am Ende des Hammergriffs, in »Archiv für 5 Ohrenheilkunde«. XI. Bd. Neue Folge. V. Bd. p. 105. Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels, 479 _ mit diesen und einer eingehenden Berücksichtigung der einschlägigen _ Literatur Abstand genommen. Be Die Untersuchungen wurden hauptsächlich an Triton cristatus vor- _ genommen, welcher, in Würzburg leicht zu beschaffen, in allen Larven- - stadien mir zur Verfügung stand ; ausserdem habe ich untersucht Triton niatus und — hauptsächlich zum Vergleich mit den Angaben Par- 3 _ KERS — die jüngeren Stadien von Siredon pisciformis,, welch’ letztere ich der Liberalität Köruiker's verdanke. Die Beschränkung auf eine so geringe Anzahl von Arten findet wohl ihre Entschuldigung durch die Schwierigkeiten, die mit den jetzt üblichen Untersuchungsmetho- _ den verknüpft sind. Anfertigung, Studium der Schnittserien, Zeich- nen und Modelliren der Schnitte nimmt viele Zeit in Anspruch, so dass - ich bei einer gründlichen Untersuchung unmöglich daran denken konnte, dieselbe auf viele Arten auszudehnen. ü Schliesslich erfülle ich noch die angenehme Pflicht, Herrn Geh. _ Rath v. Körriker für die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit welcher mir derselbe seine reichhaltige Bibliothek zur Verfügung stellte. meinen besten Dank auszusprechen. Br OBEN | Ber K. Methoden der Untersuchung. - Die Thiere wurden nach der von KLEINENBERG !) angegebenen Weise _ in Lösungen von Chromsäure oder Pikrinsäure gebracht und darauf in _ schwachem, starkem und absolutem Alkohol allmälig gehärtet. Die 3 meisten kleineren Larven und Embryonen wurden alsdann in einer neu- _ tralen oder schwach amrnoniakalischen Carminlösung von dunkelrother Porbe in toto gefärbt. Grössere Larven wurden dagegen vor dem Färben in eine gesättigte, wässerige Pikrinsäurelösung gebracht, in F welcher sie längere oder kürzere Zeit verweilen mussten, je nachdem me jeder weniger Knochen vorhanden - war. Kopie erwachsener Tri- mehrmals gewechselt werden musste, ausgewaschen. Nach etwa 4 ) Stunden were sie in dünnen Spiritus gebracht, der allmälig 480 Philipp Stöhr, empfohlene Bismarckbraun angewendet. Die gehärteten Objecte wur-. den, wenn nöthig, nach der von Busca !) angegebenen Methode in 1—2 0/, Salpetersäure entkalkt, ausgewaschen und dann in die Anilin- farbe übertragen, von welcher ich mir eine gesättigte, mit 50 Theilen absoluten Alkohols versetzte Lösung bereitet hatte?2). Die Färbung leistet gerade für meine Zwecke ganz Vorzügliches; die Grundsubstanz des hyalinen Knorpels färbt sich tief dunkelbraun, so dass man an den Schnitten schon bei Betrachtung mit unbewaffnetem Auge die knorpligen Skelettheile deutlich erkennen kann. Anfangs habe ich die so gefärbten und gehärteten Objecte auf kurze Zeit (20—30 Minuten) in Bergamottöl gebracht und dann in die von KLEINENBERG (l. c. p. 246) angegebene Mischung von Spermaceti und Ricinusöl eingebettet. Die Einbettungsmasse hat aber den Nach- theil, dass sie mit befeuchtetem Messer geschnitten werden muss. Es kann da selbst bei aller Vorsicht leicht geschehen, dass Theile, die nicht in festem Zusammenhang unter einander stehen, z. B. Visceral- bogen und Schädel auf Frontalschnitten, aus ihrer ursprünglichen Lagerung gebracht werden. Ebenso macht die Uebertragung dünnerer Schnitte auf den Objectträger Schwierigkeiten, die, wenn auch zu überwinden, doch sehr zeitraubend sind. Ich habe deshalb die Me- thode aufgegeben, nachdem ich hier bei Dr. Braun eine andere kennen gelernt hatte, welche gestattet, die Präparate trocken zu schneiden. Die Behandlung ist folgende: Die gehärteten und gefärbten Präparate kommen aus dem absoluten Alkohol in Terpentinöl, 6— 24 Stunden je nach der Grösse des Objectes, aus diesem in eine concentrirte Lösung von Terpentinparaffin, in welcher sie ebenfalls so lange bleiben, und werden dann endlich in eine Masse eingebettet, die ‚aus vier Theilen Paraffin und einem Theil Talg besteht. Ist die Pro- cedur auch eine etwas langwierige, so lohnt sich doch die Mühe voll- kommen. Die Masse dringt in die engsten Spalten, so dass Masse und Präparat wie aus einem Gusse sind; sie lässt sich trocken schnei- den, bröckelt nicht und selbst die feinsten Schnitte können mit einer gebogenen Nadel auf den Objectträger übertragen werden, ohne dabei die geringste Verlagerung ihrer Theile zu erfahren. Die anhaftende Masse wird durch einen Tropfen Terpentinöl aufgelöst und der Schnitt | nun in Dammarfirniss eingeschlossen. Zur Anfertigung der Schnitte bediente ich mich des Long’schen | 4) Busch, Zur Technik der mikroskopischen Knochenuntersuchung. Archiv | für mikroskop. Anatomie. Bd. XIV. 2) Genauere Angaben finden sich in Born’s »Nasenhöhlen und Thränennasen- 7 gang der amnioten Wirbelthiere«. Morpholog. Jahrbuch. V. p. 64 u. 65. 2 Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 481 - Mikrotoms, das mit vorzüglichen Messern ausgestattet ist. Die meisten e Köpfe habe ich in frontaler Richtung durchschnitten, doch leisteten. _ mir auch horizontale und in sagittaler Richtung angefertigte Schnitte R gute Dienste. Von besonderem Vortheil waren mir letztere beim “ Studium des Processus odontoideus. Um möglichst sicher zu gehen, _ habe ich von kritischen Stadien die Thiere in Abständen von 1/,—/ mm untersucht und Serien derselben Grössen-in verschiedenen Schnitt- richtungen angelegt. Meistens betrug die Dicke meiner Schnitte !/,, mm; sie reichte _ vollkommen aus zur deutlichen Erkennung und Unterscheidung der einzelnen Gewebstheile; bei den kleineren Objecten legte ich von gleich grossen Thieren mehrere Serien an; feinere von !/o — !/so — 1/00 mm Dicke für histologische Untersuchungen oder zur Entscheidung fraglicher Bilder, und dickere von '/,, mm zum Modelliren. Bei Anfertigung der Modelle bin ich nach der von Born !) ange- gebenen Methode verfahren. Sie ist mir von wesentlichem Nutzen gewesen. So weit es mir möglich war, suchte ich meine durch Schnitte und Modelle gewonnenen Resultate durch Präparation unter der Loupe zu controliren; mit Vortheil verwendete ich dabei gefärbte Köpfe. Zur Darstellung schematischer Totalansichten junger Visceral- skelete habe ich die Querschnitte der einzelnen Bogen auf quadrirtes - Papier übertragen, nachdem ich die Abstände der Querschnitte sowie die Breite dieser mit einem Ocularmikrometer gemessen hatte. Erster Abschnitt. Die ersten Anlagen des Kopfskelets. Die Skeletanlagen des Kopfes bilden sich aus einem Gewebe, be welches aus netzförmig anastomosirenden, embryonalen Zellen und zahlreichen , grösstentheils in Zellen eingeschlossenen Dotterplättchen besteht. | A. Visceralskelet. r Die ersten Veränderungen, welche in diesem indifferenten Gewebe _ bemerkbar sind, äussern sich in einer mehr regelmässigen Stellung der Zellen, welche nun in relativ grossen Abständen senkrecht zur Längsachse des betreffenden Skeletstückes gestellt sind. Sehr rasch erfolgt eine Vermehrung dieser Zellen; die Skeletanlage besteht als- ann aus einem Blastem, welches sich gerade so verhält, wie die kürz- Ü 4 ) Bors, Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien. 482 Philipp Stöhr, _ lich von Strasser !) beschriebene axiale Gewebsmasse der Extremi- täten junger Urodelenlarven, also zahlreiche rundliche, stellenweise facettirte Kerne und eine geringe Menge Protoplasma zeigt. Die meisten Dotterplättchen sind alsdann verschwunden; der fast voll- kommene Mangel an Dotterplättchen ist fortan ein charakteristisches Zeichen für die Anlagen des Visceralskeletes. Das erste Stück , wel- ches auf diese Weise angelegt wird, ist der erste Visceralbogen. Er ist unten in der Medianlinie nahezu geschlossen und theilt sich bald in zwei Abschnitte, in das dorsale dickere Quadratum und in den dünneren, aber längeren Mecxer’schen Knorpel. Kurze Zeit darauf entsteht der Zungenbeinbogen, dem dann rasch die Anlagen des ersten, zweiten, dritten und endlich des vierten Kiemenbogens folgen. Bei einem 9 mm langen Embryo von Triton cristatus findet man schon die Anlagen sämmtlicher Visceralbogen mit Ausnahme des letzten. Die Anlagen sind meist deutlich umschrieben, die ältesten an einigen Stellen sogar von spindelförmigen Zellen, die einen ge- : streckt ovalen Kern besitzen, umgeben. Es ist nicht schwer, aus einer fortlaufenden Reihe von Schnitten sich ein Bild des jungen Visceralskeletes zusammenzustellen (Taf. XXIX, Fig. 1j. Der erste Bogen lässt zwei Theile, Quadratum und MEckEL- schen Knorpel unterscheiden. Hinter diesem liegt der Zungenbein- bogen (ZB), der, wie seine Nachfolger, noch sehr wenig gekrümmt ist, so dass er in den Bereich weniger Schnitte fällt. Von ihm ent- springt eine kurze, mediane, nach hinten gerichtete Anlage. Sie ist unpaar und entspricht dem spätern ersten Basibranchiale (Bb'). Diese lässt zunächst jederseits einen Fortsatz entstehen, der in gleicher Richtung, wie der Zungenbeinbogen verläuft: die Anlage des ersten Kiemenbogens (KB!). Dicht dahinter entspringen zwei weitere Aeste, die zweiten Kiembenbögen (KB?), welche in diesem Stadium als mediale Aeste des ersten Bogens betrachtet werden können. Dieser Zustand ist indessen nur ein vorübergehender, die zweiten Kiemen- bögen nähern sich später der Medianlinie und erhalten ein eigenes Basibranchiale. Bei Menobranchus scheint jener embryonale Zustand zu persistiren, denn wie ich aus der Abbildung Huxiey’s?) ersehe, ist bei diesem Thier der zweite Kiemenbogen ein Spross des ersten. Die 4) STRAsSSER, Zur Entwicklung der Extremitätenknorpel bei Salamandern und _ Tritonen. Morphol. Jahrbuch. Bd. V. 1879. 2) Huxzevr, On the Structure of the Skull and of the Heart of Menobranchus lateralis. pl. XXX. fig. 2 in »Proceedings of the scientific meetings of the Zoological Society of London«. 4874. Part II. Vergl. auch WIEDERSHEIM, Kopfskelet der Uro- delen in MUDBACLUP, Jahrbuch. III. Bd. 4877. Taf. I. Fig. 4. Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 483 Kiemenbögen (AB) sind mediale Aeste der zweiten; von ist noch Nichts wahrzunehmen. Dagegen finde ich zu beiden ı des Kehlkopfeinganges eine dichte Gruppe von Zellen, die denen Bogenanlagen gleichen, nur sind hier noch viele Dotterplättchen ischen gestreut. Das ist die Anlage der Kehlkopfknorpel, die in- sen eine Zeitlang in diesem indifferenten Zustand verharrt, ehe sie - sich in wirklichen Knorpel umwandelt. Es liegt nahe, diese Anlage mit - den Visceralbogen in Verbindung zu bringen, sie etwa als einen Theil des vierten Kiemenbogens zu betrachten; allein bei Triton eristatus entsteht der vierte Kiemenbogen als medialer Ast des dritten und kommt nicht so nahe an den Kehikopfeingang zu liegen. Vielleicht giebt die Entwicklungsgeschichte andrer Amphibien Aufschluss über - dieses interessante Verhältniss'). © Bei einer nur wenig längeren Larve desselben Thieres (9!/, mm sind die genannten Theile schon viel weiter vorgeschritten. Nicht nur dass die gesammten Anlagen viel deutlicher geworden sind, sich schärfer abgrenzen, auch neue Theile haben sich gebildet, und im - worigen Stadium schon eingeleitete Verschiebungen haben stattgefun- den. Der vierte Kiemenbogen ist angelegt (Fig. 2 KB*); er ist ein medialer Spross des dritten. Die dorsalen Enden sämmtlicher Kie- nmRgen sind mit einander verbunden, gehen in einander über. Der erste Kiemenbogen inserirt nicht genau an den lateralen Rand der un- _ paaren medianen Anlage, sondern an den seitlich untern Rand derselben, ein Verhalten, das im nächsten Stadium noch ausgeprägter _ erscheint. Der zweite Kiemenbogen hat seine directen Beziehungen © sum ersten aufgegeben cf. Fig. 2). | Be ‘Schon in diesem Stadium beginnt an einzelnen Stellen die knorp- lige Differenzirung, indem die früher dicht gedrängten rundlichen _ Kerne weiter auseinanderrücken und eine gleichartige Grundsubstanz aufiri Jetzt ist dieser Vorgang am besten in der dorsalen Hälfte des Quadratum zu beobachten ; allmälig schreitet die Umwandlung in Knorpel ventralwärts vor. Es differenzirt sich also zuerst das Qua- _ dratum, dann der an dieses stossende Theil des Mecker'schen Knorpels. Auf diese Weise entsteht das Bild eines sich Entgegenwachsens der inorpelspangen. Die knorplige Differenzirung erfolgt übrigens so rasch, das es nicht leicht ist, sich von dem geschilderten Vorgang zu _ überzeugen. Ein weiterer EREURETER Umstand liegt darin, dass seien Enden noch in die Länge wachsen. Das ist bashitäie bei m Zungenbeinbogen und den Kiemenbogen der Fall, ich habe in- ' Re Pr a Auch eine genaue Untersuchung von Siredon pisciformis führte zu keinem 2 denden Resultate. y 484 Philipp Stöhr, dessen auch hier mit aller Deutlichkeit gesehen, dass die knorplige Differenzirung nicht in der Mitte, sondern getrennt in den Seitentheilen ansetzte. Die knorpligen Anlagen des Visceralskelets sind somit paarig. In kurzer Zeit ist das Visceralskelet in Knorpel umgewandelt; bei einer 10 mm langen Larve von Triton cristatus, Fig. 3, sind nun sämmtliche Kiemenbogen in einem Zustand, welcher von nun an — Segmentirung abgerechnet — mit nur geringen Abänderungen durch das ganze Larvenleben persistirt. Die ventralen Enden des Zungen- beinbogens haben sich abgegliedert vom 1. Basibranchiale, das noch ungegliedert mit den ventralen Enden des ersten Kiemenbogens zu- sammenhängt. Die oben erwähnte Verschiebung ist noch viel deut- licher und soll an einer Reihe von Querschnitten beschrieben werden. Fig. 4. In der Mitte sieht man einen etwa rhombischen oder plump kleeblattförmigen Knorpel: das erste Basibranchiale (Bb1) kurz vor der Theilung; seitlich unten liegen die durchschnittenen Zungenbeinhörner (ZB), darüber Stücke des Quadratum (0). Fig. 5. Das erste Basibranchiale ist zerfallen in zwei Stücke, die übereinanderliegen. Das obere hat einen kreisrunden Querschnitt; es ist das zweite Basibranchiale (Bb?2). Das untere ist ein queres Band mit aufgetriebenen Enden; es hat etwa die Gestalt einer im Griff geknickten Hantel; es ist der Rest des ersten Basibranchiale (Bb1), der sich eben zur abermaligen Theilung anschickt. Fig. 6 zeigt — das Quadratum abgerechnet — sechs Knorpelquer- schnitte; die am weitesten lateral gelegenen sind wieder die Zungen- beinhörner; in der Medianlinie liegt oben das zweite Basibranchiale (es nähert sich in der Form mehr einem quer gestellten Oval), unten die mediale Fortsetzung des ersten Basibranchiale (UB); seitlich von diesen beiden liegt je ein Durchschnitt des ersten Kiemenbogens (KB1). | Einen Schnitt weiter (Fig. 7) — und das zweite Basibranchiale ist in zwei neben einander gelegene Theile zerfallen: die Durchschnitte des zweiten Kiemenbogens (KB?) ; die Zungenbeinhörner sind im Be- griff aufzuhören; erster Kiemenbogen und Fortsetzung des ersten Basibranchiale verhalten sich wie auf dem vorhergehenden Schnitte. Acht weitere Schnitte zeigen dasselbe Bild, dann hört die mediane Fortsetzung (UB) des ersten Basibranchiale auf. Gombinirt man aus diesen Querschnitten ein Bild des Visceral- skeletes, so ergiebt sich ein Resultat, das von den bisher beschriebenen und abgebildeten Visceralskeleten wesentlich verschieden ist. Das erste Basibranchiale zerfällt in zwei übereinander gelegene Stücke. 23 Fr r Sazıcı fa a > ”., u, vr. Zur Eabwicklungsgeschicht des Urodelenschädels. 485 obere ist das zweite Basibranchiale, das anfangs sehr kurz ist und in als yald in den rechten und linken zweiten Kiemenbogen sich spaltet. Das untere, für welches ich den Namen 1. Basibranchiale beibe- halte, theilt sich in drei Theile, in den rechten und linken ersten Kiemenbogen und in ein median gelegenes unpaares Stück, welches Fe die direete Fortsetzung des ersten Basibranchiale darstellt (Fig. 3). Es ist dasselbe Stück, welches von Dusts!) bei der Larve von _ Triton marmoratus (Salamandre marbree) als »urohyal«, oder von Hvar?) bei der Larve von Salamandra maculata als »Zungenbeinstiel« E en wird. Bei manchen Urodelen gabelt es sich am hinteren | Fr esae:; die Theilungsstelle verknöchert später, während sich das vor _ der Theilungsstelle gelegene Stück zurückbildet; auf diese Weise ent- steht das Os thyreoideum v. SırsoLpr's. In neuerer Zeit wird der _ Zungenbeinstl als zweites Basibranchiale aufgeführt ®). Da aber das wirkliche zweite Basibranchiale über und vor diesem gelegen, so ist eine solehe Benennung nicht statthaft. Ich will den fraglichen _ Skelettheil, der, wie aus Fig. I, 2 und 3 ersichtlich ist, sich von allen _ Theilen des Visceralskeletes zit entwickelt, Urobranchiale nennen. Da wo das erste Basibranchiale sich theilt, finden Muskeln ihre Anhef- 4 tung, welche sich selbst durch die sorgfältigste Präparation nicht gut entfernen lassen. Hierin liegt wohl der Grund der Unrichtigkeit R ‚der bisherigen Abbildungen. Die Beziehungen des Quadratum zum Kranium werde ich bei der Entwicklungsgeschichte dieses berück- a Be Das Visceralskelet junger Tritonenlarven ist in den jüngsten Sta- Bi; lien von Reıcnertt) beschrieben und abgebildet worden. Seine Dar- R ‚stellungen weichen aber in vielen Punkten von dem eben Geschilderten „Es erklären sich diese Differenzen wohl zum grössten Theile durch ie damals übliche Methode der Präparation mit Messer und Scheere, n Resultate natürlich um so weniger Verlässliches boten, je kleiner h Fein ar ersuchten Objecte waren. Waren ja nicht nur die feineren pelzüge übersehen, sondern auch beginnende Hautverknöche- a 2 ; _- als »häutig-knorplige Bildungsstreifen « bezeichnet worden, Ak: Nm 2 Dusss, Recherches sur l'osteologie et la myologie des Batraciens a leur ens äges. Paris 1834. pl. XV. fig. 444 c. Er vergleicht es dem Urohyale der p. 176. is r =; Hyatt, Cryptobranchus japonicus. Schediasma anatomic. 1865. ERW us 3) So wird das Stück von den Engländern genannt. Vergl. z. B. PARKER, »One ie Sk cture and Development of the Skull in the Urodelous Amphibia« in »Philo- ©. Transactionst, vol. 467. pt. II. Tafel 29, fig. 3. Auch WIEDERSHEIM (l. c.) at die gleiche Nomenclatur. E: ei en. Taf. 11. die en he, 486 | Philipp Stöhr, was natürlich die Klarheit der Darstellung in hohem Grade beeinträch- tigen musste. Es fehlt z. B. in Taf. XXIX, Fig. 17 der ventrale Theil des zweiten Kiemenbogens (Keratobranchiale?). Wahrscheinlich hat Reichert die ventralen Theile des ersten und zweiten Kiemenbogens, die sehr nahe bei einander liegen und sich sogar an einer Stelle be- rühren (vergl. meine Fig. 2 u. 3), für ein Stück gehalten. In Fig. 25 ist der fehlende Theil eingezeichnet (h), dafür vermisse ich die me- diane Fortsetzung des ersten Basibranchiale, das Urobranchiale , wel- ches in Fig. 17 angegeben ist. Die dorsalen Verbindungen sämmtlicher Kiemenbogen sind vollständig übersehen worden. Die Deutungen Reıicherr’s haben längst besseren Platz gemacht und würde eine nochmalige Widerlegung derselben eine überflüssige Wie- derholung sein. Dagegen möge ein Vergleich der ReıcHherr’schen Nomen- claturen mit den an die Stelle dieser getretenen heutigen Benennungen erlaubt sein. Der »Zungenbeinkörper«, Fig. 25 x, entspricht dem heu- tigen Basibranchiale 1; das »Suspensorium des Zungenbeins« d dem ventralen Theile des heutigen Keratohyale, während das ganze Kerato- hyale gleichbedeutend ist mit dem »vordern Zungenbeinhorn« REICHErT's. Das Keratobranchiale ! heisst bei ReıcHerr »das erste Stück des Kiemen- bogenträgers, welches zum sogenannten vordern Stück des hintern Zungenbeinhorns der Tritonen wird«. Mit «a, c, d werden als »Stücke, welche Kiemenbogen tragen«, also zweites, drittes und viertes Stück (Kiemenbogenträger) Theile bezeichnet, welche in dieser Anordnung in Wirklichkeit nicht existiren. Der Fehler, welcher dann eine ganze Reihe von irrthümlichen Deutungen nach sich zog, beruhte darin, dass Reıcnerr eine Gliederung übersehen hatte, welche h von a (Fig. 25) scheidet. Dieses Uebersehen . ist schuld, dass Reıcuerr mit demselben Buchstaben 4 in Fig. 25 und 26 ganz verschiedene Theile bezeichnete. 3 in Fig. 25, »das fünfte Stück oder der vierte uneigentliche Kiemenbogen,, welches unserer Ansicht nach zum hintern Stück des hintern Zungenbeinhorns wird«, ist der wirkliche vierte Kiemenbogen (Branchiale #) ; 9 auf Fig. 26 dagegen ist das heutige Epibranchiale!. Das »sechste Stück, welches in die Columella sich verwandelt«, ist unser jetziges Keratobranchiale? und hat mit der Columella nie etwas zu thun. Reicnerr's Figuren (17 und 25) sind übrigens nach Visceral- skeleten älterer Larven entworfen, da überall schon die Abgliederung der einzelnen Visceralbogen kenntlich ist. Aus einem verhältniss- - mässig frühen Stadium ist das Visceralskelet, welches HuxıryY!) von 4) HuxLeyl.c. pl. XXXI. fig. 2a. Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 487 ı eben ausgeschlüpften Triton abbildet. Dasselbe stimmt im Grossen _ und Ganzen mit meiner Fig. 3 überein, nur steht bei Huxıry der Zun- jeinbogen mit dem Basibranchiale ! noch in Verbindung. die dor- ı Verbindungen zwischen zweitem und drittem, und drittem und am Kiemenbogen fehlen und auch die oben geschilderte eigen- hümliche Stellung der ventralen Enden des ersten und zweiten Kie- menbogens ist unberücksichtigt gelassen. Dosis) giebt ebenfalls eine Abbildung des Visceralskeletes einer 1) Tritonlarve (Triton marmoratus) ; die Verhältnisse sind daselbst vie re angegeben, als bei Reıcnert; eine Uebersetzung der No- | atur Dusts’ macht keine grossen Schwierigkeiten. Auch hier ut dorsalen Verbindungen der Kiemenbögen nicht gezeichnet. » verhält es sich mit der 13 mm langen Larve von Seironota per- ta, welche Pırker abgebildet hat 2. - Bei Siredon pisceiformis beginnt die Verknorplung der An- en des Visceralskeletes sehr frühzeitig. Schon bei einem 7 mm = ı Embryo sind Spuren von Knorpelzellen zu entdecken und ist e@ “ der der erste Visceralbogen, welcher zuerst jene Umwandlung ährt. Die ventralen Enden der Mecxer'schen Knorpel berühren sich ‚der Medianlinie; ebenso hängen die Anlagen der folgenden Bogen | mit den entsprechenden der andern Seite zusammen. Die An- gen der Visceralbogen nehmen von vorn nach hinten an Deutlichkeit ‚ab, so dass man an einem Kopfe eine ganze Reihe von Uebergängen, v n der ersten Anlage an bis zur knorpligen Differenzirung, unter- len kann. Bei einem zweiten, nur um Geringes längeren Embryo (7 /, mm) war die Diflerenzirung viel weiter vorgeschritten. Das Qua- dratum stellte da einen verhältnissmässig schlanken Knorpelstab dar, | ne Fortsätze und zeigte sich vom Mecker'schen Knorpel deutlich abgegliedert. Zungenbeinbogen sowie sämmtliche Kiemenbogen waren eutlich knorplig. Die Anordnung verhielt sich wie bei dem oben be- sc E jenen 9'/,mm langen, eben ausgeschlüpften Triton cristatus; nur on ner Verschiebung der Ursprungsstelle des ersten Kiemenbogens yar noch Nichts zu bemerken. Ko - Parker ?) hat das Visceralskelet eines 4—4!/, Linien (eirca 9—10 mi imeter) laugen Embryo von Siredon piseiformis ebenfalls beschrieben ind abgebildet; aber es erwachsen manche Schwierigkeiten, dasselbe neinen Beobachtungen in Einklang zu bringen. Jünger als mein Fr m langer Embryo scheint der Pırker’s insofern zu sein, als die 9) Dusisl. c. pl. XV. fig. 444. 71. e. pl. 29. fig. 3. Ua 3 BE ©. p. 539. plate 22. fig. A u. 2. 488 Philipp Stöhr, ventralen Enden der Meckzr’schen Knorpel sich nicht berühren (»the Meckelian rods do not meet by a space equal to a fourth of their length«), älter in so fern, als sämmtliche Visceralbogen verknorpelt sind ; nur der »Pfeiler des Mandibularbogens« (das Quadratum) soll noch gra- nulirtes indifferentes Gewebe sein. Diese letztere Angabe steht mit meinen Beobachtungen in directem Widerspruch. Die Verknorpelung schreitet, wie ich oben bei Triton cristatus beschrieben habe, dorso- ventralwärts vor, beginnt also zuerst am Quadratum und setzt sich dann auf den Mecker’schen Knorpel fort. Beweis für meine Angabe, dass die Visceralbogen sich paarig anlegen, finde ich auch in Parker’s Fig. 2 (pl. 22). Parker scheint daselbst nur die wirklich knorpligen Theile abgebildet zu haben, während er die andern angelegten Partien, welche den eigenthümlichen Zusammenhang der Visceralbogen zeigen, nicht gesehen zu haben scheint. Offenbar war selbst Pırker’s geschickte Hand nicht im Stande, diese subtilen Verhältnisse der sichern Beob- achtung zugänglich zu machen; es war eben die Methode nicht aus- reichend. Parker hat selbst an die unrichtigen Stellen einen Schatten angebracht, Muskeln, die vom Skelet nicht zu entfernen waren und dasselbe unsichtbar machten. Was die fehlende Vereinigung des Mecker’schen Knorpels betrifft, so scheint mir das eine Folge der Präparation zu sein; ich glaube, dass die beiden Stücke auseinandergerissen worden sind. Auch bei Hux- Ley !) finde ich den gleichen Fehler. Im weiteren Verlaufe gleicht das Visceralskelet des Siredon so sehr dem der Tritonlarve, dass die für diese gegebene Abbildung Taf. XXIX, Fig. 3 auch als gültig für Siredon angesehen werden kann. Das gilt besonders für das zweite Basibranchiale und das Urobran- chiale. Es ist demnach auch die Bezeichnung bbr?2 auf Parker’s Taf. XXV, Fig. 5 unrichtig. B. Kranium. Die ersten Anlagen des Kranium bestehen — wie sich im Verlaufe dieser Untersuchungen zeigen wird — aus einer Anzahl wohl von ein- ander getrennter paariger Theile. Einer von diesen verhält sich hin- sichtlich seiner ersten Entwicklung wie ein Rumpfwirbel, es erscheinen hier zuerst Anlagen oberer Bogen; der zweite Theil entwickelt sich als selbständige Kapsel eines Sinnesorgans; der dritte besitzt eine gewisse Aehnlichkeit mit Bogen, zeigt jedoch eine Reihe von Eigenthümlich- keiten, die denselben von den einfacheren Bildungen entfernen und 1). 1.20. pl; XXX. De, 17u2: 2 Se ae A x < :\ Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 489 ker nen seines ursprünglichen Verhaltens in hohem Grade er- Be . Die drei Theile werden in der Reihenfolge, in welcher sie ‚ beschrieben werden. arsı entstehen die seitlichen Schädelbalken (Rarakr). e Anlage derselben erfolgt etwas später, als die des Visceralskeletes. erade wie bei diesem entstehen aus dem embryonalen Bildungs- ‚gewebe jene dichtgedrängten Zellen, welche die Anlagen der Skelet- ‚stücke schon vor der knorpligen Differenzirung erkennen lassen. Die auf dem Querschnitt erscheinenden Umrisse der Balkenanlagen sind _ vorn rundlich, nehmen aber bald weiter hinten die Gestalt einer auf- re ‘ht stehenden Lamelle an; das letztere findet sich besonders in der Umgebung des Sehnervendurchganges; man kann also schon von einer angelegten Seitenwand des Schädels sprechen, ehe die knorpelige -Differenzirung begonnen hat. Die orbitale Schädelseitenwand wird in - Verbindung mit dem Balken angelegt, nicht selbständig, wie dies - Görre !) als allgemeines Verhalten hinzustellen geneigt ist. Je weiter _ man die Balkenanlage nach hinten verfolgt, desto undeutlicher wird ‚ihre Umgrenzung; Dotterplättchen in immer grösseren Mengen sind wischen die Anlagen eingestreut, und ehe noch die Augäpfel auf den -Frontalschnitten verschwunden sind, werden die Balkenanlagen bis zur Unkenntlichkeit verdeckt durch reichliche Dotterplättchen und die Anlagen der Augenmuskeln; erst weiter hinten findet man wieder on der Balken, die dann eontinuirlich in das zur Seite der Chorda 8 legene Gewebe übergehen, welches sich bald in die Anlage der ılkenplatten umbildet. 25 Aehnlich wie bei Triton eristatus (9'/, mm), von welchem diese jeschreibung entworfen ist, verhält es sich bei Siredon pisciformis. Auch hier nehmen die Balkenanlagen von vorn nach hinten an Deut- re seit ab?). In einer Beziehung aber unterscheiden sich die Anlagen Ne”, 2. GörteE, Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 4875. p. 709. — Für N ie Batr: hier hat übrigens auch Görre das Hervorgehen der orbitalen Schädel- and s den Balken beobachtet, glaubt aber auch an die Anlagerung neuer Ele- ıte an die Ränder, denen eine bestimmte Grenze fehlt. — Hexer (l. ce. p. 199) ‚hä Me »noidal- und Ethmoidalgegenden des Amphibienschädels für Wachsthums- nd ‚andlungsproducte der Balken. Per B | Die Balken scheinen sich also von vorn nach hinten zu entwickeln; diesem Um: de könnte einige Bedeutung gegen die Auffassung der Balken als obere igemessen werden. Die oberen Bogen}legen sich nämlich gerade umge- ‚sind zuerst dicht an der Chorda am deutlichsten und wachsen von da erst empor. Es ist aber nicht zu vergessen, dass die Anlagen der Balken durch ‚auftretende Muskelanlagen, die später an der seitlichen Schädelwand ı, alterirt werden und dass so das Erkennen des ursprünglichen Ver- yjhem Grade erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird. 490 | | Philipp Stöhr, der Balken und des Visceralskeletes des Siredon von den gleichen Ge- bilden des Triton; während für diese die Armuth an Dotterplättchen als charakteristisch nachgewiesen werden konnte, finden sich bei Sire- don in den Anlagen des Visceralskeletes, noch mehr aber in denen der Balken, Dotterplättchen und Pigmentkörnchen; letztere sind auch in grosser Menge im Gehirn und in den Ganglien,, nicht aber in den An- lagen der Muskeln gelegen. Die knorplige Differenzirung der Balkenanlagen erfolgt bei Triton und Siredon auf gleiche Weise, doch sind bei letzterem auch noch in wirklichem Knorpel Dotterplättchen zu finden. Die Balken erscheinen an Frontalschnitten von vorn nach hinten betrachtet zuerst rund, weiter hinten erheben sie sich zur Bildung der seitlichen Schädelwand (Crista’ trabeculae) !), Taf. XXIX, Fig. 11, Crtr, welche zuerst eine Oeffnung zum Durchtritt des Opticus (0) und eines Gefässes erkennen lässt. Etwas hinter dem Opticusloch findet sich noch eine zweite grössere Oeffnung (o’), welche theils durch Muskelanlagen ausgefüllt ist. Auch durch diese passirt ein Gefäss und ein Bündel Nervenfasern. Dicht hinter der Begrenzung dieser zweiten Oeffnung fällt die Schädelwand steil ab und geht wieder in einen rundlichen Stab über, der mit den jetzt gleichfalls knorpligen Balkenplatten (B Pl) zusammenhängt. Am hinteren Rande der Crista trabeculae liegt das Ganglion Gasseri. Nicht lange nach diesen Vorgängen entspringt vom vordern Ende jedes Balkens ein knorpliger, gerade seitwärts gerichteter Fortsatz, der das Geruchsorgan von unten umgreift: die Balkenhörner, Fig. 42 0. Eine »Internasalplatte« fehlt jetzt noch sowohl bei Triton, wie bei Siredon (vergl. Parker ]. c. p. 546). Halten wir nun das Gesagte dem gegenüber, was PArkErR von einem 5 Linien (11 mm) langen Siredon beschreibt und abbildet. Schon ein flüchtiger Vergleich der Fig. 3 auf Taf. XXTI mit den Abbil- dungen eines nach einem 9 mm langen Siredon verfertigten Modells, Taf. XXIX, Fig. 12 u. 13, ergiebt bedeutende Differenzen. Da ist nichts zu sehen von einem Unterschied zwischen Spange und Crista; der Ausschnitt, in welchem das Ganglion Gasseri liegt, fehlt; ebenso fehlt die ganze vordere Hälfte der Balken. Auch von dem Loch für den Opticus und von der zweiten hinter diesem gelegenen Oeffnung ist nichts zu entdecken, da ja der ganze Balken nicht einmal bis zur Mitte des Auges reicht. Ebenso wenig genügen die nach einer halben Linie längeren Larven entworfenen Figuren / und 2 auf Taf. XXI, welche abgesehen von der fehlenden Vereinigung des Mecker’schen 4) »A sphenoidal neural crest«. PARKER. TEE UNS - Ze Im Batwicklangignenbichte des Urodelenschädels, 491 Bi s und dem Mangel der Balkenhörner noch andere Fehler auf- , die ich später besprechen werde. Es ergiebt sich eben wieder +4 Die Unzulänglichkeit der Methode. 2 ‚Die Abbildungen Hvxrey's!) bedürfen keiner wexe!fn Erörterung, ‘da sie sich von denen Pırxer’s hinsichtlich der Balken wenig unter- iden. Reıcnerr's Figuren lassen ebenfalls keinen Vergleich zu. » sind auch nach grösseren Larven entworfen. Zur Zeit der knorpligen Differenzirung der Balken steht das schon nJ ‚norplige, proximale Quadratende der Schädelseitenwand sehr nahe, ist jaber doch von dieser (durch das Ganglion Gasseri) getrennt |vgl. Fig. #1). > ald aber schickt das Quadratum vor dem Ganglion Gasseri einen lünnen Fortsatz aufwärts, welcher mit der knorpligen Scehädelseiten- ‚wand verschmilzt (Fig. 12 u. 13). Das Quadratum wird also selbständig angelegt und setzt sich erst seeundär mit dem Schädel in Verbindung. Die Frage nach der Entstehung des Quadratum bei den Amphi- ien ist eine vielfach diseutirte. Rercnerr's erste Angaben (l. ce. p. 96 nd p. 402) sind zu unbestimmt, um daraus entnehmen zu können, ‚ob er eine selbständige Entstehung des Quadratum annimmt oder nicht; _ erst spätere Bemerkungen {p. 121 und p. 122) lassen vermuthen, dass er das Quadratum als einen Fortsatz des »ersten Schädelwirbels« be- ‚rachtet. In demselben Sinne, nur viel deutlicher, sprachen sich Sran- nıus?) und Gesensaur®) aus: der Kiefernstiel ist im Zusammenhang, n dem Primordialkranium angelegt. In direetem Gegensatz hierzu die Beobachtungen Senmer’s®. welcher gefunden hat, dass bei on taeniatus das Quadratum sich unabhängig vom Primordialkra- entwickelt und sich erst später mit diesem in Verbindung setzt. Kuc ı Huxıey und Parker haben beobachtet, dass das Quadratum selbst- Bee angelegt wird. Ebenso scheint Görte®) der Ansicht zu sein, ont. e. pl. XXX1. fig. 1 und 2. "®) ze Handbuch der Zootomie, Il. Theil. 2. Buch. Zootomie der n „4856. p. 33. et GEGENBAUR, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. Leipzig 187% . P. 469. In der neuesten Auflage des Grundrisses (4878) findet sich keine os] zliche Notiz, denn der Satz »mit dem Primordialkranium in unmittelbarer x steht das Palatoquadratum« gilt doch wohl vom Knorpelschädel der ı Thiere. p. 479. g: kA nn; Untersuchungen über die Entwicklung des Mecker'schen Knor- ind seiner Nachbargebilde. Dissertation. Dorpat 1872. p. 23 u. 74. SE ist nicht leicht, sich aus den GörttE'schen Darstellungen ein klares Bild »n, indessen glaube ich doch, dass WIEDERSHEIM (l. c. p. A64) Unrecht Be sagt: »der Quadratknorpel soll nach GörTE ursprünglich mit der proo- gion n verbunden sein«e. Es könnte allerdings die von GöTTE p. 732 gege- ae a SEE rl - u 17 * Ad ./ . & } De I V En ng i £ ' a! N Mans er nt f B% > h a i / en Be Tu Aal wi a i B a Fr EN j 2 Na. 5 IR Yu ct 2 FR) ‚ER 2 g Er P . ET REEL T Er ei iu en, n Br 492 | Philipp Stöhr, dass das Quadratum sich nicht im Zusammenhang mit dem Primor- dialkranium anlege, während in neuester Zeit WIEDERSHEIM!) sich an GEGENBAUR anschliesst und den ursprünglichen Zusammenhang des Quadratknorpeis und der prootischen Gegend bei den Amphibien für das Richtige hält. Meine Beobachtungen , welche mich auf die Seite von HuxLEY, SEMMER, PARKER und GöTTE stellen, bringen somit das Qua- dratum vollständig in die gleiche Kategorie, wie die übrigen Visceral- bogen, welche ebenfalls getrennt vom Schädel angelegt werden. Nach GörtE2) bildet der Schläfenflügelknorpel (d. i. der Fortsatz des Quadratum, welcher sich mit der Regio prootica verbindet) bei Bombinator die seitliche Schädelwand unmittelbar vor der Ohrkapsel allein; ein Theil des äusseren Segmentes fügt sich der ursprüng- lichen Schädelanlage zur Umschliessung des Hirns an. Bei den von mir untersuchten Urodelen kann von einer derartigen Leistung des Quadratum keine Rede sein, denn die Schädelseitenwand erleidet nicht die geringste Verbreiterung, nachdem sie sich mit dem Quadratum verbunden hat. Das spätere Auswachsen der Schädelwand nach hinten und ihre Verbindung mit der knorpligen Ohrkapsel auf Rechnung des Quadratum setzen zu wollen, ist eine Annahme, die mir durch Nichts gerechtfertigt erscheint. Es ist übrigens nach dem, was ich bei PArkEr ‚sehe, ein derartiger Vorgang auch bei den Anuren zweifelhaft. Kurz nach der Anlage der Balken entsteht die der Balken- platten, d. i. eine paarige, zu den Seiten der Chordaspitze gelegene Anlage, der »Basaltheil des vordersten Wirbelringes« GöTTEs. Sie be- steht anfangs aus demselben embryonalen Gewebe, wie die andern schon beschriebenen Skeletanlagen; die weitere Differenzirung dieses Gewebes ist aber von der der Balken und des Visceralskeletes etwas verschieden. Die Zellen rücken näher zusammen, doch sind dieselben bene Auseinandersetzung über das Kiefersuspensorium etwas derartiges glauben machen, allein p. 629 ist bei der Schilderung der ursprünglichen Grundlage des ganzen Schädels nur von der die Wirbelsaite einschliessenden Knorpeltafel (Basal- platte) und von zwei Bogenpaaren (seitl. Schädelbalken und Oceipitalanlage) die Rede. P. 634 heisst es weiter, dass der Verlauf des (ersten) Wirbelbogens an dem verdickten Seitenrande der vorderen Schädelbasis leicht zu erkennen ist, dass aber später sich diese Unterschiede zwischen den eigentlichen Grundlagen des Schädels und den secundär sich daran schliessenden Knorpeltafeln vollständig ausglei- chen. Unter den »secundär sich daran schliessenden Knorpeltafeln« kann doch nur die Knorpelplatte des ersten äussern Segmentes (»grosser Flügelknorpel«) und viel- leicht auch die knorplige Ohrkapsel gemeint sein. P. 371 endlich spricht G. von Theilen, welche nur accessorisch zur Herstellung der knorpligen Hirnkapsel beitragen, nämlich die Gehörkapsel und Knorpeltheile des ersten äusseren Seg- mentes,. u El open oa 112 2) l. ce. p. 638. 1 A oe 0 Zur Entwieklungsgeschiehte des Urodelenschädels. 493 ER Es ‚dichter Menge zusammengedrängt, wie in den Anlagen der sn und des Visceralskelets. Alle Zellen sind prall gefüllt mit Dotter- tchen, welche während der knorpligen Differenzirung und selbst h derselben noch erhalten bleiben. Hier fehlt also ein Stadium dot- - plättehenarmer, nicht knorpliger Zellhaufen vollständig. Bei Triton | En diese Unterschiede zwischen Visceralskeletanlagen und Balken- h p tte viel schärfer ausgeprägt als bei Siredon; indessen sind auch bei diesem die Balkenplatten durch grösseren Reichthum an Dotterplätt- ‘chen ausgezeichnet. Vergleicht man die am Visceralskelet und am Kranium sich abspielenden Vorgänge mit einander, so ergiebt sich, "dass am Visceralskelet die knorplige Differenzirung sich erst dann voll- _ zieht, wenn die Dotterplättchen zum grössten Theile verschwunden "sind; viel schneller (oder verhältnissmässig früher) verknorpeln die Balkenplatten , lange vor der Auflösung der Dotterplättchen. Die Mitte zwischen beiden halten die Balken ein. Bald sind die Anlagen der Balkenplatten in Knorpel umgewandelt und man findet nun bei Triton sowohl wie bei Siredon — zu beiden Seiten der Chordaspitze — zwei kurze Knorpelstreifen, welche vorn _ breit sind und nach hinten sich allmälig verschmälern ; sie haben die Gestalt von rechtwinkligen Dreiecken, deren rechter Winkel vorn der Chordaspitze anliegt, während der eine spitze Winkel gerade nach hinten, der andere lateralwärts gerichtet ist; dieser letztere steht _ mit dem Balken seiner Seite in eontinuirlicher Verbindung (vergl. Taf. XXIX, Fig. 41). Die Anlagen der Balkenplatten sind paarig; nur k das Perichondrium zieht continuirlich von der einen Seite zur andern, Ben sich Knorpel nur an den Seiten, nicht aber an der obern hchar # untern Fläche des vordern Ghordaendes findet. Diese Trennung be- steh aber nur kurze Zeit; bald treten rechte und linke Balkenplatte ® it einander in Tusbnmanbang, bald über, bald unter, stets aber vor er Chordaspitze, und bilden jetzt eine unpaare Platte !). Die mediane ee netzung erfolgt zu sehr verschiedenen Zeiten bei ein und der- Ber Art. Ich besitze, besonders von Siredon, Präparate, welche B ; Verschmelzung der paarigen Anlage zu einer unpaaren Platte . schoi ı vor der knorpligen Differenzirung zeigen. ir fi Zusammen mit dem vordern Ghordaende besteht nun ein etwa gleichschenkliges Dreieck; die eine Seite desselben sieht nach vorn, Biden andern sind schräg nach hinten und aussen gerichtet; die Br des Dreiecks setzt sich in die Chorda fort, welche von .. ir 3) 1) Da die Platte nur an der Chordaspitze unpaar ist, seitlich aber immer von er der ‚andern Seite durch die Chorda getrennt ist, werde ich auch jetzt noch alkenplatten« sprechen. its “ ssensch, Sen: XXXIII, Bd. 39 EEE WE N 494 Philipp Stöhr, da an seitlich nicht mehr von Knorpel, sondern nur von Muskeln be- kleidet ist. In diesem Stadium findet sich also am Kranium nur Knor- pel an der Chordaspitze; die hintere Begrenzung dieser knorpligen Balkenplatten fällt zusammen mit der Grenze zwischen vorderem und mittlerem Drittel des häutigen Gehörbläschens. — Die paarige Anlage der Balkenplatten verschmilzt, wie eben erwähnt, in der Medianlinie. Es bestehen nun in dem Verhalten der Chordaspitze zur Knorpelplatte bei Triton und Siredon gewisse Verschiedenheiten. So steckt denn bei Triton eristatus das zugespitzte Chordaende so in der Knorpelmasse, dass sie auf einem Frontalschnitte allseitig von Knorpel umgeben ist. Bei Triton taeniatus ist der obere gegen die Schädelhöhle sehende Umfang des Chordaquerschnittes frei, während seitlich und unten Knorpel gelegen ist. Bei Siredon pisciformis endlich ist das um- gekehrt der Fall, die Chordaspitze ist unten frei und nur seitlich und oben von Knorpel bedeckt. So habe ich es in den meisten Fällen gefunden; doch giebt es auch vielfache Ausnahmen, so dass an eine gewisse Variabilität in dieser Hinsicht gedacht werden könnte, was um so glaubwürdiger erscheinen dürfte, als Angehörige einer Gat- tung verschiedenes Verhalten zeigen. Nach den Balkenplatten bilden sich zwei neue Theile des Schädels und zwar zuerst die Oceipitalia und kurz darauf die knorpligen Ohr- kapseln. Die Entwicklung der Occipitalia verläuft im Anfange genau in derselben Weise, wie die der obern Bogen eines Rumpfwirbels. In dem die elastische Chordascheide umgebenden Gewebe, welches sich nach oben in die das Hirn umschliessende Membran fortsetzt, treten oben und seitlich von der Chorda die ersten Anlagen von Bogen auf. Sie sind paarig.und erst dann als Bogen kenntlich, wenn die knorplige Differenzirung anhebt,, indem die Bogenanlagen vor der Verknorplung sich durch Nichts von der allgemeinen häutigen Umkleidung des Cen- tralnervensystems unterscheiden. Diese knorpligen Anlagen der Occipitalia stehen mit denBalkenplatten in keiner Verbindung. Die Oceipitalia werden selbständig an- gelegt (vergl. Taf. XXIX, Fig. 12 und 13). Im weitern Verlauf nun _ umwachsen die Oceipitalbogen die Chorda, zunächst {ohne sich ventral oder dorsal über dieser zu vereinigen; die Occipitalanlage bleibt vor der Hand paarig. Man kann nun jederseits zwei Theile unterscheiden; den Bogentheil, welcher das Gehirn umgreift, und den der Chorda- scheide anliegenden Theil, welchen ich Oceipitalplatte nennen will. Die Oceipitalplatten entsprechen den Huxrry’schen Parachordalia. All- mälig wachsen sich Oceipitalplatten und Balkenplatten entgegen, ver- Pe Fr Li F ‚- & - je % Ehtwieklungmgpochichts des Urodelenschädels. 495 elzen mit ER und stellen nun zusammen mit der Chorda ısentheil der »Basilarplatte« (»Basalplatte«, »Basilarknorpel«) dar, velche bis jetzt fast allgemein als ein ganzes, im Zusammenhang ange- _ legtes Gebilde angesehen wurde. Die Basilarplatte besteht somit aus zwei getrenntangelegten, paarigen Stücken, - den Balkenplatten, die nach vorn in die seitlichen Schädelbalken aus- laufen und den Oceipitalplatten, die sich nach oben in die Oceipital- 5} gen fortsetzen. Dazu kommen noch später die seitlichen Theile der silarplatte, welche mit Balkenplatten und Oceipitalplatten nichts zu thun haben, denn sie sind — wie sich im weitern Verlauf dieser Unter- ‚suchungen ergeben wird — von den Öhrkapseln aus hinzutretende Theile. Die Lehre von der einheitlichen Anlage der Basilarplatte ist bis in _ die neueste Zeit eine fast unangetastete gewesen. Aus der älteren _ Literatur ist mir keine Angabe bekannt, welche sich gegen diese Lehre ausgesprochen hätte!), und auch in der neueren Literatur hat sie noch sehr viele Vertreter. So finden sich z. B. bei Gesexsaur ?), Wiepers- wem 3) und selbst bei Görre #\, welcher sonst eifrig bestrebt ist, die diseontinuirliche Anlage des Schädels zu beweisen, nur Bestätigungen des Satzes, dass die Basalplatte in continuo angelegt wird. Dieser inschauung entgegen haben Hexrey®) und Paırker®) behauptet, dass el und Parachordalelemente getrennt angelegt würden; die beiden Forscher scheinen jedoch keine genügende Berücksichtigung er 2? er 4) Nur bei Levoıs (Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Entwick- "lungsgeschichte der Rochen und Haie. Leipzig 1852) finden sich Angaben, welche eine einheitliche Anlage der Basilarplatte verwerthet werden könnten. ; äussert sich allerdings in dieser Hinsicht nicht weiter. Die Chorda tritt »in tens der früher bezeichneten Platte (Balkenplatte und Balken), die ebenso t den vorhin genannten Theilen (Ohrkapseln und Substanzlage um die Chorda) et verschmolzen sind« p. 106. Also müssen die Theile früher getrennt gewe- en sein. Auch in den Abbildungen (Taf. XXIX, Fig. 9 a u. b) ist eine Grenzlinie ıen Balkenplatte und dem dahinterliegenden Gewebe gezogen. e GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- . 3. Heft. Das Kopfskelet der Selachier. Leipzig 1872. p. 27 u. 28. ns 3) Wıepensuei |. c.p. 9 u. 40, a 4) Görte 1. c. p. 366 u. 746. ) Huxıev, On Menobranchus. p. 198. Leider gelang es mir nicht, mir Hux- aa ıphibia«, Encyel. Brit. Vol. IX. und Croonian Lecture (Proc. Roy. Soc. zu verschaffen. ) Ben, On the Structure and Development of the Skull of the Common Philos. Transact. of the royal society of Lond. Vol. 464. 4872. p. 143. ı »Urodelenschädel« ibid. 1877. p. 545, endlich in » Morphology of the Skull« er und Bertany. 1877. 878. TEE " ech Er ER int, PR, 33 * RIGA Ber; EEE EACH, nl re 1 ar Wr; Ra 496 Philipp Stöhr, erfahren zu haben, denn ich finde die betreffenden Stellen nirgends citirt, obwohl Huxıey im Jahr 1874 und Parker schon 1872 auf diesen wichtigen Umstand aufmerksam gemacht hatten. In einem Punkte differiren jedoch meine Befunde von denen Hux- Ley s und Pırker’s. Beide lehren nämlich übereinstimmend mit den bis- herigen Anschauungen !), dass die Occipitalbogen aus der knorpligen Schädelbasis hervorwachsen,, dass also zuerst knorplige Schädelbasis und dann Oceipitalbogen entstehen. Ich finde nun gerade umgekehrt, dass die Occipitalbogen das Primäre, die Oeccipitalplatten aber das Secundäre sind (vergl. Taf. XXIX, Fig. 15), ein meiner Meinung nach sehr wesentlicher Unterschied, denn dadurch stimmt die Oceipital- anlage vollkommen mit der eines Rumpfwirbels überein. Ein Schädel- theil wird wie ein Rumpfwirbel angelegt und tritt erst später mit den übrigen Schädeltheilen in Verbindung, wobei er zum Theil sein cha- rakteristisches Aussehen einbüsst. Die knorplige Ohrkapsel wird auf folgende Weise angelegt. An der lateralen Fläche der bäutigen Ohrkapsel, etwa in der Mitte der- selben, erscheinen in der bindegewebigen Umgebung derselben die ersten Knorpelzellen. Auf dem Querschnitte stehen sie in einfacher Reihe, 6—8 an der Zahl, hintereinander und umgreifen so die laterale Begrenzung der Labyrinthwand. Weder an der obern, noch an der untern Seite der Ohrkapsel sind weitere Knorpelzellen wahrzunehmen, welche eine Verbindung mit der Balkenplatte herstellen könnten. Die Balkenplatte reicht zu dieser Zeit nicht einmal bis zur Mitte der Ohr- kapsel (vergl. Taf. XXIX, Fig. 12 u. 13). Die knorplige Laby- rinthwand wird somit selbständig angelegt. Dieser Be- fund bestätigt die Mittheilungen von WIEDERSHEIM (l.c. p. 44), GÖTTE2), Huxzey (l. c. p. 198) und Parker). — Es ergiebt sich somit für die jüngsten Anlagen des knorpligen Kopfskelets Folgendes: 4) Vgl. z.B. RATukE, Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsb. 1839. p. 122. 2) l. c. p. 366. GöTTE lässt auch Leyvic (l. c.) bei Selachiern eine getrennte Anlage der Gehörkapseln finden. p. 715. 3) Urodelenschädel l. c. pl. 23, f. 4 u. 2. Es finden sich übrigens bei PARKER Angaben, aus denen mit Sicherheit hervorgeht, dass Parker das Neuroepithel, welches sich leicht mit Carmin färbt, für jungen Knorpel angesehen hat. Es erklärt sich dadurch auch die meinen Befunden widersprechende Angabe, dass die Ohr- kapseln zuerst unten verknorpeln (p. 542, pl. 22, fig. 3au). Auch giebt PArkeEr die Zeit der Verknorplung der Gehörsäcke zu früh an, ja er corrigirt (p. 543) sogar Huxrey, der (On Menobranchus pl. XXXI, ffg. 1) die Ohrkapseln ganz richtig als membranös erkannt hatte. Weitere Angaben PaArker's über die Ohrkapsel zeigen, dass er auch hier noch durch die Farbendiagnose zu irrthümlichen Auffassungen gelangt ist. Auf diese werde ich später zu sprechen kommen. BT 2 a , Dr er Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 497 Die ersten knorplig auftretenden Skelettheile des es sind die Visceralbogen. Sie entstehen paarig nd hängen mit dem noch häutigen Kranium nicht zu- sammen. Auch nach der knorpligen Differenzirung _ sind Quadratum und knorplige Schädelseitenwand noch _ eine Zeitlang getrennt. F Nach den Visceralbogen erscheinen Balken, Bal- kenplatten, Oceipitalia und die Ohbrkapseln. Diese _ stehen ursprünglich weder mit den gleichnamigen _ Gebilden der andern Seite, noch unter sich in Ver- bindung. Die ersten Anlagen des Knorpelkranium _ bestehen somit aus drei paarigen, von einander ge- _ trennten Stücken. Zweiter Abschnitt. Die Entwicklung der Ohrkapsel und ihrer Nachbartheile. Wir verliessen die Ohrkapsel in einem Stadium, in welchem sie zum grössten Theile häutig war und nur auf ihrer lateralen Fläche ein kleines, ovales Knorpelplättehen trug, dessen Längsdurchmesser . parallel zu demjenigen der Ohrkapsel stand. Dieses Plättchen ver- _ grössert sich — zunächst in der Fläche — nach allen Seiten hin und bald ist die häutige Ohrkapsel von einer knorpligen Schale überzogen, die nur an wenigen Stellen Lücken zeigt (Triton cristatus 15 mm). Anfangs finden sich drei soleher Lücken. Die erste, grösste nimmt fast ar Grenze zwischen äusserer Phnd uhr Fläche der nlärktiken Ohr- kapsel gelegen; sie hat die Gestalt eines schrägen Ovals mit hinten usgezogener, nach oben sehender Spitze und ist durch eine Haut vollst ra verschlossen. Das ist die Fenestra ovalis, welche sich also als ein n Rest der primitiven häutigen Ohrkapsel erweist, der niemals verkr Die dritte Lücke ist die kleinste und Liegt vor und mec di anwärts von der Fenestra ovalis; sie ist offen: die Austrittsstelle ss N. facialis. Ehe noch die He knorplige Labyrinthwand in serer Ausdehnung ausgebildet ist, setzt sich die knorplige Ohr- Bine in Verbindung mit dem obern Ende des Oceipitalbogens, 498 Philipp Stöhr, Loch umgewandelt wird. Fast zu derselben Zeit tritt auch eine Ver- bindung zwischen Ohrkapsel und Balkenplatte auf, indem das Gewebe, das zwischen dem lateralen Rande der Balkenplatte und der medialen untern Kante der Ohrkapsel gelegen ist, allmälig verknorpelt. Indem diese letztgenannte Verknorplung nach hinten weiter schreitet, erfolgt eine dritte knorplige Verbindung zwischen der Ohrkapsel und der inzwischen gewachsenen Oceipitalplatte!). Jetzt erst bildet sich die mediale knorplige Labyrinthwand, die — wenn vollendet — drei Oefl- nungen für die Nerven erkennen lässt. Zwei von diesen sind in der untern Hälfte der medialen Wand gelegen, die vordere ist grösser, die hintere kleiner; über der letzteren liegt die dritte kleinste Oefinung, ‘welche nur einen dünnen Nerv in das Labyrinth treten lässt. Etwa zu _ derselben Zeit erfolgt noch eine vierte Verbindung der Ohrkapsel mit der hintern obern Ecke der Balkencrista; dadurch wird die Austritts- stelle des Trigeminus überbrückt und die Ohrkapsel nun vollständig in den Bereich des Primordialkranium gezogen. Jetzt wird auch die Austrittsstelle des Facialis durch eine Knorpelbrücke in ein mediales kleineres und ein laterales grösseres Loch geschieden; durch beide gehen Portionen des Facialis (vergl. Taf. XXIX, Fig. 14). Während diese Vorgänge sich abspielen, verdicken sich die Ohr- kapselwandungen und bilden ins Innere der Ohrkapsel hineinragende Vorsprünge, welche den Verlauf der Bogengänge markiren und später auswachsend sich zu vollständigen knorpligen Begrenzungen der Bogengänge ausbilden. Die medialen obern Kanten der Ohrkapseln wachsen sich entgegen und verschmelzen an einer kleinen Stelle mit- . einander, so dass für eine kurze Strecke ein knorpliges Schädeldach gebildet wird. Diese Stelle ist auf Frontalschnitten zu sehen, welche in der Gegend des vordern Abschnittes der Fenestra ovalis durch den Kopf gelegt sind. Sie wurde bisher Oceipitale superius genannt und erweist sich also, wie WIEDERSHEIM (p. 109) richtig vermuthet hat, als ein Abkömmling der knorpligen Labyrinthblasen. Verlassen wir für einen Augenblick die Ohrkapsel und betrachten wir die an den benachbarten Theilen stattgefundenen Veränderungen. Die Balkenplatten sind verhältnissmässig wenig in die Länge, noch we- niger aber in die Breite gewachsen ; sie haben sich nach hinten mit den Oeeipitalplatten,, die ebenfalls eine nur geringe Breite besitzen, ver- eint, so dass nun die Kopfchorda in ihrer ganzen Länge seitlich von Knorpelmasse bekleidet ist. Es besteht also jetzt der Achsentheil der 4) Man darf sich indessen nicht vorstellen, als wenn die Verbindung der Ohr-- kapsel mit der Balkenplatte und die mit der Oceipitalplatte von einander getrennt seien. de a Pr 2 Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelensehädels. 499 latte, der indessen sehr schmal ist und nur an seinem vordern nd hintern Ende, wo die Balken, beziehungsweise die Oceipitalbogen entspringen, sich verbreitert zeigt. Der Raum zwischen diesem sand- migen Achsentheil und der untern medialen Kante der Öhrkapsel t durch Knorpel ausgefüllt, so dass eine directe knorplige Verbin- dung zwischen Ohrkapsel und dem Achsentheil der Basilarplatte be- steht. Diese verbindende Knorpelmasse, welche also die peripheren ile der Basalplatte darstellt, ist nicht durch Wachsthum des Achsen- s in die Breite, sondern durch knorplige Differenzirung des zwi- schenliegenden Gewebes von den Ohrkapseln aus entstanden. Man - kann sich an Frontalschnitten von Tritonenköpfen, die nicht zu inten- -siv mit Bismarckbraun gefärbt sind, leicht überzeugen, wie weit der Achsentheil der Basalplatte und wie weit das von den Ohrkapseln aus ee Derpeince Gewebe sich an der Zusammensetzung der ganzen Iplatte betheiligen. Taf. XXIX, Fig. 16 zeigt den Achsentheil (B Pl von dem ältern, sich dunkler färbenden Knorpel der Balkenplatte ein- genommen, seitlich davon ist der jüngere, hellere, periphere Knorpel (PK) wahrzunehmen. Mustern wir die Reihe der weiter hinten lie- genden Schnitte, so zeigt sich, dass der Antheil der Balkenplatten (BP!) - ein immer geringerer wird und schliesslich auf ein Minimum redueirt ist; der periphere Knorpel (PA) bildet dann — selbstverständlich mit _ der Chorda — fast allein die ganze Basalplatte (Fig. 17). Gehen wir Dr :h weiter nach hinten, so zeigen sich in immer mehr zunehmender »htigkeit die Oceipitalplatten (O Pl), welche in gleicher Weise, wie die Balkenplatten, hier den kihseitheil der Basalplatte ein- iehmen (Fig. 18). Die Grenzen zwischen axialem und peripherem a sile sind häufig durch spindelförmige Kerne, die dem Perichon- ı des Achsentheils angehörten , deutlich ie, Der Antheil, on die peripheren, neu hinzugekommenen Theile an der Zusam- tzung der Basalplatte nehmen, ist somit kein geringer, an einer stelle sogar ein weit überwiegender. r Von grossem Interesse war mir die Frage, ob sich nicht ein Sta- nn: lasse, in welchem der Achsentheil der Basalplatte vorn sr Balkenplatte, hinten von den Occipitalplatten, in der Mitte aber en peripheren, von den Ohrkapseln aus entstandenen Knorpeln ' werde, mit anderen Worten, ob sich nicht die Zusammen- g der Basalplatte aus drei Theilen nachweisen lasse. Es ist mir Er noch nicht möglich gewesen, mit Sicherheit ein solches Iten zu constatiren. A Quadratum ist in dieser Zeit bedeutend gewachsen und hat ” R > Fir . RE PET u, 2 = > ER > % a a ur rk a Laeen u jr « TE >; Br . f 4 Be Ar a ma vn Fe Dar „ Bematın. entwickelt. Der aufsteigende Fortsatz (ascending 00 Philipp Stöhr, process, postorbitaler Fortsatz) , d. i. der Verbindungstheil zwischen Quadratkörper und Trabecularwand (Alisphenoidtheil derselben) ist sehr fest geworden und hat an Dicke stark zugenommen. Er entspringt von der medialen oberen Ecke des Quadratum. Von der lateralen obern Ecke steigt ein Fortsatz schräg nach hinten und oben, er legt sich an die knorplige Ohrkapsel an und verschmilzt später mit dieser; das ist der Proc. oticus. Endlich lässt sich noch die Anlage eines dritten medialen Fortsatzes erkennen, des Stieles (pedicle, Palatobasalfortsatz), der sich später mit der untern Fläche der Ohrkapsel verbindet (Taf. XXIX, Fig. 14 P). Von einem Proc. pterygopalatinus ist noch keine Spur sichtbar; er wird viel später angelegt. Der Hyoidbogen ist ebenfalls gewachsen und liegt sein dorsales Ende bei Triton crist. (17 mm) gerade unter der Austrittsstelle des Nerv. facialis, etwa 0,4 mm unter der knorpligen Ohrkapsel. Bei Siredon piscif. (20 mm) reicht das dorsale Ende des Hyoidbogens etwas weiter nach hinten und endet gerade unter der Fenestra ovalis, 0,42 mm unterhalb derselben. Der nächste wichtige Vorgang ist die Entstehung des Operculum. Bei der Kleinheit der fraglichen Objecte — der Längsdurchmesser der Fenestra ovalis beträgt um jene Zeit kaum 0,5 mm — ist es unmög- lich, durch Präparation unter der Loupe zu einem sicheren Resultate zu gelangen; dagegen liefert die Zerlegung in Frontalsehnitte nicht zu missdeutende Bilder. Ich habe Taf. XXIX in den Figg. 8, 9 u. 10 drei aufeinander folgende Durchschnitte des Schädels einer 24 mm langen Larve von Triton cristatus abgebildet, an denen man die erste Anlage des Operculum leicht studiren kann. Man erblickt auf Fig. 8 die vollständig vom Knorpel umgebene Schädelhöhle SH und die eben- falls durchaus knorpelige linke Ohrkapsel, welche die Labyrinthhöhle umgiebt (LH). Die Stelle, wo das Operculum wurzelt, ist schon an diesem Schnitte kenntlich, begrenzt durch zwei Kerben, welche Durch- schnitte von Rinnen sind, in denen die V. jugularis (in der lateralen Rinne) und die A. carotis (in der medialen Rinne) verlaufen. Oben ‚aussen liegt auf der Ohrkapsel das Os squamos. (Tympanicum) ; die Chorda ist in einer Rinne des dünnen Os parasphenoid. gelegen. Von Visceralbogen sind die Durchschnitte des ersten, zweiten und dritten Kiemenbogens zu sehen; der Zungenbeinbogen fällt nicht mehr in diesen Schnitt, sein dorsales Ende liegt vier Schnitte (—1/, mm) vor dem hier abgebildeten. Der nächste Schnitt, Fig. 9, zeigt im Grossen und Ganzen dieselben Verhältnisse, nur sind die Kerben noch tiefer ge- worden; an der lateralen Kerbe ist der Knorpel vollständig ver- schwunden, es ist eine Membran an der Stelle: das vorderste Ende der TR, en En; Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 501 Fene stra ovalis; der dritte Kiemenbogen schickt sich zur Abgabe des R® erten Kiemenbogens an. Im dritten Sehnitt endlich sieht man die häutige Fenestra ovalis und auf ihr einen planconvexen Knorpelquer- sehnitt: die Anlage des Operculum (0). Gelingt es schon mit leichter _ Mühe, aus den Querschnitten die Entstehung des Operculum zu _ errathen, so giebt die Betrachtung eines nach einer ganzen Schnitt- serie angefertigten Wachsmodells (Taf. XXIX, Fig. 14) volle Sicherheit. Vom vordern Rande des knorpligen Fensterrahmens entspringt ein kur- zer nach hinten gericehteter Fortsatz (O), der auf der häutigen Fenestra ovalis aufliegt. Zu beiden Seiten des Fortsatzes liegen grosse Blut- gefässe (die Rinnen sind auf der Figur sichtbar), die bei der Ver- grösserung desselben in so fern eine Rolle spielen mögen, als sie durch - Druck die knorpligen Rinnen, welchen sie anliegen, immer mehr vertiefen und schliesslich den Boden der Rinnen zum völligen Schwund bringen. - Die Vergrösserung des Fortsatzes erfolgt aber gewiss auch durch eignes _ Waehsthum. Bei Triton eristatus sowohl, wie bei Tr. taeniatus bleibt - der Fortsatz nicht lange mit dem knorpligen Fensterrahmen in knorp- liger Verbindung; ehe er noch eine besondere Grösse erreicht, schnürt er sich von seinem Mutterboden ab und stellt nun ein freies, auf der Fenestra ovalis aufliegendes Knorpelplättchen dar, das Operculum. Bei Siredon pisciformis bleibt die knorplige enden viel länger bestehen und erreicht der Fortsatz erst eine ansehnliche Grösse, ehe _ ersich abschnürt. Hier gelingt es auch, durch Präparation unter der i _ Loupe das durch Schnittserien und Modelle gewonnene Resultat zu _ bestätigen. = Das Operculum ist demnach ein Theil der knorp- ligen Ohrkapsel, hervorgewachsen vom vordern Um- fang des ovalen Fensters. Mit dem Hyoidbogen steht .e 5 genetisch in keiner Beziehung. Au Bei der Vergleichung der in den vorangehenden Seiten über _ Ohrkapsel und Operculum niedergelegten Befunde mit den Angaben - andrer Autoren zeigen sich eine ganze Anzahl von Differenzpunkten, welche nun hier näher besprochen werden sollen. Was zunächst die Bildung der Fenestra ovalis betrifft, so steht meine Angabe, dass das _ ovale Fenster ein unverknorpelter Theil der primitiven häutigen Ohr- _ kapsel sei, allen bisherigen Angaben entgegen, welche übereinstim-. d lehren, dass ein Stadium existire, in welchem der ganze Boden | Ohrkapsel knorplig sei, ein Stadiun; in welchem es keine Fenestra hin vali s gebe; dasselbe entstehe erst später entweder durch Dehiscenz Pan K Bi ; Urodelenschädel p- 546) oder unter gleichzeitiger Entwick- 502 | Philipp Stöhr, Ich habe schon zu wiederholten Malen auf die Unzulänglichkeit -— der früher gebräuchlichen Untersuchungsmethoden und die denselben entspringenden Fehler hingewiesen, so dass ich gewiss ohne weitere Berücksichtigung die älteren Angaben, welche auf solchen Methoden fussen, übergehen kann. Nur gegen PArkEr möchte ich hier bemerken, dass ich eine ganze Reihe von Schnittserien durch Köpfe von Axolotin besitze, welche seinem dritten Stadium entsprechen und dass ich weder bei diesen, noch bei nächst kleinern oder nächst grössern Thieren jemals einen vollständig knorpligen Ohrkapselboden gesehen habe. Stets war eine durch eine Membran geschlossene Fenestra ovalis vor- handen. Die Angabe ist demnach unrichtig; Parker hat sich verleiten lassen, die die Fenestra ovalis schliessende Membran, welche beiSiredon sehr dick ist und die Vena jugularis förmlich in sich einschliesst, für Knorpel zu halten. Die membranöse Lücke im Ohrkapseldach, welche Parker abbildet (Taf. XXI, Fig. 1), existirt in dieser Form auch nicht bei Siredon; solche Bilder sind dadurch zu Stande gekommen, dass Parker das gefärbte Neuroepithel der Ohrblase für Knorpel angesehen hat. Der Fund, den ich in einem Falle bei Triton machte — es fand sich ein kleines durch Bindegewebe verschlossenes Loch im Ohrkapsel- dach /s. Zool. Anzeiger II. Jahrg. No. 24) — ist demnach ohne weitere Bedeutung. Ausser den durch Präparation unter der Loupe erlangten Befunden giebt es nur noch eine Angabe über die Entwicklung der Ohrkapsel und der Fenestra ovalis: die schon oben citirte Arbeit von SEMMER, welcher durch Zerlegung von Tritonenschädeln in eine fortlaufende Reihe von Frontalschnitten zu Resultaten gelangt war, welche mit meinen Ergebnissen in keinen Einklang zu bringen waren. Ich werde die Arbeit Srmmer’s weiter unten bei der Besprechung der ‚Literatur über die Entwicklung des Operculum eingehend berück- sichtigen. Die Lehre, dass das Operculum ein Theil der Labyrinthwand sei, ist durchaus keine neue. So findet sich schon bei Reıcaerr (l. c. p. 126) eine sehr bestimmte Angabe, dass das Foramen ovale durch eine knorp- lige Haut verschlossen sei, welche ihre Entstehung dem Ohrlabyrinth- knorpel verdanke. Wie diese Entstehung vor sich gehe, ist für Triton nicht näher angegeben. Bei Bufo igneus hat sich am äussern Rande des Ohrlabyrinthes »ein elliptisch geformtes Knorpelblättchen von der umliegenden Masse gelöst und steht mit derselben an seiner Peripherie nur häutig im Zusammenhange. Nach seiner Hinwegnahme wird uns durch das ovale Fenster der Eingang zum Labyrinthe des Gehörorgans frei gemacht. Dieses Knorpelstückchen stellt das Gehörknöchelchen TEN 2 2. Zur Entwieklungsgeschichte des Urodelenschädels. 503 3ufo igneus dar« (p. 45). Ausdrücklich wird hervorgehoben, dass tz der darauf gerichteten Bemühungen ein Zusammenhang mit dem veiten Visceralbogen nicht zu bemerken war. Ebensowenig ist es auch Wıepersueim gelungen, bei Triton alpestr. und Amblystoma in irgend einem Entwicklungsstadium Beziehungen zwischen dem obern Ende des Hyoidbogens und der Labyrinthwand nachzuweisen, welche auf eine Abschnürung des Opereulum vom dorsalen Ende des Hyoid- bogens hindeuten könnten. Nach Wirpersneim geht die Entwicklung des Opereulum so vor sich: »Kurz nach Verschmelzung der Parachor- dalelemente mit den Gehörblasen sieht man am äussern Rand ihrer "Unterfläche eine ringförmige Zone auftreten , welche bei genauerem ıdium sich als eine eireuläre Verdünnung der Knorpelwand heraus- ‚stellt. Letztere schreitet immer weiter fort und schliesslich hat sich eine rundlich ovale Knorpelscheibe aus der Labyrinthwand heraus- ınürt, ein deutlicher Beweis, dass das Operculum der Urodelen _ ontogenetisch nicht vom Kiemenapparat, sondern von der Gehörkapsel selbst herzuleiten ist«. - — Wie aus den Darstellungen Reıcuerr's sowohl wie WIEDERSHEIN'S ersichtlich ist, haben beide die eigentliche Entstehung des Opereulum nicht gesehen, sondern das Operculum erst in spätern Stadien zu sicht bekommen. Die Spalte zwischen dem Rand des Operculum und dem Umfang des ovalen Fensters ist ihnen bei der Kleinheit des Ob- jects entgangen. Während nun Wıepersneim ontogenetisch das Oper- fi (—= Columella nach W. p. 134) nicht als ein Theilstück des Iyoidbogens betrachtet, sieht er sich durch phylogenetische Erwä- gen gezwungen, dasselbe doch mit dem Hyoidbogen in Zusammen- | ” zu bringen. Als Analogon ist das Verhalten des Quadratum ange- ‚ welches in der Ontogenese auch nicht mehr als ein Theilstück es ersten) Moaralbogene erscheine (p. 165). Each dem oben Erwähnten /p. 491) ist dieser Vergleich nicht mehr | E Das Quadratum entwickelt sich wie ein Visceralbogen und fällt ine Stütze für die Auffassung des Operculum als Theilstück eines eralbogens. Eine andere Frage ist die, ob nicht die Columella!) ein ilstück des zweiten Visceralbogens ist, das sich später mit dem . m in Verbindung setzt. - Auch Sennmer findet, dass das Operculum sich aus der knorpligen | y ıthwand herausschnürt. Die laterale knorplige Wand des est = alu beginnt dort, wo der laterale Fortsatz (d. i. der Proc. otic.) Quadratum an sie herantritt, sich deutlich zu verdicken. »Aus Beer weiter sich een Theil bildet sich das Oper- TER e die Platte Operculum, den Stiel Columella. ie . a & 2 ae) > ee a Sir 2 504 Philipp Stöhr, ? eulum in sehr einfacher Weise dadurch , dass die das Prooticum in späteren Entwicklungsstadien betreffende Verknöcherung in einiger Entfernung von der Achse dieser Verdickung Halt macht« (p. 26. Taf. I, Fig. 10, 41, 42 und 13). Semmer befindet sich somit in einem auffallenden Widerspruch mit dem, was ich bei Triton gefunden. Denn nach Semmer giebt es keine Fenestra ovalis, die zu irgend einer Zeit nur durch eine bindegewebige Membran verschlossen ist und das Operculum entsteht nicht durch Hervorwachsen aus dem knorpligen Fensterrahmen, sondern es ist nichts anderes, als ein nicht verknö- chernder Theil der knorpligen Ohrkapsel. Bei genauerer Unter- suchung zeigt sich nun, dass Semmer das Operculum überhaupt gar nicht, weder bei Larven, noch bei ausgewachsenen Thieren gesehen hat. Was Semmer hier beschreibt, besteht wirklich und ich selbst habe an Durchschnitten durch Köpfe erwachsener Tritonen jene Stelle (siehe Taf. XXX, Fig. 22K) stets gefunden. Es ist wirklich ein Theil der knorpligen Ohrkapsel, der nicht verknöchert, allein derselbe hat mit dem Operculum gar nichts zu thun. Das wirkliche Operculum . scheint SEMMER deswegen nicht gesehen zu haben, weil er nur ver- mittelst Schnittserien untersuchte und wahrscheinlich sich begnügte, wenn er an dem vermeintlichen Operculum angelangt war. Die ganze Ohrkapsel scheint er nie in Schnitte zerlegt zu haben, sonst hätte ihm das Operculum bei etwas grösseren Larven nicht entgehen können. Dass er bei kleinen Larven die Fenestra ovalis übersehen, lässt sich wohl begreifen, wenn man weiss, dass dieselbe bei Triton taeniatus nur . einenLängsdurchmesser von kaum 1/, mm besitzt. Es ist da sehr leicht möglich, dass bei diekeren Schnitten dieselbe kaum in die Augen fällt. Die diesbezüglichen Angaben Semmer’s beruhen demnach auf vollstän- dig irrthümlichen Auffassungen und sind für die Entwicklungs- | geschichte des Operculum der Urodelen nicht zu verwerthen. In vollkommenem Einklang dagegen befinde ich mich mit PArkER, der die Entwicklung des Operculum bei Siredon pisciformis näher ver- | folgt, und wie ich gefunden hat, dass dasselbe aus dem knorpligen | Fensterrahmen hervorwachse (Urodelenschädel p. 554). Auf die Unter- schiede, welche in dieser Hinsicht bei Siredon und Triton bestehen, ' habe ich schon oben aufmerksam gemacht, ich muss jedoch hier bei- | fügen, dass in einzelnen Fällen auch bei Triton das Operculum längere Zeit mit dem Fensterrahmen in knorpliger Verbindung zu bleiben scheint. So besitze ich z. B. eine Schnittserie des Kopfes einer 33 mm | langen Larve von Triton cristatus, auf welcher das Operculum nicht ' nur vorn, sondern sogar auch median mit dem Fensterrahmen knorplig | zusammenhängt. Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 505 n GEGENBAuR’s zweiter Auflage des Grundrisses der vergleichenden tomie (1878) ist das Operculum noch als Theil des Visceralskeletes zeichnet (p. 562). » Mit dem Hervortreiben des Operculum hat der hintere Abschnitt des knorpligen Primordialkranium nahezu seinen Höhepunkt erreicht, indem von nun an keine neuen Knorpeltheile mehr angelegt kröckteh _ Die gesammten Knorpel wachsen noch eine Zeit lang in die Länge und Dicke, gleichzeitig heben aber an verschiedenen Punkten Vorgänge an, welche erst mit der Zerstörung des grössten Theiles des Knorpel- kranium ihren Abschluss finden ; Knochen tritt an dessen Stelle. Grössere Veränderungen dagegen erfahren einzelne Theile des Visceralskeletes; so wächst das Quadratum noch bedeutend aus, Ohr- fortsatz und Stiel nehmen an Dicke zu, während der aufsteigende Fort- satz zu wachsen aufhört. So kommt es, dass letzterer, welcher früher 3 ‘ohne Grenze in den Körper des Quadratum überging, welcher der stärkste Fortsatz des Quadratum war, hinter seinen Genossen zurück- hc und eine verhältnissmässig dünne Knorpelbrücke zwischen Quadratum und dem Alisphenoidtheil des Trabekels darstellt. Jetzt endlich entsteht auch der knorplige Processus pterygopalatinus. Wie las Quadratum, so wächst auch noch der Zungenbeinbogen; sein dor- sales Ende nähert sich immer mehr der Ohrkapsel und wird endlich _ mittels Bandmassen an dieselbe angeheftet; diese Stellung ist indessen dorsale Ende des Zungenbeinhorns weit hinter der Ohrkapsel gelegen ‚ Ebenso endlich gehen mit dem Verlust der äusseren Kiemen Form- _ einher, welche indessen nur so weit Berücksichtigung erfahren wer- den, als es im Interesse dieser Arbeit liegt. _ Untersucht man den Kopf eines Triton, der eben im Begriffe ist Si h umzuwandeln we cristatus 40 mm), so erkennt man, dass die a ovalis frei lässt; die innere Oberfläche AURzEh En zeigt den lee nicht in sn zendir Lage, es finden sich viel- ı En Stellen Lücken, in denen der Kae frei zu Tage SB Philipp Stöhr, zellenreichen Gewebsschicht, dem Periost überzogen und mit einer Reihe von Osteoblasten besetzt. Nach Innen grenzt die Knochenrinde an den Knorpel, welchem sie direct aufliegt. Eine indiffe- rente Gewebsschicht ist zwischen dieser Knochenrinde und der Knorpelsubstanz nirgends vorhanden. Gerade darin besteht ein be- deutender Unterschied zwischen perichondralem und Deckknochen, dass ersterer seiner knorpligen Unterlage dicht aufliegt, während letzterer allseitig von indifferenten, dem Bindegewebe ähnlichen Gewebs- ‚schichten umgeben ist. Das ist auch der Grund, warum sich der peri- chondrale Knochen an macerirten Schädeln nicht von seiner Unterlage abheben lässt. Es besteht also auch von diesem Gesichtspunkte aus keine Identität zwischen perichondralem ünd Deckknochen; ein wei- teres Moment, welches den Einwänden GEGENBAUR’S!) gegen die Ver- schiedenheit des »primären und secundären« Knochens entgegen ist. Die Kopfknochen lassen sich entweder von einem Haut- oder Schleim- hautskelet ableiten (Hrrrwıe), dann heissen sie Deckknochen, oder sie entstehen auf einer knorpligen Unterlage, und für diese hat KöLLIkER 4) GEGENBAUR, Ueber primäre und secundäre Knochenbildung mit besonderer Beziehung auf die Lehre vom Primordialkranium. Jenaische Zeitschrift. Bd. II. 1867. p. 54. GEGENBAUR Suchte darin die principielle Verschiedenheit zwischen primären und secundären (primordialen und Deck-Knochen) Knochen zu ver- wischen und stand dadurch im Widerspruch mit KörLLıkEer (Allgemeine Betrach- tungen über die Entstehung des knöchernen Schädels der Wirbelthiere. Berichte von der königl. zool. Anstalt zu Würzburg. 1849), der im Anschluss an eine Anzahl älterer Forscher sich für eine scharfe Trennung von primordialen und Deck- Knochen ausgesprochen hatte. — Uebereinstimmend mit GEGENBAUR verhielten sich Vrorık (Studien über die Verknöcherung und die Knochen des Schädels der Teleo- stei. Niederländisches Archiv für Zoologie. Bd. I. 41874—-4873. Siehe auch Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Amphibien. p. 20) und W1IEDERSHEIM (Kopfskelet der Urodelen. p. 438 u. 477), während Huxıey (The elements of com- parative anatomy. p. 296) eine unentschiedene Stellung einnahm. Dagegen hat 0. Hertwig (Ueber das Zahnsystem der Amphibien und seine Bedeutung für die Genese des Skelets der Mundhöhle. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. XI. Supple- mentheft. 1874) sich zu Gunsten KöLLıker's entschieden. Es giebt keinen Ueber- gang zwischen primären und secundären Knochen. »Während die Deckknochen aus einer Verschmelzung von Schuppen und Zähnen abgeleitet werden können, ist dies für die primären Knochen nicht möglich. Dieselben sind vielmehr von vorn- herein ossificirte Abschnitte des Primordialkranium und stellen sich hinsichtlich ihrer Genese auf gleiche Stufe mit den Verknöcherungen der Wirbelsäule, indem sie wie jene im Anschluss an eine knorplige Grundlage entstehen.« GEGENBAUR hält indessen an seiner Ansicht, welcher er durch vergleichende Betrachtungen neue Stützen verleiht, fest. (Ueber das Kopfskelet von Alepocephal. rostr. Morpholog. Jahrb. Bd. IV. Suppl.) — Vergl. ferner KöLLıker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. 1879. p. 463 u. folg. a er ur tapglilis des Urodelenschädels, 507 & - — ' | Na en primordiale Knochen gewählt. Die Entstehung des primor- lia Knochens ist eine zweifache; entweder entsteht der Knochen im A gric hondrium, perichondraler'!) Knochen, der dem Knorpel dicht auf- ii zt, oder der Knochen bildet sich als Auskleidung von Höhlungen, welche durch Zerstörung und Auflösung von Knorpelsubstanz entstanden sind imordialer Markraum). Solcher Knochen heisst dann enchondraler. Unterschied zwischen perichondralem und enchondralem Knochen übrigens in so fern ein geringer, als ja der Anstoss zur Bildung des "imordialen Markraums ebenfalls vom Perichondrium ausgeht. Ueber- ‚gänge von der perichondralen zur enchondralen Verknöcherung lassen sich bei den Urodelen nachweisen. Als ein dritter Modus der Ver- knöcherung käme endlich die von Gesexsaur ? beschriebene directe Umwandlung von Knorpel in Knochen hinzu. Das Knorpelgewebe geht hier unmittelbar in Knochengewebe über. Dieser letzte Modus hat _ übrigens nur eine beschränkte Verbreitung. Die Dicke der äussern Knochenrinde ist nicht allerorts die gleiche; dünn ist sie in der nächsten Umgebung der Fenestra ovalis, dicker Dach und am Boden der hinteren Ohrkapselhälfte, verhältnissmässig sehr dick in der Umgebung der Nerven und Gefässe. Der Nervus facialis, der früher innen auf dem Boden der Ohrkapsel aufliegend 7 ieselbe frei passirte, ist jetzt von einem knöchernen Rohr umschlos- 7 n, also von dem übrigen Hohlraum der Ohrkapsel getrennt; auch der kurze Canal für den Ramus palatinus des N. facialis besitzt jetzt knö- rne Wandungen (Taf. XXX, Fig. 19 Arp. Es ist oben erwähnt worden, dass die innere Knochenrinde nicht zusammenhängend ist, sondern an vielen Stellen aussetzt und dass - der Knorpel sichtbar ist. Der Knorpel zeigt hier nun ein eigen- liches Verhalten; er ist wie angefressen , zeigt buchtige Höhlun- Zurt. 4) Ich kann die Namen »perichondrostotische und enchondrostotische Ver- inöcherung« schon aus dem Grunde nicht acceptiren , weil dieselben von den ein- Autoren in ganz verschiedenem Sinne gebraucht werden. So bezeichnet Ben Knochen als enchondrostotisch da, wo der Knochen den Knorpel über- erichondrostotisch dagegen wird der Knochen da genannt, wo er nur als Ile dem Knorpel aufliegt. Es drücken demnach, wie der Autor selbst up: 237), diese beiden Worte nur das Massenverhältniss zwischen Knorpel y drin. Herrwıs dagegen nennt Deckknochen perichondrostotische, die Br len Knochen enchondrostotische. Es sind demnach die Namen »perichon- und »perichondrostotisch« durchaus nicht gleichbedeutend. WIEDERSHEIM end- | er sich zwar VroLık, doch scheint eine völlige Uebereinstimmung nicht zu ‚ denn er nennt den peri- oder ektochondrostotischen Verknöcherungs- vissermassen eine Weiterbildung der einfachen Deckknochenentwicklung. en, Ueber die Bildung des Knochengewebes. Zweite Mittheilung. äsen ae Fer 2 Er re q EN 508 Philipp Stöhr, gen, welche durch einen grossen Reichthum an zelligen Elementen ausgezeichnet sind. Die Ausbuchtungen sind immer an der freien Innenfläche des Knorpels gelegen. | Merkwürdiger Weise ist die Reaction des diesen Resorptions- stellen zunächst gelegenen Knorpelgewebes eine ausserordentlich geringe, ja an vielen Stellen ist es ganz unmöglich, irgend eine Ver- änderung daselbst wahrzunehmen. Da ist weder eine Verkalkung der Grundsubstanz, noch eine Andeutung einer lebhafteren Zelltheilung vorhanden. Es scheinen dem Zerfall des Knorpels wenig tiefgrei- fende Veränderungen vorauszugehen. An andern Stellen trifft man auf kleine Verkalkungen, dieselben finden sich jedoch stets in der Nähe schon gebildeten Knochens und hängen vielleicht immer mit solehem zusammen. Manchmal ziehen entfernt von Resorptionsstellen verkalkte Streifen von der Knochenrinde in den Knorpel hinein und erscheinen dann einzelne Knorpelzellen von einer verkalkten Zone rings umgeben. Solche Resorptionsstellen von dem eben beschriebenen Aussehen sind mehrere an der innern Oberfläche der Ohrkapsel gelegen. Zwei grosse finde ich an der lateralen und dorsalen Labyrinthwand (Taf. XXX, Fig. 19 r u. r’), zwei nur wenig kleinere, vorne am Boden und an der medialen Wand (r’”’), und eine fünfte am Boden des hintern Drittels der Ohrkapsel. An einigen Stellen ist der Knorpel schon völlig aufgelöst und wird hier die Wandung des Labyrinths nur durch den an der Oberfläche perichondral entstandenen Knochen dargestellt (vergl. r). An der äussern Ohrkapselfläche finden sich keine Resorptionslücken. Der eben beschriebene Verknöcherungsprocess ist also ein peri- ehondraler. Von der Oberfläche her wird Knochen aufgelagert, der | allmälig sich.verdickend an Stelle des Knorpels tritt. Der Knorpel | wird, ohne vorher wesentliche Veränderungen zu erleiden, aufgelöst. | (Die Ursache der geringen Reaction liegt vielleicht in der unbedeuten- | den Dicke der knorpligen Ohrkapsel.) Der Unterschied zwischen diesem | Vorgang und der enchondralen Verknöcherung ist nur ein sehr geringer. Es braucht nur in den angefressenen Ausbuchtungen des Knorpels zur | Ablagerung von Knochensubstanz zu kommen und die Hauptbedingungen | der enchondralen Verknöcherung sind erfüllt. Und dieser Vorgang findet | wirklich statt und zwar da, wo die medialen Fortsetzungen der Ohr- _ kapsel zur Bildung eines kurzen knorpligen Schädeldachs (knorpliges | Oceipitale sup. der Autoren) zusammenstossen (Taf. XXX, Fig. 20 | und 21 08). Auch dieses fällt der Verknöcherung anheim, jedoch | nicht so frühzeitig, wie andere Knorpeltheile des Kranium, sondern erst später, bei etwa ein Jahr alten Thieren.. Das knorplige Schädel- 4 Zur Entwieklungsgeschichte des Urodelenschädels. 509 sitzt jetzt eine relativ bedeutende Dicke, so dass ein an dasselbe | en herantretendes Gefäss eindringen kann, ohne an dieser : Da die gesammte Knorpelsubstanz zum Schwinden zu bringen, es - bleiben vielmehr zu beiden Seiten des Blutgefässes zunächst Knorpel- reste bestehen. So ist ein langgestreckter Markraum gebildet, in dessen Achse ein grosses Gefäss, umgeben von einer dichten Menge indifferenter Zellen, gelegen ist. Die Wandungen des Mark- | raumes sind an einzelnen Stellen au'sgekleidet mit jun- _ gem Knochen. Um das Bild der enchondralen Verknöcherung voll- ständig zu machen, zeigt auch der Knorpel die charakteristischen Ver- änderungen. Die Grundsubstanz ist verkalkt, die Zellen vergrössert und etwas weiter weg vom Markraum in lebhafter Theilung begriffen. - Die knorplige Stelle im Schädeldach fällt jedoch nicht vollständig der _ Verknöcherung anheim!); ich finde nämlich bei einem erwachsenen E Triton eristatus einen medianen Knorpelstreifen, der histologisch in - drei Theile gesondert ist; die beiden Seitentheile zeigen das enchon- drale Verknöcherungsbild, der mittlere Theil ist deutlich von den Seitentheilen geschieden und besteht aus dicht an einander gelagerten - Zellen mit spärlicher Zwischensubstanz. a | Mit zunehmendem Alter verknöchert die Ohrkapsel immer mehr, _ während der Knorpel resorbirt wird, und stellt endlich beim erwach- _ senen Thier eine vorwiegend knöcherne Blase dar, die abgesehen von ‚ganz unbedeutenden Knorpelresten an den Bogengängen nur noch 2 Knorpel besitzt am Umfang des ovalen Fensters und an den Stellen, wc 0 die Fortsätze des Quadratum der Ohrkapsel anliegen. Diese tete tere a werden später noch genauere Berücksichtigung finden. Das Oper- 2 lum bleibt knorplig. Br a 3 ‚Bei der Beschreibung der Vorgänge am Quadratum gehe ich von DR er Larvenstadium aus, in welchem der Ohrfortsatz des Quadratum Sich »h mit der Ohrkapsel in Verbindung gesetzt hat. Die Verbindungs- stelle > ist ganz vorn an der seitlichen Labyrinthwand vor und über der estra ovalis gelegen. Anfangs liegt der Ohrfortsatz nur der Ohr- :] an, allmälig aber wird die Verbindung eine innigere, es tritt - vollkommene Verschmelzung beider Theile ein. Dieser Zustand et sich schon bei 25 mm langen Larven von Triton cristatus und ich denselben selbst noch bei den grössten Larven, die ich besitze (7 mm), immer wiedergefunden. Allein derselbe persistirt nicht; allmälig bildet sich eine Spalte zwischen Ohrfortsatz und Ohrkapsel, te n sch. ee XXXII. Ba. 33 510 Philipp Stöhr, welche mit einer vollkommenen Trennung beider Gebilde endet. Der Grund der Trennung ist vielleicht in der eintretenden Stellungsver- änderung des Quadratum zu suchen. Das Quadratum ist nämlich an- fangs schräg nach vorn gerichtet (bleibend bei Perennibranchiaten), während es später eine mehr quere Stellung zum Kranium einnimmt (vergl. PARKER, WieDeErsnem und O. Herrwig 1. c. p. 10). Die Stelle der Ohrkapsel, an welcher der Ohrfortsatz des Quadratum anliegt, ver- knöchert nicht (Taf. XXX, Fig. 22 X), die Zellen der oberflächlichsten Schichten werden zwar spindelförmig, die Grundsubstanz verkalkt theilweise, ebenso finden sich einzelne Verkalkungen an der innern, gegen die Kapselhöhle gelegenen Seite, im Grossen und Ganzen aber bleibt die Stelle knorplig und ist sie es, welche Semmer irrthümlicher Weise für das Operculum angesehen und deren Entwicklung er beob- _ achtet und beschrieben hatte !). Ganz ähnliche Verhältnisse bestehen für den zweiten Fortsatz des Quadratum, der mit dem Boden der Labyrinthwand in Verbindung tritt, den »Stiel«. Die Verbindungsstelle ist ebenfalls nahe dem vor- dern Ende der Ohrkapsel gelegen und verknöchert daselbst die Laby- rinthwand gleichfalls nicht. Eine vollkommene Verschmelzung zwischen Stiel und Ohrkapsel tritt erst sehr spät ein (nicht vor demersten Jahr) und persistirt dann; eine histologische Grenze zwischen beiden Theilen ist übrigens immer wahrzunehmen (cf. Taf. XXX, Fig. 22 St). Während beim Ohrfortsatz also früher vollkommene Verschmelzung mit der Ohr- kapsel bestand und später eine Art Gelenk sich bildete, ist umgekehrt die ' Verbindung zwischen Stiel und Ohrkapsel anfangs eine unvollständige und wird erst später eine continuirliche. Plethodon scheint in dieser Beziehung gegen Triton larvale Zustände darzubieten : continuirliche Verbindung des Ohrfortsatzes, Gelenkverbindung des Stieles (vergl. WIEDERSHEIM Taf. VII, Fig. 116). | Der aufsteigende (postorbitale) Fortsatz nimmt mit zunehmendem Alter des Thieres immer mehr ab. Anfangs ist die Abnahme nur eine 4) Eine Abbildung derselben Stelle findet sich auch bei WIEDERSHEIM Taf. VIII, Fig. 125 GK (Triton viridescens). Daselbst ist auch ein continuirlicher Zusammen- hang zwischen Tympanicum (einem Deckknochen) und dem Petrosum (einem pri- mordialen Knochen) dargestellt. Bei Triton taeniatus sowohl, wie bei Tr. cristatus, ist das Tympanicum (Squamosum) an das Petrosum durch derbes Bindegewebe ge- heftet, welches sich gleich dem Knochen mit Carmin lebhaft färbt; es ist dann selbst bei stärkern Vergrösserungen nicht leicht, den Unterschied zwischen Kno- chen und Bindegewebe deutlich wahrzunehmen, manchmal ist die Grenze zwischen Beiden völlig unbestimmbar. Vergl. z. B. Taf. XXX, Fig. 22 den Knochen über K. Vielleicht ist dieses Verhalten geeignet, das Einwachsen eines »secundären« Kno- chens in den Knorpel (GEGENBAUR, Alepocephalus p. 38) zu erklären. | 9 . ui - Zur Entwieklungsgeschiehte des Urodelenschädels. 511 _ relative, nur ein Stehenbleiben im Wachsthum, während die andern 5 = sätze weiter wachsen; später verknöchert derselbe und ist am erwachsenen Thiere von einem knorpligen Processus ascend. nichts En mehr wahrzunehmen. Der Proc. pterygopalatinus ist ein flacher Knorpel, der nach vorn und aussen ziehend sich allmälig zuspitzt. Er ist so gedreht, dass er -_ mit der äussern Fläche nach oben, mit der innern nach unten gewen- _ det ist. Seine Entstehung fällt in eine sehr späte Zeit, indem ich ihn zum ersten Male deutlich bei einem etwa 40 mm langen Triton cristatus, der eben in der Umwandlung begriffen war, gesehen habe. Dagegen habe ich ihn bei einer 60 mm langen Larve desselben Thieres nicht auf- finden können; nur an einer Stelle habe ich an der lateralen Fläche des Ös pteryg. eine Gruppe von Zellen gesehen, die mit Knorpel- zellen einige Aehnlichkeit hatten; die Stelle lag weit vor dem Körper des Quadratum und stand nicht durch ähnliche Zellen mit dem Qua- ‘ dratum in Verbindung; es schien hier also geradezu der Proc. palatin. ‚selbstständig angelegt zu werden. Zur Stütze dieser Möglichkeit fehlen _ mir jedoch weitere Belege. Das Os pterygoid. ist lange vor dem Proc. - palat. entstanden (Tr. erist. 33 mm). Die feineren Vorgänge bei der Verknöcherung des Quadratum betreffend, habe ich keine eingehendere Untersuchungen angestellt; _ ich füge also hier nur bei, was ich an den mit Chromsäure oder KLEINEN- BERG’scher Pikrinsäure behandelten Präparaten a habe. Nachdem A zuerst perichondraler Knochen entstanden ist, erfolgt am lateralen ande des Quadratknorpels nicht weit vom Unterkiefergelenk die B ildung eines primordialen Markraumes; die Knorpelzellen sind in x < er Umgebung desselben vergrössert, die Grundsubstanz verkalkt. So finde ich es bei einer grossen, 60 mm langen Larve von Triton cristatus. igegen habe ich an den umgewandelten, aber kleineren (40 mm und 0m Kammmolchen den GnsaraNEnorpe noch unversehrt gefunden; n einer Stelle aber — an der Grenze zwischen mittlerem und oberem fittel des Quadratkörpers hatten sich die Zellen sehr stark vermehrt; Form hatte sich dabei geändert, aus den rundlichen oder rundlich II n Knorpelzellen waren mehr längliche Gebilde geworden; alle hatten Es horizontale Richtung. Die Grundsubstanz war sehr spär- / worden und schien von feinen, wellig verlaufenden, glänzenden irehzogen. In wie weit ER Erscheinung als Vorläuferin " Verknöcherung zu betrachten ist, vermag ich nicht zu entschei- späterhin erfährt fast das ganze obere Drittel des Quadrat- En derartige Umwandlung; ich möchte diesen Vorgang eher ıl ing zu einer Umwandlung des Knorpels in Bindegewebe 7 33* et. mr betrachten. Bei einem einjährigen Triton cristatus war der grösste Theil des Knorpels aufgelöst; der Körper des Quadratum war fast ganz knöchern und enthielt grosse, mit Fett, Gefässen und rundlichen Zellen erfüllte Hohlräume; nur gegen das Unterkiefergelenk und in den Fortsätzen war noch Knorpel vorhanden. Auffallend war mir, dass ich nirgends eine selbstständige Bildung von Knochensubstanz im Innern des Mark- raumes beobachten konnte; stets hingen die Knochenbälkchen mit dem perichondral entstandenen Knochen zusammen. Ob dieses Verhalten ein für die Urodelen charakteristisches ist, bleibt weiteren Unter- suchungen vorbehalten. Von den Fortsätzen des Quadratum verknöchert der postorbitale in derselben Weise, wie der Quadratkörper; die andern dagegen erfahren eine eigenthümliche Umwandlung; die Knorpelzellen vermehren sich daselbst derart, dass die Grundsubstanz ganz verdrängt wird und nur in Form sehr schmaler Streifen zwischen den Zellen erhalten bleibt, so dass man auf den ersten Blick wahren Zellknorpel vor sich zu haben glaubt; die Formen der Zellen giebt besser als eine Beschreibung die beigegebene Zeichnung wieder (Taf. XXX, Fig. 22). : . Fasst man das hier Gefundene kurz zusammen, so ergiebt sich, dass der grösste Theil des Quadratknorpels verknöchert; ein kleiner Theil wird in eine Art Bindegewebsknorpel umgewandelt, während die hin- teren Fortsätze das Bild eines Zellknorpels darbieten. Ich muss übri- gens bemerken, dass ich bei Triton taeniatus eine solche Structur der Fortsätze nicht gesehen habe; dieselben bleiben hyalinknorplig. Da- gegen wird der oberste Theil des Quadratknorpels in wirkliches Binde- gewebe umgewandelt. Der Zungenbeinbogen steht während des Larvenstadiums in keiner näheren Beziehung zur Ohrkapsel. Sein dorsales Ende ist — bei Triton cristatus — unter der Ohrkapsel gelegen, 0,5 mm von derselben ent- fernt und bestehen keine besonderen Bandverbindungen zwischen bei- den Theilen. Erst mit der Umwandlung nähert sich das dorsale Ende etwas der Ohrkapsel und wird schon in einer Entfernung von 0,4 mm dureh Bindegewebszüge an die schon verknöcherte Labyrinthwand vor der Fenestra ovalis angeheftet. Zu dieser Zeit ist das Operculum schon von der Labyrinthwand abgeschnürt und liegt frei auf der Fe- nestra ovalis. Diese Verbindung zwischen Ohrkapsel und Hyoidbogen ist jedoch keine bleibende, allmälig schiebt sich der letztere dicht am Operculum vorbei nach hinten; es giebt ein Stadium, in welchem der Hyoidbogen nur durch Gefässe und Bindegewebe von dem Operculum getrennt ist (vergl. Taf. XXX, Fig. 20 H). Die Entfernung von der Oberfläche des Operculum beträgt nur 0,05 mm. Beim erwachsenen Thier endlich liegt das dorsale Ende des Zungenbeinbogens nach hinten 512 Philipp Stöhr, a ie a > JE u a TG Zur Entwieklungsgeschichte des Urodelenschädels. 513 - line sn von der Fenestra ovalis, durch Bandmassen an die Haut st. Der Zungenbeinbogen bleibt in grösserer Ausdehnung an sr ventralen Spitze, in geringerer an dem dorsalen Ende knorplig. s Mittelstück verknöchert perichondral und enchondral und enthält beim erwachsenen Thier unregelmässig gestaltete Markräume. Das dorsale Stück des gleichfalls verknöcherten ersten Kiemen- _ bogens liegt auf Frontalschnitten vorne unter dem Hyoidbogen, weiter hinten lateral von demselben und überragt den Hyoidbogen weit nach _ hinten. — Bei grossen Larven ist an Sagittalschnitten ein grosser Mus- - eulus stapedius sichtbar, welcher vom Knorpel des Schultergürtels mit _ breiter Basis entspringend, sich allmälig verschmälernd an die ganze Öberfläche des Operculum ansetzt. Seine Entwicklung habe ich nicht - näher verfolgt. „ER E. Dritter Abschnitt. Die Bildung des Atlanto-Oceipitalgelenkes und des Processus odontoides 4 des ersten Rumpfwirbels. Ich gehe bei Beschreibung dieser Vorgänge von einem Stadium - aus, in welchem die Seiten der Kopfchorda von den schon vereinigten _ knorpligen Oceipital- und Balkenplatten bekleidet werden. Letztere sind auch unter sich vor der Chordaspitze knorplig verbunden. Es 3 besteht also eine knorplige Balisarplatte, welche die Chorda seitlich und vorn umgiebt, die dorsale und ventrale Fläche derselben dagegen Ire lässt. Die hinteren Enden der Basilarplatte sind von den Basen knorpligen Bogen des ersten Rumpfwirbels getrennt durch ein ewebe, welches mit dem zu Intervertebralknorpel werdenden Gewebe bereinstimmt. Es wird wie dieser später wirklich zu Knorpel, gelangt indessen aus nachher zu erörternden Ursachen zu keiner bedeutenden : im wicklung. Ich will dieses Gewebe Intervertebro-Oceipitalknorpel iennen (Taf. XXX, Fig. 23J VO). Der erste Rumpfwirbel (Atlas) be- = nur aus den beiden oberen Bogen, welche dem oberen, seitlichen ıfang der elastischen Chordascheide dicht aufsitzen. So finde ich es ei tem 17%/, mm langen Triton eristatus. Nun erfolgt zunächst die & des Atlanto-Oceipitalgelenkes. Schon bei einem 18 mm langen n cristatus sieht man je einen kurzen, verhältnissmässig dicken ätz vor und unter den Basen der knorpligen Bogen des ersten wirbels liegen. Wie es scheint, ist derselbe aus dem Inter- orte Be E Deeipitalknorpel entstanden. Er hängt jetzt mit den Bogen ım a ist nach vorn leicht concav und bildet die Pfanne, in Ben convexen Enden der Basilarplatte, die Condyli ocei- as .. » < f} z 4 N Her ER “ Eur nF Ere . > i et a N el, 3 EN WEDER WTT nun Pr n a HA Philipp Stöhr, pitales eingelenkt sind. Zwischen Pfanne und Gelenkköpfen besteht eine deutliche Gelenkspalte. Ich habe bis jetzt nicht beobachtet, dass ein continuirlicher Knorpel der Gelenkbildung vorausgegangen ist; somit würde sich das Atlanto-Oceipitalgelenk wie die Gelenke an den Bogen!) verhalten. Um diese Zeit hat sich ein zweiter Vorgang eingeleitet. An Fron- talschnitten, die durch den hintersten Abschnitt des Schädels gelegt sind, sieht man, dass der hintere Abschnitt der zu beiden Seiten der Chorda gelegenen Basilarplatte, die knorpligen Occipitalplatten (Para- chordalknorpel) , nicht mehr direct auf der elastischen Scheide der Chorda aufliegen, wie das früher der Fall war, sondern durch ein langovale Kerne führendes Gewebe von der Chorda getrennt sind. Es ist also eine Spalte zwischen CGhorda und den knorpligen Oceci- pitalplatten aufgetreten; die Breite derselben beträgt 0,02 mm. Untersucht man die entsprechende Stelle an einem grösseren (24 mm langen) Triton cristatus, so zeigt sich, dass die Spalten noch breiter geworden sind, der Zwischenraum misst 0,04 mm (Taf. XXX, Fig. 27). Die Spalten haben sich zugleich nach vorn ausgedehnt, sie lassen sich 8 Schnitte (= 0,4 mm) weiter nach vorn verfolgen und enden sich - allmälig verengend. Die Ocecipitalplatten haben sich an einer kleinen Stelle (0,i mm vor der auf Fig. 27 abgebildeten) ventral von der Chorda vereint, so dass die Chorda hier in einer oben offenen Knorpelrinne ruht. Dieser ventrale Knorpel ist die Anlage des knorpelig sich erhal- tenden Oceipitale basilare. Der erste Rumpfwirbel hat sich insofern verändert, als seine Knochenrinde dicker geworden ist, deutlicher Intervertebralknorpel sich zeigt und die ersten Spuren einer Verknorp- - Jung der Chorda selbst zu bemerken sind. Betrachten. wir die der Fig. 27 entsprechende Stelle bei einem 33 mm langen Kammmolch (Fig. 28), so zeigt sich der Abstand zwi- schen Ocecipitalplatten und Ghorda noch bedeutender, wie früher; er beträgt nun 0,08 mm. Es sind also die Occipitalcondylen noch weiter seitlich gerückt, was natürlich von einer entsprechenden ÖOrtsverände- rung der Gelenkpfannen des ersten Rumpfwirbels begleitet ist. Diese erfolgt jedoch nicht gleichfalls durch Abhebung des Knorpels von der Chorda, sondern durch Wachsthum der Knorpelmassen in die Breite. Die Spalten lassen sich noch 18 Schnitte weit nach vorn verfolgen, sind also 0,9 mm lang geworden. Ihre vordern Enden fallen in einen Frontalschnitt, der zugleich die vordern Ränder der ovalen Fenster trifft. Es ist demnach nicht nur der Oceipitaltheil der Basilarplatte, 4) Vergl. GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule bei Amphibien und Reptilien. Leipzig 4862. p. 44. ER r 2 I N Ze - Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 515 rn auch ein Abschnitt des Balkentheils von der Chorda getrennt, | ‚s künftig von einer Trennung der Basilarplatte von der Chorda, be n cht Kar allein der Oceipitalplatten die Rede sein wird. Die ven- trale Verbindung der Oceipitalplatten ist in grösserer Ausdehnung _ erfolgt, sie ist 0,4 mm lang. Wie Fig. 28 weiter zeigt, ist auch die Kopfchorda selbst verknorpelt |ChK) und lässt sich dieser Chorda- knorpel nach hinten bis zum Chordaknorpel des ersten Rumpfwirbels verfolgen, mit welchem er continuirlich zusammenhängt. Es erhebt sich nun die Frage: hat sich der Knorpel der Kopfchorda selbstständig gebildet und sich erst nachträglich mit dem Chordaknorpel des ersten _ Rumpfwirbels verbunden oder stammt der in der Kopfchorda befind- liche Knorpel von dem des ersten Rumpfwirbels? Ueber diese Frage giebt die Betrachtung einiger durch die Medianlinie von Kopf und - Wirbel geführter Sagittalschnitte Aufschluss. Man sieht Fig. 24 Kopfehorda und den vordersten Theil der Rumpf- ehorda sagittal durchsehnitten; die Grenze zwischen beiden, durch Vergleich mit mehr zur Seite gelegenen Sagittalschnitten gewonnen, ist durch eine vertikale Linie angedeutet. Das vordere Ende der Kopf- _ ehorda ist etwas nach abwärts gebogen ; vor und über demselben liegt Knorpel (B), welcher durch die Vereinigung der Balkenwurzeln vor der Chordaspitze entstanden ist; unten liegt das Parasphenoid (PS), _ welches der Chorda vorn eng anliegend weiter hinten von der Chorda getrennt wird durch einen Knorpelstreifen (OB), der"sich nach vorn _allmälig verliert. Dieser Streifen ist der Durchschnitt durch die ven- _ trale Vereinigung der Oceipitalplatten. An der Rumpfchorda sind zwei und ein halber Rumpfwirbel (7, II, III), der erste, zweite und der - halbe dritte sichtbar. Die knöchernen Doppelkegel (A, AK, K,) sind deut- lieh vorhanden; derjenige des ersten Rumpfwirbels weicht in der Form von den andern ab, er greift oben auf die Schädelchorda über. E Zwei Intervertebralknorpel sind vorhanden (JV,, JV a). Vom Interver- pro-Oceipitalknorpel JVO ist nur eine Spur zu sehen; er ist bedeckt | Be oehen des ersten Rumpfwirbels. (Ein Vergleich mit Fig. 23 | ai Veränderungen, die hier stattgefunden haben.) Chordaknorpel ist nur am ersten Rumpfwirbel zu sehen, während an den übrigen Wirbeln noch nichts zu bemerken ist. Auffallend ist, dass der Ghorda- (ChK) nicht mehr genau in der Mitte des ersten Rumpfwirbels- ‚en ist, sondern sich nach vorn etwas verschoben zeigt. Es ist das 516 Philipp Stöhr, derste Ende; der zwischen diesen gelegene Intervertebralknorpel (J V) hat die Chorda stark eingeschnürt und zeigt schon den Beginn weiterer Differenzirung; dagegen ist der Intervertebro-Occipitalknorpel sehr schmächtig geblieben. Es ist möglich, dass derselbe durch den mächtig entwickelten Chordaknorpel des ersten Rumpfwirbels in seiner wei- teren Ausbildung gehindert wurde; doch ist nicht zu vergessen , dass ersterer früher angelegt wird, als der Chordaknorpel. Dieser hat eine bedeutende Ausdehnung erfahren und reicht bis in die Kopfchorda hinein; er besitzt die unverhältnissmässige Länge von 0,65 mm. Auch der knöcherne Theil des ersten Rumpfwirbels hat sich stark nach vorn verlängert und greift besonders oben weit auf die Scheide der Kopf- chorda über. Die oben gestellte Frage beantwortet sich also dahin, dass der im hintersten Abschnitt der Kopfchorda sich findende Chordaknorpel ein Abkömmling des Chordaknorpels des ersten Rumpfwirbels ist. Da- durch werden engere Beziehungen zwischen dem hin- tersten Abschnitt der Schädelchorda und dem ersten Rumpfwirbel angeknüpft, welche durch das Ueber- greifen des Knochenringes des letzteren weitere Be- festigung erfahren. Andrerseits giebt der Theil der Schädelehorda den genaueren Zusammenhang mit der —„Basilarplatte auf. Ein früher zum Schädel gehöriger Abschnitt wird von diesem getrennt und einem Rumpf- wirbel einverleibt. Nächst höhere Stadien zeigen einmal weitere Ausbildung der nun angebahnten Vorgänge, d. i. also vollständige Lösung der gesammten Kopfehorda von der Basilarplatte und innigere Befestigung mit dem ersten Rumpfwirbel, und als Neues discrete selbstständige Verknorp- lungen der Kopfchorda. An Frontalschnitten durch den Schädel einer 38 mm langen Tritonlarve, welche zugleich den vordern Rand der Fenestra ovalis treffen, findet man innerhalb der Chordascheiden Knorpel; dieser zeigt indessen keine bedeutende Ausdehnung weder in dieLänge noch in dieHöhe; er nimmt an der quer durchschnittenen Chorda nur den Boden ein und lässt mehr als zwei Drittel der Chorda vollkommen intact. Er steht in keiner Verbindung mit dem hintern -Chordaknorpel. Ausser dieser durchaus deutlichen Stelle finde ich eine zweite nicht ganz klare an der Spitze der Chorda, wo ebenfalls der Boden der Chorda in unbedeutender Ausdehnung verknorpelt zu sein scheint. Ich überspringe nun einige Stadien, in denen die Rückbildung der Kopfehorda und die Verknöcherung der Basilarplatte beginnt und a Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 517 er Ber zur Beschreibung eines Stadiums über, in welchem die n genannten Processe schon weit gediehen,, ja theilweise der Voll- ng nahe gerückt sind. Bei einer 60 mm langen Larve von Triton | ıs ist von der Schädelchorda bis auf wenige Spuren nichts mehr u sehen; ihr vorderer grösserer Abschnitt hatte sich allmälig zurück- | gebildet, man konnte in einer Reihe früherer Stadien stufenweise die - Neränderung der Chorda-Zellen und -Scheiden verfolgen; der hintere _ kleinere Abschnitt der Schädelchorda ist zu einem Fortsatz des ersten Rumpfwirbels, dem Processus odontoides geworden, ist aber als eigent- liches Chordagewebe ebenfalls nicht mehr zu erkennen, da Chorda- knorpel an dessen Stelle getreten ist; erhalten haben sich hier nur die Chordascheiden, welche den Chordaknorpel umgeben und an der Spitze des Zahnfortsatzes gefaltet und zusammengeknittert sind. Am seitlichen Umfang des Processus odontoideus hat sich Knorpel gebildet; er ist aus dem die Chordascheide umgebenden Bindegewebe _ entstanden und stellt den Gelenküberzug des Zahnfortsatzes dar; oben liegt der Chordascheide Knochen auf, unten ist sie noch eine Zeit - lang frei, später wird auch der untere Umfang von Knorpel überzogen, indem die seitlichen Gelenkknorpel ventral zusammenwachsen. Der - Zahnfortsatz gleitet in der Rinne des knorpligen Oceipitale basilare, durch Bänder an der Seite und an der Spitze in derselben fest- ge alten. u Beim Erwachsenen ist die Schädelehorda spurlos verschwunden. Der Basilarknorpel ist in grosser Ausdehnung zerstört, perichon- n' L x Zi, Fr ur: ’S i : “r 7 # i alten sind nur die vordern Vereinigungen der Balkenwurzeln und traten Vereinigungen der Oceipitalplatten, das knorplige Ocei- ale basilare, also Theile, die später als die andern Theile der Basilar- platte entstanden sind. Wie Betrachtungen früherer Stadien lehren, im en sich an der cerebralen und pharyngealen Seite der Basilarplatte ne 3 :»hondrale Knochenlamellen gebildet, gleichzeitig mit diesen sind iur an der cerebralen Fläche ‚des Knorpels — Resorptionslücken jetreten, von denen aus eine Auflösung der Knorpelsubstanz er- te. Die ersten Resorptionslücken finden sich zu beiden Seiten der a etwa in der Mitte der hintern Schädelbasis. Es muss übrigens kt werden, dass den Knochenlamellen,, welche an Stelle des "knorpels treten, keine grosse Rolle zukommt, sie bilden nur im ten Abschnitt des Schädels gemeinschaftlich mit dem knorpligen ale basilare die Schädelbasis, weiter vorn tritt an die Stelle en Be: das en ae z. B. bei WIEDERSHEIM sh entstandene Knochen sind an dessen Stelle getreten. Knorplig - 518 Philipp Stöhr, Fig. 26 gebe ich noch eine Abbildung eines medianen Sagittal- schnittes durch den Kopf einer 70 mm langen Larve von Triton crista- tus. Die Chorda ist verschwunden, der Proc. odontoid., ein Theil des ersten Rumpfwirbels, mit Ausnahme einer kleinen Stelle von Knochen überzogen. Da der Schnitt genau durch die Mitte geht, ist von einem Gelenkknorpelüberzug nicht viel zu sehen; derselbe ist in diesem Stadium wohl an den Seiten mächtig, kaum aber in der ventralen Mittellinie entwickelt. Zwei Chordaknorpel sind abgebildet; der vor- dere ist dreimal so lang als der hintere. Auch vom Intervertebro- Occipitalknorpel sind noch Spuren vorhanden; er ist im Begriff sich aufzulösen. Aus den in den letzten Seiten niedergelegten Befunden ergiebt sich, dass der Proc. odontoid. des ersten Rumpfwirbels kein aus diesem entstandener Fortsatz ist, sondern vielmehr sich als der hinterste Theil der Schädelchorda erweist, der seine Beziehungen zum Schädel auf- gegeben und sich mit dem Wirbel eng verbunden hat. Der dadurch entstandene Defect wird theilweise ausgeglichen durch das ventrale Zusammenwachsen der Occipitalplatten (Bildung des Oceipitale basilare). Dadurch erhält der hintere Rand der Schädelbasis eine andere Form; aus einer früher annähernd geraden Linie wird ein nach hinten con- caver Bogen. Zwischen der Bildung des Zahnfortsatzes des Epistro- pheus der höhern Thiere und dem gleichnamigen Gebilde des ersten Rumpfwirbels der Urodelen besteht somit vielfache Uebereinstimmung. Ueber das Verhalten der Chorda im Schädel der Urodelen während *der Entwicklung finden sich bei Gesensaur !) einige Angaben, die auch von WIEDERSHEIM ?) citirt werden. Ueber die Entstehung des Processus odont. ist Nichts erwähnt; die Beschreibung enthält aber einige andere Sätze, welehe mit dem von mir Angegebenen in Widerspruch zu stehen scheinen. So heisst es bei GEGENBAUR : »Bemerkenswerth ist es, dass mit dem Entstehen einer homogenen Knochenlamelle an Rückgrat- wirbeln auch die gesammte Schädelchorda von einer solchen um- schlossen wird«. Damit wird wohl eine vollständige Unischliessung nicht gemeint sein, aber auch eine theilweise Umschliessung von selbstständigen Knochen muss ich in Abrede stellen. Die Chorda liegt im Schädel mit ihrer Unterfläche auf dem Parasphenoid, von welchem zwei Längskämme sich erheben, die im Querschnitt gesehen die Chorda von unten her theilweise umfassen (vergl. Taf. XXIX, Fig. 8, 4) GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergl. Anatomie der Wirbelsäule bei Amphi- bien und Reptilien. p. 24. 2) WIEDERSHEIM, Kopfskelet der Urodelen. p. 473. > Aa En a gr ee - ET * ET Zur „Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 519 ınd 10 ps) ‚ mit anderen Worten: die Chorda liegt in einer Rinne es Parasphenoid; während bei Triton eristatus die Rinne nicht eben ef ist, erscheint dieselbe bei Triton taeniatus von einer solchen Tiefe, dass nur die obere Fläche der Chorda von Knochen unbedeckt ist. Eine Ausnahme macht derjenige Theil der Kopfchorda, welcher zum . odont. wird; der knöcherne Ueberzug derselben ist aber, wie ı gezeigt wurde, eine Fortsetzung der Knochenlamelle des ersten Rumpfwirbels. Pırker !) findet übrigens auch Knochenlamellen an der horda. So an der Chordaspitze bei Seironota perspicillata (pl. 29, fig. 4 und 2) und bei Siredon; bei letzterem ist daselbst Knochen im #., 5. und 6. Stadium zu sehen (pl. 22, fig. 4 und 5, 6 und 7; pl. 24, fig. 2); im 7. Stadium dagegen fehlt Knochen (pl. 25, fig. I und 2). Im Text heisst es dann: »the sheath of bone was now unapparent, save perhaps as a slight groove on the parasphenoid; in all the Urodeles this h is very evanescent« (p. 556). Die Worte Parker's sind meinem Versuch, die Differenzen zu heben, gewiss nicht ungünstig. Um die RE 1 stständigkeit der Knochenlamelle der Schädelchorda zu retten, bliebe nur die Annahme übrig, dass dieselbe erst später mit dem asphenoid verschmelze. Meine Präparate bieten indess zu einer solchen Annahme keine Anhaltepunkte. Besser löst sich der zweite Differenzpunkt; die Chorda.soll nach 3EGENBAUR im Occipitale basilare in der Mitte liegen und eine dickere vellage eher über sich als unter sich haben. Ich habe diese Stelle auch gefunden, allein sie ist nicht mehr im Bereich des Schädels ze gen. Solche Schnitte haben die Chorda zwischen Schädel und stem Rumpfwirbel getroffen, der Knorpel über und unter der Chorda t der Intervertebro-Oceipitalknorpel,, der seitlich mit den Oceipital- elenkfortsätzen des ersten Rumpfwirbels zusammenhängt. AN Die Chorda im Schädel ist oben in ihrer ganzen Länge frei bis auf ine kleine Stelle ganz vorn, wo sie von der medialen Vereinigung der ılke nwurzeln ein wenig bedeckt wird. Ueber das verschiedene Ver- Bier Chordaspitze zum Knorpel habe ich oben pag. 20 einige ı gemacht. ' zweite Theil des Satzes: »Das Ende des Schädelrestes der rd theils durch Resorption, theils Ueberführung in Knorpel m mit allmälige Assimilirung mit dem benachbarten Gewebe des mo p kranium herbeigeführt,« kann mit dem oben erbrachten jun ‚ dass kein Theil der Schädelchorda dem Primordialkranium eibi e Be, keine Geltung mehr beanspruchen. nn AKER, On the Structure and Development of the Skull in the Urodelous e> 7 ‘E Bit, TER 520 | Philipp Stöhr, Die Entwicklung des Proc. odontoideus der Urodelen ist in Par- KER’S öfter citirtem Werke in kurzen Zügen geschildert. Was derselbe bei Triton cristatus, Spelerpes salmonea, S. rubra und Notophthalmus viridescens beschreibt, weicht wesentlich von meiner Darstellung ab. Da wo die Chorda zwischen den Oceipitalcondylen gelegen ist, entsteht jederseits von derselben ein kleines ovales Posterior parachordal (Knorpel), welche beide später verknöchern und dann mit einer knö- chernen Scheide verschmelzen, welche selbstständig um den Theil der Chorda sich bildet, welcher in dem Raum zwischen den Oceipital- gelenkfortsätzen des ersten Rumpfwirbels gelegen ist. Später erfolgt dann noch eine Verschmelzung mit dem ersten Rumpfwirbel. Abbil- dungen sind dieser Schilderung nicht heigegeben, der Verf. stellt solche in einer besonderen Publication in Aussicht. Offenbar hat Parker den Entwicklungsgang nicht an Schnitten untersucht, sonst hätte er das Wichtigste, das Vorwachsen des Chordaknorpels des ersten Rumpfwirbels nicht übersehen können. Was seine Parachordalia po- steriora sind, ist mir unerklärlich; vielleicht mein Intervertebro-Ocei- pitalknorpel. Die von Parker geschilderten selbstständigen Ossificationen sind schon von ALBRECHT!) angezweifelt worden, welcher die Entwick- lung des Proc. odont. bei Siredon in folgender Weise schildert: »Die Parachordalknorpel neben der Chorda verschmelzen frühzeitig mit dem- jenigen Theile des Atlasknorpels, der die Chorda umgiebt. Die Ver- knöcherung des basi-oceipitalen Abschnittes der Parachordalknorpel oder der aus ihnen entstehenden Basilarknorpel geht von dem Atlas aus jederseits neben der Chorda vor sich, indem das so entstehende Basi-Oceipitale sich von den Ex-Oceipitalia gelenkig absetzt. Der zwi- schen den Labyrinthblasen oder den spätern Otica liegende Abschnitt der Parachordalknorpel oder des aus ihnen entstehenden Basilarknor- pels hingegen verknöchert nicht. Diesen interotischen Abschnitt 1a Basilarknorpels, der früher zum Basioceipitale gerechnet wurde, möchte | ich vorschlagen, die Cartilago basiotica zu nennen.« »Genau aber wie bei den Sauropsiden und Säugethieren das mit dem Epistropheus inniger verbundene Centrum des Atlas durch einen ventralen Bogen zwischen den Bogenstücken des Atlas ersetzt wird, der, wie schon von Raruke und BErGMAnn nachgewiesen ist, eine ursprünglich zwischen Atlas und Basioceipitale gelegene Hypapophyse st, genau so wird bei Siredon das mit dem Atlas inniger verbundene‘ 4) Ueber einen Processus odontoides des Atlas bei den urodelen Amphibien. Eine vorläufige Mittheilung. Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 40. August 4878 und Nachtrag zu derselben. Centralbl. v. 28. Septbr. 1878. Eine weitere Ausarbeitung des Themas ist mir bis jetzt nicht bekannt. ee v Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. 521 Basio tale durch einen ventralen Bogen zwischen den beiden Ex- -oceipitalia ersetzt, der ursprünglich eine Hypapophyse zwischen Basi- ‚oeeipitale und Basioticum ist und nach vorn mit dem Parasphenoid - verschmilzt.« Richtig in der ganzen Darstellung ist nur die Angabe, dass der Jahn des Atlas der Urodelen ein Theil des Schädels ist. Freilich nicht das Basioceipitale, wie AuLsrecur meint, sondern nur des basioceipitalen Theils der Chorda. Eine eingehende Widerlegung verspare ich mir bis zum Erscheinen einer ausführlichen Schilderung seiner Befunde. Der Process. odontoid. der Urodelen ist übrigens schon von Hyarı !) und Harrıns? beschrieben worden. Wie auch die spätern Beschreiber desselben, Parker und Auprecuht ?), versuchten auch diese eine Deutung des Fortsatzes und stellten Vergleiche mit Atlas und - Epistropheus der höhern Thiere an. So glaubt Hyarı, dass der erste - Rumpfwirbel der Urodelen den mit dem Atlas verwachsenen Epistro- pheus darstelle, eine Ansicht, welcher sich auch C. K. Hormann#) an- ‚geschlossen hat. Leider reichen die meisten meiner Schnittserien nicht so weit nach hinten, dass mehrere Rumpfwirbel mit durchschnitten waren, und an den verhältnissmässig wenigen Präparaten, an denen e noch zu sehen sind, findet sich nichts, was in diesem Sinne Verwerthung finden könnte. # a fi FT [’ Fu hi TR Bi Fassen wir die in den vorstehenden Untersuchungen gewonnenen iltate zusammen, so ergiebt sich für die Entwicklung des Kopf- | eletes der Urodelen, speciell für Triton, Folgendes: ! iM In den jüngsten Stadien, in denen Skelettheile überhaupt zu er ” nen sind, erblickt man die knorpligen Anlagen des ersten Vis- cera bogens, welcher sich jederseits in zwei Stücke, das Quadratum nd i den Meexer’schen Knorpel theilt. Danach bilden sich der Reihe h der Hyoidbogen und vier Kiemenbogen. Diese fünf Visceralbogen Mi ger in der ersten, nicht knorpligen Anlage mit einander zusammen, norpeln aber von getrennten Punkten aus und sind deshalb, wie r erste Visceralbogen, als paarig zu betrachten. Hr hlch der Differenzirung des Visceralskeletes entwickeln sich die lichen Schädelbalken. Von den Seiten der Spitze der Kopfchorda, bi arten. 4) Hyarı, Cryptobranchus japon. Schediasma anatomic. 1865. = Harrıng, Leerboeck van de grondbeginselen der dierkunde in haren gehulen 2 Aufl. Morphologie. 1867. TEE en. 522 Philipp Stöhr, welche nur in der hintern Schädelhälfte gelegen ist, entstehen zwei fast senkrecht stehende platte Knorpellamellen ; sie werden vom Opticus durchbohrt und laufen, niedriger werdend, in einem nach einwärts concaven Bogen nach vorn, wo sie als rundliche Stäbe frei enden. Die Balken sind anfangs paarig, verschmelzen aber bald dicht vor der Chordaspitze und stellen nun mit derselben die unpaare Balkenplatte dar. Nicht lange darauf entspringt am hintersten Abschnitt der Schädel- chorda eine weitere Knorpelanlage;; sie ist paarig, hat die Gestalt oberer Bogen eines Rumpfwirbels und entspricht der Oceipitalanlage. Zu derselben Zeit endlich bildet sich selbstständig die knorplige Ohr- kapsel. Es besteht nun der Schädel aus drei getrennten Theilen, den Balken mit der Balkenplatte, den Oceipitalbogen und den Ohrkapseln. Die Balken treiben an ihren vordern Enden die lateralen Balken- hörner; nahe dem hinteren Ende der Balken setzt sich das Quadratum mit ihnen in Verbindung. Die weiteren Angaben beziehen sich nur auf die hintere Schädel- hälfte. Balkenplatte, Occipitalanlage und Ohrkapsel verwachsen nun mit- einander und bilden bald eine knorplige Basilarplatte, in deren Mitte die dorsal und ventral unbedeckte Chorda liegt. Durch Verbindungen der Ohrkapsel einerseits mit der postorbitalen Balkenwand, anderer- seits mit dem dorsalen Ende des Oceipitalbogens werden vollständig knorplige Begrenzungen für die Austrittsstellen des Trigeminus und des Vagus geschaffen. Durch Verwachsung der Ohrkapseln über dem Gehirn entsteht ein kleines knorpliges Schädeldach. Das Quadratum tritt in innigere Beziehung zum Schädel dadurch, dass es sich mit der lateralen Ohrkapselfläche durch den Processus oticus, mit der basalen Fläche der Ohrkapsel durch den »Stiel« in Verbindung setzt. Jetzt wächst aus dem vordern Umfang des knorpligen Rahmens des ovalen Fensters das Operculum hervor, welches sich bald abschnürt und nun frei auf der Fenestra ovalis liegt. Zu gleicher Zeit wird das knorplige Oceipitale basale gebildet und zwar durch ventrale Verwachsung der Basilarplatte im hintersten Schädelabschnitt. Mit diesem Vorgang steht in enger Beziehung die Entwicklung des Processus odontoideus. Damit ist der Höhepunkt des Knorpelkraniums erreicht. Im weitern Verlaufe der Entwicklung verschwindet der Knorpel grösstentheils und nur wenige Reste bleiben erhalten. An Stelle des Knorpels tritt Knochen. Der Modus der Verknöcherung des Kranium ist zwar vorwiegend ein perichondraler, doch lassen sich auch enchondrale Verknöcherungen nachweisen; die Verknöcherungen des Visceralskelets sind sowohl perichondrale, als auch enchondrale. ww ERNST v Tem. N he ı a wid PPF 4 a kvnkiagneihicht des Urodelenschädels. 523 Ediedn knorplig vorgebildeten Knochen betheiligen sich am ı des Kopfes Hautverknöcherungen, die sogen. Deckknochen. N isch an beiden besteht genetisch und histologisch eine scharfe jrenze; es giebt keinen Uebergang von »primärem« zu »secundärem« ‚nochen. Wie der grösste Theil des Knorpelkranium, so geht auch der erössere Theil der Schädelchorda zu Grunde, nur der hinterste Ab- schnitt derselben erhält sich noch, erleidet aber insofern eine Ver- derung, als die Chordazellen in Knorpel umgewandelt werden. »r Abschnitt der Schädelchorda löst sich vom Kranium und ver- ‚wächst mit dem ersten Rumpfwirbel, dessen Processus odontoideus er lt. Würzburg, am 4. August 1879. Erklärung der Abbildungen. _ Tafel XXIX, Fig. 4,2 und 3. Visceralskelete von Triton cristatus. Halbschemat. Bb,, erstes Basibranchiale, Bb,, zweites Basibranchiale, ZB, Zungenbeinbogen, KB, —KB,, erster bis vierter Kiemenbogen, UB, Urobranchiale. rg * Anlage des Kehlkopfknorpels. Fig. 4. Embryo, 9 mm lang. A a) Fig. 2. Eben ausgeschlüpfte Larve, 9!/; mm lang. Fig. 3. Junge Larve, 40 mm lang. Fig. 4, 5, 6 und 7. Vier auf einander folgende Frontal-Schnitte durch den ’f einer 40 mm langen Larve von Triton cristatus, siehe Text pag. 40. Etwa 'vergrössert. B Q, Quadratum, f: ie: ZB, Zungenbeinbogen, Be Bb, und Bb,, erstes und zweites Basibranchiale, E UB, Urobranchiale, B: KB, und KB», erster und zweiter Kiemenbogen. 3. 8, 9 und 40. Drei aufeinander folgende Frontalschnitte durch den Kopf + mm langen Larve von Triton cristatus, siehe Text p. 27. Etwa 12 mal % IH, Schädelhöhle, ee LH, Labyrinthhöhle, “ es a Operculum, 2, 2 r er erh > eg j 5 Boy Eye) Er j Br ee - E y. 7 E Ö c TAHE -P e > 924 os, La, PS, Sg, C, J > Philipp Stöhr, »Occipitale superius«, III, IV, erster bis vierter Kiemenbogen, Os parasphenoid, Os squamos. (Tympanicum), Arteria carotis, Vena jugularis. Die Figuren 44, 12, 13 und 14 sind Abbildungen von Wachsmodellen, welche nach der von Borx angegebenen Methode nach Schnittserien hergestellt wurden. Die in natürlicher Grösse gezeichneten Modelle geben die wirklichen Verhältnisse in vierzigfacher Vergrösserung wieder. Knorpel blau. Fig. 44. Knorpelkranium und Quadratknorpel eines 71/, mm langen Axolotls. Von oben gesehen. Tr, Crir, BPI, Q, Ch, 0, 0’, Kie, 12; Knorpelschädel eines 9 mm langen Axolotl. seitliche Schädelbalken, Schädelseitenwand, Balkenplatte (paarig), Quadratum (vom Schädel getrennt), Chorda, Loch für den Opticus, zweites Loch in der Schädelseitenwand. Von oben gesehen. Man erblickt die drei getrennten Schädelanlagen. BPI, C, Q, Au, AO, Fig. 13. 44 und 12. Derselbe Schädel von der Seite gesehen. Balkenplatte (unpaar), Balkenhörner, Quadratum in Verbindung mit dem Schädel, Knorpelplältchen auf der häutigen Ohrkapsel. Oceipitalbogen (paarig). Buchstaben wie in Figur Fig. A4. Knorpelschädel einer 24 mm langen Larve von Triton cristatus. Die vordere Hälfte ist abgeschnitten; man sieht die Schnittflächen der Schädelseiten- wand Sch S. Ebenso ist der Körper des Quadratum abgeschnitten. Die von Q gezo- gene Linie deutet auf die Schniittfläche. Der Schädel ist so gedreht, dass man ihn von links und unten sieht. Ybı, PO, PA, FpT, Verbindung der Ohrkapsel mit der oberen Ecke der Crista tra- becul. (Schädelseitenwand), Proe. otic. des Quadratum, Proc. ascend. des Quadratum, Oeffnungen für den Trigeminus, Schädelbalken (Wurzel desselben), Loch für den Facialis, Loch für den Ramus palatinus des Facialis, Stiel (Palatobasalfortsatz des Quadratum), Fenestra ovalis, Operculum; oben und unten davon die Rinnen für die Gefässe, Verbindung der Ohrkapsel mit den oberen Enden der Oceipitalbogen, Oeffnung für den Vagus, Basilarknorpel, Oceipitale basilare, Ch, Chorda. Pe „nn. Y m... « hte des Urodelenschädels. 525 F iihäremige: Nach einem !/,o mm dicken Frontalschnitt ee eines 12 mm langen Axolotls, Etwa 140 mal vergrössert. ‚ Oceipitalbogen, _ EChs, elastische Chordascheide, ‚ euticulare Chordascheide, Ch, Chorda, V, Vagusganglion. Fig. 16, 17 und 18. Aus drei Frontalschnitten durch den Kopf einer 17!/, mm ı Larve von Triton cristatus, siehe Text pag. 499. Etwa 125mal vergrössert. ntheil der Basilarplatte dunkler. BPI, Balkenplatte, OPI, Oceipitalplatte, PK, peripherer Knorpel, Ch, Chorda, PS, Os parasphenoid. Fig. 46. Schnitt No. 36. Fig. 17. Schnitt No. 41. Fig. 48. Schnitt No. 48. Tafel XXX, Der Knochen ist in allen Zeichnungen dunkelbraun, der Knorpel in Fig. 19— 22 hellbraun, in Fig. 23—28 hellbraun und punktirt angegeben. | Fig. 19. Aus einem Frontalschnitt durch den Kopf eines 40 mm langen iton cristatus (rechte Ohrkapsel), siehe Text pag. 507. Etwa 60mal vergrössert. Be: Sq, Squamosum (Deckknochen), { Bi an P, perichondrale Knochen, = r,r',r’, Resorptionslücken am Knorpel, PS, Os parasphenoid, F, N. facialis in einem knöchernen Canal verlaufend, Krp, knöcherner Canal (Wand desselben) für den Ramus palatinus des Facialis. re 20. Aus einem Frontalschnitt durch den Kopf eines 4 Jahr alten Triton atus, um den Hyoidbogen am Operculum zu zeigen, siehe Text pag. 512. Etwa al 1 vergrössert ie O0, Operculum, H, Hyoidbogen, nahe an seinem dorsalen Ende durchschnitten. ‚ Pceipitale superius, PS, Os parasphenoid, Sgq, Os squamos. a Fig. a. Enchondrale Verknöcherung am ER superius. Ein Jahr alter n cristatus. Etwa 400mal vergrössert. m 2. Frontalschnitt durch die Ohrkapsel eines erwachsenen Triton cerista- ist knöchern bis auf zwei Punkte K und K, , an welche sich die > des Quadratum anlegen. Der Knorpel der Fortsätze ist eigenthümlich ‚siehe Text pag. 512. Nahezu 60mal vergrössert. Re. En KK ist das Operculum SEumER's, | Q, Quadratum, BO, ‚Processus oticus, ee ‚Stiel a 8 536 Philipp Stöhr, Zur Entwieklungsgesch. des Urodelenschädels. Fig. 23—26. Vier Sagittalschnitte mitten durch Kopf- und vordern Theil der Rumpfchorda. Etwa 40mal vergrössert. Ch, Chorda, B, Vereinigung der Balken vor der Chordaspitze, OB, Oceipitale basilare, JVO, Intervertebro-Occipitalknorpel, JV, Intervertebralknorpel, ChK, Chordaknorpel, PS, Os parasphenoid, Kı, Ka, K3, knöcherner Doppelkegel der Rumpfwirbel, I, II, III, IV, erster bis vierter Rumpfwirbel, Pr O, Processus odontoideus. Fig. 23. Larve von Triton cristatus, 20 mm lang. Fig. 24. Larve von Triton cristatus, 30 mm Jang. Fig. 25. Larve von Triton cristatus, 33 mm lang. Fig. 26. Larve von Triton cristatus, 70 mm lang. Fig. 27. Frontalschnitt durch die Ocecipitalgegend einer 24 mm langen Larve von Triton cristatus, siehe Text pag. 514. Ch, Chorda, AO, Occipitalbogen, O Pi, Ocecipitalplatte, B, Bindegewebe. Fig. 28. Frontalschnitt durch die Occipitalgegend einer 33 mm langen Larve von Triton cristatus, siehe Text pag. 514. ChK, Chordaknorpel, K, Fortsetzung des knöchernen Doppelkegels des ersten Rumpf- wirbels auf die Kopfchorda. Berichtigung: In der Erklärung der Abbildungen, Tafel XXIX, Fig. 4—7, ist irrthümlich pag. 40 statt pag. 484 und bei Fig. 8—10 pag. 27 statt pag. 500 stehen geblieben. Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. Von Karl Richard Krieger aus Eilenburg. Mit Tafel XXXI—XXXII. Trotzdem die feinere Structur des Gentralnervensystems der Arthro- - poden bereits von vielen Forschern zum Gegenstand ihrer Untersuchung - gewählt worden ist, ist dennoch namentlich, was die räumliche Anord- nung der histologischen Elemente und ihre Verbindung unter einander anbelangt, noch manche Frage zu beantworten. Die Autoren der älteren Abhandlungen über den feineren Bau des Nervensystems wirbelloser Thiere, wie Enrengers (A0)'), Varentın (37), Hermnorrz (15), Remak 33, 34), Hannover (14), Wırı (39), Haeerrı (13), befassen sich über- ‚haupt blos mit der Beschreibung der Nervenelemente, ohne auf die topographische Anordnung derselben näher einzugehen oder beschränken sich wenigstens auf einige Andeutungen darüber. Näher berücksichtigt wurde dieser Gegenstand zum ersten Mal in den Arbeiten Owssannıkow’s aus den Jahren 1864 und 1863 (29, 30). Owssannıkow war auch der erste, welcher die Schnittmethode zum Studium des Nervensystems wirbel- oser Thiere anwandte, leider aber haben sich seine Untersuchungen als sehr wenig zuverlässig herausgestellt?). Eine genauere Beschreibung iuch des räumlichen Aufbaues brachte ferner im Jahre 1863 die Abhand- ung Warrer’s über das Centralnervensystem wirbelloser Thiere (38), eren Resultate freilich ebenfalls, wenigstens, was das Nervensystem on Astacus anbelangt, mit den späteren Untersuchungen anderer For- ‘her wenig übereinstimmen. Von weit grösserer Bedeutung sind das im Jahre 1864 erschienene erk Levig’s vom Bau des thierischen Körpers (25) und die dazu ge- ' Die in Klammern eingeschlossenen Zahlen beziehen sich auf die Nummern ler vorliegenden Arbeit am Ende angefügten Literaturverzeichnisses. Vergl. Dırrı (8), LEmoıne (22), BerLoncı (4). VER 34 * EN ” - . u Auer N en ” u E ' e wir a Pa 4 ds jr ar z wre ir e- wer « - d - : e a en u; , a EEE ER 0 "Aa Mn Wh ua MA ER 528 Karl Richard Krieger, hörigen Tafeln zur vergleichenden Anatomie (26). Wenn auch Levnıs sich bei seinen Untersuchungen darauf beschränkte, was ihm die Zer- gliederung mittels der Nadel und die Betrachtung des frischen oder auf- gehellten Objectes von aussen erkennen liess, also die Schnittmethode nicht anwandte, so konnte er doch eine Menge von werthvollen Beob- achtungen über das Nervensystem der Wirbellosen machen, namentlich wies er zum ersten Mal auf die Bedeutung der für dasselbe so wichtigen 'Punktsubstanz hin. In dem langen Zeitraum von 1864 bis 1876 sind über unseren Gegenstand nur zwei Arbeiten von Lemoine (22) und Rapı Rückuarp (31) zu erwähnen. LemornE untersuchte das Nervensystem der Languste und des Flusskrebses, ersteres auch unter Anwendung der Schnittmethode und berichtigte namentlich verschiedene Angaben Ows- JANNIKOW’S. RaBL-RückHARD erweiterte, auf die Beobachtung des Objectes in toto gestützt, die von Leynıg erworbenen Kenntnisse über den Bau des Hymenopterengehirns. 1876 trat Dietr mit seiner Abhandlung über die Organisation des Arthropodengehirns (7) ans Licht, welche auf Grund der Untersuchung mittels methodisch geführter Durchschnitte eine Menge von wichtigen Resultaten brachte. Angeregt durch die schönen Erfolge Dırrr’s beschloss der Verfasser der vorliegenden Abhandlung eine genauere Untersuchung des Bauch- stranges der Arthropoden, als Ergänzung zu Dirrr’s Arbeit, da dieser ja nur das obere Schlundganglion berücksichtigt hatte, vorzunehmen. Als Ausgangspunkt wählte er den grössten unserer einheimischen Arthropo- den, den allezeit leicht zu erhaltenden Flusskrebs. Doch nahm ihn dieser bald so sehr in Anspruch, dass er sich wenigstens vorläufig auf ihn be- schränken musste. Dagegen wurde später, um der Arbeit einen gewissen Abschluss zu geben, auch das Gehirn des Flusskrebses mit in das Be- reich der Untersuchung aufgenommen. Zur cursorischen Vergleichung wurden ein näherer und ein entfernterer Verwandter des Flusskrebses, der Hummer und die Kellerassel (Porcellio scaber) herangezogen. Einige Hauptresultate der vorliegenden Untersuchung wurden bereits zu Ende des Jahres 1878 ım zoologischen Anzeiger von Carus (19) veröffentlicht. Während der Verfasser mit der Untersuchung und der Niederschrift der dabei gewonnenen Resultate beschäftigt war, erschienen noch Ab- handlungen von Fröser (14), Dietz (8, 9), Berger (2), Yung (40, 41), Berroncı (1) und Craus (6) über denselben und über verwandie Gegen- stände. Soweit sich dieselben mit der vorliegenden Arbeit berühren, ist im Laufe der Darstellung auf sie Rücksicht genommen worden. rm te Dt ig a AS BE en - er ’ Ueber das Centraluervensystem des Flusskrebses. 529 Methoden der Untersuchung. Zum Studium der einzelnen Gewebselemente an Isolationspräpara- on wurden theils frische Gewebstheile, theils solche verwendet, welche t Präparationsflüssigkeiten behandelt waren. Von diesen ist zunächst die Ueberosmiumsäure zu erwähnen, doch wurde dieselbe weniger in flüssigem, als in gasförmigem Zustande an- wandt. Es wurden nämlich die aus dem eben getödteten Thiere her- isgenommenen Ganglien auf einen Objeetträger gebracht und dieser, is Präparat nach unten gekehrt, über die Oeflnung einer weithalsigen 1e, in welcher die Ueberosmiumsäure enthalten war, gelegt, bis Präparat durch die Einwirkung des Dampfes gebräunt war. Hierauf kamen die Ganglien auf etwa 12 Stunden in Pierocarmin, um sie zu färben, und wurden endlich in stark verdünntem Picrocarmin , dem ‚noch etwas Picrinsäure zugesetzt worden war, macerirt. Diese Behand- 3sweise ist vor Allem zum Studium des Kerns und des Protoplasmas Ganglienzellen geeignet, weniger um die Fortsätze derselben auf re Erstreckung zu verfolgen. Zu letzterem Zwecke habe ich mit ück Lösungen von Ghromsäure und chromsaurem Ammoniak von 2 bis 0,005°/, angewandt. Ehe man die Ganglien diesen Flüssigkeiten aus- slzt, thut man gut sie mit dem Rasirmesser in einige Stücke zu zer- schneiden. Ueber die Länge der Zeit, während welcher die Ganglien in Macerationstlüssigkeiten zu verbleiben haben, lassen sich keine ge- eren Angaben machen, doch wird im Allgemeinen eine Maceration n drei bis vier Tagen die besten Erfolge liefern. Zum Härten derjenigen Ganglien, welche geschnitten werden sollen, te ich !/, procentige Chromsäure für die geeignetste Flüssigkeit. Alko- ihrt selbst dann, wenn er zunächst in stark verdünntem Zustand ewandt und die Concentration langsam gesteigert wird, derartige Zenem herbei, dass die Schnitte, die man von mit Alkohol ge- ı Ganglien erhält, durchaus unbrauchbar sind. Ueberosmium- ein der von Dıierı (Mm) angegebenen Concentration erhält zwar die ;ellen, feineren Nervenfasern und die Punktsubstanz recht gut, die stärkeren Fasern schrumpfen. Dasselbe gilt von der Picrin- felsäure, während gelungene Chromsäurepräparate sämmtliche Ele- t Bo ıön erhalten zeigen und ausserdem nach Färbung mit Garmin- ıen eine sehr scharfe Unterscheidung der einzelnen Gewebstheile on. In eine Ghromsäurelösung von oben angegebener Goncen- ‚urden also die aus dem mit Chloroform betäubten Thiere mög- ” Pr 4% nel | Ber aramisten Ganglien gelegt und darin während > h f e. > >? ‚ 2.) ak vw Be [” #r } . Mr R u Kr 7; ee . En ER , ENSR - Am r RER en a u er 3 Var ıiL rn ° 30 Karl Richard Krieger, 2% Stunden gelassen. Dann wurden sie mit destillirtem Wasser abge- waschen und noch 24 Stunden dieser Flüssigkeit, die öfters gewechselt wurde, ausgesetzt, um die überflüssige Chromsäure auszuziehen und dadurch das Object für Färbemittel zugänglicher zu machen. Es empfiehlt sich das Gehirn nicht im vollkommen frischen Zustand aus dem Thier herauszunehmen, sondern erst nachdem es im geöffneten Cephalothorax einige Stunden der Wirkung der Ghromsäure ausgesetzt und dadurch etwas hart geworden ist. Ist es dann herausgenommen, so wird es in frische Chromsäure gebracht und ebenso behandelt, wie die übrigen Ganglien. Die gehärteten Ganglien wurden sodann in Alkohol aufbewahrt und vor dem Schneiden in Essigsäurecarmin oder Picrocarmin gefärbt. Erstere Tinctionsflüssigkeit liefert besonders schöne Kernfär- bungen, lässt sich aber nur bei den kleinen Abdominalganglien an- wenden, da sie in den grösseren Thoracalganglien und im Gehirn die äusseren Partien überfärbt, ehe sie noch ins Innere eingedrungen ist. Bei der Anwendung von Picrocarmin ist man diesem Uebelstand nicht ausgesetzt und erhält meist ebenfalls gute Kernfärbungen, die nur nicht so glänzend sind, wie die mit Essigsäurecarmin erreichten. Die gefärbten Objecte wurden mit destillirttem Wasser abgewaschen, dann in stark verdünnten Alkohol gebracht und dessen Goncentration langsam ge- steigert, bis man beim absoluten angelangt ist. Endlich wurden die Ganglien in Nelkenöl aufgehellt, in Paraffin eingeschmolzen und mittels des verbesserten RıvEr-Leyser'schen Mikrotoms in Schnittserien zer- legt!\. Um mit demselben stets gleich dicke Schnitte zu erhalten, hat man die Einbettungsmasse um das eingeschmolzene Object herum conisch zuzustutzen, so dass letzteres von nur wenig Einbettungsmasse umgeben die Spitze des Kegels bildet, und dies jedes Mal nachdem man . zwei oder drei Schnitte gemacht hat, zu wiederholen, damit die Messer- klinge stets eine möglichst gleich grosse Masse zu durchschneiden hat. Zum Studium der auf diese Weise erlangten Schnitte habe ich mich einer Methode bedient, die ich, da sie mir sehr gute Dienste geleistet hat und wohl auch von Anderen mit Erfolg angewandt werden könnte, in Folgendem ebenfalls ausführlich mittheilen will. Beim Schneiden wird für jeden Schnitt der Stand des Objectschlittens nach der am Mikrotom angebrachten Scala mit Nonius notirt, so dass man, selbst wenn ein Schnitt ausgefallen sein sollte, stets genau über den Ort jedes Schnittes orientirt ist. Ich habe mich überzeugt, dass dem Zwischenraum zwischen zwei Theilstrichen der erwähnten Scala genau eine Hebung des Objectes um 0,1 mm entspricht, dass also z. B. ein Vorrücken des Objectschlit- 4) Siehe REICHENBACH (32). u Fl ea r ’% w 2 Veber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 531 ens um !/, eines Theilstriches einen 0,025 mm dicken Schnitt ergiebt. A War nun eine Serie von Querschnitten gut gelungen, so wurden sämnit- die > Schnitte derselben mit einem Osernäuser' schen Zeichenapparat ge- zeichnet und dabei die verschiedenen Gewebselemente, als Ganglien- ellen, Nervenfasern, Levpıs’sche Punktsubstanz, mit verschiedenen rbigen Stiften markirt. Eine solche Zeichnung stellt Fig. 41 dar und zwar ist dazu derselbe Schnitt gewählt worden, von dem in Fig. 29 die rechte Hälfte genau abgebildet worden ist. Es wird nun dadurch, dass ein genauer Millimetermassstab bei derselben Vergrösserung wie die Schnitte mit dem Prisma gezeichnet wird, ein Massstab für diese Skizzen ‚gewonnen und ein Blatt Papier mit parallelen Linien bezogen, deren Abstand nach diesem vergrössertem Massstab gleich der Dicke der ge- fertigten Schnitte gemacht wird. (Vergl. Fig. 12. Die Dicke der einzel- nen Schnitte betrug bier 0,03 mm, die Vergrösserung, bei welcher sie | ‚gezeichnet worden waren, 42.) Weiter werden die einzelnen Zeichnungen auf eine parallel zur Querachse des Schnittes gezogene Gerade (Fig. 11 « 2) senkrecht projicirt und, wenn die Schnittrichtung genau senkrecht zur - Medianebene des geschnittenen Objectes war, die einzelnen Projectionen, - nach den oben erwähnten Notizen über den Ort der Schnitte, so zwischen die einzelnen Parallellinien eingetragen, dass die Projectionen der Me- ‚dianlinien der Schnitte auf eine zu den Parallelen senkrecht gezogene Gerade fallen, welche die Projection der Medianebene des Ganglions auf ‚die Ebene des Papiers darstellt. Man hat nun weiter nichts mehr zu thun, als die den Grenzen derselben Gebilde entsprechenden Punkte der hinter einander gelegenen Projectionen mit einander zu verbinden und durch leichte Schattirungen u. s. w. höher und tiefer gelegene Ge- bi le zu unterscheiden, um ein Bild zu erhalten, wie es das betreffende Obje bieten würde, wenn es vollkommen durchsichtig wäre und von ‘oben betrachtet würde. Ist aber die Schnittrichtung nicht genau senk- rec ıt zur Medianebene des Objectes, so bestimmt man durch Verglei- chen der jetzt unsymmetrischen Hälften der Schnitte den Winkel der fedianebene zur Schnittrichtung, zieht die Mittellinie so, dass sie mit n Parallelen diesen Winkel bildet und trägt die Projeetionen wie oben ein. Dieser letztere Fall wurde als der complicirtere zur Darstellung in Fig. 42 gewählt. Bei der betreffenden Serie begann die Ursprungsstelle “ er . . ® des ersten Nerven rechts drei Schnitte eher, als links. Es wurden dem- ‚ * > 3 4 s pi, im Austrittspunkte des ersten Nervenpaares entsprach, so zwischen „u rallellinien eingetragen, dass der eine in den nten der andere in + 3ten Zwischenraum zu liegen kam, diese beiden Punkte durch 1e rade verbunden und in der Mitte dieser Geraden eine Normale ers, - au . RER Ta a ne I , P ET ln RN ie A, Me .t ee: De a u a Ei Nu > EN a 5 um a 7° 932 | Karl Richard Krieger, errichtet, welche die Projection der Medianebene darstellt. Die in Fig. 12 | in den untersten , dargestellten Zwischenraum eingetragene Projection ist die von Fig. 41. Durch Horizontal- und Sagittalschnitte, sowie durch Messungen der erhaltenen Zeichnung und des ungeschnittenen Objects kann man die erhaltenen Resultate prüfen. Ich habe diese Methode be- reits im zoologischen Anzeiger (20) als eine neue mitgetheilt, nachher aber erfahren, dass eine ganz ähnliche schon im Jahre 1868 von Hıs empfohlen (17) und später auch von Sersser (36) mit Glück angewandt wurde und berichtige daher meine frühere Angabe. Ergebnisse der Untersuchung. I. Histologisches. 1. Nervöse Gewebselemente. In Bezug auf die nervösen Gewebselemente und ihre Beziehungen zu einander, bin ich bei meinen Untersuchungen zu fast ganz denselben Resultaten gelangt, wie sie Dirrr in seiner Schrift über die Gewebsele- mente des Gentralnervensystems bei wirbellosen Thieren (9) niedergelegt hat. Indem ich daher auf diese verweise, kann ich mich bei der Be- schreibung der erwähnten Gewebselemente kurz fassen und werde nur da etwas länger verweilen, wo meine Ansichten von denen Dierr’s ab- weichen. A. Ganglienzellen. Die Ganglienzellen des Gentralnerven- systems des Flusskrebses sind sammt und sonders membranlos, der Gestalt nach sphärisch bis zwiebel- und birnförmig und mit einem ver- hältnissmässig grossen, sphärischen Kern versehen. Wenn nun auch die Ganglienzellen keine eigene Membran besitzen, so ist doch das Proto- plasma einer jeden von dem der benachbarten vollkommen getrennt, da jede von einer eigenen Bindegewebskapsel umgeben ist. Es bestehen diese Kapseln aus einer dünnen, homogenen Haut, die leicht für eine Zellmembran gehalten werden könnte, wenn sich nicht, namentlich bei den grösseren Zellen an derselben theils innen, theils aussen angelagerte Bindegewebskerne von etwa 0,015 mm Länge und 0,0075 mm Breite wahrnehmen liessen. Dierı hat an der Innenfläche der Ganglienzellen- hülle von Tethys sogar eine zarte Endothelbekleidung gefunden (9, p. 29). Die Kapseln benachbarter Zellen verschmelzen sehr innig mit einander, so dass sie beim Zerzupfen sich zwar leicht von den von ihnen um- schlossenen Zellen ablösen lassen, aber dabei meist mit Stücken von Kapseln benachbarter Zellen in Zusammenhang bleiben. Das Protoplasma der Ganglienzellen erscheint im frischen Zustande feinkörnig, sonst aber vollkommen homogen. An Zellen, welche in’stark BEN. Cu EUR BR ; - Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 5833 nnter Käsbegen von Chromsäure und chromsaurem Ammoniak jacerirt waren, wird die Körnelung gröber. Die von vielen Autoren | ne concentrische Streifung konnte ich nur an Zellen wahr- », welche mit Ueberosmiumsäure, stärkeren Chromsäurelösungen Pierinschwefelsäure behandelt waren. Amı schönsten habe ich sie ı meinen in '/,procentiger Chromsäure gehärteten Schnittpräparaten ten sehen. Wie ich auf diesen oft beobachten konnte, setzt sich die Streifung auch auf den Ausläufer fort, wobei sie dann die concen- "he Richtung aufgiebt und dem Verlaufe des Ausläufers folgt, doch äufer vollkommen homogen und zeigt höchstens eine äusserst feine Körnelung. Der Uebergang von dem gestreiften Protoplasma der Zelle in den homogenen Fortsatz geschieht in der Weise, dass letzterer in der Nähe der Zelle von ersterem wie von einer Scheide umgeben wird. ı dringt der homogene Fortsatz bis in die Zelle selbst vor, so dass dann Bilder entstehen, bei deren Betrachtung man an einen Kernfortsatz denken könnte. Ich möchte jedoch diesen Bildern keine zu grosse Be- weiskraft zuschreiben, da die Zellen, an denen sie auftreten, meist schlecht erhaltene sind. - Was die Frage nach der Zahl der Fortsütze der Ganglienzellen an- belangt, so muss ich mich unbedingt für die Unipolarität derselben »n, wenigstens für die Unipolarität in dem Sinne, dass, wenn » Fortsätze vorhanden sind, diese sämmtlich von demselben ol der Zelle entspringen. In der weitaus grössten Anzahl der Fälle st mir nämlich sowohl auf Schnitten, wie bei Isolationspräparaten an e Zelle nur ein Fortsatz zu Gesicht gekommen. Nur einige wenige Wale konnte ich bei Isolationspräparaten, die aus in höchst verdünntem »msauren Ammoniak macerirten Stücken von Ganglien hergestellt ‚ dicht neben dem Hauptfortsatz, von demselben Protoplasmakegel 5, welcher den Uebergang von letzterem zum eigentlichen Zellkörper vert Jittelt, einen zweiten, sehr zarten Ausläufer sich erheben sehen, der u instigen Falle sich in einer Spiraltour um den Hauptfortsatz her- nd, meist aber schon bald über seiner Ursprungsstelle abgerissen ad 34 stellt zwei Zellen dar, an denen der Nebenfortsatz ziem- yeit erhalten ist. Die Spirale, in welcher sich der Nebenfortsatz 1 Hauptfortsatz aufwickelt, ist bei weitem steiler, als bei den serzellen der Wirbeltbiere, soweit ich diese aus Abbildungen '). Das Vorkommen von Wirklich multipolaren Zellen im Central- isysi m von Grustaceen wird vor Allem von Owssannıkow (29, 30) er Zeit wieder von Craus (6) vertreten. Wie die multipo- : (18, Pi8. 232 an: DER Eu Er en Ask BE, og nur ein Stück weit, denn in seinem spätern Verlaufe erscheint der Aus- NIE u SER TE Er N, Bar FR 0 a a an REDEN Er nA 534 | Karl Richard Krieger, laren Zellen Owssannıkow’s zu Stande gekommen sind, hat bereits Diet (9, p. 8) dargelegt, nämlich dadurch , dass bei Schrumpfung des Proto- plasmas dieses stellenweise an der Bindegewebskapsel hängen blieb. Craus (6) bildet in Fig. 56 «a multipolare Zellen aus dem Nerven- system der Phronimiden ab, sagt aber leider nicht, ob dieselben nach Schnitten oder nach Isolationspräparaten gezeichnet sind. Sollte letzteres der Fall sein, so wäre damit das Vorkommen von multipolaren Zellen im Centralnervensystem der Crustaceen bewiesen, sollten sie aber nach Schnittpräparaten gezeichnet sein, so möchte ich doch an einen Irrthum glauben. Craus sagt zwar, dass Bindegewebshüllen für die einzelnen Zellen nicht vorhanden seien, es liegen aber, wie aus seinen Zeichnungen hervorgeht, die einzelnen Zellen nicht dicht gedrängt nebeneinander und man wird annehmen können, dass der zwischen ihnen befindliche Raum von einer festen Zwischensubstanz ausgefüllt ist, an welche sich bei Schrumpfung des Protoplasmas einige Stränge anheften können. Auch haben von den abgebildeten Zellen namentlich die unten rechts und unten in der Mitte befindlichen, ganz das Aussehen, als ob sie auf die angegebene Weise geschrumpft wären. Allerdings bliebe dann noch die Länge einzelner dieser Fortsätze unaufgeklärt, doch könnte auf Schnitt- präparaten die Zwischensubstanz zwischen den einzelnen Zellen, die ja doch wohl vorhanden ist, zu Täuschungen Anlass gegeben haben. Jeden- falls ist es mir niemals gelungen, auf Isolationspräparaten eine multi- polare Zelle aufzufinden, was doch da, wo solche wirklich vorhanden sind, z. B. bei den Wirbelthieren, nicht allzu schwer ist, und ebenso- wenig konnte ich eine solche auf Schnittpräparaten von gut gehärteten Ganglien entdecken. Auch bipolare Zellen, wie sie Graus in Fig. 56 b abbildet, kommen nach meinen Erfahrungen im Gentralnervensystem von Astacus nicht vor. Es erscheint allerdings für den ersten Augenblick befremdend, dass während im Centralnervensystem der Wirbelthiere sich zahlreiche mul- tipolare Zellen vorfinden, solche in dem entsprechenden Organ. der Ar- thropoden nicht vorhanden sein sollen, allein dieses Verhalten findet nach meiner Ansicht in der verschiedenen Lagerung der nervösen Ele- mente bei den beiden Typen seine einfache Erklärung. Bei den Wir- belthieren finden sich die Ganglienzellen im Innern der Nervencentren untermischt mit anderen Elementen und müssen daher, um mit diesen in Verbindung zu treten, nach allen Seiten Ausläufer aussenden. Bei den Arthropoden dagegen sind sie auf die Peripherie der Ganglien be- schränkt, wo sie, nur von dem die einzelnen Zellen trennenden Binde- gewebe unterbrochen, abgeschlossene Lager bilden, während alle an- deren Elemente mehr in das Innere der Ganglien verlegt sind. Um nun | 4 j [ | Ei 7 ln. DE De ars m: 5 . r ae ' Fi » Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 535 ese zu ‚erreichen, müssten alle Ausläufer einer Ganglienzelle, wenn sre vorhanden wären, zunächst so ziemlich denselben Weg ein- zen und es ist wohl leicht zu erklären, dass sie hierbei zu einem einzigen verschmelzen, der sich erst im Innern des Ganglions in meh- _ rere ÄAeste theilt, 2 Der Kern der Ganglienzellen ist stets kugelrund. Er besitzt eine eigene Membran, von deren Existenz man sich an Isolationspräparaten, und zwar namentlich an solchen, die mit Ueberosmiumsäure und Piero- earmin behandelt waren, leicht überzeugen kann. Besonders deutlich _ wird die Kernmembran an zerdrückten Zellen, bei denen sie oft Falten - wirft oder Risse zeigt. Auch feine Schnitte, in denen eine Scheibe von _ einem grossen Kern enthalten ist, lassen die Kernmembran deutlich erkennen. Der Inhalt der Kerne erscheint im frischen Zustand klar und - vollkommen homogen, ebenso nach Maceration in stark verdünntem _ ehromsauren Ammoniak. Andere Reagentien, als Ueberosmiumsäure, - Chromsäure in nicht allzu dünnen Lösungen, Pierinschwefelsäure lassen _ eine Körnelung in demselben auftreten. Die einzelnen Körnchen ordnen ‚sich manchmal zu einem Reticulum,, in welchem dann die Kernkörper- _ eben suspendirt sind. Letztere sind namentlich in den grösseren Zellen meist in mehrfacher Zahl vertreten, eins davon ist gewöhnlich der Kernmembran dicht angelagert, während die anderen sich mehr in der Mitte befinden. Sie besitzen ein ausserordentlich starkes Lichtbre- _ ehungsvermögen und nehmen sehr begierig Farbstoffe auf. Auch durch - Osmiumsäure werden sie viel stärker gefärbt, als die übrigen Theile der Zelle: sie sind schon vollkommen schwarz, wenn der übrige Zellinhalt ‚erst eine schwach gelb-graue Färbung zeigt. sg Was das Verhältniss der Grösse des Kerns zu der der ganzen Zelle betrifft, so ist schon von Dierı ganz richtig hervorgehoben worden, dass je mehr die Zelle an Grösse abnimmt, desto grösser im Verhältniss der Kern wird. Dieses Steigen der Kerngrösse beim Kleinerwerden der I Zelle geht ziemlich regelmässig in der Weise vor sich, dass man, wenn — £ d ır Durchmesser einer beliebigen Zelle gleich n, der ihres Kernes gleich a er : bee a 21 er Pe ar u » m ist, bei einer anderen Zelle von — Durchmesser einen — grossen Kern A ‘warten kann. So beträgt z. B. der Durchmesser der grössten Gan- glienzellen im Centralnervensystem des Flusskrebses, wie sie sich in en Abdominalganglien finden, 0,17mm, der ihres Kernes 0,06 mm. m etwa ein Drittel kleinere Ganglienzellen, nämlich solche von 0,06mm AR hmesser kommen namentlich in den Thoracalganglien sehr reich- r; misst man den Durchmesser ihrer Kerne, so wird man ihn ‚03 m gross finden. Gerade ein Drittel weniger als diese Li Tg u. he r 5 ”- ei ee £ [2 Bo = ee 2 ae 7 re aa r ’ re 35 a eo # Be", “ Br P 2 0. ae 2 996 Karl Richard Krieger, wieder, nämlich 0,02mm, halten die kleinsten Zellen mit deutlichem Protoplasmasaum, welche überhaupt im Centralnervensystem des Kreb- ses vorkommen, im Durchmesser und wieder im Einklange mit der aufgestellten Regel beträgt der Durchmesser ihres Kernes 0,045 ının. Natürlich kommen auch Abweichungen von derselben vor, doch sind diese nie sehr bedeutend. In Bezug auf die Eintheilung der Ganglienzellen schliesse ich mich ebenfalls Dıerz (9, p. 13 u. 14) an, nur möchte ich seine Abtheilungen 2 und 3 in eine einzige zusammenziehen, da beide ganz allmälig in ein- ander übergehen. Auch bemerkt DierL selbst, dass sich zahlreiche Uebergangsformen zwischen beiden finden. Ich würde also folgender- massen eintheilen: a. Zellen mit deutlichem Protoplasma, der Kern enthält meist mehrere Kernkörperchen. Setzen alle Ganglienzellenlager mit Aus- nahme der unter b hervorgehobenen zusammen. (Dıerı 2 und 3. Die erste Abtheilung Dierr’s fehlt bei Astacus.) b. Kleine Zellen mit sehr schmalem Protoplasmasaum , der meist nur an der Ansatzstelle des Fortsatzes deutlich wird. Kern mit Kern- körperchen. Setzen die seitlichen Ganglienzellenlager des Gehirns und die in Fig. 3 mit g% bezeichneten Ganglienzellenlager des unteren Schlundganglions zusammen (Diet A). c. Sehr kleine kernartige Elemente mit Fortsätzen. Protoplasma ist überhaupt nicht mehr nachzuweisen. Inhalt stark lichtbrechend, mit feiner Körnelung, aber ohne besonders hervortretende Kernkörper- chen. Bilden keine Lager, sondern finden sich in der Rinde verschiede- ner Punktsubstanzballen (Dıerr 5 ?). | Ich glaube Dierı richtig verstanden zu haben , wenn ich meine Ab- theilung c auf seine fünfte beziehe. Allerdings sagt er, dass der Inhalt der betreffenden Kerne vollkommen homogen sei, während er mir stets feinkörnig erschien und beschränkt sie auf die Augenanschwellungen, während mir es gelang, dieselben, wenn auch nicht so zahlreich, wie dort, auch in der Rinde anderer Punktsubstanzballen nachzuweisen. B. Faserige Elemente. Die faserigen Elemente lassen sich nach der Art ihrer Verwendung beim Aufbau der Ganglien in Ganglien- zellenfortsätze, Fasern der Quercommissuren, Fasern der Längscom- missuren und peripherische Nervenfasern, nach ihrer histologischen Be- schaffenheit in starke, röhrige und feine, fibrillenartige eintheilen. Im Gegensatz zu vielen Autoren muss ich nach meinen Erfahrungen bestreiten, dass die starken, röhrigen Fasern sich aus Primitivfibrillen zusammensetzen. Ihr Inhalt lässt nämlich im vollkommen frischen Zu- stande nicht die geringste Spur einer Streifung erkennen, sondern ist nn Een nz > Ye das WER des Flusskrebses. 537 ollke mmen RER hell und dickflüssig, wie dies schon ältere Auto- ren wi e Heı.mnourz 15) und Hazcxer (13) richtig angeben und wie dies im neuerer Zeit Yung (41) bestätigt hat. Wird auf durchschnittene, - frische Nervenfasern ein Druck ausgeübt, so fliesst der Inhalt an den freien Enden aus. Mehrere Male konnte ich auch in Fasern, in denen in Folge der beginnenden Zersetzung Körnchen auftraten, an diesen eine Moleceularbewegung wahrnehmen. Eine solche wurde =. von Bort |&) im Achsencylinder einer zum elektrischen Nerven von Torpedo gehöri- E gen Nervenfaser beobachtet. Nach der Maceration in chromsauren Salzen _ wird der Inhalt körnig, aber die Körnchen zeigen nur selten und auch dann nur sehr undeutlich eine Anordnung zu Streifen in der Richtung _ der Längsachse der Faser. Auf in Pierocarmin gefärbten Schnitten von -_ in Chromsäure gehärteten Ganglien ist der Inhalt der Nervenfasern zart rosa gefärbt und fast homogen, nur eine sehr schwache Körnelung macht sich bemerkbar. Beim Härten muss er eine bedeutende Volum- verminderung erfahren, denn er füllt auf Schnittpräparaten meist nicht - mehr die Scheide vollständig aus. Dabei zieht er sich entweder, wie es 4 scheint, in Folge der Schwerkraft, auf die eine Seite der Faser zurück Eiverg). Fig. 24, 25 und 26cen,), oder er erfüllt hintereinander gelegene _ men frei. Unter den Fasern der Längscommissuren zeichnen sich jederseits zwei vor allen übrigen durch ihre Grösse aus. Es sind dies die soge- z De inten kolossalen Nervenfasern. In ihnen entdeckte Remak (33, 34) n Bündel von feinen Fasern, welches von den meisten späteren Beob- _ achtern wieder gefunden und als ein dem Achsencylinder der Wirbel- ‚thiernervenfaser homologes Primitivfibrillenbündel aufgefasst wurde. Auch ich habe dasselbe gesehen, aber stets nur an solchen Fasern, welche in Zersetzung übergingen und kann daher nicht umhin, es für ı bei der Zersetzung entstehendes Gerinnungsproduct zu erklären. A Anl yesten bekommt man dasselbe zu Gesicht, wenn man ein Stück einer ‚ängscommissur, das man am besten dem Zwischenraum zwischen zwei minalganglien entnimmt, in Krebsblut zerzupft oder auch in der- be »n Flüssigkeit in toto von oben unter starker Vergrösserung be- Hat man das Präparat einem eben getödteten oder lebenden or entnommen und sich bei der Präparation möglichst beeilt, so wird 2 = ich: st der Inhalt auch der kolossalen Nervenfasern vollkommen klar dh 1omogen erscheinen. Doch schon nach Verlauf von einer bis fünf ıter ändert sich das Bild: In der Mitte der Faser tritt ein zunächst Ei fei nkörniger Streif auf, dessen Durchmesser etwa ein Viertel so i Hals der der ganzen Faser, und wenig RES gewahrt man in Re Ä BE 3 2 NE IT P7 s ee el 2, 2 = BT: ‚ge Ze ee ar } ; . ie a eK Te ee TE zu An - Stücke der Scheide theils vollkommen, theils lässt er sie vollkom- h . $ ; KA Re A u Er u ae 538 Ä Karl Richard Krieger, diesem Streif zunächst noch sehr undeutlich gerade, längs verlaufende, äusserst feine Linien, die mit der Zeit etwas deutlicher werden, aber immer etwas blass bleiben. Noch später beginnt der Streif, der also. jetzt als Fibrillenbündel erscheint, sich ganz allmälig in Form einer Schlangenlinie zu krümmen. Dieses Stadium ist in Fig. 36 dargestellt. Bis hierher hat der den Streif umgebende Faserinhalt seine Homogenität bewahrt, nun aber stellen sich, während die Krümmungen immer steiler werden, in demselben Körnchen und von einer scharfen Linie be- grenzte, tropfenartige Gebilde ein, wie sie bereits von Hrımnortz (15) und Haeckeı (13) als in sich zersetzenden Fasern auftretend beschrieben werden. Im mittleren Streif beginnen darauf die einzelnen feinen Linien ihre bis dahin bewahrte Parallelität aufzugeben und legen sich’in kleineren Partien in Form von unregelmässigen Wellenlinien zusammen. Wenn diese Linien von feinen Fibrillen gebildet würden, müssten diese ein ganz ausserordentlich grosses Ausdehnungsvermögen besitzen. Aber gerade der Anblick, welchen der Streif in diesem Stadium gewährt, macht es mir sehr wahrscheinlich , dass Fibrillen in demselben gar nicht vorhanden sind, sondern ihre Bilder durch Flüssigkeiten von verschie- dener Dichtigkeit, in welche der Inhalt zerfallen ist und die in dünnen Lagen neben einander liegen, vorgetäuscht werden, denn die in dem - Streif in diesem Stadium sichtbare Zeichnung erinnert stark an die Wol- ken, welche sich bilden, wenn man zwei Flüssigkeiten von verschiede- ner Dichtigkeit, z.B. Wasser und Glycerin, mit einander mischt. Indem späterhin die tropfenartigen Gebilde immer mehr überhand nehmen, geht der Inhalt der Faser seinem vollkommenen Zerfall entgegen. Wird die Faser frisch in dünne Lösungen von CGhromsäure oder deren Salzen gebracht, so treten die beschriebenen Zeichnungen nicht auf, sondern der Inhalt wird gleich dem anderer Fasern körnig. re Jede stärkere Faser ist von einem hellen, starren, elastischen Neu- rilemmrohr umgeben, an dessen Innenseite sich längliche Kerne mit ziemlich grobkörnigem Inhalt befinden. Die Länge dieser Kerne beträgt etwa 0,02, ihre Breite 0,01, ihre Höhe 0,004mm. Sie liegen mit einer ihrer flachen Seiten dem Neurilemm dicht an und sind von einem aus einer homogenen Substanz bestehenden Hof umgeben, der sich in schar- fer Linie von dem Faserinhalt absetzt (Fig. 36a). Der Länge der Faser und des Kerns nach spitzt sich der Hof, sich dicht an das Neurilemm anlegend, zu. Einige Male sah ich zwei nahe bei einander gelegene ‚Kerne in einen Hof eingebettet (Fig. 365). Irgend etwas, was den Ranvier'schen Einschnürungen entspräche, habe ich an den Nerven- fasern nicht wahrnehmen können. Der Durchmesser der gewöhnlichen rn gi we .. Pu % > « Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses, 539 Feat erreicht den W erth von 0,4 mm und Bei derüiber‘. Die stärkeren Fasern bilden die Kuh he der Faserzüge des _ Nervensystems, ihnen würden die Ausläufer der grösseren Ganglien- zellen (p. 536, Abtheilung a) zuzurechnen sein, aus ihnen setzen sich die Längscommissuren,, die Dssmmitkiaren innerhalb der Ganglien und der grösste Theil der peripherischen Nerven zusammen. Eine weit geringere Verbreitung haben die feineren, fibrillen- artigen Fasern aufzuweisen. Sie erscheinen selbst bei stärkeren Ver- grösserungen als einfache Linien, auf Querschnitten als Punkte, es lässt > sich also über ihre Structur nichts genaueres mittheilen. Möglicher Weise sind sie nur eine äusserst feine Modification der stärkeren Fasern, wenigstens scheinen sie noch einer Theilung fähig zu sein, da die Fa- sern, aus denen die später zu beschreibende Punktsubstanz besteht, ein noch feineres und zarteres Aussehen haben, als die feinen Fasern, welche sich in ihr auflösen. E Zu den feinen Fasern gehören die Ausläufer der protoplasmaarmen _ und protoplasmafreien Ganglienzellen (Abtheilung b und ec); sie (die feinen Fasern) setzen den das Ghiasma bildenden Theil des Augenner- _ ven und einen Theil des Nerven der inneren Antennen zusammen. - Möglicher Weise sind auch einzelne von ihnen anderen Nervenbündeln beigemischt, doch lässt sich dies, da sie nur zu grösseren Massen ver- ‚einigt erkennbar sind, nicht mit Sicherheit feststellen. Da wo sie in grösserer Anzahl peripherische Nervenstämme zusam- mensetzen helfen, werden sie vom Bindegewebe zunächst in grössere, _ rundliche Bündel verpackt (Fig. 16 f). Von der Hülle dieser Bündel aus erstrecken sich dann mit der Längsachse des Bündels parallel ver- _ laufende, bindegewebige Septen in die Fasermasse hinein, die, indem - sie sich mehrfach theilen und verästeln, die Fasern in kleinere Bündel sondern. Wir haben es also hier mit einer Art der Verpackung feinster ' Fasern zu thun, die ganz mit der übereinstimmt, welche von Hermann (16) und Hans Beil LTZE (35) als Abfächerung für ie Nerven von Hirudo, ä Br eopöden und Lamellibranchiaten beschrieben wurde. €. Punktsubstanz und Beziehungen zwischen Gan- ienzelle und Nervenfaser. Im Innern sämmtlicher Ganglien s Flusskrebses bemerkt man schon bei der Betrachtung mit dem f ur ssen Auge im frischen Zustande weissliche Ballen von ziemlich an- nlicher Grösse. Nimmt man das Mikroskop zu Hülfe, so sieht man, dieselben weder aus Ganglienzellen, noch aus Faserbündeln be- ‚ sie scheinen sich vielmehr auf Schnitten sowohl, wie auf Zupf- aus einer feinkörnigen Masse zusammenzusetzen. Diese NM A 540 i Karl Richard Krieger, Masse wurde zuerst von Leyvie (25, p. 89, 91, 152, 226) genauer unter- sucht und mit dem Namen » Punktsubstanz « belegt. Später hat sich namentlich Dırrı (7”—9) mit denselben eingehender beschäftigt und sie als »Marksubstanz« bezeichnet. Ich behalte den älteren Namen bei, da er sieihrem Aussehen nach sehr gut charakterisirt und der Name » Mark- substanz « zu leicht zu Verwechselungen mit dem Mark der Wirbelthier- nervenfasern, mit dem sie durchaus nichts zu thun hat, Anlass geben kann. Von anderen Forschern, die sich mit dem Nervensystem der Wirbellosen beschäftigt haben, ist sie vielfach übersehen oder auf Schnitten mit quergeschnittenen Faserbündeln verwechselt worden. So von OwsJannıkow (29, 30) und in neuester Zeit wieder von Yune (#1). Wenigstens glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich bei Letzterem in » des espaces arrondis ayant un aspect granuleux et qu’un plus fort gros- sissement montre remplis par des lumieres de fibres tr&s &troites« die Punktsubstanz erkenne. Mit quergeschnittenen feinen Nervenfasern kann sie auf Schnitten allerdings einige Aebnlichkeit haben, doch hätten . die betreffenden Forscher durch in verschiedener Richtung geführte Schnitte von der Irrigkeit ihrer Auffassung überzeugt werden müssen. Doch was ist diese Punktsubstanz? Meine Untersuchungen haben mich zu demselben Resultat geführt, zu dem Leyvıs und Dırrı kamen, das weiter von H. Scuurtze (35) und BerLoner (1) bestätigt wurde. Die Punktsubstanz ist ein Netzwerk, oder vielleicht richtiger ein Filz von feinsten Fasern. Um sich hiervon zu überzeugen, empfehle ich vor Allem zwei Methoden. Die eine, welche bereits DiırrL mit Erfolg anwandte, ist die, von in Osmium gehärteten Ganglien möglichst feine Querschnitte anzufertigen und dieselben bei starken Vergrösserungen zu betrachten, die andere besteht in Folgendem: Man lässt ein Stück eines Ganglions mehrere Tage in einer 0,04procentigen Lösung von chromsaurem Am- moniak maceriren, zerzupft hierauf die Punktsubstanz möglichst fein mit Nadeln und bringt sie mit reichlicher Flüssigkeit unter ein mit Wachsfüsschen versehenes Deckglas. Sodann klopft man eine Zeit lang mit einem leichten Körper, etwa dem Nadelstiel, leise auf das Deckglas, wodurch in Folge der dabei entstehenden Strömungen der Zusammen- hang der einzelnen Gewebstheile noch mehr gelockert wird, und be- trachtet endlich das Präparat bei starken Vergrösserungen. Namentlich am Rande der einzelnen Bröckchen wird man deutlich wahrnehmen, dass die Punktsubstanz aus äusserst feinen, einander durchflechtenden Fäserchen besteht. Auch in Bezug auf das Verhältniss der Punktsubstanz zu den Gan- glienzellen und peripherischen Nervenfasern stimme ich vollkommen mit den oben genannten Autoren überein. Die Ganglienzellenausläufer lösen 2,2 n Wr. en 4 % 4 N ae 7°: h - BR > Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 541 B. ‚sich, indem sie sich in immer feinere Aeste theilen, in der Punktsubstanz auf oder sie bilden vielmehr dieselbe, indem die durch ihre Theilungen e tstandenen feinsten Fasern sich auf die verschiedenste Weise durch- _ flechten, und andererseits kommen die peripherischen Nervenfasern aus den Punktsubstanzballen hervor, nachdem sie sich durch die Vereinigung - verschiedener solcher feinster Fasern constituirt haben. Dabei geht nach meiner Ansicht, da ich weder in den Ganglienzellenfortsätzen, noch in - den peripherischen Nerven irgend welche Differenzirungen entdecken - konnte, sondern beide von einer vollkommen homogenen Masse erfüllt fand, die Theilung nicht etwa in der Weise vor sieh, dass schon vorher getrennt neben einander herlaufende Elemente (Primitivfibrillen), nur ihren gemeinsamen Verlauf aufgeben, sondern der vorher gemeinsame Inhalt einer Faser theilt sich in mehrere Aeste, wie sich das Wasser in den Röhren einer Wasserleitung theilt, die die verschiedenen Häuser einer Stadt zu versorgen hat und in ähnlicher Weise verschmilzt der In- Ber der einzelnen Fäserchen, die zu einer peripherischen Nervenfaser ammentreten, nach meiner Auffassung ebenso zu einer gemeinsamen Masse, wie sich das Wasser verschiedener Bäche zu einem Flusse ver- Der hier vertretenen Ansicht über die Bedeutung der Punktsubstanz für das Gentralnervensystem ist Craus in seiner Schrift über die Organi- sation der Phronimiden entgegengetreten und allerdings sind seine Zeich- nungen, welche den directen Uebergang eines Ganglienzellenausläufers in eine peripherische Nervenfaser demonstriren, vor Allem Fig. 55, urchaus überzeugend. Nur ist er darin entschieden zu weit gegangen, ; er, weil er den direeten Zusammenhang zwischen Ganglienzelle und peripherischer Nervenfaser nachgewiesen hat, den Zusammenhang dieser Gebilde unter Dazwischentretien der Punktsubstanz überhaupt leugnet. Für den Flusskrebs wenigstens glaube ich mit Bestimmtheit behaupten zu können, dass ein solcher stattfindet, und wenn sich der- elt e nieht mit der Klarheit auf Zeichnungen nachweisen lässt, wie cte Uebergang, so hofle ich doch, dass Präparate, wie die in den ıren 15, 20, 23, 27, 28, 31 und 33 dbechideten auch einige Beweis- alt fi besitzen Sen; Ich will zugeben, dass auch bei Astacus Ganglien- vorkommen mögen, deren Ausläufer direct in eine peripherische > aser übergehen, nur ist mir ein solcher directer Uebergang auf äparaten nie zu Gesicht gekommen. Sollte ein solcher statt- so würde sich eine interessante Parallele zu den Angaben GeEr- das Rückenmark der Wirbelthiere darbieten, in welchem er ‚beide en der Deren zwischen Ganglienzelle und 942 Karl Richard Krieger, 2. Bindegewebe. In den bisher erschienenen Abhandlungen über das Nervensystem wirbelloser Thiere wird mit »Neurilemm« bald die Hülle des ganzen Nervensystems, bald die der einzelnen Nervenfaser bezeichnet. Da nun diese Bezeichnungsweise leicht zu Verwechselungen Anlass geben kann, mache ich den Vorschlag, die Hülle der Ganglienknoten, Längscommis- suren und peripherischen Nerven mit dem auch bei den Wirbelthieren für die Hülle des ganzen Nerven angewandten Namen »Perineurium« zu belegen und nur die Hülle der einzelnen Fasern Neurilemm zu nennen. Das Perineurium des Flusskrebses besteht aus einer derben, hellen, elastischen Haut, an welcher sich im frischen Zustande keine weiteren Differenzirungen nachweisen lassen. Lässt man aber ein Stück des Ner- vensystems etwa zwei Tage lang in einer zweiprocentigen, wässerigen Lösung von chromsaurem Ammoniak liegen, präparirt dann das Peri- neurium ab und hetrachtet es von der Fläche, so erkennt man in dem- selben (vergl. Fig. 37) aus feinen Fasern bestehende Bänder, welche sich unter spitzen Winkeln kreuzen und längliche Kerne von ungefähr 0,02 mm Länge und 0,014 mm Breite. Eine andere Eigenthümlichkeit der Structur tritt hervor, wenn man die Ganglien in der bei Beschreibung der Methoden angegebenen Weise mit Ueberosmiumsäure und Picrocar- min behandelt. Man gewahrt dann an der Innenseite des Perineuriums, vor Allem an dem von der Unterfläche der Ganglien, ein äusserst zier- liches Netzwerk, dessen einzelne Fasern zu sternförmigen Knotenpunkten zusammentreten und vielfach über- und untereinander hinlaufen. Nach der Oberseite der Ganglien zu werden die einzelnen Fasern länger und dünner und damit das ganze Netzwerk undeutlich. An dem Perineurium der Längscommissuren finden sich nur Andeutungen, an dem der peri- pherischen Nerven gar nichts davon. Ueber die Bedeutung dieses Netz- werkes konnte ich nicht ins Klare kommen; vielleicht ist es muskulös, wenigstens zeigen seine Umrisse eine grosse Aehnlichkeit mit denen des Muskelnetzes, welches LeuckArr an der uterusähnlichen Scheide der Pupiparen auffand und beschrieb (23). Nach aussen vom Perineurium trifft man noch auf eine zweite Hülle des Nervensystems, das äussere Neurilemm der Autoren. Dieselbe be- steht aus zellig-blasigem Bindegewebe !) und dient zur Fixirung des Ner- vensystems innerhalb der Leibeshöhle, wie es auch alle andern Organe innerhalb derselben umkleidet. Mit dem Nervensystem selbst steht es nur in sehr loser Verbindung und trennt sich meist schon beim Heraus- präpariren des letzteren von ihm ab. 1) Vergl. Leypıc (25, p. 29 ff.). ee 2. Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 543 An Nach innen zu vom Perineurium stösst man häufig ebenfalls auf & Be Nesisee Bindegewebe, welches hier dazu dient, Lücken, die zwi- schen dem Perineurium und den nervösen Etuinähten entstehen, auszu- füllen. Besonders reichlich ist dasselbe am Gehirn und am unteren n ee inasanstion ausgebildet. Das letztere wird vollkommen von einer Lage dieses Gewebes umbüllt, die sich auf der Unterseite zu einem an- sehnlichen Polster erweitert. Im Innern der Ganglien tritt das Bindegewebe in Form von Blättern und Fasern auf, welche einzelne Abtheilungen derselben umhüllen und ihnen zur Stütze dienen. Es ist immer leicht an den ihm eigenthüm- lichen, länglichen Kernen, von ungefähr 0,02 mm Länge und 0,04 bis 0,045 mm Breite zu erkennen. Bemerkenswerth ist, dass diese Kerne beim Hummer nur eine Länge von 0,0075 bei einer Breite von 0,004 mm erreichen, wie überhaupt die zelligen Elemente im Nervensystem des Hummers im Durchschnitt viel kleiner sind als die entsprechenden des Flusskrebses. Eine Ausnahme hiervon machen die grossen Ganglien- zellen in den Abdominalganglien und die kolossalen Nervenfasern. Von den Bindegewebskapseln der Ganglienzellen und den Septen in den aus feinen Fasern gebildeten Nervenbündeln ist bereits bei den nervösen Elementen die Rede gewesen. vi U. Topographisches. I. Gehirn. Das Gehirn des Flusskrebses hat die Gestalt einer Scheibe, deren - Höhe in der Mitte etwa 1,3 mm beträgt und nach vern und hinten bis auf mm abnimmt!). Die Umrisse dieser Scheibe gleichen von oben | gesehen (vergl. Fig. 4) einem symmetrischen Paralleltrapez , auf dessen nach vorn gewandte Seite ein niedriges Rechteck aufgesetzt ist. Von den Seiten dieses Trapezes misst die grössere der Parallelseiten, welche ; nach vorn gekehrt ist gegen 3,5, die kleinere hintere gegen 2 mm, wäh- - rend die nicht parallelen eine Länge von etwa 1,5 mm haben. Die Höhe 7 es vorn aufgesetzten Rechtecks beträgt 0,5 mm, seine Basis ist etwa ngen die ernähren (Fig. A ab von den ordiei Ecken des Tra- es die Nerven für den vorderen Theil der Wand des Gephalothorax 4) Alle Maassangaben beziehen sich auf das in Chromsäure gehärtete Nerven- eines Krebses von ungefähr 42 cm Länge. Um eine möglichst genaue Topo- zu ermöglichen, wurden ziemlich viel Biaagsanzahen Semacht, obgleich sich 544 Karl Richard Krieger, (nerves legumentaires von MıLne Epwarns) (Fig. I nt), von den hinteren Ecken des Trapezes die Nerven für die grossen Antennen /Fig. I naa) und endlich von der hinteren Seite desselben die Schlundeommissuren (Fig. 1 sc). Die Nerven für die kleinen Antennen kommen an der unte- ren Fläche des Gehirns und zwar ungefähr in der Mitte derselben 1,5 mm von einander entfernt zum Vorschein. Ausser diesen stärkeren Nerven sind noch vier äusserst schwache zu erwähnen, von denen zwei (Fig. I nom), die Augenmuskelnerven, das Gehirn an seiner Oberfläche etwas hinter den hinteren Ecken des vorn aufgesetzten Rechtecks ver- lassen, während von den zwei anderen unpaaren der eine von der - Vorderfläche des Gehirns zwischen den Augennerven, der andere von der Hinterfläche desselben zwischen den Schlundceominissuren entspringt (Fig. I ns, und ns,). Beide treten später mit dem Geflecht der Magen- nerven in Verbindung. Zerlegt man das Gehirn in Querschnitte, so fallen auf den ersten derselben vor Allem die Querschnitte der beiden Augennerven in die Augen. An denselben unterscheidet man mit Leichtigkeit zweierlei Fasern: stärkere, die sich mit Garmin dunkler färben, und äusserst feine, nur sehr schwach gefärbte. Letztere bilden ein cylindrisches Bündel von 0,15 mm Durchmesser, welches von ersteren allseitig um- geben wird, aber nicht in der Mitte derselben , sondern etwas nach innen gelegen ist. Der ganze Nerv hat einen Durchmesser von 0,4 mm. Wir wollen nun, indem wir alles Andere zunächst vernachlässigen, dem . aus feinen Fasern bestehenden Bündel in das Innere des Gehirns folgen und seinen Ursprung festzustellen suchen. Indem es sich langsam senkt und in schräger Richtung der Medianebene des Gehirns zustrebt, trifft es 0,8 mm hinter der Vorderfläche des letzteren mit dem entsprechen- den Bündel der anderen Seite zusammen. Beide vereinigen sich und bilden ein Chiasma , dessen hintere Schenkel etwa 0,35 mm hinter dem Vereinigungspunkt auseinandergehen. In diesem Chiasma scheint mir nicht, wie Dıerr (7) und Berger (2) angeben, eine Semidecussation, sondern eine vollständige Kreuzung der Fasern stattzufinden, wenigstens habe ich Fasern, die auf derselben Seite bleiben, nicht mit Sicherheit nachweisen können. Die beiden hinteren Schenkel des Chiasmas biegen in einem Bogen nach aussen um und gelangen, indem sie sich zunächst noch weiter senken, später wieder etwas heben, endlich zu denjenigen Gebilden,, welche Dırrı (7) und Bereer (2) wohl mit Recht als Homo- loga der pilzhutförmigen Körper im Gehirn der Inseeten ansehen. Es sind dies zwei hintereinander gelegene, aus Punktsubstanz bestehende Ballen. — Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 545 Der vordere von ihnen {Fig. I, 13, 44 und 15 7) ist etwas kleiner alsder hintere. Er erscheint auf Horizohlalschnittän nahezu kreisrund, ‚auf Querschnitten nierenför mig mit nach innen gekehrter CGoncavität, so dass man seine Gesammitgestalt als dick nierenförmig bezeichnen kann. Der obere Theil der aufrecht stehenden Niere ist stärker entwickelt als der untere. Die Höhe derselben beträgt 0,8, die grösste Breite 0,55 mm. Nach hinten zu findet sich an ihm eine etwa 0,3 mm im Durchmesser haltende Oeffnung, durch welche Nervenfasern ein- und austreten. Die Punktsubstanz des Ballens zeichnet sich durch besondere Feinheit und Gleichmässigkeit des sie zusammensetzenden Faserfilzes aus. Die Gleich- mässigkeit würde eine vollkommene sein, wenn nicht auf den Schnitten die bereits von Dıerı beschriebenen, meist keilförmig erscheinenden Flecken auftreten, an denen die Punktsubstanz eine grössere Dichtigkeit und die Fähigkeit sich stärker als gewöhnlich mit Farbstoffen zu imbibiren, be- sitzt. Diese Flecken sind der Ausdruck von drei- oder vierseitigen ziem- lich langgestreckten Pyramiden, welche ihre etwas abgestumpften Spitzen der Mitte des Ballens zuwenden, während ihre Basis ungefähr mit der Rinde desselben zusammenfällt. Sie haben eine Höhe von etwa 0,13 mm, - der Durchmesser ihrer Basis misst 0,05—0,07 mm. Auf einem Horizon- talschnitt durch den oberen, stärkeren Theil des Ballens, kurz über der _ Oeffnung, durch welche die Nervenfasern ein- und austreten, zählt man ihrer 13—15. 4 Dicht hinter dem beschriebenen liegt der zweite, etwas grössere Ballen (Fig. 1, 43 und 45 IT). Er hat die Gestalt eines mit dem spitzeren Pole nach unten gekehrten Eies von 1,15 mm Längs- und 0,8 mm grösstem Breitendurchmesser. An seiner vorderen Seite, gegenüber der entsprechenden Oeflnung des vorderen Ballens ist auch seine Wand $ durchbrochen, um den mit ihm in Beziehung stehenden Nervenfasern den Ein- und Austritt zu gestatten. Auf Schnitten erscheint seine äussere _ Begrenzung nicht, wie die des vorderen Ballens,, ganzrandig, sondern sehwach gelappt, so dass es den Anschein hat, als ob er sich aus einer een Anzahl kleinerer urn zusammenselze drehe da auch von j > fünf solcher kleinerer Ballen unterscheiden. Uebrigens sind dieselben Ye individuell sehr verschieden deutlich ausgebildet, oft ganz verwischt. Fig. 13 zeigt sie in ganz besonders deutlicher Ausbildung. Auch dieser Ballen besteht aus einer sehr feinen glatten Punktsubstanz und weist | derselben ähnliche Differenzirungen auf wie der vordere. Nur be- rechungen zeigt. Auf einem Horizötitalschnitt kann man drei bis Fa a ee a Fu ER a 546 Karl Richard Krieger, a: Flecken von 0,035—0,015 mm Durchmesser. Der Abstand der einzel- nen Flecken von einander beträgt 0,005—0,01 mm. Die beiderseitigen hinteren Ballen un durch eine starke, faserige Quercommissur (Fig. 4 und 43 c) mit einander verbunden. Teste zieht sich in einem nach vorn convexen Bogen unter dem hinteren Theil des Chiasma und, nachdem sie sich etwas gehoben , über den hinteren Schenkeln desselben hinweg und erreicht die hinteren Ballen in der Mitte der Höhe des vorderen Theils ihrer Innenseite. Sobald sie mit densel- ben in Berührung getreten ist, gehen ihre Fasern auseinander und um- spinnen meridianartig die Ballen, um sich später, besonders in den Zwischenräumen zwischen den einzelnen Theilballen in die Masse der- selben einzusenken. Etwa da, wo die Gommissur unter dem CGhiasma hervortritt, vereinigt sich mit ihr ein Bündel-von von vorn kommenden Fasern (Fig. 13 v), über dessen Ursprung später die Rede sein wird. Dietz (7 und 9) meint, dass diese Commissur aus Bindegewebsfasern bestehe, ich muss mich dagegen mit Berger (2) für die nervöse Natur derselben aussprechen, da ich auf Sagittalschnitten, auf denen ihre Fasern im Querschnitt getroffen sind, deutlich die für die Nervenfasern von Astacus so charakteristischen, kreisrunden Querschnittsbilder wahr- genommen habe. Die Rinde der beiden Ballen wird gebildet von Fasern, Blutgefässen und kernartigen Gebilden. Die Fasern mögen sowohl bindegewebiger, als auch nervöser Natur sein; zu äusserst findet sich eine Schicht von unzweifelhaften Bindegewebsfasern mit länglichen Kernen (vergl. Fig. 15), . welche die Ballen gegen die benachbarten Gebilde scharf abgrenzt. Die | Blutgefässe umspinnen in der Rinde die beiden Ballen und senden von hier aus zahlreiche Aeste in das Innere derselben, die darin vielfach anastomosiren. Von Kernen findet man ausser den grösseren länglichen, welche dem Bindegewebe angehören, noch kleinere von rundlicher oder abgestumpft dreieckiger Gestalt und 0,007—0,009 mm Durchmesser. Von ihrer dem Innern des Ballens zugewandten Seite sieht man meist einen Fortsatz entspringen und sich in die Punktsubstanz einsenken. Diese Fortsätze schliessen sich mit Vorliebe den Blutgefässen an, welche von der Rinde aus in das Innere des Ballens vordringen. Ich trage kein Bedenken diese Gebilde für protoplasmafreie, respective äusserst proto- plasmaarme Ganglienzellen (gangliöse Kerne) anzusehen und habe aus ihnen bei meiner Eintheilung der Ganglienzellen (siehe oben) die Ab- theilung c gebildet. Berger (2) hat an ihrer Stelle bei Squilla und Pali- nurus Zellen von deutlich ganglionöser Natur gefunden und glaubt daher ebenfalls die entsprechenden Gebilde bei Astacus zu den Ganglienzellen rechnen zu dürfen, Ber“ ee Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 547 Bajde Ballen berühren sich über und unter der Stelle, an welcher g der Sehnery zwischen sie tritt und lassen dabei eine in der Frontal- ebene verlaufende Rinne zwischen sich frei. Diese wird an der äusseren Seite durch ein aus kleinen, protoplasmaarmen Zellen gebildetes Gan- glienzellenlager (Fig. I, 13, 14 und 15 923) ausgefüllt. Dieses Lager be- deckt kappenförmig die beiden Ballen nach vorn und hinten zu ungefähr bis zur Hälfte. Ueber den vorderen Ballen greift es auch oben und unten ein Stück hinweg, über den hinteren nur an der Unterseite und zieht sich unten in der Rinne zwischen den beiden Ballen am weitesten nach _ innen. Seine äussere Begrenzung entspricht ungefähr der der Hälfte _ eines Rotationsellipsoids, dessen grosse Achse mit denen der beiden. Punktsubstanzballen parallel läuft. Seine grösste Ausdehnung beträgt von vorn nach hinten 0,75, von oben nach unten I mm, seine grösste Dicke - 0,35 mm. Die einzelnen Zellen haben einen Durchmesser von 0,043 bis 0,045 mm. | Dass Fasern, welche von diesen Zellen entspringen, zwischen den beiden Punktsubstanzballen, ohne in dieselben einzutreten, durchziehen, um sich später den Schlundeommissuren zuzuwenden, wie dies von BERGER (2, p. 32) beschrieben und abgebildet (2, Fig. 37 wird, habe - ich nie beobachten können. Nach seiner re scheint es mir, als R ob eine Verwechselung mit dem Nerve tegumentaire vorläge, da dieser 2 ungefähr denselben Verlauf hat, wie das auf Fig. 37 mit a bezeichnete 4 Bündel. Die aus dem Lager De nden Ganglienzellenausläufer 2 wenden sich vielmehr, nachdem sie in den Zwischenraum zwischen den beiden Ballen a lemgeh sind, dem Innern derselben zu, um sich in der Punktsubstanz aufzulösen. Dabei kreuzen und vermischen sich die für den hinteren Ballen bestimmten Ausläufer (Fig. 15 f 3 ı), welche bedeutend in der Mehrzahl sind, indem sie nach hinten um- biegen mit den aus dem Ballen Slktrekndan Augennervfasern und drin- gen mit diesen gemeinsam durch die oben erwähnte Oeflnung in das Innere des Ballens ein. Ist dies geschehen, so theilt sich der aus Gan- - glienzellenausläufern und Augennervfasern gebildete Stamm in mehrere ‚ Aeste, die, nachdem sie ein Stück weit in die Punktsubstanz eingedrun- „gen sind, pinselförmig auseinander fahren und sich in derselben auf- lösen. Es ist dieser gemeinsame Verlauf von Ganglienzellenausläufern und - peripherischen Nervenfasern in so fern bemerkenswerth, als wir sehen rden, dass bei allen anderen Punktsubstanzballen, mit Ausnahme vorderen, seitlichen des Gehirns, die Stellen, an welchen die er- ö 2 ER 48 Ö Karl Richard Krieger, TE Ein anderer, kleinerer Theil der aus dem äusseren Ganglienzellen- lager stammenden Fasern , besonders die aus dem oberen Theile des- selben, wendet sich dem vorderen Ballen zu. Hier treten aber die Fa- sern nicht direct in die eigentliche Punktsubstanz ein, sondern bilden zunächst in der Mitte des Ballens ein ziemlich lockeres Netzwerk fein- ster Fasern und dieses geht dann, indem es nach aussen zu immer dich- ter wird, in Punktsubstanz über. Hierdurch wird der vordere Ballen auf feinen Schnitten zu einem sehr geeigneten Object, um die histolo- gische Beschaffenheit der Punktsubstanz kennen zu lernen. Ausser den aus dem eben beschriebenen Ganglienzellenlager stam- menden erhalten die beiden Ballen noch Ganglienzellenausläufer , die aus einem nach innen zu gelegenen Lager stammen (Fig. 1, 13, 14 und 15 925). Seiner Gestalt nach gleicht dasselbe einer aufrecht stehenden auf beiden Seiten concav aufgeschliffenen Platte. Nach oben und unten und vorn und hinten hat diese Platte ungefähr dieselben Dimensionen wie der vordere Ballen, welcher ihre nach aussen gekehrte Concavität ausfüllt. In der Mitte ist sie äusserst dünn oder auch ganz durch- brochen, nach aussen zu, vor Allem nach oben und unten steigt ihre Dicke bis auf 0,15, an manchen Stellen bis auf 0,2mm. -An der Unter- seite des Ganglions erstreckt sich von der Platte aus ein etwa 0,2 mm breiter, immer dünner werdender Streifen von Ganglienzellen, nach vorn und auch nach hinten zu treibt dieselbe oben und unten je einen kurzen dieken Fortsatz. Die Längsausdehnung dieser Fortsätze nach hinten zu beträgt etwa 0,2 mm, ihr Querschnitt ist abgestumpft dreieckig und entspricht in seinen Dimensionen der Dicke der Platte. Sie nehmen die zum Chiasma ziehenden Augennervfasern und die Quercommissur zwi- schen den hinteren Ballen zwischen sich. Die Zellen dieses inneren Lagers gleichen in ihrer histologischen Beschaffenheit denen des vorher beschriebenen äusseren und haben im unteren Theile auch dieselbe Grösse, während sie im oberen Theile bis 0,049 mm gross werden. Hier, im oberen Theile, finden sich auch einige grosse Zellen mit deut- lichem Protoplasma, doch schicken diese ihre Ausläufer nicht zu den beiden seitlichen Ballen, sondern in den nach innen von ihnen gelegenen | Theil des Gehirns, während die Ausläufer der kleinen, protoplasma- | armen Zellen sich sämmtlich nach aussen und zwar meist zu dem vor- deren Ballen wenden (Fig. 15 fa ))- Wir sahen bereits, dass aus dem hinteren der beiden seitlichen 1 Ballen ein aus feinen Fasern gebildetes Bündel hervorgeht, welches, ' nachdem es in der oben beschriebenen Weise mit dem entsprechenden | Bündel der anderen Seite ein Chiasma gebildet hat, einen Theil des | Augennerven ausmacht. Dierı (7 und 8) und Berger (2) nehmen an, | Sy Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 549 E; lich auf Sagittalschnitten, aus ihm ein zweites ebenfalls aus feinen Fa- . sern bestehendes Bündel hervorkommen, welches später einen Theil _ des Nerven für die innere Antenne ausmacht (Fig. 14 niaf, Fig. 16 f}). Dieses Bündel sammelt sich nicht in der Punktsubstanz selbst, sondern in dem Netzwerk feinster Fasern, welches auch die Vermittelung zwi- schen den in den Ballen eingetretenen Ganglienzellenausläufern und der Purktsubstanz bildet. Sobald das Bündel aus dem Ballen ausgetreten _ ist — es geschieht dies am unteren Rande der oben beschriebenen - Oefinung für die mit dem Ballen in Beziehung tretenden Fasern —, biegt . es nach unten um und gleitet zwischen den beiden Ballen nach abwärts. Sodann folgt es der unteren Fläche des vorderen Ballens ein kleines 1 Stück weit nach vorn, wendet sich darauf etwas nach innen und tritt - endlieh, nachdem es sich mit einem Bündel stärkerer Fasern, welche _ aus einem im mittleren Theile des Gehirns gelegenen Ballen stammen, an der Unterfläche des Gehirns aus demselben aus (Fig. 14). BeLLoncı (4) sagt, dass aus den Seitenanschwellungen des Gehirns kein periphe- - rischer Nerv hervorkomme, ich glaube aber auf einer seiner Abbildun- gen (Taf. IV, Fig. 1) ein Faserbündel zu erkennen, welches vom vorde- - ren seitlichen Ballen entspringt und sich dem Nerven für die innere Antenne zuwendet. a Ueberblicken wir die bis jetzt beschriebenen Faserzüge aus dem Zwischenraum zwischen den beiden seitlichen Ballen, so haben wir: er A. Mit dem vorderen Ballen in Beziehung stehend : Be 1. Ganglienzellenausläufer. AR Der kleinere Theil der aus dem äusseren seitlichen Lager ei: entspringenden. 2. Der grössere Theil der aus dem inneren seitlichen Lager a entspringenden. Ä Asa I. Peripherische Nervenfasern. Ein Theil des Nerven für die Yan innere Antenne. B. Mit dem hinteren Ballen in Beziehung stehend : -J. Ganglienzellenausläufer. 1. Der grössere Theil der aus dem äusseren seitlichen Lager. entspringenden. 2. Der kleinere Theil der aus dem inneren seitlichen Lager | entspringenden. a en Peripherische Nervenfasern. Der das Chiasma bildende _ Theil des Augennerven., ı kommen noch verschiedene Faserzüge (vgl. Fig. 15), welche 550 Karl Richard Krieger, eine Verbindung zwischen beiden Ballen herzustellen scheinen, deren Verlauf sicher festzustellen mir jedoch nicht gelungen ist. An manchen Stellen wird auch der Raum zwischen beiden Ballen von einem Netzwerk aus feinen Fasern ausgefüllt, welches dem im Innern des vorderen Bal- lens gleicht. Nachdem wir so, indem wir einem Theil der Fasern des Sehnerven gefolgt sind, einen wichtigen Abschnitt des Gehirns kennen gelernt haben, der sich durch seine kleinen , protoplasmaarmen Ganglienzellen, durch seine zarte Punktsubstanz und durch seine feinen Nervenfasern vor allen übrigen Theilen des Gehirns auszeichnet und, wie wir wohl annehmen können, den specifischen Sinnesperceptionen des Sehens und Hörens dient, wenden wir uns zum Augennerven zurück, um, indem wir den gröberen Fasern desselben folgen, uns mit einem zweiten Ab- schnitt des Gehirns, der vorderen Anschwellung, bekannt zu machen. Wir finden hierbei, dass ein Theil dieser Fasern sich in zwei Paaren von Punktsubstanzballen, welche sich in der vorderen Anschwellung des Gehirns finden, auflöst, während ein anderer sich nach innen wendend auf die andere Seite des Gehirns übertritt, hier nach vorn umkehrt und endlich mit dem Sehnerven der anderen Seite wieder aus dem Gebirn heraustritt, d. h. mit anderen Worten eine Gommissur zwischen den beiden im Augenstiel gelegenen Sehganglien bildet, wie dies bereits von Berer (2) beschrieben worden ist. Die Hauptmasse dieser commissur- bildenden Fasern liegt an der nach aussen gekehrten Seite des Augen- nerven und tritt an der Oberfläche des Gehirns, über dem Zwischen- raume zwischen den beiden Ballenpaaren der vorderen Anschwellung auf die andere Seite über. Wenige andere scheinen auch, indem sie von der inneren Seite des Augennerven kommend, sich in ihrem Ver- lauf an das vordere Ganglienzellenlager angeschmiegt haben, sich dicht hinter diesem nach der anderen Seite des Gehirns zu wenden (Fig. 13 cno). Dass, wie BERGER angiebt, Fasern des Augennerven direct als Ausläufer aus den Ganpglienzellen des vorderen Lagers hervorgehen, glaube ich bestreiten zu müssen. Ich habe, nach dem Erscheinen von Berger’s Arbeit, meine Präparate mehrere Male in Hinsicht darauf durch- gesehen, aber nie ein solches Verhalten entdecken können. Auch ist es mir nicht gelungen, Fasern des Augennerven bis zu den Schlundcom- missuren zu verfolgen, doch möchte ich bier nicht unbedingt der Ansicht Berger’s widersprechen, da wegen der mannigfachen Krümmungen, welche die aus dem vorderen Theile des Gehirns stammenden Fasern für die Schlundeommissuren bis zu ihrem Eintritt in letztere erleiden, ein sol- cher Zusammenhang leicht übersehen werden kann. Die Ballen, in welchen sich die übrigen Fasern der Augennerven Eu - en Se EEE x Se EEFRET ae. ep R Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 551 alt, 133 die grossen Be der Ellipsoide re zur Ober- und Unterfläche des Gehirns stehen. Ihre Höhe beträgt etwa 0,7, ihr gr össter Querdurchmesser etwa 0,Amm. Sie bilden, wie bereits er- ; wähnt wurde, zwei Paare. Die Ballen des vorderen (Fig. 4 und 13 I/1]) Er etwas weiter von einander entfernt, als die des hinteren Paares ‚Fig .4,13 und 14/V). Das hintere Paar liegt dem vorderen so dicht Er seine Punktsubstanz direct in die des vorderen übergeht. Eichen ihnen verlaufen die das Ghiasma bildenden Stränge des Augennerven ; das Chiasma selbst kommt zwischen die hinteren Ballen zu liegen. Unterhalb dieser Stränge stehen die zu einem Paare gehöri- ‘sen Ballen durch faserige Quercommissuren und Punktsubstanzbrücken Verbindung. Von faserigen Quercommissuren finden sich eine zwischen den vor- “deren Ballen, welche ziemlich weit nach hinten zu liegen kommt und einen nach vorn offenen sanft gekrümmten Bogen bildet, und zwei zwi- "schen den hinteren Ballen, von denen die vordere stärker, die hintere (Fig. 14c,) weniger stark nach hinten convex gekrümmt ist (Fig. 1). Unter diesen Quercommissuren trifft man auf die Punktsubstanzbrücken, von denen sich für jedes Paar nur eine findet. Für das vordere Paar wird diese Brücke in der Weise gebildet, dass sich die Ballen in zwei nach innen und etwas nach hinten greifende Lappen fortsetzen, welche sich einander nähern und mit ihren unteren Theilen in einander über- schen. Aus diesen Lappen kommen nach hinten verlaufende Fasern hervor, welche sich theils der zwischen den hinteren Ballen der seit- lichen Anschwellung verkehrenden Commissur beimischen, theils in die chlundcommissuren überzugehen scheinen. Die ersteren sind in Fig. Bes und mit v bezeichnet. Da die Vereinigung der beiden Inittes von Statten geht, eheinen Ihe ara noch getrennt. Brücke für die hinteren Ballen kommt dadurch zu Stande, dass sich i ‚kleinere, sphärische Ballen (Fig. 13 und 144 /Va) von ungefähr 3 mm Durchmesser zwischen dieselben einschieben und nach innen zu mit einander, nach aussen zu mit dem unteren Theil der Innenfläche x Begossen Ballen schmalen. En vor Allem ein Ganglienzellenlager, welches zwischen den stellen der Augennerven und am vorderen Theile der Unter- 5 Gehirns gelegen ist (Fig. 1, 13 und 14 gz,). Dasselbe ist als Ganglienzellenlager bereits aus den früheren Arbeiten über das engehirn bekannt. Fangen wir bei der näheren Betrachtung 552 | Karl Richard Krieger, desselben von oben an, so finden wir, dass es hier zunächst paarig ent- wickelt ist. Es erscheint nämlich im oberen Drittel des Gehirns auf | Horizontalschnitten in Form zweier Halbkreise, die ihre Kreisbögen nach vorn, ihre Grenzdurchmesser nach hinten und etwas nach aussen keh- ren, so dass letztere einen nach vorn offenen stumpfen Winkel bilden. In der Mitte stossen beide Halbkreise zusammen. Die Breite des ganzen | Gebildes beträgt hier etwa 0,7 mm. In diesem oberen, paarigen Theile | enthält das Lager mit Ausnahme weniger grösserer nur Zellen von glei- # cher Grösse (Durchmesser der Zelle 0,033, Durchmesser des Kernes 0,02mm). Die Ausläufer der Zellen dieser Abtheilung ziehen, auf jeder Seite zu einem Strange vereinigt, über die vorderen Schenkel des Chi- asma hinweg zu den hinteren Punktsubstanzballen der vorderen An- schwellung und lösen sich in denselben auf. Verfolgen wir nun das vordere Ganglienzellenlager auf Horizontalschnitten weiter nach unten, ‚so sehen wir, dass, nachdem die beiden lateralen Hälften ziemlich bald mit einander verschmolzen sind, das Lager sich als gleichschenkliges | Dreieck mit nach hinten gewandter Spitze präsentirt. Dabei ist auch die ' Constanz in der Grösse der einzelnen Zellen verloren gegangen, so dass jetzt grosse und kleine Zellen bunt durcheinander liegen. Was die ab- solute Grösse der Zellen betrifft, so ist zu bemerken, dass sie im Durch- schnitt nach unten immer mehr zunimmt. Im untern Theil des Lagers haben die grössten Zellen einen Durchmesser von 0,07, ihre Kerne einen von 0,03 mm, während bei den kleinsten diese Maasse 0,043 und 0,01 mm betragen. Die Ausläufer aus diesem Theil wenden sich theils zu den vorderen Ballen, theils ziehen sie zu zahlreichen kleineren Bündeln ver- einigt nach hinten und oben, um in die Schlundeommissuren einzutreten. | Sie auf Sagittalschnitten bis zu letzteren zu verfolgen, ist mir allerdings I nur in einzelnen Fällen gelungen, doch spricht der ganze Verlauf aller, die sich weiter nach hinten erstrecken, für dieses Verhalten. Nachdem das Lager in einem sanften Bogen auf die Unterseite des Gehirns über- ' getreten ist, erscheint es eine Strecke weit auf Querschnitten in genau # |: derselben Gestalt, wie vorher auf Horizontalschnitten. Nur steigt seine Breite, die an der Umbiegungsstelle ungefähr 0,5 mm betragen hatte, | unter dem Zwischenraum zwischen den beiden Ballenpaaren auf fast! 0,7 mm, nimmt aber dann sehr bald wieder ab. 0,9 mm hinter der Vorderfläche des Gehirns erreicht das Lager in der Mitte sein Ende, während es sich seitlich noch 0,2 mm in 0,2 mm breiten Lappen nach hinten fortsetzt (Fig. 14 gz2,). Die Grösse der Zellen und der Verlauf ihrer Fortsätze sind im horizontalen Theil des Lagers dieselben , wie im unteren Abschnitt des verticalen. Wie schon oben erwähnt, schicken auch einige Zellen des innern® 1 Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 553 Bir seitlichen Anschwellung ihre Fortsätze nach den Ballen der dern Anschwellung. Dieselben zeichnen sich durch ihre Grösse und lurch, dass sie mit deutlichem Protoplasma versehen sind, vor den brigen Zellen dieses Lagers aus. In der Vorderanschwellung des Gehirns bleiben uns nun noch einige ilde zu beschreiben übrig, über deren Bedeutung ich nicht ins Klare kommen konnte. Es sind dies: 4) Ein Streifen von grober, aber sehr dichter Punktsubstanz, wel- im Zwischenraum zwischen den heiden Ballenpaaren, dicht unter Stelle, an welcher die vordern Schenkel des Ghiasma auseinander iehen, in quer durch diesen Theil des Gehirns ziehende Fasern ein- »bettet sich vorfindet (Fig. 4x). Bei einer Länge von 0,6 mm zeigt er der Mitte einen fast kreisrunden (Querschnitt von ungefähr 0,08 mm. Nach beiden Seiten zu verjüngt er sich und endigt jederseits mit einer -stumpfen Spitze. Er ist leicht in der Weise gekrümmt, dass er einen nach vorn und oben concaven Bogen bildet. Dadurch, dass er sich stark it Farbstoffen imbibirt, springt er auf Schnitten trotz seiner geringen rösse leicht in die Augen. An seiner Unterseite bemerkt man spärliche, Fortsätzen versehene Kerne von 0,01 mm Durchmesser, wie wir sie in Rinde der Ballen der seitlichen Anschwellungen kennen lernten. mit diesen Kernen, welche ihre Ausläufer in ihn hineinsenden, heint er auch noch durch die ihn umgebenden Fasern mit Zellen des ı Lagers der Seitenanschwellungen in Verbindung zu stehen. ner Lage wegen lässt sich dieser Ballen vielleicht mit dem von DIG (25) und Diet (7) als Commissurensystem, von Fröcer (414) als Ger körper beschriebenen Organ des Inseetengehirns vergleichen, zu- al da dasselbe in ähnlicher Gestalt, nur stärker ausgebildet, als beim rebs, von Berser (2) im Gehirn von Artemia salina aufgefunden u er Mr 9) Ein Paar rundliche, aus sehr feiner und dichter Punktsubstanz ( stehende Ballen (Fig. 14 m), welche unter den hintern Ballen der Vor- nschwellung gelegen sind. Ihr Durchmesser beträgt gegen 0,16 mm. Jach ‚hinten zu erscheinen sie in mehrere Lappen zerspalten, von hier ann man auch einige Faserh nach den Sehlundoommissuren hin- auf die gewöhnliche Weise in der Punktsubstanz der Ballen sie treten vielmehr plötzlich hinter denselben auf. Von ihrer 3 scheinen die Ballen durch eine feine Membran abgeschlossen Wahrscheinlich sind diese Ballen mit den von Dirrr (8) auf 3 mit m bezeichneten identisch. ırch die hintern Schenkel des Chiasma und die zwischen den 954 : Karl Richard Krieger, beiden hintern Ballen der Seitenanschwellung verkehrende Commissur wird die eben beschriebene Abtheilung des Gehirns von der dritten, der hintern Anschwellung, getrennt. Bei der Beschreibung derselben - beginnen wir wieder mit den Punktsubstanzballen, als den eigentlich formgebenden Elementen. Von dem obern Theil der hintern Ballen der vordern Anschwellung aus zieht sich über die hintern Schenkel des CGhiasma und über die Quercommissur zwischen den hintern Ballen der Seitenanschwellungen hinweg, jederseits eine Brücke von Punktsubstanz zu einem Ballenpaar, welches dicht hinter dem Chiasma in der obern Hälfte des Gehirns liegt (Fig. A und 13 V). Jeder dieser Ballen besteht eigentlich aus zwei klei- .neren von kugliger Gestalt, von denen der eine sich nach aussen und hinten an den andern anschliesst und mit ihm verschmilzt. Der Durch- messer eines solchen kleinern Ballens beträgt gegen 0,25, die Länge des ganzen Gebildes dem entsprechend 0,5 mm. In der Medianebene des Gehirns gehen die beiden vordern Theilballen in einander über. Gan- glienzellenausläufer erhält dieses Gebilde aus dem später zu beschreiben- den hintern Ganglienzellenlager (Fig. I gz;); aus ihm hervor kommt der nerve tegumentaire (Fig. A und I4 nt). Nachdem derselbe aus jedem Theilballen mit einer Wurzel entsprungen ist und diese Wurzeln sich bald darauf vereinigt haben, wendet er sich nach vorn und auswärts, wobei er sich an den hintern Ballen der Seitenanschwellung anlegt, läuft dann in der Rinne zwischen den beiden Ballen dieser Anschwellung nach aussen und verlässt endlich das Gehirn an der früher bezeichneten Stelle. Nach unten und aussen zu schliesst sich an diesen Ballen ein wei- terer von ellipsoidischer Gestalt mit einem seiner Pole an (Fig. I u. 13VT). Die grosse Achse dieses Ballens senkt sich steil nach vorn und aussen herab, so dass sie mit der Unterfläche des Gehirns, der der andere un- tere Pol beinahe aufliegt, einen Winkel von etwa 60° bildet. Die Länge der grossen Achse beträgt ungefähr 0,55, die der kleinen gegen 0,3 mm. Mit dem entsprechenden Ballen der andern Seite ist er durch eine fasrige Quercommissur verbunden, die bogenförmig vom obern Pole aus über den vordern Theil der Ballen für den nerve tegumentaire hinweg- zieht. Ganglienzellenausläufer erhält er von dem hintern Theile des hintern Lagers. In der Gegend des untern Poles geht aus ihm ein Theil des Nerven für die innere Antenne hervor. Dieses Faserbündel, welches im Gegensatz zu dem aus dem vordern Ballen der Seitenanschwellung stammenden aus gewöhnlichen, starken Ner venfasern besteht (Fig. 14 niag, Fig. 16 g), verläuft dem Perineurium der Unterfläche des Gehirns fol- gend etwas nach vorn und tritt, nachdem es sich mit dem erwähnten, vd u +, FR RE N % Under das Centralnervensystem des Flusskrebses. - 555 | aus | en Fasern bestehenden Bündel (Fig. 14 niaf, Fig. 16 f) vereinigt at, aus dem Gehirn aus. - Hinter den eben beschriebenen und den bintern Ballen der seit- _ lichen Anschwellungen befindet sich das letzte Paar der grössern Punkt- ee nsufanıe, des Gehirns in Form zweier quergelagerten, lang _ eiförmigen Ballen, welche ihren stumpfern Pol nach innen kehrend und nach aussen sich leicht herabsenkend den Abschluss des Gehirns nach hinten zu bilden (Fig. 1 und 13 VII). Ihre Länge beträgt 0,9, ihr grösster - Querdurchmesser etwas über 0,5 mm. Seine Punktsubstanz zeigt bald _ deutlicher, bald weniger deutlich unregelmässige, auf Schnitten meist _ wurmförmig erscheinende Verdichtungen. Auf dem Fig. 14 zu Grunde liegenden Präparat war so gut wie nichts von ihnen zu sehen, sie sind _ daher auch nicht eingezeichnet worden, dagegen sind sie bei Dırrr (7) - auf Fig. 25 in sehr ausgeprägtem Zustand sichtbar. An der Unter- und Hin srfläche der Ballen, sowie an der Hinterfläche der vorher beschrie- - benen für die innern Antennen finden sich ziemlich zahlreich sanglionöse Kerne, die in Grösse und Aussehen ganz denen gleichen, die wir in der 1 Rinde der Ballen der Seitenanschwellung fanden. Ihre Ausläufer senken 'sich in die Punktsubstanz der betreflenden Ballen ein. Vom proximalen Pole der in Fig. I mit VJI bezeichneten Ballen entspringt ein starkes, aber ziemlich lockeres Faserbündel und verläuft, nachdem es gleich nach seinem Austritt nach vorn umgebogen ist, der Innenfläche des Ballens fi ir die groben Fasern des Nerven der innern Antenne folgend, zu der Be zwischen den hintern Ballen der seitlichen Anstwl „4 y); am distalen Pole dagegen kommt der Nerv für die äussere An- ‚tenne aus dem Ballen hervor, und verlässt nach aussen strebend, fast zu 4 sicher Zeit mit dem Ballen auch das Gehirn. - Mit Ganglienzellenausläufern wird dieser Ballen von einem Gan- glienzellenlager aus versorgt, welches nach hinten von ihm jederseits zw ischen der Austrittsstelle des Nerven der äussern Antenne und der r Schlundeommissur gelegen ist, sich aber auch ein kleines Stück | > ‚auf die Oberfläche des Gelärus fortsetzt (Fig. A und 43 gz,). Die Grösse der darin enthaltenen Zellen beträgt 0,027 —0,034—0,055 mm, ie d der betreffenden Kerne 0.017—0,02—0, 027 mm. Dabei sind die össern rn Zellen stärker vertreten, ak in den übrigen Ganglienzellen- ern des Gehirns. das nun noch übrig bleibende, hintere Ganglienzellenlager (Fig. 1 3 gz,), entspricht seiner Form nach im ee dem vordern, 556 / Karl Richard Krieger, Länge von fast 0,7 mm. 0,5 mm hinter seinem vordern Ende spaltet es sich in zwei seitliche Theile, zwischen welche der an der Hinterfläche des Gehirns gelegene Einschnitt hineingreift. Verfolgt man dieses Lager auf einer Serie von Querschnitten, so findet man es zuerst auf den Schnitten, welche durch den hintersten Theil der nach vorn umkehren- den hintern CGhiasmaschenkel gehen, in Form zweier kleinen, nahe der Mitte gelegenen Häufchen von Ganglienzellen. Dieselben liegen nur wenig tiefer als die Querschnitte der hintern Chiasmaschenkel und sind, wie überhaupt das ganze Lager, vom Perineurium der Unterfläche des Gehirns durch eine etwas über 0,2 mm dicke Schicht von zellig-blasigem Bindegewebe getrennt. Schon wenige Schnitte weiter nach hinten sind diese beiden Häufchen zu einem sich parallel dem Unterrande des 'Schnittes hinziehenden Bande verschmolzen und noch weiter nach hin- ten, von da an, wo durch das Zurseitetreten der Ballen für die nerves tegumentaires in der Mitte Platz gewonnen wird, erscheint das Lager in Form eines mit der Spitze nach oben gerichteten, gleichschenkligen Dreiecks. Auch diese Gestalt geht einige Schnitte. weiter nach hinten wieder verloren, denn indem an der Basis des Dreiecks eine immer grösser werdende Einbuchtung erscheint, erlangt das Lager zunächst die Gestalt einer nach oben gerichteten Pfeilspitze, theilt sich dann in die oben erwähnten seitlichen Fortsätze und erreicht dadurch, dass der Querschnitt der letztern immer kleiner wird, sein Ende. Der Durch- messer der Zellen dieses Lagers schwankt, bei einem entsprechenden Kerndurchmesser von 0,045—0,022 , von 0,02—0,03 mm. Ganz ver- einzelt finden sich auch einige grössere Zellen. Die Ausläufer der Zellen des vordern Theiles des Lagers begeben sich auf ziemlich directem Wege zu den Ballen für die nerves tegumentaires, während die des hintern Theiles zu wenigen, starken Bündeln vereinigt zur Oberfläche des Ge- hirns aufsteigen und in einem Bogen, dessen oberste Wölbung dicht unter das Perineurium zu liegen kommt, nach vorn und aussen um- hiegen, um sich dem Ballen für die groben Fasern des Nerven für die innere Antenne zuzuwenden. 2. Schlundecommissuren und Commissurenganglien. Die Schlundcommissuren setzen sich aus Fasern zusammen, welche den Punktsubstanzballen der vordern und hintern Anschwellung des Gehirns entstammen. Dass sich Fasern aus den seitlichen Anschwellun- gen zu ihnen wenden, habe ich nie beobachten können, dagegen ist es mir sehr wahrscheinlich geworden, dass Ganglienzellenausläufer aus dem vordern Lager in dieselben eintreten. Die meisten der für sie bestimm- ten Fasern ziehen dicht unter dem Perineurium der Oberfläche des Ge- ., 2 GN Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 557 _ hirn , bezüglich unter dem zwischen diesem und den nervösen Ele- monten gelegenen zellig-blasigem Bindegewebe hin, nur sehr wenige E verlaufen in den untern Theilen des Gehirns. Zuletzt überschreiten sie L, insgesammt die Ballen für die Nerven der äussern Antennen an der _ Ober- und Innenseite und verlassen, als Bündel von rundlichem Quer- { schnitt, dicht neben einander und zusammen einen sehr spitzen Winkel F bildend das Gehirn. Der Durchmesser der Schlundeommissuren beträgt gegen 0,45, der | der sie zusammensetzenden Fasern schwankt von 0,002 bis 0,03 mm. In diese Angabe sind die kolossalen Nervenfasern , deieh wir hier zum : ersten Male begegnen, nicht mit eingeschlossen. Sie finden sich in jeder = der eniieissuren zu zwei, die äussere stärkere 0,075, die innere schwächere 0,04mm dick, und liegen, wie im weiteren Verlauf des j Bauchmarkes, so auch fer dem Perineurium der Oberseite dicht an. Ueber ihren rang: im Gehirn kann ich nur so viel angeben, dass sie sich aus mehreren schwächeren Fasern zusammensetzen ; w ab die letz- teren kommen, blieb mir unbekannt. h Hat man die Schlundcommissuren vom Gehirn aus etwa 8mm weit nach hinten verfolgt und ist dabei an den Seiten des Oesophagus ange- kommen , so trifft man jederseits auf eine Anschwellung derselben , von - der mehrere Nerven abgehen. Bei näherer Untersuchung stellt sich her- _ aus, dass wir es mit einem wohlausgebildeten Ganglienknoten zu thun 2 haben, dem wir den Namen »Commissurenganglion« geben wollen. Dieses Ganglion ist, was seine innere Structur anbelangt, noch so gut wie gar nicht untersucht worden; das Schicksal der daraus hervorkom- - menden Nerven haben Kronx (21) und Lemoine (22) mit grosser Ge- nauigkeit festgestellt. | Der Raum dieses Ganglions (Fig. 2), welches bei halbeiförmiger Gestalt eine Länge von 1, eine Breite von 0,5 und die darüber hinzie- e hende Schlundeommissur mitgerechnet eine Höhe von 0,8mm erreicht, wird zum grössten Theil von einem Punktsubstanzballen eingenommen = (Fig. 2 und 17 pb). Derselbe hat im Ganzen die Gestalt eines kurzen Regels, der mit seiner Basis nach vorn zu gekehrt und mit einem Theil seiner Manielfläche von unten her an ‚die Schlundcommissur (Fig. 2 und ’ = us er ie Sie Kante zwischen Basis und Mantelfläche abgerundet zu den N. - Das ganze Gebilde hat eine Länge von 0,7, die Kegelbasis einen Bussser von 0,45 mm. as, Zoologie. XXXII.Bd. 36 Be: ; 7 u EMS . 558 | Karl Richard Krieger, bedeckt. Dasselbe erreicht seine grösste Dicke (0,2mm) da, wo es sich vor der Vorderfläche des Ballens an die Unterseite der Schlundcommissur anlegt, und nimmt von dort aus nach allen Seiten stetig an Dicke ab, bis es am Rande nur noch eine Zelle stark ist. Ausser der Vorderfläche des Punktsubstanzballens überzieht es noch das vorderste Drittel der nach aussen gewandten Seite desselben und zieht sich dann hier in einen Fortsatz aus, der den Ballen dicht unter der Schlundeommissur noch auf ein weiteres Drittel seiner Länge nach hinten begleitet. Die Grösse der darin enthaltenen Zellen variirt zwischen 0,045 und 0,06, die der betreffenden Kerne zwischen 0,042 und 0,03 mm. Einzelne klei- nere Ganglienzellen finden sich auch ausserhalb des Lagers, auf der Unterfläche des Ganglions zerstreut, vor. Die Ausläufer der Zellen drin- gen, soviel ich habe beobachten können, sämmtlich in den Ballen ein, um sich in der Punktsubstanz desselben aufzulösen. Der erste der aus diesem Ganglion entspringenden Nerven (Fig. 2 /) komnit vorn und innen, etwa in der Mitte der Höhe des Ballens aus demselben hervor und verlässt, nachdem er etwa 0,2 mm innerhalb der Umhüllung des Ganglions nach vorn zu verlaufen ist, das letztere. Sein Durchmesser beträgt etwa 0,1 mm. Er setzt sich aus Fasern von sehr verschiedener Dicke zusammen, die stärksten davon sind 0,02 mm breit. Der zweite Nerv (Fig. 2 und 17 I/) entspringt am untersten Punkte des Ganglions dicht hinter dem unteren und hinteren Rande des Gan- glienzellenlagers. Sein Austritt aus dem Ganglion fällt fast mit dem aus dem Punktsubstanzballen zusammen. Er hat einen Durchmesser von 0,08mm. Seine Fasern sind bei Weitem schwächer als die des ersten Nerven. Er und der erste Nerv wenden sich nach vorn, um mit den vom Vorder- und Hinterrande des Gehirns entspringenden kleineren Nerven ein Geflecht zu bilden, von welchem aus die Eingeweide des Gephalothorax innervirt werden. Der dritte Nerv endlich (Fig. 2 [IT) kommt am hinteren Theile der Aussenfläche des Ganglions etwas über dem Ende des sich vom Gan- glienzellenlager nach hinten ersireckenden Lappens zum Vorschein. Wenn auch sein Ursprung neben die Schlundeommissur zu liegen kommt, so bezieht er doch, gleich den beiden ersten, seine Fasern aus dem Punktsubstanzballen und ist nicht, wie es auf den ersten Anblick hin scheinen könnte, ein sich aus den Schlundcommissuren abzweigen- des Bündel. Nach seinem Austritt aus dem Punktsubstanzballen, der etwas unter das Ende des erwähnten Lappens fällt, steigt der Nerv dicht an das Perineurium angelegt nach oben und biegt dann vor seinem Austritt aus dem Ganglion in scharfem Bogen nach aussen um. In Be- Ueber das Centralneryensystem des Flusskrebses. 559 zug auf Stärke und histologische Beschaffenheit gleicht er dem ersten Nerv. Er wendet sich direct dem Oesophagus zu und verzweigt sich an demselben. Ausser diesen drei peripherischen Nerven geht aus dem Punktsub- stanzballen des Commmissurenganglions noch ein Faserbündel hervor, 3 welches, von der Spitze des von dem Ballen gebildeten Kegels entsprin- - gend, mit den Schlundeommissuren nach hinten zieht (Fig. 2 c). Ueber sein weiteres Schicksal kann ich zwar, da es histologisch den übrigen - Fasern der Schlundeommissuren vollkommen gleicht und auch räumlich ganz mit denselben verschmilzt, keine bestimmten Angaben machen, 3 doch glaube ich, dass es nicht ungerechtfertigt ist, anzunehmen, dass _ esendlich die die beiden Schlundeommissuren 4 mm hinter den Com- 3 missurenganglien verbindende Quercommissur bildet, zumal da ich aus * einer Abbildung Berroner's (1, Taf. V, Fig. 7) ersehe, dass bei Squilla diese Quercommissur die beiden Ganglien direct verbindet. 3. Unteres Schlundganglion und Thoracalganglien. In meiner vorläufigen Mittheilung (19) habe ich mit dem Namen »unteres Schlundganglion« nur die ersten fünf von den sechs Abthei- lungen des ersten Bauchmarkknotens belegt. Hierzu wurde ich erstens dadurch veranlasst, dass die letzte Abtheilung dieses Ganglienknotens in ihrem Baue mehr den fünf folgenden Ganglien, welche ich als Thora- calganglien bezeichnete, gleicht, als den vorhergehenden Abtheilungen des ersten Knotens, und zweitens dadurch, dass während letztere eng mit einander zusammenhängen, die sechste von ihnen durch eine kurze Längscommissur getrennt ist. Gegen die Bezeichnung dieser letzten Ab- theilung als erstes Thoracalganglion und ihre Trennung von den vorher- gehenden Abtheilungen spricht aber der Umstand, dass sie ihrer Func- tion nach — es geht aus ihr der Nerv für den letzten Kieferfuss hervor _ — zu der vierten und fünften Abtheilung gehört, welche die beiden ersten Kieferfüsse mit Nerven versorgen. Ich ziehe es daher jetzt vor, auch die sechste Abtheilung mit zum unteren Schlundganglion zu rech- | 3 Beet, besonders auch mit deshalb, weil die Bezeichnung » unteres u Schlunganglion « einmal für den ganzen Knoten gebräuchlich ist. Da das Verständniss des etwas complicirten Baues des unteren ndsanstions durch die Kenntniss der Structur der Thoracalganglien bedeutend erleichtert wird, wende ich mich, indem ich das untere chlundganglion Bbbuspeinde: zunächst zur Beschreibung der letzteren. Die fünf Thoracalganglien liegen an der Bauchseite des Ge- ihorax in einer aus harten Skelettheilen gebildeten Rinne, die sich den drei ersten zu einem vollständigen Canal hrsohliessh. Aus 36* 560 Karl Richard Krieger, ihnen entspringt jederseits ein starker Nerv, welcher sich sehr bald nach seinem Austritt in mehrere Aeste theilt und ein Laufbein und die dazu gehörigen Kiemen innervirt. Hinter diesem stärkeren kommt noch ein bei weitem dünnerer Nerv aus den Ganglien hervor, welcher die Mus- kulatur des Thorax versorgt. Der Bau dieser fünf Ganglienknoten ist in allem Wesentlichen derselbe; kleine Verschiedenheiten erklären sich leicht aus der verschiedenen Lage derselben zu den Organen, welche sie mit Nerven zu versorgen haben. Denn, da die Thoracalganglien auf einen bei weitem kürzeren Raum zusammengedrängt sind, als die An- satzstellen der fünf Laufbeine, muss jeder der aus ihnen entspringenden - stärkeren Nerven sich unter einem anderen Winkel zur Längsachse des Bauchstranges seinem Bestimmungsorte zuwenden, welcher Umstand auf die Lagerung der verschiedenen Gebilde im Innern der einzelnen Thoracalganglien einen Einfluss ausübt. Nimmt man den erwähnten Winkel als nach hinten zu offen an, so beträgt seine Oeffnung für die verschiedenen Thoracalganglien der Reihe nach ungefähr 120, 90, 75, 60 und 40°. Die äussere Gestalt eines Thoracalganglions kann man sich in der Weise versinnlichen, dass man sich an die Unterseite der in gerader Linie von vorn nach hinten ziehenden Längscommissuren ein Paar Rota- tionsellipsoide so angelegt denkt, dass die grosse Achse, welche zugleich Rotationsachse ist, mit den Längscommissuren denselben Winkel bildet, wie die aus dem Ganglion entspringenden Nerven, welche sich an den distalen Polen der Ellipsoide ansetzen, während die proximalen Pole unterhalb der Längscommissuren zusammenstossen. Die Lücken, welche dabei zwischen der Unterseite der Längscommissuren und der Oberseite der Ellipsoide entstehen, sind ausgefüllt zu denken. Dabei sind die Ellipsoide, weiche die vordern Thoracalganglien bilden, kürzer und dicker, sowie grösser an Masse, als die der hintern. Die Längscommis- suren, welche die einzelnen Thoracalganglien miteinander verbinden, sind immer paarig eniwickelt, erscheinen aber meist, weil beide von einer gemeinsamen Perineuriumscheide umgeben sind, äusserlich als einfache Stränge, nur die zwischen dem dritten und vierten Thoracal- ganglion sind auch äusserlich vollkommen getrennt. Die Länge der Commissuren zwischen dem untern Schlundganglion und dem ersten Thoracalganglion beträgt etwa 3 mm, die der folgenden der Reihe nach h,5, 2,3, 2 und 0,4 mm. | | Eine genaue Beschreibung sämmtlicher Thoracalganglien nach ein- ander würde zu vielen Wiederholungen führen. Ich ziehe es daher vor, nur eins derselben, das vierte, eingehend zu schildern und an die Be- schreibung desselben dann einige Bemerkungen über die Abweichun- Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 561 gen, welche der Bau der übrigen von dem des beschriebenen zeigt, an- zuknüpfen. Die Gestalt des Ganglions (Fig. 7) wird bestimmt durch ein Paar ellipsoidische Punktsubstanzballen (Fig. 7 und 18—22 pb), welche sich in der Weise von unten an die Längscommissuren anlagern, dass ihre verlängerten grossen Achsen einen nach hinten offenen Winkel von etwa 120° bilden. (Sie bilden den Grundstock für die bei der Beschreibung der äussern Form der Ganglien erwähnten Ellipsoide.) Nimmt man die Richtung der Längscommissuren als Horizontale an, so senkt sich die Ebene dieses Winkels leicht nach hinten herab. Die Länge der Ballen beträgt 0,85, ihr grösster Querdurchmesser 0,5 mm. In der Gegend des vordern Poles nähern sie sich einander bis auf 0,35 mm. Hier sind sie auch in der Mitte ihrer Höhe durch eine Punktsubstanzbrücke (Fig. 49 br) und etwas darüber durch eine faserige Quercommissur (Fig. 7 und 19 c) mit einander verbunden. Es fällt diese Stelle etwa 0,2 mm hinter den Vereinigungspunkt der getrennt von vorn kommen- den Längscommissuren. Die faserige Quercommissur liegt 0,2, die Mitte der Punktsubstanzbrücke 0,4 mm unter der Oberfläche des Ganglions, die Gesammthöhe des letztern beträgt an dieser Stelle 0,8 mm. Die Ver- bindung zwischen der Brücke und dem Ballen wird durch einen kleinen, etwas über 0,4mm im Durchmesser haltenden, rundlichen Ballen von sehr feiner und dichter Punktsubstanz hergestellt (Fig. 19 kpb), der zur Hälfte in die Masse des grossen Ballens eingesenkt ist. Seine Punktsub- stanz geht direct in die der Brücke und die des grossen Ballens über, Letzterer wird an seiner ganzen Oberfläche mit Ausnahme der Stelle, mit welcher er sich an die Längscommissur anlegt, von einer etwa 0,05 dicken Rinde umgeben (Fig. 18, 19 und 24 r:), welche wirre Fasern und runde Kerne von etwa 0,04 mm Durchmesser enthält. Diese Kerne sind mit Fortsätzen, die sich in die Punktsubstanz einsenken, versehen und daher wohl als protoplasmalose Ganglienzellen (Abtheilung c) auf- zufassen. Von aus grösseren Ganglienzellen bestehenden, ausgedehnteren - Lagern finden sich in den Thoracalganglien zwei. Das eine davon liegt vor (Fig. 4—8 vgz), das andere zwischen und hinter den Punktsub- stanzballen (Fig. —8 hgz). Im vierten Thoracalganglion ist das vordere in drei Theile, einen mittlern (Fig. 18 vgzi) und zwei seitliche (Fig. 18 vgza _ und Fig. 22 u) zerfallen, wovon der mittlere mit dem hintern Lager verschmolzen ist. Die seitlichen Theile ne ein Paar etwas über 0, a dicke 562 Karl Richard Krieger, erst etwa 0,2 mm vor dem Vereinigungspunkte der Längscommissuren als nach aussen und unten von diesen gelegene Streifen. Nach innen erstrecken sie sich so weit, dass sie mit ihren Enden einander bis auf 0,55 mm nahe kommen, nach aussen und hinten bedecken sie den Ballen bis über die Hälfte seiner Längsausdehnung. An der Aussenseite des Ballens beträgt ihre Breite 0,5—0,6 mm. Die Ganglienzellen, welche diese Theile zusammensetzen, haben meist einen Durchmesser von 0,06, ihr Kern einen von 0,027 mm, doch kommen daneben auch kleinere und grössere vor. (Durchmesser der Zelle = 0,025—0,1mm, Durch- messer des Kerns 0,047—0,033 mm.) Der mittlere Theil des vordern Ganglienzellenlagers tritt dicht hinter der Vereinigung der Längscommissuren in Form zweier kleinen Häufchen von Ganglienzellen auf, welche der vordern und innern Fläche der Punktsubstanzballen unten angelagert sind und sehr bald nach hinten zu einem Strang von dreieckigem Querschnitt verschmelzen, um dann unterhalb der Punktsubstanzbrücke in das hintere Lager überzugehen. Verfolgen wir das hintere Lager von hier aus ‘auf Querschnitten nach hinten, so finden wir, dass es noch eine gute Strecke weit den drei- eckigen Querschnitt des vordern beibehält, nur nimmt derselbe beständig an Grösse zu, so dass, während unter der Punktsubstanzbrücke die Basis des Dreiecks 0,3, die Höhe 0,15 mm maass, uns 0,3 mm hinter der Brücke ein Dreieck von 0,7 mm Basis und 0,3 mm Höhe entgegentrilt. Das Lager bildet bis hierher in Form einer dreiseitigen Pyramide von unten her eine Ausfüllung der Lücke zwischen den immer mehr aus ein- ander weichenden Punktsubstanzballen. Wie aber aus der angegebenen Höhe des Lagers zu ersehen ist, reicht es zur vollständigen Ausfüllung dieser Lücke nicht aus. Der noch bleibende etwa 0,3 mm hohe Raum zwischen der Unterfläche des Lagers, den Punktsubstanzballen und dem Perineurium der Unterfläche des Ganglions wird daher von zellig-blasi- gem Bindegewebe (Fig. 19 und 20 bi) eingenommen. In der entspre- chenden oberen Lücke zwischen den beiden Punktsubstanzballen ver- laufen die Längscommissuren. Im hinteren Theile des Ganglions vermögen sie jedoch, trotzdem, dass sie in der Mitte elwas aus einander weichen, ihr immer geräumiger werdendes Bett nicht mehr auszufüllen und den so entstandenen Raum in der Mitte und zu beiden Seiten be- nutzt das hintere Ganglienzellenlager, um sich auch nach oben auszu- breiten. 0,25 mm hinter der Brücke erhebt sich nämlich von der nach oben gewandten Kante der von dem Lager gebildeten Pyramide zwischen den aus einander weichenden Längscommissuren eine zunächst meist nur eine Zelle starke Wand, die sich oben, wo durch die Abrundung der Längscommissuren eine Rinne gebildet wird, etwas verbreitert und _ Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses, 563 _ einen eiwa 0,15mm langen Fortsatz nach vorn treibt. Auf dem in Fig. 20 abgebildeten Schnitte sind die vordersten Zellen dieses Fort- satzes gerade angeschnitten (920). Hinter der Erhebungsstelle nimmt die Wand zwar etwas an Stärke zu, wird aber immer niedriger und das Perineurium der Oberfläche des Gehirns kleidet, sich dicht an die Längs- eommissuren anschmiegend, die Rinne zwischen letzteren aus. Unterdessen ist auch im Zwischenraume zwischen den Punktsub- stanzballen und den Längscommissuren das Ganglienzellenlager in die Höhe gestiegen und hat sich auch hier an der Oberseite des Gehirns in der zwischen den beiden Gebilden entstehenden Lücke etwas nach vorn geschlagen. Die ersten Zellen unter der Oberfläche des Gehirns erblickt man hier auf den etwa 0,3 mm hinter der Brücke gelegenen Querschnit- ten und noch 0,1 mm weiter nach hinten sind diese Zellen durch eine Zellsäule mit dem unteren Theile des Lagers verbunden. Von der Stelle an, an welcher der mittlere Fortsatz in die Höhe steigt, nimmt der un- tere Theil des Lagers immer mehr an Dicke ab und erreicht 0,5 mm hinter der Brücke in der Mitte sein Ende. Seitlich zieht er sich noch etwa 0,06mm weiter nach hinten. Die Grösse der Ganglienzellen des hinteren und des mittleren Theils des vorderen Lagers stimmt mit der- jenigen, welche die seitlichen Theile des vorderen zusammensetzen, überein. Grosse Zellen befinden sich besonders zahlreich in dem mitt- leren Fortsatz des hinteren Lagers und in den dahinter gelegenen Theilen desselben. Die Ausläufer der Ganglienzellen der äusseren Theile der beiden - Lager ziehen meist zunächst nach der oberen Fläche des ihnen benach- - barten Punktsubstanzballens hin (Fig. 22). Weiter habe ich sie mit Sicherheit nicht verfolgen können, doch halte ich es für sehr wahrschein- i lich, dass sie sich in der Substanz desselben auflösen. Ein kleiner Theil _ der Ausläufer der äusseren Abtheilung des vorderen Lagers wendet 4 ‚sich, indem er zu einem Bündel vereinigt den oberen Theil des Ballens B durchbohrt, zur Vorderseite jenes kleinen Ballens, welcher die Verbin- _ dung zwischen dem grossen und der Binkiönbustmrbriicke herstellt. Hier löst sich das Bündel in einzelne Fasern auf und diese treten auf die ‚andere Seite des Ganglions über, wobei sie den entsprechenden Fasern der anderen Seite begegnen und mit ihnen sich vermischen. Auch hier £ kann ich über das endliche Schicksal der Fasern keine bestimmten An- er. 2 machen; a va Brhiestein sie a in dem erwähnten kleinen we »t nach aussen den neben den betreffenden Zellen gelegenen Theilen 4 nktsubstanzballen zu und lösen sich in denselben auf (Fig. 18 vgzi). 564 Karl Richard Krieger, Einen sehr merkwürdigen Verlauf nehmen diejenigen Ganglien- zellenausläufer, welche dem mittleren Theil des hinteren Lagers ent- stammen. Sie verlassen nämlich zu mehreren Bündeln vereinigt das Lager, steigen senkrecht oder in einem Bogen nach aussen in die Höhe, wenden sich, wenn sie die Längscommissuren erreicht haben, nach innen, trelen zwischen letzteren in wagrechtem Verlauf hindurch und lösen sich endlich in der Punktsubstanz des ihrem Ursprung gegenüber- liegenden Ballens auf (Fig. 20, 23 und 25). Da hierbei die von beiden Seiten kommenden Fasern ein Stück weit dicht an einander und durch einander gelagert verlaufen, hat es auf Querschnitten oft den Anschein, als ob man Quercommissuren zwischen den Zellen der beiden Seiten des Lagers vor sich habe, wodurch sich Lemomme (22) und Yune (44) haben täuschen lassen. Auch ich glaubte es anfangs mit Quercommis- suren zu thun zu haben, bis ich aus diesen Quercommissuren Fasern austreten sah, welche sich in den Punktsubstanzballen auflösten. In- dem ich dann diese Fasern auf günstigen Schnitten bis zu ihrem Ur- sprung aus den Ganglienzellen verfolgte, kam ich zu dem oben darge- stellten Resultat. Die über das Ganglion wegziehenden Längscommis- suren werden durch die auf die andere Seite übertretenden Ganglien- zellenausläufer in drei Etagen zerfällt (Fig. 19, 20 und 23 lc, , lc, und Ic;). Betrachtet man die einzelnen Bündel von Ganglienzellenausläufern, indem man von vorn nach hinten fortschreitet, so bemerkt man zunächst dicht hinter der Punktsubstanzbrücke einige dünnere Bündel, welche von der Mitte des Schnittes ziemlich nahe gelegenen Schnitten ausgehen. Sie steigen ziemlich senkrecht auf, kreuzen sich in der Höhe der mitt- leren Etage der Längscommissuren und bilden dann auf ihrem Wege zu den Punktsubstanzballen einen Theil der Grundlage für die oberste Etage (Fig. 23 gav). Weiter nach hinten ruht diese Etage auf Fasern, welche zwei Bündeln angehören, die sich 0,15 mm hinter der Punktsubstanz- brücke und etwa ebenso weit von der Medianebene entfernt aus dem Lager erheben (Fig. 20 ga,). Nach ihrem Austritt aus dem Lager stre- ben diese unter einem Winkel von 45° zur Horizontalen nach aussen und oben und biegen dann, wenn sie die Längscommissur erreicht haben, indem sie einen Bogen beschreiben, in dessen Goncavität die unterste und ıittelste Etage zu liegen kommen, nach innen um. Wälh- rend des nun folgenden Verlaufes zwischen der obersten und mittleren Etage vermischen sich die von links kommenden Fasern mit den von rechts kommenden und die meisten von ihnen verlassen den gemein- samen Weg erst da wieder, wo letztere im Bogen von unten herauf kom- men, während die von links kommenden nun in einem weniger ge- krümmten Bogen sich dem oberen Theile des rechten Punktsubstanz- er 9 »DEDe I nn 5 5 Br, ur 1 « E 35 Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 565 vn ‘zuwenden, dort pinselförmig aus einander fahren und sich in der 1 nktsubstanz auflösen. Ein kleinerer Thei! verlässt jedoch die gemein- same Bahn schon kurz hinter der Mitte und wendet sich nach oben und _ aussen, wobei er die oberste Etage der rechtsseitigen Längscommissuren in zwei neben einander liegende Partien theilt, von denen jede eine - kolossale Nervenfaser enthält. Nachdem er endlich die äussere von die- sen überschritten hat, strebt auch er dem oberen Theile des rechten - Punktsubstanzballens zu (Fig. 20, rechts oben). Einen ganz entsprechen- den Verlauf nimmt natürlich auch das von rechts kommende Bündel. Zwischen der untersten und mittleren Etage verlaufen Faserbündel, - welche dem Ganglienzellenlager dicht neben den eben beschriebenen entsteigen (Fig. 20 gas). Während sie ziemlich senkrecht nach oben £ streben, treten sie durch die unterste Etage hindurch und trennen die- - selbe jederseits in eine äussere und eine innere Abtheilung. Sind sie - dann unter der mittleren Etage angelangt, so wenden sie sich in stark 'gekrümmten Bogen nach innen. Hierauf vermischen sie, indem sie zwi- ‘schen der mittleren und unteren Etage herlaufen , ihre Fasern mit den entsprechenden der anderen Seite. Nachdem da, wo die letzteren von ‚unten herauf kommen, eine Trennung stattgefunden hat, wenden sich die von rechts kommenden Fasern in ziemlich gerader, wagrechter Linie dem linken Punktsubstanzballen zu und umgekehrt. Einzelne ‚schwache Bündel verlassen den gemeinsamen Verlauf schon früher, reten durch die mittlere Etage durch und mischen sich den unter der 0 yeren verlaufenden Fasern bei. Weiter nach vorn zu verkehrt in dem Zwischenraum zwischen der untersten und mittleren Etage die Quer- com nissur zwischen den beiden Punktsubstanzballen. Die unterste Stage endlich ruht ebenfalls auf einem Faserbündel, dessen Fasern nach beiden Seiten in die Punktsubstanz ausstrahlen (Fig. 20 ga,). = unterscheidet sich jedoch von den vorher beschriebenen da- durch, dass die Ganglienzellenfortsätze, aus denen es sich zusammen- int, ht zu einem Bündel vereinigt aus dem Lager austreten, sondern n verschiedenen Seiten her gesondert dem Bündel zueilen, Indiens eos erreicht haben nach innen umbiegen und in demselben der andern > des Ganglions sich zuwenden. = _ Ausser den grossen Ganglienzellenlagern findet sich noch jeder- eits unter der Austrittsstelle des Hauptnerven, dem Perineurium ‚angelagert,, ein kleineres (Fig. 4—8 kgz). Es besteht aus lauter Me 966 Karl Richard Krieger, Länge der kleinen Achse beträgt gegen 0,08 mm. Ueber den Verlauf der aus ihm hervorgehenden Ganglienzellenfortsätze vermag ich nichts anzugeben. Der Hauptnerv kommt, wie bereits früher erwähnt wurde, aus dem distalen Pole des Punktsubstanzballens hervor. Unter seinen Fasern kann man zunächst zweierlei Arten unterscheiden: solche, welche sich aus der Punktsubstanz des Ganglions sammeln, und solche, welche mit den Längscommissuren aus anderen Ganglien kommen. Beide Arten kann man nach ihrem Verlauf wieder in mehrere Unterabtheilungen sondern, dagegen geben sie in Bezug darauf, ob sie motorisch oder sen- sibel sind, nicht einmal zu Vermuthungen Anlass. Von der ersten Art, also denen, die im Ganglion selbst ihren Ur- sprung nehmen, fällt auf Querschnitten ein Bündel sehr leicht in die Augen, welches sich in dem kleinen, aus feiner Punktsubstanz bestehen- den Ballen, der die Vermittelung zwischen dem grossen Ballen und der Punktsubstanzbrücke herstellt, sammelt (Fig. 7,. 19, 22 und 23 ı). Nachdem in diesem seine Fasern den Haaren eines Pinsels vergleichbar zusammengetreten sind, strebt es, in fast gerader Linie den grossen Punktsubstanzballen durchbohrend, der Austrittsstelle des Nerven zu. Unterwegs schliessen sich ihm noch einige schwache Bündel an, die von verschiedenen Punkten des grossen Ballens herkommen. Sein Durch- messer beträgt in der Mitte des Ballens, wo seine Fasern am engsten zu- sammengedrängt sind, 0,06 mm. Seine Fasern sind im Ganzen genom- men feiner, als die der anderen den Nerven zusammensetzenden Bündel. ‚Kurz vor seinem Austritt aus dem grossen Ballen trifft das eben beschriebene Bündel mit einem zweiten, etwa gleich starken zusammen, das seine Fasern in den unteren Theilen des grossen Ballens gesammelt hat (Fig. 7, 22 und 23 2). Es unterscheidet sich dieses von dem ersten dadurch, dass seine Fasern nicht pinselförmig auseinander fahren , son- dern sich dendritisch in immer dünner werdende Bündel auflösen. Die aus dem oberen Theile des grossen Ballens entspringenden Fa- -sern bringen es nicht zur Bildung eines selbständigen grösseren Bün- dels,, sondern schliessen sich einzeln oder nur zu kleineren Bündeln vereinigt theils dem ersten an, theils suchen sie für sich ihren Weg zur Austrittsstelle des Nerven. Auch die nicht im Ganglion selbst entstehenden Fasern lassen sich in drei Unterabtheilungen bringen. Die erste von diesen wird von den Fasern gebildet, welche weit von vorn, vielleicht aus dem Gehirn kom- men (Fig. 4—8, 18—20, 23 3). Sie treten, an der Aussenseite der Längscommissuren gelagert, in das Ganglion ein und ziehen sich, indem Be. ne, 7 0 Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 567 s etwa 0,06 mm dickes, aus ziemlich starken Fasern bestehendes | den Mes Theil 5 Ballens durchbohren , gerade nach hinten. 1,2 mon nach ihrem Eintritt in den Ballen biegen sie dann ganz plötz- oh "nach oben um und erreichen in einem ziemlich stark gekrümmten, ach aussen und unten concaven Bogen (Fig. 20 3), die Oberfläche des jallens, um auf dieser zur Austrittsstelle des Nerven hinzugleiten, Die Fasern , welche den beiden anderen Unterabtheilungen ange- 1, bilden zunächst ein Bündel, welches sich schon vor dem Eintritt Längscommissuren in das Ganglion jederseits von der Unterfläche derselben abtrennt. Manchmal bewahrt es sogar von einem Ganglion zum anderen, von den übrigen Fasern der Längscommissuren durch ® Bindegewebsscheidewand getrennt, seinen gesonderten Verlauf. seinem Eintritt in das Ganglion zeigt dasselbe bei einem ovalen Querschnitt eine Höhe von 0,06 und eine Breite von 0,13 mm. Im Gan- slion selbst wird es, dadurch, dass seine Fasern an Dicke abnehmen, lünner (Fig. 7, 18 und 214+35). Nachdem es den Punktsubstanz- allen erreicht hat, legt es sich innen und unten an ihn an und geht inter der Brücke hinweg. Unter derselben, zum Theil auch schon etwas orber, biegt nun eine Partie der Fasern des Bündels in einem scharfen ogen beinahe rechtwinklig nach innen (Fig. 7 und 19 ,) und tritt auf ie andere Seite des Ganglions über, wobei die von beiden Seiten kom- enden, sich begegnenden Fasern sich in ähnlicher Weise vermischen, vie die auf die andere Seite des Ganglions übertretenden Ganglienzellen- isläufer. Sind sie auf der anderen Seite angelangt, so ziehen sie dicht or das vereinigte Bündel (4 + 5) dieser Seite hinweg, durchbohren n unteren Theil des Punktsubstanzballens (Fig. 19, 22 und 234) und igen, indem sie in letzterem einen nach oben schwach concaven ı beschreiben, zur Austrittsstelle des Nerven. omlioh zu gleicher Zeit, im Ganzen jedoch etwas später, entfernt ei ‚eine zweite Partie der Forgi des Bündels von demselben (Fig. 7, ), 22 und 23 5). Dieselben wenden sich in sanfter Krümmung nach | und unten (Fig. 23 5) und eilen, an die Unterfläche des Punkt- ızballens angeschmiegt, um ben berum, ebenfalls der Austritts- E Nerven zu. Auf ihrem Wege dahin schliessen sich ihnen noch ige kleinere, aus der Punktsubstanz des Ballens stammende Faser- In el an. Die noch übrigen Fasern des mit 4 + 5 bezeichneten Bündels ziehen eic en Seiten des unteren Theiles des hinteren Ganglienzellenlagers, >r Richtung nach hinten, um sich später wieder an die Längs- 'en Bpanteen (Fig. 24 4 +5). Obgleich das Bündel zunächst lie A abe der nach aussen und innen abweichenden Fasern ER ed er. “ = ‘ © ” - 3 u A, : nr an u A # Ei 568 Karl Richard Krieger, bedeutend geschwächt wird, so erlangt es doch bald seine frühere Stärke wieder, indem sich ihm aus der Punktsubstanz des Ballens stammende Fasern anschliessen. Ein Strang von solchen ist auf Fig. 23 etwas nach innen und oben vom Hauptbündel im Querschnitt sichtbar. Durch die beiden mit 4 und 5 bezeichneten Bündel werden also dem aus dem Ganglion austretenden Hauptnerven Fasern beigemischt, welche von der entgegengesetzten und entsprechenden Seite der vorhergehen- den und vielleicht auch folgenden Ganglien stammen. Auf Horizontal- schnitten erhält man nämlich Bilder, welche es wahrscheinlich machen, dass auch von hinten kommende Fasern vom Hauptbündel abbiegen. Ein zweiter, bei weitem kleinerer Nerv verlässt das Ganglion an der Oberfläche, 0,45 mm hinter der Punktsubstanzbrücke und eben- soweit von der Medianebene entfernt (Fig. 7 und 21 kn). Sein Durch- messer beträgt 0,06 mm. Er besteht aus wenigen starken Fasern von etwa 0,007 mm Durchmesser. Dieselben kommen mit den Längscom- missuren von vorn in das Ganglion. Bis kurz vor dem Austritt des Ner- ven laufen sie an der Oberseite der Längscommissuren nahe der Median- ebene hin, biegen dan nnach aussen um und treten endlich an der oben bezeichneten Stelle aus dem Ganglion aus. Ueber den Verlauf der über das Ganglion wegziehenden Längs- commissuren sind bereits bei Gelegenheit der Beschreibung der einzel- nen Theile des Ganglions einige Bemerkungen gemacht worden. Wäh- rend sie im vorderen und mittleren Theil des Ganglions durch die darunter liegenden Organe breit gedrückt und durch die zwischen ihnen durchziehenden Ganglienzellenausläufer und die Quercommissur zwi- schen den beiden Punktsubstanzballen in drei Etagen zerspalten werden (Fig. 19, 20 und 23 /c,, lc, und {c;), ordnen sie sich im hinteren Theil wieder zu Strängen von rundlichem Querschnitt (Fig. 21 lc). Sie setzen sich aus ziemlich starken Fasern zusammen, von denen grössere oder kleinere Bündel in Bindegewebslamellen mit länglichen Kernen einge- hüllt sind. Beim Eintritt in das Ganglion verkleinert sich, wie man namentlich auf Horizontalschnitten schön sehen kann, der Durchmesser der einzelnen Fasern. Während zum Beispiel der Querschnitt der äusseren kolossalen Nervenfaser vor ihrem Eintritt ins Ganglion etwa 6800 [lu misst, ist er hinter der Punktsubstanzbrücke, also etwa in der Mitte des Ganglions nur noch etwa 4000 [lu gross). 4) Da die sonst drehrunden kolossalen Nervenfasern beim Durchgange durch die Ganglien etwas flach gedrückt werden, kann man nicht einfach die Durchmesser’ vor und nach dem Eintritt vergleichen. Es wurden daher die Querschnitte bei ein und derselben Vergrösserung mit dem Zeichenapparat auf Papier gezeichnet, welches in kleine Quadrate eingetheilt war, von denen jedes 400 Du in der be- ee nn al Fe ee u > 2; Fu x PH ir y u * Ueber das Gentralnervensystem des Flusskrebses. 569°: E: Weil im ersten Thoracalganglion (Fig. 4) die Punktsubstanz- en ausserordentlich kurz und dick sind (1 mm lang, 0,8 mm breit), reicht ‚dieses Ganglion die sehr bedeutende Höhe von f ‚» mm. Da- urch ‚ dass in ihm die grossen Achsen der Ballen einen nach vorn offenen Winkel bilden, werden Punktsubstanzbrücke und faserige Quer- izenr weit nach hinten gedrängt. Die mittlere und die seitlichen Partien des vorderen Ganglienzellenlagers sind vollständig verwachsen; die seitlichen reichen, indem sie in Form zweier Lappen die Punktsub- stanzballen von vorn her bedecken, sehr weit nach hinten. Eine ‚schmale Zellreihe führt vom mittleren Theil des vorderen Lagers zum hinteren. Dieses hat im Ganzen dieselbe Gestalt wie im vierten Thora- | calganglion, nur fehlt hier, wie überhaupt bei alfen, ausser dem vierten, der nach oben und vorn gerichtete mittlere Fortsatz. Derselbe ist jedoch ‚hier und im zweiten Thoracalganglion durch einen vom mittleren Theil der Hinterfläche des hinteren Lagers nach oben und hinten verlaufenden “ Fortsatz vertreten, der sich zwischen die Längscommissuren einschiebt.. ‘ )er kleine Nerv entspringt im ersten Thoracalganglion dicht hinter dem Hauptnerven und schlägt auch dieselbe Richtung wie dieser ein. Auch das zweite Thoracalganglion (Fig. 5) zeichnet sich noch durch seine bedeutende Höhe aus (1,4 mm). Die Länge seiner Punkt- substanzballen beträgt 1, ihr Querdurchmesser 0,7 mm. Seiten- und Mitteltheile des vorderen Ballens sind verwachsen, die nach hinten ge- ch lagenen seitlichen Fortsätze desselben sind Kiez und dick. Das i tere Lager ist vollständig vom vorderen getrennt und zerfällt in drei Theile. Die Ursprungsstelle des kleinen Nerven entfernt sich bei diesem ınd dem folgenden Ganglion bereits weiter vom Hauptnerven, um dann und fünften in die Nachbarschaft der Längscommissuren zu ba alien. Die Punktsubstanzballen des dritten Thoracalganglions ig 6) zeigen fast dieselben Grössenverhältnisse, wie die des zweiten, sind sie etwas weniger dick. Die Gestalt ar Ganglienzellenlager :hliesst sich eng an die der Lager im vierten Thoracalganglion an. Nur = d die Seitentheile des vorderen Lagers hinten etwas breiter. Dass der lere Fortsatz am hinteren Lager fehlt, wurde bereits erwähnt. a fünften Thoracalganglion (Fig. 8) endlich ist vor Allem Ex Gestalt der Punktsubstanzballen (0,95 mm lang, 0,5 mm orzuheben. Die Seiten- und Mittelstücke der Ganglienzellen- nd nicht getrennt und auch das vordere mit dem hinteren ver- 1, so dass wir es in diesem Ganglion, abgesehen von den beiden 570 Karl Richard Krieger, kleinen unterhalb’ der Ursprungsstelle des Hauptnerven gelegenen, nur 7 mit einem einzigen Ganglienzellenlager zu thun haben. Das untere Schlundganglion hat im Ganzen die Gestalt eines | liegenden Cylinders. Will man genauer sein, so kann man es als aus drei übereinander gestellten, kurzen, aber von sehr spitzen Kegeln her- rührenden Kegelstümpfen zusammengesetzt betrachten. Nachdem näm- lich die Schlundeommissuren sich einander unter einem sehr spitzen Winkel genähert und sich vereinigt haben, erscheinen (Fig. 3) unter H ihnen Ganglienzellen und bald auch Punktsubstanzballen , welche sich in der Weise anordnen, dass sie mit den Längscommissuren ein Gebilde von etwa kreisförmigem Querschnitt ausmachen. Der Durchmesser dieses 4 Gebildes , der Anfangs 1,3 mm betrug, nimmt stetig zu, bis er 1,2 mm hinter dem Nereitigungeinkt der Schlundeommissuren mit 1,8 mm ein Maximum und mit diesem der erste der- drei Kegelstümpfe sein Ende erreicht. Von hier an verringert sich der Durchmesser des unteren Schlundganglions wieder , so dass er 2,7 mm hinter dem Vereinigungs- punkt der Schlundeommissuren nur noch 1,25 mm lang ist. Hat hier der zweite Kegelstumpf sein Ende erreicht, so steigt der Durchmesser ganz plötzlich wieder auf 1,6 mm, um die Basis des dritten Kegel- stumpfes zu bilden, der bei einer Höhe von I mm eine Abstumpfungs- fläche von 4 mm Durchmesser aufweist. Von der letzteren aus ziehen die Längscommissuren, äusserlich zu einem Strang vereinigt, dem ersten Thoracalganglion zu. Aus dem unteren Schlundganglion gehen zehn Nerven hervor, von denen sechs vom unteren, vier am oberen Theil der Seitenfläche ent- springen. | Der erste der unteren begleitet die Schlundeommissuren ein Stück weit nach vorn und tritt erst etwa 0,5 mm vor der Vereinigungsstelle derselben aus dem sie umhüllenden Perineurium heraus (Fig. 3 n,). Noch weiter nach vorn theilt er sich in zwei Aeste, von denen der eine zu den Muskeln des Kieferstiels, der andere zu den Antagonisten der- | selben sich begiebt. Der zweite verlässt das Ganglion an seinem vor- ‘deren Ende etwa auf der Höhe der Vereinigungsstelle der Schlundeom- missuren, der dritte eiwa 0,5 mm weiter nach hinten (Fig. 3 n, und n;). Der zweite und dritte Nerv versorgen die Unterkiefer. Darauf folgen in Abständen von etwa 0,45 und 0,35 mm der vierte und fünfte untere Nerv (Fig. 3 n, und n,). Die Austritisstelle des ersteren kommt etwas vor, die des letzteren etwas hinter die Stelle zu liegen, an welcher der Durchmesser des Ganglions sein Maximum erreicht. Nun folgt eine lange Pause, denn erst da, wo sich, um den oben gebrauchten Vergleich wie- ' der reden det letzte Kesltiumpf mit seiner Basis auf die Ab- Fr a nn in Te Dh) Zn Ze ae E E Kur “ n, ey ” . - \ nn 0 Üeber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 571 , v bi tump ungsfläche des vorletzten aufsetzt, verlässt der letzte untere Nerv das Ganglion (Fig. 3 n,). Er und seine beiden Vorgänger innerviren die - drei Kieferfüsse. i Von den oberen Nerven tritt der erste (Fig.3 n,) an der breitesten Ss lle des Ganglions, also über dem Zwischenraum zwischen dem Ur- sprung des vierten und fünften unteren, ins Freie. Er ist von ansehn- icher Stärke und versorgt, soviel ich sehen konnte, die Muskeln der Flagella, durch deren nie ruhende Bewegung den Kiemen frisches Wasser zugeführt wird. Auf ihn folgen in Abständen von 0,32, 0,55 und 0,7 mm die drei anderen oberen Nerven (Fig. 3 ng, 2, und n,,). Sie sind bei weitem dünner als die anderen. Ihre peripherischen Enden sind mir unbekannt geblieben. 4 Die nervösen Elemente des unteren Schlundganglions sind in eine wohl entwickelte Lage von zellig-blasigem Bindegewebe (auf Fig. 3 weiss gelassen) eingehüllt. Am stärksten ist dieselbe auf der Unterseite ‚entwickelt, wo sie bis 0,35 mm dick wird, nach den Seiten zu nimmt ‚sie an Dicke ab und ist oben nur noch 0,1—0,05mm stark. ? Auf diesem Lager von zellig-blasigem Bindegewebe ruhen in der unteren Hälfte des Ganglions sechs Paare von ellipsoidischen Punktsub- ‚stanzballen, aus denen die sechs unteren Nerven ihren Ursprung neh- men (Fig. 3 pb,—pb,; Fig. 24 pb,; Fig. 25 pb,; Fig. 26 pb,; Fig. 28 | bs). Die grossen Achsen eines jeden Paares stossen unter einem nach vorn offenen Winkel von etwa 100° zusammen , die durch die bei- der Schenkel dieses Winkels bestimmte Ebene senkt sich bei den letzten j Paaren in der Weise nach vorn herab, dass sie mit der Horizon- ılen, die durch die Ober- und Unterfläche des Ganglions bestimmt sein | nöge, einen Winkel von ungefähr 40% bildet (Fig. 3b). Beim zweiten aare liegt diese Ebene fast horizontal, beim ersten senkt sie sich, aber veit weniger als bei den vier letzten Paaren nach vorn herunter, Die ‚änge der grossen Achse beträgt bei den ersten vier Ballenpaaren 0,5 ım, beim fünften 0,6, beim sechsten 0,7 mm, dabei sind die Ballen ° ersten vier Paare 0,4, die des fünften 0,5 und die des sechsten aares 0,55 mm dick. Die Ballen der einzelnen Paare sind durch ziem- 'h breite Punktsubstanzbrücken mit einander verbunden. Da wo die icker in die Ballen übergehen, kann man, wenigstens bei den vier (zten Paaren, eine rundliche Stelle in der Punktsubstanz der Ballen ahrnehmen, die sich durch besondere Feinheit und Dichtigkeit aus- ehnet. Sie entspricht den kleinen Ballen in den Thoracalganglien und 'rscheidet sich von denselben nur insofern, als sie ganz in die \ ubs anz des grossen Ballens eingesenkt ist, während jener zur demselben heraussieht. Eine ganz besondere Ausbildung Ss m ae nr 23 az ER r ri u 972 Karl Richard Krieger, zeigt die Brücke des zweiten Ballenpaares (Fig. 3 und Fig. 28 5b). Man könnte sie ihrer Grösse wegen als einen besonderen Ballen auffassen, der sich unter den vorderen Theil der Ballen des zweiten Paares lagert und mit ihnen verschmilzt. Sie ist auch die Ursache dafür, dass sich die letzteren nicht wie die übrigen Ballen nach vorn herabsenken können. Sie bildet ein quergestelltes Ellipsoid von 0,6mm Länge und 0,38 mm grösster Breite. In ihrer Punktsubstanz nimmt man zahlreiche, rund- liche 0,02—0,03mm grosse Verdichtungen wahr, die etwa ebenso weit, als ihr Durchmesser lang ist, von einander abstehen. Die fünf ersten Ballenpaare liegen so dicht hinter einander, dass die Ballen eines jeden mit denen des folgenden zusammenstossen und mit ihnen verschmelzen. Die Stellen, an denen die Verschmelzung vor sich geht, haben einen Durchmesser von etwa 0,2 mm. Das sechste Paar ist vom fünften durch einen 0,3mm langen Zwischenraum getrennt. Zwi- schen den Ballen der letzten fünf Paare spannt sich ungefähr über der vorderen Grenze der Punktsubstanzbrücke eine nach oben gewölbte faserige Quercommissur aus, beim ersten Paar ist dieselbe in das Innere der Ballen und der Brücke hineinverlegt. Weitere zwei Ballenpaare finden sich in der oberen Hälfte desGan- glions. Das erste von diesen (Fig. 3 und 27 pb,) liegt über dem Zwi- schenraum zwischen dem ersten und dem zweiten unteren Ballenpaare, dem ersten etwas mehr genähert als dem zweiten. Die Ballen desselben sind von rundlicher Gestalt, messen im Durchmesser etwa 0,15 mm und sind etwa 0,2 mm von einander und eben so weit von der oberen Grenze der Längscommissuren , in deren Verlauf sie eingebettet sind, entfernt. An ihrer Vorderseite tritt ein Faserbündel, welches den Schlundceom- missuren entstammt, in sie ein und löst sich in ihnen auf. Dass andere Fasern mit ihnen in Beziehung stehen, habe ich nicht beobachten kön- nen, wohl aber stehen sie durch einen schmalen Streifen von Punktsub- stanz, der zwischen den Längscommissuren nach hinten zieht (Fig. 27), mit dem zweiten oberen Ballenpaare (Fig. 3 und 27 pd;) in Verbindung, welches man über dem Zwischenraume zwischen dem zweiten und drit- ten unteren Ballenpaare antriffi. Jeder der Ballen desselben besteht eigentlich wieder aus zwei mit einander verschmolzenen kuseligen Bal- len (auf Fig. 27 ist nur der hintere davon so getroffen, dass er deutlich zu sehen ist). Die vorderen von ihnen haben einen Durchmesser von 0,2mm und sind in der Mitte, wo sie beinahe zusammenstossen, durch eine Punktsubstanzbrücke verbunden. An diese schliessen sich die hin- teren nach aussen, hinten und etwas nach oben an, welche 0,25 mm im Durchmesser halten und 0,18mm von einander entfernt sind. Ausihnen gehen die Nerven für die Flagella hervor. & Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 873 a: en eliönzollenlager sind im unteren Schlundganglion in sehr reicher Anzahl vorhanden. Um einen Ueberblick über dieselben zu bekommen, _ wollen wir sie zunächst in solche, welche protoplasmaarme Zellen. und solche, welche Zellen mit deutlichem Protoplasma enthalten, scheiden. Auf erstere kommt nur ein Paar, wäbrend die letzteren die Hauptmasse bilden und nach ihrer Lage wieder in drei Unterabtheilungen, nämlich in untere, seitliche und obere getrennt werden können. Die unteren und ‚seitlichen Lager des unteren Schlundganglions entsprechen den mitt- leren und seitlichen Abtheilungen der grossen Ganglienzellenlager in den Thoracalganglien, die oberen dagegen lassen sich mit dem nach - hinten und oben gerichteten, mittleren Fortsatz des hinteren Lagers in den beiden ersten Thoracalganglien vergleichen, nur werden sie viel - selbständiger als dieser. Die beiden aus kleinen, protoplasmaarmen Zellen bestehenden Lager finden sich an der Üntärzeite des Ganglions vor der Brücke des - zweiten Punktsubstanzballenpaares (Fig. 3 gk). Ihre Gestalt gleicht der _ Hälfte eines Ellipsoids, welches durch einen durch die grosse Achse ge- - führten Schnitt getheilt ist. Mit den nach hınten, oben und etwas nach - innen gewendeten Schnittflächen legen sie sich an die Vorderseite der - Brücke zwischen dem zweiten Ballenpaare an. Die Länge ihrer grossen Achse ist gleich 0,4, die ihrer kleinen gleich 0,28 mm. Ihre proximalen Pole nähern sich einander bis auf 0,12 mm. Der Durchmesser der ein- zelnen Zellen, bezüglich Kerne beträgt 0,017, derjenige der sie um- g benden Bindegewebskapseln 0,028 mm. Ihre Ausläufer streben dem ittelßunkte der ihre hintere Fläche bildenden Ellipse zu, von wo sie zu einem Bündel vereinigt in die Brücke des zweiten Ballenpaares ein- dringen, um sich darin aufzulösen. Die unteren Ganglienzellenlager (Fig. 3 u —u, ; Fig. 24 u, ; Fig. 25 1%) erscheinen, wie die ihnen entsprechenden unteren Theile der grossen "Lager in den Thoracalganglien auf Querschnitten meist als gleichseitige Dreiecke mit nach oben gewandter Spitze, welche die zwischen den _Querschnitten der Punktsubstanzballen entstehende Lücke von unten ie ausfüllen. Auch stehen sie meist mit den seitlichen Lagern in Ver- indung, doch sind diese Verbindungen bei Weitem schwächer, als die prechenden in den Thoracalganglien. Das erste untere Lager (Fig. 3 a ig. 24 u,) ist nur schwach entwickelt. Seine Höhe beträgt 0,12, e Länge nicht ganz 0,2mm. Nach den Seiten zu geht es in die bei- ) ers en seitlichen Lager über. Hinter ihm hnden Beh auf eine Strecke a, ‚ perlschnurartig an einander gereiht, drei Lager (Fig. 3 u — nen man jedes durch Verschmelzung eines vorderen und am Ber Da ne SKIN. Ba. 974 Karl Richard Krieger, eines hinteren entstanden auffassen kann. Das erste, welches 0,27 mm lang ist, schliesst sich von hinten dicht an die Brücke des zweiten Ballen- paares an und würde dem hinteren unteren Lager des zweiten und dem vorderen unteren Lager des dritten Ballenpaares entsprechen. Es er- reicht seine grösste Höhe (0,22 mm) und seine grösste Breite (0,5 mm) etwa in der Mitte seiner Längsausdehnung. Da, wo es in das folgende übergeht, beträgt seine Höhe wie seine Breite nur 0,Imm. Die beiden folgenden Lager, welche sich in den Zwischenräumen zwischen dem dritten und vierten und zwischen dem vierten und fünften Ballenpaare vorfinden, haben ungefähr dieselben Dimensionen, wie das eben be- schriebene, nur ist das zunächst folgende länger (0,4 mm lang). Auch liegt bei ihnen die grösste Breite und Höhe hinter der Mitte und die Ein- schnürung zwischen ihnen ist nicht so stark wie zwischen dem zweiten und dritten. Das dritte steht mit dem vierten und das vierte mit dem fünften seitlichen Lager in Verbindung. Das fünfte Punktsubstanzballen- paar besitzt ein gesondertes hinteres unteres Lager (Fig. 3 w,;). Auch dieses kommt den vorhergehenden etwa an Grösse gleich. Nach hinten und oben treiben das vierte und fünfte untere Lager je einen Fortsatz, der zwischen den Längscommissuren emporsteigt und sich mit dem vierten, bezüglich fünften oberen Lager in Verbindung setzt (Fig. 3 b, o, und 0,). Der Fortsatz des fünften Lagers ist stärker entwickelt als der des vierten. Am sechsten Punktsubstanzballen ist sowohl ein vor- deres, als auch ein hinteres unteres Lager selbständig entwickelt (Fig. 3 U, und u,), welche beide ganz den mittleren Theilen der beiden Gan- glienzellenlager eines Thoracalganglions entsprechen, wie ja überhaupt das sechste Ballenpaar mit seinen Anhängen vollkommen den Bau eines Thoracalganglions wiederholt. Auch bei ihm ist das hintere Lager (Fig. 36 w,) in der Mitte in einen nach hinten und oben gerichteten Fort- satz ausgezogen, der sich aber nicht höher erhebt, als dies bei den ersten beiden Thoracalganglien der Fall ist, also auch nicht mit einem oberen Ganglienzellenlager in Verbindung tritt. Von den seitlichen Ganglienzellenlagern liegt das erste (Fig. 3 s,) in Gestalt eines dicken, stumpf dreieckigen Lappens an der Unterseite der Schlundeommissuren,, da wo dieselben in das Ganglion eintreten. Durch die eine nach innen und hinten gewandte Ecke des Dreiecks steht | dasselbe mit dem ersten unteren Ganglienzellenlager in Verbindung. Die nächsten vier (Fig. 3 9—s;; Fig. 24 s,; Fig. 25 s,; Fig. 26 s;; Fig. 28 s>—s,) bilden 0,8mm lange, 0,2—0,5 mm breite, 0,12 mm dicke Lappen, welche, von vorn und unten nach hinten und oben aufsteigend, so an der Aussenseite des Ganglions gelegen sind, dass jedes Mal einer in einen Zwischenraum zwischen zwei der eieten fünf Punktsubstanz Zn u a BT Ah an LE 2 Ha ih ne ar Wi Di ae Ueber das Gentralnervensystem des Flusskrebses, 575 x hallen zu liegen kommt. Man wird daher wohl nicht fehlgehen, wenn % " man jedes als aus zwei Lagern entstanden ansieht, von denen das eine ” _ als hinteres äusseres zum vorhergehenden, das andere als vorderes E - äusseres zum folgenden Ballen gehört. Entsprechend dem Raume, der ihnen von den Ballen gelassen wird, sind sie in der Mitte am schmalsten ; und nehmen nach unten, wie auch besonders nach oben zu, wo sie weit über die Ballen hervorragen, an Breite zu. Das letzte steht im Ganzen den übrigen an Breite nach, während das erste in seinem vorderen Theile etwas niedriger ist als die übrigen Lager. Die ersten beiden fliessen oben und unten zusammen und lassen nur in der Mitte eine Oeffoung für den Durchtritt des zweiten unteren Nerven frei. Das erste, dritte und vierte von diesen vier, d. h. also das zweite, vierte _ und fünfte seitliche Lager stehen durch einen schmalen Streifen von Ganglienzellen mit dem ersten, dritten und vierten unteren Ganglien- _ zellenlager in Verbindung. Es folgen nun noch drei seitliche Lager (Fig. 3 ,—s;), welche den vorhergehenden an Grösse bei Weitem nicht gleichkommen. Es findet dies darin seine einfache Erklärung, dass sie nicht wie jene durch Verschmelzung zweier Lager entstanden sind. Das sechste bildet mit dem fünften unteren, mit welchem es verwachsen ist, einen Complex, der dem hinteren Lager eines Thoracalganglions ent- - sprieht. Dieses, wie auch das siebente und achte, welche die äusseren _ Theile des zum sechsten Punktsubstanzballenpaare gehörigen vorderen und hinteren Ganglienzellenlagers bilden, wenn man dasselbe als selb- ständiges Thoracalganglion auffasst, gleichen auch in der Form den ent- - sprechenden Gebilden in den Thoracalganglien. A Es bleiben nun noch die fünf oberen Ganglienzellenlager (Fig. 3 9—0,; Fig. 26 o,) übrig, welche dicht unter der Oberfläche des Gan- - glion, zwischen den über dasselbe hinziehenden Längscommissuren, allemal etwas hinter dem Zwischenraume zwischen zwei Punktsubstanz- ballenpaaren gelegen sind. Sie haben die Gestalt von mit der Spitze # ach unten gerichteten Keilen, deren Kanten abgerundet sind, und neh- men von vorn nach hinten an Grösse zu. Folgende Tabelle giebt ihre senverhältnisse in mm: E RER Sale ER wi 02 SE 03 j 04 Mr 05 er ös 0,12 0,48 0,23 0,32 0,35 ste Breite 0,45 0,2 0,13 0,13 0,13 ste Höhe 0,45 0,25 0,44 — 1% ie Bone der beiden letzten lässt sich nicht angeben, da sie nach Kar.T. .y e u in die entsprechenden unteren Lager übergehen. E ra ae y R R“ Ki Ki ve; ER e a x Bi 37* wer = N Bi i 2 nd, - ek rn e # 4 ‚ ”. e- r.% w X TEA FIT Dun ce 2 >% De" . y ER ES 37 ER 976 Karl Richard Krieger, In Bezug auf die Grösse der in allen diesen Lagern enthaltenen Zellen ist zu bemerken, dass alle die Grössen , welche in den Thoracal- ganglien vorkommen, auch hier vorhanden sind. Nur sind im Allgemei- nen die grossen Zellen, besonders in den seitlichen Ganglienzellenlagern im unteren Schlundganglion etwas seltener als dort. Eine Ausnahme hiervon macht das erste seitliche Lager, welches zahlreiche grosse Zellen führt. Die aus den Zellen dieser Lager hervorgehenden Ganglienzellen- ausläufer wenden sich meist zu stärkeren Bündeln vereinigt dem näch- sten Punktsubstanzballenpaar zu und lösen sich darin auf. Hiervon sind, so viel ich sehen konnte, nur die Ausläufer der eben erwähn- ten grossen Ganglienzellen des ersten seitlichen Lagers ausgenommen, welche sich den Längscommissuren beimischen und- mit ihnen nach hinten ziehen. Zu bemerken ist, dass der grösste Theil der Fortsätze der übrigen Zellen sich nieht dem ihnen unmittelbar benachbarten Bal- len zuwendet, sondern, wie wir dies schon in den Thoracalganglien sahen, dem diesem auf der anderen Seite entsprechenden. Dass Gan- glienzellenausläufer auf derselben Seite, auf der sie entspringen, auch . Ihr Ende erreichen, konnte ich mit Sicherheit nur bei einigen beobach- ten, welche aus dem siebenten, seitlichen Lager hervorkommen und sich zum sechsten Ballenpaar wenden; es ist jedoch, besonders wenn man die Verhältnisse in den Thoracalganglien zur Vergleichung heran- zieht, sehr wahrscheinlich, dass auch noch andere aus seitlichen Lagern hervorkommende Ausläufer einen ähnlichen Verlauf nehmen. Bei den Ganglienzellenfortsätzen derjenigen Lager, welche mit dem ersten Punkt- substanzballenpaar in Beziehung stehen, geschieht der Uebertritt auf die andere Seite in der Weise, dass sie zunächst in den Ballen derselben Seite eintauchen. und dann, indem sie diesen und die Punktsubstanz- brücke durchbohren, im Innern des Ballenpaares die andere Seite er- reichen. Auf Fig. 24 ist dieser Vorgang an Fasern, welche aus dem vorderen Theile des zweiten seitlichen Lagers hervorkommen (gass), zu sehen. Die zu den übrigen Ballenpaaren gehörigen Ausläufer finden ihren Weg nach der anderen Seite ausserhalb der Punktsubstanzballen. Indem sich dabei die aus den unteren Lagern stammenden zwischen den Längscommissuren durchdrängen, beschreiben sie ähnliche Figuren, wie die ihnen entsprechenden Ausläufer in den Thoracalganglien. Vor Allem gleichen diesen die aus dem dritten bis fünften und aus dem siebenten unteren Lager aufsteigenden Bündel (auf Fig. 3@ sind ihre Fusspunkte mit blauer Farbe in die Ganglienzellenlager eingezeichnet) in ihrem Ver- lauf. Ein Unterschied besteht rur darin, dass diejenigen Fasern, welche die Grundlage der mittleren Etage der Längscommissuren bilden, nicht ET yo Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 577 wie in den Thoracalganglien (Fig. 20 g@,) ziemlich senkrecht in die Höhe steigen, sondern diejenigen, welche dazu bestimmt sind, die mittlere - Etage von der oberen zu trennen, bis zur Höhe des Unterschieds zwi- schen mittlerer und unterer Etage auf ihrem Wege nach aussen und oben begleiten. Auch steigen in der Medianebene manche von diesen - Fasern zu denen hinauf, welche die mittlere und die obere Etage tren- nen und laufen dann mit ihnen vereinigt weiter. Etwas abweichend gestaltet sich der Verlauf der für das zweite Ballenpaar bestimmten Fort- sätze der Zellen des zweiten unteren Lagers, da hier durch die in die unterste Etage der Längscommissuren eingeschalteten hinteren oberen Punktsubstanzballen Störungen hervorgerufen werden (Fig. 25). Nach- dem die Ganglienzellenfortsätze zunächst 0,25bis 0,3mm hoch senkrecht in die Höhe gestiegen sind, theilen sie sich in zwei Bündel. Von diesen behält das eine (Fig. 24 ga,) noch auf etwa 0,2mm den senkrechten Verlauf bei und wendet sich dann in ganz sanftem Bogen nach innen, um noch 0,25 mm höher mit dem der anderen Seite zusammenzutreflfen und sich mit ihm zu kreuzen (Fig. 24Äkr). Das andere biegt nach aussen und oben ab und verläuft etwa 0,25 mm weit geradlinig in der Weise, dass es mit dem ersteren einen nach oben offenen Winkel von ungefähr 60° bildet. Hierauf theilt es sich abermals in zwei Arme, von denen der innere (ga,) in schärferer, der äussere (gas) in sanfterer Krümmung ö nach innen umbiegt. Beide erreichen endlich den Punkt, an welchem sich die gerade aufsteigenden Bündel kreuzen und treffen hier ebenfalls E mit den ihnen entsprechenden der anderen Seite zusammen. Es ist _ also hier die Kreuzung, welche sich bei den übrigen Ballenpaaren und i den Thoracalganglien auf die drei Grundlagen der Etagen der Längs- 2 commissuren vertheilt, auf einen Punkt concentrirt. 2 Aus den hinteren Theilen des zweiten, dritten, vierten und fünften, > sowie aus dem siebenten seitlichen Lager entspringt je ein Bündel für _ einen der fünf letzten unteren Punktsubstanzballen. Das aus dem zwei- ten entspringende zieht unterhalb der Längscommissuren quer durch E: das Ganglion und gelangt so zu der Vorderseite des zweiten unteren A Ballenpaares. Der Verlauf der vier anderen geht in der Weise von Stätten, dass sie (Fig. 26 gas;) zunächst ebenfalls in gerader Linie un- _ terhalb der Längscommissuren nach innen streben, wenn sie aber die Medianebene des Ganglion erreicht haben, rechtwinklig umbiegen und senkrecht oder etwas nach vorn geneigt zwischen den .Längscommis- _ suren aufsteigen. Sind sie auf der Höhe der Grundlage der dritten ne fe age angelangt, so kreuzen sich die beiderseitigen Fasern und ziehen n Ban. 578 Karl Richard Krieger, Etagen zunächst nach aussen und dann nach abwärts zum Punktsub- stanzballen. Die vorderen Partien des dritten bis sechsten und des achten seit- lichen Lagers entsenden für die fünf letzten unteren Punktsubstanz- ballen Faserbündel, welche in gerader, wagrechter Richtung unter den Längscommissuren der entgegengesetzten Seite des Ganglions zueilen. ‚ Man trifft diese Fasern auf denselben Querschnitten, auf denen das erste der beiden aus den unteren Ganglienzellenlagern aufsteigenden Bündel zu sehen ist. Sie bilden mit die Grundlage für die unterste Etage der Längscommissuren. (Fig. 25 zeigt zwar in der Mitte diese Fasern, nicht aber ihren Zusammenhang mit dem seitlichen Lager.) Etwas weiter nach hinten, da wo das zweite Hauptbündel von Aus- läufern dem unteren Lager entsteigt, trifft man in den letzten vier Ab- theilungen des unteren Schlundganglions ein zweites Bündel von Aus- läufern, welches in geradem, wagrechtem Verlauf zwischen der unteren und mittleren Etage dem seinem Ursprung gegenüberliegenden Punkt- substanzballen zustrebt. Die Fasern der einzelnen Bündel stammen der Reihe nach aus den mittleren Partien des vierten und fünften und aus den hinteren Partien des sechsten und achten seitlichen Ganglienzellen- lagers. Auch hinter dem zweiten unteren Punktsubstanzballenpaare . findet sich ein derartiges Bündel, allein seine Fasern werden nicht die- sem, sondern dem zweiten oberen Ballenpaar zugeführt. Die Ausläufer der oberen Ganglienzellenlager ziehen zunächst senk- recht nach unten. Was weiter aus ihnen wird, vermochte ich nicht festzustellen. Aus dem distalen Pole eines jeden der unteren Punktsubstanzballen geht einer der 12 unteren Nerven hervor. Bei den ersten beiden Ballen- paaren scheint dies einfach in. der Weise vor sich zu gehen, dass in den verschiedensten Theilen der Ballen sich Fasern aus der Punktsubstanz sammeln, dem Pole der Ballen zustreben und hier mit andern, welche sich aus den Längscommissuren zu ihnen gesellt haben, die Nerven con- _ stituiren. Wenigstens ist es mir nicht gelungen, hier grössere Bündel von bestimmtem Verlauf im Innern der Ballen nachzuweisen. Wohl aber konnte ich es in den vier letzten Ballenpaaren, in denen sich alle diejenigen Theile, die sich in den Thoracalganglien an der Zusammen- setzung der Hauptnerven betheiligen, wiederfinden. Derjenige Faserzug, welcher in den Thoracalganglien die mit 4 und 5 bezeichneten Faserbündel abgiebt, lässt sich in derselben Ausbildung im unteren Schlundganglion nach vorn bis an das dritte Punktsubstanz- ballenpaar verfolgen. In letzterem jedoch spaltet er sich in mehrere ; 2 Gr u a A ah, Pr m: r .- Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 579 Aeste, welche mit der ballenartig erweiterten Brücke des zweiten Ballen- paares in nähere Beziehung treten. f* Um ihren Ursprung kennen zu lernen, verlassen wir den Faserzug ‚an dieser Stelle und wenden uns zunächst dem ersten Punktsubstanz- ballenpaare zu. 2 Aus diesem entspringt von der hinteren und inneren Fläche jeder- seits ein Faserzug, der sich der Oberfläche der Brücke zwischen dem | zweiten Ballenpaare zuwendet. Dabei nähern sich die beiderseitigen 4 Faserbündel (Fig. 3c und 287, deren Abstand bei ihrem Ursprung 0,3 _ mm betrug, kurz vor der Mitte der Brücke einander bis auf 0, Ha: - An dieser Stelle schliessen sich ihnen von unten her zwei Faserbündel - an (Fig. 3c und 28 /7), die sich in der Punktsubstanz des Brücken- ballens (Fig. 3c, bb) gesammelt haben. Darauf bilden die vereinigten Bündel ein Cbiasma (ch), dessen hintere Schenkel (7 —+ II) langsam di- _ vergiren und von innen und oben her in die Ballen des dritten Paares - eintreten. Von ihnen aus zweigen sich dann die Faserzüge für den drit- _ ten unteren Nerven ab, welche den in Fig. 7 mit 4 und 5 bezeichneten _ entsprechen, und mit ie (den hinteren Chiasmaschenkeln) vereinigen sich im hinteren Theile des dritten Ballenpaares noch von unten her _ einige Faserbündel, welche, nachdem sie sich in dem Brückenballen gesammelt haben und an der Hinterfläche aus demselben ausgetreten ‚sind, sanft nach oben ansteigend, die hinteren Partien der Ballen des ‚zweiten und die Ballen des dritten Paares durchbohren (Fig. 25 und 28 II; aufFig. 3c ist nur ein Bündel (Z/T) gezeichnet). Nach ihrer Ver- inigung bilden diese Bündel (/ + /I und //I) den mit 4 —+ 5 hezeich- neten Faserzug, den wir vorher bis hierher von hinten nach vorn ver- | olgten. 7 Ausser den beschriebenen finden sich in der Nähe des Brücken- "ballens noch einige andere Faserzüge von mir unbekannter Bedeutung. Ein Paar von diesen (Fig. 3c IV) stammt aus dem oberen Theile der Längscommissuren, senkt sich kurz vor dem Brückenballen herab und läss sich an der Vorderseite desselben, an der es in einem nach aussen ind hinten offenen Bogen herabläuft, his zu der Stelle verfolgen, wo die janglienzellenausläufer (Fig. 3c a) aus dem kleinzelligen Lager in den Ballen eindringen. Ein anderes Faserbündel (Fig. 3c, V) von unbe- er Bedeutung zieht über den hinteren Theil der Unterfläche des Pn kenballens hinweg von einem Pole desselben zum anderen. en “ Der erste obere Nerv (Fig. 3 n,; Fig. 27 n,) sammelt sich theils au lem Hintertheil des zweiten oberen Ballenpaares (Fig. 27 pbn,), Is bez ieht er seine Fasern aus den Schlundcommissuren, von denen u; FR n sch arfem Bogen nach aussen abbiegen (Fig. 27 scn,). E.. z ET uE = - 580 | Karl Richard Krieger, Die drei hinteren oberen Nerven setzen sich aus wenigen starken Fasern zusammen, die aus den Längscommissuren stammen, und ver- treten, was ihr Verhältniss zu den drei letzten Punktsubstanzballen- paaren und deren Anhängen betrifft, ganz die Stelle, welche die kleinen Nerven in den Thoracalganglien einnehmen. 4. Abdominalganglien. Die fünf Abdominalganglien stehen hinter den bereits beschriebe- nen mit Ausnahme des Commissurenganglions weit an Grösse zurück. Dem unbewaffneten Auge erscheinen sie als kleine, knotenartige An- schwellungen an den scheinbar einfachen Längscommissuren. Ihre Ent- fernung von einander beträgt ungefähr 5 mm; eben so weit steht das erste von ihnen vom letzten Thoracalganglion und das letzte vom Schwanzganglion ab. Hatten schon die fünf Thoracalganglien eine grosse Uebereinstim- mung gezeigt, so ist dies in noch weit grösserem Maasse bei den Abdo- minalganglien der Fall: die Beschreibung eines beliebigen von ihnen könnte, wenigstens soweit die vorliegenden Untersuchungen über ihren Bau Aufschluss geben können, wörtlich für alle wiederholt werden. Höchstens würde sich in der Dicke der Längscommissuren eine Abwei- chung ergeben. Die Abdominalganglien stellen beinahe halbkugelige Ansch wellun- gen dar, welche sich an die an der betreffenden Stelle etwas breit ge- zogenen, aber immer in gerader Linie fortlaufenden Längscommissuren mit ihrer ebenen Fläche von unten her anlegen. Nur ist die Halbkugel unten in einer mit den Längscommissuren gleich gerichteten Zone etwas abgeplattet und der scharfe Winkel, welcher vorn und hinten beim An- ' einandertreffen- von Kugelfläche und Längscommissur entsteht, durch eine sanfte Böschung ausgeglichen. Die Länge eines Abdominalganglions, von den vordersten bis zu den hintersten Ganglienzellen gemessen, be- trägt 0,9 mm; misst man jedoch von der Stelle an, von welcher ab die Längscommissuren dadurch, dass sich zunächst bindegewebige Elemente an ihrer Unterfläche einfinden, an Durchmesser zunehmen, bis dahin, wo sie wieder ihr gewöhnliches Galiber erreicht haben, so findet man die Länge des Ganglions gleich 1,«mm. Dabei beträgt seine grösste Höhe, die Längscommissuren mit eingerechnet 0,85, die grösste Breite Amm. | Aus den Abdominalganglien kommen zwei Paare von Nerven her- vor, das eine etwa ein halbes Millimeter hinter den vordersten Ganglien- zellen und etwa ein Viertel der Höhe des Ganglions über dem untersten Ki Punkt derselben, das zweite auf gleichem Querschnitt mit den hintersten 3 Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 581 "Ganglienzellen und in der Mitte der Höhe des Ganglions. Die vorderen _ Nerven fübren zu den Schwimmfüssen des Abdomens,, die hinteren zur _ Stammmuskulatur desselben. Ausser diesen beiden Nervenpaaren, die vom Ganglion selbst aus- gehen, muss noch ein drittes zu demselben gezogen werden, welches _ etwas über ein Millimeter hinter den letzten Ganglienzellen die Längs- 3 commissur verlässt. 4 Den beiden vom Ganglion selbst ausgehenden Nervenpaaren ent- sprechen im Innern desselben zwei Paare von Punktsubstanzballen. Die Ballen des ersten von diesen (Fig. 9 und 29 pb,) sind von ellipsoidischer Gestalt, 0,4 mm lang und 0,3mm breit. Ihre grossen Achsen bilden - einen nach vorn offenen Winkel von etwa 145°. Mit ihren proximalen - Polen nähern sie sich einander bis auf 0,06mm. Verbunden werden ‚sie mit einander durch eine Punktsubstanzbrücke, welche von den nach vorn und innen gekehrten Flächen ausgeht, und eine faserige Quercom- & missur, welche sich etwas vor der Stelle, an welcher sie einander amı a nächsten kommen, über ihnen ausspannt. Dicht hinter ihnen stösst man auf die Ballen für das zweite Nervenpaar (Fig. 9 und 31 pb,) , welche bei sphärischer Gestalt einen Durchmesser von ungefähr 0,2mm haben. Ihre Punktsubstanz geht direct in die des vorderen Paares über; sie selbst sind unter einander durch eine kurze, sehr starke Brücke ver- - bunden. Auch zwischen ihnen verkehrt möglicher Weise noch eine 5 faserige Quercommissur, doch ist diese nicht so sicher nachzuweisen, wie die zwischen den ersten Ballen, da die hetreffenden Fasern auch als _ die letzten Enden von Ganglienzellenausläufern, welche sich in den Ballen auflösen, aufgefasst werden können. Entsprechend dem höher gelegenen Austritt des zweiten Nervenpaares liegt auch das zweite allenpaar höher als das erste: seine Unterfläche ist von der des ganzen Ganglions etwa 0,25 mm entfernt, während für das erste Ballenpaar diese Entfernung nur 0,17 mm beträgt. Den unteren Theil des Ganglions nimmt das einzige Ganglienzellen- er, welches sich in demselben findet, ein. Es stellt einen im Durch- schnitt 0,2mm dicken Lappen von ovaler Gestalt dar. Die regelmässige estalt des Ovals, dessen grosse Achse in der Richtung mit den Längs- > commissuren übereinstimmt, wird dadurch gestört, dass es nach hinten bgestutzt ist und seitlich unter der Austrittsstelle des ersten Nerven- res einen Ausschnitt zeigt. Die Länge des Lagers beträgt etwa 0,9, grösste Breite 0,95 mm. Nach vorn zu zieht es sich ein gutes Stück “den ER hin, während es hinten gleich hinter den ktsul hstanzballen sein Ende ra Die in dem Lager enthaltenen anzellen zeigen in Bezug auf ihre Grösse sehr bedeutende Ver- 982 Karl Richard Krieger, schiedenheiten. Vorn in dem Theile des Lagers, der sich unter den Längscommissuren verbirgt, finden sich nur kleinere Zellen von 0,02 bis 0,04mm Durchmesser mit 0,0143 bis 0,02 mm grossen Kernen. Die - Ausläufer dieser Zellen streben zu grösseren Bündeln vereinigt der Me- dianebene des Ganglions zu, steigen dann zwischen den beiderseitigeen Längscommissuren schräg nach hinten in die Höhe und gelangen end- lich, nachdem sie in nach unten offenem Bogen durch die Längscommis- suren hindurchgetreten sind, zu dem ihrem Ursprung entgegengesetzten vorderen Punktsubstanzballen. Weiter nach hinten unter und vor der Punktsubstanzbrücke des ersten Ballenpaares stellen sich dann, zunächst in der Mitte, später auch an den Seiten, grössere Zellen ein, ohne dass jedoch die kleineren durch sie ganz verdrängt werden. Die grösseren werden unter dem Zwischenraum zwischen den beiden Punktsubstanz- ballenpaaren noch häufiger und ebenda befinden sich auch die grössten Zellen des ganzen Nervensystems , deren Durchmesser, bei einem 0,06 mm grossen Kern, bis auf 0,17 mm steigt (Fig. 30). Im hinteren Theile des Lagers nimmt dann die Durchschnittsgrösse der Zellen wieder etwas ab. Die Ausläufer der Zellen des mittleren und unteren Theiles des Lagers steigen zunächst ziemlich senkrecht in die Höhe, treten zwischen die Längscommissuren und biegen innerhalb derselben nach innen um. - Nachdem sie die andere Seite des Ganglions erreicht haben, wenden sie sich nach unten und gelangen so zu einem der Punktsubstanzballen, in welchem sie sich auflösen. Bei ihrem Uebertritt auf die andere Seite zerspalten sie die Längscommissuren, ähnlich, wie dies in den Thora- calganglien der Fall ist, in verschiedene Etagen, doch geschieht dies hier (Fig. 30) nicht mit derselben Regelmässigkeit wie dort. Auch hält es in den Abdominalganglien viel schwerer einen Ganglienzellenausläufer in seinem ganzen Verlauf auf einem Schnitte zu verfolgen, als in den Thoracalganglien,, da die Ausläufer in ersteren nicht, wie dies in letzte- ren öfters der Fall ist, von Anfang bis zu Ende in einer und derselben Ebene verlaufen. Ausser den Ganglienzellenausläufern lösen sich in den Punrktsub- stanzballen der Abdominalganglien auch noch Fasern auf, welche mit den Längscommissuren von vorn herkommen. Sie treten an den am meisten nach vorn gewandten Punkten in die Ballen ein. Die für das zweite Paar bestimmten ziehen innen und oben dicht über das erste Paar weg (Fig. 29 zeigt die letzteren unter der faserigen Quercommissur (c) im Durchschnitt). Die aus dem Ganglion austretenden Nerven setzen sich, wie die aus den Thoracalganglien entspringenden, aus zweierlei Fasern zusam- % = men, nämlich erstens solchen, welche mit den Längscommissuren von Ueber das Centraluervensystem des Flusskrebses, 583 den vorderen Ganglien kommen, und zweitens solchen , welche sich in Punktsubstanz des Ballens selbst sammeln. Erstere zerfallen für s erste Nervenpaar wieder in zwei Abtheilungen. Die einen (Fig. 29 Längscommissuren ab und streben in fast gerader Linie, nach aussen, unten und etwas nach hinten gerichtet, der Anakritäintell des Nerven zu, die anderen dagegen, welche mehr nach aussen und unten in den sam gelegen sind (Fig. 29 Sn, ), dringen zunächst in fast gerader Richtung weiter verlaufend, in den vorderen Punktsubstanz- -ballen ein und steigen, nachdem sie unter den ersteren angelangt und dort nach oben umgebogen sind, senkrecht in die Höhe, bis sie die Unterseite des ersten Bündels erreicht haben. Hier nun biegen sie wie- ‚der ziemlich rasch nach aussen und unten um und gelangen, indem sie unter letzterem hinlaufen, zur Austrittsstelle des Nerven. Beim zweiten np konnte ich nur ein Bündel bemerken (Fig. 31 2n,), welches dem oberen des ersten Nervenpaares analog verläuft. Das für den ersten Nerven bestimmte, aus der Punktsubstanz hervorgehende Bündel (Fig. B In,) tritt, nachdem es aus den verschiedensten Theilen des Ballens asern erhalten hat, etwas hinter dem distalen Pole desselben aus ihm ıeraus (Fig. 9 /n,) und schliesst sich dann von unten an die aus den ängscommissuren stammenden Fasern an. Das entsprechende Bündel - für den hinteren Nerven (Fig. 31 1n,) verlässt den zweiten Ballen an er Aussenseite und zieht in nach unten und innen oflenem Bogen dem Orte zu, an welchem es, mit dem aus den Längscommissuren aus- E € enden Strange vereinigt, das Ganglion verlassen soll. ra Das dritte Nervenpaar (Fig. 9 n,), welches aus den Längscommis- uren hinter dem Ganglion herauskommt, besteht aus nur wenigen, aber en (0,05mm) Fasern. Diese kommen von vorn und laufen vor dem Aust itt des Nerven neben und unter der äusseren kolossalen Nerven- her; ihren Ursprung konnte ich nicht auffinden. Der von ihnen gebildete Nerv dringt in die Muskulatur des Abdomens ein und plattet sich, indem er sich zwischen den einzelnen Muskeln hindurch windet, balc dermassen ab, dass er 0,45 mm breit, aber nur eine oder zwei E hoch wird. Etwas über zwei Millimeter von der Austrittsstelle ernt theilt er sich in zwei ziemlich gleich starke Aeste, die sich dann ir er schwächer werdende Zweige zerspalten und in der Muskulatur 5 h 984 Karl Richard Krieger, | 4 | facher Strang erscheinen, stels aus zwei durch eine senkrechte binde- 7 gewebige Scheidewand getrennten Faserbündeln (Fig. 32). Sonstige bindegewebige Septen, welche die beiden erwähnten Bündel in kleinere theilen, finden sich nur in der Nähe der Ganglien; eine Scheidung in ein oberes, motorisches und ein unteres, sensibles Bündel, die nach Newrorr (28) vorhanden sein soll, besteht nicht. Von vorn nach hinten nehmen die Längscommissuren an Stärke ab. Bemerkenswerth ist, dass nach dem Eintritt in ein Ganglion vor dem ersten Punktsubstanzballen die vorher reichlich vorhandenen Neurilemmkerne in den Längscommis- suren ganz plötzlich aufhören und sich erst hinter dem zweiten Ballen- paare wieder einstellen. Auf dem Schema Fig. 9 sind die Längscom- missuren so weit colorirt, als sie Neurilemmkerne führen. 5. Schwanzganglion. Das letzte Ganglion des Bauchmarkes, das Schwanzganglion , stellt eine rundliche, besonders nach unten zu entwickelte, oben und unten etwas abgeplattete Anschwellung der Längscommissuren, die in ihm ihr Ende erreichen, dar. Es erreicht eine Länge von A, eine Breite von 1,15 und eine Höhe von 0,8 mm. Von seiner hinteren Fläche entspringen unten jederseits vier Ner- ven (Fig. 10 n,—n,), zu denen noch ein fünfter, unpaarer in der Mitte kommt (Fig. 10 n,); oben und hinten verlässt ein Nervenpaar (Fig. 10 n,) das Ganglion. Der Kern des letzteren wird von drei Punktsubstanzballen gebildet. Zwei davon (Fig. 10 und Fig. 33 vpb) liegen mehr im vorderen und un- teren Theile des Ganglions und sind von ellipsoidischer Gestalt, oben und unten etwas abgeplattet. Sie werden 0,5 mm lang, 0,35 mm breit und 0,283 mm hoch. Ihre grossen Achsen bilden einen sehr spitzen, nach hinten offenen Winkel. Nach vorn zu, wo sie durch eine Punkt- substanzbrücke mit einander verbunden sind, kommen sie einander bis auf 0,05mm nahe. Ausser durch diese Brücke sind sie noch durch drei faserige Quercommissuren mit einander verbunden. Dies sowie der Umstand, dass aus ihnen je drei Nerven ihren Ursprung nehmen, lassen die Vermuthung gerechtfertigt erscheinen, dass jeder von ihnen durch ' die Verschmelzung dreier Ballen entstanden ist. Mit ihrem hinteren Theile gehen sie nach innen und oben zu in den dritten unpaaren Ballen über, der die Form eines abgerundet fünfseitigen Kuchens besitzt. Die Höhe desselben beträgt 0,15 mm, die Länge der Seiten des Fünfecks ist mit Ausnahme der nach vorn zu gewandten, die nur 0,2mm lang wird, | gleich 0,26mm (Fig. 10 hpb). Die nach vorn gekehrte kürzere Seite ist | etwas eingeschnitten und dicht hinter diesem Einschnitt wird der Ballen ET Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 585 N on einem Bündel von Ganglienzellenausläufern durchbohrt, so dass der | Theil des Ballens aus zwei durch eine Brücke verbundenen hen Partien besteht. Ausser dieser Gestaltung spricht auch noch ‚der Umstand, dass aus dem Ballen drei Nerven hervorgehen, dafür, dass selbe aus drei mit einander verschmolzenen Ballen, zwei seitlichen igen und einem mittleren unpaaren, besteht. Die Grundlage des ganzen Ganglions bildet ein Ganglionzellenlager von ungefähr kreisförmiger Gestalt. Die vollkommene Kreisform wird dadurch gestört, dass dasselbe vorn etwas abgestutzt und hinten in sinen kleinen Fortsatz ausgezogen ist (Fig. 10 ugz). Die Dicke des Lagers ägt im Ganzen 0,1 mm, steigt jedoch im hinteren Theile, da wo zwi- ‚schen den hinteren Partien der beiden paarigen und dem unpaaren Bal- len Platz gewonnen wird, bis auf 0,25 mm, so dass es hier auf einem Horizontalschnitt, der vorn die Baden unpaaren Ballen trifft, zu sehen (Fig. 33 ugs). Die Grösse der darin enthaltenen Zellen wechselt ischen 0,02 und 0,1 mm, die der entsprechenden Kerne zwischen 0,043 und 0,033 mm. Die grossen Zellen sind im Ganzen stärker ver- reten als die kleinen. Die Ganglienzellenausläufer steigen zu schwä- ıeren Bündeln vereinigt theils zwischen den Punktsubstanzballen, heils seitwärts von ihnen, meist etwas nach vorn geneigt in die Höhe. \ in stärkeres Bündel durehbohrt, wie bereits oben bemerkt wurde, den unpaaren Ballen. Da der oberste Theil des Ballens von einem für jetzt och unentwirrbaren Fasergellecht eingenommen wird, kann ich nicht pr heiden, ob die Ganglienzellenausläufer später, wie a dies bei den leren a eeanslien gesehen haben, auf die andere Seite über- eten oder nicht. Ein zweites kleineres Ganglienzellenlager in Gestalt eines ellipti- en Lappens findet sich hinten an der Oberfläche des Ganglions (Fig. 0 093) . Die quer gestellte grosse Achse der Ellipse hat eine Länge von 4 , die kleine eine Länge von 0,2mm. Der Vorderrand des Lagers liegt ), 16mm hinter dem Beginn des unpaaren Punktsubstanzballens. Es teht aus etwa 20 Zellen von 0,05 mm Durchmesser mit 0,27 mm ossen Kernen und sehr wenigen kleineren. Die Ausläufer der Zellen ebe n dem hinteren Theile des unpaaren Ballens zu. Querschnitt durch die Längscommissuren kurz vor denı anzganglion zeigt, dass die Fasern derselben sich jederseits in ein s und ein unteres Bündel gespalten haben. In dem unteren Bündel Ba te Kt “ 5 E E zu liegen kommen (Fig. 10 2n,—2n,). Auf Horizontalschnitten eicht, diese drei Gruppen durch das ganze Ganglion zu ver- 5 x 2 VE 586 ‘ Karl Riehard Krieger, „arz are folgen (Fig. 33 2n,): sie nehmen Theil an der Zusammensetzung der #“ drei äussersten unteren Nerven. Die beiden von ihnen, welche mehr lateralwärts liegen (Fig. 10 2n, und 2n,) , ziehen leicht gebogen nach dem Austrittspunkte der beiden äusseren unteren Nerven hin, während das mehr nach innen gelegene Bündel zunächst geradlinig nach hinten verläuft, bis es auf den unpaaren Punktsubstanzballen stösst, dann nach aussen umbiegt und an dem erwähnten Ballen hingleitend zum Austritis- punkte des dritten Nerven gelangt. Auf denselben Schnitien kann man auch die aus dem Ganglion selbst stammenden Fasern dieser Nerven in ihrem ganzen Verlaufe be- obachten. Man sieht (Fig. 33 /n,) in den vorderen paarigen Punktsub- stanzballen drei Faserbündel sich sammeln, den Ballen, schräg nach hinten und aussen gerichtet, verlassen und dann, nachdem sie sich von unten her (Fig. 10 {/n,—In;) mit den aus den Commissuren stammen- den Strängen (Fig. 10 2n,—2n;) vereinigt haben, aus dem Ganglion austreten. Die so gebildeten Nerven gehen zu den Flossenfüssen des Schwanzes und zwar die beiden äusseren zu den äusseren, der innere zu den inneren Abtheilungen derselben. Aus den vorderen, seitlichen Partien des unpaaren Punktsubstanz- ballens gehen zwei Faserstränge hervor, welche sich mit aus den oberen Partien der Längscommissuren stammenden Bündeln vereinigen und so das vierte untere Nervenpaar (Fig. 40 n,) constituiren. Dasselbe wen- det sich zum mittleren Theile der Schwanzflosse.. Aus dem hinteren Theile des unpaaren Ballens entspringt der unpaare Nerv. Auch dieser scheint Fasern aus den Längscommissuren zu erhalten. Er wendet sich zunächst dem Enddarm zu und spaltet sich, nachdem er denselben er- reicht hat, in zwei Äeste, von denen der eine nach vorn, der andere nach hinten geht). Im Schwanzganglion erreichen auch die kolossalen Nervenfasern ihr Ende. Nachdem sie nämlich in dasselbe eingetreten sind, spalten sie sich in mehrere Aeste, von denen ein Theil auf die andere Seite des | Ganglions übertritt, und setzen endlich das von dem obern Theil der # Hinterfläche des Schwanzganglions entspringende Nervenpaar zusam- men. Vorher scheinen auch einzelne der Fasern Anastomosen gebildet zu haben. In meiner vorläufigen Mittheilung (19) habe ich irrthümlicher # Weise angegeben, dass dieses Nervenpaar sich zum Enddarm wende, ® es geht jedoch nicht dahin, sondern zur Muskulatur des Schwanzes. Seinen histologischen Eigenschaften, wie seiner Verlaufsweise nach » BUS, a Se" ae? | 2ü ei Ei, Were ? N MB Fa 1 VE 3 Br wi r as gr "Ueber das suite: des Flusskrebses. 587 s sch hü.ce den zwischen den Abdominalganglien aus den Längscommis- sure n entspringenden Nerven zu entsprechen. Die dieser Arbeit zu Grunde liegenden Untersuchungen wurden zum Theil in dem zoologischen Laboratorium der Universität Leipzig E- ausgeführt und der Verfasser ergreift mit Freuden die Gelegenheit, seinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geh. Hofrath Prof. Dr. LeuckArrt, für den vielfachen Rath und die mannigfaltige Anregung, die er ihm zu Theil werden liess, seinen verbindlichsten Dank zu sagen, besonders auch für die Liberalität, mit welcher er ihm die betreffende Literatur. aus seiner Bibliothek zur Verfügung stellte. , ic, Leipzig, August 1879. Literaturverzeichniss. _ Nr. 4. Berroxcı, Morfologia del sistema nervoso centrale della Squilla mantis. An- Fa nali del museo civico di storia nalurale di Genova. Vol. Xll. 4878. 2. BERGER, Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthbropoden. Arbeiten des zool. Instituts zu Wien. Heft 2. . 3. ——, Nachtrag zu den Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthropoden. Ebendas. Heft 3. 4. Borı, Ueber die Zersetzungsbilder der markhaltigen Nervenfaser. Archiv f. Anat. u. Phys., anat. Abth. 4877. 5. CrArArEpeE, Recherches sur la structure des Annelides sedenlaires. 1873. 6. Craus, Der Organismus der Phronimiden. Arbeiten des zool. Instituts zu Wien. Tom. II, Heft 4. 7. Diet, Die Organisation des Arthropodengehirns. Diese Zeitschr. XXVIl. Bd. j 1876. = 8. ——, Untersuchungen über die Organisation des Gehirns wirbelloser Thiere. II. Abtheilung. (Crustaceen.) Sitzungsber. d. Wiener Akademie. 4. Abth. EXXVI. Bd. 1878. Nr. 9. —-, Die Gewebselemente d. Centralnertensystems bei wirbellosen Thieren, Ber. d. naturw.-med, Vereins zu Innsbruck. 4878. Ir. 40. Enßr£enBERG, Beobachtung einer bisher unerkannten Structur des Seelenor- 0 gans. 1836. Ri Be rrsex, Ueber den einheitlichen Bau des Gehirns in den verschiedenen In- sectenordnungen. Diese Zeitschr. XXX. Bd. Suppl. 4878. 2. ( ERLACH, Von dem Rückenmark. Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. - , 43a. Haeckeı, De telis quibusdam Astaci fluviatilis. Diss. Berolini. | —, Ueber die Gewebe des Flusskrebses. Arch. f. Anat. u. Phys. 41857. InRO VE ‚R, ‚ Recherches microscopiques sur le systeme nerveux. 1857. Be a: ar er? ge: ee - x 2 Se < le 3 - ? a cr B 7 ar # wi e B 3# > \ Sa EEE, TE a rt an Ne rs Were EN a . 80. al. . 32. . 33. 34. . 39. . 36. OHR B8. Or 0. Karl Richard Krieger, HELMHoLTZ, De fabrica systematis nervosi evertebratorum. Diss. Berolini. 1842. . HERMANN, Centralnervensystem von Hirudo medicinalis. Gekr. Preisschrift. München 4875. . Hıs, Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. Die erste Entwicklung des Hühnchens im Ei. 1868. . Krause, Allgemeine und mikroskopische Anatomie. 1876. . KRIEGER, Ueber das centrale Nervensystem des Flusskrebses. Zool. Anzeiger. 1. Jahrgang. Nr. 45. 4878. . ——, Eine Methode aus mikroskopischen Querschnitten eine Ansicht des untersuchten Gegenstandes zu construiren. Ebendas. Nr. 46. . Kroun, Ueber die Verdauungsnerven des Krebses. Isis 1834. . Lemoine , Recherches pour servir a l’histoire des systemes nerveux muscu- laire et glandulaire de l’ecrevisse. Ann. des Sciences nat. 5. serie. Zoo- logie. IX. 1868. . LEUCKART, Die Fortpflanzung und Entwicklung der Pupiparen. Halie 1858. . Leypıse, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. 1857. ‚ Vom Bau des thicrischen Körpers. Erster Band. 1864. ‚ Tafeln zur vergleichenden Anatomie. Erstes Heft. 4864. . MAUTHNER, Untersuchungen über den Bau des Rückenmarkes der Fische. Sitzungsber. der Wiener Akademie. Math.-phys. Classe. XXXIV. Band. 1859. . NEWPORT, Phil. trans. 1834. 9. OWSJANNIKOW , Recherches sur la structure intime du systeme nerveux des Crustaces et principalement du Homard. Ann, des sciences nat. 4. serie. Zoologie. XV. 1864. ——, Ueber die feinere Structur des Kopfganglions bei den Krebsen, beson- ders bei Palinurus Locusta, Mem. de l’acad. imp. des sciences de St. Petersbourg. VII. serie, tome VI. Nr. 10. 1863. RasL-RückHARDT, Studien über Insectengehirne. Archiv für Anat. und Phys. 1875. REICHENBACH, Ueber einige Verbesserungen am RıvET-LEiIser' schen Mikrotom. "Archiv f. mikr. Anat. XV. Bd. 1878. REMAK, Observationes. anatomicae et microscopicae de systematis nervosi structura. Diss. Berolini. 1838. ——, Ueber den Inhalt der Nervenprimitivröhren. Arch. f. Anat. u. Phys. 1843 und A844. ä H. SchuLTze, Die fibrilläre Structur der Nervenelemente bei Wirbelthieren. Arch. f. mikr. Anat. XVI. Bd. 1878. SEESSEL,, Zur Entwicklungsgeschichte des Vorderdarms. Arch. f. Anat. und Phys., anat. Abtheilung, 41877. VALENTIN, Ueber den Verlauf und die letzten Enden der Nerven. Nova acta nat. cur. tom. XV. WALTER, Mikroskopische Studien über das Gentralnervensystem wirbelloser Thiere. 4863. Wırr, Vorläufige Mittheilung über die Structur der Ganglien und den Ur- | sprung der Nerven bei Wirbellosen. Arch. f. Anat. u. Phys. 1844. Yung, De la structure intime du systeme nerveux central des Cruslaces ins an Pr; rn Decapodes. Comptes rendus. T. LXXXVIll. 4879. Sa Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 589 Nr. 41. Yune, Recherches sur la structure intime et les fonctions du.systeme ner- En” veux central chez les Crustaces Decapodes. Archives de zoologie experi- mentale. Tome VII. 4878. (Noch nicht vollendet und noch ohne Abbil- dungen.) | Erklärung der Abbildungen. ; Durchgehende Bezeichnungen. D bi, zellig-blasiges Bindegewebe, A bf, Blutgefäss, i“ ce, Quercommissur, = aM: en kolossale Nervenfaser, P. en 9, innere F ga, Ganglienzellenfortsatz, R gz, Ganglienzellenlager, lc, Längscommissuren, n, Nerv, pb, Punktsubstanzballen, sc, Schlundeommissur. Tafel XXXI. Fig. 41 -40. Aus Querschnitten construirte Schemata der Ganglien des Fluss- [ rebses. Ueber die Construction siehe den Text, p. 530 bis 532. Dieselben wurden bei 42 facher Vergrösserung construirt und die erhaltenen Schemata auf 21 fache reducirt. In denselben wurden die Ganglienzellenlager roth, die Punktsubstanz- b allen gelb und die Nervenfasern blau gezeichnet. Die ae ee sind aut 'sämmtlichen nur so weit colorirt, als sie nicht andere Gebilde bedecken. Fig. 4. Schema des oberen Schlundganglions oder Gehirns, von oben gesehen. der rechten Seite sind, um tiefer liegende Gebilde deutlicher hervortreten zu lassen ‚ das Ra bis auf die Enden der Schenkel, der nerve HEHIDENEILTG, ae ellenlagers der seitlichen Anschwellung abgetragen gedacht. no, Augennerv, nt, nerve tegumentaire, naa, Nerv für die äussere Antenne, ; 924, vorderes Ganglienzellenlager, = 933, inneres 0 gg, Äusseres Ve äusseres Ganglienzellenlager der hinteren Anschwellung, 925, hinteres Ganglienzellenlager, 7, vorderer 1, hinterer II, 'vorderer | Ganglienzellenlager der seitlichen Anschwellung, } Punktsubstanzballen der seitlichen Anschwellung, = Punktsubstanzballen der vorderen Anschwellung, onsch. PTR XXXIM. Bd. 38 590 Karl Richard Krieger, V, Punktsubstanzballen für den nerve tegumentaire, : VI, Punktsubstanzballen für. die groben Fasern des Nerven für die innere Antenne, VII, Punktsubstanzballen für den Nerven für die äussere Antenne, x, Punktsubstanzstreifen von unbekannter Bedeutung, y, faserige Verbindung des Ballens VII mit der Quercommissur c, ns} und nsa, Nerven, welche mit den aus dem Commissurenganglion stammenden das Geflecht bilden, aus dem die Magennerven hervor- gehen, nom, Augenmuskelnerv, 0o—Pp giebt die Richtung des Querschnittes, Fig. 14, an. Fig. 2a. Schema des rechten Commissurenganglions, von aussen gesehen. Fig. 2b. Schema desselben, von unten gesehen. S, Richtung nach dem Gehirn, US, Richtung nach dem unteren Schlundganglion, O, oben, U, unten, A, aussen, I, innen, I, II und III, die daraus hervorkommenden Nerven, x2—y giebt die Richtung des in Fig. 47 abgebildeten Querschnittes an. Fig. 3a. Schema des unteren Schlundganglions, von oben gesehen. Auf der rechten Seite ist, um die Gestalt der Ganglienzellenlager zu zeigen , alles ausser ihnen abgetragen gedacht. Dagegen sind auf der linken Seite die Umrisse der Gan- glienzellenlager, soweit sie von anderen Gebilden bedeckt sind, nicht, wie das auf den übrigen schematischen Zeichnungen geschehen ist, durch punktirte Linien be- zeichnet. Fig. 3b. Schema desselben von der rechten Seite gesehen. Um die Figur nicht noch mehr zu compliciren, sind nur Punktsubstanzballen und Ganglienzellenlager eingezeichnet. Fig. 3c. Schema der zu einem besonderen Ballen erweiterten Punktsubstanz- brücke des zweiten Ballenpaares im unteren Schlundganglion mit den dazu gehöri- gen Ganglienzellenlagern und Faserbündeln. u —u7, erstes bis siebentes unteres Ganglienzellenlager, s1—Sg, erstes bis achtes seitliches Ganglienzellenlager, 04—0;, erstes bis fünftes oberes Ganglienzellenlager, gk, aus kleinen, protoplasmaarmen Zellen bestehendes Ganglienzellenlager für den Brückenballen, pb,—pb;, erster bis sechster unterer Punktsubstanzballen. Von den fünf letzten sieht man die faserige Quercommissur zur anderen Seite zieben. pb-, erster oberer Punktsubstanzballen, pb,, zweiter oberer Punktsubstanzballen, bb, Brückenballen, N1—Ng, erster bis sechster unterer Nerv, N7—Ny9, erster bis vierter oberer Nerv, | a, Bündel von Ganglienzellenfortsätzen, welches von gk zum Brücken- ballen zieht. A Ueber das Oentralnervensystem des Flusskrebses. 59i Ueber /, II, IH, VW, V, I+- II, a und ch in Fig. 3c siehe den Text p. 579. ;E- y—z giebt die Richtung des in Fig. 24 abgebildeten Querschnittes an, w—.x giebt die Richtung des in Fig. 25 abgebildeten Querschnittes an, ; u—v giebt die Richtung des in Fig. 26 abgebildeten Querschnittes an. Fig. 4—8. Schema des ersten bis fünften Thoracalganglions, von oben gesehen. In Fig. 7 ist auf der rechten Seite der Punktsubstanzballen vollkommen durchsich- tig gedacht, um den Faserverlauf in seinem Innern zu zeigen. 3 vgz, vorderes Ganglienzellenlager, hgz, hinteres Ganglienzellenlager, ga, Bündel von Ganglienzellenausläufern, kurz über dem Lager abge- schnitten gedacht, kgz, kleines Ganglienzellenlager. Da es mit Ausnahme von Fig. 7 durch den Puaktsuhstanzballen und den Hauptnerven bedeckt wird, er- scheint es auf den Zeichnungen meist nur als punktirtes Oval. br, Punktsubstanzbrücke, n, Hauptnerv, kn, kleiner Nerv, 1 aus dem Punktsubstanzballen stammende Faserbündel für den Haupt- 2, nerven, = UM udn 2 a Zu ännı '| aus den Längscommissuren stammende Faserbündel für den Haupt- r nerven, ’ y—z auf Fig. 6 giebt die Richtung des in Fig. 23 abgebildeten Quer- schnittes an, \ | Fig. 18 giebt auf Fig. 7 Fig DET 9 die Richtung Pi | abgebildeten Querschnittes an, . ig. 20 Yy—3 gen, in Fig. 24 r giebt Jie Richtung des in Fig. 22 abgebildeten Sagittalschnittes an. Fig. 9. Schema des zweiten Abdominalganglions, von oben gesehen. pb,, vorderer Punktsubstanzballen, pba, hinterer Punktsubstanzballen, i M n,, vorderer Nerv, An,, aus dem Punktsubstanzballen stammender Theil desselben, BE 2n,, aus den Längscommissuren stammender Theil desselben, 5, ng, hinterer Nerv, Ang, aus dem Punktsubstanzballen stammender Theil desselben, 2ns, aus den Längscommissuren stammender Theil desselben, na, aus den Längscommissuren entspringender Nerv, u—vı. ; j Fig E: er I ri ae abgebildeten Querschnittes an. tung des in 5 Betr Fig. 34 en; Fig. 40. Schema des Hehe ie von ohen gesehen. Der obere Theil 38* 392 N Karl Richard Krieger, 0g9z, oberes Ganglienzellenlager, af, ein den hinteren Ballen durchbohrendes Bündel von Gangbeazellan? ausläufern, vpb, vorderer Punktsubstanzballen, hpb, hinterer Punktsubstanzballen, 4, 9, ng, Nerven für die Flossenfüsse des Schwanzes, ng, Nerven für den mittleren Theil der Schwanzflosse, N 5, Nerv für den Darm, ng, oberer Nerv (für die Muskulatur des Schwanzes), Anı, 109, Anz, aus dem vorderen Punktsubstanzballen stammende Faser- bündel für die Nerven der Flossenfüsse, 2nı, 209, 203, aus den Längscommissuren stammende Faserbündel für die Nerven der Flossenfüsse. Fig. a Abbildungen zur Erläuterung der Constructionsmethode. Siehe den Fig. 12.) Text p. 531. Tafel XXXII u, XXXII. Sämmtliche auf diesen Tafeln befindlichen Zeichnungen sind mit einem OBER- Häuser'schen Zeichenapparat entworfen. Fig. 43. Rechte Hälfte eines Horizontalschnitts durch das Gehirn in der auf Fig. 44 durch ©—y angegebenen Richtung. Vergrösserung 42. Bezeichnung wie auf Fig. 4. Ausserdem: IVa, die kleinen Ballen, welche die Punktsubstanzbrücke zwischen den hinteren Ballen der Vorderanschwellung bilden, eben von oben an- geschnitten, v, von vorn kommende Fasern, welche sich der Quercommissur zwischen den hinteren Ballen der Seitenanschwellung anschliessen, cno, Commissur zwischen den Augenganglien, o—p giebt die Richtung des in Fig. 14 abgebildeten Querschnittes an. Die Ballen V und VI sind nur angeschnitten, ersterer von unten, letzterer von oben. Zu beiden Seiten von 925 sieht man quergeschnittene Ganglienzellenausläufer aus den tieferen Theilen dieses Lagers. Fig. 44. Rechte Hälfte eines Querschnittes durch das Gehirn in der auf Fig. A und 43 durch o0—p angegebenen Richtung. Vergrösserung 42. Bezeichnung wie auf Fig. A. Ausserdem: niaf, feine Fasern niag, grobe Fasern m, Punktsubstanzballen von zweifelhafter Bedeutung. Siehe den Text p. 553. C4, faserige Quercommissur zwischen den hinteren Ballen der Vorderan- schwellung, x—y giebt die Richtung des in Fig. 43 abgebildeten Horizontalschnittes an. - Fig. 15. Horizontalschnitt durch die seitliche Anschwellung des Gehirns. Der Schnitt liegt 0,42 mm tiefer als der in Fig. 43 abgebildete. Vergrösserung 86. Be- zeichnung wie in Fig. 13. Ausserdem: fs 11, Bündel von Ganglienzellenausläufern die von 923 zu /I ziehen, f 21, Bündel von Ganglienzellenausläufern, die von 925 zu / ziehen, Fig. 16. Querschnitt durch den Nerv der inneren Antenne von Homarus vul- garis. Vergrösserung 86, E des Nerven für die innere Antenne, Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. 593 f, feine Fasern, 9, grobe Fasern, k, Kerne der bindegewebigen Abfächerungen. Fig. 47. Querschnitt durch das rechte Commissurenganglion in der auf Fig. 2 durch &—y bezeichneten Richtung. Vergrösserung 42. Bezeichnung wie in Fig. 2. Fig. 48.) Linke Hälfte eines Quer- ( s-t Fig. 49.(schnities durch das 4. |u—v Fig. 20.| Thoracalganglion in der |o— f Fig. 21.’ aufFig. 7u. Fig. 22 durch (y—z Bezeichnung wie auf Fig. —8. Ausserdem: vgzi, innerer | vgza, äusserer ri, Rinde der Punktsubstanzballen, Ic,, unterste Ica, mir Etage der Längscommissuren, lca, oberste gJa7—ga3, Ganglienzellenausläufer, welche auf die andere Seile des Gan- glions hinübertreten, 930, Anschnitt des sich nach oben und vorn erhebenden, mittleren Fort- satzes des hinteren Ganglienzellenlagers, kpb, kleiner Punktsubstanzballen, welcher die Verbindung zwischen pb und br herstellt. Fig. 22. Etwas schiefer Sagittalschnitt in der auf Fig. 7 durch r, auf Fig. 18—24 _ durch g—r angegebenen Richtung. Vergrösserung 42. Bezeichnung wie in Fig. 7. Fig. 23. Linke Hälfte eines Querschnittes durch das dritte Thoracalganglion in der auf Fig. 6 durch y—z bezeichneten Richtung. Vergrösserung 42. Bezeichnung wie in Fig. 7 und Fig. 18—24. Ausserdem: gav, Ganglienzellenausläufer. angedeuteten Richtung. Vergr. 42. Theil des vorderen Ganglienzellenlagers, Dt #) Wa 2 wa 2m & BAlsE u Aa Tu Mu Ya a Se Bd un rn De ea Tr ae ae Fig. 24.] Rechte Hälfte eines Querschnittes [#7 :] AIR IEGE ANENL ER N IE Fig. 2 | durch das untere Schlundganglion x eh aa 1a B- Fig. 26. in der auf Fig. 3 durch Be i 5 Bezeichnung wie in Fig. 3. Ausserdem : gas 9, Ganglienzellenausläufer aus dem zweiten, seitlichen Lager. Auf Fig. 24 und 25 geben g—r und s—t die Richtung der in Fig. 27 und Fig. 28 abgebildeten Schnitte an. Fig. 27. Linke Hälfte eines Horizontalschnittes durch den vorderen Theil des "unteren Schlundganglions in der auf Fig. 24 und 25 durch g—r angedeuteten Rich- scn7, aus den Schlundeommissuren ] stammendes Faserbündel für den pbn-, aus dem 2. oberen Ballen } ersten oberen Nerven. NB. Der erste obere Nerv zieht auf diesem Präparat ungewöhnlich weit Bi. nach vorn , nachdem er in das zellig-blasige Bindegewebe eingetre- "a ten ist. Shi Fig. 28. Rechte Hälfte des vorderen Theiles eines nahezu horizontalen Schnit- s durch das untere 1 in ‚der dureh st apı Fig. 24 und 25 angeger Er gang, asrseini von aus dem zweiten nteran er anrslersenden Bi Ganglienzellenausläuferbündeln, id; Brücke zwischen den beiden ersten unteren Punktsubstanzballen. 594 Karl Richard Krieger, Ueber das Centralnervensyst. des Flusskrebses. Fig. 29. Rechte Hälfte eines etwas schiefen Querschnittes durch das zweite Ab- dominalganglion in der auf Fig. 9 durch u—v angegebenen Richtung. Vergrösse- rung 42. Bezeichnung wie auf Fig. 9. Ausserdem: ga, angeschnittene grosse Ganglienzelle ; der Kern ist noch nicht getroffen. a »pbd, dichtere Stelle im vorderen Punktsubstanzballen, ön,, aus den Längscommissuren stammendes Faserbündel für den vor- deren Nerven. Fig. 5 Rechte Hälfte eines Querschnittes Lei angegebenen Richtung. durch das dritte Abdominalgan- z . Vergrösserung 42. Fig. 34. glion in der auf Fig 9 durch Bezeichnung wie auf Fig. 9. Ausserdem: br, Brücke zwischen den hinteren Punktsubstanzballen, ps, Grenze zwischen dem vorderen und hinteren Punktsubstanzballen. Fig. 32. Linke Hälfte eines Querschnittes durch die Längscommissur zwischen dem zweiten und dritten Abdominalganglion. Vergrösserung 86. k, Kern des Neurilemms, b, bindegewebige Scheidewand zwischen den beiden seitlichen Bündeln der Längscommissuren, p, Perineurium. Fig. 33. Nahezu horizontaler Schnitt durch das Schwanzganglion. Die rechte Seite liegt etwas höher als die linke. Vergrösser. 42. Bezeichnung vie auf Fig. 10. Fig. 33—37 sind nach Isolationspräparaten gezeichnet. Fig. 34. Zwei grosse Ganglienzellen aus einem Abdominalganglion. Dreitägige Maceration in 0,04 procentigem chromsauren Ammoniak. Vergrösserung 184. Fig. 35. Protoplasmaarme Ganglienzelle mit Fortsatz aus dem äusseren Lager der Seitenanschwellung des Gehirns. Dreitägige Maceration in 0,04 procentigem chromsauren Ammoniak. Vergrösserung 200. Fig. 36. Kolossale Nervenfaser. In Krebsblut, etwa 15 Minuten nach dem Her- ausnehmen. Vergrösserung 290. | b, zwei Neurilemmkerne in einer Umhüllung. Fig. 37. Perineurium. Zwei Tage 2procentiges chromsaures Ammoniak. Flächenansicht. Vergrösserung 440. Yy—% Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. Wende: I Von Dr. Julius Krueg, Arzt an der Privat-Irrenanstalt in Ober-Döbling bei Wien. “ Ei _—_— Mit Tafel XXXIV—XXXVHL, f Historisches. Ä Seit Leurer das Grosshirn des Fuchses seiner Beschreibung der Windungen zu Grunde legte, hat sich kaum irgend Jemand mit der ver- gleichenden Anatomie des Gehirns der Säugethiere beschäftigt, ohne wenigstens nebenbei auch jenes der Garnivoren zu gedenken; ausser- dem wurde es eben wegen des allgemeinen Interesses, Gegenstand speeieller Arbeiten. Vor dem Erscheinen von L£urer's grossem Werke pflegten sich die Autoren auf eine genauere Beschreibung der Grosshirnoberfläche nicht @ einzulassen und die Abbildungen sind meist so mangelhaft, dass sie kaum Y ‚irgendwie verwendbar sind. So jene in dem bekannten Werke von Serrzs, m besser bei Garr (4), nur Tıepemann (2) macht eine für seine Zeit _ rühmliche Ausnahme. Auf Owen’s »Anatomy of the Cheetah« wird später _ zurückgekommen werden. LEURET (4) theilte bekanntlich die Säugethiere nach den Grosshirn- _ windungen in 44 Gruppen ein, wovon die Zonoplacentalen einen unver- hältnissmässig grossen Theil, nämlich 7, einnehmen. Die Caniden sind ‚in der 3. Gruppe, die Feliden und Hyaeniden in der 4., die Ursiden, Ei rocyoniden und Musteliden in der 5. vereinigt, also bisher, wenn auch _ unnöthig auseinander gerissen, doch nach der natürlichen Verwandtschaft n einander gereiht; zu den letztgenannten kommt aber dann noch Ge- nette und Civette, während Mangouste für sich allein die 6. Gruppe EEE TEEN ER ax Yo 2 SW 996 Julius Krueg, ’ So sehr diese Eintheilung jeder natürlichen Systematik wider- spricht und so wenig sie im Gehirnbau selbst begründet ist, so wurde sie doch gelegentlich bis in die jüngste Zeit von einzelnen aufrecht erhalten. Huscake (8) copirt sie einfach, Lussana (15) kehrt sie wohl um und ändert sie etwas ab, sie bleibt aber doch unverkennbar. Letzterer theilt die mit Windungen versehenen Gehirne in neun Typen ein und rechnet die Linn®’schen Genera: Elephas zum 2. (tipo elephantino), Ursus und Lutra zum 4. (tipo orsino), Ganis zum 8. (tipo canino) und Felis, Furus, Mar- tes, Viverra, Mustela zum 9. (tipo felino). Vielleicht mehr noch als die Eintheilung Leurer's, hat die Art seiner Beschreibung seine Nachfolger beeinflusst. Die, von der oberflächlichen Betrachtung des Fuchsgehirns hergenommene, Anschauung von con- centrisch übereinander liegenden, regelmässigen Windungen, hatte so viel verlockendes, dass ihr mit Gewalt die Beschreibung aller anderen Gehirne angepasst, ja die Hauptaufgabe der Beschreibung geradezu darin gesehen wurde, jene doch erst willkürlich erfundenen » Urwindungen « dort wo sie nicht klar zu Tage lagen, zu suchen. Darestz (9) bewegt sich beispielsweise in diesen Geleisen und selbst Gervaıs, der die quali- tativ und quantitativ bedeutendste Arbeit auf diesem Gebiete (13) ge- liefert hat, konnte sich nicht davon losmachen. Ersterer nahm vier Gruppen an, vereinigte die Garnivoren in der zweiten, stellte den Ele- phanten, den er nur nach der Abbildung bei Leurrr kannte, mit den Ruminanten zu den Pachydermen in die dritte Gruppe, und vermuthet von Hyrax, dass er sich von den Pachydermen entferne und den Garnivoren nähere. GErvAIS, der sich in der citirten Arbeit auf die fissipeden Gar- nivoren beschränkt, schliesst sich dem System an, das von Frower !) auf Grund des Verhaltens der Schädelbasis aufgestellt wurde, welches auch in der That der Morphologie der Grosshirnrinde auf das Beste ent- spricht. Dass er die Caniden an die Spitze der drei von FLower aufge- stellten Sectionen gerückt wissen will, während dieser sie ins Centrum stellt, bedingt wohl keinen wesentlichen Unterschied. In anderer Weise als die bisher angeführten Autoren hat Owen die Grosshirnoberfläche beschrieben. Während er schon früher (3) als die meisten der bisher genannten auf die grosse Uebereinstimmung der Furchen und Windungen bei den einzelnen Feliden im Gegensatz zu der grossen Variabilität bei den übrigen Säugethieren aufmerksam gemacht hatte, versuchte er später (10) die Homologien der einzelnen Furchen und Windungen, und zwar hauptsächlich der ersteren, durch die 4) On the Value of the Characters of the Cranium in the Classification of the { Order Carnivora and of the Systematik Position of Bassaris and other disputed Forms, (Proc. of the zool. soc. of London 1869. p. 4—37,) 5 Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 597 ganze Reihe der Säugethiere durchzuführen. Seine Angaben über die Zonoplacentalen stimmen meist mit meinen überein, wenn auch nicht in‘ allen Details, ich habe darum auch seine Namen, soweit es thunlich war, adoptirt. Grössere Differenzen ergeben sich allerdings schon zwi- schen seiner und meiner Deutung des Ungulatengehirns, wie ich bei der Beschreibung desselben bereits hervorgehoben habe, über die Auffas- sung der übrigen Säugerhirne erlaube ich mir kein Urtheil, so lange ich sie nicht in ähnlicher Weise im einzelnen studirt habe, wie die Ungula- ten und Carnivoren. Aehnlich wie Owen, aber mit Beschränkung auf die Aussenfläche des Garnivorengehirns, bezeichnet Wırper die Grosshirnfurchen (16). Entsprechend der engeren Begrenzung seiner Aufgabe ist er ausführ- licher als jener und auch in den Details genauer. Nichtsdestoweniger - bleibt noch Manches zu erörtern übrig, auch abgesehen davon, dass er sowie Owen doch nur eine verhältnissmässig geringe Anzahl von Species seiner Beschreibung zu Grunde gelegt hat. Wırper benutzt die Namen Owen’s sogar etwas consequenter als dieser selbst. Erwähnenswerth sind seine einfachen aber meist guten Originalzeichnungen, während - Owen, wie es scheint, hauptsächlich Copien bringt, an denen der Holz- schneider auch noch Manches verdorben haben mag. In Deutschland verfocht Pınscn in einer ganzen Reihe allge- - meiner gehaltenen Publicationen den Standpunkt, dass ein viel grösseres = Augenmerk als bisher auf die Furchen zu richten sei und besonders j a: Del auch auf deren Tiefe. In jener seiner Arbeiten, die am meisten das hier zu behandelnde Gebiet berührt (20), hob er jene Furchen, die bei Rind, - Hund, Affe und Mensch zuerst auf der Aussenfläche entstehen, hervor und stellte ihre Homologie fest. Es sind das die Fissura praesylvia, co- ronalis und suprasylvia, entsprechend dem Sulcus praecentralis, cen- - tralis und interparietalis der menschlichen Anatomie (bei ihm mit A., 2. und 3. bezeichnet), ausserdem noch F. Sylvii und cruciata. — Speeialarbeiten werden später im Texte erwähnt werden, ebenso = wie auf die einzelnen Ausführungen der hier aufgezählten grösseren - Arbeiten zurückgekommen werden wird; an dieser Stelle mag aber noch der jüngeren Arbeiten Mevxerr's an) und Broca’s (22) gedacht an MEynerr bemüht sich die Homologien zwischen Primaten- und _ arnivorengehirn aufzufinden , Broca benutzt die Thatsache, dass der i&fr sie Rand der hraklenrinde nicht durch Furchen einbekerbt zu sein pflegt und die nächstgelegenen Furchen auch meist mehr parallel als senkrecht zu ihm zu verlaufen pflegen, dazu die Gegend um diesen en Rand herum »grande lobe limbique« der übrigen »masse 598 Julius Krueg, | | 7 3 5 Be Leider war beim Abschlusse meiner Arbeit eine einschlägige Abhand- lung von Cuupzinskı, » Anatomia porownawcza zwojöow mözgowych« (Pam. . tow..n. scis. w. Parysu. T. X. 1878. 95 S. mit IX Tafeln), mir noch nieht bekannt geworden, eine andere von Panscn, » Beiträge zur Morphologie des Grosshirns der Säugethiere, I. Die Furchen am Grosshirn der Carnivoren « (Morph. Jahrb. 5. 1879. p. 193—239. Taf. XIV u. XV), noch nicht erschie- nen, so dass ich beide nicht mehr benutzen konnte. Meine Angaben werden übrigens durch die Ergebnisse beider Arbeiten nicht verändert, sondern nur bestätigt. CHupzınski schliesst sich im Allgemeinen an die französischen Au- schauungen , besonders an jene seines Lehrers BrocA an, von dem er aber doch wieder in Einzelheiten abweicht. Die Furchen berücksichtigt er mehr, als sonst gebräuchlich. PanscH beschreibt nur die Furchen und kommt betrefis der Deutung der Homologien zu ganz ähnlichen Resultaten wie ich selbst. Er nennt: Grenzfurche des Lobus olfactorius meine Fissura rhinalis, Grenzfurche des Lobus hippocampi meine F’ssura rhinalis posterior, mediale Hauptfurche meine Fissura splenialis und cruciata zusammen, obere longitudinale Hauptfurche meine Fissura coronalis, ansata und lateralis sammt einer event. damit verbundenen ecto- oder entolateralis, laterale bogenförmige Hauptfurche meine Fissura suprasylvia und supra- 'sylvia posterior, vordere senkrechte Hauptfurche meine Fissura praesylvia, secundäre unterste Bogenfurche meine Fissura anterior und postica, hintere laterale Furche meine Fissura ectolateralis, wenn diese frei ist. Methode der Darstellung. Da ich vorliegende Arbeit als eine Fortsetzung meiner früheren -» Ueber die Furchung der Grosshirnrinde der Ungulaten«!) ansehe, so habe ich auch die dort gebrauchte Methode beibehalten. Ich werde wieder vorläufig nur die Furchen beschreiben, mir vorbehaltend, später- hin einmal auf die Windungen zurückzukommen. Ich will nicht alles wiederholen, was WILDER, Pınsch an verschiedenen Orten, schliesslich ich selbst, über den Werth der Furchen zur Feststellung der Homolo- gien der einzelnen Regionen der Grosshirnrinde bereits gesagt haben, sondern will nur auf zwei Punkte neuerdings aufmerksam machen: 4) Die Furchen präsentiren sich an der Oberfläche als einfache Linien, sind also durch Zeichnung sowie Beschreibung unvergleichlich leichter prägnant zu charakterisiren als die mehr oder weniger compli- cirten Flächen, die man als Wirdungen etc. aufführt. 1) Diese Zeitschrift. XXXI. Bd. 3. u. 4. Heft. p. 297—345. Taf. XXX. . 4 4 2” - Deber die Furchen auf der Grosshirnriude der zonoplacentalen Säugethiere. 599 w 2) Sind wirklich die Windungen histologische oder physiologische _ Einheiten, so sind sie natürlich der Hauptzweck der Beschreibung; diese ist aber wieder nur möglich durch genaue Angabe ihrer Grenzen, — also der Furchen. Es liegen aber Thatsachen vor, nach welchen _ wenigstens einzelne Furchen, d. h. natürlich ihre Wandungen, viel eher - als Centren, denn als Grenzen bestimmter charakterisirter Grosshirn- _ regionen aufzufassen sind; bestätigt sich das, dann haben sie erst recht - Anspruch darauf in erster Linie beachtet zu werden. Ich habe beim Studium der Zonoplacentalen wieder mein Augen- merk vorzüglich darauf gerichtet, vorerst den Typus der Species durch Vergleich möglichst vieler Individuen festzustellen, bevor ich mich auf weittragendes Generalisiren einliess; denn gerade in dem Versäumniss dieser Vorsicht sehe ich mit Wırver einen Hauptfehler vieler Gehirn- _ beschreibungen. Wenn die Variationen auch nicht so vielfältig sind wie - bei den reichgefurchten Ungulaten, so sind sie doch einschneidend ge- nug, denn manchmal erweisen sich Merkmale, die man als charakte- ristisch für die Familie oder selbst für die Ordnung angesehen hat, innerhalb der Species variabel. Ich habe jene Furchen oder Furchen- 3 theile, die sich nicht auf allen von mir untersuchten Exemplaren einer ; Species vorfanden, in den Zeichnungen punktirt und benenne sie in $ der Beschreibung als accessorische, im Gegensatz zu den con- stanten, die in den Zeichnungen mit vollem Strich ausgeführt sind. Jene constanten nun, die bei allen (genauer, bei fast allen) Spe- cies der Garnivoren vorkommen, nenne ich Hauptfurchen und E zeichne sie auf den Abbildungen durch einen dicken Strich aus. Nebenfurchen neme ich jene constanten, die durch häufiges Vor- x kommen oder aus einem anderen Grunde besonders interessant sind, ‘ohne doch so allgemein verbreitet zu sein wie die Hauptfurchen ; ich size auf den Abbildungen ihre Bezeichnung bei, wenn sie eigene Namen Nr aben, ohne sie aber durch eine besondere Strichart auszuzeichnen. Bei ‚dieser Gelegenheit mögengleich die anderen auf den Tafeln vorkommenden En erklärt werden; eine gestrichelte Linie bedeutet, dass ich nur eine einzige Hemisphäre gesehen habe, also nicht sagen kann, " - Striehlinien besagen auf Copien , dass die betreffende Stelle im Ori- gi al aus irgend einem zufälligen Grunde fehlte und von mir ergänzt rde. Balken und Fornix werden durch einfache Linien ohne here Bezeichnung angedeutet. Während ich mich 'bemühte, auf den Abbildungen der Gehirne erwachsener Thiere, von denen ich ja doch 600 Julius Krueg, Vergleich mit anderen Individuen derselben Species gelehrt hatte, war das bei der Abbildung der fötalen Gehirne nicht nöthig, da diese ja gerade den jeweiligen Entwicklungsgrad eines einzelnen Individuums verdeutlichen sollten. Bei diesen bedeutet ein mehr oder minder starker Strich eine mehr oder minder weit vorgeschrittene Ausbildung der be- treffenden Furche ohne ührigens in einem streng bestimmten Verhältniss zur Furchentiefe zu stehen, dünne geschlängelte Linien bezeichnen die ersten Spuren einer Furche, die sich an der Oberfläche eher durch das Durchschimmern einer dunklen Linie als durch eine ausgesprochene Ver- tiefung kenntlich machen. Die Angabe der Furchentiefe, nach Panscnh’s Vorgang, habe ich unterlassen, so sehr ich den Werth derselben anerkenne. Ich glaube nämlich, die richtigen Ziffern werden auch bei dieser Methode nur durch Untersuchung vieler Exemplare einer Species herauszubringen sein, denn die Furchentiefen variiren gewiss ebenso wie die Verzweigungen derselben und mit diesen. Es kann beispielsweise an einer Stelle, wo sich zwei Furchen vereinigen, eine beträchtliche Tiefe gefunden werden, während dieselbe Stelle bei einem anderen Individuum glatt bleibt, weil die Furchenenden nicht zusammentreffen. Die vielen schon publi- eirten Abbildungen, die sich für meine Art der Verwendung in der er- freulichsten Weise benutzen liessen, sagen nichts über die Furchentiefe aus, und das mir selbst zu Gebote gestandene Material war grösstentheils in Chromsalzen gehärtet, also viel zu hart und spröde, um vielfache Un- tersuchungen nach dieser Richtung ohne Schädigung zu gestatten. Meine Zeichnungen sind einfache lineare, absichtlich nicht schattirte Ansichten jeder rechten Hemisphäre von der medianen, oberen und late- ralen Seite in geometrischer Projection. Die Ansicht der unteren Seite war entbehrlich ; jene von oben ist allerdings bei den ärmer gefurchten Carnivoren leichter durch die laterale zu ersetzen, als beispielsweise bei den Ungulaten,, aber doch immer sehr wünschenswerth ; die mediane wird leider von den meisten Autoren über Gebühr vernachlässigt. Wo ich auf Originale angewiesen war, die mir die linke Hemisphäre zeigten, habe ich diese in meiner Gopie der Gleichförmigkeit wegen umgekehrt. Grosse Hemisphären wurden der Raumersparniss wegen auf eine Länge von 50mm reducirt, ihre wahre Grösse aber in der gebräuchlichen Bruchform notirt. So bedeutet beispielsweise Ganis familiaris in dass die untersuchten Hemisphären nicht 50 mm lang waren, wie die dargestellte, sondern von 40—88 mm schwankten. Es erwies sich als ein grosser Missstand, dass wir keine einheitliche Art der Aufstellung des Gehirns für die Zeichnung haben; öfters wird angegeben, dass das. De h2 Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 601 ‚Gehirn so gezeichnet wurde, wie man es sich bei horizontal gehaltenem E Schädel in diesem and denkt, was an sich schon sehr unsicher ist, in praxi aber wohl meist dadurch erstrebt wird, dass man die Un- terfläche des Gehirns horizontal lagert, wobei wegen der verschiedenen Abflachung der prominenten Stellen der unteren Gehirnfläche ete. auch noch ganz verschiedene Richtungen herauskommen. Eine bestimmte Stel- - lung wäre besonders wegen Beschreibung der Richtung der Furchen, dann wegen der Maassangaben wichtig; vielleicht wäre es praktisch, die obere Fläche des Balkens, die ja meist auch nach der Härtung ziemlich plan bleibt, - zur Regulirung der Aufstellung zu benutzen. Etwa in der Weise, dass bei der Ansicht von oben die erwähnte Fläche horizontal gestellt wird, bei der medialen und lateralen aber die Hemisphäre um eine der Raphe des Balkens aufliegende Sonde, als Achse, je um 90° gedreht wird. Die Zeichnungen der Bärengehirne z. B. würden dadurch ein ganz ver- ändertes, aber leichter verständliches Aussehen bekommen, als bei der - jetzt gebräuchlichen Methode; ich bin, vielfach durch die Originale ge- - bunden, vorläufig noch bei der alten geblieben. mr’ Auf den Tafeln stehen die zusammengehörigen medialen, oberen und - lateralen Ansichten eines Gehirns über einander, die Species neben einan- der, nur bei den in grösserem Maassstabe (80 mm) gezeichneten Elephan- _ tengehirnen sind die zusammengehörigen Ansichten neben einander, die ; zwei verschiedenen Species über einander gestellt. Von diesen letzteren abgesehen, finden sich also in der obersten Reihe mediale, in der mittleren obere, in der unteren laterale Ansichten. Der Raumersparniss wegen machte Ausnahmen von dieser Regel sind wohl ohne Weiteres leicht Bil solche kenntlich. Die Ueberschriften am oberen Rande der Tafel be- _ zeichnen die Familie, jene am unteren die Species. WE ER 5 Entwicklungsgeschichte (Taf. XXXIV). Von anderen als Haustbieren wird man sich nicht leicht die nöthigen grösseren Reiben von Fölen NarRcRaNen können, aber auch von diesen hon Wiırper hervorhebt , ER zur Ve) weil die Ge- ® der erwachsenen nicht so sehr variiren wie jene der Hunde. 602 ‚Julius Krueg, folgt dann die Entstehung und Gruppirung der zusammengehörigen Furchen auf einander, ohne jedoch bei der Geburt schon vollends abge- schlossen zu sein. Trotz der relativ einfachen Furchung der erwachse- | nen, die scheinbar nach Ausbildung der Haupifurchen gar kein Detail zur Ausarbeitung mehr übrig lässt, erfordert letzteres doch noch zu seiner Vollendung die ersten Wochen des Extrauterinlebens, wobei die grösseren Schritte freilich in die ersten Tage fallen. Vielleicht hängt diese etwas verzögerte Entwicklung mit der Hülflosigkeit, d. i. geringeren Ausbildung der blindgeborenen Jungen zusammen. Zwei, resp. drei Furchen eilen den anderen aber weit voraus, sie haben’ eine ganz exceptionelle Stellung und sind deshalb ven mir auch nicht in den Kreis der Hauptfurchen aufgenommen, obwohl sie nicht nur allen Carpivoren, sondern allen Säugethieren, auch solchen, die sonst keine Furchen haben, zukommen. Sie begrenzen histologisch aberrante Partien der Hirnrinde und sind deshalb und wegen ihrer Con- stanz wohl besonders wichtig, trotzdem sie gar nicht besonders tief zu sein pflegen , haben aber jedenfalls eine andere Bedeutung als die tiefen Einbuchtungen von ziemlich gleichartiger Hirnrinde, die wir unter dem Namen Hauptfurchen zusammenfassen. Die eine, Fissura Hippo- campi (h). bildet die Grenze zwischen Ammonshorn und der übrigen Hirnrinde, sie beschreibt also einen nach rückwärts convexen Bogen, der unter dem Splenium corporis callosi beginnt und. beiläufig über der Mitte des Unterrandes der Hemisphäre endet. Die andere, Fissura rhinalis (rh), bildet die Grenze zwischen Traetus olfactorius und dessen Ausstrahlungen einerseits, und der übrigen Rinde andrerseits, sie ver- läuft also ziemlich horizontal auf der Vorderhälfte der Lateralseite der Hemisphäre mit einer Einbiegung nach aufwärts in der Gegend der Fissura Sylvii. -Da das hintere Stück der Furche, die ich bei den Ungu- laten F. rhinalis genannt habe, bei den Garnivoren öfters, bei anderen Säugern vielleicht immer von dem vorderen getrennt ist, so will ich es als eine selbständige Furche, Fissura rhinalis posterior (rhp), beschreiben, sie grenzt den sogenannten Lobus pyriformis gegen die übrige Rinde ab. Die Trennungsstelle beider Furchen liegt entweder genau unter der F. Sylvii und von dieser verdeckt, oder hinter ihr. Schon auf dem kleinsten Gehirn meiner Sammlung, einer 7,5 mm langen Hemisphäre von einem 5,5 + 2 cm!) langen Katzenembryo sind die drei genannten Furchen deutlich entwickelt; dann folgt aber eine lange Pause bis zur Entwicklung einer Hauptfurche. Erst auf der _ 4) Die vor dem — Zeichen stehende Zahl bedeutet hier und an allen ähnlichen A Stellen die Länge von Schnautzenspitze bis zur Schwanzwurzel, die hinter dem + stehende, die Länge des Schwanzes. 5 "Ueber die Rt auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 603 Fi, 5 mm langen Hemisphäre (Nr. 4 auf Tafel XXXIV) eines Fötus von 40+ 4,5 em findet sich eine neue Furche und zwar auf der Median- seite. Sie bildet einen hier noch flachen Bogen um das Hinterende des Balkens und den oberen Anfang der F, Hippocampi beiläufig in der - Mitte zwischen den genannten Stellen und dem oberen und hinteren Rand der Medianfläche. Es ist dieselbe Furche, die ich bei den Ungu- laten Fissura splenialis (sp) (vom Splenium corporis callosi) ge- nannt habe. Auf den acht Hemisphären, die von vier gleich grossen - Föten desselben Wurfes stammen, ist sie viermal äusserst schwach ent- - wickelt, die andern viermal etwas deutlicher, aber auch bei diesen 3 mehr als dunkel durchschimmernde Linie (beginnende Rindenwuche- 4 rung), denn als deutliche Vertiefung kenntlich; im Uebrigen sind alle acht Hemisphären glatt, abgesehen natürlich von Ah, rh und rAp. Das nächst grössere Gehirn (Nr. 2 auf Tafel XXXIV) stammt von i einem 44 + 4,5 cm langen Fötus, der gegen seine Geschwister in der _ Grösse auffallend zurückgeblieben war. Die Hemisphäre ist 18,5 mm 4 lang!). Auf dieser ist die Fissura splenialis schon ganz entschieden 4 ausgesprochen und eine grössere Anzahl neuer, mehr oder minder deut- lich entwickelter, dazugekommen. Vor der F. splenialis findet sich eine kurze, nach unten schwach convexe Furche, ihr Hinterende liegt vor und unter der F. splenialis, ihr Vorderende schneidet etwas in den _ O©berrand der Hemisphäre ein. Owes und Wırper nennen sie»Frontal fissure«, ein Name, der leicht Verwechslungen verursachen könnte, : Leurer würdigte sie eines Namens, eine Ehre, die bei ihm nur die Fis- F sura Sylvii mii ihr theilt, er nannte sie »Sillon erucial«, seitdem _ wird sie von den meisten Autoren als »Sulecus eruciatus« mit einer gewissen Wichtigkeit behandelt. Ich werde sie also auch Fissura _ erueiata (c) nennen. Bei den Ungulaten kommt sie immer vor, da sie aber bei diesen fast immer mit der F. splenialis verbunden ist, so habe ich sie dort nicht separat beschrieben. Auf der lateralen Seite ist deutlichsten ein kurzer flacher Bogen ausgebildet, ziemlich parallel WARTE Wu, v nalis, es ist die Fissura suprasylvia (ss). Ihr zunächst kommt in ang: < eine kart nach vorn convexe Furche, nahe dem Vor- e air Diese Längenangaben beziehen sich nie auf die grösste Länge der Hemi- sphären , sondern auf die Totallänge bei der gewählten Art der Aufstellung des Ge- Ss. Wenn man auf eine zur Basis parallele Gerade von der vorderen und hinteren der erere je eine senkrechte zieht , so stellt die Distanz zwischen den 604 Julius Krueg, - erreichen, es ist das dieFissura praesylvia(ps); beide Furchen habe ich bei den Ungulaten ähnlich beschrieben. Nun folgt eine Gruppe von drei nur ganz schwach und kurz angedeuteten Furchen. Zwischen der F. suprasylvia und dem Medianrand eine kurze Längsfurche, die Fis- suralateralis (l), vor ihr quergestellt die Fissura ansata (a), und vor dieser wieder in einer kleinen Distanz in der Richtung von der ebengenannten zur F. praesylvia die Fissura coronalis (co). Alle bisher genannten finden sich auch bei sämmtlichen Ungulaten. Die Homologie der nächstfolgenden, zugleich der letzten auf diesem Gehirn, ist schon etwas zweifelhaft, selbst innerhalb der Ordnung der Garni- voren, ich nenne sie Fissura anterior (an)!). Sie stellt auf dem vor- liegenden Gehirn eine kurze unter dem Vorderende der F. suprasylvia nach abwärts gerichtete Furche dar. Von einer Fissura Sylvii ist auch auf diesem Gehirn anscheinend keine Spur zu entdecken. Diese Furche findet sich erst auf dem unter Nr. 3 abgebildeten Ge- ‚ hirn deutlich ausgesprochen, auch da aber nur durch eine ganz kurze Furche, die in der Längsmitte der Hemisphäre nach oben und etwas nach hinten aus der F. rhinalis herausragt. Ich habe a. a. O. beschrie- ben, wie die F. Sylvii bei den Ungulaten aus einem ursprünglich ziem- lich horizontal gestellten Bogen entsteht, der dann später einen Fortsatz nach oben, »Processus acuminis«, ausschickt, welcher gewöhn- lich als die eigentliche Fissura Sylvii angesehen wird. Ein kürzerer Fortsatz nach hinten unten, »Processus posterior«, hat weniger Bedeutung. Der Hauptantheil der Furche bleibt bei den meisten Un- gulaten ziemlich horizontal, verbindet sich durch einen »Processus anterior« sehr häufig mit der F. praesylvia, nie aber mit der F. rhi- nalis. Nur bei den Schweinen fällt er oberflächlich mit dieser Furche zusammen. Ich kann nicht anders als annehmen, dass es auch bei den Katzen so ist, nur verbindet sich hier die F. Sylvii nicht nur oberfläch- lich, sondern derart innig mit der F. rhinalis, dass sie auch auf Durch- schnitten bei erwachsenen nicht zu sondern ist. Ich halte also dafür, dass nur der mehr senkrechte Antheil der F. Sylvii (Processus acuminis) frei bleibt, der mehr horizontal gelegene Hauptantheil hingegen (Proces- 3 sus anterior und posterior) mit der F. rhinalis und F. rhinalis posterior vereinigt ist, sehe daher dort drei Furchen , wo scheinbar nur eine ist. Diese Darstellung sieht wohl sehr willkürlich aus, zumal ich kein einzi- ges Katzengehirn gesehen habe, an dem eine Trennung der angegebenen Verbindungen vorgekommen wäre, aber schon bei den erwachsenen Hunden ist eine solche deutlich ausgesprochen , und bei grossen Garni- 2 4) Im Gegensatz zur F. postica. R* Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 605 _ voren (z. B. den Bären) findet sich in der Tiefe der immer scheinbar einfach aus der F. rhinalis herauswachsenden F. Sylvii die ganze Grup- pirung der oben erwähnten Fortsätze. Ich werde an geeignetem Orte mehrfach noch darauf zurückkommen. Noch eine andere Furche zeigt sich zum ersten Mal auf diesem Ge- hirn, sie beginnt in der Nähe des Hinterendes der F. suprasylvia und läuft von da nach abwärts, sie ist eben erst noch ganz schwach ange- deutet und nicht mit der F. suprasylvia verbunden, was späterhin und bei den erwachsenen Carnivoren meistens der Fall ist. Ich nenne sie Fissura suprasylvia posterior (ssp), denn sie entspricht ganz genau dem Processus posterior fissurae suprasylviae der Ungulaten, auch dieser entwickelt sich später als die eigentliche F. suprasylvia, nur habe ich ihn bei den Ungulaten nicht als selbständige Furche beschrieben, da er bei diesen auch schon im Fötus mit der F. suprasylvia verbunden war. Bei den Ungulaten ist die F. suprasylvia posterior überdies nach rückwärts gerichtet, nur die Schweine machen darin wieder eine Aus- nahme, da sie bei diesen ebenso gestellt ist, wie bei den Carnivoren. Die übrigen auf dem Gehirn Nr. 2 bereits vorhanden gewesenen Furchen finden sich auch auf dem Gehirn Nr. 3 wieder vor, alle aber sind tiefer und länger geworden, ohne sich deshalb mit einander zu verbinden, - mit einziger Ausnahme der F. praesylvia, deren unteres Ende bereits in die F. rhinalis eintaucht, wie fast allenthalben bei den erwachsenen Garnivoren. Die Hemisphäre Nr. 3 war 19mm lang, sie stammte von einem > 44 + 5,5 cm langen Fötus, dem grössten jenes Wurfes, von dem Nr. 2 der kleinste war. Bei drei Föten von demselben Wurf, sowie drei ande- ren, in der Grösse zwischen Nr. 2 und Nr. 3, entspricht die Furchen- - Entwicklung der Stellung zwischen den en zwei Nummern. Auf dem Gehirn von Nr. 3 sind bereits alle Hauptfurchen der Earnivoren vorhanden, von der F. anterior abgesehen aber auch nur Ni Hauptfurchen; es stellt daher ein ganz gutes Schema eines Garni- vorengrosshirns vor. 4 Mit den aufgeführten Furchen sind noch nicht alle erschöpft, die N ji den erwachsenen Katzen, speciell bei Felis domestica constant, noch _ weniger jene, die gewöhnlich vorkommen. Ein passendes Earisefienalied 5 st die auf der TafelXXXIValsFelis domestica neonat. bezeichnete, 22mm "lange Hemisphäre, sie stammt von einer 56 Stunden alten Katze. Alle sc on in Nr. 3 vorhanden gewesenen Furchen sind tiefer und länger ge- RR vorden. Die Fissura coronalis hat sich mit der ansata, diese mit der late- talis verbunden, die Fissura suprasylvia mit der suprasylvia posterior ; ‚die eruciata schneidet weiter lateralwärts in die Hemisphäre ein und Zei schrift f. wissensch. Zoologie. XXXII. Bd. 39 ’ BR F 606 SEITZ SEHE Pflskrien, En a bildet jetzt erst in der Ansicht von oben mit jener der anderen Seite den Querbalken des Kreuzes, von dem sie ihren Namen hat. Neu haben sich aber entwickelt eine kurze Furche zwischen F. Sylvii und suprasylvia posterior, parallel mit letzterer, ich habe dieseibe bei den Ungulaten, denen sie ausnahmslos zukommt, Fissura postica (p) genannt. Eine ‚andere Furche, die median vom Hinterende der Fissura lateralis beginnt und in kurzem Bogen ziemlich parallel dem hinteren Hemisphärenrande nach rück- und abwärts zieht, ist eben in der Entwicklung begriffen. Ich werde diese Furche Fissura medilateralis (ml) nennen, ob- wohl ihr die von Owen und WırLper mit »medilateral« bezeichnete nicht immer entspricht. Sie gehört nicht mehr zu den Hauptfurchen, isi aber eine häufig vorkommende, bei allen Katzen zum Beispiel constante Nebenfurche. Ebenfalls eine Nebenfurche, nicht aber bei allen er- wachsenen Katzen constant, ist jene über der F. splenialis gelegene Längsfurche, welche auf diesem Gehirn eben erst nur angedeutet ist, ich werde sie Fissura suprasplenialis (sps) nennen. Sehr häufig ist ein kurzer Fortsatz von dem Vorderende der F. rhinalis nach auf- wärts vorhanden, Fissura olfactoria (o); gleichfalls häufig die kleine Depression zwischen F. cruciata und ansata, die Vorstufe einer Fissura postcruciata (crp); immer kommt den erwachsenen Katzen die kleine kurze Furche vor der F. anterior zu, mit der diese häufig auch verbunden zu sein pflegt, Fissura diagonalis (d). Die anderen Hemisphären von neugeborenen Katzen verhalten sich ähn- lich, abgesehen von Varietäten in der Verbindung der einzelnen Fur- chen, auf die bei der Beschreibung der erwachsenen wieder zurück- gekommen werden wird. Ba te lin Von Hunden besitze ich nur in der Entwicklung ‘bereits sehr vorgeschrittene Föten, aber Pınscn (20) bildet die Lateralansicht einer ' Hemisphäre von 20 mm ab, auf der nur erst die Fissura rhinalis, Sylvii, suprasylvia, praesylvia und coronalis vorhanden sind, die letzteren drei © sehr kurz, die Fissura rhinalis posterior fehlt auffallenderweise. Die F. ; Sylvii besteht, in ähnlicher Anordnung, wie ich bei den Ungulaten beschrieben habe, aus zwei Schenkeln, die einen nach unten offenen Winkel bilden; der vordere verbindet sich schliesslich mit der F. rhi- nalis, aber nicht so enge wie bei den Katzen, bei denen die ganze F. ” Sylvii mit der rhinalis verschmilzt, ein Spitzenfortsatz fehlt noch. Die” F. praesylvia ist noch nicht mit der F. rhinalis verbunden. ‘7 Auch die in einer früheren Arbeit von Pansca (11, Fig. 35—37) ab-" gebildeten, als neugeboren, sowie die bei WıLver (16, Fig. 7) als einen Tag alt bezeichneten Hemisphären, weisen noch eine viel geringere Be Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinderder zonoplacentalen Säugethiere, 607 gr" _ Entwicklung auf als meine fötalen. Allerdings stammen meine von grossen Fleischerhunden,, erstere wahrscheinlich von kleinen Thieren ab (bei WırLver ist »English Terrier « angegeben). Diese letztere ist nur 49mm lang, sie unterscheidet sich von der eben beschriebenen da- durch, dass die F. Sylvii keinen Winkel, sondern nur einen flachen Bogen bildet, dessen vorderer Ast mit der F. praesylvia verbunden ist. Die F. suprasylvia ist stärker ausgeprägt, unter ihr liegt eine horizon- tal gestellte kurze Furche, die ich aber doch für die F. anterior halten muss, vorihr die coronalis, über ihr eine ganz kurze längs gerichtete, ansata. das Lateralende der eruciata ist sichtbar, die rhinalis posterior ist gezeichnet. Die bei Pınscn abgebildeten Hemisphären sind 22 bis 23 mm lang und wieder etwas weiter ausgebildet als die vorige. Die F. Sylvii zeigt die zuerst beschriebene Knickung nach oben, scheint vorn mit der prae- sylvia und rhinalis, hinten mit der rhinalis posterior verbunden zu sein, unter ihr ist keine Furche gezeichnet. Die F. suprasylvia scheint mit der suprasylvia posterior bereits verbunden zu sein, unter letzterer ist sogar eine accessorische Furche angedeutet. Die F. anterior ist deutlich vorhanden, die F. coronalis ist rechts mit der ansata verbunden, links frei. Auf der Medianseite ist die F. splenialis vorn mit der cruciata ver- bunden, wie meist bei den erwachsenen, hinten äber noch nicht mit der rhinalis posterior, im Gegensatz zu diesen. Wenn ich nun zu der Beschreibung der mir gehörigen Föten über- - gehe, so muss ich gleich zuerst hervorheben, dass ihre Hemisphären 29 bis 33mm lang waren, also viel grösser als die vorher beschriebenen neugeborenen, dem entsprechend sind auch die Furchen weiter in der Entwicklung vorgeschritten. Sie sind alle länger als bei dem zuletzt _ erwähnten Exemplar. Die Fissura Sylvii hat schon einen kurzen _Spitzenfortsatz nach oben hinten, unten ist sie noch offen, ihr vorderer Fortsatz verbindet sich mit der rhinalis, ihr hinterer mit der rhinalis posterior. Die F. rhinalis ist vorn mit einer kurzen F. olfactoria ver- bunden. Die F. anterior ist länger geworden und hinter der F. Sylvii hat sich die F. postica entwickelt. Auf der dargestellten Hemi- sphäre sind beide Furchen noch getrennt, auf den sechs anderen 'vom selben Wurf stammenden sind sie aber vereinigt, wie fast immer bei den erwachsenen Hunden und CGaniden überhaupt. Die F. prae- sylvia ist frei, suprasylvia und suprasylvia posterior sind mit einander ‚verbunden; die coronalis ist länger geworden, mit der ansata verbun- diese läuft nach rückwärts in eine, unbestimmt erst angedeutete, he aus, die lateralis, doch hat sie einen deutlich ausgebildeten len Ast und damit die häufigst vorkommende Grundgestalt. Viel- N - 3 33% 608 Julius Krueg, leicht ist deshalb hier der passendste Platz, etwas Näheres über diese Furche anzugeben. Ich habe bei den Ungulaten eine wahrscheinlich allen constant zukommende Furche beschrieben, deren Verhalten aber nicht immer deutlich erkennbar war, so dass ich sie nicht unter die Hauptfurchen der Ungulaten aufnahm und ihr auch keinen lateinischen Namen gab, son- dern sie einstweilen » Bügelfurche« nannte, das ist die nun zu bespre- chende Fissura ansata (a)!). Ihre Grundform wird durch einen dreistrahligen Stern dargestellt. Die drei kurzen Furchen, welche diese Strahlen bilden, kann man als medialen, vorderen-lateralen und hinte- ren-lateralen Fortsatz unterscheiden. Der mediale ist der unwesent- lichste und kann am häufigsten fehlen, die anderen beiden fehlen wohl nur scheinbar, wenn sie sich mit, in ihrer Richtung verlaufenden , Fur- chen verbinden. Der vordere war bei allen Actiodactylen ausser dem (senus Sus mit der F. coronalis verbunden, eben dasselbe ist überwie- gend häufig bei den Carnivoren der Fall; der hintere war bei den Traguliden, fast allen Elaphiern, einigen Cavicorniern und bei den Suil- idae mit einem oberen Fortsatz der F. suprasylvia verbunden, nie aber mit der F. lateralis, bei den erwachsenen Garnivoren hin- gegen ist er, ganz seltene und nur individuelle Ausnahmen abgerechnet, immer mit der lateralis verbunden. Dieses eigenthümliche Verhalten mag ein näheres Eingehen auf die an sich kleine und wegen ihrer Verbindungen meist versteckte, von den Autoren deshalb auch über- sehene Furche entschuldigen. Um wieder auf den Hundefötus zurückzukommen, die F. cruciata schneidet ziemlich weit in die Hemisphäre ein, ist mit der splenialis verbunden, wie bei der vorigen Nummer, diese aber auch mit dem medianen Abschnitt der rhinalis posterior, wie fast immer bei den er- 'wachsenen Hunden. Mit den aufgezählten Furchen wären wieder die Hauptfurchen der Carnivoren vollständig, die F. lateralis ist allerdings noch schwach ent- wickelt, dafür ist die anterior und posterior überzählig. Andere den er- # wachsenen Hunden constant zukommende Furchen sind hingegen noch ' # ‚nicht vorhanden. Es fehlen noch die Fissura ectolateralis (el)2), 4 eine Furche lateral vom Hinterende der F. lateralis beginnend, rück-und abwärts verlaufend und die bei der neugeborenen Katze bereits be- schriebene medilateralis (ml)2), die nur bei den Hunden meist mit der 4 4) Bügel in der Bedeutung Handgriff, Henkel, heisst ansa (der Nebenbegriff " | »schlingenförmig«, » geöhrt« gehört nicht wesentlich dazu) ; ansatus mit Handgriffen # versehen, nach den gewöhnlich vorhandenen drei kurzen Fortsätzen. 3) Für diese beiden Namen ist OwEn und WiLper verantwortlich. £ ae Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 609 ‚lateralis verbunden ist, bei den Katzen selten. Diese Furchen mögen - sich etwa im Verlauf der ersten Woche des Extrauterinlebens bilden, während des Fötallebens finden sich bei grossen Hunden höchstens Spuren der ectolateralis. Noch später kommen zwei Furchen auf der Medianseite zur Entwicklung, deren eine über, die andere hinter der F. splenialis gelegen ist, beide ziemlich parallel mit dem betreffenden Schenkel dieser Furche, ich nenne erstere Fissura suprasplenia- lis (sps) !), letztere Fissura postsplenialis (spp) !). An den von mir untersuchten Gehirnen junger Hunde bis zum Alter von sieben Tagen und einer Hemisphärenlänge von 35 mm kommen sie nur selten vor, während sie den erwachsenen nie fehlen. Die 30 mm lange Laäteralseite eines fötalen Wolfsgehirns (Canis oceidentalis), die bei WıLper abgebildet ist (16, Fig. 6), entspricht fast ganz dem zuletzt beschriebenen Hundefötus, nur ist der Spitzenfort- satz der F. Sylvii noch nicht, die F. ectolateralis hingegen schon ent- wickelt. Die Furchen der Carnivoren. Nachdem im Voranstehenden die Entwicklung der einzelnen Fur- chen auf dem fötalen Katzen- und Hundehirn demonstrirt wurde, soll - im Nachfolgenden gezeigt werden, wie sich dieselben auf den Gehirnen der erwachsenen in den einzelnen Familien der Carnivoren gruppiren , späterhin werde ich dann versuchen, die bei den Carnivoren gefundenen Furchen auch auf den Gehirnen der Chelophoren aufzusuchen. Um allzuhäufige Wiederholungen zu vermeiden, will ich an dieser Stelle alle in den nachfolgenden Beschreibungen benannten Furchen in einer Uebersicht zusammenstellen, die den Namen, die Bezeichnung auf den Abbildungen und eine kurze Charakteristik der einzelnen Furchen - enthält. Diese sind in drei Gruppen eingetheilt, deren I., die Grenz- furchen, in ihrer eigenthümlichen Stellung früher schon charakteri- sirt wurde, die II. enthält die Hauptfurchen der Carnivoren, also die allen erwachsenen Carnivoren (mit ganz geringfügigen Ausnahmen) _ zukommenden Furchen, die III. die Nebenfurchen, d. i. häufig aber doch nicht immer vorkommende, für die Charakteristik der ein- _ zelnen Familien wichtige Furchen. Es sind also : # a > I. Grenzfurchen: Dim, . > e . . . . . Die Fissura Hippocampi Owen et autorum (h), sie bildet die _ Grenze zwischen Ammonshorn und der übrigen Hirnrinde. BER :; . je n 610 ri Julius Krueg, Die Fissura rhinalis Wilder (rh), beiläufig die laterale Grenze des Tractus olfactorius. Die Fissura rhinalis-posterior mihi (rhp), beiläufig die late- rale Grenze des als Lobus pyriformis in der vergleichenden Anatomie bekannten Hemisphärenantheils, meist mit der vorigen verbunden. II. Hauptfurchen der Garnivoren: 1) Fissura splenialis mihi (sp), um das Splenium corporis callosi gekrümmt. 2) Fissura Sylvii autorum (S), oberflächlich immer nur eine einfache, aus dem Hinterende der F. rhinalis nach oben hinten auf- ragende Furche, auf deren wahrscheinliche Entstehung aus einer mehr horizontal gestellten Furche gelegentlich noch zurückgekommen wird. Der Vorrang dieser Furche vor den nächst folgenden ist sehr zweifelhaft. 3) Fissura suprasylvia Owen ss), ein mehr oder minder stark gekrümmter Bogen über der F. Sylvii. 4) Fissura cruciata Leuret (c), gleichsam eine vordere Fort- setzung der F. splenialis, mit der sie auch häufig verbunden ist, ihr vor- deres Ende ist meist quer lateralwärts gerichtet. Wenn die F. cruciata nicht mit der splenialis verbunden ist, so steht ihr Hinterende immer tiefer als das Vorderende der letzteren, oder zum mindesten sind diese Enden so gerichtet, dass sie in der erwähnten Richtung an einander vor- beizielen. 5) Fissura praesylvia Owen (ps), scheinbar aus der F. rhina- lis nach oben vorn herausragend, sehr selten mit einer andern Furche verbunden, hier und da auch von jener getrennt. 6) Fissura coronalis Owen (co), etwa hinter der Mitte der _ vorigen beginnend, mit der sie aber nur in den seltensten Fällen ver- bunden ist, läuft nach hinten oben, endet über der F. suprasylvia häufig in Verbindung mit der nachfolgenden. 7) Fissura ansata mihi (a), in voller Ausbildung drei kurze, in einem gemeinsamen Centrum vereinigte Aeste; da der mediale häufig -fehlt, so habe ich nur den vorderen und hinteren lateralen in den Ab- bildungen als Hauptfurche bezeichnet, der vordere ist häufig mit der F. coronalis verbunden, wenn nicht, so endet er lateralwärts von ihr, der hintere ist fast immer mit der F. lateralis verbunden. Diese 8) Fissura lateralis Owen (l) selbst liegt längsgerichtet zwi- schen F. suprasylvia und dem Medianrand der Hemisphäre; sie bildet die Fortsetzung des mit der F. coronalis begonnenen Bogens und ist sehr häufig mit dieser durch die F. ansata verbunden, gewöhnlich bildet aber nicht sie, sondern die F. medilateralis das Schlussstück des Bogens. Pd ee EN, - Veber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 611 9) Fissura suprasylvia posterior mihi (ssp), ihr oberes - Ende ist fast immer mit dem Hinterende der F. suprasylvia verbunden, "ihre Hauptrichtung ist senkrecht auf die F. rhinalis posterior, aber nur s in den seltensten Fällen wird diese Furche wirklich von ihr erreicht, . häufig neigt sich das untere Ende mehr der Fissura Sylvii zu. In selte- n nen Fällen scheint sie ganz zu fehlen !. ’ IIl. Nebenfurchen: Die Fissura medilateralis Owen (m!) beginnt median vom ‘ Hinterende der F. lateralis, biegt sich ziemlich parallel mit dem Hemi- sphärenrand erst nach rückwärts, dann nach abwärts und wohl auch etwas nach vorn; sie ist sehr häufig mit der F. lateralis verbunden. Die Fissura ectolateralis Wilder (el), entspringt lateralwärts von dem Hinterende der F. lateralis und verläuft ziemlich parallel der vorigen, lateral und vorn von ihr, sie ist selten mit irgend einer anderen Furche verbunden. Die Fissuraanterior mihi (an), verläuft zwischen dem vorde- ren nach abwärts gekrümmten Ende der F. suprasylvia und der F. Syl- vii von oben nach unten. Ihr unteres Ende ist häufig mit einem kurzen nach vorn gerichteten Furchenstück verbunden, welches höchst wahr- scheinlich der von mir bei den Ungulaten als Fissura diagonalis (d) beschriebenen Furche entspricht. Ihr oberes Ende ist hie und da mit der F. suprasylvia, häufig mit der F. postica verbunden. £ Die Fissura postica mihi (p), nimmt hinter der F. Sylvii eine i ähnliche Stellung ein, wie die F. anterior vor derselben, sie verläuft zwischen F. Sylvii und suprasylvia posterior. Ausser ihrer erwähnten _ häufigsten Verbindung kommen ab und zu auch solche mit einer der eben genannten Furchen, ja selbst mit der F. rhinalis posterior vor. & Die Fissura suprasplenialis mihi (sps) liegt zwischen dem horizontal verlaufenden Stück der F .splenialis und dem oberen Rand der 2 Hemisphäre, ziemlich parallel mit beiden. E. Die Fissura postsplenialis mihi (spp), verläuft in ähnlicher - Weise zwischen dem verticalen Stück der F. splenialis und dem Hinter- _ rand der Hemisphäre. Die Fissura genualis mihi (g), eine selten tiefer ausgebildete die F. splenialis um das Splenium desselben. Die Fissura olfactoria autorum (0), entsprechend dem gleich- 21 Ben Sulcus der Autoren, ihre Lippen werden von dem unter ihr 2 s z “ er ” 612 Julius Krueg, liegenden Bulbus olfactorius etwas aus einander gedrängt, auf den Zeich- nungen wird sie gewöhnlich von diesem ganz verdeckt, so dass sich über ihre Häufigkeit keine bestimmte Aussage machen lässt, doch dürfte sie wahrscheinlich allen grösseren Gehirnen zukommen. Ihr hinteres Ende ist vielleicht immer mit der F. rhinalis verbunden. RUTE: Die Fissura prorea mihi (pr), nahe dem vorderen Hemisphären- rand, parallel mit ihm, ziemlich senkrecht auf das obere Ende der F. praesylvia gerichtet, häufig mit dieser verbunden. Proreus = vorn am Schiffe befindlich. Die Fissura posteruciata mihi (cp), häufig blos rudimentär, und dann nur eine Depression zwischen der F. cruciata und ansata. Die Fissura praecruciata mihi (pc), etwa von der Mitte des auf der oberen Fläche liegenden Antheils des F. cruciata nach vorn zu verlaufend. Die Fissura confinis mihi (f). Nur bei den grössten Species eine deutliche Furche, sonst nur durch seichte Depressionen zwischen der F. lateralis und dem medianen Hemisphärenrand repräsentirt, bei- läufig parallel mit beiden, sehr häufig fehlend. Die angegebene Reihenfolge entspricht bezugs der Hauptfurchen beiläufig jener der Entwicklung bei den Katzen, aber selbst bei diesen wird die letzte Hauptfurche von einer Nebenfurche (der F. anterior) überholt. Die Nebenfurchen lassen sich gar nicht ordnen, denn ihr Vor- kommen wechselt je nach der systematischen Stellung oder auch nach der Grösse des Thieres. Der nachfolgenden Beschreibung liegt das in der Tabelle B. ange- gebene Material von selbst untersuchten Hemisphären, sowie deren Ab- bildungen zu Grunde. Wo ich auf fremde Untersuchungen angewiesen war, sind mir bei meinem mehrfach gekennzeichneten Standpunkte die Beschreibungen der Autoren weniger massgebend gewesen, als ihre Zeichnungen, doch habe ich auch jene so weit als möglich auszunützen versucht. Canidae (Tafel XXXIV). Die Familie der Ganidae deckt sich mit der Sectio der Cynoiden ; FLoweEr, dessen Systeme ich hier im Allgemeinen folge, hat in seiner gra- phischen Darstellung!) allerdings die Gynoiden’in die Mitte der beiden Hi anderen Sectionen gestellt, aber nur weil er dafür hielt, dass in ihnen am vollkommensten der Raubthiertypus zum Ausdruck komme, wäh- 4) 1. c. p. 37. Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 613 rend die anderen Familien von diesem Grundtypus mehr oder weniger E aberrant sich verhielten und dem entsprechend um die Cynoidea herum - gruppirt wurden. Es ist also gewiss nicht im Widerspruch damit, wenn ich gerade diese Familie in der Beschreibung voranstelle , wie. die auch Gervaıs gethan hat. Dazu kommt noch ein praktischer Grund: das Ge- hirn der Caniden ist so ziemlich am besten bekannt, bildet also einen passenden Ausgangspunkt der Beschreibung, während die sich an- schliessenden Familien, beiläufig in der von mir gewählten Reihenfolge, weniger bekannt sind, gleichzeitig aber in derselben Reihenfolge unge- zwungene natürliche Uebergänge darbieten. Bei allen Caniden erscheint die F. Sylvii an der Oberfläche als eine einfache, etwa aus der Vereinigungsstelle der F. rhinalis und rhinalis posterior entspringende, nach oben rückwärts geneigte, nicht sehr lange Furche. Zieht man die beiden Furchenlippen aus einander, so sieht man in der Tiefe, beispielsweise beim Hunde, der Hauptsache nach zwei Furchenstücke, die einen spitzen nach unten offenen Winkel bilden, von dessen Scheitel noch ein dritter kurzer Fortsatz, Processus acuminis (Saec), nach oben ragt. Der vordere Schenkel, Processus anterior (Sa), strebt nach vorn unten, vereinigt sich entweder wirklich mit der F. rhi- nalis oder mit dem hinteren Ende der F. praesylvia, der hintere zieht gegen die F. rhinalis posterior herab, manchmal scheint er von den übrigen ganz getrennt zu sein, wie das auch Broca (22, Fig. 19) so abbildet. Die Vereinigungsstelle zwischen F. rhinalis und rhinalis poste- rior ist sehr seicht. Der Raum zwischen ihr und dem eben beschriebe- nen Dreieck ist offenbar der Insel homolog; an gehärteten Gehirnen re- trahirt sich die umgebende Hirnrinde häufig derart, dass ein kleines Stück der Insel auch ohne weiteres Auseinanderzerren der F. Sylvii sichtbar wird. £ Eine F. anterior sowie postica ist immer vorhanden, beide ver- binden sich fast immer durch Fortsätze, die sie sich schicken ober- _ halb der F. Sylvii!). Die F. suprasy via ist vorn herabgekrümmt und - verlängert, sie verbindet sich hinten, ganz seltene und zweifelhafte _ Ausnahmsfälle?) abgerechnet, mit der F. suprasylvia posterior. Die F. eoronalis ist gewöhnlich mit der ansata, diese mit der lateralis verbun- 4) Diese Verbindung fehlte nur auf 8 von 57 Hundehemisphären. 2) Bei WıLder auf der rechten Hemisphäre eines Hundes (16, Fig. 44) (Young Pointer and Shepherd von oben). — Bei BrocA (22, Fig. 26) auf der rechten Hemi- _ sphäre eines Fuchses; es ist sehr möglich, dass diese scheinbare Trennung auf rs >inem Zeichenfehler beruht, denn während sie auf der Fig. 26, einer Ansicht von ben, „ vorhanden ist, fehlt s sie aut Fig. 42, einer lateralen Ansicht von wahrschein- 614 3a; Julius Krueg, den!), die lateralis selbst wieder meist mit der nie fehlenden medi- m lateralis?2). Eine F. ectolateralis ist immer vorhanden, häufig nach vorn sowohl, wie nach rückwärts verlängert, aber .doch selten mit einer der genannten Furchen verbunden. Eine F. olfactoria war in allen Fällen, die ich selbst untersuchen konnte, vorhanden, so dass ich ein gewisses Recht habe zu vermuthen, sie sei auf den Zeichnungen nur durch den Lobus olfactorius verdeckt. Wechselnde Vorkommnisse, aber in mit der Grössenzunahme wachsender Häufigkeit sind: dorsal resp. medianwärts gerichtete kurze Fortsätze von der F. anterior, suprasylvia und ansata in einer Reihe über einander, eine F. diagonalis, prorea, confinis und posteruciata. Die letzteren drei kommen zwar häufig vor, aber meist nur als seichte Depressionen. Auf der medialen Seite, die ich nur von Fuchs, Hund und W If kenne, ist ein medianer Fortsatz der F. rhinalis posterior beim Fuchs nie, beim Hund gewöhnlich?), beim Wolf immer mit dem hinteren unteren Ende der F. splenialis verbunden, diese, wenige Hundehemisphären ausgenommen‘), bei allen mit der F. eruciata. Die F. cruciata schnei- det immer ziemlich weit in die Oberseite der Hemisphäre ein. Eine F. postsplenialis ist immer vorhanden, eine F. suprasplenialis fehlt beim Fuchs, ist constant beim Hund, aber meist nicht mit. der postsplenialis verbunden, beim Wolf constant vorhanden und constant verbunden. Andeutungen einer F. genualis sind beim Fuchs selten, beim Hund häufig, beim Wolf constant. In eine kurze Diagnose des Gehirns der Cynoiden zusammengefasst, würde der Befund etwa zu lauten haben: Fissura anterior und postica sind immer vorhanden, fast immer verbunden, Fissura coronalis, ansata, lateralis, medilateralis mei- stens verbunden, letztere sowie die ectolateralis immer vorhanden. Die Fissura splenialis ist häufig mit der rhinalis posterior, nur ausnahmsweise nichtmit der cru- ciata verbunden. DieFissura prorea, praecruciata, post- eruciata und confinis fehlen häufig und sind auch bei den grösseren Species nie stark entwickelt. 4) Auf 57 Hemisphären war die F. ansata 8 Mal vorn und eben so oft hinten mit. den angrenzenden Furchen nicht verbunden. Auf den oben eitirten Figuren bei BrocA besteht, in der gleichen Weise wie vorerwähnt, auf der Ansicht von oben Trennung, auf der lateralen Verbindung von F. ansata und lateralis. 2) Diese Verbindung fehlt nur auf 13 von 57 Hundehemisphären und auf2von 48 EB: Hemisphären des Fuchses, EN 3) Auf 32 Hemisphären nur 3 Mal nicht. 4) 3 von 33. 2 A - rede ‚nie K N er - gi BE - _ Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der Sansketniaien Säugethiere, 615 = Ba “ Br, En. Charakteristik basirt allerdings nur auf dem auf Tafel NXXIV ge- zeichneten, in der Tabelle B angegebenen Material, es ist aber sehr wahr- scheinlich, dass sie auch für die mir nicht zu Gebote gestandenen Cynoiden- - gehirne gilt. Die Beschreibung, welche GArrop (23, p. 374 und 375) von Lycaon pietus und Nyctereutes procyonides giebt, so kurz sie ist, macht es doch höchst wahrscheinlich, dass die genannten Thiere sich der angeführten - Diagnose unterordnen lassen. Ebenso machen es die vielen Abbildungen von _ Schädelausgüssen bei Gervaıs (13) sehr wahrscheinlich , lie sie auf die - gleich anzuführenden Thiere passt ; es sind das Pl. III, Fig. 1, Canis (Lupulus) aureus; Fig. 2, €. (Lp.) barbarus; Fig. 3, C. een simensis ; Fig. 5 und 5a, Wolf; Fig. 6, Bastard von Wolf und Hund, Pl. IV, Fig. I, Canis _Dingo, Fig. 2—7, Haushunde; Fig. 8, €. familiaris Sumatrensis, Pl. V, Fig. I, 2 und 2a, Haushunde; Fig. 3, Otocyon megalotis, Fig. 4, Fuchs; Fig. 5, Cynhyaena picta ; Fig. 6, Cyon primaevus; Fig. 7, €. (Chrysocyon) campestris. Eben auf Grund eines Schädelausgusses stellt derselbe Autor auch Cephalogale Geoffroyi (Amphicyon zibethoides) zu den Cynoiden !). Was nun die Anschauungen der Autoren über das Canidengehirn an- - langt, so benennt Owen /10) auf den Zeichnungen eines Fuchsgehirns (Fig. 89 ‚oben rechts, Fig. 92 lateral links) die Fissura Sylvii, suprasylvia, coronalis und lateralis in derselben Weise wie ich , letztere allerdings zusammen mit - der ansata,, die suprasylvia posterior nennt er »postsylvian «2), die anterior und postica zusammen » ectosylvian«, die cruciata »frontal« und die rhinalis »ectorhinal«. Wırver (16 und 17) benennt die F. Sylvii, praesylvia , coro- nalis und ectolateralis mit denselben Namen, suprasylvia und suprasylvia ‚posterior zusammen nennt er » supersylvian «, die lateralis mit der ansata und gewöhnlich der medilateralis zusammen nennt er »lateralis«, die ante- _rior und posterior zusammen »ectosylvian«, die eruciata nennt er wie OWEN »frontal«. Die F. medilateralis, die er bei den Katzen in demselben Sinne wie ich deutet, hält er bei den Hunden, weil er sie immer mit der lateralis verbunden sah, für ein Stück dieser letzteren und meint, dass die confinis, " enn sie vorkommi, der medilateralis der Katzen entspräche, was durchaus nicht der Fall ist |p. 228). Die Entstehung der F. Sylvii deutet er in einem "ähnlichen Sinne wie ich, deren Processus anterior benennt er »basisylvian «. Er nimmt an, dass seine » ectosylvian « aus drei Stücken besteht; ist die F. anterior und postica getrennt, so sagt er, das obere Stück fehlt, ist die postica sehr kurz, so fehlt nach ihm das hintere Stück (p. 218 und 219); da ich (wie Wırver selbst) nie das obere Stück isolirt sah, so habe ich nur die Br genannten Furchen als solche beschrieben. Die F. prorea sah er wohl Br von der praesylvia getrennt, da er sie für eine Verzweigung derselben hält. Bi Die anderen Autoren sind meist der ursprünglichen Beschreibung LEURET’S gefolgt. Auf der äusseren Fläche befinden sich nach diesem (11, p. 373 bis ©) Forme cerebrale du Cephalogale Geofiroyi. (Journ. d. Zool. T. I. 41872. p. 130—433. Pl. VI.) 2) Dieser Name ist kürzer und bezeichnender als meiner ; Owen wendet ihn bei nivoren öfters (nicht immer) an, bei den Ungulaten trennt er diese Furche ‚der F. suprasylvia, deren Processus »posterior«, wie früher erwähnt, n ei AeeRrie. 616 Julius Krueg, 378) vier Windungsbogen, ein fünfter » circonvolution interne« auf der Median- fläche (unter der F. splenialis), ein sechster » circonvolution sus-orbitaire« (vor und unter der F. praesylvia). Von Furchen benennt er nur die F. Sylvii und cruciata. Die dritte Windung ist hinten gewöhnlich getheilt, wenn sie einfach ist, pflegt die vierte getheilt zu sein. Dieser letzte Satz würde nach meiner Auffassung zu lauten haben: »Die Fissura lateralis ist gewöhnlich mit der F. medilateralis verbunden und lateralwärts von dieser liegt eine ge- wöhnlich freie F. ectolateralis, manchmal ist aber diese letztere mit der late- ralis verbunden und dann pflegt die medilateralis frei zu bleiben.« So ist es auch wirklich, während nach der obigen Beschreibung der Raum zwischen F. medilateralis und ectolateralis bald zur dritten, bald zur vierten Windung geworfen wird. DArESTE (9, p. 74) nennt die zwei unteren Windungen »circonvolutions externes«, die zwei oberen »circonvolutions internes«, sagt, dass diese vier Windungen vorn und hinten vereinigt, in ihrem Verlaufe aber immer vollständig getrennt sind, was für die abgebildete Hemisphäre von Isatis (Leucocyon lagopus) wohl richtig ist, aber durchaus nicht für alle Caniden ; denn wie oben gezeigt wurde, ist die erste und zweite Trennungs- furche aus mindestens zwei, die dritte gar aus vier Stücken zusammenge- setzt, die alle gelegentlich von einander getrennt sein können. GervaIs (13, p. 108) hebt die zwei mittleren als » Circonvolution inter- mediaire inferieure« und »interne« heraus und giebt von der letzteren an, dass sie bei allen Caniden hinten verdoppelt ist (durch die F. ectolateralis) . Alle drei genannten Autoren stimmen darin überein, dass die grösseren Spe- cies das Gehirn reicher gefurcht haben, als die kleineren. Lussana (15, p. 144—146) bleibt bei den sechs Windungen LEURET's, die circonvolution sus-orbitaire nennt er auch »frontale« oder » anteriore «. Nach seiner Grundvorstellung, dass alle anderen Windungen aus der » Mutter- windung« (» circonvoluzione madre«), entspringen müssen , suchte er eine Verbindungsstelle ; bei den Katzen hatte er den Raum zwischen F. splenialis und dem medialen Ende der F. rhinalis posterior offen gefunden, erklärte ihn also als die gesuchte Ursprungsstelle, beim Hunde fand er ihn zu (beim Fuchs wäre er schon wieder offen gewesen), hingegen zufällig auf seinem Exemplar die F. splenialis von der F. cruciata getrennt [was bei den Caniden doch nur höchst ausnahmsweise der Fall ist, während es gerade bei den Katzen fast immer vorkommt) , verlegte die Ursprungsstelle also dort hin und machte daraus ein Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen Hund und Katze. — Die Fissura anterior zusammen mit der postica benennt er Fig. 192 »Secissura parallela«, die F. suprasylvia und suprasylvia posterior zusammen » Scissura occipito-temporale«, die F. cruciata » Seissura cruciata «. Ausser den benutzten in Tabelle B angeführten Abbildungen bringt er noch eine Ansicht von unten, Fig. 140, und sechs schematische Darstellungen des Hundehirns Fig. 137, 138, 139, 441, 143, 192. : MEYnerT (21) unterscheidet die Fissura praesylvia als » Ramus anterior fissurae Sylvii«, die F. cruciata als »Sulcus calloso-marginalis« und die F. coronalis als »Gentralfurche«. Im Uebrigen hält er die bekannten vier Win- dungen aufrecht. 8 BrüurL unterscheidet die gewöhnlichen vier Bogenwindungen und lässt sie durch drei Bogenfurchen getrennt sein, die Fissura rhinalis und rhinalis” av "di ee A 5 r Br di gt - ‚FE ä - Veber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Sängethiere. 617 Br - posterior zusammen nennt er » grosse sagittale Basalfurche «, ausserdem unter- scheidet er noch die »Syrvıus’sche« und die »Kreuzfurche «!). Broca (22) nennt die Fissura rhinalis und rhinalis posterior zusammen »Seissure limbique «, die F. praesylvia »sc. de Rolando «, die F. Sylvii ebenso, die F. suprasylvia und suprasylvia posterior zusammen »sillon parietal pri- maire«, die F. splenialis » seissure sous-parietale«, betrachtet die F. crueciata als deren vorderes Ende, benennt sie aber doch als »sc. eruciale«, die Fissura genualis nennt er sillon » sous-frontal«. Die Anschauung von Panscu (20) hat die meiste Wahrscheinlichkeit für sich, sie wurde schon Eingangs erwähnt, auf BEXEpIKT wird gelegentlich der Ursidae zurückgekommen werden. Es ist wohl nicht anders möglich, als dass mir einige Abbildungen von Hunde- oder Katzenhirnen, sowie einige Bemerkungen über deren Hirn ent- gangen sind, trotz der Reichhaltigkeit meiner im Literaturverzeichniss und in der Tabelle B ausgewiesenen Quellen. Manche habe ich aber mit Absicht übersehen, so alle Zeichnungen, die ich für Copien halten musste und die unbrauchbaren Abbildungen bei SERRES. Felidae (Tafel XXXV). Schon den äusseren Umrissen nach unterscheidet sich das Feliden- gehirn von dem der meisten übrigen Carnivoren, es ist vorn breiter und mehr stumpf. Die Gegend vor dem queren Ast der F. cruciata ist es, welche hauptsächlich diesen Unterschied bedingt, bei den Caniden z.B. ist dieselbe durch einen medianen Grat stark nach vorn gezogen, bei den Feliden viel weniger weit, so dass das Gehirn vor der F. cruciata nach vorn unten zu steil abfällt. Damit stimmt überein, dass bei den Caniden von den accessorischen Furchen in der Umgebung der F. cru- ciata die F. prorea etwa eben so häufig vorkommt wie die F. posteruciata, während sie selbst bei den grösseren Feliden nur äusserst selten ange- deutet ist (auf drei Zeichnungen vom Löwen), die posteruciata aber etwa in der Hälfte aller untersuchten Gehirne vorhanden war, wenn auch - nur als unbedeutende Depression. £ Die F. rhinalis ist immer mit der rhinalis posterior vereinigt, - ausser auf einer Zeichnung von Cynailurus jubatus (7, Pl. 7), auf zwei Zeichnungen von Felis domestica aber scheint die F. rhinalis posterior san zu fehlen (3, Fig. 5 und 24, Fig. 35), entweder weil sie so weit von der F. rhinalis abgetrennt ist, dass ihr Vorderende schon nicht _ mehr auf der dargestellten Lateralfläche sichtbar war, oder, was _ viel wahrscheinlicher, durch einen Zeichenfehler verschuldet. Ich _ möchte sehr dafür halten, dass einem solchen auch das Ausbleiben _ der F. praesylvia auf zwei Lateralansichten von Felis domestica (11, F h | E A) Einiges über das Gehirn der Wirbelthiere mit besonderer Berücksichtigung jenes der Frau (Verein nat. Kenntn. XIX. Bd. Wien 4878. p. 422 und Taf. Il, 618: 7-82: | BE Julius Krueg, A Fig. 34 und 15, Fig. 130) und einer von Leopardus antiquorum (15, Fig. 135) zuzuschreiben ist. Die Lateralseite der Hemisphäre krümmt sich in dieser Gegend so scharf nach vorn um, dass Furchen, die auf die vordere Fläche zu liegen kommen, in der Lateralansicht nur un- deutlich oder gar nicht zu sehen sind, daher mag der Fehler kommen. Die F. praesylvia ist zu wichtig, weit verbreitet und constant, als dass ich annehmen möchte, sie könne den angeführten, relativ grossen Thie- ren fehlen. Fast immer ist sie mit der F. rhinalis verbunden, wie hinter ihr die F. Sylvii. Das Innere dieser letzteren konnte ich nur bei der Hauskatze untersuchen, bei dieser fand ich keinerlei Andeutung von Verästelung innerhalb der an der Oberfläche verticalen Furche, so dass ich annehme, der Processus anterior sowie der P. posterior fällt ganz mit der F.rhinalis und rhinalis posterior zusammen. Die F. Syivii bleibt meist ziemlich kurz und ist mässig nach rück wärts gerichtet. Mehr ver- tical verlaufen die F. anterior und posterior. Nie sind diese mit einander verbunden. Häufig genug schicken sie sich einander über der F. Sylviüi Fortsätze zu, aber nur einmal auf dem Gehirn einer Hauskatze sah ich es fast zu einer vollständigen Vereinigung kommen. Es schliesst das natürlich nicht aus, dass eine solche nicht doch ausnahmsweise vor- _ kommen kann, aber mein Material ist doch reich genug, um wahr- scheinlich zu machen, dass eine Vereinigung der F. anterior und postica auf einem Felidengehirn immer eine eben so seltene Erscheinung sein wird, wie die Trennung dieser beiden Furchen auf einem Ganidenge- hirn. Auf der zwischenliegenden Fläche oberhalb der F. Sylvii findet sich häufig eine kurze vertical gerichtete accessorische Furche, frei wie auf ‚der Zeichnung von Felis domestica, oder mit der F. postica verbunden, wie mehr oder minder deutlich auf den meisten übrigen. Würde diese kleine Furche horizontal gerichtet sein, anstatt vertical, so würde sie das von Wırper geforderte Mittelstück (vergl. p. 615) zwischen F. anterior und postica darstellen. Wichtiger als die eben beschriebene ist eine zwar auch nicht besonders grosse, aber bei allen Feliden consiante Furche, etwa in der Richtung vom unteren Ende der F, anterior zum Vorderende der F.coronalis liegend. Ihr vorderes Ende ist frei, ihr hin- teres in zwei Dritteln aller untersuchten Gehirne mit der F. anterior verbunden. Gerade die Beziehung zur F. anterior macht es höchst wahr- scheinlich, dass sie der bei den Ungulaten von mir als F. diagonalis be- schriebenen Furche homolog ist. Allerdings ist diese bei allen Ungulaten constant und ihr vorderes Ende mehr nach oben gerichtet, aber die ver- E änderte Stellung der F. coronalis, die bei den Ungulaten nach vorn, bei den CGarnivoren lateralwärts gewendet ist, erklärt genügend, warum die gleichsam von ihr zurückgedrängte F. diagonalis bei den letzteren meist 619 E kürzer ist und sehr häufig ganz fehlt. Die F. anterior entspricht wohl jenem Ast, den ich als ein häufig vorkommendes Verbindungsstück zwi- schen F. diagonalis und suprasylvia bei den Ungulaten erwähnte, aber nicht benannte. Wie bei den Ungulaten ist das untere Ende sehr häufig mit der F. diagonalis verbunden, das obere manchmal mit der F. supra- sylvia, immer aber liegt die F. anterior, wie fast immer der erwähnte "Ast, hinter der vorderen Herabkrümmung der F. suprasylvia. Bei den Caniden fand sich die F. diagonalis nicht so allgemein als bei den Feli- den, kam aber doch häufiger vor als zufällig auf den Tafel XXXIV abge- bildeten Gehirnen. Unter diesen ist sie nur auf der Zeichnung von Lu- pulus aureus deutlich und zwar unverbunden. Die F. olfactoria der Feliden bleibt gewöhnlich sehr kurz. Die Fissura suprasylvia ist bei den Feliden in ähnlicher Weise wie - bei den Caniden vorn herabgekrümmt, hinten mit der Fissura supra- sylvia posterior verbunden. Diese Verbindung fehlt nur auf drei Hemi- ‚sphären, 1) auf der Lateralansicht einer Hauskatze bei Pausen (11, Fig. 34), 2) auf der rechten Seite von Gynailurus jubatus bei GrATIoOLET und Gervaıs (7, Pl. 7 oben und lateral, 21, Pl. IX, Fig. 7, oben) !) und auf der linken eines Löwen bei Meynert (21 , Fig. 23, lateral). Ausserdem fehlt die Verbindung allerdings auch noch einmal auf der linken Seite einer oberen Ansicht der Hauskatze bei Pansch (11, Fig. 35), diese Seite stimmt aber so wenig zu der rechten, ihre Furchen sind alle so kurz "und von einander getrennt, dass ich glaube, sie stammt von einem neu- ‘geborenen Thier, oder gar von einem Fötus, und ist der rechten Hemi- sphäre eines erwachsenen Thieres nur angefügt, um die vorkommenden Variationen auffallender zu machen; würde sie demselben Thier ange- ‚hören, wie die rechte Hemisphäre, mit der sie auf der Zeichnung ver- -bunden ist, so müsste ich sie geradezu für pathologisch erklären. 4 Die Fissura coronalis der Feliden ist im Allgemeinen etwas kürzer - und mehr lateralwärts gerichtet als jene der Ganiden, sie ist eben so oft - mit der F. ansata verbunden als nicht. Diese steht wegen der mehr er- - wähnten Gestaltung des Felidengehirns näher der vorderen Hemisphären- - spitze als bei den Caniden, sie hat immer einen medialen Ast, ihr hin- terer Lateralast ist lang und fast immer mit der F. lateralis verbunden. 4 4) Gervaıs hat höchst wahrscheinlich seine Abbildung nach demselben " Exemplar anfertigen lassen, wie seiner Zeit GRATIOLET, ich habe daher immer diese beiden Gehirne nur als eines gerechnet. Wenn bei den Autoren gleichzeitig Ansich- ten desselben Thieres von verschiedenen Seiten abgebildet sind, so stammen sie _ auch meist von einem und demselben Exemplar, wurden von mir also auch nur einfach gerechnet; so kommt es, dass die oben citirten drei Figuren nur anstatt 620 Julius Krueg, Nur auf der linken Seite von Leopardus pardus sah ich selbst die An- deutung einer Trennung und Wiırver bildet auf der linken Hemisphäre eines afrikanischen Löwen (16, Fig. 19) eine Verbindung des hinteren Lateralastes der F. ansata mit einem oberen Fortsatz der F. suprasylvia ab, ganz in derselben Weise, wie das unter den Ungulaten bei den Ela- phiern gewöhnlich ist, bei den Carnivoren aber kaum je wieder vor- kommt. Die Verbindungsstelle zwischen F. ansata und lateralis ist da- durch kenntlich, dass sich die beiden Furchen in einem stumpfen, mit dem Scheitel medianwärts gerichteten, Winkel treffen. Die F. lateralis ist etwas öfter mit der medilateralis verbunden als nicht (30 : 25). Die letztere fehlt nie, eine F. ectolateralis fehlt aber immer; eine scheinbare Ausnahme macht nur die rechte Hemisphäre von Felis pardalis bei Gri- TIoLET (14, Pl. 7, das ist aber eine sehr unsichere Quelle), hie und da ist das untere Ende der F. medilateralis so nach vorn gekrümmt, selbst bis zur Vereinigung mit der F. suprasylvia posterior, dass ihr unteres Stück vielleicht mit der F. ectolateralis verwechselt werden könnte. Wenn das vordere Ende der F. medilateralis nicht mit der lateralis ver- bunden ist, so geht es häufig in die confinis über. Diese kommt von den accessorischen Furchen der oberen Seite noch am häufigsten vor, wenn auch gewöhnlich nur als ganz seichte Furche, oder als eine Reihe von Depressionen. Ueber die anderen accessorischen in der Umgebung der F. eruciata wurde zu Beginn dieses Capitels bereits gesprochen. Auf der Medianseite ist die F. splenialis nie mit der rhinalis poste- rior, fast nie mit der cruciata verbunden. Zwei Mal sah ich die letzt- genannte Furche selbst mit der splenialis vereinigt, einmal ist die Ver- einigung bei GuiLor (5, Fig. 172) gezeichnet, alle drei Fälle bei Felis domestica. F. splenialis superior und posterior sind meist vorhanden, erstere fehlte nur einmal auf 24 , letztere viermal auf 21 Hemisphären. Nie fehlten beide zugleich, auf den 15 Hemisphären, auf denen sich beide fanden, waren sie aber nur fünf Mal mit einander verbunden. Die F. eruciata geht immer auf die obere Seite über, ragt dort ziemlich weit ‚vorn quer lateralwärts., Vor dem Balkenknie findet sich zwar meistens eine oder die andere Furche, immer aber von nur ganz unbedeutender Tiefe, manchmal geradezu nur Gefässfurchen. Andere als die beschrie- benen accessorischen Furchen kommen auch bei den grösseren Species frei nur selten vor, häufig hingegen kurze Abzweigungen und Aeste. | Folgende Merkmale dürften am constantesten die Feliden von den anderen Familien der Aeluroidea unterscheiden: Eine Fissura anterior und postica ist immer vorhanden, nie jedoch sind diese beiden mit einander verbunden, häufig ist | hingegen die F. anterior mit der nie fehlenden F. diago- U _ Deber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 621 ; alis verbunden. DieF.coronalis ist ebenso oft mit der ansata verbunden als nicht, die lateralis noch häufiger mit der nie fehlenden medilateralis. Die Fissura sple- _ mialis ist nie mit der rhinalis posterior, fast nie mit der eruciata verbunden. . Ausser den in der Tabelle B angeführten und von mir verwendeten Zeich- E nungen finden sich noch abgebildet: Ein Tiger- und ein Löwengehirn, in - einer verschobenen Ansicht von lateral - unten bei Garr (I, Pl. XXXII, Fig. und5), die Figuren sind zu schlecht gezeichnet, um zu bestimmten Aus- ro sagen verwendet werden zu können, im Allgemeinen widersprechen sie aber i doch nicht der früher gegebenen Beschreibung. Nicht vielbesser sind allerdings die Zeichnungen von Ocelot und Guepard bei GrATIOLET, die ich doch be- _ mützt habe. Es lagen den Zeichnungen offenbar durch längere Zeit in Spiri- tus aufbewahrte, mit vielen Schrumpfungs- und Gefässfurchen versehene S. zen zu Grunde, die GratioLET dazu gebrauchte, um DARESTE gegenüber nachzuweisen, dass das Grosshirn des kleineren Ocelot wenigstens theil- weise reicher gefurcht sei, als jenes des grösseren Guepard. Auf meinen Copien der genannten Figuren trachtete ich die zufälligen Schrumpfungen zu vermeiden, so weit es möglich war sie von wirklichen Furchen zu unter- scheiden, habe aber wahrscheinlich immerhin noch einige übernommen. Bei Gervaıs (13) finden sich wieder einige Schädelausgüsse, alle in der Ansicht von oben; Pl. V, Fig. 6, Cynailurus jubatus; Pl, VI, Fig. 8, Ailurinus plani- ceps; Fig. 2, Cryptoprocta ferox und Fig. 6, Psendailurus hyzendiden, Be- zugs der letzteren zwei giebt GERVAIS zu, dass sie sich den Viverriden nähern, glaubt sie aber doch mit den Feliden vereinigen zu sollen. Bei Lussana (1 5) finden sich ausser den ceitirten noch Ansichten der Hauskatze und des Leo- _ parden von unten (Fig. 128 und 131) und sechs Schemata des Gehirns der Hauskatze in ähnlicher Weise ausgeführt, wie die bei den Caniden erwähn- ten (Fig. 125, 127, 129, 131, 194). y In den Beschreibungen sind die nicht zu verkennenden Homologien zwischen Katzen- und Hundehirn wohl meist ziemlich richtig angegeben, doch nicht immer, denn wenn z. B. FLowEr (12, p. 482) sagt, die Cynoidea haben immer vier deutliche Windungen über der F. Sylvii, den Ailuroiden aber nur drei zuschreibt und angiebt, deren erste werde bei den Feliden vor und hinter der F. Sylvii je durch eine Furche getheilt (meine F. ante- -rior und postica), so geht doch daraus hervor, dass er bei den Feliden n ganzen Raum unter der F. suprasylvia und suprasylvia posterior zu der ersten Windung rechnet, bei den Caniden aber nur jenen unterhalb der F. stica und anterior. - Owen hatte schon in seiner viel eitirten Arbeit über Felis jubata (3), € bereits erwähnt, die wirklich vorhandene Uebereinstimmung im Bau der sshirnoberfläche hervorgehoben und für jene Zeit recht gut beschrieben. 7 (4) vereinigt in seiner vierten Gruppe Hauskatze, Löwe, Tiger, r, Panther, Gepard, Cuguar, Luchs, Pardel und Hyäne. Die Beschrei- Zaun BITTE En « . er wissonsch. ol sn ‚Ba. 40 623 A: ‚Julius Krueg, RE 3 F, postica und anterior, zwischen F. lateralis und medilateralis, endlich | zwischen F. splenialis und cruciata. LEURET und viele seiner Nachfolger scheinen anzunehmen, dass diese » Ueberbrückung« von Furchen eine höhere Ausbildung bedeute, während aus der Entwicklungsgeschichte doch hervor- geht, dass die Furchen erst einfach und kurz entstehen, späterhin sich aber vergrössern und verbinden. Huschke (4, p. 132) und DARESTE (9, p. 74 und 75), die in der Beschreibung sich sehr an LeurEr anlehnen, theilen nicht seine letzterwähnte Anschauung. Gervaıs (13, p. 119—12%) ver- einigt wohl auch die Felidae und Hyaenidae zu einer Gruppe, trennt sie aber dann doch in der Beschreibung, die der Feliden lautet ähnlich wie bei LEURET, nur enthält sie mehr Details über einzelne Species. Lussana (15, p. 140—143) rechnet zu seinem » Tipo felino « die Linnt- schen Genera: Felis, Furus, Martes, Viverra, Mustela. Wir werden später- hin sehen , dass die Musteliden viel mehr von den Feliden verschieden sind, als z. B. die Caniden, die bei ihm eine eigene Gruppe bilden, während er jene mit den Feliden vereinigt. Die Beschreibung ist übrigens hauptsächlich der Hauskatze angepasst und wird unnöthig complicirt durch das Suchen von Ursprungsstellen der Windungen, worüber bei den: Ganiden bereits ge- sprochen wurde. Er adoptirt ebenfalls die vier äusseren Bogenwindungen LEURET'Ss, nur möchte er die: sus-orbitaire (seine »eirconvoluzione fron- tale«) auch noch jenen einreihen. Die F. postica nennt Lussana »Scis- sura parallela«, die F. suprasylvia und suprasylvia posterior zusammen »Seis- sura occipito temporale« oder auch »di Gratiolet«. Die Merkmale des Feliden- gehirns sind nach ihm folgende: 4) Die Occipito-temporal-Windungen ent- springen hinten, 2) die parietale und: triangolare oben, 3) die parietale ist einfach, 4) Anastomosen zwischen den Temporalwindungen, 5) Gehirnwinkel von 20 Graden. Owen hat in seiner » Anatomy of vertebrates « nur die laterale und me- diale Ansicht einer Katze abgebildet (10, Fig. 86 und 91), er bezeichnet darauf die Furchen ziemlich in derselben Weise wie bei den Ganiden, aber die F. splenialis nennt er »supercallosal«, die splenialis superior und poste- rior » marginal«, die genualis? »falcial«. WıLner (16) bleibt sich auch ziem- lich consequent, die F. confinis rechnet er noch zur F. medilateralis und benennt sie nach der letzteren. MEYNERT (21) bezeichnet die F. coronalis als »Gentralfurche« und ebenso die ansata, wenn sie auch von jener getrennt ist, die F. praesylvia als » vorderen aufsteigenden«, die F. Sylvüi als »hinteren aufsteigenden Ast der Syrvr'schen Spalte«, die F. cruciata als »sulcus calloso- marginalis«, die F. splenialis vorn als » Hinterhauptsspalte «, hinten als » Sul- cus calcarinus«, das hintere Ende der F. suprasplenialis ebenso. Die F. olfac- . toria nennt er richtig » Sulcus rectus«. Hyaenidae und Protelidae (Tafel XXXV]). Die nahe Verwandtschaft dieser beiden Familien, die sich auch in der Anordnung der Furchen ausspricht, rechtfertigt wohl eine Vereini- gung derselben behufs Abkürzung der Beschreibung. Leider konnte ich nicht selbst ein hierher gehöriges Gehirn untersuchen, und in der Literatur finden sich auch nur wenige Zeichnungen, aber bei dem ge- Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 623 ringen Artenreichthum dieser Familien, mag das Material, mit einiger i Vorsicht verwendet, vorläufig ausreichen. b In derselben Reihenfolge, wie bei den vorigen, betrachtet, findet sich die Fissura rhinalis und rhinalis posterior immer vereinigt, nur auf der Lateralansicht von Hyaena crocuta bei Darzste (9, Fig. 2) scheint - ein Stück der rhinalis posterior zu fehlen, was höchst wahrscheinlich - wieder durch einen Zeichenfehler verschuldet ist. Die Fissura Sylvii und _ praesylvia sind immer mit der rhinalis verbunden. Auf der Ansicht von unten von Proteles (42, Fig. 3) ist die F. praesylvia beiderseits frei, auf der dazu gehörigen Lateralansicht (Fig. 2) aber keineswegs. Die Fissura anterior sowie diagonalis fehlen immer, die F. postica ist immer vorhanden, auf der Zeichnung von Hyaena vulgaris bei WıL- DER (16, Fig. 9) ausserdem noch eine ebenso lange, oben mit der F. Syl- vii verbundene, Furche, zwischen den beiden letztgenannten ziemlich vertical verlaufend. Die Fissura suprasylvia ist vorn weit herabgekrümmt, hinten immer - mit der suprasylvia posterior verbunden, an der Vereinigungsstelle im- mer ein Fortsatz nach hinten, der übrigens bei den anderen Familien sehr häufig vorkommt. Ä . Die Fissura coronalis ist immer mit der ansata, diese mit der late- ralis, diese mit der medilateralis verbunden. Die letztere mehrfach sehr _ kurz, bei Proteles vielleicht sogar fehlend. Eine F. ectolateralis kommt _ nie vor. Die F. ansata hat immer einen medianen Fortsatz, dieser fehlt nur auf der lateralen Ansicht von Proteles (12, Fig. 2), während er auf der oberen (142, Fig. 1) beiderseits gezeichnet ist. Von den accesso- - rischen Furchen auf der oberen Fläche finden sich auf den zwei Lateral- _ ansichten von Hyaena nirgends, bei Proteles beiderseits eine deutliche - F. posteruciata und links sehr schwache Andeutungen einer F. confinis, E auf der viel reicher mit accessorischen Furchen versehenen oberen An- sicht von Hyaena crocuta bei Gervaıs (13, PI.IX, Fig. 41) unbedeutende _ Spuren der beiden letztgenannten , aber stärker als diese ausgeprägte _ Impressionen in der Gegend der F. praecruciata und prorea. Ich kenne nur die eine bei FLower abgebildete Medianseite von _Proteles (12, Fig. 4), auf dieser ist die Fissura splenialis mit der F. cru- _ eiata verbunden, mit der rhinalis posterior aber nicht, eine F. supra- ; s via ist vorhanden, eine F. genualis reicht bis zur cruciata hinauf, a isserdem ai sich noch einige kurze era N ‚auch nach Vergleich mit einem a Material stehen zu blei- 10* 624 | Julius Krueg, ben, so wird jene lauten: Die Fissura anterior und diago- nalis fehlt immer, die postica ist immer vorhanden. Ausser den angeführten finden sich in der mir bekannten Literatur keine weiteren Originalabbildungen, Schädelausgüsse hingegen bildet GERVvAIS (13, Pl. VI) noch ab, Fig. 1 von Proteles hyaenoides, Fig. 11 von Hyaena crocuta und Fig. 5 von Hyaenodon leptorhynchus. Die meisten Autoren stellen, wie vorerwähnt, die Hyänen mit den Feli- den in eine Gruppe zusammen. So auch GERVAIS, dieser hebt aber doch die . oben angeführte Haupteigenthümlichkeit des Hyänengehirns hervor, wenn er sagt, dass der vordere Ast der ersten Windung fehlt (13, p. 125). Nebenbei bemerkt ist das aber ein neuer Beweis, wie die’ einseitige Beschreibung der Windungen zu Irrthümern in der Auffassung der Homologien führen muss. Nach dieser Beschreibung wäre der Raum zwischen F. suprasylvia und Sylvii bei den Hyänen jenem zwischen F. suprasylvia und anterior bei den Katzen homolog, was doch sehr unwahrscheinlich ist. GERvAIS beabsichtigte viel- leicht auch gar nicht das zu sagen, seine Beschreibung drückt aber nichts anderes aus. Ein Schädelausguss von Hyaena spelaea ist nach GERvAIS sehr ähnlich dem von Hyaena vulgaris (crocuta?) (p. 125), Proteles hyaenoides stellt er, eben wegen seiner Gehirnform , in dieselbe Reihe wie Katzen und Hyänen (p. 126), Hyaenodon schwankt nach ihm zwischen den fleischfres- senden Beutelthieren und den Carnivoren, er schliesst mit Recht nach einem Abdruck der hinteren Schädelhälfte von Hyaenodon leptorhynchus, dass die Gehirnform desselben jener der Feliden und Hyänen (sicherer würde er viel- leicht »Carnivoren« sagen) ähnlicher sei als der der Thylacinen (p. 128, Pl. VI, Fig. 5). ’ DARESTE sagte, dass das Gehirn der Hyänen in der Form jenem der Hunde, in der Art der Windungen jenem der Katzen ähnlich sei, nur sei die Windung um die Syrvr'sche Furche vorn einfach, hinten doppelt (10, p. 75). FLoweEr bringt in seiner Specialarbeit (14) natürlich die aus- führlichste Beschreibung des Gehirns von Proteles. Er unterscheidet an der Aussenfläche eine untere, mittlere und obere Windung, die untere beschreibt _ er wie die vorgenannten beiden Autoren vorn einfach, hinten doppelt, sie entspricht also der ersten und zweiten bei LEURET, die mittlere entspricht der dritten, die obere der vierten mehr der circonvolution sus-orbitaire, dazu kommt noch ein »internal hippocampal gyrus« entsprechend der circonvo- Jution interne bei LEURET. Die F. Sylvii und cruciata nennt er ebenso, die F. praesylvia »supraorbital sulcus«, die F. splenialis »calloso-marginal sul- . cus«. WıLper benennt (16, Fig. 9) die F. Sylvii, praesylvia, coronalis und suprasylvia übereinstimmend mit mir, die F. suprasylvia posterior nennt er »Supersylvian, medial branch «, die cruciata »frontal«, die medilateralis, lateralis und ansata zusammen »lateral«, den medialen Ast der letzteren also auch folgerichtig » medial branch« der lateralis. Die F. postica »Ecto- sylvian, posterior branch« die accessorische vor ihr ebenso mit einem Fragezeichen. | Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 625 Viverridae (Tafel XXXV]). = Wie die Tabelle B zeigt, stand mir für die Viverriden eine grössere - Anzahl Species zu Gebote als für irgend eine der anderen Familien der - Carnivoren, und doch kann ich gerade über jene nur viel unbestimm- tere Angaben machen als über alle anderen. Ich konnte eben nur ein & “einziges Gehirn (auch dieses nicht auf der Medianseite) selbst unter- - suchen, und die Zeichnungen, auf die ich verwiesen war, sind haupt- sächlich Ansichten von oben, während die wichtigsten Merkmale auf der Lateralseite liegen. Dabei kommen gerade bei den Viverriden Variationen in sehr weitem Umfange vor, so dass sogar verschiedene Hauptfurchen gelegentlich ganz fehlen können. Ausserdem scheinen sich innerhalb der Familie zwei Typen durch ihren Gehirnbau von ein- ander zu unterscheiden. Ich vereinige, um spätere allzuhäufige Namens- - wiederholungen zu vermeiden, Viverra, Genetta und Paradoxus zu einer l., Herpestes und Suricata zu einer II. Gruppe. Die I. entspricht also beiläufig den Ailuropoden oder Viverriden im engeren Wortsinne, die Il. den Cynopoden oder Mangustoiden. Das Grosshirn der Viverriden scheint schlanker gebaut zu sein als bei den bisher behandelten Familien, was wohl mit der durebschnitt- lich geringeren Grösse der hierher gehörigen Thiere zusammenhängen mag, so wie ich es in ähnlicher Weise bei den Ungulaten nachweisen konnte. Nur«die Lateralansicht von Genetta vulgaris bei Darsste (9, - Pl. II, Fig. 7) ist kurz und hoch, aber die Zeichnungen bei Darzste sind - meist sehr ungenau, die Lateralansicht von Herpestes Ichneumon (Fig. 6) beispielsweise ist in derselben Weise zu kurz gezeichnet, wie mich der Vergleich mit dem von mir selbst untersuchten und auf Tafel XXXVI abgebildeten Exemplar lehrte. E: Von den Furchen ist die F. rhinalis immer mit der rhinalis posterior _ verbunden. Nur auf der Abbildung der Unterseite von Paradoxurus (GEr- _ vaıs 13, Pl. IX, Fig. 2a) ist die F. rhinalis posterior hinter dem Ursprung der F. Sylvii derart von der rhinalis getrennt, dass ihr Vorderende _ höher steht als das Hinterende der letzteren. Die F. Sylvii ist bei der a, Gruppe ziemlich lang, bei der II. kurz, ja auf meinem Exemplar von Herpestes Ichneumon eilsceite ken fehlend, d. h. was den aus der F. rhinalis nach oben herausragenden Bieerstik acuminis anlangt; 2 die Elemente eines Processus anterior und posterior mit der F. rhi- vereinigt nicht vielleicht doch vorhanden waren, konnte ich nicht "entscheiden. Sehr wahrscheinlich fehlt dieser Processus acuminis auch * ar EEECEDUENTAN 626 Julius Krueg, posterior verbundene Furchen abgebildet, von denen die vorderste der F. anterior entspricht. Die hinterste kann die nicht mit der F. supra- sylvia verbundene F. suprasylvia posterior sein, die mittlere wäre dann die F. postica und die Constellation eine ähnliche wie bei Suricata, nur dass die F. Sylvii ganz fehlen würde, während sie bei dieser zwar ausserordentlich ‚kurz, aber doch vorhanden ist. Stellt aber die hintere Furche eine F. postica vor, so würde die mittlere, kürzeste, doch der F. Sylvii entsprechen; keinesfalls jedoch gleicht darin die er- wähnte Hemisphäre dem von mir untersuchten Gehirn, denn auf diesem fehlte beiderseits sowohl F. Sylvii (Processus acuminis) als F. supra- sylvia posterior total. Wahrscheinlich ist bei der II. Gruppe immer sowohl F. anterior als postica vorhanden, bei Suricata sind beide sogar rechts verbunden, was aber höchst wahrscheinlich doch nur eine Ausnahme ist. Bei Viverra zibetha und Genetta ist eine F. postica gezeichnet, die F. anterior fehlt letzterer absolut, bei ersterer wird sie vielleicht durch eine ganz kurze unbedeutende mit der F. rhinalis verbundene Furche vertreten. Eine F. diagonalis war nirgends zu sehen. Die F. praesylvia ist bei Viverra und Genetta entsprechend entwickelt, bei Suricata vom Bulbus olfacto- rıus verdeckt oder fehlend, auf meinem Exemplar von Herpestes Ichneu- mon von einer F. olfactoria nicht zu unterscheiden. Die F. suprasylvia ist vorn bei Viverra und Genetta stärker, bei Herpestes und Suricata schwächer herabgekrümmt; hinten ist sie bei der I. Gruppe in der gewöhnlichen Weise mit der F. suprasylvia poste- vior verbunden, bei der grössten Herpestesart (H. paludosus) auch, bei den übrigen der II. Gruppe nie. Auf meinem Exemplar von Herpestes Ichneumon fehlt, wie mehr erwähnt, die F. suprasylvia posterior gänzlich. Die F. coronalis ist bei der I. Gruppe länger als bei der Il., bei dieser hat wieder nur Herpestes paludosus eine längere F. coronalis und diese beiderseits nahe ihrem Vorderende einen medianen Fortsatz, der bei Viverra civetta links ebenso gestaltet, rechts frei ist. Vielleicht ent- spricht derselbe der F. posteruciata, viel weniger wahrscheinlich dem medianen Ast der F. ansata. Auf meinem Exemplar von Herpestes Ich- neumon war sie kaum sichtbar, auf der rechten Seite von Herpestes gri- seus fehlt sie vielleicht ganz, links ist sie zum mindesten sehr kurz, bei Herpestes fasciatus ist sie beiderseits frei, sonst immer mit der F. ansata verbunden. Die F. ansata ist also fast immer mit der coronalis, immer mit der lateralis verbunden, einen ausgesprochenen Processus medialis- hat sie auch nicht häufig, daher sind ihre Grenzen besonders nach rück- wärts nicht ganz sicher festzustellen. Das Hinterende der F. lateralis ist” 10 1 Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 6 R bier und da mit einer ganz kurzen medilateralis verbunden, häufiger ist diese letztere nicht mit der lateralis, wohl aber mit Andeutungen einer confinis verbunden, sie scheint immer vorhanden zu sein, wenn auch häufig in sehr reducirtem Zustand. Eine F. ectolateralis fehlt immer, nur auf der Zeichnung von Herpestes paludosus finden sich beiderseits Furchen, die dafür gehalten werden könnten. In der Gegend derF. post- eruciata kommen ab und zu Depressionen vor, auch abgesehen von den vorerwähnten Fortsätzen der F. coronalis, die etwas mehr nach vorn liegen. Die Medianseite kenne ich nur von der einen Seite des Paradoxurus bei GErvaIs, auf dieser ist die F. splenialis mit der rhinalis posterior nicht, mit der cruciata aber wohl verbunden, von mehreren Furchen auf der hinteren Seite mag eine vielleicht die Homologie einer splenialis posterior vorstellen !), sowie anderseits die genualis durch eine De- pression vertreten scheint. Die Hauptsache ist aber, dass die F. cruciata ziemlich horizontal nach vorn verläuft und sich gar nicht auf die obere - Fläche hinaufkrümmt; in ähnlicher Weise scheint das immer bei der I. Gruppe der Fall zu sein, so dass die cruciata den oberen Rand höch- - stens einkerbt, nie aber so weit lateralwärts sich erstreckt, wie bei der II. Gruppe und bei allen übrigen Carnivoren. Die Unterscheidungsmerkmale würden demnach für die I. Gruppe lauten: Fissura anterior und diagonalis fehlt, postica ist immer vorhanden {wie bei den Hyaeniden und Proteliden), die F. erueiata schneidet den oberen Rand der Hemisphäre garın icht oder nur ingeringem Grade ein. (Unterschied von jenen. ) . Für die l.Gruppe: Sowohl Fissuraanteriorals postica vorhanden, aber nur ganz ausnahmsweise beide ver- E bunden E. Felidae), F. diagonalis fehlt immer. (Unterschied Bon diesen.) H Nachdem mit den Viverriden die Familien der Aeluroidea ab- schliessen, ist hier auch der passende Platz, jene Merkmale, welche nen allen gemeinsam sind, sie aber von den a anderen ae der fissipeden Carnivoren EEE hervorzuheben. Be _ Alle Aeluroidea haben mindestens eine Fissura po- F4}) Im Text heisst es aber (13, p. 129): »La face concave ou posterieure des hheres ne presente qu’un seul sillon.« Damit stimmt auch die Ansicht von hin- En er (Fig. 25), nicht aber die mediale der {auf Tafel XXXVI 628 Julius Krueg, F. medilateralis kommt immer, eine ectolateralis kaum je vor. In der Umgebung der F.cruciata haben auch die grösseren Species ausser den Hauptfurchen höchstens geringfügige, nie stärker ausgebildete Nebenfurchen. Vor Beendigung dieses Capitels noch einige Worte über die Literatur der Viverriden. Ausser den in der Tabelle B bereits citirten und verwen- deten Zeichnungen nach Gehirnen, finden sich nur noch Schädelausgüsse bei Gervaıs (13, Pl. VII) abgebildet und zwar alle in der Ansicht von oben. Davon scheinen, soweit sich das nach der Zeichnung eines Schädelausgusses beur- theilen lässt, Viverra civetta (Fig. 7), Genetta vulgaris (Fig. 5), Paradoxurus Bondar (Fig. 1), Arctitis Binturong (Fig. 13), Cynogale Benetti (Fig. 8) und Eupleres Goudotii (Fig. 2) mit der oben gegebenen Beschreibung der ersten Gruppe übereinzustimmen ; Herpestes paludosus (Fig. 10), Mangusta exilis (Fig. 4) und Galidia olivacea (Fig. 3) hingegen mit der zweiten Gruppe. LEURET vereinigte Civette und Genette mit den ihm bekannten Arctoiden zu seiner fünften Gruppe. Von dem Gehirn der Civette sagt er, dass es einen Uebergang von der fünften Gruppe zu jener der Hunde bilde, indem 2s zwar drei äussere Windungen habe wie die anderen Thiere der fünften Gruppe, die erste sei aber hinten getheilt (F. postica), so dass, wenn diese Theilung sich auch auf deren Vorderhälfte erstrecken würde, allerdings die vier Windungen des Fuchses herauskämen. Genette bilde dann den weiteren Uebergang, da die hintere Hälfte der ersten Windung zwar auch noch breit, aber nimmer getheilt sei (Ausnahme?). Die dritte Windung von Civette sei auch dadurch jener der Hunde ähnlich, dass sie hinten durch eine Furche getheilt sei. Da LEURET keine diesbezügliche Abbildung bringt, so kann man sich nicht mit Sicherheit über diese Angaben äussern. Die Gegend , welche er bei der fünften Gruppe dritte Windung nennt, entspricht bei der dritten Gruppe der vierten Windung, es ist also höchst wahrscheinlich eine freie F. medilateralis oder confinis, welche die Theilung verursacht und nicht die F. ectolateralis der Gynoiden. Für Mangousie ganz allein hat LEURET seine sechste Gruppe creirt, er sagt wohl, das Gehirn derselben sei ähnlich dei von Civette und Genette, äussert sich aber ziemlich unbestimmt, er wisse nicht ob drei oder fünf äussere Windungen anzunehmen wären (4, p. 380 bis 384). DARESTE (9, p. 75) giebt an, dass die Viverriden sich ganz gut zu einem Typus vereinigen lassen, der übrigens der Hauptsache nach mit den übrigen Ailuroiden und Gynoiden übereinstimmt. Nur die seitlichen Windungen um die F. Sylvii herum sind weniger ausgeprägt als bei jenen. GERvAIs bringt (13, p. 128—134) kurze Beschreibungen zu den einzelnen in seiner Arbeit Fi abgebildeten Gehirnen, da er aber Schädelausgüsse den Gehirnen selbst fast gleichwerthig hält (für seine Zwecke ganz mit Recht), so sind seine Aus- sagen mit einiger Reserve aufzufassen. Er vereinigt die Viverriden zu einer = Gruppe. - Mustelidae (Tafel XXXVI und XXXVM. Schon das kleinste Mustelidengehirn zeigt denselben Habitus wie das der grossen Bären, so sehr stimmen alle Arctoiden überein. Bei 0 Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 629 diesen sind in der Anordnung der Hauptfurchen Variationen fast so selten, wie bei der eng geschlossenen Gruppe der Gynoiden. In der Anzahl und Complication der übrigen Furchen finden freilich gerade bei dieser Gruppe die grössten Unterschiede statt, da ja auch die Grössenunterschiede ganz ausserordentliche sind, doch verräth auf den kleinen Gehirnen ein brei- terer Raum häufig jene Stelle, auf der bei den grösseren accessorische oder Nebenfurchen Platz finden sollen. Betrachtet man beide vereinigte Grosshirnhemisphären eines Säugethieres von oben, und sieht dabei von dem Einschnitt ab, der durch das Auseinanderweichen der Hinterenden entsteht, so entspricht der äussere Umriss im Allgemeinen etwa einem Oval mit vorderer Spitze. Bei den Feliden und Proteles wird das Vor- derende so stumpf und breit, dass die Form sich der eines kurzen Ob- longums nähert, bei den Phoken geschieht etwas Aehnliches, aber die Ecken treten nicht hervor, es bleibt also mehr die Form einer kurzen Ellipse, fast dem Kreise sich nähernd: nahezu bei allen Arctoiden hin- gegen schärft sich die vordere Spitze des Ovals dermassen zu und stumpft sich die hintere Rundung dermassen ab, dass beinahe ein Drei- eck mit vorderer Spitze entsteht. Der Grund dieser Formänderung liegt - in der Anordnung der Furchen. Während bei Gynoiden und Aeluroiden der Raum um die Sylvi'sche Furche herum, unterhalb der F. suprasylvia _ und vor der suprasylvia posterior, verbreitert ist und mehr oder weni- ger mit Nebenfurchen versehen, schrumpft er bei den Arctoiden manch- mal fast bis zur Berührung der F. Sylvii und suprasylvia zusammen, _ hingegen dehnt sich die bei den anderen nur spärlich bedachte Gegend vor und hinter der F. cruciata aus, bildet nach vorn die Spitze des er- wähnten Dreiecks und drängt die Kuppen der genannten Furchen nach hinten und lateralwärts, so dass die mitgeschobene Gegend hinter ihnen die Basis des Dreiecks erfüllt. Nur bei den allerkleinsten Species bleibt diese Umgebung der F. cruciata glatt, bald bedeckt sie sich mit accesso- rischen Furchen, jedenfalls schon bei kleineren Thieren, als dies bei den _ übrigen Familien geschieht, und bei grossen Species (Ursidae) trägt sie Nebenfurchen , die an Werth jenen in der Umgebung der F. Sylvii bei 2 _ den anderen Fissipediern nicht nachstehen, während gerade diese Gegend selbst bei den grössten Arctoiden immer glatt bleibt. 2 Um nun auf die Musteliden selbst zurückzukommen, so liessen sich vielleicht bei einem grösseren Materiale constante Unterschiede der ge- 2 _ wöhnlich angenommenen Subfamilien auffinden,, ich will aber nur die _ Fischottern, die eine ganz eigenthümliche Sonderstellung einnehmen, den En entgegenhalten. Auch diese anderen zeigen scheinbar recht affallende Differenzen, aber es sind nur solche, die durch den Grössen- 630 Julins Krueg, Auf allen Mustelidengehirnen war F. rhinalis und rhinalis posterior verbunden (auf der Seitenansicht von Foetorius putorius furo bei GER- vaıs [13, Pl. VII, Fig. 2a] ist die rhinalis posterior kaum bemerkbar, sonst immer deutlich). Die F. praesylvia ist immer stark entwickelt, etwas mehr nach rückwärts geschoben als bei den vorausgegangenen Familien, eine F. olfactoria vor ihr ist selbst bei dem kleinen Wiesel gross. Die F. Sylvii ist immer lang, ziemlich stark nach rückwärts ge- richtet, die F. suprasylvia ist scharf nach abwärts gebogen , so dass sie viel mehr vor der F. Sylvii als über ihr liegt, sie ist immer (nur ein Aus- nahmsfall auf einer Zeichnung von Lutra bei Leurer auf der linken Hemisphäre in der Ansicht von oben, 4, Pl. VI, Fig.) mit der F. supra- sylvia posterior verbunden, die in ähnlicher Weise hinter und unter der F. Sylvii verläuft, wie jene vor und über ihr. So entsteht jederseits der F. Sylvii ein langer schmaler Raum, der vorn noch dadurch eingeengt, ja fast unterbrochen werden kann, dass die F. suprasylvia sich bis nahe zur Vereinigung mit der F. Sylvii zu dieser neigt (Meles, Lutra), F. po- stica sowie anterior und diagonalis fehlen gänzlich, es kommt niemals auch nur eine Spur von ihnen vor. Die Stellung zu den anderen Furchen, die Entwicklungsgeschichte, endlich die zahlreichen Uebergangsformen zeigen ganz bestimmt, dass die von mir bei den Arctoiden als F. suprasylvia und suprasylvia poste- rior bezeichneten Furchen den gleichnamigen der Cynoiden und nicht vielleicht der F. anterior und postica derselben entsprechen, die Gegend unter ihnen also auch der sogenannten ersten und zweiten Bogen- windung zugehört, während sie von den Autoren gewöhnlich nur als erste bezeichnet und häufig geradezu der ersten der Hunde allein homo- log gesetzt wird. Fraglich ist nur, ob nicht vielleicht die F. anterior mit dem Vorderende der F. suprasylvia verschmolzen ist, wodurch aber an der angegebenen Auffassung nichts Wesentliches geändert würde. Bei allen Musteliden , ausser bei Lutra, ist die F. coronalis mit der ansata verbunden'), die ansata hat sehr häufig auch bei den kleinen Species einen medialen Fortsatz und ist immer mit einer kurzen F. late- ralis verbunden. Ob die öfter vorkommende Verlängerung der lateralis nach rückwärts durch die Verbindung mit einer kurzen medilateralis verursacht wird, ist sehr zweifelhaft und unwahrscheinlich, häufig j kommt eine kurze medilateralis frei vor; bei allen grösseren Thieren aber (von Martes angefangen) eine F. ectolateralis, die sich manchmal mit der lateralis verbindet, immer entschieden bedeutender ist als die | medilateralis. Die F. coronalis ist es, die bei den Fischottern ganz besonders 1) Nach einer gelegentlichen Bemerkung bei FLower (12, p. 482) scheint auch bei Galictis vittata die F. coronalis nicht mit der ansata verbunden zu sein. - Veber die Furehen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 631 gestaltet ist. Die F. ansata ist bei diesen, wie bereits erwähnt, nicht mit der coronalis verbunden, ihr vorderer Lateralast ist lateralwärts und selbst nach rückwärts gerichtet, ihr medialer nach vorn und nur wenig median; vor ihr verlaufen drei constante Furchen mit der Hauptrichtung von hinten nach vorn. Die oberste derselben mag wohl der F. posteru- ciata entsprechen, auf der Abbildung ist sie zufällig mit dem medianen Ast der F. ansata verbunden. Dann folgt jene Furche, die ich durch den dicken Strich als Hauptfurche und durch die Bezeichnung als F. coro- nalis ausgebe, unter ihr wieder eine constante, die immer hinten mit ihr verbunden ist, dann folgen noch wechselnde kurze accessorische zwi- schen dieser und der F.suprasylvia. Ist es schon sehr seltsam, dass die F. coronalis einen derart bedeutenden lateralen Ast hat, so würde der Fall noch complicirter, wenn die coronalis dort, wo sie sich scharf zu dem eben erwähnten Ast herabkrümmt, unterbrochen wäre, so dass das hintere Stück zu diesem gehören würde; dann wären zwei Furchen vor- handen, deren obere in ihrem Vorderende, deren unterer in ihrem Hin- _ terende der gewöhnlichen Stellung der F. coronalis entsprechen würde, aber eben nur mit den genannten Enden und nicht auch mit den ent- gegengesetzten. In der That zeichnen auch sowohl Leurer (4, Pl. VI, Fig. 3), als Brocı (22, Fig. 6) diese Unterbrechung, ja ich selbst zeichnete sie ursprünglich so, die Furchenlippen waren nämlich an dieser - Knickungsstelle so an einander gepresst, dass diese bei einer oberfläch- lichen Untersuchung leicht für eine unbedeutende Impression oder Ge- fässfurche gehalten werden konnte, erst als ich alle (zufällig in chrom- sauren Kali gehärteten) Gehirne aus einander gebrochen hatte, überzeugte ich mich, dass die Furche in der auf Tafel XXXVII angegebenen Weise tief - verläuft. Die beiden angeführten Autoren bringen auch Ansichten von oben (4, Pl. VI, Fig. 1; 22, Fig. 5), offenbar nach denselben Gehirnen _ wie die dazugehörigen Lateralansichten gezeichnet, und auf diesen ist die fragliche Furche in derselben Weise geschlossen, wie bei mir; ich > glaube nach dem Vorausgeschickten annehmen zu dürfen, dass die Unter- _ brechung und nicht die Verbindung ein Zeichenfehler ist, auffallend bleibt die Gestaltung der F. coronalis, wie bereits hesyonsshohieh, aber auch dann noch. Eine Fissura praecruciata scheint bei Lutra immer entwickelt zu sein, eine prorea aber ist meist unbedeutend und kann ganz fehlen. Die übrigen Musteliden sind mit Nebenfurchen in dieser Gegend verschieden ech, aber nur den Wieseln fehlen alle, beim Iltis finden sich SChEn a — = 632 Julius Krueg, = lich sind alle drei wohl ausgebildet. Impressionen an der Stelle der FL confinis sind bei allen grösseren Species häufig. | Auf der Medianseite ist die F. splenialis äusserst selten mit dem Medianende der rhinalis posterior verbunden, immer aber mit der cru- ciata, von der letzteren Regel macht nur die linke Seite der Ansicht von oben einer Fischotter bei Leurer eine, vielleicht auch nur scheinbare, Ausnahme. Die F. cruciata greift immer weit auf die obere Seite über. Eine F. splenialis posterior kommt bei den grösseren Species gewöhnlich _ vor, eine splenialis superior nie. Sowohl unter der F. splenialis als vor dem Balken kommen accessorische Furchen häufig vor, letztere vielleicht als Andeutungen einer F. genualis. ’ Es lassen sich wohl Merkmale angeben ‚,. welche die Familie der Musteliden von der der Ursiden mit ziemlicher Genauigkeit unterschei- den, aber alle diese kommen auch den Procyoniden zu, ich werde sie deshalb der Beschreibung dieser Familie anfügen. j ee A Ausser den in Tabelle BZ angeführten Zeichnungen nach Gehirnen, fin- den sich bei Gervaıs (13) noch Zeichnungen nach Schädelausgüssen, alle in der Ansicht von oben. Pl. VI, Fig. 3, Foetorius (Mustela) vulgaris; Pl. VI, Fig. 9, Martes canadensis; Pl. VI, Fig. 7, Gulo borealis; Fig. 9, Enhydris marina. Soweit sich das beurtheilen lässt, sind diese den früher angeführten Verwandten ähnlich. Bei Leurer (4, Pl. VI, Fig. 2) und BrocA (22, Fig. 2) ist das Gehirn von Lutra auch von unten abgebildet. Bei Vımoxt!) sollen ‚sich auch Abbildungen von Mustela vulgaris finden, die ich aber nicht kenne. LEURET (4, p. 375) stellt, wie mehrerwähnt, die Musteliden (Blaireau, Martre, Fouine, Putois, Loutre, Furet) mit Ursiden und Procyoniden (Ours, Coati, Raton) zusammen in seiner fünften Gruppe; das wäre auch ganz passend, er fügt ihnen aber auch noch Genette und Civette an, die entschie- den nicht dazu gehören. Er unterscheidet drei Bogenwindungen, führt an, dass die zweite im Gegensatz zur ersten vorn verbreitert sei, und dass bei Lutra die zweite mit der dritten communicire (zwischen F. coronalis und an- sata). Wie ich nachgewiesen habe entspricht LEuRET's erste Windung bei den Arctoiden in Wirklichkeit der ersten und zweiten bei den Gynoiden und Aelu- roiden, die zweite deren dritter und die dritte deren vierter, es decken sich also die Zahlen durchaus nicht. DARESTE sagt richtiger, bei den Musteliens und Ursiens, den Potides und Phoques giebt es nur eine circonvolution an- tero-posterieure (externe) anstatt zwei wie bei den Hunden etc. (9, p. 76). GERvAIS (13, p. 142—146) stellt die Musteliden in eine Gruppe zu- sammen. Er unterscheidet ebenfalls die drei Bogenwindungen. Ausser den # bereits citirten erwähnt er noch Galictis barbara, die er zwischen Martes einerseits und Gulo (luscus) sowie Meles andererseits einreiht, dann Melli- vora capensis, die er den letztgenannten anschliesst. Der Lutra vulgaris sind nach ihm noch ähnlich: Lutra chilensis, aonyx und brasiliensis, Enhydris 5 scheint aber schon mehr zu den Phoken zu neigen. Diese Angaben be- 4) Phrenologie comparee Atlas. Pl. LXXIV, Fig. 5 und 6. < 633 - ziehen sich übrigens alle auf Schädelausgüsse. Er kennt die Verbreiterung der Gegend zwischen F. cruciata und praesylvia bei den Ursiden, nennt sie »aire losangique«, meint, dass sie bei den Dachsen schon angedeutet ist, _ bei diesen sei auch die » partie frontale et superciliere« (vor meiner F. prae- sylvia) verbreiteri, mehr wie bei Lutra. Lussana stellt Furus, Martes und Mustela ohne sie näher zu beschrei- ben zu seinem Tipo felino, zu dem sie gar nicht passen, Lutra aber zum Tipo orsino, auf den er übrigens gar nicht eingeht (15, p. 138). Owen bezeichnet auf der Ansicht von oben eines Gehirnes von Stoat ‚Putorius) (10, Fig. 87) übereinstimmend mit dem Text (p. 116) die F. suprasylvia als Sylvian, hingegen die coronalis und ansata als supersylvian, die lateralis als solche und die cruciata wie gewöhnlich als frontal. WILDER bezeichnet auf der Lateralansicht von Putorius Noveboracensis (16, Fig. 8) die F. Sylvii und praesylvia ebenso, die F. cruciata wie gewöhnlich frontal, bezugs der F. suprasylvia mit suprasylvia posterior ist er unschlüssig ob er sie supersylvian oder ectosylvian nennen soll, die Kette von coronalis ansata und lateralis zusammen glaubt er entweder der lateral oder der supersylvian - gleichwerthig halten zu sollen, p. 228 sagt er geradezu, die Wiesel haben keine F. coronal, und (richtiger) die ectosylvian (gleich meiner postica mehr anterior) scheint auch zu fehlen. Meysert beschränkt sich darauf die F. praesylvia als Ramus anterior, die F. Sylvii als Ramus posterior der F. Sylvii aufzuführen (21, Fig. 12). Broca nennt auf dem Gehirne der Fischotter die F. praecentralis wie ge- wöhnlich »scissure de Rolando«, die splenialis »scissure sous-parietale «, eine genualis »sillon sous-frontale«, diesmal die ansata mit der lateralis zu- sammen »sillon parietal primaire«, mit welchem Namen er sonst die ver- _ einigte F. suprasylvia und suprasylvia posterior belegte (22, p. 405—409, Fig. —6). Sowohl MEYxerT als Broca bezeichnen jene Gegend, die sie beim Fuchs als erste und zweite Parietalwindung aufführen, als erste, die _ dritte des Fuchses als zweite. Procyonidae (Tafel XXXV1). So arm an Species diese Familie ist, so zeigen die drei Arten !), die "ich kenne, doch einige auffallende Unterschiede, CGercoleptes hat ausser | der F. afralis nur unbedeutende Mebenferihen. Nasua und Procyon | für ihre Grösse recht ausgebildete, bei letzterem wird die F. coronalis ‚durch eine eingeschobene constante Furche von der posteruciata abge- drängt, bei Nasua aber nicht. 4 Die Beschreibung der Hauptfurchen kann nur ganz ähnlich wie bei ‚den Musteliden ausfallen, mit denen sie ja alle Hauptcharaktere gemein- am haben. Immer ist F. rhinalis und rhinalis posterior verbunden, ‚ebenso die lange praesylvia mit der ersteren, olfactoria immer vorhan- Bei und lang, F. suprasylvia und ae posterior immer verbun- 634 Julius Krueg, den !), erstere scharf herabgekrümmt, doch nicht soknapp an dieF.Sylvi angerückt wie bei manchen Musteliden und allen Ursiden, die letztere auch kürzer und weniger nahe der F. Sylvii als bei den Ursiden, ähnlich gestaltet wie bei den Musteliden, in seltenen Fällen kommt accessorisch sogar eine Spur der F. postica vor, anterior und diagonalis fehlen immer. F. coronalis scheint bei Cercoleptes und Nasua immer, bei Procyon nie mit der ansata verbunden zu sein, diese ist immer mit der lateralis ver- bunden, eine ectolateralis ist immer, wenn auch manchmal kurz, vor- \ handen, bald mit der lateralis verbunden, bald nicht. Die accessorischen Furchen auf der oberen Seite fehlen bei Gercoleptes entweder ganz (DA- RESTE, 9, Fig. 8), oder sind nur als seichte Depressionen vorhanden (Gervaıs, 13, Pl. IX, Fig. 3), bei Nasua und Procyon ist die F. prorea und posteruciata, sowie der mediale Ast der ansata immer ganz deut- lich ,- confinis, medilateralis und praecruciata wechselnd, unbedeutend oier gar Bent ausgebildet. Die Medianseite kenne ich nur von je einem alas untersuchten Exemplar von Nasua und Procyon. Auf allen vier Hemisphären war die F. splenialis von der rhinalis posterior getrennt, eine splenialis posterior und wechselnde Spuren in der Gegend der genualis vorhanden; bei Nasua war die F. cruciata von der splenialis getrennt, bei Procyon mit ihr verbunden. Bei allen greift die cruciata weit auf die obere und selbst laterale Fläche hinüber. Es ist, wie bereits erwähnt, nicht leicht möglich , constante Merk- male herauszuheben, wodurch sich die Procyonidae von den Mustelidae unterscheiden liessen, wohl aber sondern sich beide Familien etwas deutlicher von den Ursidae etwa durch folgende Eigenthümlichkeiten: Bei den Musteliden und Procyoniden ist immer die Fis- sura suprasylviaposterior, manchmalauchdieF.supra- % sylvia entschieden kürzer als dieselben Furchen ver- | hältnissmässig bei den Ursidae; meist stehtjene weiter von der F. Sylvii ab als diese. Die Fissura medilateralis ist auch bei den grössten Speciesnurunbedeutendent- wickelt, jedenfalls schlägt sich ihr unteres Ende nicht auf die Medianfläche (hintere Seite) hinüber. Entspre- chend der geringen Grösse sind die Nebenfurchen in der Umgebung der F. ceruciata nicht in dem hohen Maasse = | ausgebildet wie bei den Ursidae, bei den kleinsten Spe- # cies können sie sogar alle fehlen. Ri Coati brien, Fig. 4. Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 635 Ausser den in Tabelle B angegebenen Abbildungen findet sich noch eine - Ansicht von unten des Gehirns von Nasua rufa bei TiEDEMAnN (2, Taf. IV, Fig. 6), dann Schädelausgüsse in der Ansicht von oben bei Gervaıs (13): Pi. VII, Fig. 10, Cercoleptes caudivolvolus, Fig. 11, Nasua, Fig. 12, Pro- eyon lotor, Fig. 6, Bassaris astuta (von FLowEr, zu den Procyoniden gestellt, scheint entsprechend der geringen Grösse ziemlich glatt), Fig. 13, Arctitis Binturong. Die letztgenannte Species nach FLowEr eine eigene aber den Procyonidae sehr nahe stehende Familie bildend, scheint in der allgemeinen Form Cercoleptes sehr ähnlich zu sein, aber eine Impression, die wahrschein- lich der F. cruciata entspricht, ist unähnlich den meisten Arctoiden, ähn- licher den Viverriden, mehr der Länge nach als quer gerichtet. Die Deu- tung dieser Furche nach dem Schädelausguss allein ist jedoch nicht ganz sicher, es kann eben so gut eine F. postcruciata sein. LEURET (4, p. 375) stellt, wie bereits erwähnt, die Procyoniden (Coati, Raton) mit den anderen Arctoiden zusammen, fasst also deren Homologien in derselben Weise auf, wie bei den Musteliden angegeben. GERVAIS ver- einigt die Procyoniden in eine Gruppe; Ailurus nähert sich dieser sehr, ist aber doch, ähnlich wie Cercoleptes, mehr von Nasua und Procvon unter- schieden, als diese unter einander, so dass man vielleicht eine eigene Gruppe für Ailurus, eine zweite für Cercoleptes und eine dritte für Nasua, Procyon und Bassaris unterscheiden könnte (13, p. 137—142). Owen (10) bezeichnet auf seinen zwei Abbildungen von Nasua die F. Sylvi, coronalis und suprasylvia mit denselben Namen wie ich, die F. supra- sylvia posterior vereinigt er Fig. 90 mit der »supersylvian«, Fig. 88 nennt er sie aber » postsylvian«:; unter seiner »lateral« begreift er auch die ansata mit, rhinalis und cruciata nennt er wie gewöhnlich » ectorhinal« und »fron- tal«; er fasst also diesmal die Homologien in derselben Weise auf, wie ich. WiLder bezeichnet auf einer Lateralansicht von Procyon lotor die F. Sylvii _ als solche, rhinalis und rhinalis posterior als »rhinal«, die eruciata wie ge- _ wöhnlich »frontal«, eine accessorische zwischen olfactoria und praesylvia _ als »ectorbinal«; bei allen anderen aber ist er in der Deutung so unsicher, dass er der Bezeichnung ein Fragezeichen beisetzt, selbst der praesvlvia, die coronalis bezeichnet er vorn als »coronal?«, hinten als » lateral?«, die suprasylvia als »supersylvian?«, die ectolateralis aber gar als »ectosylvian?«. Du ı in “ re . ei Ursida Is: Die nahe Verwandtschaft der ee Bären spricht sich auch _ in ihrem Gehirnbau aus, sie bilden auch nach diesem eine enggeschlos- _ sene Gruppe. Da sie alle ziemlich grosse Thiere sind, so sind die Neben- urchen bei allen stark ausgebildet und Variationen in dem Vorkommen _ derselben oder gar der Hauptfurchen verursachen nicht jene Ver- _ wirrung wie bei Familien, die ganz kleine Thiere in sich schliessen. Ihre Gehirne haben also ein ziemlich gleichförmiges Aussehen, doch noch genug Variationen vorhanden, nur treffen sie nicht mehr ie wichtigen Furchen, die dem ganzen Gehirn das für jede Ab- jeilung eigenartige Gepräge aufdrücken, sondern untergeordnete — 636 “ Julius Krueg, » accessorische « Bildungen. Die Gehirne der Ursiden zeigen in der An- sicht von oben die Dreiecksform, von der schon einmal die Sprache war, am deutlichsten. Nach vorn läuft das Grosshirn nicht nur von den Late- ralseiten her spitz zu, sondern es fällt auch die obere Fläche stark ab, so dass auch in den Seitenansichten eine auffallend ausgebildete vordere ‚Spitze erscheint. Hinten ist das Grosshirn breit und, hoch , wie immer bei grossen Thieren ist es auch kürzer, im Ganzen also überhaupt plum- per als das von kleineren Verwandten, das gewöhnlich schlanker gebaut zu sein pflegt. Was die Furchen anlangt, so ist die F. rhinalis von der rhinalis posterior eine kleine Strecke hinter der F. Sylvii wahrscheinlich meistens getrennt, auf den Lateralansichten ist aber die Stelle meist nicht mehr sichtbar. Eine lange F. olfactoria ist wohl immer vorhanden, häufig sind ähnlich gerichtete accessorische Furchen hinter ihr, manchmal sogar vor ihr. Die F. praesylvia war immer mit der rhinalis verbunden, immer lang, steil, ziemlich gerade aufsteigend, nur dort, wo die coronalis auf sie zielt, ein wenig nach vorn ausbeugend. Die F. Sylvii ist immer mit der rhinalis verbunden und sehr lang. Bei der gewöhnlichen Aufstellung ist sie mässig nach rückwärts gerichtet, würden hingegen alle Gehirne nach einem inneren Princip gleich gerichtet werden, etwa wie ich Ein- gangs vorgeschlagen , so dass der Balken horizontal bleibt, so wäre die Schiefstellung der F. Sylvii viel auffallender. Oberflächlich betrachtet ist sie wie bei allen Carnivoren einfach, wenn die Gehirne aber einige Zeit in einer Conservirungsflüssigkeit gelegen haben und etwas ge- schrumpft sind, so retrahiren sich die Ränder und erlauben einen klei- nen Einblick in. das Innere der Spalte. Wird diese künstlich noch mehr erweitert, so findet man in ihr alle Elemente einer vollständigen SyLvı- schen Furche, einen kurzen Spitzenfortsatz, einen hinteren und vorde- ren Fortsatz, die einen nach unten offenen Winkel bilden und nicht mit .der F. rhinalis verbunden sind, wofür häufig die oberflächlich schein- bar mit der rhinalis verbundene praesylvia eigentlich mit dem vor- | deren Fortsatz der F. Sylvii verbunden ist. Manchmal ragt von der rhi- nalis her eine accessorische Furche in den dreieckigen Raum (Insel) unter der F. Sylvii hinauf. Alle diese Verhältnisse sind bei den Un- gulaten gewöhnlich , aber während sie bei diesen offen zu Tage liegen, verbergen sie sich bei den Carnivoren in der Tiefe, so dass sie nur bei den grossen Species leicht demonstrirt werden können. A Fast sieht es so aus, als sollte bei den Arctoiden die ganze von | der F. suprasylvia und suprasylvia posterior eingeschlossene Gegend in den Spalt der F. Sylvii hineingezogen werden. Bei den Ungulaten bil- dete sie den Hauptantheil der Lateralseite, bei den Cynoiden und Ailu- Re. „a WET Veber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 637 nr » - roiden immer noch die sogenannten zwei ersten Bogenwindungen, bei _ den Arctoiden nur mehr je einen schmalen Streifen vor und hinter der - F.Sylyii. Die F.suprasylvia ist so stark herabgebogen, dass sie parallel vor der F. Sylvii herabläuft, manchmal so nahe derselben, dass der Raum zwischen beiden fast von der Oberfläche verschwindet. Immer war sie mit der suprasylvia posterior verbunden, diese selbst in einer _ ähnlichen Weise, nur nicht ganz so nahe hinter der F. Sylvii, wie jene vor ihr, verlaufend. Nie findet sich eine Spur von einer F. postica oder anterior, vielleicht ebenso wenig eine diagonalis, aber wenigstens giebt es hie und da kurze accessorische Furchen in ihrer Gegend, während auch diese an Stelle der vorigen fehlen. Die F. coronalis war immer lang, stark lateralwärts abgedrängt, immer mit der ansata verbunden, ausser auf den bei GRATIOLET gezeich- neten zwei Hemisphären des Eisbären. Etwas auffallend ist bei die- sen die Unterbrechungsstelle dadurch, dass das Hinterende der F. coro- nalis nicht, wie in solchen Fällen fast immer, medianwärts vom vorderen Lateralast der ansata zielt, sondern eher lateralwärts von demselben ; bei Proeyon lotor sah und zeichnete ich übrigens selbst (Tafel NXXVII) - dasselbe Verhalten, Die F. coronalis schickt constant etwa von der Mitte _ ihres Verlaufes einen kurzen Fortsatz nach oben hinter die F. eruciata, _ bei anderen grossen Carnivoren kommt häufig dasselbe vor, bei etwas kleineren ist wenigstens eine Aufwärtsknickung der coronalis an der entsprechenden Stelle gewöhnlich. Die F. ansata war bei den Bären immer mit der lateralis vereinigt, ein medialer Fortsatz fehlte wohl nur selten, war aber nie lang. Die lateralis ist immer nur kurz, so dass sich deshalb selbst Zweifel über die richtige Deutung einstellten, es mag das ‚aber wohl mit der ganzen übrigen Configuration zusammenhängen, denn _ die ectolateralis, in die jene sich meistens fortsetzt, ist wieder ausser- - ordentlich lang, sie verläuft aber fast senkrecht auf die lateralis, hin- gegen parallel zur F. Sylvii und deren beiden Satelliten. Der Raum unter den letztangeführten Furchen gegen die F. Sylvii zu ist selten und spärlich mit accessorischen Furchen versehen, nur radiäre Fortsätze, in die gewöhnlich Arterien eingebettet sind, ragen aus der suprasylvia häufig nach oben, wie etwas Aehnliches gelegentlich ‚selbst an der F. Sylvii vorkommt. Ueber dieser Kette jedoch und abge- wendet von der F. Sylvii ist der eigentliche Tummelplatz der reich ent- wickelten Neben- und accessorischen Furchen, darum ist auch leichter tklärlich, warum die Autoren diese Gegend a der 3. und 4. indung ‚der Hunde gleichwerthig hielten, während sie doch wenig ehr als der 4. allein entspricht. Schon hinter der F. ectolateralis fin- b ift f, wissensch. Zoologie. XXXIII. Ba. LA 638 HORE, Julius Krueg, | | a Er 7 an Länge gleichkommen, sie repräsentiren aber nicht vielleicht eine F. medilateralis. Diese ist immer lang, oben vorn nie mit der lateralis ver- bunden, der Hauptsache nach von oben nach unten verlaufend, aber so weit rückwärts, dass ihre untere Hälfte schon nicht mehr auf der Late- ralseite des abgestutzten Bärengehirns Platz findet, sondern sich auf die mediane (hintere) umschlagen muss. Vor ihr, median von der lateralis, aber dieser gleichgerichtet liegt eine wechselnd stark ausgebildete Kette von accessorischen Furchen, vor diesen aber ist erst das eigentliche Feld für jene Nebenfurchen, die die grossen Arctoiden vor den anderen Garni- voren auszeichnen. ' | Die F. praesylvia und coronalis bilden zusammen zwei Seiten eines grossen Dreiecks, dessen (mathematische) Höhe gleichsam die F. eruciata darstellt. Diese steht also fast ganz quer zur Längsrichtung der Hemi- sphäre, ihr laterales (vorderes) Ende ist gegen den Winkel, den die vor- erwähnten beiden Furchen bilden, gerichtet, ihr mediales (hinteres) er- reicht häufig den Medianrand gar nicht, oder schneidet ihn ganz kurz ein, ist höchstens mit der Kette von accessorischen Furchen zwischen F. genualis und splenialis, wohl nie aber mit dieser letzteren selbst ver- bunden. Dass die F. cruciata aber doch richtig gedeutet ist, zeigen die Uebergangsformen bei den Procyoniden. Etwa senkrecht von ihrer Mitte weg läuft gegen den Medianrand zu die F. praecruciata, meist ist sie mit ihr verbunden, den Medianrand erreicht sie fast immer. Das rauten- förmige Feld zwischen den F. cruciatae und praecruciatae beider Hemi- sphären nennt GervaIs: »aire losangique«. Die F. prorea ist immer gross; zwischen cruciata und coronalis findet sich eine meist dreistrah- lige posteruciata mit langen Armen. | Auf der Medianseite ist die F. splenialis häufig mit der rhinalis posterior verbunden, die Verbindungsstelle pflegt der F. hippocampi ausserordentlich nahe zu kommen, manchmal fast bis zur Berührung, a das Ammonshorn selbst ist auch mehr in die Hemisphäre hineingedrängt, B es sieht fast so aus, als ob es die ihr nahe stehende Hirnrinde mit sich A ziehen wollte. Vor dem Balken ist immer eine F. genualis vorhanden, * unter ihr eine constante Furche, die wahrscheinlich der bei den Ungu- laten als F. rostralis (r) beschriebenen homolog ist. Vorn im Anschlusse an die F. genualis, hinten bald an die splenialis, bald an accessorische Furchen unter ihr, verläuft eine Kette von accessorischen kurzen Fur- 4 chenstücken , die in wechselnder Weise unter einander verbunden sein | können. Manchmal fehlt dieses, manchmal jenes Stück, nie-alle, meh- rere Fortsätze nach oben sind constanter als jene horizontalen Stücke. | Die F. cruciata scheint durch diese Fortsätze von der splenialis abge- drängt zu werden, jedenfalls ist sie nie mit ihr direct verbunden, so E wi | N — Veber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 639 _ ‚dern höchstens durch Vermittlung der accessorischen Furchen. Der horizontale (obere) Ast der F. splenialis ist in gleicher Weise kurz, reicht also wenig nach vorn. Accessorische Furchen kommen sowohl unter als über der F. splenialis vor, ein kurzes Stück in der Gegend der F. supra- splenialis war aber nur auf den zwei Hemisphären des Eisbären . nicht auf den sechs des braunen Bären constant, etwas häufiger mag wohl eine splenialis posterior sein, denn sie fand sich auf allen acht Hemi- sphären,, freilich blieb auch auf diesen nur ein kurzes Stück ohne Unter- brechung. Hinter der letzteren erscheint dann, wie bereits angegeben, die von der oberen resp. lateralen Fläche hereingekrümmte lange F. me- dilateralis, die also bei den Ursiden ihren so widerspruchsvollen Namen doppelt verdient. Als charakteristische Eigenschaften des Ursidengehirnes gegen- über jenem der übrigen Arctoiden wäre etwa hervorzuheben: Die Fis- sura suprasylvia und suprasylvia posterior verlaufen ziemlich parallel vor und hinter der F. Sylvii, auch die zweitgenannte ist immer um ein mehrfaches länger als ihr mittlerer Abstand von der letzteren. Eine lange F. _ medilateralis ist immer vorhanden, mit ihrer unteren _ Hälfte auf die Medianseite hinübergebogen. Die F. cru- eiataliegt ganz oder fast ganz auf der oberen Fläche und ist durch einen grossen Zwischenraum von der splenia- _ lis getrennt. Das constante Vorkommen einer F. rostralis, genualis, die Kette von accessorischen Furchen von dieser zur splenialis, die con- - stante Ausbildung von Nebenfurchen um die F. eruciata hängt mehr mit _ der Grösse als mit der systematischen Stellung der Ursiden zusammen. ® Die Merkmale der Arctoiden gegenüber den Gynoiden und Ailu- -roiden wären aber folgendermassen zusammenzufassen: Alle Arctoi- den haben eine lange F. Sylvii, die F. suprasylvia ist immer stark herabgekrümmt, so dass sie anstatt über, vor jener zu liegen kommt, die F.suprasylvia posterior liegt in ähnlicher Weise hinter der F. Sylvii. Eine F.an- ‚terior fehlt immer gänzlich, von einer postica oder dia- ‚gonalis kommen höchstens ganz ausnahmsweise Spuren . Eine F. ectolateralis ist immer vorhanden (ausser vielleicht beiden kleinsten Species von Foetorius), häu- ig ist s sie mit der F. lateralis verbunden. Eine F. medi- lateralis kommt nur den grösseren Species zu und ist n > mit der FF. lateralis verbunden. DieF.cruciata greift weit auf die obere Fläche hinüber, ihr Haupt- theil liegt auf dieser, siehatvorund ca einen 44% « * wi h- A 2 2 4 640 0 Julius Krueg, verbreiterten Raum, der höchstens bei den allerklein- sten Species ganz leer bleibt, schonbeikleinenkommen accessorisch, bei mittelgrossen und grossen aber con- stant dreiNebenfurchenaufihm vor, dieF. prorea, prae- und postcruciata. Da mit den Ursiden die Familien der fissipeden Carnivoren ab- schliessen, so sind auch jene den Fissipedien gemeinsamen Eigenthüm- lichkeiten, die sie von den Pinnipedien unterscheiden, hier anzuführen. Alle fissipeden Carnivoren unterscheiden sich von den pinnipeden durch folgendeMerkmale:DieFissurasupra- sylvia ist immer mehr oder weniger stark von hinten oben nach vorn unten herabgebogen, die suprasylvia posterior verläuft ziemlich genau von oben nach unten, jedenfalls ist sie nie stark nach vorn geneigt. Beide Furchen sind, äusserstseltene Ausnahmen abgerechnet, immer mit einander verbunden, ihre freien Enden kom- men der F.rhinalis und rhinalis posterior ziemlich nahe, nie aber ist das vordere Ende der F. suprasylvia mit der F. coronalis verbunden. Ausser den in Tabelle B angegebenen Zeichnungen finden sich noch bei Meynerr (21, Fig. 5) Ursus arctos von unten, ferner Schädelausgüsse in der Ansicht von oben bei Gervaıs (13, Pl. VII, Fig. 10) Ursus (Tremarctos) ornatus, Fig. 9, Ailuropoda (Pandarctos) melanoleuca. Die Zeichnung MeEy- NERT'S Stimmt mit der lateralen Ansicht desselben Gehirnes (Fig. 13) überein, auch ist auf ihr ersichtlich, dass die F. rhinalis von der rhinalis posterior ge- trennt ist. Die Schädelausgüsse repräsentiren, soweit sie ein Urtheil zu- lassen, richtige Bärengehirne. Die falschen Anschauungen LEURET's und seiner Nachfolger über die Homologien der Bärengehirne sind bereits mehrfach erwähnt, er sagt (4,0 p- 375) ausdrücklich: »A la premiere vue, on en aurait attribud & Yours plus qu’au renard, parceque les circonvolutions 3 et 4 du renard, r&eunies chez l’ours, presentent des ondulations nombreuses«. GRATIoLEr (7) suchte zu beweisen, dass der kleinere Ours euryspile (Helarctos malayanus) eigentlich ein reicheres Gehirn habe als der grosse Ours blanc a “ maritimus). Das Gehirn des ersteren sieht auf der Zeichnung auch recht | verschrumpft aus, aber die (von DARESTE vielleicht nur etwas zu weit pous- sirte) Ansicht, dass die Grösse einen Haupteinfluss auf den Furchenreich- 5 thum hat, nn dieses doch eben so wenig erschüttern, als die anderen zwei 5 4 bei den Feliden erwähnten Beispiele. ee] GervAIs (13, p. 434—137) nimmt auch an, dass die dritte Windun (Circonvolution de la faux) der dritten und vierten der anderen Carnivor entspricht. Nach ihm ist der Suleus eruciatus durch einen Ast verdoppelt (F. | praecruciata) und bildet den Aussenrand einer bestimmt abgegrenzten Fläche, | der »surface losangique« (median von F. cruciata und praecruciata). En Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 641 - gründet seine Anschauungen auf Ursus arctos, americanus, maritimus und malayanus (oder euryspilus) ; Ursus spelaeus scheint nur in der Grösse be- deutender, aber sonst ähnlich zu sein, Ursus ornatus, von der Grösse des Ursus malayanus, schliesst sich auch ganz gut an. Hyaenarctos erlaubte keine Untersuchung, aber von Ailuropoda M. Edwards (Ursus melanoleucos) sagt GERvAIS, dass das Gehirn dem der Bären sehr ähnlich sei trotz des hyänenartigen Schädels, nach Ansicht der vorcitirten Zeichnungen kann ich das nur bestätigen. Wiırver bezeichnet auf seiner Abbildung von Ursus americanus (16, Fig. 10) die F. Sylvii und praesylvia richtig, die eruciata nur mit einem Frage- zeichen, während er den sonst für sie üblichen Namen »frontal « der prae- eruciata beilegt. Die F. suprasylvia nennt er » ectosylvian ?« die ectolateralis hält er aber bestimmt für den »hinteren Ast der ectosylvian« (also homolog der F. postica!). MEYNERT (21) nennt wie gewöhnlich die F. praesylvia » Ramus anterior «, die F. Sylvii selbst » Ramus posterior« der F. Sylvii, die F. olfactoria be- zeichnet er richtig als »Sulcus rectus«. Den Sulcus cruciatus spricht er den Bären ganz ab. Die F. cruciata nennt er »Centralfurche«, welchen Namen er sonst gewöhnlich für die F. coronalis verwendet hat, die F. prae- eruciata »Praecentralfurche«. Die F. prorea betrachtet er als »obere«, eine accessorische, lateralwärts von ihr, als » untere Stirnfurche«. Eine Furche in der Gegend der confinis nennt er » Retrocentralfurche«. Auf der Median- fläche des Bärengehirns (Fig. 10) bezeichnet er die F. genualis zusammen mit accessorischen Furchenstücken hinter ihr als »Sulcus calloso-margi- nalis«, welcher Name hier allerdings besser entspricht, als auf der medialen Ansicht des Hundehirns (Fig. 9), auf der er der F. cruciata beigelegt war. Einen kurzen aufsteigenden Ast der F. splenialis sammt einer accessorischen Furche unter ihr nennt er »Sulcus oceipitalis«, die F. splenialis selbst » Sul- cus calcarinus «. In einer Arbeit (25), deren Titel keine eingehenderen vergleichend ana- tomischen Studien voraussetzen lässt, macht BENEDIKT gleichwohl auch einen Excurs auf dieses Gebiet. Von Carnivoren bringt er die vergrösserte Late- ralansicht des Fuchses (Fig. 1), wie bereits erwähnt, und die Lateralansicht - eines Bären (Fig. 3), an welcher angefügte Flügelfortsätze die mediale hin- _ tere und untere Fläche darstellen sollen. Ich kann nicht sagen, dass durch diese Methode die Anschauung an Deutlichkeit gewinnt, zumal die Schraffi- _ rung der Schattirung auch störend wirkt. BENEDIKT erklärt auf beiden Zeichnungen die F. olfactoria, sowie das Stück rhinalis hinter ihr bis zur -F. praesylvia als »Fissura olfactoria« die F. praesylvia als »äussere Orbi- talfurche«, die F. Sylvii als solche. Beim Fuchs nennt er die F. anterior, beim Bären die F. suprasylvia »zweite Stirnfurche «, beim Fuchs die F. supra- e sylvia, beim Bären natürlich die F. coronalis » erste Stirnfurche«. Die F. coro- nalis nennt er beim Fuchs » vorderer Theil der obersten Urwindungsfurche«, _ beim Bären giebt er diese Erklärung der F. cruciata, welche letztere er beim Fuchs richtig benennt. »Centralfurche« nennt er beim Bären das mediane Ende der F. cruciata, beim Fuchse das ganz ungewöhnlich gegabelte vor- e Ende der F. praesylvia. Auf Fig. 3 bezeichnet er ferner die F. splenialis » Fissura oceipitalis inferior«, die (diesmal unter einander aber nicht mit % x 2 r F. genualis zusammenhängende) Kette accessorischer Furchen unter und 642 Julius Krueg, vor ihr als » Fissura callosa-marginalis«, den medialen Theil der F. medilate- ralis nennt er » Fissura ealcarina«. Phocidae und Otaridae (Tafel XXXVIM. Da ich nur je eine Species der genannten Familien, von Otaria gar nur nach Abbildungen, kenne, diese sich überdies sehr ähnlich sind, so | werde ich im Nachfolgenden die Beschreibung beider Familien vereini- gen. Trichecus konnte ich leider weder selbst untersuchen, noch kenne ich Abbildungen des Gehirns, so dass ich die Beschreibung der pinni- | peden Garnivoren nur auf Calocephalus vitulinus für die Phocidae und Otaria jubata für die Otaridae stützen kann. Von ersteren habe ich vier ’ Gehirne (median nur zwei) selbst untersucht, ausserdem die in Ta- belle B angegebenen Abbildungen benutzt, bei Otaria war ich auf die . Zeichnungen bei Murır (14) angewiesen. In der Ansicht von oben ist das Grosshirn der gewöhnlichen Robbe immer kurz elliptisch, manchmal fast kreisföormig, jenes von Otaria (Schädelausguss) würde eine ähnliche Form haben, wäre es nicht in der Gegend vor der Sylvischen Furche stark eingeschnürt, dadurch wird es aber der Durchschnittsform des Grosshirns, und zwar mehr noch jener der grösseren Ungulaten als der der Garnivoren ähnlicher. In der An- sicht von der Seite unterscheidet sich besonders Calocephalus ganz auf- fallend von allen Fissipedien, das Grosshirn erreicht die grösste Höhe fast ganz vorn, ist dort wie abgehackt, stumpf, während das Hinterende, weil es sich weit über das gleichfalls flache Kleinhirn hinaufschiebt, von unten her lang zugeschärft ist. Bei Otaria sind beide Merkmale nicht so auffallend, auch ist das Gehirn (nach einem Schädelausguss gezeichnet) höher als das flache des Galocephalus. Nach Fig. 44 bei Murır, welche Ansicht das Hinterende der Medianseite darstellt, wäre dieses ganz un- gewöhnlich stumpf, was freilich mit der Lateralansicht (Fig. 40) nicht stimmt, und wahrscheinlich durch eine Drehung der über dem Kleinhirn hängenden Fläche verursacht wurde. = Was die Furchen anlangt, so liegt die F. rhinalis in der gewöhn- lichen Weise lateralwärts vom Tractus olfactorius, der ausserordentlich verschmälert ist und zwar bei Calocephalus noch mehr als bei Otaria. Der Lobus pyriformis ist dem entsprechend auch nur sehr schmal, und die F. rhinalis und rhinalis posterior rücken deshalb von der Lateralseite lich immer mit der rhinalis verbunden, aber häufig sehr kurz, ja nur so] wenig nach rückwärts reichend,, dass es zweifelhaft ist, ob nicht viel- leicht das Hinterende der rhinalis mit ihr verwechselt wurde, in welchem - Veber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 643 3 oder von der rhinalis weit getrennt auf der Medianseite zu suchen wäre. , _ Eine F. olfactoria ist wahrscheinlich immer vorhanden. Die F. praesyl- via war mit ihrem unteren Ende immer frei, nach einer kurzen Krüm- mung nach vorn steigt sie ziemlich senkrecht nach oben, krümmt sich auch noch über die obere Seite bis fast zu deren Medianrand. Vor ihr liegen gewöhnlich mehrere Furchen,, eine derselben war bei Calocepha- lus constant der F. praesylvia parallel gerichtet. Die F. Sylvii war immer mit der rhinalis verbunden, oberflächlich wie gewöhnlich einfach , immer ausserordentlich lang, fast senkrecht in die Höhe gerichtet. Die eigenthümliche Anordnung der um sie herum gelagerten Furchen ist es hauptsächlich, welche den Pinnipediergehirnen das ihnen eigenthümliche Gepräge giebt und sie von allen anderen unter- scheidet. Ob die Anschauung, die ich mir davon gebildet habe, die richtige ist, könnte nur ein viel grösseres Material, oder eher noch ge- eignete fötale Gehirne entscheiden, vorläufig ist mir die nachfolgende Deutung am wahrscheinlichsten. Eine F. suprasylvia verläuft immer fast wagrecht, ihr vorderes Ende ist nie nach abwärts gebogen, sondern immer nach aufwärts, um sich mit der coronalis entweder wirklich zu vereinigen (Calocephalus), oder derselben doch sehr nahe zu kommen - (Otaria). Bevor die F. suprasylvia sich entschieden nach oben krümmt, ist sie allerdings nach abwärts geknickt und schickt an dieser Stelle häufig eine kurze Furche ventralwärts, die, wenn sie constanter wäre, - vielleicht für den vorderen Fortsatz der F. suprasylvia gehalten werden könnte. Vor dieser kurzen Furche, oder mit ihr vereinigt, jedenfalls in - den meisten Fällen mit der F. suprasylvia selbst verbunden, verläuft - eine lange Furche mit einer leichten Neigung nach rückwärts zur Wur- - zel der F. Sylvii hinab. Immer kommt dieses unterste Stück der eben genannten Furche sehr nahe, häufig ist es sogar geradezu in dieselbe _ hineingezogen, so dass es oberflächlich mit ihr vereinigt scheint. Ich habe diese Furche als F. anterior bezeichnet, dieser entspricht sie auch mit grosser Wahrscheinlichkeit , vorausgesetzt dass meine Deutung des _ vorderen Stückes der F. suprasylvia richtig ist. Ist sie mit der F. supra- - sylvia verbunden, so wird sie wohl etwas einem vorderen, wie bei den Arctoiden Be skeiimimten Ast derselben ähnlich; da sie aber über- wiegend häufig frei ist, müsste man eine Theilung der F. suprasylvia annehmen, die ja BER wäre, wovon ich aber bei den Fissipedien n t die geringste Andeutung kenne. Um die richtige Auffassung noch mehr zu erschweren, hat die besprochene Furche eine Richtung, die r der F. diagonalis bei den Ungulaten sehr nahe kommt. Hinter der g Zi 644 Julius Krueg, Höhe derselben zu vereinigen, jedenfalls aber ihr sehr nahe zu kommen. Häufig verbindet sich das untere Ende noch mit anderen accessorischen oder constanten Furchen; das obere Ende ist selten und nie direct mit der F. suprasylvia verbunden. Die Stelle, an der beide Furchen sich nähern, ist aber wieder ganz eigenthümlich und für die Pinnipedien cha- rakteristisch. Schon bei vielen grösseren Fissipedien gab es dort einen oder auch zwei Fortsätze nach hinten oben, sie warem aber ziemlich kurz und unbedeutend; bei den Pinnipedien sind diese Fortsätze nun ‘ fast grösser als die zugehörigen Furchen selbst. bald ist es nur einer, bald zwei, ja sogar drei, da selbst die F. Sylvii bei den meisten Exem- plaren von CGalocephalus einen langen Fortsatz nach rückwärts schickt, . der sich an der Furchenbildung dieser Gegend betheiligt. Die bei Otaria gezeichnete Verbindung der F. suprasylvia und suprasylvia posterior mit je einem Fortsatz wäre wohl die einfachste, es existiren aber alle möglichen Variationen, wodurch eine bestimmte Bezeichnung wieder sehr erschwert wird. Zwischen den drei zuletzt beschriebenen Furchen und der F. Sylvii kommen gelegentlich noch kurze accessorische Furchen vor, eben solche über ihnen, worauf dann die Kette der F. coronalis, ansata und lateralis folgt. Die F. coronalis ist mit ihrem Vorderende bei Galocephalus über- wiegend häufig (10 von 12) mit der F. praesylvia verbunden, bei Otaria war sie beiderseits frei; in der Vorderhälfte ihres Verlaufes war sie bei Calocephalus immer, bei Otaria nie mit dem Vorderende der F. supra- sylvia verbunden, ihr Hinterende war immer mit der F. ansata verbun- den, ausser zwei Mal bei Galocephalus (vgl. die Zeichnung Taf. XXX VI). Die F. coronalis ist immer lang, meistens stark hin und her geknickt und mit kurzen seitlichen Fortsätzen versehen. Die F. ansata war immer mit der lateralis verbunden, beide zusammen nur sehr kurz, ein Median- fortsatz der ansata häufig, aber nicht bedeutend und nicht constant. Medianwärts von den drei eben angeführten Furchen liegen zahlreiche andere, noch reicher ist die Gegend hinter und unter der F. suprasylvia posterior damit versehen, die Längsrichtung ist vorherrschend, die Con- stanz sehr wechselnd, so dass die Deutung einer medi- und ectolateralis sehr erschwert wird, obwohl beide wahrscheinlich vorhanden sein “2 dürften. Unter (hinter) der F. suprasylvia posterior kommt es wahr- # “ scheinlich zu neuen, bei den Fissipedien nicht vorhandenen Bildungen. Von der oberen Seite wäre noch zu erwähnen, dass die F. cruciata bei E4 Calocephalus wahrscheinlich nie, bei Otaria nur wenig in sie einschnei- det, womit auch die Deutung der bei Arctoiden sie umlagernden Neben- furchen entfällt, eine F. prorea scheint jedoch immer vorhanden zu sein. Ueber die Furchen auf der Grosshirnriude der zonoplacentalen Säugethiere, 645 - Auf der Medianfläche war bei Otaria die F. splenialis mit der cru- _ eiata verbunden, und diese griff ein wenig auf die obere Seite über. Bei Calocephalus waren beide Furchen bald verbunden, bald frei, die eruciata lag aber beinahe ganz horizontal, erreichte fast die vordere Spitze der Hemisphäre, ohne auf die obere Seite überzugreifen. Rück- wärts ist immer die Verbindungsstelle leicht kenntlich, und meist setzt die F. cruciata sich auch unter der splenialis nach hinten fort. Zahl- reiche andere Furchen von wechselnder Constanz liegen noch auf der Medianfläche, die meisten sind dem nächstliegenden Hemisphärenrand mehr oder minder parallel gerichtet. Vorn mag eine F. genualis und rostralis, hinten eine F. splenialis superior und posterior unterschieden werden, zwischen den beiden letzteren verlaufen häufig eine oder meh- rere längere Furchen vom hinteren Bug der F. splenialis gegen die hin- tere obere Ecke der Hemisphäre, sie vertreten einen an dieser Stelle häufigen Fortsatz der F. splenialis in ähnlicher Weise wie die früher be- schriebenen langen Fortsätze auf der Aussenseite einen dort sonst oft vor- kommenden kurzen. Eine constante Furche, vor der F. eruciata gelegen und auf die vordere Fläche vor der F. prorea übergreifend, ist noch er- wähnenswerth, weil sie von mehreren Autoren für homolog der F. cru- ciata angesehen wird. Wenn es angeht aus den zwei beschriebenen Species die Charak- teristik der pinnipeden Carnivoren abzuleiten, so würde diese etwa zu lauten haben: Die F.suprasylvia verläuft horizon- tal, über der F. Sylvii, ihr oberes Ende ist gegen die F. coronalis gerichtet und häufig mit dieser verbunden. Die F. suprasylvia posterior ist von hinten oben gegen die Mitte der Höhe der F. Sylvii gerichtet. Die einander zugeneigten Enden der F. suprasylvia und suprasylvia _ posterior vereinigen sich selten vollständig, die ent- gegengesetzten Enden sind immer weit von derF.rhina- _ lis und rhinalis posterior entfernt. Da mit den Pennipedien die Carnivoren abschliessen, mag eine E.. Charakteristik derselben hier Platz finden: ich krie dabei vor Allem jene Eigenschaften ins Auge, die sie von den Ungulaten unter- - scheiden. Alle Carnivoren haben die F. Sylvii eng mit der R rhinalis verbunden, so dass sie oberflächlich immer nurnach Art eines Spitzenfortsatzes aus ihr herausragt, n seltenen Fällen sogar ganz mit ihr zusammenfällt. Die , suprasylvia posterior istimmer mehr verticalalshori- 5° > ae i zo E RER DieF. ansata ist mit der Saremalıs bald 646 | Julius Krueg, seltene Ausnahmen abgerechnet, immer. Der Winkel, den das vordere Ende der F. coronalis mit dem oberen der praesylvia bildet, pflegt grösser zu sein als 45°. Die Anzahl der Hauptfurchen lässt sich nicht gut als Unterscheidungsmerk- mal verwenden, denn die wichtigsten haben die Carnivoren mit den Ungulaten gemeinsam, wenige minder wichtige der Ungulaten fehlen zwar einigen, aber durchaus nicht den meisten oder gar allen Garni- voren, ebenso kommen dieselben Nebenfurchen bald bei den Garni- voren, bald bei den Ungulaten vor. Be ee Um nun wieder auf die Pinnipedien selbst zurückzukommen, so wären von Abbildungen, ausser den in Tabelle B angeführten, etwa noch zu nennen, Ansichten des Gehirns von Calocephalus vitulinus von unten bei TIEDEMANN (2, Taf. I, Fig. 8), Leuner (4, Pl. XI, Fig. 2) und Broca (22, Fig. 29), von oben bei Owen (10, Fig. 93); Otaria u von unten bei Murie (14, Fig. 39). Ausserdem Schädelausgüsse in der Ansicht von oben bei GErvaıs (19, Pl. XIX), Fig. 3, Lobodon carcinophaga, Fig. 4, Otaria, Fig. 2, Macrorhynchus elephan- tinus. Auf den ersten beiden sind Furchen ausgeprägt, auf letzteren gar nicht, womit freilich nichts weniger als bewiesen ist, dass Furchen fehlen, denn ge- rade auf den Schädelausgüssen grosser Thiere mit reich gefurchten Gehirnen pflegen sie sich häufig weniger deutlich abzuformen, als auf denen von ärmer gefurchten, wie z. B. den mittelgrossen Carnivoren. Die Form von Lobodon ist ähnlich der von Calocephalus, nur rückwärts breiter geworden, ‚welche Eigenschaft bei Macrorhynchus dann noch in einer ganz auffälligen Weise zunimmt. Leurer (A, p. 380—382) bildet für Phoca allein seine 41. Gruppe, trennt sie also durch die Ungulaten (seine 9. und 10. Gruppe) von den übri- gen Carnivoren. Er schreibt ihr drei Windungen zu, eine »interne«, die vorn jener der Carnivoren, hinten jener der Primaten gleichen soll, eine sehr un- regelmässige »externe« um die F. Sylvii, und eine zweite über ihr, die zwei Drittel der oberen Fläche einnimmt, vorn doppelt, hinten dreifach ist. Die »sus-orbitaire« betrachtet er weniger als selbständige Windung, denn als Auswuchs der anderen. Der Sulcus ceruciatus soll nicht oben, sondern vorn auf die Aussenfläche kommen. Die erste äussere Windung entspricht also e etwa seiner ersten und zweiten bei den Caniden, die zweite der dritten und vierten, die innere wird viel weiter nach rückwärts ausgedehnt, als bei jenen. = DARESTE (9, p. 76) stellt die Robben mit den Arctoiden zusammen, er sagt, vielfache Uebergangswindungen verwischen zwar etwas den Carnivorentypus, dieser ist aber doch herauszufinden. Owen (10) bezeichnet auf seiner Fig. 93 die F. Sylvii, suprasylvia, lateralis und das vordere Ende der coronalis wie ich, die hintere Hälfte der coronalis und die ansata zieht er aber noch zur lateralis; die von ihm post- E sylvian genannte Furche liegt beiläufig in der Gegend meiner suprasylvia posterior, als medilateralis bezeichnet er aber zwei weit von einander ge- trennte accessorische Furchen, median von der lateralis und coronalis und als »frontal« (sonst meiner cruciata entsprechend) etwa meine prorea. GERvAIS fasst in einer Arbeit über die Gehirnformen der im Meere e Be Da I Pe = a Sg Eh e Az entleeren % a Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 647 3 lebenden Säugethiere (19) diese unter dem Namen »Thallasotheriens « zu- _ sammen, wie er ausdrücklich hervorhebt, nicht aus systematischen, sondern - aus rein praktischen Gründen (Paläontologie). ‘Da sein Material nicht aus Ge- hirnen, sondern aus Schädelausgüssen bestand, so beziehen sich seine An- gaben mehr auf die allgemeine Form, als auf Windungen oder Furchen. Demnach wäre dem gemeinen Calocephalus vitulinus, Phoca |Calocephalus) foetida, Halichoerus gryphus, Trichecus, Pelagius monachus, Lobodon careci- nophaga, Leptonyx Wedelii, Stenorrhynchus, Stemmatopus cristatus und Macrorhynchus elephantinus im Allgemeinen ähnlich. Bei Trichecus, Stem- matopus und Macrorhynchus ist die hintere Hälfte des Grosshirns noch an- sehnlicher entwickelt als bei Calocephalus, bei Stenorhynchus und Lobodon (?) hingegen geringer als bei jenem. Auf dem Schädelausguss von Macrorhyn- chus lassen sich fast gar keine Windungen unterscheiden, bei Stemmatopus sind sie bei alten Individuen viel mehr verwischt, als bei jungen, bei Triche- cus sind sie zu unterscheiden, wahrscheinlich aber auch mehr verschwon- men, denn GERVAIS sagt, sie seien breiter et »moins serees«. Otaria entfernt sich etwas von der Robbenform, nähert sich den Fischottern. Broca (22) stellt, ebenfalls aus praktischen Gründen, die Säugethiere mit kleinen Riechlappen denen mit grossen gegenüber, zu den ersteren rech- net er ausser den »Thallasotheriens« von GERvAIS noch die Primaten , ihre Gehirne nennt er »Cerveaux anosmatiques«, jene mit grossem Riechlappen »C. osmatiques«. Die Fischottern bilden eine Zwischenform. Er sagt von Phoca, dass sie sich mit den Carnivoren vergleichen lässt, eine auf seiner Zeichnung vereinigte Furche, die etwa der F. genualis und rostralis zusam- _ men entspricht, nennt er »scissure sous-frontale«, und giebt an, dass sie unbedeutender sei als bei anderen Carnivoren, was mit seinen Abbildungen nicht ganz stimmt, die vereinigte F. cruciata und splenialis nennt er » scis- sure sous-parietale«, den Sulcus eruciatus spricht er den Phoken ganz ab. Jener Furche, die vorn den Medianrand einschneidet und von LEURET des- halb als Sulcus cruciatus bezeichnet wird, legt er eine grosse Wichtigkeit bei, sie scheint allerdings bei den Pinnipedien constant vorzukommen. » Sil- 'lon ealcarin« nennt er eine nicht leicht zu bestimmende Furche in der Nähe des hinteren Randes, die F. praesylvia aber wie gewöhnlich » seissure de Ro- lando« |p. 458— 462). MuriE endlich versuchte in sehr ausführlicher Weise das Gehirn von _ Otaria jubata mit dem der Menschen zu vergleichen, im Nachfolgenden be- schränke ich mich darauf seine Benennung der Furchen, so weit als sie sich bestimmen lässt, wiederzugeben. Murie fasst meine F. suprasylvia posterior ‚als einen Ast der F. Sylvii auf »postoblique «, die suprasylvia selbst zusam- ‚men mit der anterior? nennt er »Intraparietal«, die lateralis, ansata, coro- nalis und eine accessorische (?) unter dieser zusammen »Rolando «, die pro- rea »crucial«. Eine Furche, die etwa F. rostralis, genualis und eine acces- sorische unter der eruciata vereinigt » callösn-Alarsmmalc, «, einen Ast vom unteren Ende der splenialis nach rückwärts »calcarine «, de F. Hippocampi »dentate «, «, eine Furche, die etwa meiner medilateral "entspricht » internal el sendicular «, den Fortsatz der suprasylvia nach hinten »external perpen- lar «, eine Furche auf der Medianfläche hinten oben »ocecipital«, eine e unter der suprasylvia posterior »anterotemporal« (parallel), eine erichtete nahe dem hinteren Rande »occipito temporal«, zwischen 648 Julius Krueg, ER beiden »midtemporal«, die F. rhinalis vorn »interorbital«, eine kurze Furche lateralwärts von ihr »midorbital« und eine nächste noch kürzere » exorbital «, die praesylvia endlich » anteroparietal «. Die Furchen der Chelophoren. Während mir für die Carnivoren ein reiches Material zu Gebote stand, so dass eine Sichtung und Auswahl der wesentlichen Furchen aus der Masse der vorhandenen dadurch ermöglicht wurde, welche Aus- wahl durch die nahe Verwandtschaft der einzelnen Species unter einander erleichtert, durch den Vergleich mit fötalen Gehirnen bestätigt wurde, verlassen mich alle diese günstigen Umstände bei den übrigen zonoplacentalen Säugethieren. Die zwei noch zu besprechenden Ah- theilungen, Ordnungen eher als Familien, stehen ohne Uebergang ana- tomisch völlig isolirt neben einander, arm an Species sind Gehirne derselben auch in den Sammlungen selten, fötale vielleicht gar nir- gends vorhanden. Ich konnte nur das schon ziemlich schadhaft ge- wordene Gehirn eines ganz jungen afrikanischen Elephanten selbst untersuchen, ohne die Freundlichkeit des Herrn Professor Brünut, der mir erlaubte die Gehirne des zootomischen Instituts zu zeichnen, wäre mir auch das nicht möglich gewesen. Unter diesen Umständen werde ich für die Chelophoren nicht eigene Hauptfurchen aufstellen, sondern nur untersuchen, in wie fern sich jene der CGarnivoren bei ihnen auffin- den lassen; auf Tafel XXXVII sind sie durch dicken Strich und durch gleiche Benennung wie bei den Carnivoren hervorgehoben. Hyracidae (Tafel XXXVIM). Sowohl in der ausführlichen Monographie von George (18), als in der Anatomie von Owen (10) finden sich Abbildungen des Grosshirns von Hyrax, zum Glück bei beiden Autoren von allen drei Seiten. Da es sich um kleine Gehirne handelt mit spärlichen aber scharf ausgeprägten Furchen, so kann eine gute Abbildung besser als bei einem reichgefurch- ten Gehirne die eigene Anschauung ersetzen. Ich habe jene von GEORGE meiner Zeichnung und Beschreibung zu Grunde gelegt, werde aber auch 5 die etwas verschiedene bei Owen stets berücksichtigen. Um es gleich zu sagen, in der Anordnung der Furchen verisch sich exquisite Carnivoren- mit Ungulatencharakteren, die letzieren aber sind überwiegend, ganz entsprechend der anatomischen ae des Thieres. Die Allgemeinform erinnert auch mehr an jene der Ungu- laten, sie ist schlanker und weniger hoch, als sie bei gleichgrossen Car nivorengehirnen zu sein pflegt. a se A ; 3 _ Veber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 649 - Die Abbildungen bei Owen erscheinen reicher gefurcht, obwohl sie kleiner sind (28 bis 3! mm Hemisphärenlänge) als jene bei GEORGE (35 mm Hemisphärenlänge), vielleicht sind sie verkleinert oder war das Gehirn mehr geschrumpft!). Die F. rhinalis ist mit der F. rhinalis posterior verbunden. Bei GEoRGE fehlt sowohl eine F. praesylvia als sogar eine F. Sylvii, bei Owen ist eine freie oben verzweigte F. prae- sylvia und vor ihr noch eine kurze accessorische Furche gezeichnet, auch eine mit der rhinalis verbundene, ziemlich lange, nach oben rückwärts hinaufragende F. Sylvii. Es ist wahrscheinlich, dass die F. Sylvii (genauer der Processus acuminis fissurae Sylvii) bei Hyrax ebenso wie bei einigen kleinen Viverriden (Herpestes) bald fehlen, bald vorhanden sein kann. Die enge Verbindung der F. Syl- vii mit der rhinalis ist jedenfalls eine Eigenthümlich- keit, die allen Zonoplacentalen, hingegen keinem Ungu- laten zukommt, denn selbst bei den Suillidae nähert sich die F. Sylvii nicht ganz so weit der rhinalis wie bei den Carnivoren, und zum völligen Verschwinden kommt es auch bei den kleinsten Ungu- laten nie, während bei kleinen Viverriden und Feliden die Tendenz dazu vorhanden ist. Es dürfte zweckmässig sein, bei Hyrax ebenso, wie früher bei Herpestes anzunehmen, dass nur der Spitzenfortsatz der F. Sylvii fehlt, die anderen Elemente derselben aber mit der F. rhinalis fest und untrennbar verbunden sind. Die F. suprasylvia ist vorn weit herabgekrümmt, bei Owen selbst bis zur Verbindung mit der rhinalis, also mehr nach ArtderCarnivoren als jener der Ungulaten. Ein constanter oberer Fortsatz derselben ist wieder bei gleich grossen CGarnivoren sel- tener, hingegen bei allen Ungulaten vorhanden. Auf der Ansicht von -oben bei Owen ist die F. suprasylvia beiderseits vor diesem oberen _ Fortsatz unterbrochen, aber auf der Lateralansicht gerade an der Unter- brechungsstelle stärker markirt als weiter vorn, weshalb ich die Unter- brechung für einen Zeichenfehler halten möchte. Die F. suprasylvia ist immer mit der suprasylvia posterior verbunden, diese aber nicht nach abwärts gewendet wie bei den Carnivoren, sondern nach hinten wie bei den Ungulaten. Unter ihr liegt eine gleichgerichtete F. postica, bei Owen vorn ver- zweigt, bei GEoRGE einfacher, nach einer Note im Text scheint A) Bei Owen ist auch das Kleinhirn mehr vom Grosshirn überragt, seine Seiten- lappen im Verhältniss zum Wurm viel entwickelter, das Grosshirn mehr gedrungen gebaut als bei GEORGE, es verhält sich also auch darin etwa wie ein älteres Thier inem jüngeren, wehusch die Wahrscheinlichkeit noch erhöht wird, dass die hnungen im verkleinerten Maassstab ausgeführt wurden. 650 | Julius Krueg, sie manchmal fehlen, dafür aber auch dreistrahlig vorkommen zu können. Die F. lateralis ist immer kurz, ziemlich weit von der langen coro- nalis getrennt, der vorerwähnte obere Fortsatz der F. suprasylvia schiebt sich etwas zwischen beide ein. Die F. ansata fehlt entweder vollständig, was das wahrscheinlichste ist, oder wird durch eine kurze Gabelung des Hinterendes der F. coronalis bei Owen angedeutet, oder was am unwahr- scheinlichsten, durch jenen oberen Fortsatz der F. suprasylvia vertreten. Bei Owen ist die F. coronalis beiderseits in ihrem vorderen Drittel mit dem Vorderende der F. cruciata verbunden. Auf der Lateralansicht ist die F. lateralis vorn mit dem oberen Fortsaiz der F. suprasylvia ver- bunden und setzt sich hinten in eine lange Furche fort, die nahe dem hinteren Rand bis zur F. rhinalis posterior hinabläuft; in der An- sicht von oben ist die F. lateralis aber beiderseits kurz und frei wie bei GEORGE. Die F. splenialis ist immer mit der crueiata verbunden und istingrosser Ausdehnung auf der oberen Seite der Hemi- sphäre sichtbar. Das ist ein exquisiter Ungulatencha- rakter. Bei den kleinen Ungulaten (Tragulus, Moschus, Pudu, Lopho- tragus) kommt etwas Aehnliches vor, und zwar um so ausgeprägter, je kleiner das Thier ist, jedoch taucht selbst bei dem kleinsten Tragulus wenigstens die vordere Spitze der F. splenialis wieder in die Median- fläche unter, bei Hyrax bleibt aber auch diese oben und sogar ziemlich weit ab vom Medianrand, beiläufig parallel mit diesem. Ebenso verläuft die F. eruciata, die weit nach vorn fast bis zum vorderen Ende der coronalis reicht. Bei keinem Carnivoren, auch dem kleinsten nicht, kommt es zu einer Verschiebung der F. splenialis auf die obere Fläche. Auf der Medianfläche krümmt sich die F. splenialis bei Owen nicht weit hinab, erreicht jedenfalls die rhinalis posterior nicht, auf den Abbildun- gen bei Grorez ist ihr unteres Ende nicht sichtbar, nach einer Aeusse- rung im Texte verbindet es sich aber wahrscheinlich mit der F. rhinalis posterior. Vor dem Balken ist immer eine deutliche F. genualis vorhan- den, und vielleicht wird eine rostralis bei GEorez durch eine selbstän- dige, beiOwen durch eine mit der genualis verbundene Furche vertreten. Auch das Vorkommen dieser beiden letztgenannten Furchen ist hei gleich ° grossen Garnivoren selten, bei Ungulaten constant. Ausser den beschriebenen und der F.Hippocampi kommen auf den 4 Zeichnungen keine weiteren Furchen mehr vor. Ich enthalte mich in Anbetracht des geringen Materials an dieser Stelle eine Charakteristik des Grosshirns der Hyracidae aufzustellen , verweise aber diesbezügli nochmals auf die im Text durch gesperrte Leitern hervorgehobene Ueber die Furchen anf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 651 Sätze, welche, wenn sie bei einem reicheren Materiale bestehen blei- ben, diesen Eehirben allerdings einen scharf ausgeprägten und sehr 3 interessanten Charakter verleihen. Ausser den eitirten Abbildungen ist noch ein Schädelausguss von Hyrax arboreus in der Ansicht von oben bei GErvaıs!) erwähnenswerth; er ist sehr ähnlich der Zeichnung von Hyrax bei GEORGE, nur reicht die F. lateralis weiter nach vorn und der obere Fortsatz der F. suprasylvia scheint zu fehlen. Levrer stellt Hyrax mit den Edentaten in seiner 7. Gruppe zusammen ; er schreibt ihnen drei Windungen zu, spricht ihnen den Sulcus eruciatus ab, hebt aber richtig hervor, dass sich die Circonvolution interne auf die obere Fläche hinauferstreckt (4, p. 384). DarestE (9, p. 106) konnte nur schlecht conservirte Exemplare untersuchen, meinte aber doch, das Gehirn entferne sich vom Typus der Pachydermen und nähere sich dem der CGarni- voren. Owen (10) bezeichnet auf seinen Figuren die F. rhinalis posterior als »ectorhinal«, die vordere Hälfte der F. suprasylvia als »Sylvian«, die hintere mit der suprasylvia posterior als »suprasylvian«, die F. postica als »postsylvian«. Die F. lateralis nennt er einmal » medilateral«, das anderemal »lambdoidal«, welchen letzteren Namen ebenso wie » entolamdoidal« er dann wieder für die vereinigte F. splenialis und cruciata verwendet. Die F. coro- nalis benennt er wie ich, die genualis einmal » frontal«, dann sie oder die - rostralis »faleial«, die obere Grenze des Balkens endlich »callosal«, die F. Hippocampi »hippocampal«: es lässt sich demnach GEoRGE schwer wider- sprechen, der von dieser Beschreibung sagt: » elle me parait jeter plus d’ob- seurite que de lumiere sur cette question« (18, p. 143). Der Beschreibung bei Gervaıs (l. c. p. 465—467) kann ich schwer folgen, er spricht übrigens von einer grossen F. Sylvii, was vielleicht auf einer Verwechslung mit der FF, suprasylvia beruhen könnte. GEORGE unterscheidet vier Windungen oder _ »lobes principaux«. 1) »Lobe frontal« median von meiner F. splenialis und erueciata, 2) »Lobe parietal« lateral von jenen bis zur F. coronalis und late- ralis, 3) »Lobe temporal« wieder lateralwärts bis zur F. suprasylvia und suprasylvia posterior, 4) »Lobe oceipital« unter den genannten Furchen bis zur F. rhinalis und rhinalis posterior. Er glaubt in totaler Verkennung der 3 wirklichen Homologien, dass diese vier Windungen jenen von LEURET beim _ Fuchse aufgestellten entsprächen (natürlich in umgekehrter Reihenfolge) und 3 sieht darin eine starke Annäherung von Hyrax an die Carnivoren, welche ch durch das Gewichtsverhältniss des Gehirns zum Körper bekräftigt wer- den soll, welches nach ihm 1:200, nicht wie Owen fand 1:95, beträgt. E erthvoller für uns ist seine Angabe , dass die F. postica und lateralis nur als seichte Depressionen Korhamen Kihide die anderen aber 3—5 mm tief, die F. splenialis sogar bis zur Höhe des Balkens einschneidend, was ganz dem relativen Werthe der genannten Furchen entspricht (18, p- 125—148). & T Me&moire sur les formes c&rebrales propres a differents groupes des Mammi- s (Journ. de Zoologie. 1. 4872. Pl. XXI, Fig. 47). 652 Julins Krueg, Elephantidae (Tafel XXXVIM). Schwieriger noch als bei der vorigen Familie gestalten sich die Ver- hältnisse für die richtige Auffassung des Elephantengehirns. Schon die Form ist ganz unsicher festzustellen, da die schwere Masse des Elephan- tengehirns während der Conservirung sich leicht verschiebt und ver- drückt, so kann nur ein Schädelausguss exacten Aufschluss über die Form geben. MEyEr zeichnet einen solchen von Elephas indicus in der Ansicht von oben, auf dem die Furchen aufgetragen waren (copirt auf Tafel XXXVII), und nach einer Aeusserung bei Gervaıs stimmt dessen Form mit derjenigen der übrigen Elephanten überein. Darnach würde das Grosshirn der Elephanten allerdings eine ganz eigenthümliche Ge- stalt haben, in der vorderen Hälfte ausserordentlich schmal, in der hin- teren übermässig verbreitert sein. Die Zeichnungen der Lateral- und Medialansicht bei Leurer und jene bei Gar geben .zwar über die er- wähnte Hervorwölbung der hinteren Hälfte keinen directen Aufschluss, lassen aber doch vermuthen, dass sie nicht so stark ausgeprägt vorhan- den gewesen ist und dass das Gehirn mehr compress als depress war. Ebenso verhielt sich die von mir untersuchte (auf Tafel XXXVII ge- zeichnete) Hemisphäre des afrikanischen Elephanten, die linke dazu ge- hörige war hingegen stark depress (eine Verschiedenheit, die natürlich erst während der Conservirung entstanden ist), keine von beiden zeigte jedoch eine übermässig starke Verbreiterung der Hinterhälfte. Wenn schon die Richtigstellung der Form Schwierigkeiten macht, so finden sich diese natürlich noch vermehrt vor bei der Aufsuchung der homologen Furchen. Gerade die Ungleichheit der beiden Hemisphä- ren, zusammen mit dem Umstande , dass sie an mehreren Stellen zer- rissen waren, hinderte eine vollständige Vergleichung der Furchen des afrikanischen Elephanten. Wenn für manche Furchen die Homologien auch festzustellen gewesen wären, so blieben sie für eine Reihe anderer aus den angegebenen Gründen zweifelhaft, ich habe sie deshalb auf den Ansichten der auf Tafel XXXVIII dargestellten Hemisphäre auch nur so E bezeichnet (durch gestrichelte Linien), als ob ich nur eine Hemisphäre hätte untersuchen können. Aus ähnlichen Gründen bin ich auch auf den Zeichnungen des indischen Elephanten ebenso verfahren. Die durch dicke Striche hervorgehobenen Hauptfurchen waren jedoch N nur derselben Weise vorhanden Entsprechend der Grösse der Thiere, resp. a derjenigen des Gehirns, ist ein ausserordentlicher Furchenreichthum. | Auf den Zeichnungen bei Gatı und Leurer (22 cm Hemisphärenlänge) ist dieser ausgeprägter, als auf dem von mir untersuchten Gehi Veber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 653 SZrs (48 cm), im Vergleich zu jenen aber wenig ausgesprochen auf der Zeich- nung bei Mayer (nach einer 17,2 cm langen Hemisphäre). Die zahl- reichen Furchen sind durch eine Masse von Fortsätzen mit einander ver- bunden, allerdings häufig nur oberflächlich, aber so vielfach, dass sich auf den Zeichnungen die Furchen wie ein reichmaschiges Netz aus- nehmen, das dem Beschauer keinen Aufschluss darüber giebt, welche der Fäden wichtiger sind als die anderen. Selbst die Untersuchung der Furchentiefen gewährt diesen Aufschluss nicht immer, denn häufig sind solche ganz accessorische Verbindungen, die auf einer Hemisphäre fehlen oder oberflächlich verlaufen, auf der anderen stark vertieft, oder mehrere ähnlich gelagerte Furchen sind von gleicher 'bedeutenderer) Tiefe, so dass es nicht möglich ist, nach diesem Criterium allein eine von ihnen als die wichtigere zu bezeichnen. Zu allen diesen misslichen Umständen kommt noch die isolirte Stellung der Elephanten im Systeme, die einen näheren Anschluss der Gehirnbildung an eine andere Gruppe von vornherein unwahrscheinlich macht. In der That sind auch gerade die zwei wichtigsten Furchen der übrigen Zonoplacentalen sowie der Ungulaten, die Fissura splenialis und suprasylvia bei den Elephanten in keiner Weise vor den anderen ausgezeichnet, so dass man annehmen kann, sie fehlen, oder sind minder bedeutend entwickelt, oder ganz anders angeordnet, als bei den anderen angeführten nächst verwandten Säugethiergruppen. Nur der directe genaue Vergleich mehrerer gut er- haltenen Elephantengehirne, oder noch besser fötaler Gehirne in be- stimmten Entwicklungsstadien könnte gründliche Aufklärung verschaffen, wird aber wohl noch lange ein frommer Wunsch bleiben müssen. Ich mache kein Hehl aus dem relativ geringen Werth der Angaben, die ich unter den angeführten Umständen machen kann; halte aber da- für, dass es doch zweckdienlicher ist, nach Homologien mit den anderen Gruppen zu suchen, als sich durch irgend eine hingestellte Behauptung oder klingende Phrase, deren Richtigkeit ja schwer controlirbar wäre, - über diese Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Die F. rhinalis und rhinalis posterior scheinen immer unter einem recht spitzigen Winkel gegen ein- ander geneigt, aber nicht immer mit einander verbunden zu sein. Eine -F. olfactoria ist wohl immer vorhanden, aber nicht immer mit der rhi- nalis verbunden. Von dem Scheitel des Winkels, den die F. rhinalis und rhinalis posterior mit einander bilden, und verbunden mit den ge- ‚nannten Furchen zieht eine lange F. Sylvii nach oben. Nur auf den "Zeichnungen bei MAyEr ist sie etwas mehr, sonst ganz unbedeutend nach rückwärts geneigt. Sie hat alle drei For tsätze entwickelt und der ; essus anterior und posterior lassen eine schmale hohe Insel zwi- ‚sich fast an die Oberfläche treten, wahrscheinlich aber nur bei A if, wissensch. Zoologie. XXXIII. Bd. 19 654 - Julius Krueg, BIER den geschrumpften Spiritusexemplaren und wenig oder gar nicht bei frischen. Vor der F. Sylvii haben viele Furchen von gleicher Tiefe eine E Richtung von hinten unten nach vorn oben, es ist deshalb nicht sicher, sondern nur bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich, dass die auf Tafel XXXVIH mit ps bezeichnete Furche der F. praesylvia der Carni- _voren entspricht. Hinter der F. Sylvii unterscheiden sich zwei Furchen- züge durch auffallende Tiefe von der Unzahl der sie verbindenden ac- cessorischen. Sie sind ziemlich parallel der F. Sylvü, verlaufen also fast senkrecht von oben nach unten und tbeilen die Lateralfläche zwischen der genannten Furche und dem Hinterende der Hemisphäre in drei ziemlich gleiche Theile. Die vordere dieser Furchen war immer unge- theilt, sie ist in ihrem Verhalten zur F. Sylvii so sehr der F. suprasyivia 3 posterior der Arctoiden ähnlich, dass ich sie mit diesem Namen belegt habe. Der Furchenzug hinter ihr pflegt mehrfach unterbrochen zu sein, das oberste Stück mag wohl der F. ectolateralis entsprechen, die gerade bei den grossen Arctoiden sich in ähnlicher Weise nach unten fortzu- setzen pflegt. Eine Furche, die auch nur annähernd mit derselben Be- stimmtheit als F. suprasylvia zu deuten wäre, suche ich vergebens; vielleicht ist sie in Verbindung mit der F. suprasylvia posterior und im k Gegensatze zu allem bisher Bekannten ganz auf die hintere Seite der Bi F. Syivii hinübergeschoben, oder in Uebertrumpfung der bei den Arctoi- den schon vorkommenden Tendenz hat sie sich von vorn her so weit der -F. Sylvii genähert, dass sie mit dieser ganz zusammengefallen ist; der Processus anterior fissurae Sylvii würde dann den letzten nicht verbun- denen Rest der F. suprasylvia, der Processus posterior aber den eigent- lichen Gesammtstamm der F. Sylvii vorstellen. Etwas unterstützt wird. diese freilich Barock klingende Ansicht durch den Umstand, dass das obere Ende der F. Sylvii sehr häufig mit der F. suprasylvia posterior verbunden ist. Es ist aber schliesslich auch möglich, dass die F. suprasylvia im Range gesunken ist und durch eine der kleineren Furchen vor der F. Sylvii repräsentirt wird, oder schliesslich, dass sie” ganz fehlt. EB Auf der oberen Fläche, nahe dem medialen Rand und ziemlich pa- rallel mit ihm, verläuft eine Reihe von Furchen, auf der Zeichnung bei Mayer mit einander verbunden, auf dem Elephantengehirn des Wiener | zootomischen Instituts mehrfach getrennt. Eine vordere, mit der Vorder- _ spitze etwas lateralwärts gerichtete, mag vielleicht der F. coronalis, die hintere der F. lateralis entsprechen, ein Stück zwischen beiden wohl der F. ansata. Jedenfalls sind diese Furchen viel unansehnlicher , als man ‘es von den gleichnamigen bei dieser Gehirngrösse vermuthen würde während vor ihnen auf der Vorderfläche des Gehirns eine gleichfall : 2 h - ’ | 5 | | | | | e Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 655 _ sagilial gerichtete Furche stärker entwickelt ist. Sie hat offenbar eine grössere Bedeutung als manche der bisher genannten, aber ist noch un- sicherer zu deuten als die meisten derselben. Auf der Medianseite endlich ist ein wahrer Tummelplatz für eine Unzahl von Furchen,, nur ein schmaler Rand über dem Balken bleibt frei und ist nicht quergetheilt, die mehr oder minder geschlossene Kette von längsgerichteten Furchen. welche diesen Saum nach oben begrenzt, mag der mehrfach erwähnten Kette von accessorischen Furchen zwi- schen F. splenialis und genualis entsprechen, die auch bei anderen grossen und furchenreichen Gehirnen vorkommt, F. genualis und rostra- lis sind wohl auch vorhanden. Merkwürdiger Weise findet sich keine Furche, die von dem Wuste der anderen so abstehen würde, dass man sie decidirt als F. splenialis erklären könnte: wenn ich auch berück- sichtige, dass das Wiener Elephantengehirn in dieser Gegend etwas de- fect war und das bei Leurer gezeichnete, wie die Drapirung errathen lässt, nicht minder. so ist doch nicht wahrscheinlich , dass eine sonst so bedeutende Furche mit diesen fehlenden Stellen ganz verloren gegangen sein sollte. Wahrscheinlich ist die F. splenialis in einer veränderten Lage vorhanden, aber wegen der Menge der concurrirenden Furchen schwer von diesen zu unterscheiden. Noch schwieriger wäre natür- lich die F. eruciata und die sonst vorkommenden Nebenfurchen zu deuten. Aus diesen vielfach verklausulirten Angaben lässt sich wohl keine bestimmte Charakteristik des Elephantengehirns herauslesen:; die Be- schaffenheit der F. Sylvii und die Anordnung der hinter ihr gelegenen Furchen erlauben aber doch zu sagen, dass sich die Elephanten wenig- stens mit diesen Merkmalen von den meisten Ungulaten entfernen und den Carnivoren nähern. Es soll aber nicht verschwiegen bleiben, dass gerade diese Merkmale sich höchst wahrscheinlich auch bei anderen Gruppen (Primaten, Edentaten) finden. | Ausser den in Tabelle B angeführten Abbildungen soll sich auch bei TENnent!) eine finden, die ich nicht kenne. Jene bei Owen (10, Fig. 108) ist nur eine verkleinerte Gopie nach der bei Leurer (4, Pl. XIV). ’ Von den älteren bei CAMPER?) citirten Arbeiten lässt sich natürlich kein Aufschluss über die Anordnung der Furchen erwarten, ebenso wenig von Camper selbst, ja selbst Maver noch begnügt sich einfach mit der Angabe, dass die Windungen des Gehirns sehr zahlreich sind (4, p. 49) medien war er der erste, der auf die eigenthümliche Form des Elephantengehirns zewiesen hat (p. 48). Bei LEurer (10, p. 371 und 365—397) bildet der 12* 656 Julins Krueg, | Be Elephant für sich allein die 13. Gruppe, wird also von den Phoken durch die Cetaceen (12. Gruppe) geschieden und hat über sich nur mehr die Primaten (14. Gruppe). LEURET schreibt den Elephanten ausser der » Circonvolution interne« über dem Corpus callosum und der »C. suborbitaire« vor und unter der F. praesylvia noch vier Bogenwindungen zu, die concentrisch über ein- ander lagern, derart, dass die vierte schon auf die Medianfläche hinüberge- schoben ist. Im Gegensatz zu allen Thieren der vorangegangenen Gruppen sollen aber diese Bogenwindungen durch drei senkrecht gestellte, vor der F. Sylvii gelagerten Windungen »C, superieures « unterbrochen sein. Da LEURET die Centralwindungen der Primaten mit eben jenem Namen belegt, so ist es nicht zu verwundern, wenn spätere Autoren berichten, der Elephant habe zum Unterschied von allen anderen Säugethieren eine Rolandoische Furche, wie die Primaten und der Mensch. DaArsste (9, p. 98—100) schliesst sich in der Beschreibung ziemlich an LEuURET an, OwEn (10) bezeichnet auf Fig. 108 nur die F. Sylvii und eine » Supersylvian«, unter welcher er die von mir als F. suprasylvia posterior angeführte zusammen mit einer von dieser weit getrennten kurzen Furche versteht. Gervaıs!) hat Schädelaus- güsse nicht nur von Elephas indicus und africanus, sondern auch von insig- nis, ferner von Mastodon Humboldtii und einen unvollständigen vonM. angusti- dens gesehen. Er hat bei allen die von MAyEr angegebene, von DARESTE auch hervorgehobene auffallende Hervorwölbung des Hinterlappens gefunden, -nur das Gehirn von Mastodon angustidens schien in seiner Form von den anderen abzuweichen. Uebersicht über das Verhalten der Furchen bei den Zonoplacentalen im Vergleich mit jenem bei den Ungulaten. Ich beschränke mich darauf, die Homologien der bei den Zonopla- centalen gefundenen Furchen mit jenen der Ungulaten festzustellen, da ich nur diese in-ähnlicher Weise durch eigene Untersuchung im Detail kennen lernte, wie die Zonoplacentalen, gerade solche Detailstudien aber für nöthig halte, um ein sicheres Urtheil zu gewinnen. Die nachfolgen- den Angaben stimmen in einigen minder wichtigen Einzelnheiten nicht ganz mit jenen, die ich in meiner Arbeit über das Ungulatengehirn ge- macht habe, überein, theils weil ich mir damals nur ein provisorisches Schema des Carnivorengehirns gemacht hatte, theils auch weil meine damaligen Ansichten durch den mittlerweile erweiterten Anschauungs- kreis kleine Correcturen erlitten haben. In den Hauptsachen habe ich meine Auffassung aber durchaus nicht geändert, und selbst die be- treffenden Punkte (Auffassung der Fissura diagonalis und des Processus anterior fissurae Sylvii-bei den Carnivoren, der Fissura cruciata und an- sata bei einzelnen Ungulaten) sind durchaus solche, deren unsichere ne in ir in en on ) Memoire sur les formes cerehrales des differents groupes des Mammiferes burn de Zoologie. I. 1872. p. 429—430). 3 Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Sängethiere. 657 - Deutung ich damals schon sowohl im Texte, als durch beigesetzte Frage- zeichen selbst auf der Bezeichnung der Tafeln hervorgehoben habe. Die Grenz- und Hauptfurchen der Carnivoren kommen auch allen Ungulaten als solche zu, und zwar sind sie gerade die wichtigeren der- selben, eine kleine Anzahl von minder wichtigen Hauptfurchen der Un- gulaten erscheint dagegen auf den Gehirnen der Carnivoren (resp. Zono- placentalen) mit wechselnder Constanz , die einen sind häufig vorkom- mende Nebenfurchen, andere treten nur accessorisch auf, keine der Hauptfurchen der Ungulaten fehlt aber den Carnivoren absolut, d. h. ihre Homologien können selten sein, nur bei der einen oder anderen Species und auch da nur accessorisch auftreten, aber sie kommen doch gelegentlich vor. Ich werde im Nachfolgenden die Furchen in derselben Reihenfolge besprechen wie p. 609 ff. l. Grenzfurchen. Die Fissura Hippocampi (Ah) habe ich nirgends besonders be- rücksichtigt, erwähnenswerth ist nur, dass bei den Ursiden das Am- monshorn mehr in das Innere der Hemisphäre (d. i. lateralwärts) einge- rollt ist, als bei allen anderen hier zu besprechenden Thieren, die F. Hippocampi also auch dem entsprechend etwas anders gelagert ist. Die Fissura rhinalis (rh) war bei den Zonoplacentalen öfters von der Fissura rhinalis posterior 'rhp) getrennt, weshalb auch die letztere als selbständige Furche angeführt wurde, während ich bei den Ungulaten beide unter dem Namen F.rhinalis |rh) zusammenfasste. Doch fanden sich schon bei den Ungulaten gelegentlich Andeutungen einer Trennung, häufig ist diese auch bei den Zonoplacentalen durchaus nicht, in eine Beziehung zur systematischen Stellung ist sie kaum zu bringen. Die Trennungsstelle pflegt unter oder hinter dem Ursprung der F. Sylvii zu liegen. Der unter der F. rhinalis posterior gelegene Lobus pyriformis ist bei den Zonoplacentalen kleiner als bei den Ungu- laten, kaum je gefurcht, während er bei den grösseren Ungulaten ge- wöhnlich eine seichte Längsfurche trägt. II. Hauptfurchen. 4) Die Fissura splenialis (sp) ist bei allen Garnivoren eben 'so deutlich entwickelt, wie sie es bei den Ungulaten war; nie kommt _ sie aber bei den Carnivoren so hoch nach oben, dass sie von der oberen seite in einer ähnlichen Weise sichtbar wäre, wie bei den kleinsten Mies der Ungulaten; bei Hyrax hingegen greift sie noch weiter auf diese obere Seite hinüber, als bei irgend einem Ungulaten; bei den R. phanten ist ihre HEN höchst zweifelhaft, wahrscheinlich ihre Rich- 658 Julius Krueg, tung ganz verändert. Ihr unteres Ende ist bei den Zonoplacentalen bald mit dem medialen Ende der F. rhinalis posterior verbunden, bald nicht, bei den Ungulaten kam diese Verbindung überhaupt nicht vor. Ihr vor- deres Ende ist bei den Cynoiden, Musteliden und Hyrax gewöhnlich mit der F. eruciata verbunden, bei den Feliden gewöhnlich getrennt, bei den übrigen Carnivoren wechselt dieses Verhalten; was die Ungulaten ‚anlangt, so sind die beiden genannten Furchen bei den Artiodaetylen immer verbunden, bei den Perissodactylen häufig getrennt!). 2) Die Fissura Sylvii (S) ist bei allen Zonoplacentalen auch durch ihren Processus anterior (Sa) eng mit der F. rhinalis ver- bunden, bei den Ungulaten höchstens durch den Processus poste- rior \Sp), während der Processus anterior frei bleibt. Die Suillidae bilden wie in manchen anderen Dingen auch darin einen Uebergang, dass bei ihnen der Processus anterior sich ganz nahe zur F. rhinalis her- abkrümmt, ohne jedoch je so vollständig mit ihr zu verschmelzen als bei allen Zonoplacentalen. Bei diesen ist die Richtung des vorderen Fort- satzes auch eine andere, er ist mehr nach abwärts gewendet (bei den Ungulaten mehr nach vorn), der vordere und hintere Fortsatz kommen dadurch so nahe an einander, dass die Insel zwischen und unter ihnen immer nur in der Tiefe versteckt bleibt, während sie bei den Ungulaten offen zu Tage l’egt. Die beiden genannten Fortsätze und der Proces- susaeuminis (Sac) lassen sich überhaupt nur bei grossen Thieren in der Tiefe der Furche unterscheiden. Bei kleinen scheint die Furche ein- fach zu sein, wobei vielleicht anzunehmen ist, dass Processus anterior und posterior gänzlich mit der F. rhinalis verschmolzen sind und nur der Processus acuminis frei herausragt. Bei den Cynoiden, Aeluroiden und Hyraciden ist die F. Sylvii relativ kurz, bei den Arctoiden und Ele- phantiden lang. Bei den Ungulaten ist sie dann lang, wenn unter der F. suprasylvia wenig andere Furchen entwickelt sind, bleibt aber kurz, wenn zwischen ihr und der F. suprasylvia solche vorkommen, die Be- dingungen sind also ähnlich wie meist bei den Zonoplacentalen. Das _ Auftreten der fraglichen Furchen hängt aber bei diesen mehr von der _ systematischen Stellung, bei den Ungulaten fast nur von der Grösse des Thieres ab. Bei einzelnen Zonoplacentalen (Herpestes, Hyrax) kann die 4) Nach meiner jetzigen Auffassung entspricht das vordere Ende der in der Ar- beit über die Ungulaten beschriebenen F. splenialis eigentlich der F. cruciata, wo- raufich übrigens damals schon aufmerksam machte, die Verbindunsgsstelle ist häufig e durch eine nach oben gerichtete Knickung angedeutet. Die F. splenialis wäre also kürzer zu zeichnen, als es dort geschehen ist. Die F. cruciata wurde einmal auf dem Gehirne von Ovis aries (I. c. Taf. XXII) mit er?, auf den Gehirnen der Perissodactylen (Taf. XXIII) irrthümlich mit a und a? bezeichnet. "N = Ber - Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Sängethiere, 659 4 F. Sylvii sehr kurz werden, oder ganz zu fehlen scheinen, ebenso scheint sie in der Entwicklung von den meisten der nachfolgenden Hauptfurchen - überholt zu werden; sie müsste daher eine viel niedrigere Stellung ein- nehmen, wenn nicht wieder eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spräche, dass sie in allen diesen Fällen ganz mit der F. rhinalis ver- einigt und deshalb nicht als selbständige Furche kenntlich ist. 3) Die Fissura suprasylvia /ss) ist bei allen fissipeden Carni- voren viel mehr herabgekrümmt, als bei den Ungulaten, am meisten bei den Ursiden, bei welchen sie in ihrer ganzen Länge knapp vor der FE. Sylvii liegt. Bei den Pinnipediern ist ihr vorderes Ende in ganz merk- würdiger Weise nach aufwärts gegen die F. coronalis zu gekrümmt, bei den Hyraciden wieder stark nach abwärts, bei den Elephanten ist die sanze Furche fraglich. Ein oberer Fortsatz ist wohl häufig, aber weit- aus nicht so constant vorhanden wie bei den Ungulaten. 4) Ueber die Verbindung der Fissura cruciata (ce) mit der F. splenialis wurde schon bei dieser gesprochen, was ihre Lage anlangt, ist ihr vorderes Ende bei den Carnivoren gewöhnlieh quer gerichtet und schneidet stark die obere Fläche, auf die sie übertritt, ein, nur bei der ersten Abtheilung der Viverriden, sowie bei den Pinnipeden kerbt sie den oberen Rand in geringem Grade ein, oder erreicht ihn gar nicht, weil sie mehr nach vorn als nach oben gerichtet ist. Bei Hyrax liegt sie in der Fortsetzung der F. splenialis, mit der sie verbunden ist, längsge- richtet auf der oberen Seite der Hemisphäre. Bei Elephas ist sie schwer zu deuten. Bei den Ungulaten ist sie gewöhnlich nur ganz schwach nach aufwärts gekrümmt, so dass sie den oberen Rand entweder nicht erreicht, oder nur schwach einkerbt, nur bei den Perissodactylern greift sie wei- ter auf die obere Seite über. 5) Die Fissura praesylvia (ps) verhält sich bei den Zonoplacen- talen und Ungulaten sehr ähnlich , ihr oberes Ende ist gewöhnlich frei, höchstens mit der F. prorea verbunden, ihr unteres häufig mit der F. -rhinalis oder dem vorderen Ast der F. Sylvii, bei den Garnivoren kann man die letztere Verbindung manchmal in der Tiefe der F. rhinalis auf- finden. Auf verschiedenen Zeichnungen von Felidengehirnen schien die Furche zu fehlen; vergl. auch Herpestes. 6) DieFissura coronalis |co) wird um so mehr lateralwärts ge- drängt, je mehr die F. cruciata quer in die obere Seite der Hemisphäre einschneidet , also unter den Carnivoren bei den Ursiden am meisten, bei allen Br mehr als bei den nn Bei diesen ist eaeert | u Rt DR Er 1 23 > Si Me 660 Julius Krueg, | tee ER / bei den Ungulaten das vordere Ende der F. coronalis in sehr Die. Winkel gegen das obere Ende der F. praesylvia gerichtet, und wenn sich beide vereinen, geschieht es durch ihre Spitzen, so dass eine Furche in die andere überzugehen scheint. Bei den Carnivoren hingegen ist der erwähnte Winkel mindestens grösser als 45° und wenn eine Ver- einigung vorkommt (Galocephalus) , so bleibt das obere Ende der F. praesylvia frei. Die erwähnte Verbindung ist übrigens allenthalben sel- ten. Bei Elephas liegt die F. coronalis sehr nahe dem Medianrand, bei Hyrax ist sie durch die längsgerichtete F. cruciata von jenem wegge- drängt. Lutra hat eine eigenthümliche Anordnung der F. coronalis: Bei Sus verbindet sich das hintere Ende der F. coronalis mit der F. cruciata bei allen anderen Ungulaten und meistens bei den Garnivoren mit der 7) Fissura ansata (a). Diese Verbindung wird durch den vor- deren lateralen Fortsatz vermittelt, der also bei Sus frei bleibt. Unter den Carnivoren ist die Trennung bei den Feliden ziemlich häufig, bei allen anderen sehr selten. Gewöhnlich weicht dabei die F. coronalis der F. ansata median aus, eine Ausnahme von dieser Regel zeigt nur Thalassarctos. Bei Sus ist das freie Ende nach vorn gerichtet, bei den Carnivoren gewöhnlich lateral vorwärts, bei Lutra geradezu lateral rückwärts. Der hintere Lateralfortsatz der F. ansata verbindet sich, einige ganz seltene Ausnahmsfälle abgerechnet, bei den Carnivoren immer mit der F. lateralis, bei den Ungulaten nie (Choeropus?); häufig bleibt er bei diesen ganz frei und ist dann mehr lateralwärts als nach hinten gerichtet, bei den Traguliden, Elaphiern, Suillidae und Solidun- gula verbindet er sich in der Regel mit dem oberen Fortsatz der F. suprasylvia, eine Verbindung, die auch bei anderen Ungulaten gelegent- lich vorkommt, bei den Carnivoren aber höchstens als eine ausserordent- lich seltene Ausnahme. Der mediale Fortsatz fehlt bei den Garnivoren ziemlich oft, bei den Ungulaten nur sehr selten, bei den ersteren ist er entsprechend der allgemeinen lateralwärts gerichteten Drehung mehr nach vorn gerichtet als bei den letzteren. Bei Hyrax und Elephas ist die Deutung der F. ansata unsicher. 8) Die Fissura lateralis (l) ist, wie eben erwähnt, bei den Carnivoren fast immer, bei den Ungulaten nie mit der F. ansata ver- bunden, bei den Ungulaten ist sie der Configuration der Hemisphäre entsprechend länger, bei den CGarnivoren gewöhnlich ziemlich kurz, hin- gegen durch ihr hinteres Ende häufig mit Nebenfurchen verbunden, während bei den Ungulaten nur mit accessorischen Fortsätzen. Bei Hyrax und Elephas ist sie mit grosser Wahrscheinlichkeit zu unter- scheiden. ee 9) Die Fissura suprasylvia posterior {ssp) ist bei den Un- u Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere, 661 i gulaten immer mit der F. suprasylvia verbunden, bei den Carnivoren hier und da getrennt; die viel spätere Entwicklung und eine Marke an der Verbindungsstelle machen sie aber auch bei jenen als selbständige Furche kenntlich. Bei den Pinnipeden ist die Trennung häufiger als die Verbindung, bei den übrigen Garnivoren nach Schluss des Fötal- lebens wohl nur sehr selten. Der Hauptunterschied liegt in der Rich- tung, bei fast allen Ungulaten erstreckt sie sich von vorn nach rück- wärts, nur bei den Suillidae verläuft sie ähnlich wie bei den Carni- voren von oben nach unten, wohl auch etwas nach vorn; die letztere Richtung wird besonders von der eigenthümlich gestalteten F. supra- sylvia posterior der Pinnipedier eingehalten. Unter den Fissipeden ist sie bei den Arctoiden relativ länger als bei den anderen, am längsten bei den Ursiden, sie kommt bei diesen wegen des Fehlens der F. postica auch der F. Sylvii am nächsten. Hyrax schliesst sich an die Ungulaten, Elephas an die Garnivoren, speciell an die Ursiden an. Bei Herpestes kann sie fehlen. II. Nebenfurchen. Die Fissura medilateralis (ml) ist bei allen Gynoiden und Aeluroiden vorhanden, sehr häufig mit der F. lateralis verbunden. Den kleineren Arctoiden fehlt sie, nur bei den Ursiden wird sie lang und krümmt sich, abweichend von ihrem sonstigen Verhalten, auf die Median- fläche hinüber; nie jedoch ist sie bei einem Arctoiden mit der F. late- ralis verbunden. Hyrax fehlt sie, bei den Pinnipedien und Elephanten ist die Deutung unsicher. Ich habe diese Furche bei den Ungulaten nicht unter einem eigenen Namen beschrieben, eine homologe Furche ist aber bei allen grösseren Ungulaten sehr häufig, nur liegt sie wegen der lang gestreckten F. lateralis etwas weiter vorn als bei den Carnivoren, krümmt sich nicht um das Hinterende der genannten Furche herum und ist nicht damit verbunden wie bei diesen. | Die Fissura ectolateralis (el) fehlt den Ailuroiden, bei allen - Cynoiden und Arctoiden (von den allerkleinsten abgesehen ?) ist sie vor- handen, aber bei den ersteren bleibt sie fast immer frei, bei den letz- teren verbindet sie sich immer mit der F. lateralis. Hyrax fehlt sie, bei den Pinnipedien und Elephanten kommt sie mit grösster Wahrschein- lichkeit vor. Ueber die F. ectolateralis der Ungulaten ist eben dasselbe zu sagen, wie über die medilateralis; sie fehlt den kleineren, selten aber nur den grossen Species, Bewöhntieh ist sie kurz, liegt Eiche hinter, ‚sondern neben dem Hinterende der F. lateralis, nach vorn ist sie häufig ‚durch accessorische Furchen verlängert. Entsprechend der Configuration re Se u # 662 | Julius Krueg, der Hemisphäre ist sie bei den Ungulaten längs gerichtet, bei den Car- nivoren und Elephas herabgekrümmt. | D Die Fissura anterior (an) kommt allen Cynoiden, Feliden, der ll. Gruppe der Viverriden, so wie den Pinnipedien zu. Bei den ir ’ den ist sie, geringfügige Ausnahmen abgerechnet, immer mit der F. po- stica verbunden, sonst nur hier und da bei einem Viverriden, nie bei einem Feliden; bei den Pinnipediern hingegen häufig mit dem vorderen Ast der F. suprasylvia. Wo eine F. diagonalis vorkommt, ist deren hin- teres Ende mit Vorliebe mit dem unteren Ende der F. anterior verbun- den. Den Hyaeniden und Proteiden, der I. Gruppe der Viverriden, allen Arctoiden fehlt sie gänzlich, ebenso Hyrax, bei Elephas ist sie schwer zu deuten. Bei den Ungulaten kommt sie sehr häufig vor; weil nicht bei allen, so habe ich sie bei diesen nicht als bestimmte Furche beschrie- ben, aber aufmerksam gemacht auf das Furchenstück zwischen der F. diagonalis und F. suprasylvia, das bald mit der ersten, bald mit der . zweitgenannten Furche verbunden ist. Ihr Vorkommen hängt bei den _ Ungulaten viel mehr von der Grösse der Thiere als von der systematischen Stellung ab. Die Fissura diagonalis (d) hingegen, die bei den Ungulaten constant entwickelt war , also dort als Hauptfurche beschrieben wurde, kommt bei den Carnivoren viel seltener vor. Nur bei den Feliden ist sie immer vorhanden, bei den Ganiden öfters, allen übrigen Garnivoren fehlt sie wohl gänzlich, ebenso Hyrax, bei den Elephanten ist ihre Deu- tung wie die so vieler anderer Furchen zweifelhaft. Die mehrerwähnte - Configuration der vorderen Hälfte der Hemisphäre bei den Ungulaten, durch welche die F. coronalis nahe dem Medianrand bleibt, lässt lateral unten von dieser Furche einen grösseren Raum frei, als die lateralwärts _ gedrängte F. coronalis der Carnivoren; dieser Raum ist deshalb auch bei den Ungulaten reicher mit Furchen besetzt, unter diesen ist die F. ° diagonalis constant, gewöhnlich ansehnlich entwickelt und von hinten ° unten nach vorn oben ziehend. Bei den Carnivoren bleibt um so E weniger Raum, je weiter die F. coronalis nach aussen rückt, darum haben auch unter den Arctoiden selbst die grössten keine F. diagonalis und wo sie bei den übrigen Carnivoren vorkommt, ist sie unbeständig, bleibt kurz und ist nur unbedeutend nach oben gerichtet. Ihre häufige Verbindung mit der F. anterior wurde bereits erwähnt. | i Die Fissura postica (p) war ebenfalls bei den Ungulaten ee dl En 2 5 A Aue ee a > “ 2 8 — Veber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Sängethiere. 663 - ist problematisch bei den Pinnipeden. Allen Cynoiden und Aeluroiden - kommt sie allerdings zu, aber nur bei den ersteren ist sie fast constant mit der F. anterior verbunden, sonst nur bei einigen Viverriden der Il. Gruppe. Der Hauptunterschied zwischen Ungulaten und CGarnivoren besteht darin, dass sie hei jenen, wie die F. suprasylvia posterior, mehr längsgerichtet ist, bei diesen, wieder parallel mit der genannten Furche, mehr vertical. Nur die Suillidae unter den Ungulaten nähern sich auch darin den Carnivoren, Hyrax folgt den Ungulaten, Elephas hat vielleicht keine, zum mindesten keime entsprechend grosse F. postiea. Fissura suprasplenialis (sps) und postsplenialis (spp) kommen bei grösseren Carnivoren ziemlich häufig, aber selbst bei den srössten Ungulaten nur sehr selten vor. Die Fissura genualis (g) und noch mehr die rostralis {r) finden sich umgekehrt bei den Garnivoren selten, während sie allen Un- eulaten als » Hauptfurchen « zukommen. Die Suillidae bilden auch darin _ wieder eine Uebergangsform, indem bei diesen die genannten Furchen schwach entwickelt sind, ja die F. rostralis einzelnen Individuen sogar fehlen kann. Bei Hyrax kommen sie ab und zu vor, bei Elephas wahr- scheinlich immer. Die Fissura olfactoria (o) kommt wahrscheinlich allen grösse- ren Thieren beider Gruppen zu, gewöhnlich ist sie mit der F. rhinalis "verbunden, sie kann aber auch von dieser getrennt sein. Die Fissura prorea pr), posteruciata (cp) und praecru- ciata haben um so mehr Raum zur Ausbildung, je weiter die F. coro- nalis lateralwärts gerückt ist, finden sich deshalb bei den Arctoiden am ausgebildetsten entwickelt, ja die F. praecruciata vielleicht nur bei die- sen allein. Da sie an sich unbedeutende Furchen sind, kommen sie überhaupt nur bei grösseren Thieren vor. Bei den Ungulaten ist ihr Vorkommen unsicher, vielleicht sind Spuren von Homologien der F. pro- rea und posteruciata vorhanden, bei den Elephanten habe ich die Deu- tung gar nicht versucht, Hyrax fehlen sie alle. _ DieFissuraconfinis (f) ist nur bei den grössten Thieren beider Gruppen eine ausgebildete Furche, sonst höchstens nur durch eine Reihe von Depressionen oder kurzen Furchenstücken vertreten, kleinen Thieren aulich machen, wenn man sich vorstellt, dass bei ersteren die Gegend unter der F. suprasylvia und 664 ‚Julius Krueg, suprasylviaposterioratrophirt, diebeiden ebengenann- ten Furchen, die bei den Ungulaten horizontal verlau- fen, deshalb nach unten zu sich zusammenneigen und zwar derart, dass sie nur an ihrer Vereinigungsstelle inderursprünglichen Höhe fixirtbleiben, mitdenfreien Enden aber mehr oder wenigerstarknach abwärts rücken. Die über ihnen gelagerten Furchen folgen dann in ver- schiedenem Grade derselben Bewegung. Während aber auf der Vorderhälfte desGebirns dadurch ein grösserer Raum für die Entwicklung der über der F. suprasylvia gelegenen Furchen geschaffen wird, gelangt auf der hinteren Hälfte die Gegend über der F. suprasylvia po- sterior nicht zu höherer Ausbildung, die Gegend unter ihr (resp. vor ihr) wird hingegen noch mehr reducirtals jene unter der F. suprasylvia. Nach den neueren physiologischen Unlereuchungei (von FERRIER und noch mehr von Munk) entspräche diese Veränderung einer Verklei- nerung des sensorischen Gebietes, während das motorische eher ver- grössert wird. Es liegt nun verlockend nahe, zwischen dieser Gonfigu- ration der Grosshirnrinde und der Lebensweise so wie Organisation (Extremitäten) der beiden grossen Thiergruppen eine Correlation zu suchen, ja das vermittelnde Verhalten der Suillidae, Hyracidae und Ele- phantidae, selbst das Weiterschreiten der oben angegebenen Bewegung bei den Primaten fordern fast gewaltsam dazu auf; doch will ich mich ° aller hierher gehörigen Betrachtungen, so wie mancher anderer vorläufig noch enthalten, bis mir weitere Detailstudien eine gründliche Verglei- chung aller Saba gehirne gestattet haben werden. 4 Allgemeine Ergebnisse. Ich habe am Schlusse meiner Arbeit über das Ungulatengehirn unter g diesem Titel einige Punkte zusammengestellt, die nun darauf geprüft werden sollen, ob sie auch für das Carnivorengehirn Geltung haben. Bezugs der Entwicklungsgeschichte ist zu bemerken: 1) Dass auch bei den Carnivoren sich nirgends ver gängliche Furchen fanden, die in einem früheren Embryonal- leben entstanden, dann wieder verschwunden wären, um später erst den definitiven Platz zu machen, wie solches in der menschlichen Ana- tomie beschrieben wird. 2) Eine einmal angelegte Furche trennt sich im sp N 665 teren Verlaufe derEntwicklung nie wiederin zwei Theile _ {wird »überbrückt«), sondern im Gegentheil, ursprünglich ge- trennte Furchen vereinigen sich später, wenn es dem Typus der Species entspricht (Fissura anterior und postica bei den Hunden). 3) Die wichtigeren (gewöhnlich auch am weitesten verbreite- ten; Furchen gehen in der Entwicklung voraus, von meh- reren gleichwerthigen Furchen kann aber bald die eine, bald die andere früher entwickelt sein und darum können bei einzelnen Species resp. Individuen auch wichtigere Nebenfurchen minder wichtigen Haupt- furchen voraneilen. Darin verhalten sich die Gehirne der Carnivoren eben so wie jene der Ungulaten, aber die ausgebildeten Gehirne zeigen einen Un- terschied. Der Einfluss der Grösse ist bei den Carnivoren, weniger, jener der systematischen Stellung mehr auf- fallend, als bei den Ungulaten. Der Grund dieser Erscheinung liegt eben darin, dass so bedeutende Grössen , wie bei den Ungulaten, bei den Carnivoren gar nicht vorkommen, das arge Gewirr von accesso- - rischen Furchen, welches die Richtung der constanten stören kann, also auch fehlt, diese letzteren daher klarer zur Geltung kommen. Wie mehr - erwähnt, schliesst sich die Anordnung der Carnivorenfurchen recht gut an das natürliche System an. Der Einfluss der Grösse des Thieres ist aber, wenn auch in geringeremGrade, so doch entschieden vorhan- den. Die accessorischen Furchen sind bei verwandten Species jedenfallsaufden Gehirnen dergrösseren reich- licher entwickelt; bei grossen Species constante Nebenfurchen ‚werden bei ganz kleinen manchmal unbedeutend, oder verschwinden ganz und selbst Hauptfurchen kann dieses Schicksal bei einzelnen Indi- viduen kleiner Species treffen. Wie sehr die Grösse in dieser Beziehung miassgebend ist, lehrt die Vergleichung etwa zwischen Wiesel und Eis- _bär, oder zwischen allen Carnivoren und den Elephanten. » Die Form der Hemisphäre wird durch die Grösse sehon weniger beeinflusst als bei den Ungulaten; wohl "sind die grösseren Species etwas stumpfer, plumper als die verwandten kleinen, diese schlanker gebaut, ‘aber weitaus nicht so auffallend wie bei den seinen; und in viel höherem Maasse wird die Form des Ge- hirns bei den Carnivoren durch die systematische Stellung bestimmt, Fe bei jenen. Noch weniger lässt sich bei den Carnivoren eine d itte Eigenthümlichkeit nachweisen, die ich bei den ulaten »Pronation« und »Supination« genannt habe. - “ ur 4 " Er a a er N I Ye 666 Julius Krueg, u Unter Pronation verstand ich die Neigung der längs des Medianrandes gelagerten Hirnrinde, bei grossen Ungulaten von der oberen Seite auf die © Medianfläche überzutreten, unter Supination die entgegengesetzte Be- wegung bei kleinen Thieren. Bei den Carnivoren lässt sich kaum etwas Aehnliches beobachten, bei Hyrax aber ist die Supination weiter gediehen, als beiirgend einem Ungulaten, denn 4 bei dem kleinsten derselben erscheint nur der hintere Theil des Horizon- . talstückes der Fissura splenialis auf der oberen Seite, bei Hyrax aber dieses ganze Stück sammt der mit demselben verbundenen (längsge- richteten) Fissura cruciata. Hyrax zeigt dadurch eine Eigenschaft, die mit der abnehmenden Grösse der Ungulaten zugenommen hatte, in verstärk- tem Grade, schliesst sich diesen also darin an. Die vielen Furchen auf der Medianseite bei den Elephanten, währendF.co- 7 ronalis und lateralis dem Medianrand sehr nahe kom- men, würde beiden Elephanten aufPronation schliessen lassen, wenn die unsichere Deutung der Furchen nicht überhaupt weitere Schlüsse ebenfalls unsicher machen würde. 2 In dem Streite, ob der Furchenreichthum von der Grösse des Thieres oder von der Intelligenz abhängt, wurden die Garnivoren von beiden Parteien zum Gegen- beweis benützt, da ja einerseits die kleinsten Carnivoren viel klei- ner sind als viele Nager mit glatten Gehirnen und doch Furchen tragen, andererseits die Garnivoren intelligenter sind als die Ungulaten und doch weniger reich gefurchte Gehirne haben als diese. Die Wahrheit ist eben, dass beide Factoren ihren Einfluss ausüben und wahrscheinlich noch andere dazu. Dass höhere In- 4 telligenz, das ist vermehrte Gehirnarbeit, bedingt ist durch, und wieder bedingt eine reichere Ausbildung des Gehirns, ist wohl sicher und das Gegentheil würde im Widerspruche stehen mit der allbekannten Thatsache, dass alle Organe durch den Gebrauch besser ausgebildet resp. grösser er und durch Unterlassung des Gebrauches atrophiren, so wie umgekehrt reicher aus- gebildete Organe auch wieder besser functioniren. Im Einzelnen lässt sich dieser Satz aber nicht so leicht nachweisen; vergleicht man näm- lich systematisch weit getrennte Thiere, so Sa man sich immer be- 2 gründeten Einwürfen betreffs der Vergleichbarkeit aussetzen; nahe ver- wandte Species stehen sich aber wohl auch bezugs ihrer Intelligenz ; immer sehr nahe; denn so auffallende Unterschiede wie zwischen den höchststehenden Affen und dem Menschen kommen bei gleich nahe e _ verwandten Species in der ganzen Thierreihe kaum wieder vor. | Dass aber die Grösse einen augenfälligen Einflus; a 29 = ng - Eee x FR | de Fun auf der Grsshiind der zonoplacentalen Säugethiere. 667 En | Kehrt ein Blick auf die Tafeln; um so unbestreitbarer »r Einfluss allerdings, auf je engere Verwandtschaftsgrenzen man gi Vergleich beschrärkt. Natürlich darf man bei allen ähnlichen Ver- gleichen nicht zufällige Schrumpfungs- und Gefässfurchen mitrechnen, - und darf die vielfachen individuellen Variationen. die durch mannig- - faltige Ursachen bedingt sein können, nicht vergessen. Je a a er Ta in ur” EBE wer “7 = ABS. Dt „ Es ist mir eine angenehme Pflicht am Schlusse dieser Arbeit Jenen zu danken, die mich dabei unterstützten. Ich bin den Herren: Professor M. Leipesporr, Vorstand der psychiatrischen Klinik, Professor B. Brüur, - Vorstand des zootomischen Instituts, Dr. StEINDACHNER, Director, und : A. v. Perzen, Custos des k. k. zoologischen Gabinets, so wie Dr. OBEr- STEINER, Docent für Gehirn-Anatomie und Physiologie, für die erlaubte _ Benützung der Präparaten- und Büchersammlungen, denen sie vor- - stehen, tief verpflichtet. t [i Ober-Döbling bei Wien, im Juli 4879. BOT r PEmTTT 2% RIEREPER MAUMTIETER > i Bi 668 43. Ah. 45. 16. Al . Garı und SpurzuEim, Anatomie et physiologie du Systeme nerveux en general . Mayer, Beiträge zur Anatomie der Elephanten und der übrigen Pachydermen. . Pınsch, Ueber die typische Anordnung der Furchen und Windungen äuf den . FLowEr, On the anatomy of the Proteles. (Proteles cristatus SPARRMANN.) Proc, Julius Krueg, Literaturverzeichniss. et sur celui du cerveau en particulier. (Paris 1846 —1819. 4 Bde. 4°. Mit einem Atlas in Fol.) TIEDEMANN, Icones cerebri simiarum et quorundam mammalium rariorum, (Heidelberg 4824. Fol.) Owen, On the anatomy of the Cheetah. (Transact. of the zool. soc. vol. 4. p. 433. Tab. XX. 1833.) LEURET et GRATIOLET,, Anatomie comparee du systeme nerveux consideree dans ses rapports avec l’intelligence, accompagnee d’un Atlas de 32 planches dessinees d’apres nature et gravees. (Paris 1839—1857.) GUILLOT, Exposition anatomique de l’organisation du centre nerveux dans les quatre classes d’animaux vertebres. (Paris 1844. gr. 40. 369 S. mit XVII Tafeln.) iNov. act. Acad. Leop. vol. XXI. 1845. p. A, mit IX Tafeln.) GRATIOLET, Observations sur les propositions que M. DArESTE a soumises a l’Aca- demie des Sciences, touchant les circonvolutions du cerveau. (Rev. d. zool. 2eser. t. IV. p. 97—415. Pl. IV— VII. 1852.) Huschk£e, Schädel, Hirn und Seele des Menschen und der Thiere nach Alter, Geschlecht und Race. (Jena 1854.) DARESTE, Troisieme memoire sur les circonvolutions du cerveau chez les Mam- miferes. (Ann. d. sc. nat. IV.ser. Zoolg. t. IH. 4855. p. 65—A11. pl. II und III.) OwEn, On the anatomy of vertebrates. Vol. III. Mamals. (London 1868.) Grosshirnhemisphären der Menschen und der Affen. (Arch. f. Anthropo- logie. III. Bd. 1868. p. 227—257. Taf. V— VII.) zool. soc. 1869. p. 474—496.) | GERVAIS, M&moire sur les formes cerebrales propres aux Carnivores vivantset fossiles, suivi des remarques sur la classification de ces animaux. (Nouv. arch. d. mus. d’hist. nat. t. VI. 4870. p. 4103—162. pl. II—IX.) MuriE, Descriptive Anatomy of the Sealion (Otaria jubata). (Trans. of the zool. soc. vol. VIII. part. IX. 1874. p. 504—582. pl. 75—82. read Dec. sh ei 1870.) . LussanaA e LEMOIGNE, Fisiologia dei Centri nervosi Dee vol. I. (Padova 1874.) = WıLper, The outer cerebral fissures of Mammalia (especial carnivora) and the limites of their homology. (Papers chifly anat. pres. atthe Portland Meet. ofthe Amer. Ass. for the adv. of sc. August 4873. p. 244.) WıLper , Cerebral Variation in Domestic Dogs, and its Bearing apen Scienti Phrenologie. (Papers wie oben p. 234.) a W ne SER | Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säugethiere. 669 48. GEoRGE, Monographie anatomique des mammiferes du genre Daman. (Ann. des se, nat. VI.ser. Zoologie. t. I. 4874. Nr. 9. p. 1—200. pl. XIII—XIX.) 5 a. _ GERVAIS, Remarques sur les formes se propres au Thalassotheriens. {= (Journ. d. Zool. t. Ill. 4874. p. 570—583. Pl. XIX.) 20. Pansch, Ueber gleichwerthige on am Grosshirn der Carnivoren und Pri- maten. (Centrlbl. f. d. med, Wiss. 41875. Nr. 38. p. 641—645.) - 24. MEyvserT, Die Windungen der convexen Oberfläche des Vorderhirnes bei Men- schen, Affen und Raubthieren. (Arch. f. Psych. VIl. Bd. 4877. p. 256 - bis 286.) 22. Broca, Anatomie comparee des circonvolutions cerebrales. Le grand lobe limbi- _ ; que et la scissure limbique dans la serie des mammiferes. (Rev. d’Anthro- i pologie. 7. a. 2. ser. t. I. 1878. p. 385—498.) 1 23. GARRoD, Notes on the visceral anatomy of Lycaon pictus and of Nyctereutes pro- E evonides. (Proc. zool. soc. 1878. p. 373—377.) 94, Fenrıer, Die Functionen des Gehirnes, übersetzt von Dr. HEINRICH ÖBERSTEINER. (Braunschweig 1879.) BENEDIKT, Anatomische Studien an Verbrechergehirnen. (Wien 1879.) E Tabelle A. Jebersicht über die meiner Arbeit zu Grunde liegende Anzahl Grosshirnhemispbären von Föten und sehr jungen Thieren. STR In der Ten vorfindliche Ansichten L selbst Be bnung des Thieres || unter- E | bei s bei 2 Ds N sucht B Z = is domestica Föten | 30 |— | BI | EN domestica neugeb. | 16 | __ = | Kr familiaris Föten 7 |— =} | 1 |20 familiaris neuge- | BE Fe en bis 5 Wochen | | | 12 | 2 j41, Fig. 37 4 11, Fig. 35) 8 Er Fig. 36 u. 39; 16, | = #0. 15:4. und 38. | | Fig.7,17, Fig. a4 j i | | bis 3%. Canis) occiden- | | | | | ötus .— I- I | 4 16 Fig. 6. | 3 Zoolosie. XXX. Ba. u, Dipl ae: Be ER . | Ordo Subordo | Sectio Familia Gemus | ER Fennecus zoarensis [ Leucocyon lagopus Vulpes vulgaris Oynsidea , Canidae a familiaris | | Lupulus aureus Lupus vulgaris ‚ [ [ Felis domestica Felis catus : Felis pardalis Bandes ) Cynailurus Jubatus ! Leopardus pardus Leopardus antiquorum : j Puma eoncolor Aeluroidea ' Leo | Ä Hyaena crocuta | Hyaenidae | Hyaena striata Proteidae Proteles cristatus Fissipedia - Viverra zibetha Viverra civetta k asıyora Genetta vulgaris Paradoxurus Bondar | Viverridae Herpestes faseiatus Herpestes griseus Herpestes Ichneumon | Herpestes paludosus : , | Suricata tetradactyla N Foetorius vulgaris Ri | Foetorius (Putorius) Noveboracensis Foetorius putorius Foetorius putorius furo Asie Martes foina Au leldae Martes abietum Zorilla striata h Meles taxus l Lutra vulgaris Arctoidea \ fi i Cercoleptes caudivolvolus | Nasua Procyonidae Procyon lotor Helarctos malayanus | Ursus americanus edlae Ursus arctos £ | Thalassarctos maritimus 7 S Probidas | Calocephalus vitulinus R i Up Otaridae Otaria jubata a Lamnungia, Hyracidae Hyrax 1% : \ Elephas indieus MN Proboseidea | Elephantidae } jjephas africamıs we Mn ? Be’ a 4 Ss 2 'IRUAL ur | a. K% 2 | Bi ui Bi} u ı4 | 4 ee; a ® — en 3 — (Ep = 3 N 2 il N ' AR Ale E | h ei aM BI ce ı — 3 \ — ii ee, ” | —_ K iu Be | A | EB 6 2 In der Literatur vorfindliche Ansichten ; 8 | 7 a on abgebildet bei | abgebildet bei 1 abgebildet bei al 2 ze Eı T 1 [ Fa non | 2 [13, Pl. IV, Fig. 9a. 61 ‚1, Pl. IV, Fig. 9. «x: PL ı |9, Pl. II, Fig. 1. : x 4, PL.IV, Fig.3; 2, Fig.| 4 |4, Pl. IV,Fig.2;22, Fig.%6., 5 j4, PI. IV, Fig. 1; 16, Fig. 3 und 4; SS 24. | IR 221, Fig.7; 22, Fig. 12; 25, Fig. 1. a. 5, Fig. 188; 15, Fie.136; | 6 | 11, Fig. 41515, Fig.142:16, | 14 4, PLIV, Fig. 1: 5, Fig.189; 11, 5° 20 ; 21, Fig.9: 22, Fig, ; Fig. 14. | ' Fig. 42; 15, Fig. 139; 16, "Fig. a 3. . 12, 13, 16; 17, Fig. %, 35; 2: $ 21, Fig. 18; 22, Fig. 18 und 19. “ righe 1 124, Fie. 32. Er j | 2 | 13, Pl.II, Fig. 4a. | 2 4, Pl. IV; 13, Pl. III, Fig. 4. a 3, Fig. 6; 4, PI. V,.Fig..) ‚19 Bi Pl.LXXVII, Fig. 252. Falert 1,8... 48, Eie.5; 4, Pl. W; Fig. 2; 5,Fig. 172; x | 355, Fig. 173: 15, Fig. III, Fig. 5; 3, Fig. 4; 4, | "9, Pl. IL, Fig. 3; 11, Fie. 34; 15. 1 124. | Bl. V, Fig. 1: 5, Fig. 170; | Fig. 130; 16, Fig. 175,24, Fig. 35. | u, TRr, Fig. 4; 11, Fig. H 32; 15, Fig. 196; 16, Pie. 15; 24, Fig. 34. E s ge ı 121, Fig. 16 ‘a 122 17: Bl.NM. £’ 17:4 WAT. | 3, Fig. 3. | 4 |13, PLIX, Fig.7; 7, Pl. VI | 2 17, PL VII; 3, Fig | I | Fig. 1. & Pie 1 4 P1. V. ER I15, Fig. 133. 3 | 15, Fig. 134. | 1 115, Big. 135 | 2, ze 8. I nd) 2, Rie: it: I ‚Fig. > I 4 |2%’Fig. 354,Pl. V, Fig. 1. | 4.14, Pi. I Fig. 2; 16, Fig. 18 und 19; 'E | 21, Fig. 23. e „ 2 | 13, Pl. IX, Fig. 11. | 1 19, PL. IL, Fig. 2. 1 | — | 1 16, Fig. 9. 112, Fig. 4. | 2 |, Fig.1. 1 2 Fig. 2. e: en wi! „ Fig. 6. a, I | 2 |13,Pl.IX, Fig. 5 ii. SR u 5 | a | ı 19, Pl II, Fig, 7. MW |ı3, pi. IX, Fig. 2e. 2 -| 13, Pl. IX, Fig.2. | e # | 2 13, Pl. VII, Fig. 6. BE | u = ı 2 | 13, Pl. VIIL, Fie. 7. il an 55 — 1 19, Pl. I, Fig. 6. m 2 13, Pl. IX, Fig. 1. = ei RR | == 2 Re: Pl. VII, Fig. 5. 1 |13, Pl. VII, Fig. 5a. er _ — Be" —_ | 1 16, Fig. Ss. 5 Br: 7 er en x 4 Er} t 4 13, PL VIH, Fig. 2; 4, Pl. VI 1 113, Pl. VIII, Fig. 2a. x ' "ZEREE | 4 | 13, P1. VI, Fig.3;4, PL.VI.| 2 |21, Fig. 12; 9, Pl. I. Fig. 5. NE Br: [2° 118, PI-DR, Fig: 4. = 5 | 2 [13, Pl. IX, Fig. 6. + = | 22, Fig. 4. 6 4, Pl. VI, Fig. 1; 13, PL.IN,| 2 !4, Pl. VI, Fig. 3; 22, Fig. 6. Se | Fig. S; 22, Fig. 55 |. Be v 2 113, PL.IX, Fig. = 1 |9, Pl.2, Fig. S. ns 6 | 2, Tab. IV, Fig.5;4,Pl.VL, | 2 |2, Tab, IV, Fig. 7; 4, Pl. VI, Fig. 2. re Fig. 1; 2, DH ix ie. 10. x 4 |2, Tab. VI, Fig. 8: 13, Pl.j 1 16, Fig. 11 r VIII, Fig. 1. : 35-18, Pl: WI. ERS BERVT & ei 1 5. Fig. 1 Pe, 105 25, Fig. 3. |° 2 |:13, Pl. IX, Fig. 9. er ; 21, Pig, Sn | | , | 13; 3, Fig. 3. ERS PL AV 5 BET PR 4 12, Tab. =. Fig. 7;4.Pl. 1x, | — ı 7 Fig. 1 | s 2 |14, Fig. 38. 1 14, Fig.40. 4 18, Fig. 31; 10, Fig. 96. 2 18, Fig. 33; 10, Fig. 106. 2 |6, Tab. XIM. Ir La, PRKIV. | | 13% 672 Julins Keneg, Ueh. die Kurchen anf der Grosshirnrinde der aonoplacntalen Sängeth. Erklärung der Abbildungen. Tafel $ Zeilschrift I. wiss. Zool.Bd.XXXIII Zeitschrift f. wiss. Zool. BU.NXXII. r Tafel X. = =] Weisraann del. . Verlas von Wilh. Engelmann Leipzig, Lith.v.J. A, Hofmann, Würzburs Lith,v.J. A. Hofmann, Würzbur®. » ee TER ETF ERER E, EI ” ü ie . - . a 1 y Se Tafel X. Zeitschrift f.wiss. Zool. BA.XXXI. Weismann del DitLv.J A.Hofmann, Würzburg. Lithv.J. A.Hofmann, Würzbur. ee u Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd.XXXII. Fig.29 A } = Sl f . h E - | ) me Mash ah N 2 a — . Fi6.32 B Tafel XI. =) Fig.30. \OB [O) ( SOFL [o) 09000 © : = Da J „des > chu- EIN —__ - < Di) eismann del. Verlag von Wılh. Enselmann inLeipziß. u E Zeitschrift wiss. Zool. BA.XXXM. . Tafel XII. S i ‘ Zeütschrüt £.- wiss. Zool.bd AN a in Söieefemenunne te Suse RR SI eitschrift {wiss Zoot. Bil KEKIT. Zeitschrift £ „Zeitschrift 1, wis Se BR —e e langerhans del. Zeitschrift Emiss. Zoologie Ba. KAM. X NEE NOT PS 3 20; AR)? 3 [2 2 a = erl ion 2 u hr fr toiss. Zoologie. Bil, KEN 219.13 Fig. 19. TaufEXIX. Fig. ib es te 5 < ‚ 5 = > a + er En nn en rn ren wre u a a un arte a a a A a N a EEE N SEEAEREFE CHE SEE EEE EEE LEE: DE —— _— eu S = = SH S N S S S 8 S | I S S S Zeitschrilt Kwiss. Zool. bad. Takt. ig. Tag Fi og sa { \ J x Aa sa () DR) (ir: > 9 Zeitschrifi. Luiss.Zool. ba. AA Il. Fig. „A. (N \ \\ ea SS SISEr Zr EL ! i SS AFFE HF — HL LIEr | ” FR VEZFRNS Sr GERN I) EN un un V N | N ee iketriil Faniss Ton), BaLRPAI > # Zeitschrift Kuss. Zoot, Ba. aaa N I NR | CRY Er | We ü 8 | IB cs 7 AZ, N EN N IS) N NOS ee Zeitschrift f. wiss.Zool. OP------t-7-- a EG Zeitschrji f. 10155. Zoologie Ba,_NXX Verlag wWilh, Engelmann. eipzig a Tat 1. NUT > 2 b ritschhilt E miss. Zoologte g Fig.1 Fig. 9 CT Fu Die Aare vl a hier. Erachart Herlag v WIR Feralmana, Znpair Sclreks = SEE Zeitschrift I. wiss. Zool. Ba. XIX. Po‘ Taf XIX. Le r ? R einzig Lith.Anstw.J 6 Rabus | Fig 21u,22) u Stöhr gez - Verlag v.Wilh. Engelmann, Leipzig Taf, ANXAT, Tarı AAAZ. NQzUL..., | il j } f < ” y “ . RE 5 r - 2 e in # 4 E TUR XNXXIT. Zeitschrift [ıpts5.Zool.BARXNIT. RTSCH, u? ift F wiss. Zool.Ba. II. Entwickhmesstadien. Fe TE a \ £ \ ( x EIS { A N A N I N = \ N En N Je N = \ { \ / J \ ( \ { 2) ( »/ J N er) R Sy 8 “ p vhp B Tı U N Canıs famıliaris 52 S ) Fiss. Syivii Geöffnet. ei > 6 Leucocyon lasopus& Canis tamlliaris 20. Fiss. Sylvii geöffnet. E ee a Er Felidae. Zaß EEITT eb} [a=} >} Be! RE) > “ z No - 127 Ting - — A - S Ss = — Ir a . ah Be —g na n DRS, . \_ o S a / 5 iS SINE, cd ro) Da eh jan B) En Ne = eiha ®%2 an 10 Tirerra z IR [wiss Zool. Bd III Zorille striata "Yo. Noveboracensis "a2. 15V 1 U Talıdos ’z Herp qmiseus 922: Herp doxurus Bondar ©%9 Fara Virerra civetta 2. ii x . . j , 1 EEE u NEN FERSESEE x & | aM. Fıriss Zool. BLEI. Mustelidae. Procyonidae. Tat. KIAVIT. Zeitschrift. R wiss. Zool. Ba. INT. Phocidae. Calocephalus vitulinusr%;. Otarıidae. Otarıa jubata =7. Hyracidae. 3, Hyrax 3; . Elephantidae . aut 180 africanus Elephas - JKrueg del vehnift Kiss. Zoo0l, em: mat tr! E ea seoRe HR we t % altiehet ei DIESE TE Den ee ER aa LAN i “ nme, “. Do AESEE ESHI vartar, e rt, Baba “ ir en” Ze a: mama ae 2 . Hama ua ne I “ EN ; i DR Sn BL NE 6 Ic tr * ee r eier URTERSNE, r ” “ RE Apr sereir Da ae BER