an I Er u GA har m An ad I und vd. en 2 hend ve me nd ARE Tee DAL] Jen en Ta In F SRLTLT ee ol, Ken M vr q green . a - { y f Zen Pie r We A Yeah k ee neu ben a Er Re bn Fahn wir u HT ö : ya; .. ERFRG ie he. . 4 er teeen “ ) ee „ PN rt mi } pi De a i N - 0 ent h . E hu ee isch : N Ile > b a , S n Khe En ee ee ne a ar a ae TER NEE i TE . eu Er rag . n Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professora.d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universitätzu Göttingen. £ N Ne %g LINE 2 4 =, D Ups ınetON/ en Bu» Aweiundvierzigster Band - Mit 30 Tafeln, 5 Holzschnitten und einem Bildnis. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1885. RK irnadia En Inhalt des zweiundvierzigsten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben den 24. Juli 1885, Seite C. Th. E. v. Siebold. Eine biographische Skizze von E. Ehlers. Mit Bildnis I Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. Von en 2 ee ee ee Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen. Von MIETEN Ver ce eat ae ei 47 Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. Von C.Smalian. (Mit Taf. V en A Zweites Heft. Ausgegeben den 18. August 1885. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken und ihrer euro- päischen Verwandten. Von H.Simroth. (Mit Taf. VI—XL). . . . . 203 Drittes Heft. Ausgegeben den 27. Oktober 1885. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten Von A, Fleischmann. eeloizschnitien: ie... le en ee seen Io Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. Von R. Greeff. N Da, SUTZRU NR) ER ee a Re Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus (Lam.) und des | Halicryptus spinulosus (v. Sieb... Von W. Apel, (Mit Taf. XV—XVIl.) 459 Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. Von F. Große. (Mit Taf. XVII.) 530 Über den Geschlechtsapparat von Nematois metallicus Pod. Von N. Cho- ne RIES TEN EI DE ee A ee iv Viertes Heft. Ausgegeben den 24. November 1885. Seite Die Anatomie der Psylliden. VonE. Witlaczil. (Mit Taf. XX—XXI.). . 569 Entstehung neuer Arten durch Verfall und Schwund älterer Merkmale. Von B=-Schmidt:, [Mib-Tal.- RXIL) = 2 2.22 Be Vergleichend embryologische Studien. Von E.Metschnikoff. (Mit Taf. XXIV —XXVL) 4. Über die Gastrulation und Mesodermbildung der Ctenophoren. . . . 648 5. Über die Bildung der Wanderzellen bei Asterien und Echiniden . . 656 Das Geschmacksorgan der Insekten. Von F. Will. (Mit Taf. XXVIL). . . 674 Über einen neuen Entwicklungsmodus bei den Nematoden Von v. Linstow. (IMSL-TARRKVHIE) 2... 2 1 HEIM Br Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen. Ein Beitrag zur Kenntnis der Bandwürmer. Von O0. Hamann. (Mit BENKIXNKN A 2000 e Verlagsaust. Bruckmann repr. IH, Verlag von W., Engelmann, Leipzig. Eee una Er ur 3 TA a ENTTRRET EIER RT sn Re BER 30 * WETTER BEE ENGER EEE VER BEE EEE EEE SEE EEE EEE «FR RR ER EEE EEE GB ER AUGEN GE EEE ADRESSE ER GE CARL THEODOR ERNST VON SIEBÖLD. EINE BIOGRAPHISCHE SKIZZE VON E. EHLERS. Am 7. April 1885 starb zu München: hochbetagt C. Tn. E. VON SIEBOLD, der allverehrte Nestor der deutschen Zoologen, der Mitbegründer und erfolgreichste Förderer dieser Zeitschrift. Mit ihm erlischt im Mannesstamme ein Zweig der Asklepiaden- Familie der SIEBOLDE, wie: sie OREN einst mit Recht genannt hatte; denn unseres SIEBOLD Urgroßvater war ein Stadtehirurg und Senator in der jülich’schen Stadt Nideggen, dessen Sohn aber, CARL CAsPpAR SIEBOLD, der berühmte Chirurg, Professor der Anatomie und Chirurgie und Reformator der seit ihm blühenden medicin. Fakultät zu Würz- burg, Chirurgus inter Germanos princeps, wie er auf einem Kupfer- stiche genannt wird, der im Jahre 1801 in Anerkennung seiner Ver- dienste vom Kaiser geadelt wurde. Von dessen vier, alle dem ärztlichen Stande angehörenden Söhnen war der jüngste ADAM ELIAS voN SIE- BOLD, der im Jahre 1816 als Professor der Geburtshilfe von Würzburg nach Berlin berufen ward und dort 1828 starb. Ihm wurden aus seiner Ehe mit der ältesten Tochter des fürstl. Thurn- und Taxis’schen Leib- arztes Dr. JAC. CHRIST. GOTTL. SCHÄFFER in Regensburg außer drei Töchtern zwei Söhne geboren, beide anfänglich nach dem Wunsche des Vaters für den ärztlichen Stand bestimmt. Dem ist der ältere, Ep. Casp. JAc. VON SIEBOLD (geb. 19. März 1801 zu Würzburg) treu geblieben, bis er, ein hochverdienter und geschätzter Forscher und Lehrer, als Professor der medicinischen Fakultät für das Fach der Geburtshilfe in Göttingen (27. Oktober 1861) starb. Der jüngere Sohn aber, unser CARL TH. ERNST VoN SIEBOLD (geb. 16. Februar 1804) u M GER HR ZI EAN II fügte sich zwar anfänglich auch dem Wunsche des Vaters; wir begrüßen aber heute froh die Wendung, welche es ihm gestattete auf jenem Ge- biete der Wissenschaft große Verdienste zu ernten, auf welchem der Großonkel seiner Mutter, der Prediger JAK. CHRIST. SCHÄFFER (geb. 30. Mai 1718 in Querfurt, + 5. Januar 1790) in Regensburg, und dessen Großneffe, der Vetter unseres SIEBOLD, GOTTL. AuG. WILH. HERRICH SCHÄFFER (geb. 1790, + 1874) der gelehrten Welt rühmlichst bekannt geworden sind. In vox SIEBOLD’s zu Würzburg verlebten Kinderjahren hat es nicht an Anregungen zu dem gefehlt, was des Mannes Lebensaufgabe wurde und was seine Mußestunden verschönte. Für den ersten Unter- richt sorgten in den von Krieg und Kriegslärm bewegten Zeiten theils tüchtige Hauslehrer, theils der Besuch der lateinischen Schule der Vaterstadt. Aber hier schon lenkte sich des Knaben Sinn auf die Be- trachtung der Thierwelt; in Würzburgs Umgegend wurden zusammen mit dem älteren Bruder entomologische Streifzüge gemacht; Ferien- reisen zu dem Großvater SCHÄFFER nach Regensburg, von welcher bei einem Besuche in Erlangen mir VON SIEBOLD in froher Jugend- erinnerung erzählte, mögen die vielleicht von der Mutter eingepflanzte Neigung gepflegt haben; und wir wissen aus seinem Munde, dass es tiefen Eindruck auf ihn machte, als er in dieser Zeit einst im Hause DÖLLINGER’s, des bahnbrechenden Anatomen und Vaters seines Jugend- freundes IGnAZ DÖLLINGER, des jetzigen bekannten Stiftpropstes in München, die im anatomischen Präparat aus einander gelegten Ein- geweide einer Fliege sah. — Gleichzeitig wurde, wie jetzt so später, im elterlichen Hause des Knaben Sinn für Musik geweckt; dass unser SIEBOLD wie sein älterer Bruder auch Unterricht auf der Trommel zur Ausbildung der Handgelenke genossen habe, ist mir nicht bekannt; aber die Freude und die Fähigkeit, Musik zu genießen und auszuüben, ist ein wohl schon auf die Würzburger Jugendzeit zurückzuführender Erwerb, mit dessen Besitz von SIEBOLD während seines Lebens, wo immer er seine Stätte aufschlug, sein Haus zu verschönern, einen Kreis gleichgestimmter Freunde zu vereinigen und zu erfreuen verstand. Nach des Tages Arbeit brachte ihm die Musik die beste Erholung, und sie mit Erfolg zu pflegen, scheute er keine Mühe; in der ange- strengten Thätigkeit, welche ihm später der Eintritt in die Professur in Erlangen im Lehren und Forschen brachte, fand er Muße und Aus- dauer, als Dirigent mit einem Kreise von Dilettanten und Musikfreun- den Oratorien zur Aufführung zu bfingen, und er gedachte später mit DI Heiterkeit der Sorgen, welche ihm Studenten, Hauptträger einzelner Partien, dureh ein Ausbleiben von den Proben oder der Aufführung bis zum letzten Augenblick gemacht hatten. Des Vaters Berufung an die Universität Berlin, wo die Familie am 18. Oktober 1816 eintraf, ist für die anfängliche Lebenswendung VON SIEBOLD’s von weittragender Bedeutung geworden. Zunächst war der Eingang in diese Berliner Zeit ein trüber: wenige Wochen nach der Übersiedelung starb von SIEBOLD’s Mutter, und dem Vater wollte es längere Zeit nicht gelingen, in den neuen Verhältnissen eine volle Befriedigung zu finden. Für den 12jährigen Knaben aber war es wohl ein Gewinn, dass er, als Quartaner, in das Gymnasium zum grauen Kloster aufgenommen wurde, dessen Vorzüge gegenüber den Würz- burger Schulanstalten der ältere Bruder später besonders hervorge- hoben hat. von SIEBOLD verließ diese Schule, zum Besuche der Uni- versität reit, Michaelis 1823; die Neigung zu naturwissenschaftlichen Studien hatte im Sammeln von Insekten und Pflanzen sich befestigt; an den Exkursionen des Botanikers LINK hatte VON SIEBOLD schon als Gymnasiast sich betheiligen können. Beim Übergang zum Universitäts- studium entschied der Wille des Vaters wie bei dem älteren Bruder, der seiner Neigung folgend sich der Philologie zugewendet hätte, so auch bei dem jüngeren, dass als Fachstudium Mediein betrieben werden solle. Ihm mag der Entschluss dazu nicht schwer gefallen sein, denn die dieses Studium einleitenden Wissenschaften führten ja zum Theil in eindringlichster Weise zu der Behandlung der Naturobjekte, mit denen der Knabe und Jüngling sich gern sammelnd und beobachtend beschäftigt hatte. VON SIEBOLD’s akademische Studienjahre sind in Berlin (1823/24), Göttingen (1824/27) und wieder Berlin verbracht. Dass in hervorragen- der Weise einer seiner akademischen Lehrer auf seinen späteren Ent- wicklungsgang Einfluss gehabt habe, kann wohl kaum behauptet wer- den. In Berlin hatte ihn der Botaniker Link persönlich angezogen; LICHTENSTEIN und RUDOLPHI vertraten die Fächer, in welchen er selbst später lehren sollte; in Göttingen hatte er an HAUSMANN’s geo- logischen Vorlesungen und Exkursionen gern Theil genommen, und dass er BEUMENBACH Anregung verdanke, sprach er in seiner Disser- tation aus, welche er in Göttingen zu bearbeiten begonnen hatte, und die er später, als er nach Berlin zurückgekehrt war, BLUMENBACH »praeceptori suo honoratissimo« widmete. — In Berlin hatte nach dem dreijährigen Studium in Göttingen VON SIEBOLD den praktischen IV Studien der Mediein obgelegen, war auch bei seinem Vater, der ihn dem Fache der Geburtshilfe zuzuführen wünschte, Assistent gewesen, bevor er mit seiner am 28. April 1828 erfolgten Promotion einen äußerlichen Abschluss seines Universitätsstudiums kennzeichnete. Kurz darauf (12. Juli) starb rasch und unerwartet der Vater. Die Nothwendigkeit, eine gesicherte Lebensstellung zu erreichen, ließ VON SIEBOLD (1829) die ärztlichen Staatsprüfungen ablegen, und seine Studien zur Erlangung einer Physikatsstelle fortführen. Zoologische Studien gingen nebenher; es war die Zeit, in welcher RUDOLPHT'Ss Einfluss das Studium der Helminihen förderte; EHRENBERG’S um- fassendste Untersuchungen die Welt des Kleinsten erschlossen und kennen lehrten ; in welcher ein Kreis gleichstrebender junger Männer, WIEGMANN, BURMEISTER, D’ALTON, ESCHRICHT, NORDMANN in Berlin weilte. — Von ihnen schied VON SIEBOLD, Anregungen mannigfaltiger Art mit sich nehmend, um nach bestandenem Physikatsexamen (1830) die Stelle eines Kreisphysikus in Heilsberg (Ostpreußen) zu über- nehmen. In das Haus, welches er in selbständiger Stellung gründen wollte, führte er die Schwester eines Schulfreundes, WILH. NÖLDECHEN, des späteren Konsistorialpräsidenten in Magdeburg, FAnNY, die ihm länger schon verlobt war, als Gattin ein. Sie ist es gewesen, welche, an VON SIEBOLD’s Interessen den lebhaftesten Antheil nehmend, wohl in manchen Lagen des Lebens mitrathend dem Manne zur Seite ge- standen, den Entschluss zu mancher entscheidenden Wendung mit her- beigeführt hat. Aus der Ehe wurde in Heilsberg eine Tochter, ANTONIE, das einzige Kind voN SIEBOLD’s, geboren. Aber es war kein dauerndes Heim, welches er in Heilsberg be- zogen; VON SIEBOLD trat nach den akademischen Lehrjahren in die Wanderjahre, und vom Norden zum Süden Deutschlands übersiedelnd hat er an keinem Orte länger als sechs Jahre gelebt, bis München dem Meister dauernd eine bald lieb werdende Stätte bot. In dem äußeren Wechsel jedoch blieb ununterbrochen gleich die Liebe zur zoologischen Forschung, die Lust das Erkannte mitzutheilen ; zu mancher Frucht, welche später zeitigte, wurde der Ansatz in den Studien gewonnen, welche der junge Forscher während einer mehr oder minder verein- samten Stellung in den Städten Ostpreußens anzustellen Muße fand. Einer Familie entstammend, welche den Universitätskreisen längere Zeit mit allseitiger Anerkennung angehört hatte, mochte ihm der Wunsch rege bleiben, in akademischer Thätigkeit seine Kräfte ent- falten zu können. V Bald aber sollte sich ihm derselbe nicht erfüllen. Von Heilsberg aus war er mit K. E. v. BAER, welcher damals in Königsberg wirkte, in Verbindung getreten, und hatte sich vielfacher Unterstützung und Anregung bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu erfreuen gehabt. So musste es ihm willkommen sein, durch eine Versetzung im Frühjahr 1834 aus dem kleinen Heilsberg nach Königsberg geführt zu werden ; allein sein Wunsch, hier als Privatdocent sich zu habilitiren, scheiterte an konfessionellen Bedenken; VON SIEBOLD war Katholik und das Statut der alten Albertina verwehrte damals die Zulassung eines nicht prote- stantischen Gelehrten zu irgend einem Lehrfache an ihr. Da war in Danzig das Direktorium der Hebammenschule vakant, und VON SIEBOLD, durch seine frühere Stellung als Assistent zur Seite seines Vaters da- für wohl vorbereitet und als wissenschaftlich arbeitender Mann an maßgebender Stelle bestens empfohlen, erhielt diese Stellung, welche eine gesicherte Einnahme und neben den Amtsgeschäften genügend freie Zeit für wissenschaftliche Thätigkeit verbürgte. Statt in Königs- berg Privatdocent zu werden, siedelte VON SIEBOLD im Herbst 1834 nach Danzig über und begann von hier aus, bis er im December 1840 die Stadt verließ, in vielseitiger ausgedehnter Weise, vorwiegend je- doch zoologischen Studien zugewendet, litterarisch sich zu bethätigen. Hier entstehen die »Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens«, so wie »die Beiträge zur Naturgeschichte der wirbellosen Thiere« ; auf Exkursionen in Danzigs reizvolle Umgebungen und an den Strand der Ostsee wird das Material dazu mit größtem Eifer eingesammelt, und zweierlei prägtsich aus, was für SIEBOLD’s Arbeiten charakteristisch wird. Eine ausgesprochene Neigung zum Sammeln, und ein großes Geschick, das Gesammelte wohlgeordnet zu bewahren und nutzbar zu machen. Hat diese Neigung und Fähigkeit den Anlass gegeben, für faunistische Studien oder systematische Untersuchungen das Material zu beschaffen, so hat sie auch auf anderen Gebieten sich bewährt, und die ausge- dehnte Beherrschung der Litteratur, wie sie VON SIEBOLD’s Schriften kennzeichnet, beruht zum Theil auf dieser Eigenart. VON SIEBOLD hatte, ehe er diese seine Begabung als Konservator der Sammlungen des baierischen Staates zu bethätigen hatte, ausgedehnte Sammlungen von Insekten und besonders Helminthen zusammengebracht, die letzteren sind später Eigenthum der kaiserlichen Gesellschaft der Naturforscher in Moskau geworden. Es kennzeichnet diese Sammellust voN SIEBOLD’S wohl, wenn ich erwähne, dass er Anzeigen von Familienereignissen, welche ihm aus dem ausgedehnten Kreise seiner Bekanntschaft zu- vI gingen, sorgsam geordnet aufbewahrte, so dass er im Stande war, so- fort über ein derartiges Familienereignis durch Vorlage gleichsam eines Dokumentes den Ausweis zu bringen. Aber nicht das Eintragen der Thiere, das Anhäufen entomo- logischer oder helminthologischer Schätze stand für VON SIEBOLD bei diesen seinen Bestrebungen in erster Linie. Das lebendige Thier, sein Werden und seine Verrichtungen zu beobachten, die anatomische Zer- gliederung für die Erkenntnis der Lebensvorgänge wirbelloser Thiere heranzuziehen , und dabei ausgiebigen Gebrauch des Mikroskops zu machen — ein Instrument von PLössL wurde dafür verwendet — das war es, was die Danziger Studien kennzeichnet, aber auch für die Folge die Signatur der wissenschaftlichen Arbeit von SIEBoLD’s bildet. Eine Fülle von Einzelbeobachtungen wird in dieser Zeit in verschiedenen Zeitschriften der Öffentlichkeit übergeben; und ein Überblick über dieselbe (II, 6—52) erinnert an SIEBOLD’s Ausspruch in dem Vor- worte seiner Dissertation: Decet enim tironem, naturam magis sequi, ejusgue regulis in conscribendis libellis obtemperare, quam novas statuere theorias nulla gaudentes veritate, aut ea, quae decies jam re- petita sint, aliis solummodo ornata verbis obtrudere lectori. Noch sind es auch vereinzelte Erfahrungen aus der ärztlichen Praxis, welche, zum Druck gebracht, uns zeigen, dass VON SIEBOLD es in der Verwaltung seines berufsmäßigen Amtes an Ernst und Gewissen- haftigkeit nicht fehlen ließ; gemeinsames wissenschaftliches Interesse verband ihn mit dem Direktor des städtischen Krankenhauses, dem späteren Professor der Chirurgie in Göttingen, W. Baum, und daher stammt der erste Nachweis vom Vorkommen eines Flimmerepithels im Körper des Menschen, beobachtet auf einem exstirpirten Nasenpolypen Es. 42% Diespeciellzoologischen Studien, abgesehen von den faunistischen, beschäftigen sich theils mit einzelnen wirbellosen marinen Thieren, von denen besonders die Medusen hervorzuheben sind, dann aber mit Hel- minthen in dem weitesten Sinne, wie diese Gruppe von Parasiten zu jener Zeit nach der Gemeinsamkeit der Lebensverhältnisse zusammen- gefasst wurde, und mit den Insekten ; und in Allem sind es vorwiegend die auf Generationsvorgänge sich beziehenden Verhältnisse, welehe be- sondere Berücksichtigung finden. So wird nach dreijährigen Studien die aus den Eiern der Medusa aurita hervorgehende Polypenbrut be- schrieben; noch von dem vorübergehenden Aufenthalt in Königsberg her die Nachkommenschaft des lebendig gebärenden Monostomum vII mutabile und deren erste Wandlungen dargestellt, und auf die Be- ziehungen hingewiesen, welche diese Jugendformen zu den von v. BAER und BoJAnus beschriebenen Cercarien erzeugenden »königsgelben Würmern« haben. Das waren gesicherte Thatsachen, mit denen dann STEENSTRUP, ähnliche Mittheilungen von M. SArs heranziehend und eigene Beobachtungen hinzufügend, die Lehre vom Generationswechsel begründete. Gleich bedeutungsvoll gestalteten sich im weiteren Verlauf der voN SıeBorp’schen Forschungen die Erfahrungen, welche er über die Samenflüssigkeit und die Spermatozoen der wirbellosen Thiere, ganz besonders der Insekten, sammelte ; wie er in überwinternden Wespen- weibchen die Fortdauer der Vitalität der Spermatozoen im Recepta- culum seminis feststellte, und so eine Erkenntnis gewann, an welche er selbst später wieder anzuknüpfen hatte. In diese Zeit fällt es auch, dass er die Beobachtungen an Gregarinen aufnahm, Mermis und Gor- dius behandelte, und dass ihm in Xenos ein Vertreter der Strepsipteren entgegentrat, denen er später eingehendere Beachtung schenkte. Solehe Thätigkeit, deren Ergebnisse in rascher Folge den natur- forschenden Gelehrten vorgelegt wurden, zum Theil leider in periodi- schen Schriften, welche wie die preußischen Provinzialblätter eine nur enge Verbreitung fanden, musste die Aufmerksamkeit der Fachmänner in weiten Kreisen auf den jungen Gelehrten lenken, und so erging, als R. WAGNER von Erlangen nach Göttingen berufen wurde, an VoN SIE- BOLD die Aufforderung, als ordentlicher Professor in der medieinischen Fakultät das Lehrfach der Zoologie, vergleichenden Anatomie und Veterinärmediein zu übernehmen. Wie gern wird VON SIEBOLD die Übersiedelung in die fränkische Heimat (im December 1840) vorge- nommen haben, mit welcher nun die Studien seiner Neigung zur Auf- sabe seines Berufes wurden, er aus dem Direktorat einer Hebammen- lehranstalt in die Lehraufgabe des Ordinarius an einer Hochschule eintrat. Aber dass er dem Aufenthalte in Danzig und seinen dortigen Studien viel verdanke, das hat von SIEBOLD wohl ausdrücken wollen, als er in der Front des von ihm bewohnten Hauses (Langgarten 33) ein Medaillon mit der Reliefdarstellung des Xenos einfügen ließ, und seinen Nachfolger im Amte bat, das Medaillon am Hause zu erhalten!. Leider ist dasselbe bei einem Umbau des Hauses später entfernt; seine Wiederherstellung, als eine Anerkennung für reines wissenschaftliches 1 Ich verdanke diese Mittheilung Herrn Dr. ConwEnTz, Direktor des westpreuß. Museum in Danzig. VIII Streben, sehr zu wünschen. Die in Danzig geknüpften Verbindungen lösten sich auch nicht völlig, und lange noch — bis zum Jahre 1851 (II. 114) — hat von SIEBOLD fortgefahren in den neuen preußischen Provinzialblättern seine faunistischen Beiträge zu liefern, wozu ihn seine wohlgepflegten Sammlungen in den Stand setzten. In Erlangen trat die neue Aufgabe der akademischen Lehrthätig- keit in ausgedehnter Weise an ihn heran; übernahm er doch neben den Vorlesungen, für welche er nominirt war, — und auch die Veteri- närmediein musste damals von ihm, da sie für die Studirenden der Mediein obligatorisch war, gelesen werden und VON SIEBOLD hatte für dieselbe ein ausgearbeitetes » Heft«, welches er später scherzweise zur Verfügung stellte — specielle Physiologie und Histologie mit mikro- skopischen Demonstrationen. Dabei trat er in unmittelbare Berührung mit der studirenden Jugend, auf welche er mit der Lebhaftigkeit seines Wesens, und der vollen Hingabe an den Lehrstoff, wie mir später seine Zuhörer aus jener Zeit berichtet haben, auf das anregendste einwirkte; erinnerte er sich selbst doch fast 30 Jahre später gern der Stunde, in welcher er zum ersten Male Pacinische Körper aus dem Mesenterium einer Katze seinen Studenten mikroskopisch demonstrirte.. Und in diesem unmittelbaren Verkehr mit den Schülern (III), in dem persön- lichen Einfluss auf dieselben lag für alle Zeit die hauptsächlichste Be- deutung der akademischen Lehrthätigkeit, in welche VON SIEBOLD erst spät ja eingetreten war. Hier waren seine Erfolge größer und nach- haltiger wirkend als in seinen Vorlesungen, in welchen eine gewisse Gebundenheit an den Stoff das unmittelbar Anziehende und Mitführende, welches der freie Vortrag mit der rasch zu Formgestaltung kommenden Gedankenbildung besitzt, vermissen lassen konnte. Eng verknüpft wohl mit den Aufgaben der Lehrthätigkeit und in einem gewissen Zusammenhange mit einander ist die Abfassung von Jahresberichten für das von WIEGMANN damals redigirte Archiv für Naturgeschichte und das MÜLLERr’sche Archiv, und die Ausarbeitung des Lehrbuches der vergleichenden Anatomie, dessen erster Theil, die wirbellosen Thiere enthaltend, von voN SIEBOLD verfasst wurde, wäh- rend in gleich vortrefflicher Weise STAanxıus im zweiten Theile die Wirbelthiere behandelte. Dieses Buch ist wohl als die volle Frucht des Erlanger Aufenthaltes zu bezeichnen, wenn allerdings auch nur die erste Lieferung desselben im Jahre 1845 von Erlangen aus, die Schluss- lieferung 1848 von Freiburg aus in die Öffentlichkeit trat. An der umfassendsten Verzeichnung der in der Litteratur vorhandenen zoo- IX tomischen oder physiologischen Angaben erkennt man die ausgedehnten litterarischen Studien des Verfassers; aber das Buch ist nicht das Werk eines gelehrten Kompilators, sondern kennzeichnet sich durchgehend als eine selbständige Schöpfung durch die Mittheilung einer großen Zahl von eigenen Beobachtungen, welche hier zum ersten Male ver- öffentlicht werden. So ist es noch heute ein treffliches Hilfsmittel zu- mal da, wo es sich um litterarhistorische Nachweise über zootomische Angaben besonders aus älterer Zeit handelt. Ein Handbuch der » ver- gleichenden Anatomie « in dem Sinne, wie wir in diesen Tagen die thierische Morphologie darunter zu verstehen pflegen, ist das Buch nieht; der rein morphologischen Behandlung der Zootomie, wie sie in den Arbeiten JoH. MÜLLER’s angebahnt war, ist VON SIEBOLD nie nahe getreten ; ihm stand stets die Thätigkeit des Thieres und seiner Theile näher als die Gestaltung derselben, und so ist das Handbuch der ver- gleichenden Anatomie der Wirbellosen im Wesentlichen auch abgefasst. VON SIEBOLD’s einzelne Arbeiten und Untersuchungen konnten zum Theil an jene anknüpfen, welche in Preußen begonnen waren. Der von dem mütterlichen Vorfahren zuerst beschriebene Kiefenfuß, Apus cancriformis, von dem VON SIEBOLD die Natur der an den Beinen auftretenden »rothen Beutel« schon in Heilsberg aufgeklärt hatte, fand sich alljährlich in großer Menge in der nächsten Nachbarschaft Erlangens und in den Teichen von Kossberg, und wurde dieses Vor- kommen für SIEBOLD’s spätere Untersuchungen über die Parthenogenesis von Bedeutung. — Die Untersuchung der Strepsipteren, von denen Xenos Rosii auf der später gleichfalls so wichtig werdenden Polistes gallica in Erlangen häufig sich findet, wurde von Neuem aufgenommen und zu einem vorläufigen Abschluss gebracht. — Das »räthselhafte Organ der Bivalven«, welches von Danzig aus beschrieben war, wird als das Gehörorgan in Anspruch genommen, und dessen Verhalten bei den ein- heimischen Mollusken weiter verfolgt, und kritisch betrachtet. — Die in BurpacH’s Physiologie (2. Auflage) zuerst beschriebenen Furchungs- vorgänge am Ei der Nematoden (II. 25) bilden den Gegenstand einer unter SIEBOLD’s Leitung verfassten Dissertation von BAGGE!. — Eine Bearbeitung des Artikels »Parasiten« im R. WAGNER’schen Handwörter- buche lässt das über Schmarotzer des Menschen Gesammelte und Erfah- rene in inhaltsreicher Zusammenfassung erscheinen, und hier spricht _ VoN SIEBOLD die Zusammengehörigkeit der » Cestodes« und » Oystiei« an 1 BAGGE, De evolutione Strongyli auricularis et Ascaridis acuminatae viviparorum, Erlangen 1841. x dem besonderen Falle der Zusammengehörigkeit von Cysticercus fascio- laris und Taenia erassicollis aus, ohne zur Zeit die wahren Beziehungen beider Formen zu einander ganz zu erkennen: »Gewiss verirren sich häufig einzelne Individuen der Brut von Taenia erassieollis in Nage- thiere, und arten hier zu Cysticercus fasciolaris aus, können aber, nach- dem ihre Wohnthiere von Katzen gefressen und sie selbst dann auf den rechten Boden übergepflanzt worden sind, unter Abstoßung ihrer ent- arteten Glieder zur normalen Gestalt der Taenia crassicollis zurück- kehren und zur Geschlechtsreife gelangen.« Von Erlangen aus ging vo SIEBoLD bald nach dem Antritt der Pro- fessur auch zum ersten Male über die Alpen, um an der reicheren Fauna des Mittelmeeres in Triest und Pola seine Anschauungen über die Thier- welt der marinen Fauna da zuerweitern, wo die Untersuchungen am Ost- seestrande in dieser Hinsicht nur ein dürftiges Material gefunden hatten. Für die Aufgaben, welche die Abfassung der vergleichenden Anatomie brachte, ist diese Reise, wie für ähnliche Zwecke später von Frei- burg aus 1847 eine zweite gemacht wurde, von Bedeutung geworden. Aber am wichtigsten für die Weiterentwicklung der zoologischen Wissenschaft ist sicherlich die mit der ersten Lieferung des Handbuches der vergleichenden Anatomie an die Öffentlichkeit gebrachte Auf- stellung einer Thierklasse der »Protozoa« und die Abschätzung dieser Lebewesen als Zellen. EHRENBERE’s mit größtem Fleiße und muster- gültiger Darstellung gegebenen Schilderungen der »Infusionsthierchen als vollkommene Organismen« hatten die Welt der kleinsten Lebe- wesen nach den Arbeiten eines O. FR. MÜLLER aufs Neue in den Vordergrund der Betrachtung geschoben, und um so mehr die Auf- merksamkeit auf dieselben gelenkt, als in dieser Auffassung allen diesen Thieren eine hohe Organisation, eine Anzahl ungleich wirksamer: und besonders ausgestatteter Organe zugeschrieben wurde. voN SIE- BOLD’s auch in Erlangen fortgesetzte Beschäftigung mit dieser Gruppe tritt uns zuerst in einem launig geschriebenen Programme entgegen, mit welchem er als Dekan der medicinischen Fakultät die Glückwünsche derselben dem Botaniker KocH zu dessen fünfzigjährigem Doktor- Jubiläum überreicht. Die mehrfach diskutirte Frage über die Ab- grenzung des Pflanzen- und Thierreiches gegen einander war dadurch in ein besonderes Stadium getreten, dass UnGEr die Pflanze im Momente der Thierwerdung (1843) beschrieb, und einen Übergang thierischer in pflanzliche Wesen und umgekehrt annahm, damit die Sonderung beider Reiche von einander verwischen wollte. Dagegen wendete sich XI VON SIEBOLD mit Recht, indem er besonders hervorhob, dass eine Flimmerbewegung, wie sie die Schwärmsporen der Vaucheria zeigten, und damit bedingte Lokomotion nicht als ausschließlich thierisches Kriterium aufzufassen sei; ja VON SIEBOLD nimmt von diesen Beobach- tungen nun sogar Veranlassung, die Spongien, deren bewimperte Em- bryonen durch GRANT bekannt geworden waren, für Pflanzen anzu- sprechen und diese Embryonen den Schwärmsporen der Vaucheria gleichzustellen. — Zur Klärung der Anschauungen hat diese Darlegung sicherlich viel beigetragen, wenn damit auch der Auffassung noch nicht die Wege gebahnt waren, dass es Lebewesen giebt, welche schlechtweg als solche, als Organismen aufzufassen sind, bei denen weder die speci- fisch thierischen noch pflanzlichen Charaktere, woran man dieselben immer erkennen will, sich entwickelt haben. Viel bedeutungsvoller aber war es, dass VON SIEBOLD die von EHRENBERG vorgetragenen Auffassungen von den Infusionsthierchen völlig beseitigte; denn indem er hier die Rotatoria, wie das schon WIEGMANN und BURMEISTER gethan, ganz bei Seite ließ, und anderer- seits eine Anzahl ausgesprochen pflanzlicher Organismen, wie er das schon in dem erwähnten Programm ausgesprochen hatte, als solche absonderte, fasste er Rhizopoden und Infusorien als Protozoa zu- sammen. Bereits 1839 hatte MEyYEN!, indem er die Auffassung der Infusorien als Polygastrica bekämpfte, ausgesprochen, dass ihm »der Bau der Infusorien der Hauptsache nach demjenigen der Pflanzenzelle ähnlich erschien«, aber mit Bestimmtheit und in scharfer Abgrenzung trägt jetzt erst VON SIEBOLD die Lehre vor, wonach die Protozoen Thiere sind, »deren unregelmäßige Form und einfache Organisation sich auf eine Zelle reduciren lassen « und »deren Körper mit einer einfachen Zelle verglichen werden kann, da das Parenchym desselben einen dem Zellkern analogen festen Körper enthält und keine besonderen Organen- systeme unterscheiden lässt«. In ähnlichen Anschauungen hatte fast gleichzeitig NÄGELI? nach einem Analogieschlusse die Behauptung auf- gestellt: »Das Thierreich beginnt mit Thieren, die bloß aus einer ein- fachen Zelle bestehen«, KÖLLIKER ® in Untersuchungen, welche denen VON SIEBOLD’s begegneten, von »einzelligen Thieren« gehandelt und 1 MEYEN, Einige Bemerkungen über den Verdauungsapparat der Infu- sorien. MÜLLER’s Archiv. 1839. p. 74—79. 2 NÄGELI, Über die gegenwärtige Aufgabe der Naturgeschichte. Zeitschr. f. wissensch. Botanik. I. 1845. Heft 2. p. 24. 3 KÖLLIKER, Die Lehre von der thierischen Zelle. Ebenda. Heft 2. p. 97. XII die Gregarinen als einzellige Infusorien bezeichnet. Aber diese scharfe Begrenzung und Absonderung der Protozoa von den übrigen Thieren, fußend auf der Erkenntnis ihres morphologischen Werthes, welche VON SIEBOLD brachte, ist seit jener Zeit derGrund gewesen, auf welchem bei aller Weiterentwieklung derselben die zoologischen Anschauungen über diese Thiere stets geruht haben. VON SIEBOLD scheint trotz seiner erfolgreichen wissenschaftlichen Thätigkeit doch in Erlangen kein wahres Behagen gefunden zu haben, so dass er im Herbst 1845 nach Freiburg übersiedelte, um die Lehr- fächer der Zoologie, vergleichenden Anatomie und Physiologie mit Einschluss der speciellen Physiologie zu übernehmen, welche er hier bis zur Übersiedelung nach Breslau im Wintersemester 1849/50 lehrte. Die Zeit in dem schönen Freiburg, belebt durch geselligen Verkehr, in welchem besonders der von ALEXANDER BRAUN ausgehenden Anre- gung zu gedenken ist, aber für VON SIEBOLD’s Empfinden stark getrübt durch die politischen stürmischen Vorgänge der Jahre 1848 und 1849, ist hauptsächlich durch die Vollendung des Lehrbuches (1848) in An- spruch genommen, von welchem bereits ein Jahr nach der Fertigstel- lung (1849) eine französische Übersetzung — eine englische erst fünf Jahr später — erschien. Die Wanderungen der Helminthen werden fortgesetzt berücksichtigt, die »Lucina sine concubitu« beschäftigt hier schon beim Studium der in der Folge so wichtig werdenden Schmetter- lingsgattung Psyche VON SIEBOLD und mag auch ALEXANDER BRAUN später nachwirkende Anregung gegeben haben. Dann habe ich aus dieser Zeit den Anfang eines Unternehmens zu erwähnen, dem VON SIEBOLD für den größten Theil der kommen- den Lebensjahre in treuer Hingabe Arbeit und Sorgfalt zugewendet: das ist die Begründung der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. — Das Unternehmen war anfänglich von VON SIEBOLD zusammen mit ALEXANDER BRAUN in anderer Form geplant als es später ausgeführt wurde. Eine feste Gestalt gewannen diese Pläne, als im August 1847 die Freiburger Gelehrten auf der schweizerischen Naturforscher-Ver- sammlung in Schaffhausen mit KÖLLIKER und NÄGELI aus Zürich zu- sammentrafen. Hier wurde der Plan besprochen und verabredet, eine Zeitschrift mit zwei Abtheilungen für Botanik und Zoologie zu grün- den. Offenbar nach dem Vorbilde einer von NÄGELI und SCHLEIDEN kurze Zeit herausgegebenen Zeitschrift für wissenschaftliche Botanik sollte dieses neue periodische Journal den Titel » Zeitschrift für wissen- schaftliche Botanik und Zoologie« erhalten. W. ENGELMANN in Leipzig XII übernahm den Verlag, und ein vom 10. Februar 1848 datirter Pro- speetus brachte dem Publikum die erste Mittheilung von der beab- sichtigten Zeitschrift, als deren Herausgeber für den botanischen Theil ALEXANDER BRAUN und CARL NÄGELI, für den zoologischen CARL THEODOR VON SIEBOLD und ALBERT KÖLLIKER genannt werden. Über die Bedeutung des gewählten Titels, der ja in einem gewissen Sinne aggressiv erscheinen kann, spricht der Prospectus sich folgendermaßen aus: »Wir wünschen unserer Zeitschrift einen möglichst wissenschaft- liehen Charakter zu geben, nicht sowohl in formeller Beziehung oder im Sinne subjektiver Philosophie, wobei die Vereinigung vieler Kräfte nicht wohl bestehen könnte, sondern vielmehr im objektiven Sinne realer Naturforschung durch möglichst umfassende und geläuterte Darstellung der Thatsachen, ihrer gesetzmäßigen Bestimmtheit und ihres ursächlichen Zusammenhanges. In dieser Absicht schließen wir alle mit dieser Aufgabe nicht zusammenhängende Veröffentlichung neuer Gattungen und Arten aus, es sei denn, dass dieselbe dazu diene uns eine sründlichere Einsicht in den thierischen und pflanzlichen Bau, in die Lebensgeschichte der Thiere und Pflanzen, oder auch in die gesetzmäßige Gliederung der organischen Reiche zu gewähren. Aus demselben Grunde schließen wir alle Arten bloßer Notizen und natur- "historischer Nachrichten aus, so wie alles die medieinische, ökono- mische, land-, forst- und gartenwirthschaftliche Praxis Betreffende, so weit es nicht zugleich einen bestimmten wissenschaftlichen An- knüpfungspunkt, z. B. an Anatomie und Physiologie bietet. Von den eigentlich wissenschaftlichen Seiten der Botanik und Zoologie soll da- gegen keine ausgeschlossen sein, besonders aber werden wir es uns angelegen sein lassen diejenigen Theile der Wissenschaft zu bereichern und zu fördern, deren Ausbildung auf dem gegenwärtigen Standpunkt be- sonders Noth thut, nämlich der als Morphologie, vergleichende Anatomie und Histologie bekannten Disciplinen und der alle diese verbindenden und begründenden Entwicklungsgeschichte des organischen Baues der Pflanzen und Thiere, so wie der daran sich anschließenden Unter- suchung der physikalischen Gesetze der Lebenserscheinungen, der Physiologie der Pflanzen und Thiere.« Dieser Prospekt war von voN SIEBOLD und BRAUN ! entworfen, von den beiden anderen in Aussicht genommenen Herausgebern ange- nommen. Er ist uns jetzt ein werthvolles Zeichen dafür, in welcher Weise von SIEBOLD damals die von ihm vertretene Wissenschaft auffasste. 1 Nach einem Briefe von SIEBOLD’s an KÖLLIKER vom 30. Januar 1848. XIV Aber wie sie geplant war, sollte die Zeitschrift nicht ins Leben treten. Am 19. August 1848 berichtete voN SIEBOLD an KÖLLIKER, dass das erste Heft der zoologischen Abtheilung gefüllt und zum Ab- schluss fertig sei; leider könne der botanische Theil der Zeitschrift nicht gleichzeitig erscheinen; und in den persönlichen Verhältnissen ALEXANDER BRAUN’s scheinen die Hindernisse gelegen zu haben, welche die Doppelzeitschrift nur in ihrer einen Hälfte erscheinen ließ. Und fast wäre auch dasjenige Heft, mit welchem nun die Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie ins Leben treten sollte, den politischen Stürmen des Jahres 1848 zum Opfer gefallen. Die ganze in Freiburg gedruckte Auflage dieses Heftes traf am 18. September 1848 in Frank- furt auf dem Bahnhof ein (nach einem Briefe von SIEBOLD’s an KöL- LIKER vom 4. November 1848), der Fuhrmann aber, welcher den Bal- len nach Leipzig befördern sollte, geschreckt durch das Aussehen der Stadt, in weleher man Barrikaden zu bauen anfing und aus Besorgnis, es möchte sein Wagen als Barrikadenmaterial Verwendung finden, machte sich aus dem Staube, unbekümmert um das Geschick des ihm anvertrauten litterarischen Gutes. Nur ein Zufall ließ nach einiger Zeit einen Vertreter der Freiburger Druckerei den mit dem Zeichen derselben versehenen Ballen in einem Winkel des Bahnhofes finden; so gelangte der Ballen nach Leipzig und es erfolgte im November 1848 die Ausgabe des ersten Heftes dieser Zeitschrift. — Aber auch das Erscheinen des zweiten Heftes wird, wie VON SIEBOLD klagt, durch die politischen Ereignisse, diesmal den zweiten Freischarenzug STRUWE’s, verzögert. In der That, es gehörte der Eifer der Heraus- geber und der Muth des Verlegers dazu, das junge Unternehmen im Zeitenstrudel nicht untergehen zu lassen. Aus dem Freiburger Wirkungskreise führte ein Ruf nach Breslau. Von hier siedelte PURKINJE nach Prag über, nachdem er in Breslau ein physiologisches Institut begründet hatte. Die größere Universität, und wohl vor Allem die Aussicht mit den Mitteln eines Institutes arbeiten zu können, werden für von SIEBOLD’s Entscheidung maßgebend gewesen sein. Die ihm gestellte Aufgabe , Vertreter der Physiologie zu sein, kann aber nicht als eine solche bezeichnet werden, welche nach voN SıEBoLD’s Veranlagung und seitheriger Entwicklung eine völlig geeignete war, und so muss es als eine glückliche Lösung be- zeichnet werden, dass der Breslauer Aufenthalt nur von kurzer Dauer war (1850—1853) und dass in München von SırBoLD bald völlig der xV Thätigkeit zurückgegeben wurde, welche seiner ganzen Entwicklung nach die allein ihm zusagende war. Aber die wenigen Breslauer Jahre sind für voN SIEBOLD’s wissen- schaftliche Erfolge im höchsten Grade bedeutungsvoll geworden. Der früher erschlossene Zusammenhang zwischen den als Blasen- und Bandwürmern getrennt gehaltenen Zuständen der Cestoden wurde, nachdem KÜCHENMEISTER zuerst den Weg des Experimentes auf diesem Gebiete betreten hatte, durch ausgedehnte Fütterungsversuche, die im Breslauer physiologischen Institute angestellt wurden, in schlagender Weise in so weit nachgewiesen, als der Übergang der Blasenform und zwar des Cysticercus wie des Echinococcus in die Form des Bandwurmes dadurch festgestellt wurde. Die erste Mittheilung darüber erfolgte in der schlesischen Gesellschaft am 7. Juli 1852 (II. 122); weitere Mit- theilungen brachte die Dissertation von SIEBOLD’s Schüler LEWALD ! und zwei Aufsätze VON SIEBOLD’s im vierten Bande dieser Zeitschrift (I. 123, 124). Abgeschlossen sind diese Studien mit dem Buche : Über die Band- und Blasenwürmer 1854 (II. 135), dessen Herausgabe der Münchener Zeit angehört. In ihm konnte voN SIEBOLD noch die Mittheilung (p. 105 bis 107) machen, dass nach den Erfahrungen HAUBNer’s und den Experi- menten LEUCKART's die Entwicklung der Bandwurmbrut zu Echino- coecen und Cysticercen thatsächlich erwiesen sei. Wenn VON SIEBOLD den Blasenzustand eines Cestoden als einen »hydropisch« veränderten damals festgehalten hat, so fügt sich das ja nicht völlig den Anschauun- gen, wie sich dieselben über die Entwicklung dieser Thiere heutigen Tages bei uns abgeklärt haben ; der Gedanke aber, welcher dieser Auf- fassung zu Grunde liegt, dass die Ausbildung des »Blasenwurmes« durch das Lokal, innerhalb dessen sie erfolgt, wenigstens graduell beeinflusst wird, ist nicht abzuweisen, und wenn wir in der Ontogenese auch von einem Verirren und dadurch bedingten Erkranken der Cestodenbrut nicht mehr reden, so kann sich doch die phylogenetische Spekulation dieser Vorstellung nicht ohne einigen Erfolg bedienen. Die Breslauer Zeit leitete eine andere Untersuchungsreihe ein, welche von‘SıeBoLp’s Thätigkeit für Jahre hindurch auf denjenigen Gebieten beschäftigte, für welche er nach seiner Veranlagung eben so sehr wie nach seinen Neigungen in vorzüglichster Weise befähigt war, und führte zu Ergebnissen, welche für die Generationslehre als eine in der allgemeinen Bedeutung äußerst wichtige Erweiterung der Kennt- 1 G. LEWALD, De cysticercorum in taenias metamorphosi. Diss. inaug. Berolini 1852. XVI nisse und Vorstellungen sich herausstellen sollte. Das ist der Nach- weis jener Fortpflanzung, welche VON SIEBOLD, im anderen Sinne als R. Owen, als die Parthenogenesis bezeichnete. Diese Lehren nicht nur zu begründen, sondern auch vielseitig zu erweitern, und sie gegen Zweifel und Anfechtungen zu schützen, die da erhoben wurden, wo das, als Ausnahme von einer Regel Erscheinende dogmatischen Vorstellungen von dem Wesen der sogenannten geschlechtlichen Zeugung störend in den Weg trat, ist fortgesetzt eine Hauptsorge voN SIEBOLD’s bis in sein hohes Alter hinein gewesen; weit ausgedehnte, von langer Hand vorbereitete Untersuchungen anzustellen, ist er nie müde geworden; das liebte er wohl als die abschließende Thätigkeit, als die Endauf- gabe seines Lebens zu bezeichnen. VON SIEBOLD hatte in Freiburg bei den Untersuchungen über die Psychiden das Ergebnis gezogen, dass eine Entwicklung unbefruchteter Eier, .eine »lueina sine concubitu« nicht erwiesen sei, so sehr er auch geneigt war, den anders lautenden Angaben Vertrauen erweckender Autoren Glauben zu schenken. In solcher Skepsis befangen, hatte er fortgesetzt den Psychiden Aufmerksamkeit geschenkt und war zu der von der früheren abweichenden Meinung gelangt, dass unbefruchtete Psychiden- oder allgemein Schmetterlingseier entwicklungsfähig seien, dass diese Verhältnisse aber der Aphiden-Entwickiung parallel gehen, in welcher man damals einen wahren Generationswechsel oder die Ent- wicklung von »Keimen« »Pseudova« zu sehen glaubte. Da trafen ihn die Angaben des schlesischen Pfarrers DZIERZON, mit dem er sich in Verbindung gesetzt hatte, um von ihm, der in der apistischen Litteratur hervorgetreten war, Aufklärungen über mancherlei in den Kreisen der Bienenzüchter umlaufende Berichte von den Lebensverhältnissen der Bienen und Bienenvölker, und im Besonderen darüber Aufschluss zu erhalten, wie weit es begründet sei, dass Arbeitsbienen entwicklungs- fähige — aber unbefruchtete — Eier ablegten. DZIERZON’s aus den scharfen Beobachtungen der Lebensverhältnisse der Bienen mit guter Kritik abgeleiteten bereits 1845 und 1849 veröffentlichten Theorien fanden in einer am 26. Juli 1851 in Karlsmarkt, dem Wohnorte DZIERZON’s, abgehaltenen Unterredung nach Beseitigung der von voN SIEBOLD vorgebrachten Einwände den Beifall des letzteren, und so er- scheinen zuerst im 29. Jahresberichte der schlesischen Gesellschaft (HI. 115) (1851) die Mittheilungen über die Lebensweise und den Haus- halt der Bienen und über Drohnenmütter, welche unbefruchtet Brut XVII hervorbringen. Das waren die Anfänge zur Begründung der Lehre von der Parthenogenesis. Wenn es hier im Einzelnen unerwähnt bleiben mag, auf welche Gebiete daneben voN SIEBOLD'’s litterarische Thätigkeit sich zu dieser Zeit erstreckte (II. 101—126), so ist hervorzuheben, dass voN SIEBOLD in Breslau nicht über Zoologie oder vergleichende Anatomie, welche GRAVENHORST und BARKOW vertraten, sondern über specielle Physiolo- gie Vorlesungen hielt, und im Institute daran anschließende Übungen leitete; dass die Lehre von der Zeugung in besonderen Vorlesungen behandelt, über »Parasiten « Vorträge gehalten werden, ist naheliegend. Auch hier wieder gewinnt VON SIEBOLD Einfluss auf seine Schüler und weiß zu wissenschaftlichen Arbeiten anzuregen. Das gab in München, als dort eine Erweiterung und Neubelebung der bestehenden wissenschaftlichen Institute in Angriff genommen, die Ära der »Neuberufenen«, wie man später eine Zeit lang die mit und nach LıiEBIG nach München berufenen Professoren der Universität benannte, mit Aufwand reicherer als der bisher gebotenen Mittel er- öffnet wurde, Veranlassung, an voN SIEBOLD eine Berufung zum Ordi- narius für Physiologie und vergleichende Anatomie ergehen zu lassen; die Neubegründung eines physiologischen Institutes war dabei in Aus- sicht genommen, Die Berufung war eine zu verlockende, als dass VON SIEBOLD ihr nieht hätte folgen sollen. Aber mit der Übersiedelung in die baierische Hauptstadt im Sommer 1853, welche den längsten Abschnitt des wissenschaftlichen Lebens von SIEBOLD’s eröffnet, beginnt zunächst eine Zeit der Unruhe, welche einen raschen Abschluss der im Flusse befindlichen Untersuchungen nicht gestattete, wohl auch Manches, was sonst gefördert wäre, nieht gedeihen ließ. VON SIEBOLD ließ in Breslau die einzige Tochter zurück, die mit einem preußischen Officier, Herrn von PANNEWITZ, verheirathet war. Sein Haus sollte in München bald veröden, denn wie seinem Vater bald nach der Übersiedelung nach Berlin die Frau gestorben war, so verlor er im zweiten Jahre des Münchener Lebens, am zweiten Weih- nachtstage 1854, die Gattin, welche des Genusses der neu erworbenen Stellung, der Ruhe nach vieljähriger Wanderung nicht lange sich erfreuen sollte. Sie starb als eines der letzten Opfer der Münchener ‘ Choleraepidemie des Jahres 1854. An ihre Stelle trat nach Ablauf eines Jahres die jüngere Schwester der Verstorbenen, ANTONIE, und sie hat es verstanden lange Jahre hindurch das Heimwesen des fleißi- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. b XVIO gen Gelehrten, wie es in dem von THIERSCH erbauten, jetzt abge- brochenen, rothen Hause in der Nähe des botanischen Gartens und des chemischen Laboratoriums aufgeschlagen war, durch Lust an geistig belebter Geselligkeit und eifriger Pflege wie Ausübung der Musik auf das Schönste zu beleben. voN SIEBOLD übernahm nach seiner Übersiedelung in München nicht nur die Vertretung der Physiologie und der damit ver- bundenen vergleichenden Anatomie, und hatte die Ausführung des Baues zu überwachen, welcher die Arbeitsräume des physiologischen Institutes und die vorhandenen zootomischen Sammlungen aufnehmen sollte, sondern es fiel ihm auch die Aufgabe zu, die menschliche Ana- tomie zu lehren. Das waren unhaltbare Zustände, für welche erst ein Wandel eintrat, als Biıschorr (1855) aus Gießen berufen wurde, und zugleich mit der menschlichen Anatomie die Physiologie übernahm. Damit trat die nöthig gewordene Abzweigung der vergleichenden Ana- tomie von der Physiologie ein, wenn auch noch lange die großen der Akademie unterstellten zootomischen Sammlungen, deren Verwaltung VON SIEBOLD beibehielt, im Gebäude des physiologischen Institutes verblieben. Für die aufgegebene Vertretung der Physiologie übernahm VON SIEBOLD nun das Lehrfach der Zoologie und 1856 als erster Kon- servator neben ANDREAS WAGNER die Verwaltung der ausgedehnten zoologischen Sammlung des k. baierischen Staates, welche gleichfalls Attribute der k. baierischen Akademie und in dem Gebäude derselben aufgestellt waren. Zwei große ihrem Wesen nach zusammengehörende aber räumlich getrennte Sammlungen waren voN SIEBOLP's Sorge da- mit überwiesen, und erst spät gelang es, die zootomischen Sammlungen aus dem physiologischen Institute in das Gebäude der Akademie, und in die Nähe der zoologischen Sammlungen überzuführen. Im physio- logischen Institute hatte von SIEBOLD anfänglich Arbeitsräume zur Verfügung, die später nach dem Abgeben der Physiologie erheblich ein- geschränkt waren. Neben den zoologischen Sammlungen waren Jahre lang nur zwei an einander stoßende, zum Theil von Büchern und Samm- lungsgegenständen beengte Zimmer als Arbeitsräume zu VON SIEBOLD’s Verfügung, in welchen Privatschülern ein nur beschränkter Platz an- gewiesen werden konnte, da auch Präparatoren, deren unmittelbare Hilfe von SIEBOLD in Anspruch nahm, in diesen Zimmern beschäftigt waren. In seinen besten Münchener Arbeitsjahren hat voN SIEBOLD den Vortheil und die Annehmlichkeiten gut eingerichteter Räume eines zoologischen Institutes nicht erfahren, und was in den letzten Jahren XIX seines Lebens für Unterrichtszwecke hergestellt wurde, entsprach keineswegs den Anforderungen, welche billigerweise zu stellen ge- wesen wären. — VON SIEBOLD’s Thätigkeit ist mit großem Eifer und Erfolg der Verwaltung der Münchener Sammlungen zugewendet ge- wesen. Ganz besonders waren es die Wirbelthiere, deren Durcharbei- tung er sich unterzog. Durch den Ankauf der LEUCHTENBERG'schen Sammlungen war der Bestand des zoologischen Museum bedeutend vergrößert; da mussten die als Originalexemplare zu betrachtenden Stücke gekennzeichnet, zum Theil vor einem sicheren Untergang be- wahrt werden; die ichthyologischen und ornithologischen Sammlungen waren neu zu bestimmen und aufzustellen, eine Aufgabe, die bei der VON SIEBOLD’schen Gewissenhaftigkeit einen großen Aufwand von Zeit und Mühe erforderte ; die Vervollständigung der Skelettsammlungen wurde fortgesetzt im Auge behalten. SIEBOLD’s Geschick für Sammeln und Ordnen konnte sich hier vollauf bewähren. Aber es hat sich auch wohl ein Ausspruch SCHIÖDTE’s gegen ÜLAPAREDE bestätigt: »Les musdes pesent lourdement sur la seience«; die Anforderungen, welche die Verwaltung und Vermehrung der Sammlungen stellten, mussten der litterarisch-wissenschaftlichen Thätigkeit Abbruch thun. Mit dem schon oben erwähnten Buche über die Blasen- und Band- würmer, welches von München aus publieirt wurde, hat von SIEBOLD dieses Gebiet seiner Untersuchungen abgeschlossen ; die Gordiaceen, welchen er vielfach Aufmerksamkeit geschenkt hatte und die ihn in der ersten Zeit seines Münchener Aufenthaltes lebhaft beschäftigten — ein Gordius, den er auf dem Wege zu einer Audienz beim Könige auf dem Münchener Straßenpflaster im Begriff aus einem Käfer auszu- wandern ertappte, war ein Gegenstand seiner Sorge während der ganzen Audienz — überwies er einem seiner Schüler, Dr. G. MEISSNER, zur Bearbeitung. Von Breslau war der Gedanke an die Parthenogenesis mit nach München genommen und ihre Bearbeitung ist fortgesetzt der Haupt- gegenstand der wissenschaftlichen Arbeit. Allerdings nachdem im Jahre 1856 die » Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen « erschienen war, nahm zunächst eine andere Aufgabe VoN SIEBOLD’s Thätigkeit für mehrere Jahre in Beschlag. Ein » höchstes Reskript vom 4. Mai 1854« hatte den Auftrag gebracht, die ichthyologischen Ver- 5 hältnisse der südbaierischen Seen zu untersuchen. Diese Arbeit er- weiterte sich in ausgedehntesten Sammlungen des zoologischen wie litterarischen Materiales, durch Reisen nach Süd und Nord, durch X systematische wie biologische Studien, bis das »nonumque prematur in annum« erfüllt und im Jahre 1863 die Resultate in dem Buche: »Die Süßwasserfische von Mitteleuropa « vorlagen. Hier berührte sich die Thätigkeit des Museologen, des Litterarhistorikers und des scharfen Beobachters des Lebens der Thiere. Wie viel Anregung ist hier ge- geben, sei es in den Mittheilungen über den Farbenwechsel und die Chromatophoren, oder die Glanzlosigkeit (Alampia) der Fische, oder den trommelsüchtigen Zustand, in welehem der Kilch aus den Tiefen des Bodensees gehoben wird; sei es in dem Nachweis, dass Fisch- bastarde im freien Zustande keine Seltenheit sind; in der Beschreibung der sterilen Forellen und in den Mittheilungen von dem Dunkel, welches über den Fortpflanzungsverhältnissen des Aales schwebt, auch heute noch nicht völlig gelichtet. Spät erst ist VON SIEBOLD mit der Heraus- gabe dieses Werkes zu der Bethätigung gekommen, dass er auch in der taxonomischen Behandlung der Zoologie ein Meister sei, aber die ‘Studien für die Fauna Preußens hatten ihn frühe schon auf dies Ge- biet geleitet, und eine seiner frühesten Notizen war ichthyologischer Natur und behandelte das Vorkommen des damals als selbständige Art betrachteten, später als jungen Brachsen erkannten Cyprinus FarenusL. (11.19). Allein diese Studien lenkten nichtab von der Hauptaufgabe : der Er- forschung der Parthenogenesis. Mit dem Nachweis der Spermatozoen in den Bieneneiern, welche zu Arbeitern sich entwickeln, des Mangels der- selben in den Drohnen liefernden Eiern, der im Jahre 1855 zu Seebach auf dem Gute des eifrigen, wissenschaftlich strebsamen Bienenzüchters H. von BERLEPSCH erbracht war, hatte die erste zusammenfassende Dar- stellung der Verhältnisse bei Schmetterlingen und Bienen gegipfelt. Wie die Aufsehen machenden Mittheilungen der Anlass wurden, dass auch andere Forscher dem Gegenstande sich zuwendeten, andere Thiere als parthenogenetisch erkannt und die Parthenogenese in ungleiche Be- ziehung zu anderen Generationsvorgängen gebracht wurden, so fehlte es nicht an Stimmen, welche an der Richtigkeit der vorgetragenen Beobachtungen und Deutungen zweifelten, und sie waren es, welche VON SIEBOLD'’s Thätigkeit in dieser Richtung nicht erlahmen ließen. 8o veröffentlichte er im Jahre 1871 die »Beiträge zur Parthenogenesis der Arthropoden«, zu Beobachtungen anderer Forscher eigene sehr ausge- dehnte Erfahrung an aculeaten und phytophagen Hymenopteren, Le- pidopteren und Phyllopoden hinzufügend. Mustergültig sind seine Be- richte über die eingehendsten Studien an der Lebensweise der Polistes XXI sallica, über die Versuche und Beobachtungen an den bevölkerten Nestern dieser Wespe, welche er im eigenen Hausgarten vertheilt hatte, ja, um keine Unterbrechungen der Beobachtungen zu erfahren, in den akademischen Herbstferien mit in die Sommerfrische nahm, froh, dass seine Schützlinge auch hier das ihm so genau bekannte Treiben nicht aufgaben. Zahllos sind die Einzelbeobachtungen, mit welchen er die männerlosen Generationen der Apus-Kolonien und ihre partheno- senetisirenden Weibchen untersuchte; schlagend die Versuche, mit welchen er die Apus-Bruten aus den im Schlamm eingetrockneten Eiern erzog und die Jungfräulichkeit der entwicklungsfähige Eier ablegenden Weibchen sicherte. VON SIEBOLD stand, alseer diese Beiträge veröffentlichte, im 67. Jahre. Er ist in der Folgezeit nicht müde geworden, die Lehre von der Par- thenogenesis in einzelnen Beiträgen zu erweitern, und wie er neben mannigfaltigen Mitarbeitern als der Begründer dieser Lehren zu be- zeichnen ist, so kommt ihm das eben so unbestrittene Verdienst zu, dieselben in umfassendster Weise ausgedehnt zu haben. Noch ist das Wesen der Parthenogenesis, ihre Beziehung zu an- deren Weisen der Fortpflanzung der Erkenntnis nicht erschlossen; es ist auch noch nicht abzusehen, welchen zunächst vielleicht nur ein- schränkenden Einfluss die Lehre von der Parthenogenesis auf unsere Auffassung von dem Wesen der Befruchtung und der Entwicklung des thierischen Eies haben wird; ungerechtfertigt gewiss, allgemeine Schlüsse über diese Vorgänge ziehen zu wollen, ohne die Parthenoge- nesis dabei zu berücksichtigen. Für eine Erkenntnis der Parthenoge- nesis sind Ansätze gemacht, sei es dass man den Mangel eines Rich- tungsbläschen bei den unbefruchtet zur Entwicklung kommenden Eiern heranzieht (BALFOUR), sei es, dass man in ihr für die »sexuelle Kraft« (HENSEN) ein Maß zu finden sucht. Ob diese Wege zum Ziele führen steht dahin. Vielleicht ist das Problem anders zu stellen, als es bisher geschehen ; gewiss werden neue Untersuchungen intensiver Natur nöthig sein. Aber auf von SIEBOLD’s Schultern werden die kommenden Ar- beiter stehen, welchen zu erweisen obliegt, dass das, was als Ausnahme erscheint, in der Regel ist. Die Zeit des Alters war hereingebrochen ; giehtische Beschwerden wurden lästig; das Jahr 1866 hatte durch den Tod des bei Königgrätz ge- U fallenen Schwiegersohnes in das Familienglück schwer hineingegriffen. Sehwer auch empfand von StEBoLD den auf der Challenger-Expedition erfolgten Tod eines Schülers, der ihm persönlich lieb geworden war, # XXI VON WILLEMOES-SuHMm. Aber die jugendliche Geistesfrische erhielt sich lange. ; Die Anregung, welche Darwın’s Lehre gegeben hatte, ließ von SIE- BOLD gern auf sich einwirken, und in einem seiner letzten Aufsätze, in welchem er die Polydactylie (II. 196) eines Pferdes beschreibt, sind es die Anschauungen von der Bedeutung der Umformung und Vererbung, welche im Hintergrunde stehen. Das Anpassungsvermögen der mit Lungen athmenden Süßwasserschnecken (II. 184), die durch die sorg- fältigen Untersuchungen des Fräulein von CHAUVIN erzielten Ergeb- nisse über die Metamorphosen des Axolotl (I. 189, 190) erschienen in gleichen Beziehungen ihm von größter Bedeutung. Aber mit der Bereitwilligkeit, der wissenschaftlichen Forschung zu folgen, hielt die Kraft des Geistes nicht mehr gleichen Schritt: das sonst vortreffliche Gedächtnis fing an den Dienst zu versagen, und gern rühmte er hier die Unterstützung, welche er von einerins Haus genomme- nen Enkelin, FAnnY Von PANNEWITZ, erhielt, die bei einem Theile der Beobachtungen über die Lebensweise parthenogenetischer Thiere mit offenem Blick dem Großvater als jugendfrische Stütze zur Seite stand. Am Tage der Feier seines fünfzigjährigen Doktorjubiläum (22. April 1878) durfte der noch rüstige Greis sich mit vollem Recht der zahl- reichen und werthvollen Bezeugungen der Anerkennung des Verdienstes, der Verehrung gegen die Person erfreuen (IV). Die dunklen Tage des Alters, seine Lasten und Beschwerden mehrten sich. Am Tage nach dem Jubiläum verließ die Enkelin das durch sie so sehr belebte Haus, um einem jungen Zoologen, Dr. von ROUGEMONT, als Gattin zu folgen. VON SIEBOLD sollte bald dieselbe im Wittwenkleide sehen. — Dies lange Jahre hindurch bewohnte Haus musste geräumt werden; mehr und mehr nahmen die schmerzhaften Leiden überhand;; noch hielt von SIE- BOLD fest an seiner Lehrthätigkeit und suchte, wo seine Kräfte er- labmten, seine Krankheit ihn ans Lager fesselte, hier die Hilfe in der Jüngeren Kraft eines Assistenten. Unabweisbar aber wurde die Lösung des Dienstverhältnisses, der durchaus gebotene Übergang in den Ruhe- stand erfolgte 1853. Eine hochgradige Gedächtnisschwäche kenn- zeichnete den langsamen Niedergang des einst so arbeitskräftigen Mannes, in dessen äußerer Erscheinung und übrigem Wohlbefinden die Last der 81 Jahre nicht zu erkennen war, an welchen er zu tragen hatte. Ein letzter apoplektischer Anfall leitete ein qualvolles Kranken- lager ein, von dem der am 7. April 1885 Nachts 1 Uhr erfolgende Tod eine Erlösung brachte. XXIII In der Kraft seiner Jahre war voN SIEBOLD ein lebhaft beweg- licher, über mittelgroßer, etwas untersetzter Mann; unter dem frühzeitig ergrauten Haare umspielte in dem etwas vollen Gesichte die von star- ken Augenbrauen überstellten, mit dem Ausdruck der Kurzsichtigkeit behafteten, hellen Augen, die Lippen des feingeschnittenen Mundes der Ausdruck des Wohlwollens und der Heiterkeit. Mit ungleicher Auffassung haben W. vox KAULBACH in einer, auch photographisch vervielfältigten, Zeichnung, LENBACH in einem ausgeführten Bilde VON SIEBOLD’s Züge festgehalten; eine kleine Büste von einem jungen schweizer Bildhauer, HALLER, giebt mehr den Eindruck des späteren Alters. Eine HanrstÄnger'sche Photographie aus dem Januar 1860 liegt dem Lichtdrucke zu Grunde, welcher vor dem zur Feier seines Jubiläums herausgegebenen Bande dieser Zeitschrift steht; eine gleiche aus dem Jahre 1868 ist dieser Skizze in einer Vervielfältigung durch Lichtdruck beigegeben. In von SIEBOLD’s wissenschaftlicher Thätigkeit ist es nicht die geniale rasche Konception neuer fruchtbringender Gedanken, welche wir zu rühmen haben, sondern das Talent des Fleißes, wie dasselbe uner- müdlich im Sammeln, eindringend beobachtend, und kritisch in der Prüfung und Verwerthung der gewonnenen Resultate uns entgegentritt. Das lebende Thier ist das hauptsächlichste Objekt der SIEBOLD’schen Studien, und die Hingebung an die Beobachtung desselben, das Ein- leben gleichsam in dessen Lebensverhältnisse lässt uns in VON SIEBOLD einen Forscher hochachten, der im 19. Jahrhundert mit höheren Zielen das Bild eines SPALLANZANI, REAUMUR oder DE GEER wiederholt. Abhold allem Streit und Gezänk, Polemik gern vermeidend, dem be- wegten Treiben des politischen Lebens nicht zugewendet und doch voll Antheil an den Geschicken des Vaterlandes, wohlwollend und mit Theil- nahme entgegenkommend, zumal wo ihm wissenschaftliches Streben entgegentritt, und gern gesellig, wo feinere Sitte und Pflege der Kunst ihre Stätte haben, ist es der lebensfrohe gern des heiteren oft kind- lichen Humors sich erfreuende Mann, dessen Charakterreinheit und Herzensgüte das Bild vervollständigt, welches seine Freunde und Verehrer gern festhalten und der Nachwelt überliefern mögen. Zusätze. I. Die Kenntnis der in dieser Skizze mitgetheilten Thatsachen beruht zum Theil in den Mittheilungen, welche enthalten sind in: E. C. J. vox SteBoLp. Geburtshilfliche Briefe, Braunschweig 1862 und A. KÖLLIKER, Carl Theodor von Siebold, Eine biographische Skizze. in: Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Doktorjubiläums am 22. April 1878, Herrn Professor C. Th. E. von SIEBOLD ge- widmet von der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Leipzig 1878, 40%. Einen anderen Theil verdanke ich Mittheilungen aus dem Kreise der Familie und der Freunde voN SIEBOLD's. Herr Geheimrath A. voN KÖLLIKER stellte mir eine Anzahl von Briefen von SIEBOLD'S zur Verfügung, welche über die bei der Gründung dieser Zeitschrift be- stehenden Verhältnisse berichteten. Schließlich konnte ich aus persön- lichen Mittheilungen, welche ich in einem langjährigen meist brieflichen Verkehr von VON SIEBOLD erhalten hatte, Manches vorbringen. II. Dem hier folgenden Verzeichnis der Schriften VON SIEBOLD’s liegt die Zusammenstellung zu Grunde, welche VON SIEBOLD selbst im »Almanach der königlich baierischen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1884, p. 310 f. gegeben hatte. 4. Observationes de Salamandris et Tritonibus. Berolini 1823. Dissertatio inau- guralis. . Über die rothen Beutel des Apus cancriformis, in der Isis. 4834. p. 429. 3. Ein Fall von Zerreißung des Scheidengewölbes während einer Geburt; Jour- nal für Geburtshilfe von Ep. von SıesoLd. Bd. XIII. 4833. Stück 4. p. 46. . Zum Kapitel der Perforation. Ebendas. Bd. XV. 4836. Stück 2. p. 407. . Helminthologische Beiträge. Erster Beitrag: Über die Fortpflanzung des Monostomum mutabile ; WIEGMAnN’s Archiv für Naturgeschichte. Jahrg. 1835. Ba.I. p. 45. . Über die Spermatozoen der Crustaceen, Insekten, Gasteropoden und einiger anderer wirbellosen Thiere; Mürzer's Archiv für Anatomie, Physiologie etc. Jahrgang 4836. p.143. . Fernere Beobachtungen über die Spermatozoen der wirbellosen Thiere: 4. Die Spermatozoen der Helminthen. 2. Die Spermatozoen der Paludina vivipara; MüLLeRs Archiv. Jahrgang 4836. p. 232. 8. Zur Anatomie der Seesterne. Ebendas. Jahrgang 1836. p. 291. 9. Obduktion eines in einem Brunnen todt gefundenen neugeborenen Kindes, nebst Gutachten; Journal für Geburtshilfe von Ep. von SıesoLd. Bd. XVI. 1836. Stück 1. p. 81. . Rinsförmiger Aortenbogen bei einem neugeborenen blausüchtigen Kinde, Ebendas. Bd. XVI. 4836. Stück 2. p. 294. XXV . Über die Geschlechtsorgane der Medusa aurita; Frorıee's Notizen. Bd. L. 41836. Nr. 1084. p. 33. . Über Flimmerbewegungen im Menschen; Medicin. Zeitung, herausgegeben von dem Verein für Heilkunde in Preußen; Jahrgang 1836. Nr. 28. . Das Vorkommen von Sphinx Nerii in Westpreußen betreffend; Preuß. Pro- vinzialblätter. Königsberg 4836. Januar-Heft. . Über Busacr’s Naturgeschichte der höheren Thiere mit besonderer Berück- sichtigung der Fauna Prussica. Ebendas. 1837. December-Heft. . Über die Sexualität der Muschelthiere. WıEescwmany’s Archiv. Jahrgang 4837. Bd, Ip. 51. . Helminthologische Beiträge. Zweiter Beitrag: Syngamustrachealis. Ebendas. 1836. Bd. I. p. 105. . Zusatz zum vorhergehenden Aufsatz. Ebendas. 4837. Bd.I. p. 66. . Helminthologische Beiträge. Dritter Beitrag: Berichtigung der von BURMEISTER gegebenen Beschreibung des Distomum globiporum. Ebendas. 4836. Bd.1. p- 217. . Cyprinus Farenus, ein preußischer Fisch. Ebendas. 1836. Bd.I. p. 327. . Über den Unterschied der Schalenbildung der männlichen und weiblichen Anodonten, Ebendas. 4837. Bd.I. p. 445. . Fernere Beobachtungen über die Spermatozoen der wirbellosen Thiere: 3. Die Spermatozoen der Bivalven. 4. Die Spermatozoen in den befruchteten Insek- tenweibehen. MüLzer’s Archiv. 4837. p. 381. . Keine Flimmerorgane an den Spermatozoen der Salamander. FRrORIEP's neue Notizen. Bd. II. 1837. Nr. 40. . Über die viviparen Musciden. Ebendas. Bd. III. 4837. Nr. 22. . Einige Bemerkungen zu Lorzr’s Fauna Prussica. Preuß, Provinzialblätter. Königsberg 4837. Mai-Heft. . Zur Entwicklungsgeschichte der Helminthen, in Burpac#’s Physiologie als Er- fahrungswissenschaft. Bd. Il. 2. Aufl. 1837. p. 483. . Giebt es Schildkröten in der Ostsee? Preuß. Provinzialblätter. Königsberg 1837. November-Heft. p. 495. . Über Milchabsonderung in den Achselgruben einer Wöchnerin. Medicin. Zeitung, herausgegeben von dem Verein für Heilkunde in Preußen. Jahre. 41838. Nr. 6. . Ein Cysticercus cellulosae am menschlichen Auge, Ebendas. 4838. Nr. 46. . Wieder eine Zwillingsgeburt, bei welcher der eine Zwilling längst abgestorben war. Journal der Geburtshilfe von Ep». von SıesorD, Bd. XVII, 4838. Stück 2. P- 334. . Über ein räthselhaftes Organ einiger Bivalven. Mürter’s Archiv. 1838. p. 49. . Bericht über die Leistungen im Gebiete der Helminthologie während der Jahre 4836—1847, WıEsMann’s Archiv, in dem Bd. II der Jahrgänge 4837—18S48., Über die weiblichen Geschlechtsorgane der Tachinen. Ebendas. Jahrgang 4838. Bd. I. p. 494, . Helminthologische Beiträge. Vierter Beitrag: Über geschlechtslose Nema- toideen. Ebendas. Jahrgang. 4883. Bd.I. p.302. Sphaerularia Bombi. 4. Fila- ria piscium. 2. Trichina spiralis. xxvI . Zoologische Notizen (über Pelobates fuscus, Begattung der Libellen). Ebend. Jahrg. 4838. Bd.I. p. 375. at 35. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Erster Beitrag: Mol- Jusea. Preuß. Provinzialblätter. 1838. Januar-Heft. 36. Vorläufiger Bericht über Berexpr's Werk: Die im Bernstein vorkommenden organischen Überreste der Vorwelt. Ebendas. 4838. Februar-Heft. 37. Die Kolombatzer Fliege in Preußen. Ebendas. 4838. Mai-Heft. 38. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Zweiter Beitrag: Lepi- doptera. Ebendas. 4838. Juli-Heft. 39. Die Jungen der Medusa aurita. Frorıep’s neue Notizen. Bd. VIII. 4838. Nr. 466. 40. Kritische Anzeige der Ratake’schen Schrift: de Bopyro et Nereide. Berlinische Jahrb. für wissenschaftl. Kritik. 1838. März. 44, Lange Lebensdauer der Spermatozoen in Vespa. WıEGMAnn’s Archiv. Jahrg. 1839. Bd. IV. p. 107. 42. Pilze auf lebenden Insekten. (Bitte um Belehrung.) Frorıer's neue Notizen, Bad: X.. 1839. Nr. 201. 43. Diese Pilze sind von SCHLECHTENnDAL als Pollenmasse der Orchideen erkannt worden, für welche Belehrung gedankt wird. Ebendas. Bd. XI. 1839. Nr. 225. 44. Über die innern Geschlechtswerkzeuge der viviparen und oviparen Blattläuse. Ebendas. Bd. XIl. 4839. Nr. 262. 45. Beiträge zur Naturgeschichte der wirbellosen Thiere. (Über Medusa, Cyclops; vid. Annal. d. sc. nat. Tom. XIV. 4840. p. 26. Observations sur l’accouple- ment du Cyclops castor [Übersetzung], Loligo, Gregarina u. Xenos.) Neueste Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Bd. III. Heft 2. 4839. 46. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Dritter Beitrag: Raub- wespen. Preuß. Provinzialblätter. 4839. Januar-Heft. Vierter Beitrag: Wanzen und Zirpen. Ebendas. 4839. Mai-Heft. Fünfter Beitrag: Schmetter- linge. A. Fortsetzung. Ebendas. 4839. November-Heft. Sechster Beitrag: Diptera und Nachtrag zum III. und IV. Beitrag. Ebendas. 4839. December- Heft. 47. Über die Fortpflanzungsweise der Libellulinen. Germar's Zeitschrift für Ento- mologie. Bd. II. 4840. p. 424. 48. Überwinterung der befruchteten Weibchen von Culex rufus. Ebendas. p. 443. 49, Bericht über die Leistungen in der Naturgeschichte der Annulaten während der Jahre 4840—1847. WiıEsnmann’s Archiv, in dem Bd. II der Jahrgänge 4844 bis 4850. 50. Bemerkungen zu Busack’s Fauna Prussica. Preuß. Provinzialblätter. 4840. Januar-Heft. 51. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Siebenter Beitrag: Schmetterlinge. 2. Fortsetzung. Ebendas. 4844. Mai-Heft. 52. Bericht über die Leistungen im Gebiete der Anatomie und Physiologie der wirbellosen Thiere in den Jahren 4838—1844. MüuLer’s Archiv. 48404845. 53. Über Xenos und Triungulinus, in dem Bericht über die Versammlung der Naturforscher zu Erlangen. 41840. p. 139. 54. Über die Borstenbüschel am Bauche von Dermestes, Entomolog. Zeitung, 1840. p. 437. XxVlI 55. Über die Eier der Planarien, in dem Berichte über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der königl. preuß. Akad. d. Wissensch. zu Berlin, 1844, p. 88. . Observationes quaedam entomologicae de Oxybelo uniglume et Miltogramma conica. Erlangae 4844. . Über die Larven der Meloiden. Entomolog. Zeitung. 4844. p. 130. Recension der Horae entomologicae von Lorw. Abth. I. Ebendas, 4844. p. 468. . Über das Gehörorgan der Mollusken. WıEsmann’s Archiv. Jahrg. 4841. p. 148. . Über das Eierlegen der Agrion forcipula. Ebendas. Jahrg. 4844. p. 205. . Über die Geschlechtswerkzeuge von Syngnathus und Hippocampus. Ebendas. Jahrg. 4842. p. 292. . Über die Fadenwürmer der Insekten. Entomolog. Zeitung. 1842, 4843, A848, 1850, 4854, 4858, . Über die grüne Materie des Schlossteiches zu Königsberg. Preuß. Provinzial- blätter. 4842. Januar-Heft. . Neue Beiträge zur Wirbelthierfauna Preußens. Ebendas. 4842. Mai-Heft. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Achter Beitrag: Or- thoptera. Ebendas. 4842. Juni-Heft. . Bericht über die im Jahre 4844 und 4842 erschienenen Arbeiten in Bezug auf die Klassen der Echinodermen, Acalephen, Polypen und Infusorien. WiıEs- MANN’S Archiv. Jahrg. 4843. Bd. II. . Über Strepsiptera. Ebendas. Jahrg. 1843. Bd. |. . Abgang eines Bandwurms aus dem Nabel, nebst einigen Bemerkungen über das Wandern der Eingeweidewürmer. Medicin. Zeitung, herausgegeben von dem Verein für Heilkunde in Preußen. Jahrg. 1843. Nr. 17. . Über das Receptaculum seminis der Hymenopteren-Weibchen. GErMARrs Zeitschrift für Entomologie. 4843. p. 362. . Bemerkungen über eine den Bacillus Rossii bewohnende Schmarotzerlarve. Ebendas. 4843. p. 389, . Über Strepsiptera, in dem Bericht über die Versammlung der Naturforscher zu Mainz. 4843. p. 241. . Über die Spermatozoen der Heuschreckenweibchen. Ebendas. 4843. p. 223. . Zusatz zu dem RosenhAuer'schen Aufsatze über Xenos Rossii. Entomolog. Zeitung. 4843. p. 443. . Anfrage wegen eines Puppengespinstes. Ebendas. 4843. p. 363. . Erläuterungen und Bemerkungen über die auf der vierten Tafel der: Beiträge zur Petrefaktenkunde von GRAF zu MÜNSTER, Heft 6 1843, abgebildeten kleinen Körper, von denen sich Fig. 9 als Anker einer Synapta und Fig. 42 und 43 als die gestielten Anhänge zweier Teredinenarten haben erkennen lassen. . Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Neunter Beitrag: Blatt- wespen, Holzwespen, Gallwespen nebst Nachtrag zu den Raubwespen. Preuß. Provinzialblätter. 4844. Februar-Heft. . Über das Stimm- und Gehörorgan der Orthopteren. WırsmAann’s Archiv. Jahrg. 1843. Bd. I. p. 52. . De finibus inter regnum animale et vegetabile constituendis. Erlangen 4844. . Bericht über die Leistungen in der Naturgeschichte der Würmer, Zoophyten XxVIl und Protozoen während des Jahres 1843 und 4844. WIEGMAnN’s Archiv. Jahr- gang 4845. Bd. II. . Über die Spermatozoiden der Locustinen. Nova Acta Academ. Leopold. Natur. Curiosor. Vol. XXI. ParsI. 4845. , Bericht über die Antwort von DREwsEN auf die Frage wegen eines Puppen- gespinstes. Entomolog. Zeitung. 1844. p. 131. . Parasiten. Handwörterbuch der Physiologie von R. WAGNER. 4844. p. 644. . Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. 4. Lieferung. Berlin A845. . Bemerkungen über Ornithobia pallida und Lipoptena Cervi. Entomolog. Zei- tung. 4845. p. 275. . Entomologische Notizen. (Gryllus Tenthredo.) Ebendas. 1845. p. 322. 35. Über Gordius. Bericht über die Naturforscherversammlung zu Nürnberg 4845. p. 182. . Über die Leistungen der Schweizer Entomologen in den Jahren 18404845. Entomolog. Zeitung. 4846. p. 497. . Über die Verbreitung der singenden Cikaden in Deutschland. Ebendas. 1837. P-.56. . Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. 2. Lieferung. Berlin 4847. . Von dem Wassergefäßsystem bei den. Cephalophoren. FRrorıEp’s Notizen. Bd. II. 4847. p. 344. . Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Zehnter Beitrag: Ver- zeichnis der Käfer Preußens. Neue preuß. Provinzialblätter. Bd. II. 4847. Heft 3, 5 und 6. p. 203, 350 und 449. . Über Helminthenwanderungen (Echinorhynchus in Gammarus pulex, Taenia in Arion empiricorum). Verhandlungen der schweizerischen naturforschen- den Gesellschaft zu Schaffhausen. 1847. p. 126 und 128. . Sullo sviluppo della Cephea Wagneri. Diario del nono Congresso degli Scien- ziati Italiani in Venezia. 4847. p. 54. . Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. 3. Lieferung. Berlin 4848. . Blepharophora Nymphaeae, eine neue Alge nach Perry ist Aleyonella stagno- rum. SCHLEIDEN’s und FroRriEp’s Notizen. Bd. VII. 4848. p. 163. . Manuel d’anatomie comparee. Animaux invertebres. Paris 4849. . Comparative anatomy of the Invertebrata. London 1854. . Über die Lebensweise der Psyche, in der von v. SıesoLD und KöLLIKER heraus- gegebenen Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. I. Jahrgang 1849. p- 93. . Über einzellige Pflanzen und Thiere. Ebendas. 1849. p. 270; übersetzt in Ann. se. nat. XII (Bot.) 4849, p.438 und Journ. mier. sc. 1.4853. p. 444, 195. . Gyrodactylus, ein ammenartiges Wesen. Ebendas. 1849. p- 347. . Beiträge zur Fauna Preußens. Halicryptus spinulosus. Crustaceen. Neue preuß. Provinzialblätter. Bd. VII. 4849. Heft 3. p. 477. . Über Leon Durour’s Beiträge zur Käfer-Fauna der Pyrenäen. Entomolog. Zeitung. 4849. p. 306. XIX Über die Raupen im Verdauungskanale des Menschen. Ebendas. 4850. p. 336. Noch ein Wort über Lipoptena Cervi. Ebendas. 1850. p. 407. Bericht über die Leistungen im Gebiete der Würmer, Zoophyten und Proto- zoen während der Jahre 1845, 4846 bis 4847. WıEGMANN’s Archiv. Jahrgang 1850. Bd. II. . Über den Generationswechsel der Cestoden nebst einer Revision der Gattung Tetrarhynchus. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. II. 41850. p. 198. und Ann. sc. nat. XV. 4854. p. 177. . Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Elfter Beitrag: Ameisen, Bienen und Wespen. Neue preuß. Provinzialblätter. Bd. X. 4850. Heft 3. p- 212. . Über die auf den verschiedenen Hirscharten schmarotzenden Lausfliegen. Verhandlungen des schlesischen Forstvereins 1850. p. 369. . Über undulirende Membranen. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. I. 4850. p. 356. . Der achtundzwanzigste Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Kultur im Jahre 1850 (Breslau) enthält Mittheilungen über die orga- nisirten Kaikablagerungen der Haut der Strahlthiere, über die Conjugation, p- 35 ; über die Conjugation des Diplozoon paradoxum, p. 36; über die Wan- derungen, weiche von gewissen Eingeweidewürmern (Gordius, Mermis) vor- genommen werden, p. 38; über Lipoptena Cervi, p. 83; über den Heerwurm und Sciara Thomae, über die Psychiden Psyche, Fumea und Talaeporia, p. 84 (auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung 4854. p. 344, und übersetzt in: Transact. of the entomol. soc. of London new ser. Vol. I. 41850—4854. p. 234) ; über Psyche Helix, p. 87; über Eriophyes, p. 89; über Isaura cycladoides als Beitrag zur schlesischen Fauna, p. 89; zur Naturgeschichte der Band- und Blasenwürmer, p. 458. Über die angeblichen Zahnwürmer. Entomolog. Zeitung, 4854. p. 51. Über den taschenförmigen Hinterleibsanhang der weiblichen Schmetterlinge von Parnassius. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. Ill. 4854. p. 53 (auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung. 4854. p. 176). . Über die Conjugation des Diplozoon paradoxum nebst Bemerkungen über den Conjugationsprocess der Protozoen. Zeitschrift für wissensch. Zool. Bd. Il. 1851. p. 62; übersetzt in.Ann. sc. nat. VIL 48514. p. 428. . Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Zwölfter Beitrag: Myriapoden, Pseudoscorpione, Orthopteren und Neuropteren. Neue Preuß. Provinzialblätter. Bd. XI. 4854. Heft5. p. 351. . Über einige Zweifel, das Vorkommen gewisser Schmetterlinge in der Provinz Preußen betreffend. Ebendas. Bd. XII. 1854. Heft 5. p. 376. . Der neunundzwanzigste Jahresbericht der schles. Gesellschaft für vaterländ. Kultur im Jahre 4854 enthält Mittheilungen über die Lebensweise und den Haushalt der Bienen, und über Drohnenmütter, welche unbefruchtet Brut hervorbringen, p. 48; über Dusını's Anchylostoma duodenale, p. 402; über einige Insekten als Pseudohelminthen, p. 105. . Zusätze zu Fıscner’s Aufsatz: Über unvollkommene Flügelbildung bei Ortho- pteren. Entomolog. Zeitung. 4852. p. 24. XXX . Über Cecidomyia saliciperda. Verhandlungen des schlesischen Forstvereins. 1852. p. 148. . Über ir Büschel- und Hörnerkrankheit der Bienen. Bienenzeitung. 4852, p- 130. . Zoologische Notizen (über Upupa epops, Calamophilus barbatus, Rana oxyr- rhina und platyrrhina). Wıremann’s Archiv. 4852. Bd.I. p. 8. . Ein Beitrag zur Helminthographia humana, aus brieflichen Mittheilungen des Dr. Bırnarz in Kairo. Zeitschrift f. wissensch. Zool. Bd. IV. 4852, p. 53, . Einige Bemerkungen über Hectocotylus. Ebendas. p. 122; übers. in TayLor, Scientif. Mem. (nat. hist.). 1853. p. 92. . Der dreißigste Jahresbericht der schles. Gesellschaft für vaterl. Kultur im Jahre 4852 enthält Mittheilungen über die Umwandlung der Blasenwürmer in Bandwürmer, p. 48; über die Auswüchse und äußeren Anhänge auf ver- schiedenen Insekten, p. 51. Beide Mittheilungen sind auch abgedruckt in Froriep’s Tagesgeschichte, Abth. Zoologie. Bd. III. 4852. p. 405 und p. 249, in Ann. nat. hist. X, 1852, p. 434 und Ann. sc. nat. XVII. 4852. p. 377. . Über die Verwandlung des Cysticercus pisiformis in Taenia serrata. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. IV. 4853. p. 400. . Über die Verwandlung der Echinococcusbrut in Tänien. Ebendas. 4853. p- #09. . Über Leukochloridium paradoxum. Ebendas. 4853. p. 425. . Über einige neue spanische von GrA&ELLS entdeckte und beschriebene In- sekten. Entomol. Zeitung. 4853. p. 16. . Über Strepsipteren und Stylopiden, im 34, Jahresbericht der schles. Ges. f. vaterl. Kultur, 1853, p. 83 (auch abgedruckt in der entomol. Zeit. 4853. p. 133). . Fall über die Divertikelbildung am Darmkanale eines neugeborenen Kindes, mit unglücklichem Ausgang, mitgetheilt in der Erlanger Dissertation des Dr. G. Scuhröper: Über Divertikelbildungen (Augsburg. 4854. 4. p. 48). . Zusatz zu Nussgaum’s Cornea artificialis als Substitut für die Transplantatio corneae empfohlen. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. Bd. V. 1854. p. 487. . Zusatz zu HessLing’s histologischen Mittheilungen. Ebendas. Bd. V. 4854. p- 499. . Beiträge zur Naturgeschichte der Mermithen. Ebendas. Bd. V. 1854, p. 204. . Über Zwitterbildung der Insekten. Entomolog. Ztg. 4854. p. 98. . Eine Melo@larve mit Unrecht als Ursache der Faulbrut beschuldigt. Bienen- zeitung. A854. p. 85. . Zergliederung einer vom Begattungsfluge heimgekehrten Bienenkönigin. Eben- das. 4854. p. 297. . Über die Band- und Blasenwürmer, nebst einer Einleitung über die Ent- stehung der Eingeweidewürmer. Leipzig 1854. Vid. Annal. d. sc. nat. Tom. IV. Pl.2 und 3 (Übersetzung). . Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen. Ein Beitrag zur Fortpflanzungsgeschichte der Thiere. Leipzig 1856. Vid. Annal. d. sc. nat. VI. 4856. p. 193—244 (Auszug). . Zusatz zu MEıssner's Beiträgen zur Anatomie und Physiologie der Gordiaceen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. Bd. VII. 1856. p. 144. 138. 139. 140. isn. 142. 143, Abk, 145. 446. 147, 448. 449. 150. 154. 152. 153. 154. || ass. 156. 157. 158, XXxI Zusatz zu Bıraarz: Über Pentastomum constrictum. Ebendas. Bd. VII. 1856. p. 330. Über die Perlenbildungen chinesischer Süßwassermuscheln. Ebendas. Bd. VIH, 4857. p. 445. On a true parthenogenesis in moths and bees. London 4857. Icones zootomicae von V. Carus, mil Originalbeiträgen von C. v. SIEBOLD. Leipzig 1857. Tab. VII. Fig. 48, 19. Eier von Taenia Fringillarum. Tab. VIII. Fig. 4—9. Verdauungs- und Geschlechtsorgan von Ascaris oligotocus. Über den Kilch des Bodensees (Coregonus acronius). Zeitschrift f. wissen- schaftl. Zoologie. Bd. IX. 4858. p. 295. Über das Receptaculum seminis der weiblichen Urodelen. Ebendas. Bd. IX. 1858. p. 463. Ein vorläufiger Bericht hierüber, in dem amtlichen Bericht über die Naturforscherversammlung in Karlsrube, im September 4858. p. 194. Über Agriotypus armatus und Trichostoma picicorne und über die Lebens- weise der Donacia linearis; in demselben Bericht. p. 241. Gutachten über einen in Niederösterreich beobachteten (vermeintlichen) Bienenfeind (eine Meloelarve). Bienenzeitung. 4858. p. 495. Ichthyologische Bemerkungen (Hautausschlag der brünstigen Männchen bei Cyprinoiden und Salmoneen, Salmo Salar muss Trutta Salar heißen, Steri- lität der Salmoneen und Cyprinoiden, Larve der Leptis Vermileo, melanoti- scher von encystirten Trematoden herrührender Hautausschlag der Cypri- noiden), im Bericht über die Naturforscherversammlung in Königsberg im September 4860. p. 74, 405 u. 438, Een paar waarnemingen betreffende de levenswijze der Insecten. Leiden Tijdsch. Entom. III. 4860. p. 95—98. Über den Bienenwolf. Bienenzeitung. 4860. p. 9. Über Agriotypus armatus. Entomolog. Zeitung. 4861. p. 39. Zusatz zu Euters’ Abhandlung über Halicryptus spinulosus Sieb. in der Zeit- schrift f. wissensch. Zoologie. Bd. XI. 4864. p. 443. Zusatz zu SchönreLv’s Aufsatz: Über Parthenogenesis. Bienenzeitung. 1862. p- 28. j Über Parthenogenesis, Vortrag in der öffentl. Sitz. d. k. Akademie der Wis- senschaften am 28. März 4862 gehalten. München 1862 (auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung. 4862. p. 447). Die Süßwasserfische von Mitteleuropa. Leipzig 4863. Über die Fische des Ober-Engadins. Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft zu Samaden. 4863. p. 173. Über das Vorkommen von Zwittern unter den Bienen. Ebendas. p. 48. Erklärung und Bemerkungen zu der von Nic. WAGNER beschriebenen und von MEINERT weiter erläuterten Insektenlarve, welche sich durch Sprossenbildun- gen vermehrt, Zeitschrift für wissenschaftl, Zoologie. Bd. XIII. 4863. p. 513. und Bd. XIV. 1864. p. 394. Über Zwitterbienen, ein Sendschreiben an die Wanderversammlung der deut- schen Bienenwirthe in Karlsruhe. Bienenzeitung. 1863. p. 223. (Auch abge- druckt in der Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. XIV. 4864. p. 73.) Bericht über den Befund einer abnormen Bienenkönigin. Bienenzeitung. 1864. p. 43. ZXxXH . Über die im Auftrage der k. Akademie d. Wiss. vorgenommenen vorläufigen Nachforschungen, um das Vorkommen von Pfahlbauten in Baiern festzustellen. Sitzungsberichte d. k. Akad. d. Wiss. zu München. Bd. II. .1864. p. 318. . Über den Ersatz der abgestorbenen Zwittermutter des Enester’schen Zwitter- bienenstocks. Bienenzeitung. 4865. p. 14 u. 52. . Zusatz zu Nıc. Wacszr’s Sendschreiber über die viviparen Gallmückenlarven. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. XV. 4865. p. 145. 2. Zusatz zu Kıounzıneer’s Aufsatz über eine Süßwasser-Crustacee (Palaemon niloticus) im Nil. Ebendas. Bd. XVI. 1866. p. 367. . Ein Wort über die ägyptischen wahren Drohnenmütter. Bienenzeitung. 1866. p. S. . Über die Kakerlakbildung der Bienen. Ebendas. 1866. p. 73. . Über das unregelmäßige Eierlegen zweier Bienenköniginnen. Ebendas. 1867. pP. 457. . Zusatz zu Lannoıs’ vorläufiger Mittheilung über das Gesetz der Entwicklung der Geschlechter bei den Insekten. Zeitschrift für wissensch. Zoologie. Bd. XVII. 1867. p. 525. (Auch abgedruckt in der Bienenzeitung 4867. p. 432.) . Über Syngamus trachealis; kurze Notiz. Korrespondenzblatt des zool. mine- ralog. Vereins in Regensburg. 1867. p. 473, . Über die Versuche, den Saibling aus den baierschen Alpenseen nach Neu- Seeland zu verpflanzen. Sitzungsberichte der k. Akad. d. Wissensch. zu Mün- chen. 4868. p. 300. . Über die Acclimatisation der Salmoneer in Australien und Neu-Seeland. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. XIX. 4869. p. 349. . Über die Parthenogenesis der Polistes gallica. Vorläufige Mittheilung im Tage- blatt der Naturforscherversammlung zu Innsbruck. 4869. p. 74, im Auszug, ausführlicher in der entomolog. Zeitung, 4870. p, 239, und in der Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. XX. 1870. p. 236. . Über Paedogenesis der .Strepsipteren im Tageblatt der Naturforscherver- sammlung zu Innsbruck. 4869. p. 445, im Auszug, auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung, 4870. p. 242, ausführlicher in der Zeitschrift f. wissen- schaftliche Zoologie. Bd. XX. 1870. p. 243. . Über die Taubheit bei Bieneneiern. Bienenzeitung. 4874. p. 474. . Beiträge zur Partbenogenesis der Arthropoden. Leipzig 1874. . Über Parthenogenesis als Nachtrag zu den Beiträgen. Sitzungsberichte der math. phys. Klasse d, Akademie d. Wiss. in München 1874. p. 232. . Sulla Partenogenesi del Bombyx Mori, lettera alla Societa Entomologica Ita- liana. Bullettino della Societa Entomol. Ital. Anno III. 487%. p. 441. . Intorno alla partenogenesi riconosciuta nelle Farfalle da antichi italiani. Ebendas. Ann. IV. 1872. p. 384. . Mittheilungen über .die Speichelorgane der Bienen. Bienenzeitung 4872. pP. 285. . Gutachten über den Werth der Goldorfe als Tafelfisch. Cirkulare des deut- schen Fischereivereins im Jahre 14872. p. 4. Über taube Bieneneier. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. XXIII. 1873. p. 204. Parthenogenesis der Artemia salina. Sitzungsberichte der math. phys. Klasse d. Akademie d. Wiss. in München. 4873. p. 468. | 181, | 482. 183. 184. 185. 486. 188. 189, 190. a9. 192, 193. 494, 195. 197. 187, 196. B.9:0:0 081 Zusatz zu WıLLemoEs-Suam’s Fauna der Binnenseen auf den Faer-Oeer. Eben- | das. 4873. p. 353. Nuovi osservazioni sulla partenogenesi del Bombyx Mori. Societa Entomol. Ital. Ann. IV. 1873. p. 271, Novella lettera sulla partenogenesi delBombyx Mori. Ebendas. 4874, p. 219. Über das Anpassungsvermögen der mit Lungen athmenden Süßwasser- Mollusken. Sitzungsberichte der math,-phys. Klasse d. Akademie d. Wiss. in München. 4875. p. 39. L’Helicopsyche in Italia. VII. 4876. p. 73. Über Helicopsyche als eine der Schweizer Insektenfauna angehörende Phryganide erkannt, mit Nachschrift, Mittheilung der schweizerischen entomolog. Gesellsch. Bd. IV. 1876. p. 579. Über die in München gezüchtete Artemia fertilis aus dem großen Salzsee von Utah. Verhandlungen der schweizer Naturforschergesellschaft in Basel 4876, Dr. RupoLpH von WILLEMOES-SUHM. Nachschrift. Zool. Bd. XXVI. 4876. p. xcı. Zusatz zu den Mittheilungen über die Verwandlung des Axolotl in Amblystoma (von MARIE v. CHuAuvin). Ebendas. Bd. XXVII. 4876. p. 536. Über die geschlechtlich entwickelten Larven der Urodelen. Bd. XXVIIl. 4877. p. 68. Über Helicopsyche, mit Nachschrift. Stettiner entomol. Zeitung. 1877. p. 246. Die haarige Familie von Ambros. Archiv für Anthropologie. Bd. X. 1877. p. 253. La- Helicopsyche agglutinans in Italia. Lettera seconda agli Entomologici italiani. Buttet. della Soc. entom. Ital. Anno X. p, 84. 4878, L’Helicopsyche in Italia. Bull. Soc. entom. ital. Anno 44, 25. Nov. 4879. Preghiera ai Signori Entomologici italiani risguardante la Psyche apiformis Bull. Soc. Entom. Ital. Anno 43. 4884. Das Hipparion auf Jahrmärkten. Archiv f. Anthropologie. Bd. XIII. 4884. Zur Naturgeschichte des Aals. Vortrag im Baier, Fischereiverein zu München, 49. Nov. 1884 und 20. Jan. 4882. Erschienen in der baier, Fischereizeitung. Bullettino della Bullettino della Societa Entomolog. Italian. Ann. Zeitschrift f. wissenschaftl. Ebendas. IH. Von den Schülern, welche von SIEBOLD gehabt hat, haben die nachstehenden sich litterarisch bekannt gemacht: 1) aus der Erlanger Zeit: A. von FRANTzIUs, als Naturforscher und Arzt in Costa-Rica thätig, + 1877 in Freiburg i. B.; BAGGE, Verfasser der oben erwähnten Dissertation. 2) aus der Freiburger Zeit: THEODOR BILHARZ, +1862 inKairo als Professor der Anatomie. 3) aus der Breslauer Zeit: FERDINAND ConHn, Professor der Botanik in Breslau ; Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. C XXXIV LEWALD, Verfasser der oben erwähnten Dissertation ; REINHOLD HENSEL, war Professor an der landwirthschaftlichen Akademie in Proskau, 7 1881; BAUMERT, + 1857 als Professor in Bonn. 4) aus der Münchener Zeit: GEORG MEISNER, Professor der Physiologie in Göttingen ; B. KLUNZINGER in Stuttgart; ERNST EHLERS, Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie in Göttingen ; ELiAs METSCHNIKOFF, war Professor der Zoologie in Odessa; R. von WILLEMOES-SUHM, + 1875 auf der Challenger-Expe- dition ; GEORG SEIDLITZ in Königsberg ; Ph. von ROUGEMONT, + 1881 als Professor der Zoologie an der Akademie zu Neuchatel; L. von GRAFF, Professor der Zoologie in Graz; JUSTUS CARRIERE, Professor der Zoologie in Straßburg; FRIEDRICH SPANGENBERG, Professor an der Forstakademie in Aschaffenburg; A. PauLy, Privatdocent in München. IV. Die sehr zahlreichen und werthvollen Ehrenbezeugungen, welche VON SIEBOLD durch Verleihung von Titeln, Orden, Medaillen, Mitgliedschaften und Doktorwürden erhalten hat, sind im Almanach der königlich baierischen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1884, p. 130 verzeichnet. Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. Von A. Kölliker. In meinem Grundrisse der Entwicklungsgeschichte (2. Aufl. 1884) findet sich auf p. 18 die kurze Angabe, dass die Thatsache, dass der erste Kern des Embryo durch Konjugation eines männlichen und eines weiblichen Kernes entstehe und diese seine hermaphroditische Zu- sammensetzung auch auf alle seine Abkömmlinge übertrage, die ein- zigeHandhabezurErklärung der Vererbung biete. In demselben Jahre 1884 gelangte das Problem der Vererbung bei mehreren Autoren zu einer ausführlichen Besprechung und zwar bei Niezııt, O. Hertwig? und STRASBURGER ® und veranlasst mich dies, meine Anschauungen über diese wichtige Frage ausführlicher vor- zutragen. Will man die Vererbung erklären, so hat man naturgemäß vom befruchteten Eie auszugehen und die Frage zu beantworten, wie es komme, dass der aus demselben entstehende Embryo dem männlichen und weiblichen Erzeuger gleiche. Vergleicht man nun das, was das Erzeugte von dem einen und andern Erzeuger von Anfang an mit bekömmt, so ergiebt sich ein großer Gegensatz zwischen dem zu- sammengesetzten weiblichen Zeugungsstoffe, dem Eie, und den so sehr einfachen männlichen befruchtenden Elementen, den Samenfäden. Dieser große Unterschied ist aber auf der anderen Seite auch wiederum sehr lehrreich, denn aus der durch neuere Untersuchungen nach- gewiesenen Thatsache, dass ein Samenfaden zur Befruchtung genügt, 1 ©. v. NägeLı, Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre. . München 1884. 2 O0. Herrwie, Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung. Jenaische Zeitschr. Bd. XVIII. 4884. 3 E. STRASBURGER, Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung. Jena 1884. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 4 3 A. Kölliker, folgt ja unabweislich, dass in diesen so einfach gebauten Elementar- körpern Alles enthalten ist, was eine Vererbung von Seiten des väter- lichen Organismus ermöglicht. Und von diesem Faktum aus lässt sich wieder ein Schluss auf die von Seiten des Eies aus bei der Vererbung wesentlichen Faktoren ableiten. Von diesen Erwägungen ausgehend, werden wir daher bei der weiteren Besprechung der Vererbung in erster Linie die Natur der Samenfäden ins Auge fassen, zweitens die Rolle schildern, welche die Samenfäden und Eier bei der Befruchtung spielen, um dann drittens darzulegen, wie die Vererbung durch die bei der Befruchtung wirk- samen Elemente ins Leben tritt. I. Natur der Samenfäden. Als ich vor vielen Jahren in meiner der Züricher philosophischen Fakultät vorgelegten Dissertation! zum ersten Male entschieden die beweglichen Elemente des Sperma für Elementartheile erklärte, glaubte ich dieselben für umgewandelte Zellen oder Produkte von sol- chen halten zu dürfen und stellte sie dem Eie als gleichwerthige Ge- bilde an die Seite. Weitere Untersuchungen lehrten mich dann, dass die Samenfäden der Säugethiere so sich bilden, dass die Kerne der Samenzellen allein auswachsen und sowohl den Körper als auch den beweglichen Faden der Samenfäden erzeugen und stellte ich, gestützt auf weitere Erfahrungen bei Wirbeithieren und Wirbellosen den Satz auf, dass die Samenfädenaller Thiere dieBedeutungvon Kernen haben?. Diese meine Darstellung wurde wenigstens in so fern angenommen, als die Mehrzahl der späteren Beobachter zugab, dass die Körper der Samenfäden aus Kernen hervorgehen, eben so allgemein trat aber auch das Bestreben auf, die Fäden selbst aus dem Inhalte der Samenzellen (den Spermatocyten von LA VALETTE) abzu- ieiten und somit die Samenfäden im Ganzen als umgewandelte Zellen zu deuten. Ich erklärte jedoch diese Auffassung nicht theilen zu kön- nen und legte in der 5. Auflage meiner Gewebelehre 1867, p. 534 und Fig. 383 neue Schilderungen und Abbildungen über die Entwicklung der Samenfäden des Stieres vor, aus denen hervorgeht, dass die Kerne der Bildungszellen derselben mit ihrem größeren Abschnitte den Kör- per der Samenfäden und aus einem Theile ihres Inneren, d.h. des 1 Beiträge zur Kenntnis der Geschlechtsverhältnisse und der Samenflüssigkeit wirbelloser Thiere, nebst einem Versuch über das Wesen und die Bedeutung der sogenannten Samenthiere. Berlin 1844. 2 Physiol. Studien über die Samenflüssigkeit. Diese Zeitschr. 4856. Bd. VI. p- 204. Die Bedeutung der Zelienkerne für die Vorgänge der Vererbung. 3 Kernsaftes, den Faden erzeugen. Diese meine letzten Darstellungen halte ich vor Allem für die Säuger, aber auch für viele anderen Ge- schöpfe, auch neueren abweichenden Beschreibungen gegenüber, auf- recht (s. Entwicklungsgeschichte, 2. Aufl., 1879, 'p. 4008 und Grund- riss der Entw., 2. Aufl., 1884, p. 19), ohne jedoch behaupten zu wollen, dass die Samenfäden und Samenelemente bei keinem Ge- schöpfe den Werth von Zellen haben. Zellen gleichwerthig sind auf jeden Fall die Samenkörper der Nematoden, wahrscheinlich auch die der höheren Kruster und möglicherweise nochmanche andere. Für die Lehre von der Bedeutung der Samenelemente istjedoch, wie man leich! einsieht, die Frage nicht die, ob gewisse derselben Zellen entsprechen, vielmehr ist das Hauptgewicht darauf zu legen, dass es Samenfäden giebt, die nichts als Kerne sind, woraus dann weiter mit Wahrschein- lichkeit folgt, dass auch bei den anderen der Kern die Hauptrolle spielt. Bei der physiologischen Wichtigkeit, der Frage nach der Bedeutung der Samenfäden, führe ich noch die Thatsachen an, die als ausschlag- gebend erscheinen. Erstens habe ich das allmähliche Auftreten des Fadens und sein Heranwachsen an den isolirten Kernen der Samenbildungszellen beob- achtet (Diese Zeitschr., Bd. VII, Taf. XV, Fig. 4, 6, 7, 8,9; Handb. d. Gewebelehre, 4. Aufl., Fig. 275, 5. Aufl., Fig. 382, 383). Zweitens findet man in gewissen Fällen die Samenfäden ein- zeln innerhalb ihrer Bildungszellen aufgerollt (s. die vorhin ange- führte Tafel und die Figuren), woraus auf jeden Fall so viel hervorgeht, dass die Fäden derselben nicht Wimperhaaren verglichen werden können, wie dies versucht worden ist. Drittens entstehen in vielen Fällen die Samenfäden zu vielen innerhalb einerZelle, in den von mir sogenannten vielkernigen Samen- cysten oder den Spermatogemmen von La VALETTE. In diesem Falle ist nicht einzusehen, wie der Inhalt dieser Mutterzellen an der Bildung der Fäden der 10—20 in ihnen entstehenden Samenfäden sich bethei- . ligen sollte. Ich füge nun noch bei, dass überhaupt noch Niemand irgend eine bestimmte Angabe über die Art und Weise gemacht hat, wie die hypothe- tisch aus dem Samenzellenprotoplasma selbständig entstehenden Mittel- stücke und Fäden sich bilden und mit dem Kern sich vereinigen, so wie dass eine solche Entstehung einheitlicher beweglicher Elementar- theile, wie die Samenfäden sie darstellen, aus zwei verwachsenden Bildungscentren außer aller Analogie wäre. Folgt man meiner Auf- fassung, so ergiebt sich ein leichtes Verständnis vieler neueren Unter- suchungen über die Samenflüssigkeit, wie namentlich der ausgezeich- 4* 4 A. Kölliker, neten Beobachtungen von LA VALETTE, mit dem ich sonst in allen wesent- lichen Punkten übereinstimme. Auch die schönen Erfahrungen von HERRMANN (Journ. d’Anat. et dePhys. 1882) würden leicht verständlich, wenn man annähme, dass Fäden und Mittelstück der Samenfäden nicht »par genese« in den Samenbildungszellen und im Protoplasma der Mutterzelle derselben entstehen, sondern aus den Kernen der ersteren auswachsen, und dass später das Protoplasma der Spermatocyten ver- geht. Dasselbe gilt von den trefllichen Beobachtungen von O. J. JENSEN (Arch. de Biol. IV), der über die Bildung der Fäden auch nicht ins Reine gekommen ist und dessen Fig. 45 Taf. XXI nicht das beweist, was sie beweisen sollte. Am meisten stimmen mit meinen Erfahrungen die neuen sorgfältigen Untersuchungen von Mıx von Brunn über die Samen- körper der Paludina vivipara!, denen zufolge die Samenkörper ganz und gar aus Kernen hervorgehen, außerdem aber noch eine proto- plasmatische Hülle von der Bildungszelle der Samenfäden erhalten. Eine solche Umhüllung entwickelt sich unstreitig in manchen Fällen um die Kerne und hat die irrige Annahme erzeugt, dass ein Theil der Samenfäden aus den Samenzellen (Spermatocyten) entstehe. Nach meinen Erfahrungen ist jedoch diese Bildung ganz unwesentlich und auch an reifen Samenfäden häufig nicht mehr vorhanden. Die befruchtenden Elemente der Pflanzen scheinen, da wo sie in der Form von beweglichen Samenkörpern auftreten, vielleicht allge- mein die Bedeutung von Zellen zu haben, wenn auch, wie STRASBURGER hervorhebt, das Zellenprotoplasma oft so reduceirt ist, dass der Kern bei Weitem den Hauptantheil derselben bildet. Bei den Phanerogamen dagegen, denen Spermatozoen fehlen, sind nach desselben Autors neue- sten Untersuchungen (l. s. ec.) die befruchtenden Elemente einfache in den Pollenschläuchen entstehende sogenannte »generative« Kerne. II. Verhalten der Samenkörper und Eier bei der Befruchtung. Seit BürschLı zuerst im Jahre 18722 im befruchteten Eie von Rhab- ditis dolichura zwei Kerne wahrnahm, die durch ihre Verschmelzung den ersten Kern des Embryo bilden, sind die im Eidotter bei der Be- fruchtung sich abspielenden Vorgänge der Gegenstand vieler und sorgfältiger Untersuchungen gewesen, unter denen vor Allem die von ! Unters. ü. d. doppelte Form der Samenkörper von Paludina vivipara. Leipzig. Dissert. Bonn 4884. 2 Beitr. z. Kenntn. der freilebenden Nematoden. in: Nova acta. Bd. XXXVI. 41873. a 7 le an en A en nn TU 5 m. Die Bedentung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 5 O. Herrwis, For und E. v. BEnEDEn als bahnbrechend hervorgehoben zu werden verdienen !. Wie die Sachen jetzt liegen, wird von allen Beobachtern, mit ein- ziger Ausnahme von A. Schneider ?, angenommen, dass die Samenkörper bei der Befruchtung in den Dotter eindringen, hier mit Theilen des Keimbläschens sich vereinigen und den ersten Kern des werdenden Geschöpfes erzeugen. In Betreff mancher Einzelnheiten und selbst wichtiger Punkte stimmen dagegen die Beobachter nicht überein und wird es nöthig dieselben der Reihe nach zu besprechen. a) Welcher Theil der Samenkörper ist der befruch- tende? Bei Beantwortung dieser Frage muss zwischen den eigentlichen Samenfäden und den Samenkörpern unterschieden werden. Für die Samenfäden steht es fest, dass dieselben mit dem Körper in den Dotter eindringen, dagegen ist das Schicksal ihrer beweglichen Fäden nicht mit Sicherheit ermittelt. Da das Eindringen der Samenfädenkörper in denDotter auf der Thätigkeit ihrer Fäden beruht, so ist es als sehr wahr- scheinlich zu bezeichnen, dass die Fäden mit eindringen, eben so nahe liegt es aber auch anzunehmen, dass dieselben imDotter sich auflösen, da von denselben später nichts mehr wahrzunehmen ist. Der zur Ver- bindung mit dem Eikern gelangende Theil des Samenfadens würde somit nur der Körper sein, welcher auch von den Autoren, die die Samenfäden für umgewandelte Zellen halten, von dem Kerne ihrer Bildungszellen abgeleitet wird. Was die Samenkörperchen anlangt, so besitzen wir nur über die- jenigen der Nematoden genauere Erfahrungen. Nach E. v. BENEDEN geht bei Ascaris megalocephala nicht nur der chromatische Kern der Samenkörperchen, sondern auch eine achromatische Lage (Zone pe- rinucl&aire) , die denselben umgiebt, in die Bildung 'des männlichen Vorkernes ein (l. c. Archives p. 549 ff.). Über die Entstehung und Abstammung dieser Zone vermisst man bestimmte Angaben, dagegen spricht sich E. v. BENEDEN ganz entschieden dafür aus, dass der Proto- plasmakörper der Samenkörperchen (diese als einer Zelle gleichwerthig aufgefasst) bei derBildung des männlichen Vorkernes keineRolle spiele und auch sonst für die Befruchtung keine wesentliche Bedeutung zu haben scheine (l. c. p. 520 und 524). Mit dieser Darstellung stimmt 1 InBetreff desGeschichtlichen verweise ich auf die Darstellung von O. Herrwiıc 1.c. p. 19 und E. v. BENEDEN p. 49 ff. in Rech. sur la maturation de l’oeuf, la Fecondation et la division cellulaire. Gand 1883. Auch in den Arch, d. Biol. IV. p- 95 u. 265. 2 A, ScHNEIDER, Das Ei und seine Befruchtung. Breslau 1883. 6 | A. Kölliker, Nusssaum im Wesentlichen überein (Über die Veränderungen der Ge- schlechtsprodukte bis zur Eifurchung; ein Beitrag zur Lehre der Ver- erbung im Arch. f. mikr. Anat. 1884. Bd. XXIII. p. 171. f.), nur kennt er keine bei der Bildung des Spermakernes betheiligte achro- - matische Lage. b) Verhalten der Keimbläschenbei der Befruchtung. Alle neueren Untersuchungen stimmen darin überein, dass die Keimbläschen oder die Kerne der Eier vor ihrer Betheiligung bei der Befruchtung sich gewisser Bestandtheile entledigen, welche nichts Anderes sind, als die längst bekannten Polkörperchen. Diese Um- gestaltung geschieht unter Erscheinungen, welche an die indirekte Kerntheilung erinnern, ohne mit derselben ganz übereinzustimmen und wiederholt sich, wie es scheint, typisch zweimal an jedem Keim- bläschen, so dass bei der zweiten Theilung einmal das zweite Polkörper- chen und zweitens der bleibende Eikern oder weibliche Vorkern ent- steht. Ob die Polkörperchen die Bedeutung von Zellen haben (O. Heri- wie) oder von Kernen (E. v. BEnEDEN), was mir wahrscheinlicher vorkommt, ist für die Lehre von der Befruchtung von geringerer Be- deutung, wichtiger dagegen wäre es, wenn sich die Annahme von E.v. BENEDEN bei Ascaris bestätigen sollte, dass die chromatische Substanz des Eikernes ganz und gar vom Nucleolus des Keimbläschens abstammt, der aus diesem Grunde von den gewöhnlichen Kernkörperchen unterschie- den wird. ec) Zusammentreffen der Samenkerne und Eikerne, Befruchtung. | Mit O. Herrwıg nehmen die meisten Autoren an, dass der Sperma- kern und der Eikern unter einander verschmelzen und dass in Folge dieser »Konjugation« der erste Kern des Embryo (der Furchungskern, Ö. Herrwis) entstehe. Anders E. v. Bentpen, der vor Allem bei Ascaris megalocephala eine solche Verschmelzung bestreitet und auch beim Kaninchen dieselbe bezweifelt. Bei der Ascaris lässt E. v. BENEDEN den Eikern und den Spermakern unverschmolzen in die erste Theilung des Dotters eingehen in der Art, dass vor der ersten Abschnürung des Dotiers jeder der beiden Kerne zwei chromatische Schleifen bildet. Hierauf spalten sich diese vier Schleifen alle der Länge nach in der Art, dass bei der neu eintretenden Theilung des Dotters in zwei Hälften jeder Kern derselben die Hälfte der Schleifen des männlichen und des weiblichen Vorkernes aufnimmt. Somit entsteht nach v. BEnEDEN in keinem Stadium der ersten Dotter- theilung eine Verschmelzung der männlichen und weiblichen chroma- tischen. Substanz und wenn überhaupt je eine solche Verschmelzung | \ | Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 7 vorkomme, so könnte dieselbe nur in den Kernen der beiden ersten Furchungskugeln stattfinden; doch seien Gründe für die Annahme vor- handen, dass selbst in diesen Kernen die männliche chromatische Substanz von der weiblichen geschieden sich erhalte. Der Endschluss von E. v. BEnEDEN, dass die Befruchtung somit nicht in einer Konju- gation eines männlichen und eines weiblichen Vorkernes bestehe, ist so wiehtig, dass es sich wohl der Mühe verlohnt, die Grundlagen des- selben genau zu prüfen. Hier ist nun in erster Linie zu bemerken, dass M. Nussgaum an demselben Objekte, wie E. v. BEnEDEn, eine Verschmelzung desSperma- kernes und Eikernes beschreibt und abbildet (l. c. Fig. 40) und ferner in vollem Gegensatze zu E. v. BeEnepen die chromatische Substanz in dem einfachen Furchungskerne in erster Linie als einen zusammen- hängenden Faden schildert (Fig. 41, 42), der erst sekundär in vier Schleifen zerfällt (Fig. 43, 44, 45), die dann nochmals der Länge nach sich spalten, bevor die erste Theilung des Dotters beginnt. Auch bei Leptodora nigrovenosa sah M. Nusspaum die Verschmelzung des Sperma- und Eikernes und die weiteren Veränderungen der vereinigten Kerne in derselben Weise wie bei der Ascaris des Pferdes (l. e. p. 173). — Wie stimmen nun diese Erfahrungen mit;denen von E. v. BENEDEN? Ohne eigene Erfahrungen über Ascaris zu besitzen, ist es mir natürlich un- möglich, einebestimmteEntscheidung abzugeben, immerhin glaube ich Folgendes weiteren Beobachtern zur Würdigung unterstellen zu dürfen. Die Angaben von E. v. BENEDEN erwecken durch die weit ins Einzelne gehenden Beschreibungen und durch die bei starken Ver- größerungen dargestellten Objekte von vorn herein ein günstiges Vorurtheil, das durch die ganze Haltung der Darstellung und die nicht zu bezweifelnde Sorgfalt der Untersuchung nur verstärkt wird. Nichts- destoweniger geben die Schlüsse und Beobachtungen dieses Forschers zu gewissen Bedenken Veranlassung, die ich im Interesse einer spä- teren Entscheidung nicht unterdrücken möchte. Vor Allem hebe ich her- vor, dass, obschon E. v. BEnEDEN eine Verschmelzung des Eikernes und des Spermakernes leugnet, er dieselben doch in seinen Fig. 20—25 auf Taf. XIX bis und in den Fig. 3, 5—9 auf Taf. XIX ter vereinigt zeichnet. Wenn ferner E. v. BEnEDEn behauptet, dass von den vier, durch Spaltung der ursprünglichen zwei entstandenen chromatischen Schleifen einesjeden dieser Kerne die eine Hälfte in den einen Kern der ersten ‚zwei Furchungskugeln, die andere Hälfte in den anderen Kern über- gehe, so ist doch klar, dass jeder dieser Kerne durch Vereinigung eines halben Eikernes und eines halben Spermakernes entstehen muss und wird auch von dieser Seite eine andere Deutung der Beobachtungen g A, Kölliker, dieses Autors möglich. Und zwar scheint mir die Annahme gestattet, dass wenigstens die achromatischen Theile des Ei- und Spermakernes mit einander verschmelzen und dannin dem einfachen ersten Furchungs- kerne bei seiner Theilung die chromatischen Fäden so-sich sondern, dass jede Hälfte zwei männliche und zwei weibliche Schleifen erhält. Für die weitere Vermuthung E. v. BENEDEn’s, dass auch in diesen Kernen der beiden ersten Furchungskugeln die männliche und weibliche Chromatinsubstanz sich gesondert erhalte, sprechen keine direkten Beobachtungen, vielmehr geht aus E. v. Benepen’s Darstellung dieser Kerne (Fig. 14—13 auf Taf. XIX ter) gerade umgekehrt hervor, dass eine Verschmelzung der beiderlei Chromatinschleifen eintritt. Somit wird auch die weitere Vermuthung dieses Autors (p. 620) hinfällig, dass auch in allen den späteren Kernen die männliche und weibliche Chromatinsubstanz sich getrennt erhalte. Da im Gebiete des Thierreiches über die feineren Vorgänge bei der Befruchtung noch mehrfach abweichende Anschauungen herrschen, so wird es von Wichtigkeit, auch bei den Pflanzen Umschau zu halten. Hier tritt uns aus neuester Zeit die wichtige Arbeit von E. StRASBURGER (1. s. c.) entgegen, der, auf eingehende Untersuchungen vieler Phanero- gamen gestützt, zu folgenden allgemeinen Sätzen gelangte (p. 77): »A) Der Befruchtungsvorgang beruht auf der Kopulation des in das Ei eingeführten Spermakernes mit dem Eikern, ein Satz, der zuerst scharf von O. Herrwıc formulirt wurde. 2) Das Gytoplasma ist an dem Befruchtungsvorgang nicht be- theiligt. | 3) Der Spermakern wie der Eikern sind echte Zellkerne.« Zu diesen Sätzen gehören noch folgende Erläuterungen: ad 1 hat Strasgurger keine Beobachtungen darüber aufzuweisen, wie die Kerngerüste der beiden verschmelzenden pflanzlichen Be- fruchtungskerne sich verhalten, ob dieselben sich vereinigen oder nicht (p. 87, 88), und ist daher auf seinen Anschluss an die Anschauungen von E. v. BEnEDEn kein entscheidendes Gewicht zu legen. ad 3 erscheint es von Wichtigkeit, dass STRASBURGER nachge- wiesen hat, dass die generativen Zellenkerne in den Pollenschläuchen eben so wie dieEikerne durch indirekte Theilung aus genuinen Mutter- kernen hervorgehen. ad 2 endlich ist entscheidend, dass bei den Phanerogamen nur die befruchtenden Pollenkerne ohne Cytoplasma in die Eizelle einge- führt werden. Auf die Befruchtungsvorgänge bei den niederen Pflanzen einzu- gehen, liegt kein Grund vor, da dieselben nach manchen Seiten noch EP le a a ne de a ge nn Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 9 nicht hinreichend erforscht sind, immerhin lässt sich schon jetzt so viel sagen, dass von denselben keine Thatsache bekannt ist, welche dem Satze direkt widerspricht, zu dem die Erfahrungen bei den Phanero- gamen und den Thieren führen, denen zufolge dieselbe auf die Vereinigung eines männlichen und eines weiblichen Kernes zurückzu- führen ist. Zum Schlusse ist nun noch eine Hypothese zu besprechen, die für (die Auffassung der Vorgänge der Befruchtung von Wichtigkeit ist, die nämlich, ob die befruchtenden Zellenkerne den Werth gewöhnlicher Zellenkerne haben, oder als Nuclei eigener Art anzusehen sind. Be- kanntlich haben Minor!, BaLrour und E. v. BENEDEN (l. c. p. 319, 395) diese Frage zuerst besprochen und hat dieselbe dann in der Hand des letztgenannten Autors sich zur Hypothese entwickelt, dass die gewöhn- lichen Zellenkerne alle hermaphroditisch seien und dass der Eikern, um sich zur Zeugung tauglich zu machen, sich erst seiner männlichen Bestandtheile entledige und der Spermakern seiner weiblichen Elemente. Erst durch das Zusammentreffen des specifisch weiblichen und speeifisch männlichen Kernes in der Eizelle komme dann die Befruchtung zu Stande, mit anderen Worten die Fähigkeit der Eizelle, sich zu einem neuen Organismus zu entwickeln. Beim Eikerne lassen sich die Pol- körperchen als männliche Elemente auffassen,, die, bevor derselbe zur Befruchtung tauglich wird, ausgestoßen werden und bei den Samen- körperchen der Ascaris megalocephala betrachtet v. BEnEDen den Theil der Samenbildungszellen, den er mit Jensen Portion cytophorale nennt (l. ec. p. 528, Taf. XIXter Fig. 18, 19, 20), als den zur Ausscheidung bestimmten Abschnitt. In einer neuesten Arbeit von JuLın und E. v. BEn£Den (Bull. d. l’Acad. d. Belg. VII. 1884, p. 312—342) werden neben dem erwähnten Vorgange auch. noch Erscheinungen an den Bildungszellen der Spermatogonien (Spermatomeres J. et v. B.) be- schrieben, welche mit der Ausstoßung der Polkörperchen verglichen werden, so dass somit hier die Ausstoßung des weiblichen Kern- elementes an zwei verschiedenen Zellenarten auftreten würde. Dies das Wesentliche der neuesten Angaben, über welche ein be- stimmtes Urtheil abzugeben sicherlich nicht leicht ist. In Betreff der Globules polaires stehen sich die Angaben E. v. BEnEDEN’s und aller anderer Autoren (BürscauLı, O. Herrwis, For, Mark, FLemming) gegenüber. Letztere lassen bei der Entstehung derselben das Keimbläschen durch gewöhnliche indirekte Theilung sich spalten, was zur Folge haben müsste, dass beide Hälften gleichwerthige Stücke der chromatischen Kernsubstanz enthalten, während E. v. BEnepden bei Ascaris eine Längs- 1 Proc. Bost. Soc. XIX. 4877. p.165—471 und Amer, Naturalist, 1880. p. 96 fi. 20: A. Kölliker, theilung parallel der Achse der Kernspindel annimmt, die allerdings differente Theile in die Polkörperchen und den im Dotter verbleibenden Rest des Keimbläschens, dorthin männliche und dahin weibliche chromatische Substanz bringen könnte. Sind nun auch die Abbildungen und Beschreibungen von E. v. BEenepen sehr anschaulich und bestimmt, so glaube ich doch einigen Bedenken Ausdruck geben zu dürfen. Fürs Erste möchte ich die Frage aufwerfen, wodurch bewiesen wird, dass bei einer Längstheilung der äquatorialen Kernplatte männliche Elemente auf die eine und weibliche auf die andere Hälfte fallen, indem eben so gut eine hermaphroditische Vertheilung denkbar ist. Zweitens muss bei näherer Überlegung Folgendes gerechte Zweifel erwecken. Wenn bei der Bildung desersten Polkörperchens dasselbe die Hälfte der chromatischen Substanz desKeimbläschens aufnimmt und diese männlich ist, was soll dann die Ausstoßung weiterer Theile des Keimbläschens bei der Bildung des zweiten Polkörperchens für eine Bedeutung haben? Drittens ist es unzweifelhaft, dass bei der Bildung der Samenfäden vieler Thiere der Kern der Samenbildungszellen oder Spermatocyten ganz und gar in die Bildung der Samenfäden aufgeht und keinen Theil ausstößt oder verliert. Viertens endlich sind Polkörperchen lange nicht bei allen Thieren beobachtet und finden sich auch kei vielen Pflanzen keinerlei Erscheinungen, die die Hypothese von E. v. BENEDEN zu unterstützen geeignet wären, in welcher Beziehung STRASBURGER’S Abhandlung (p. 91 ff.) zu vergleichen ist. | Diesen Gründen, die auf das Thatsächliche sich beziehen, reihe ich nun noch einen allgemeinen an, den STRASBURGER zuerst betont hat. Der Eikern überträgt nicht bloß Eigenschaften der weiblichen Vor- fahren der Mutter auf das Erzeugte, sondern auch der männlichen und eben so der Spermakern. Wenn somit das Kind dem Vater der Mutter oder der Mutter des Vaters ähnlich sein kann, so muss sowohl der Eikern als der Spermakern hermaphroditisch sein und fällt die obige Hypothese in nichts zusammen. Ich erlaube mir eine andere Vermuthung an die Stelle derselben zu setzen, nämlich die, dass durch die Entfernung gewisser Bestandtheile des Keimbläschens die unverhältnismäßige Größe des weiblichen Be- fruchtungskernes gemindert und das Idioplasma beider Kerne an- nähernd auf dasselbe Maß gebracht wird. II. Die Vererbung und die Rolle, welche die bei der Befruchtung wirksamen Elemente bei derselben spielen. Wir sind in den vorausgegangenen Darlegungen zu demErgebnisse gekommen, dass die Befruchtung durch das Zusammenwirken von ge- Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 14 formten Elementen zu Stande kommt, die beim männlichen und weib- lichen Organismus die Bedeutung von Kernen haben. Sollte sich nun noch zeigen lassen, dass diese zeugenden Kerne auch die Elementar- organe sind, von denen die Vererbung der Eigenschaften der Erzeuger auf das Erzeugte abhängt, so würde durch einen solchen Nachweis die Bedeutung der Zellenkerne in ein ganz anderes Licht treten, als die meisten Forscher bisher annahmen. Denn seit den Arbeiten von Monı und NäezLı im Gebiete der Botanik und denen von E. Brücke, Max ScuuLtze und LioneL BEALE hatte man sich, wenigstensin der thierischen Histologie, gewöhnt, die Zellsubstanz, das Protoplasma, als den Haupt- theil der Zellen anzusehen und den Zellenkernen nur eine unter- geordnete Bedeutung zuzuschreiben. War doch Brücke so weit ge- gangen, zu sagen, dass nicht gezeigt sei, dass die Kerne wesentliche Bestandtheile der Zellen darstellen und dass kein unumstößlicher Beweis dafür vorliege, dass dieselben, wo sie sich finden, bei der Fortpflanzung der Zellen eine wichtige Rolle spielen. In vollem Gegensatze hierzu habe ich, wie ich ©. Herrwıc gegenüber (l. e.p. 34) hervorzuheben mir erlaube, in allen Auflagen meiner Gewebelehre die große Bedeutung der Kerne für die Vermehrung und Theilung der Zellen hervorgehoben und ihnen auch einen wesentlichen Einfluss auf den Stoffwechsel und das Wachsthum der Elementartheile zugeschrie- ben. Schon im Jahre 1867 habe ich ferner (Gewebelehre 5. Aufl. p. 37) aus dem Verhalten der Kerne gegen Karmin und gestützt auf die Be- deutung der aus Kernen hervorgehenden Samenfäden für die Befruch- tung auf einen lebhaften Stoffwechsel in denselben geschlossen und die Vermuthung ausgesprochen, dass der Kerninhalt vielleicht eine besondere Anziehung für den Sauerstoff besitze und hierdurch seine weitere Wirkung entfalte. Für mich war es daher in keiner Weise überraschend, als die neuen Forschungen im Gebiete der Zeugungslehre dem Kerne der Ei- zellen eine hervorragende Bedeutung gaben und eine Vereinigung je eines Eikernes mit je einem Samenfaden als wesentlichster Vorgang bei der Befruchtung nachgewiesen wurde. Selbstverständlich musste nun auch die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Zellenkerne für die Vererbung gelenkt werden (s. m. Grundriss der Entw. 2. Aufl. p- 18), denn wenn auch schon vor vielen Jahren von mir ausgesprochen worden war (Beitr. z. Kenntnisd. Geschlechtsverhältnisse und derSamen- llüssigkeit wirbellos. Thiere. Berlin 1841. p. 83), dass die Samen- fäden Elementartheile sind, welche die Eigenschaften des väterlichen Organismus auf das Erzeugte vererben, so konnte doch diese That- sache so lange nicht zu einer bestimmten Hypothese verwendet wer- 12 A. Kölliker, den, als man nicht wusste, dass die Samenfäden in das Ei eindringen und mit geformten Theilen in die Bildung des ersten embryonalen Kernes eingehen. So nahe es nun auch denjenigen Forschern, die mit der ersten Entwicklung der pflanzlichen und thierischen Organismen sich be- schäftigten, lag, auch die Frage der Vererbung heranzuziehen, so sind doch sie nicht die ersten, welche an dieses schwierige Gebiet sich heranwagten, vielmehr gebührt C. v. Näseriı das Verdienst, das- selbe zuerst in mustergültiger und erschöpfender Weise bearbeitet zu haben, worauf dann die mehr auf embryologischer Basis stehenden Betrachtungen und Auseinandersetzungen von O. HerrwIc und Stras- BURGER folgten (l. 1. s. c. c.). Mit diesem Ausspruche bin ich übrigens nicht gemeint, die zum Theil mehr aphoristischen, z. Theil ausführ- licheren Darlegungen früherer Forscher auf diesem Gebiete, wie die von E. Hıeerer (Generelle Morphologie), Darwın (Theorie der Pange- nesis), Nusssaum1, Weismann?, Hensen®, Hıs®, Prrücer5 u. A. hintan- zusetzen, wenn auch keine derselben zu einem klaren Bilde über die Vererbung geführt hat. Näszui geht bei seinen Betrachtungen von denSamenfäden und der Eizelle aus und kommt in richtiger Würdigung der Thatsache , dass die im Verhältnisse zu der Eizelle so winzigen Samenfäden die Eigen- schaften des männlichen Organismus auf das Erzeugte übertragen, und dass dieses in der Regel gleichviel von beiden Erzeugern an sich habe, zum Schlusse, zu dem Sıcas schon im Jahre i882 gelangt war (Physiol. p. 439 ff.), dass auch die Eizelle nicht mit ihrem gesammten Inhalte, sondern nur mit einem minimalen Theile desselben an den Vererbungserscheinungen sich betheilige. Diese in den Samenfäden und in dem Eie befindliche Substanz nennt NäszLı Idioplasma und stellt derselben das Ernährungsplasma gegenüber, welches den Verkehr der Organismen mit der Außenwelt vermittle und keine maß- gebende Einwirkung auf die Formbildung habe, 'die allein dem Idio- plasma unterstellt sei. In welchen Theilen des späteren ausgebildeten ! M.Nusssaum, ZurDifferenzirung des Geschlechtes im Thierreiche. in: Archiv für mikr. Anat. Bd. XVIII. 4880. p. 4. — Über die Veränderung der Geschlechts- produkte bis zur Eifurchung, ein Beitrag zur Lehre der Vererbung. Ebenda Bd. XXI. 4884. p. 455. 2 Über die Vererbung. Jena 1883. 3 V. HEnsen, Physiologie der Zeugung. in: Hermann’s Handb. d. Physiologie. Bd. VI, Hft. 2. 1884. * W. Hıs, Unsere Körperform. 1874. p. 130 ff. 5 E. PrLüczr, Untersuchungen über Bastardirung der anuren Batrachier und die Prineipien der Zeugung. Bonn 1883. Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 13 Organismus das Idioplasma zu suchen sei, darüber spricht sich Näczıı nicht aus, doch stellt er sich dasselbe als eine den ganzen Organis- mus durchziehende und netzförmig zusammenhängende Substanz vor und ist der Meinung (p. 44), dass der in Pflanzenzellen so häufig vorkommenden netzförmigen Anordnung des Plasmas und der netzför- migen Beschaffenheit der Kernsubstanz wahrscheinlich das Idioplasma- netz zu Grunde liege. Weiter denkt sich NisrLı das Idioplasma als eine eher feste Substanz mit ganz bestimmter Anordnung ihrer klein- sten Theilchen (Micelle, NäceLı), welche durch ihre Wechselwirkung mit dem Ernährungsplasma und der Außenwelt nach ganz bestimmten Gesetzen aus dem befruchteten Eie den gesammten Organismus er- zeuge und die einfacheren Organismen, inFolge einer ihr innewohnen- den Tendenz zu immer größerer Vervollkommnung, zu immer neuen zusammengesetzteren Formen bringe. Diese in kurzen Zügen geschilderte Hypothese verdient meiner Überzeugung nach die größte Beachtung und erscheint in ihren Grund- gedanken unanfechtbar, in so fern dieselbe als formbildendes Element der Organismen eine Substanz von ganz bestimmtem Baue statuirt, die durch ihre Wechselwirkung mit der Außenwelt in gesetzmäßiger Weise sich vermehrt und umbildet und ist durch diese Aufstellung zum ersten Male an die Stelle von unbewiesenen Hypothesen und un- bestimmten, vagen Andeutungen eine klare, an die Thatsachen sich anlehnende Hypothese getreten, deren weiterer Ausbau zu großen Er- wartungen berechtigt. In so weit glaube ich mich entschieden auf die Seite meines alten Studiengenossen und Freundes stellen zu dürfen, was dagegen die Einzelnheiten von NäceLr's Darstellungen über den Bau der idioplastischen Substanz betrifft, so scheinen mir dieselben nicht alle Möglichkeiten zu erschöpfen, doch fühle ich keinen Beruf, ‚auf eine Besprechung dieser Frage einzugehen, die unstreitig zu den allerschwierigsten gehört. Wohl aber möchte ich einen anderen Punkt nicht übergehen, der mir die Angel zu sein scheint, um die das Ganze sich dreht, die Frage nämlich nach dem Sitze der idioplastischen Sub- stanz in den Organismen und in ihren Elementartheilen und nach der Art und Weise ihrer Wirkung bei den Gestaltungsvorgängen. Bei aller Anerkennung der geistvollen Auseinandersetzungen NäGEL!’'s em- pfindet man doch am Schlusse seiner Darstellungen einen gewissen Mangel in so fern, als einem so zu sagen nichts in den Händen bleibt, womit man weiter bauen könnte und man umsonst sich vorzustellen versucht, wo nun die idioplastische Substanz eigentlich ihren Sitz habe und wie sie an der Gestaltung sich betheilige. Mir will es nun schei- nen, dass ein weiterer Ausbau der Näszır’schen Hypothese nach den 14 A, Kölliker, angegebenen Seiten nicht unmöglich ist und erlaube ich mir im Fol- genden dies ausführlicher aus einander zu setzen. Wie wir oben sahen, führen alle neueren embryologischen Unter- suchungen zu der Annahme, dass die Befruchtung von Zellenkernen ausgehe und dass somit auch die Vererbung an die Nuclei gebunden sei. Es erscheint daher sicherlich nicht als unberechtigt, die Frage aufzuwerfen, ob eine Umgestaltung der Näczırsche Hypothese vom Idioplasma in diesem Sinne gestattet sei, oder ob eine Nöthigung vor- liege, dasselbe als eine im ganzen Organismus verbreitete und zu- sammenhängende Substanz aufzufassen. Von den anderen Autoren, die nach Näserı über die Frage der Vererbung sich geäußert haben, spricht O. Herrwie (l. s. c.) auf Grund der embryologischen Thatsachen und mit voller Kenntnis der Anschauungen von Näcerı sich dahin aus, dass die Vererbung einzig und allein an die Zellenkerne gebunden sei, während SrrassurgEr zwar das eigentliche Idioplasma in die Kerne ver- legt, daneben abernocheinIdioplasma, ich möchte sagen zweiter Klasse, im Zelleninhalte statuirt und als Cyto-Idioplasma dem Karyo-Idio- plasma! an die Seite stellt. Mich selbst hat eine reifliche Erwägung aller Verhältnisse zu derselben Annahme wie O. Herrwıc geführt und will ich mich nun dem Versuche unterziehen zu zeigen, dass derselben eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen ist. Das Idioplasma im Näser’schen Sinne aufgefasst, ist diejenige Sub- stanzin den Organismen, von welcher jeglichetypische Formbildungaus- geht und von der es abhängt, dass das Erzeugte nicht nur das Wesent- liche der Gestalten der Erzeuger, sondern auch feine und feinste Einzeln- heiten derselben ®wiederholt. HatdieAnnahme, dass die Kerne dermänn- lichen und weiblichen Zeugungselemente die Vermittler der Vererbung sind, Berechtigung, so muss sich folgerichtig auch zeigen lassen, dass und wie deraus der Vereinigung der zeugenden Kerne hervorgegangene erste Embryonalkern und seine Abkömmlinge die Triebfedern sind, von welchen die gesammte typische Entwicklung der Einzelwesen ab- hängt. Ein soleher Nachweis ist bis jetzt weder von O. Herrwıc noch von STRASBURGER, noch von sonst Jemand gegeben worden und sind 1 Die Namen »Nucleo-idioplasma«, »Nucleoplasma«, die an das berüchtigte »Tendilemma« eines med. Autors sich anschließen, sind leicht zu vermeiden. 2 In einer eben (10. Februar 4885) erhaltenen Arbeit von G. Borx (Über den Einfluss derSchwere aufdasFroschei. in: Archiv für mikr.Anat. Bd. XXIV. p.475) spricht sich dieser Forscher auf Grund seiner Beobachtungen ebenfalls dafür aus, dass die »specifische zu vererbende Struktur nur dem Kern angehöre«. 3 Eine Vererbung erworbener Eigenschaften nehme ich eben so wenig wie Hıs, WEISvMANN u. A. an. Zy PEN TE 7 Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 15 daher auch die bisherigen Darstellungen in keiner Weise als er- schöpfend und überzeugend zu bezeichnen. Verfolgen wir nun die Frage der von uns angenommenen Be- deutung der Zellenkerne für die ontogenetischen Verhältnisse ins Ein- zelne, so lehrt uns eine Analyse der formbildenden Vorgänge bei den höheren Organismen, dass dieselben wesentlich auf zwei Momente zurückgeführt werden können und zwar einmal auf dieBildung von Elementartheilen und zweitens auf die Anordnung und Ge- staltungderselben. Bei allen mehrzelligen thierischen Organismen ist die Formbildung Anfangs einzig und allein auf die Schaffung oder Herstellung einer gewissen Anzahl von gleichartigen Elementartheilen gerichtet und erst, wenn diese gegeben ist, nehmen die Elemente nach und nach bestimmte Gestaltung (nach äußerer Form und innerem Bau) und typische Gruppirung an und erzeugen die Anlagen der ver- schiedenen primitiven und bleibenden Organe, wiez.B. beiden höheren Thieren diejenigen des Hornblattes, des Medullarrohres, der Chorda, des Darmdrüsenblattesete. DieBildung und Erzeugung von Elementar- theilen ist jedoch keineswegs auf die erste embryonale Zeit beschränkt, vielmehr tritt dieselbe auch noch später auf und dauert je nach den einzelnen Organen und Organismen verschieden lang. Halten wir uns an die Wirbelthiere, so finden wir, dass bei Embryonen die Vorgänge, die bei der Bildung der Extremitäten, bei der Verlängerung des Medul- larrohres nach hinten, beim Wachsthum der Achse (Wirbel und verte- brale Muskeln), bei der Entstehung der Drüsen statthaben, gute Beispiele einer 'energischen Zellenbildung nach geschehener Anlage der Haupt- organe abgeben. Bei gewissen Organen dauert die Zellenproduktion während der ganzen Fötalperiode, wie bei den meisten Drüsen, bei anderen zieht sich dieselbe sogar durch die ganze Wachsthumsperiode hindurch, wie bei den Knochen, Knorpeln, Zähnen, bei noch anderen endlich zeigt sich dieselbe selbst im ausgewachsenen Organismus, wie bei den weißen und rothen Blutzellen und den Zellen absondernden Drüsen (Hoden, Milchdrüsen, Talgdrüsen ete.). In noch ausgedehnterem Grade finden sich solche Vorgänge bei den Pflanzen sowohl während ihrer Entwicklung als im fertigen Zu- stande und verweise ich nur auf die perennirenden Gewächse, die alle Jahre Blätter, Blüthen und Früchte bringen. In allen Fällen, in denen Zellen sich vermehren, geschieht dieser ‚Vorgang durch Zellentheilung. Ob diese Theilung von. einer indirekten Theilung der Kerne eingeleitet wird oder mit einer direkten Theilung derselben im Zusammenhang steht, ist für die Frage, die wir hier erörtern, von keinem größeren Belang. Nehmen wir nun an, dass 16 A. Kölliker, die Kerne die einzigen Bestandtheile der Zellen sind, von denen der Anstoß zur Theilung derselben ausgeht, so ist einleuchtend, dass ihr Einfluss auf die Gestaltung und Formbildung erwiesen wäre, wenn sich zeigen ließe, dass die Theilungen auch der Quantität und Qualität nach an die Leistungen der Kerne gebunden sind. Was den ersten Punkt anlangt, so ist nicht einzusehen, warum dem nicht so sein sollte. Wenn die Kerne, wie nicht zu bezweifeln ist, die Substanz enthalten, die die Eigenschaften der Erzeuger auf das Er- zeugte überträgt, so ist die Hypothese, dass dieses Karyo-Idioplasma seine Wirksamkeit durch die Kerntheilungen äußere, um so be- rechtigter, als die Kerntheilung eine allverbreitete Funktion der Kerne ist und die Zellentheilungen bedingt. Istdemso, so werden— wohlver- standen unbeschadet der Variationen, welche wechselndeEr- nährungsverhältnisse bedingen—-beijedem Organismus für jedes Organ so viel Zellen entstehen, als demselben typisch zukommen und wird der Grund hiervon in die gesetzmäßig auftretende Zahl der Theilungen der Kerne desselben zu verlegen sein. So wird eine Schweißßdrüse des Menschen stets weniger Kern- und Zeilentheilungen beanspruchen als die Leber, der Oberschenkel eines Elefanten mehr als dereiner Maus, ein Handwurzelknochen weniger als die Vorderarm- knochen etc. Beispiele aus dem Pflanzenreiche führe ich nicht an, da hier die Größe der Organe je nach der Nahrungszufuhr und den anderen äußeren Einwirkungen (Zwerg-, Riesenwuchs) ganz anderen Wechseln als bei Thieren unterliegt. Immerhin kann man auch bei Pflanzen, wenn die äußeren Momente dieselben sind, von einertypischen Größe verschiedener Formen und der Organe einer und derselben Form reden. Gewinnen wir in dieser Weise für die wechselnde Zahl der Zellen der verschiedenen Organe oder, was im Allgemeinen auf dasselbe herauskommt, für die verschiedene Größe der Organe eine auf iypische Leistungen der Kerne begründete Erklärung, so frägt sich weiter, ob dieselben auch auf die Gestaltung der Organe einen Einfluss haben könnten. Auch das ist nicht zu bezweifeln und bietet das Pflanzen- wie das Thierreich zahlreiche Beispiele hierfür dar. Bleibe ich bei dem, was mir näher liegt, so möchte ich Folgendes hervorheben: In erster Linie wird es für die Gestaltbildung von großer Wichtig- keit sein, ob ein Zellenkomplex in allen seinen Elementen Theilungen mit den sie begleitenden Vergrößerungen der Theilstücke erfährt oder solche nur an gewissen bestimmten Wachsthumspunkten darbietet. Im ersteren Falle wird die Anlage die Form bewahren, die sie Anfangs hatte, während im zweiten Falle die mannigfachsten neuen Gestalten Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 17 aus derselben hervorgehen können. Als Beispiel wähle ich die Extre- mitätenanlagen der Wirbelthiere. Anfangs, so lange als dieselben kleine flossenartige Stummelchen darstellen, wächst der ganze Zellenkomplex in seinen Randtheilen gleichmäßig weiter, indem alle Kerne und Zellen wiederholt sich theilen. Bald aber treten hier gewisse bevorzugte Punkte in lebhaftere Thätigkeit, während andere zurückbleiben und so entstehen dann die Anlagen der in verschiedener Zahl vorhandenen Fingerund Zehen. Ähnliches zeigt eine aus einem cylindrischen Epithel- zapfen hervorgehende traubenförmige Drüse, indem am freien Ende derselben erst zwei und dann immer mehr Wachsthumscentren ent- stehen, die am Ende zu einer ganz bestimmten reichen baumförmigen Verästelung führen. Neben dem Auftreten von solchen Vegetationspunkten in gleichartigen Zellenkomplexen giebt es nun aber noch ein anderes Moment, das sehr wesentlich bestimmend auf die Gestal- tung feinwirkt und das ist die Art und Weise, wie die Kerne und Zellen sich theilen. Die Furchungen der befruchteten Eier vor Allem lehren, dass Kerne und Zellen in verschiedenen Ebenen sich zu theilen im Stande sind. Nehmen wir nun an, es theile sich eine Zelle wiederholt in den drei Ebenen des: Raumes je in zwei, so wird aus derselben schließlich ein kugeliger Zellenhaufen hervorgehen, wie bei vielen Eiern am Ende der Furchung. Träte nun zu einer be- stimmten Zeit in der oberflächlichen Lage eines solchen Haufens von Zellen die Theilung derselben in der Art ein, dass die Theilstücke alle in der Ebene der Kugeloberfläche sich befänden, so müsste daraus eine einschichtige Blase hervorgehen, wie die Keimblase des Säugethiereies, und diese Blase würde, wenn die Theilungsvorgänge längere Zeit die nämlichen blieben, immer mehr heranwachsen. Eine flache einschich- tige Scheibe ferner würde bei Theilungsvorgängen,, wie die genann- ten, immer mehr sich vergrößern und eine gebogene solche Zellen- platte zu einer Blase sich umformen können, wie das Entoderm der höheren Wirbelthiere. Theilen sich in einer einschichtigen Zellenlage alle Elemente in der Richtung derDicke, so wird dieselbe doppel- und mehrschichtig;; theilen sich dagegen in einer solchen Platte nur bestimmte Zellengruppen in der Richtung der Dicke| oder in derjenigen der Fläche, so treten an derselben entweder lokale Verdickungen (Haar- und Drüsenanlagen) oder lokale Einbuchtungen oder Ausstülpungen (primäre Augenblase, Geruchsgrube, Hörgrube, Linsengrube) auf. So lassen sich durch ver- schiedene Kombinationen von gleich- oder andersinnig gerichteten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 9 18 A, Kölliker, Theilungen alle möglichen Gestaltungen von Zellenkomplexen gewin- nen und da bei diesen Zellentheilungen in verschiedenen Ebenen die Art der Theilung der Kerne das Primäre und Ausschlaggebende ist, so ergiebt sich wiederum, dass die Kerntheilungen nicht nur der Zahl nach für das Volumen der Organe, sondern auch der Art nach für die Gestalt derselben das Bestimmende sind. Den Einfluss der Art der Kerntheilungen auf die Zellentheilungen anlangend, so erlaube ich mir noch folgendes Weitere anzuführen. Im Jahre 1842 stieß ich bei meinen Untersuchungen über die Entwicklung der Gephalopoden auf besondere Beziehungen der Kerne zur Segmen- tirung des Dotters. Es zeigte sich nämlich, dass je nach der Stellung der eben getheilten Kerne zu einander, die Dottersegmente in der Längsrichtung in zwei neue Segmente zerfallen, oder, indem ihre Spitzen sich abschnüren, der Quere nach in eine Furchungskugel und ein Segment zerlegt werden (meine Entwickl. der Cephalopoden. 1844. Taf.1; Entwickl. des Menschen. 2. Aufl. Fig. 10—12). Nachdem durch diese Erfahrungen zum ersten Male eine Beziehung der Art der Thei- lung von Kernen zur Theilungsebene von Zellen und zellenartigen Bil- dungen nachgewiesen worden war, folgten bald eine Reihe ähnlicher Beobachtungen, unter denen ich die von Vielen vergessenen von REMAK besondersin Erinnerung bringe, der (Untersuchungen zur Entwicklungsg. der Wirbelthiere, Taf IX, Fig. 21) vom Hinterdarme von Froschlarven Epithelzellen abbildet, die, nachdem ihr Kern in fünf neben einander liegende Stücke sich getheilt hat, der Länge nach in 5 Zellen zer- fallen. Auf Taf. XI bildet derselbe Autor in den Fig. 4, 5 und 6 Muskelzellen von Froschlarven ab, deren Kernverhältnisse in ähnlicher Weise auf eine Längsspaltung hinweisen. Außerdem erwähne ich noch als hierher gehörig die Erfahrungen über Längs- und Querthei- lungen der Infusorien und alle neueren Ermittelungen über indirekte Kerntheilungen und ihre Beziehungen zu den Zellentheilungen. Am bedeutungsvollsten sind unter diesen diejenigen über die inä- quale Furchung, welche lehren, welche Wichtigkeit mög- licherweise schon die allerersten Zellentheilungen in befruchteten Eiern für die Gestaltung des ganzen Orga- nismushaben. So fand W. Rowx, dass die erste Kern- und Dotter- theilung im Froschei die sagittale Medianebene, das Rechts und Links bestimmt und die zweite Theilung das Vorn und Hinten (Über die Zeit der Bestimmung der Hauptrichtungen des Froschembryo. Leipzig 1883). — Ähnliche wichtige Beobachtungen über Aseidien verdanken E wir E. v. BENEDEn und Cn. Juri (Arch. de Biol. V, p. 449). — Dasin allen Fällen von Zweitheilungen obwaltende Gesetz ist dasselbe und Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 19 lässt sich einfach dahin formuliren, dass die Theilungsebene der Kerne stets auch diejenige der Zellen ist. Bei den bisherigen Auseinandersetzungen wurde von der An- nahme ausgegangen, dass die Zellenkerne die Faktoren sind, welche die Zellentheilung bedingen, es ist jedoch zu bemerken, dass diese Annahme, auch wenn sie vielleicht von der Mehrzahl der Zoologen und Botaniker getheilt wird, doch keineswegs allgemeine Geltung sich er- worben hat. Sehen wir für einmal ’'von einer geringen Zahl von Fällen ab, in denen Zellentheilungen ohne Kerntheilungen aufzutreten schei- nen, so haben sich auch für das typische und weit verbreitete Vor- kommen von gleichzeitiger Kern- und Zellentheilung gewichtige Stim- men erhoben, die das Primum movens in die Zelle verlegen (Stras- BURGER, Zellbildung und Zelltheilung. 3. Aufl. 1880. p. 359 ff.). An- dere, obschon geneigt die Kerne als das Bedeutungsvollere anzusehen, sprechen sich doch, wie Fremming in seinem klassischen Werke: Zell- substanz, Kern und Zelltheilung. 1882. p. 356 ff., mit großer Vorsicht aus und enthalten sich einer entscheidenden Äußerung. Meiner Mei- nung nach ist ein solches Verhalten von einem gewissen Gesichts- punkte aus nur zu billigen, auf der anderen Seite ist aber auch sicher- lich die Aufstellung einer Hypothese berechtigt, die auf eine Reihe sicherer Thatsachen sich stützt und die Möglichkeit eröffnet, weiter in ein dunkles Gebiet einzudringen als bisher der Fall war. Als solche Thatsachen, die für die hohe Bedeutung der Kerne für das Zellenleben, speciell für die Bildung der Zellen sprechen, führe ich folgende an: 4) Alle lebenskräftigen Zellen enthalten Kerne und zwar sind dieselben in den Zellen der Vegetationspunkte der Pflanzen, wie be- sonders Sıcus es mit Recht betont (Vorles. über Pflanzenphysiologie. 1882. p. 509. Fig. 256), von relativ ungemeiner Größe. Dasselbe gilt von embryonalen thierischen Zellen. Ferner zeigen dieKerne bestimmte Beziehungen zur Größe oder der Wachsthumsenergie der Zellen, in so fern alle großen Elemente der Art entweder große, zum Theil eigen- 'thümlich gestaltete, oder viele Kerne enthalten. In allen nicht mehr wachsenden Zellen endlich fehlen die Kerne oder sind verkümmert. 2) Sehr ins Gewicht fällt ferner, dass die für die Befruchtung so wichtigen Samenfäden zum Theil einfach umgewandelte Kerne sind, zum Theil nur durch ihren Kern wirken. Die Befruchtung selbst ge- 'schieht durch die Vereinigung zweier Kerne und sind somit Kerne die Träger des Idioplasma oder der Vererbungssubstanz. 3) Die Kerne haben eine eigenthümliche chemische Zusammen- 9* 20 A. Kölliker, setzung und enthalten einen Farbstoffe mit Energie bindenden Stoff, der im Zelleninhalte nicht vorzukommen scheint. 4) Bei den Zweitheilungen einkerniger Zellen geht die Theilung der Kerne der Theilung der Zellen immer voraus und bedingt die Theilungsebene der Kerne immer diejenige der Zellen. | 5) Die eigenthümlichen Vorgänge, die die Karyokinese begleiten, weisen, wie W. Roux (Über die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren, 1883) mit Recht betont (s. auch O. Herrwie, 1. c. p. 35), darauf hin, dass die Kernsubstanz eine äußerst wichtige ist und einen sehr typi- schen Bau besitzt und deuten an, dass es sehr wesentlich ist, dass die- selbe in ganz bestimmter Weise auf die zwei Tochterkerne vertheilt werde. 6) Bei der freien Zellenbildung in Mutterzellen, wie sie bei der freien Endospermbildung im Embryosack der höheren Pflanzen, dann bei der Bildung von Sporen, Eiern und Spermatozoiden bei niederen Pflanzen sich findet, bildet sich regelrecht um jeden Kern (ausnahms- weise auch um Kerne, die durch Verschmelzung kleiner Kerne ent- standen sind |s. BerruoLp, Zur Kenntnis der Siphoneen und Bangia- ceen. in: Mittheilungen der Zool. Stat. zu Neapel. Bd. II. p. 78]) eine Zelle und möchte der Einfluss der Kerne auf deren Entstehung kaum zu leugnen sein. Im Wesentlichen dasselbe geschieht bei der Bildung der ersten Embryonalzellen bei vielen Arthropoden, ferner bei der vielkernigen Eierrhachis der Nematoden, die einer großen vielkernigen Zelle verglichen werden kann, und in den Epithelialfortsätzen der Chorionzotten des Menschen; pathologisch, wenn, wie ich vor Jahren vom Menschen und Frosche beschrieben und abgebildet, der Inhalt einer quergestreiften Muskelfaser, entsprechend der Zahl der Kerne, in Zellen zerfällt (Gewebelehre. 2. Aufl. p. 244, und: Diese Zeitschrift Bd. VII. p. 315. Taf. XIV, Fig. 9). 7) Endlich erwähne ich noch die eigenthümlichen, vonKernen aus- gehenden Strahlungen im Protoplasma, die die freie endogene Zellenbildung und die gewöhnliche indirekte Kerntheilung begleiten. Die schönsten Beispiele der Art finden sich im Endosperm, in welcher Beziehung ich auf StrAsBuRGer’s so lehrreiche Abbildungen verweise (Zellbild. 3. Aufl. Taf. I, Fig. #4, 6, 7, 15; Taf. II, Fig. 30, 34; Taf. VI, Fig. 150). Ferner gehören hierher die Strahlungen an den Polen der achromatischen Kernspindel und die Kernspindel selbst, endlich der vom Spermakern im Dotter ausgehende Stern (s. a. O. HERTWIG, |. c. p. 40). Alles dies zusammengenommen, komme ich für mich zur festen Überzeugung, dass jede echte Zellentheilung von denKer- Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 31 nen eingeleitet wird und stehe nicht im geringsten an, diese Hy- pothese zur Grundlage meiner ganzen Betrachtung zu machen, wie ich es gethan. In demselben Sinne hat sich auch O. Herrwıe geäußert (Jen. Zeitschr. Bd.XI. p. 183 und: DasProblem derBefruchtung. p.43), in- dem er am letzten Orte beifügt, dass er, indem er die Kräfte, welche die Kern- und Zellentheilung beherrschen, in den Kern selbst verlege, hierbei eine Mitwirkung des Protoplasma durchaus nicht ausschließen wolle, vielmehr der Meinung sei, dass zwischen diesem und dem Kern ein sehr komplieirtes Wechselverhältnis vorliege. Das unterschreibe ich in so fern als die Kerne mit Rücksicht auf ihr Wachsthum und die Vermehrung ihrer Substanz ganz an die Zufuhr von Stoffen von außen, mithin in erster Linie an das Protoplasma gebunden sind, wie z. B. alle selbständig sich entwickelnden Eierlehren, deren zahlreiche Kerne der späteren Furchungsstadien nur auf Kosten des Eiprotoplasma ent- standen sein können. Eine andere Bedeutung als die eines »Er- nährungsplasma« vermag ich dagegen dem Zelleninhalte nicht zuzu- schreiben und kenne ich keine Thatsache, welche bewiese, dass der- selbe Idioplasma enthält. Mit diesem Ausspruche bin ich jedoch nicht gemeint, diese Frage als eine vollkommen spruchreife zu bezeichnen; denn in einem so dunklen Gebiete ist es unmöglich, über irgend eine Hypothese mit Bestimmtheit sich zu äußern. Ich will daher auch offen zugestehen, dass die Nägerr’sche Auffassung des Idioplasma als einer durch den ganzen Organismus verbreiteten zusammenhängenden Sub- stanz sich vorläufig kaum widerlegen lässt. Wenn auch ursprünglich die zeugenden Kerne und der erste Eikern allein die Vererbungs- substanz enthalten, so ließe sich doch annehmen, dass dieselbe mit dem Beginne der Entwicklung sofort zum Theil an den Zelleninhalt ab- gegeben wird oder in diesem die Entstehung neuer solcher Substanz anregt, von welchem Zeitpunkte an die Kerne und Zellen gleich- berechtigte Faktoren sein könnten. Der Grund, warum ich an den Kernen als einzigen Trägern des Idioplasma festhalte,, liegt in folgen- den Erwägungen: 4) Wenn Kerne die Vermittler der Zeugung sind und allein das Idioplasma auf den neuen Organismus übertragen , so ist es einfacher, dieselben auch als die einzigen Faktoren der Gestaltung aufzufassen, als neben ihnen noch dem sonst nur der Ernährung dienenden Plasma einen solchen Einfluss einzuräumen. | 2) Das Idioplasma der zeugenden Kerne ist offenbar an eine che- misch und morphologisch typische Substanz— nennen wir dieselbe der Kürze halber Chromatin oder Nuclein — gebunden, die nie im Zellen- inhalte, wohl aber in allen Kernen ohne Ausnahme gefunden wird. 22 A. Kölliker, Betrachten wir nun noch die Fälle, in denen Zellenthei- lungen unabhängig von Kerntheilungen aufzutreten scheinen, so finden wir hier vor Allem einige Beispiele aus dem Gebiete der Pflanzen als beweisend angeführt. ; 1) Bei der Bildung der Sporen von Anthoceros und der Makro- sporen von Isoetes theilt sich der Inhalt der Sporenmutterzelle unvoll- ‚ständig in zwei und dann in vier Abschnitte, bevor der einfache Kern karyokinetische Veränderungen zeigt. Später treten diese auf und zeigt schließlich jede Spore einen excentrisch gelagerten Kern (Srras- BURGER, Zellbildung und Zelltheilung. 3. Aufl. p. 464 fi. Taf. X, Fig 145—166).— Ich für mich kann nicht finden, dass diese Fälle eine von den Kernen unabhängige Zelltheilung beweisen, indem bei Antho- ceros nicht der ganze Zelleninhalt vor der Theilung des Kernes sich theilt, sondern nur der chlorophyllhaltige Abschnitt desselben, wäh- rend das übrige Zellplasma seinen Zusammenhang bewahrt. Es ist daher gerathen, diesen Fall nicht so sehr in den Vordergrund zu stel- len, wie dies bisher geschehen ist. 2) Schwieriger gestaltet sich die Deutung bei den Siphonocladia- ceen, bei denen Scheidewandbildungen vorkommen, die ohne alle Betheiligung der in jeder Zelle in großer Menge vorkommenden Kerne auftreten (Scamitz, Hallenser Festschrift, 1879). Das Gleiche findet sich nach STRASBURGER bei noch anderen niederen Pflanzen, wie bei Ulo- ihrix und Oedogonium, die zum Theil nur einen Kern enthalten. STRASBURGER hat sich aus diesem Grunde veranlasst gefunden (Zell- bildung. 2. Aufl. p. 254) als typische Pflanzenzellen diejenigen zu bezeichnen, bei denen das ganze Innere von körnigem Protoplasma er- füllt ist, das in seiner Mitte den Zellenkern enthält und bei welchen die Theilung der Zelle immer in unmittelbarem Zusammenhange mit der Theilung des Kernes steht und durch diese beeinflusst wird. Die Zellen, bei denen dies nicht geschieht, stellen abgeleitete Fälle dar, mit mehr oder weniger rudimentärer Ausbildung des Zellkernes. In der 3. Auflage des Werkes von STRASBURGER finde ich diese Darstellung nicht mehr, vielmehr wird hier die Theilung der Zellen ohne Weiteres als ganz unabhängig von denTheilungen der Kerne dargestellt. Meiner Ansicht zufolge lassen die Fälle, in denen bei Pflanzen scheinbar Zellentheilungen ohne Betheiligung der Kerne vorkommen, vielleicht doch eine andere Deutungzu. Ichgehe von der Thatsache aus: 1) dass Gellulosebildungen auch im Inneren von Pflanzenzellen vorkom- men, wie das innere Gerüst von Caulerpa lehrt, 2) dass in den Pollen- schläuchen von Allium ursinum Scheidewandbildungen auftreten, die STRASBURGER selbst nicht für echte zu halten wagt (3. Aufl., p. 224, Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 33 Taf. XIII, Fig. 62— 69) und 3) dass Scheidewandbildungen auch bei entschieden einzelligen Pflanzen sich finden. So treten nach Scanitz u. A. bei Codium tomentosum in den Schläuchen des Markes hier und da vereinzelte Querwände auf, in Folge einer ringförmigen Verdickung der Membran, die bis zum vollständigen Verschlusse des Zelllumens hinführt, und durch eine solche Querwandbildung wird auch das Sporangium an seiner Basis abgeschlossen. Gestützt auf diese That- sachen möchte ich die Vermuthung äußern, dass nicht jede cel- lulosehaltige Scheidewand einer Pflanzenzelle die Bedeutung einer Zellmembran oder einer echten Schei- dewand besitzt. Von diesem Standpunkte aus würden die Sipho- nocladiaceen keine vielzelligen, sondern einzellige Organismen mit Scheidewänden sein, und ließe sich eher die Ansicht vertheidigen, dass dieselben Übergangsformen von einzelligen zu mehrzelligen Organis- men sind, womit auch ScanItz in gewisser Weise übereinstimmt (l. c. p. 43), als dass sie Pflanzen darstellen, die ohne Betheiligung von Kernen echte Zellentheilungen besitzen. 3) Endlich hat man auch die Vorgänge bei der Theilung niederer thierischer Organismen, diemehr oder weniger unabhängig vom Kern sich einleiten, als Beweis dafür ansehen wollen (Bürscarı!, Gruser 2), dass das Protoplasma und nicht der Kern den Anstoß zur Theilung gebe. Es ist jedoch, wie O. Hzrrwie® sicherlich mit Recht betont [(l. c. p. 183) und wie auch Freuming andeutet (l.c. p.329, 357),-diese Angelegenheit eine noch so wenig spruchreife, dass es vorläufig gerathen erscheint, von bestimmten Folgerungen Abstand zu nehmen. Nichtsdestoweniger erlaube ich mir folgende Punkte hervorzuheben, um einer späteren richtigen Deutung den Weg bahnen zu helfen. a) Es giebt viele Theilungen von Protozoen, bei denen Kern und Körper im Wesentlichen nach dem Typus der Zellentheilung sich ver- doppeln und gehören in diese Abtheilung auch mehrkernige Thiere, bei denen die Kerne vor der Theilung in einen verschmelzen. b) In anderen Fällen theilen sich vielkernige Geschöpfe, wie die Opalinen, zum Theil ohne alle Mitwirkung der Kerne und erhebt sich 1 O.Bürscauı, Studien über die ersteEntwickl. der Eizelle, die Zelltheilung und die Konjugation der Infusorien 4876 und: Über die Entwickl. der Schwärmspröss- linge von Podophrya quadripartita. in: Jen. Zeitschr. Bd. X. 2 A. GRUBER, Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata, in: Diese Zeit- schrift. Bd. XXXV und: Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. Ebenda. Bd. XXXVI 3 0. Herrwig, Über den Bau und die Entwicklung der Spirochona gemmi- para. in: Jen. Zeitschr, Bd. XI, 34 A. Kölliker, die Frage, ob diese Zerklüftung mit der echten Theilung der Protozoen zu vergleichen oder als ein Vorgang sui generis zu betrachten sei. Unzweifelhaft ist Letzteres der Fall, denn bei der gewöhnlichen Thei- lung wachsen die Theilstücke immer wieder zur Größe des Mutter- thieres heran, bei den Opalinen dagegen gehen schließlich aus der Zerklüftung ganz kleine Elemente hervor, die mit Keimzellen oder Sporen zu vergleichen sind. Es handelt sich somit hier um einen Vor- gang, der der Sporenbildung der Siphoneen und Siphonocladiaceen, bei welchen ebenfalls eine vielkernige Protoplasmamasse nach und nach in einkernige Theilstücke zerfällt, nahe steht und nicht ohne Weiteres als Zellenbildung ohne Betheiligung der Kerne charakterisirt werden kann. c) Eine Reihe anderer Vorgänge, die man zur ‚gewöhnlichen Theilung gezogen hat, wie die bei Euglypha alveolata, können, wie mir scheint, der Sprossenbildung beigezählt werden und bei dieser ist wohl kaum ein Einfluss der Kerne zu bezweifeln, wie ich mit R. Herrwıc (Über Podophrya gemmipara. in: Morph. Jahrb. Bd.I. p.20) annehme, wenn man sieht, wie bei dieser Podophrya der verästelte Kern des Mutterthieres in die einzelnen Sprossen Ausläufer entsendet (l. ce. Taf.l, Fig. 7, 8, 9). Der Umstand, dass zur Zeit, wo die Sprossen auf- treten, die Kerne noch nicht in das Innere derselben eingewachsen sind (l. e. Fig. 5), sondern mit ihren Ausläufern erst an der Basis der- selben stehen, spricht durchaus nicht gegen eine Einwirkung derselben aufdieBildung der Sprossen und eben so deute ich auch die Verhältnisse bei der Podophrya quadripartita (Bürscats, 1. s. c.) und bei Euglypha, bei welchen beiden ein Einfluss des Kernes auf die Bildung der Sprösslinge und die Theilstücke nicht ohne Weiteres abzuweisen ist. Alles zusammengenommen darf der Versuch, die Formbildung von den Leistungen der Zellenkerne ab- hängig zu machen, doch wohlalsim Ganzen befriedigend bezeichnet werden. Ausgehend von der Annahme, dass die Zellen- kerne die Theilungen der Zellen überhaupt und auch die Theilungs- ebenen derselben bedingen, hat sich ergeben, 1) dass von der Zahl der Kerntheilungen die Größe der Organe abhängt und 2) dass die Form derselben sich ableiten lässt von der Art der Kerntheilungen und der räumlichen Ausdehnung derselben (Theilung der Kerne in verschiedenen Ebenen, ruhende und wachsende Punkte). Nun ist aber des Weiteren zu berücksichti- ” gen, dass die Gestalt der Organismen und ihrer Theile F nicht allein von der Zahl der Zellen und ihrer Anord- ’ nung bedingt wird, dass vielmehr auch die Größe und Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 25 Gestalt und die Gesammtfunktion der Zellen einen ent- scheidenden Einfluss auf dieselbe haben. Dies lehren nicht nur die einzelligen Pflanzen und Thiere mit ihren mannigfachen Ge- staltungen auf das Überzeugendste, sondern es geht dies auch aus der Betrachtung der vielzelligen Organismen hervor. Bei den Pflanzen ist der Einfluss des Zellenwachsthums auf die Formen der Organe längst bekannt und von Sacas ist derselbe, der Bedeutung der Zellenvermeh- rung gegenüber, noch besonders betont worden. Aber auch bei den Thieren kommt das Zellenwachsthum an den verschiedensten Orten zur größten Geltung, obschon dasselbe nach dieser Seite noch wenig ins Auge gefasst wurde. Fassen wir das Wachsthum der Zellen und seine Bedeu- tung für die Gestaltung der Organismen näher ins Auge, so ergiebt sich, dass in dieser Beziehung nicht unbedeutende Verschieden- heiten zwischen Pflanzen und Thieren bestehen, die zu Hypothesen Ver- anlassung gegeben haben, die sich geradezu auszuschließen scheinen. Seit Scuwann’s Zeiten sind die Zoologen gewohnt, alles Wachsthum we- sentlich auf zwei Momente zurückzuführen, erstens auf eine Zunahme der Zellen an Zahl und zweitens auf eine Vergrößerung derselben. Die erste Form des Wachsthums dachte man sich so, dass die Zellen bei der Theilung sich vergrößern, wobei es gleichgültig blieb, ob die Vergröße- rung an der Mutterzelle vor der Theilung oder auch an den Tochter- zellen stattfand. Wichtig dagegen war, dass bei dieser Form des Wachsthums niemals eine stärkere Vergrößerung der Zellen vorkam, und die Vermehrung derselben der Zahl nach als die Hauptsache er- schien. Anders bei der zweiten Form des Wachsthums, bei der die Elemente, ohne an Zahl zuzunehmen, einzig und allein durch ihre Größenzunahme als wirksam sich erweisen, Vorgänge, die besonders durch die klassischen Untersuchungen Harrıng’s (Rech. micromeötriques, 1845) näher bekannt wurden, und für die das Wachsthum der quer- gestreiften Muskeln das beste Beispiel abgiebt. In demselben Sinne untersuchten auch die Botaniker das Wachsthum und galten viele ‚Jahre lang die berühmten Untersuchungen Niszır's über die Bildung der Zellen in den Vegetationspunkten der Pflanzen als mustergültig und als Basis aller weiteren Forschungen. In unseren Tagen wurde jedoch durch Sıcas eine Reform der Wachsthumsgesetze der Pflanzen angebahnt, welche zu der Annahme zu führen scheint, dass das 'Wachsthum nicht von den Vermehrungen der Zellen oder der Zellen- bildung abhänge, sondern eine” primäre Erscheinung sei (Sachs, Physiologie, p. 523). Wäre dem wirklich so, so würde unsere ganze Ableitung, dass die Kerne durch ihre Lebenserscheinungen, durch 26 A, Kölliker, ihren Einfluss auf das Quantum und das Quale der Zellentheilungen die Gestaltung der Organismen beherrschen und bedingen, auf sehr schwachen Füßen stehen und sind wir daher genöthigt, in erster Linie diese Grundfrage zu erörtern, um zu ermitteln, ob die Aufstellung von Sıcns in der angegebenen Form von den Thatsachen wirklich gefor- dert wird. Sıcas stützt sich einmal auf die großen, bisher für einzellig gehaltenen Algen, wie Gaulerpa, . Vaucheria u. a., die er als »nicht celluläre« Organismen bezeichnet. Da diese Pflanzen einerseits ein sehr ausgesprochenes Wachsthum zeigen, und, ohne Scheidewände zu besitzen’, Stengel, Blätter und Wurzeln bilden, anderseits dieselben nicht einen einzigen großen, sondern Tausende von kleinen Kernen enthalten, so betrachtet Saıcns dieselben als Organismen, bei denen Wachsthum und Gestaltung ohne begleitende Zellentheilungen statt- finden. Nun folgt aber aus dem Vorkommen von vielen Kernen nicht, dass ein Gebilde keine Zelle sein könne, und möchte ich den Haupt- accent darauf legen, dass nachgewiesenermaßen diese Pflanzen aus einkernigen Sporen sich entwickeln (Vaucheria, Codium) und somit sicherlich im Jugendzustande einfache Zellen sind. Es scheint mir daher gestattet, diese Organismen als einzellige, ursprünglich ein- kernige und dann vielkernige zu bezeichnen und ihr Wachsthum mit dem gewöhnlichen Zellenwachsthum zusammenzustellen (s. auch Scanitz, Niederrhein. Sitzber., 1879, p. 6). Gehen wir von solchen Anschauungen aus, so sind wir auch bei den Pflanzen, bei denen Wachsthum und Zellentheilung zusammen- fallen, nicht von vorn herein genöthigt, die Zellentheilung als etwas Sekundäres anzusehen und in der That kann ich mit meinen durch das Studium der Thiere erworbenen Anschauungen nicht finden, dass das Wachsthum der Pflanzen in der großen Mehrzahl der Fälle anders vor sich geht als im anderen Reiche. Nur muss man die bisherigen Lehren der Botanik von gewissen Auswüchsen reinigen, wie dies Sachs gethan hat, und auch gewissen eigenthümlichen, hier vorkommenden Verhält- nissen Rechnung tragen. Wenn Sıcns lehrt, dass die Vegetations- punkte der Pflanzen nicht nothwendig eine Scheitelzelle besitzen, wenn er ferner zeigt, dass dieselben nicht die Orte des ausgiebigsten und raschesten Wachsthums, sondern gerade umgekehrt die der lJangsam- sten Vergrößerung sind, so kann man nur zustimmend sich äußern. Hiermit wollte jedoch Sıcns, wie ich aus seinem Munde weiß, nicht sagen, dass die Vegetationspunkte nicht die Orte der Organanlage und Gestaltung sind, und ich möchte von meinem Standpunkte aus mich dahin aussprechen, dass die Art und das Maß der Zelltheilungen in I ee U TE rn Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 37 den Vegetationspunkten der Pflanzen die Formbildung bedingt, voraus- gesetzt, dass man an den sich theilenden Zellen auch unter Umständen bestimmte Wachsthumserscheinungen statuirt. In dieser letzten Be- ziehung unterscheiden sich die Pflanzen entschieden von den Thieren, und hat dies auch offenbar Sıcus veranlasst, das Wachsthum mehr voranzustellen, als er es sonst vielleicht gethan hätte. Folgende Bei- spiele, die ich den Vorlesungen über Pflanzenphysiologie meines ver- ehrten Freundes eninehme, werden zeigen, was ich im Auge habe. Bei der Alge Stypocaulon scoparium geschieht ‚nach GeyLER das ge- sammte Wachsthum durch einfache Scheitelzellen (Sacas, 1. c., p. 528, Fig. 271) und erst, wenn die unteren Theile derselben ganz aus- gewachsen sind, schnüren sich dieselben durch successive entstehende Scheidewände ab, aus welchen Zellen dann nach und nach durch immer zahlreichere Theilungen ein kleinzelliges Gewebe entsteht, in dem keinerlei Wachsthum mehr statt hat. Bei dieser Pflanze ist somit die Gestaltung an das Wachsthum der Endzellen ge- knüpft und die Struktur allein an die Zellentheilung, ein Vorgang, für den ich bei keinem Thiere etwas Ähnliches kenne. In bald stärkerer, bald schwächerer Weise ist ein Zellenwachs- thum noch in vielen anderen Fällen als gestaltbildend vorhanden und will ich nur noch auf zwei Figuren von Sıcas hinweisen. Bei Chara (Fig. 290) entstehen gewisse Organe, wie z.B. die Blätter, durch eigenthümlich auswachsende Zellen, doch treten hier auch Zellen- theilungen als gestaltend und auch als die Struktur bedingend auf und nähert sich ein solcher Organismus schon mehr dem bei den Thieren Gewöhnlichen. Noch mehr ist dies beim Vegetationspunkte einer Winterknospe der Edeltanne der Fall (Sıcas, Fig. 285), bei der offen- bar das Zellenwachsthum als gestaltend sehr in den Hintergrund tritt und Zellentheilungen im ersten Stadium des Wachsthums die Haupt- faktoren sind. Fasse ich das Bemerkte zusammen, so möchte sich das Ergebnis dahin formuliren lassen, dass auch bei den Pflanzen Zellen- theilungen bei der Formbildung eine große Rolle spielen, dass aber neben denselben auch dem Zellenwachsthum eine wichtige Bedeutung innewohnt, eine viel größere, als bei den Thieren, auch wenn man die noch später zu betrachtende »Streckung« der Zellen nicht dazu nimmt. Ich finde mich daher jeden- falls in vielen Beziehungen mit Sıcas im Einklange, dessen scharf- sinnige mathematische Begründungen des Pflanzenwachsthums ein Verdienst für sich darstellen und auch für diejenigen in Geltung 98 A. Kölliker, bleiben, die die Zellen der Vegetationspunkte als die gestaltgebenden Faktoren ansehen. Im Anschlusse an die mathematischen Ableitungen von Sıcns über das Pflanzenwachsthum hat RAıuser an mehreren Orten.(s. bes. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. in: Morph. Jahrb., Bd. VIII, 1883, p. 233) auch die Zerklüftungen des Dotters der Thiere in dem- selben Sinne untersucht und beleuchtet. Kann man diesem Theile der Darlegungen dieses Gelehrten seine volle Zustimmung geben, so gilt dies nicht in demselben Maße von anderen Schlüssen desselben und ist mir namentlich der fundamentale Satz dieses Autors, dass nichts deut- licher als das Ei zeige, dass das Wachsthum das Primäre, die Theilung das Sekundäre sei, Angesichts der neuen Erfahrungen über die Be- fruchtung ganz unverständlich, da ja die Theilung des Dotters un- zweifelhaft durch den Eikern eingeleitet wird und das Ei während der Furchung nicht wächst. Abgesehen von der Größe der Zellen und der Art ihres Wachs- thums betheiligen sich bei Thieren auch noch andere Momente an der Formbildung, unter denen ich vor Allem das massenhafte Auftreten von Intercellularsubstanzen namhaft mache, die im Bindegewebe, in den Knochen und Zähnen eine so große Rolle spielen, ferner die Zellenausscheidungen an freien Oberflächen oder die Cuticular- bildungen, die bei der Entstehung des Zahnschmelzes, des Panzers und des Hautskelettes der Gliederthiere etc. betheiligt sind. Ganz besondere Einwirkungen auf die Formen ergeben sich ferner bei den Resorptionsvorgängen an Knochen, bei denen durch besondere zellige Elemente schon gebildete Organtheile zerstört werden und ein ganz eigenthümlicher modellirender Einfluss ausgeübt wird. Endlich erwähnen wir auch noch die Einwirkungen, die bei den einfachsten Organismen die Kontraktionserscheinungen auf die Gestaltung besitzen. Eine genauere Betrachtung der verschiedenen, im Vorigen auf- gezählten, die Form bedingenden Einflüsse ergiebt nun, dass dieselben für dieFrage, die wir hier besprechen, ob dieKerne die Faktoren sind, die die Vererbung bedingen und die typischen Gestaltungen erzeugen, nicht alle denselben Werth haben. So ist es, um den deutlichsten Fall voranzustellen, offenbar für die gesetzmäßige Ableitung der Form unwesentlich, welche Umrisse ein amöboid bewegliches einzelliges Wesen annimmt, und welche Gestaltungen und Verschmelzungen die von demselben ausgehenden Pseudopodien zeigen. Bedeutungsvoll und typisch ist dagegen die Anordnung bleibender Bewegungsorgane, wie die von Wimpern, kontraktilen Stielen, Gehborsten ete. Cuticular- bildungen ferner bedürfen, in so weit sie die Formen der sie erzeugen- Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 29 den Zellen wiederholen, keiner besonderen Erklärung, wohl aber in so fern als ihre Mächtigkeit und ihre chemische Beschaffenheit in Be- tracht kommt. Von den Intercellularsubstanzen lässt sich im Allge- meinen dasselbe sagen. Ihr Vorkommen ist an die Existenz und die Anordnung gewisser Zellen gesetzmäßig geknüpft und nur ihre Be- schaffenheit möglicherweise von den Zellen abhängig. Eben so sind beim Wachsthume der Elementartheile und bei den durch solche ein- geleiteten Resorptionen innere Vorgänge ‚und äußere Einwirkungen aus einander zu halten. — Bei solchergestalt verwickelten Verhältnissen ist es natürlich sehr schwer zu sagen, ob und in welcher Weise die Zellenkerne bei denselben eine Rolle spielen und erhebt das Nach- folgende in keiner Weise den Anspruch, diese Frage endgültig zu erledigen. Am einfachsten scheinen die Verhältnisse zu liegen, wenn es sich um das Wachsthum der Zellen handelt, und bespreche ich in er- ‚ ster Linie die Pflanzen, von denen sowohl die einzelligen als die viel- ‚ zelligen Beispiele genug aufweisen, in denen die Elemente eine sehr bedeutende Größe erreichen. Bei den mehrzelligen Pflanzen ist die ‚ Hypothese voll berechtigt, dass der Zellenkern bei dem Wachsthume der Zellen eine Hauptrolle spiele, in so fern als derselbe unstreitig die ' ehemischen Vorgänge im Inneren der Zellen beherrscht, mag seine specielle Funktion nun auf die Neubildung von Eiweißkörpern sich beziehen (Scanitz in Sitzungsber. d. niederrh. Ges. f. Natur- u. ' Heilk., Juli 4880 ; STRASBURGER, Zellbildung und Zelltheilung, 3. Aufl., p. 374), oder auf die Erzeugung von Chlorophyll, Stärke und Cellu- ' lose (Prınesueim in Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. XII, p. 304; W. ScHimper bei StrasBuRrGer, Theorie der Zeugung, p. 112 eitirt), oder auf beides. | Die Thatsachen, auf die ich mich bei dieser Annahme stütze, sind vor Allem die schon oben auf p. 49 erwähnten. Sehr wichtig sind | für diese Frage außerdem auch die Beobachtungen von Scanitz über das Plasma der Siphonocladiaceenzellen, dessen einzelne losgetrennte Stücke nur dann lebenskräftig bleiben und zu selbständigen neuen ‚ Zellen sich gestalten können, wenn sie mindestens einen Kern | enthalten (l. c., p. 33, 34). Andere solche Beispiele erwähnt auch STRASBURGER (3. Aufl., p. 372), der sie eben so deutet. Im Einzelnen ‚ist es nun allerdings vorläufig nicht möglich zu sagen, in welcher Weise die Kerne auf das Wachsthum der Pflanzenzellen einwirken, da jedoch in allen Fällen, selbst bei den ausgezeichnetsten Formen von »Streckung« der Zellen und Wasseraufnahme durch dieselben ‚nicht ausgeschlossen ist, dass die Zellwände und das Protoplasma an Masse zunehmen (Sacas, 1. c., p. 513), und auch in solchen Zellen der 30 A. Kölliker, Stoffwechsel ununterbrochen vor sich geht, so steht, wie mir scheint, nichts im Wege, den Kernen hierbei eine Rolle zuzuschreiben. Bei den einzelligen pflanzlichen Organismen hätte man vor Kurzem noch nicht daran denken können, dieselben in.der vorliegen- den Frage als Beweise zu benutzen, da bei vielen derselben überhaupt keine Kerne nachgewiesen waren. Jetzt liegen die Verhältnisse frei- lich anders, und hat vor Allem Scnmirz auf Grund zahlreicher Beobach- tungen nachgewiesen, dass es bei Pflanzen sehr wahrscheinlich gar keine kernlosen Formen giebt (Sitzungsber. der niederrh. Ges.%. Aug. 1879, p. 28 d. Separatabdr.), und ferner dargethan, dass die merk- würdigen großen einzelligen Thallophyten, speciell die Gattungen Caulerpa, Codium, Vaucheria, Saprolegnia u. a. m., ganz besondere Verhältnisse zeigen. Wenn man weiß, wie verwickelt der Bau man- cher dieser Organismen, z. B. von Caulerpa (siehe Sıcas, Pflanzen- phys., Fig. 262) und Codium, ist, so ist von vorn herein klar, dass wenn überhaupt Kerne hier beim Wachsthume eine Rolle spielen, dies nur in ganz außergewöhnlicher Weise der Fall sein kann. Und dem ist in der That so, denn nach den sehr wichtigen Entdeckungen von ScuaItz besitzen diese Pflanzen nicht nureinen Zellenkern, wie ihrem Baue nach zu erwarten wäre, und wie dies im Jugendzustande wirk- lich der Fall ist, sondern eine sehr große Zahl von solchen Elementen. Diese Kerne sitzen in dem den Cellulosenschlauch dieser Organismen auskleidenden Plasmabelege zugleich mit zahlreichen Stärke bildenden Chlorophylikörnern und ergiebt sich als Regel, dass dieselben, eben so wie die Chlorophylikörner, in den wachsenden Theilen der betreffen- den Pflanzen am zahlreichsten sind, und dass die Kerne und Farb- körner hier allein durch Zweitheilungen sich vermehren. Aus diesen Thatsachen, zusammengehalten mit dem oben Angeführten, lässt sich wohl mit großer Wahrscheinlichkeit der Schluss ableiten, dass hier die Chlorophyll- und Amylumbildung und somit auch die der Gellulosen- hülle unter dem unmittelbaren Einflusse der geschilderten Kerne stehe, mit anderen Worten, dass diese das Gesammtwachsthum und die Gestaltung dieser Pflanzen beherrschen. Ganz ähnliche Kern- verhältnisse hatte Scumirz schon früher bei den Siphonocladiaceen auf- gefunden, deren Bau schon oben Gegenstand der Besprechung war, wo ich zu zeigen versuchte, dass diese Pflanzen nahe an die echt ein- zelligen sich anreihen. = Bis vor Kurzem galten auch die Mycetozoen oder Schleimpilze als ü Organismen, die im Stadium der Plasmodienbildung keine Kerne ent- = halten, es sei daher noch kurz erwähnt, dass nun Sceumiz (l.s.c., p. 21) und Srrassurger (Zellb. u. Zellth., 3. Aufl., p. 79) bei höheren Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 31 Formen und Zorr (Die Pilzthiere oder Schleimpilze, 1885, p. 29) bei der tiefer stehenden Leptophrys vorax (deren Amöben mehr- bis vielkernig sind) die Kerne der Plasmodien aufgefunden haben. Ich wende mich nun zu den Thieren, um zu versuchen, auch hier die Bedeutung der Kerne für das Wachsthum der Elementartheile nachzuweisen. Obenan stelle ich den Satz, dass nur kernhaltige Zellen Wachsthum darbieten, solche dagegen, die ihre Kerne verloren haben, nie sich vergrößern, selbst wenn sie noch Stoffwechsel zeigen, wie die rothen Blutzellen der Säuger. In dieselbe Kategorie ge- hören die Epidermisschüppchen und die Elemente der Oberhäutchen und der inneren Wurzelscheide der Haare. Aber auch unter den kern- haltigen Elementen sind die mit jungen, großen, chromatinreichen, in lebhafter Theilung begriffenen Kernen bevorzugter als andere. Als Beispiele möchte ich die nach stattgehabter Theilung immer wieder rasch heranwachsenden embryonalen Zellen und manche Drüsenzellen (Hoden) nennen, ferner dieEier, die Knorpelzellen an Verknöcherungs- rändern, die tiefen Zellen der geschichteten Horngebilde und Epithe- lien. In allen diesen Fällen ist das Wachsthum der Elemente ein allseitiges und ein Einfluss des centralen Kernes auf dasselbe wohl ' annehmbar. Schwieriger gestaltet sich die Frage bei Zellen mit ungleichmäßi- gem Wachsthum, wie den Linsenfasern, kontraktilen Faserzellen, Odontoblasten, bei den sternförmigen Knochenzellen,, Pigmentzellen, multipolaren Nervenzellen ete. Lässt sich annehmen, dass die Gestalt ‚ dieser Zellen ganz und gar aufRechnungihrer Kerne kommt? Ich glaube ‚ nicht und bin der Meinung, dass diese in manchen Fällen keine andere ‚ Einwirkung ausüben, als dass sie die Wachsthumsgröße und Art im ' Allgemeinen bestimmen, wie bei den Bindegewebszellen, Knochen- zellen, Pigmentzellen, bei denen wohl die Größe der Zellen und der ' Gesammttypus, nicht aber die Zahl und das untergeordnete Verhalten ' der Ausläufer typisch ist. Bei den Linsenfasern kann das große , Längenwachsthum wohl mit dem großen Kerne in Verbindung gebracht werden, während die Gestalt des Querschnittes dieser Elemente eben so durch äußere Momente hervorgebracht wird, wie die polygonalen Umrisse anderer Epithelzellen. Bei den Odontoblasten fasse ich die Verästelungen der Zahnfasern in derselben Weise auf, wie bei den Pigmentzellen,, betrachte dagegen das einseitige Auswachsen dieser Zellen als einen typischen Vorgang, und in derselben Weise möchte ich bei den Nervenzellen den oder die Achsencylinderfortsätze und die ver- ‚ ästelten Ausläufer einander gegenüber stellen. Bei den letztgenannten 32 A. Kölliker, . Elementen steht die Größe der Zellen und ihrer Kerne in offenbarer Beziehung zur Zahl (und Länge?) der Ausläufer und zur Dicke des Achsencylinders der betreffenden Nervenröhren und bei den Odonto- blasten kann der Umstand hervorgehoben werden, dass dieselben oft mehrfache hinter einander liegende Kerne haben (m. Mikr. Anat. Fig. 209). Bei der Bildung spindelförmiger Zellen, wie der glatten Muskelzellen, verdient möglicherweise der Umstand Beachtung, dass die Kerne solcher Elemente immer auch langgestreckt sind, wovon auch die Botanik Beispiele kennt. So sagt Sennuz (l. c., p. 28): »In den Zellen, die sich sehr stark in die Länge dehnen, wie in den langen schmalen Epidermiszellen an den Rippen der Grasblätter, und vor Allem in den langen Elementen des primären Phlo&ms und Xylems der Fibrovasalstränge der Phanerogamen, streckt sich meist auch der Zellkern zu spindelförmiger oder lang stabförmiger Gestalt, wobei sich meist die Nucleoli in eine Reihe ordnen.« Beweisender noch für die Bedeutung der Kerne für das Zellen- wachsthum sind die Fälle, in denen große Zellen auffallend große Kerne oder eigenthümliche Kernformen oder viele solche Elemente enthalten. Große Zellen mit mächtigen Kernen sind bei Thie- ren ungemein verbreitet und längst bekannt. Von den Amphibien und Gliederthieren weiß man schon lange, dass sie durch Größe der ge- nannten Theile sich auszeichnen und hebe ich vor Allem die Blutzellen der Perennibranchiaten und die Drüsenzellen der Insekten hervor, fer- ner die Nervenzellen der Mollusken (Hannover, Rech. microscop., 1844; Leyodig, Unters. z. Anat. und Histol., 1883, Fig. 73, 74). Sehr schöne Beispiele von großen Zellen hat uns auch die klassische Arbeit von E. van BEnEDEN über die Dieyemiden vorgeführt. Bei diesen Geschöpfen besteht das ganze Innere aus einer einzigen großen langgestreckten entodermalen Zelle mit einem riesigen ovalen Kerne (E. van BENEDEN), Rech. sur les Dieyemides, 1876, Pl. I, Fig. 8, 15; Pl. II, Fig.10, 12). Sehr bemerkenswerth und lehrreich in Betreff der Bedeutung des Zellenwachsthums für die Gestaltung des Organismus ist auch, dass die Dieyemiden schon als Embryonen die gesammte Zahl der Elementar- theile (25 Ektoderm- und 4 Entodermzelle bei Dicyema typus, E. van BEnepDen) besitzen, die der ausgebildete Organismus zeigt und ihre endliche Größe einzig und allein durch eine Vergrößerung dieser Ele- $ mente erreichen, wobei 'die Kerne stetig mit den Zellen fortwachsen 4 (s. E. van BEneDen, 1. c., p. 24). Von den Protozoen zeichnen sich vor Allem die Radiolarien durch einen mächtigen Kern aus. Beispiele von eigenthümlichen Formen geben die Kerne der Spinndrüsen und Marpicurschen Gefäße der Raupen, die, wie wir seit Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 33 H. MEckEL wissen, ungemein reich verästelt sind, und bei denen es gewiss nahe liegt, an besondere Beziehungen zu den kolossalen Ele- menten zu denken, die sie beherbergen (nach H. Mrexer haben die Drüsenzellen der Speicheldrüsen von Cossusraupen 0,22 mm : 0,4 mm Durchmesser), um so mehr als die Größe der Zellen mit der Zahl und Größe der Verästelungen der Kerne steigt und fällt (H. Mecxer, in: _ Mürr. Arch., 1846, Taf. II, Fig. 26, 32, 33; Levoie, Histologie, Fig. 188; Körrıker, in: Würzb. Verh., Bd. VIII, 1858, p. 228, 23%). Eine ähnliche Deutung lassen alle großen Zellen zu, die viele Kerne enthalten. Zeigt in solchen Zellen die Vermehrung der Kerne keinen besonderen Typus oder geht dieselbe durch Theilungen in allen Ebenen vor sich, so entstehen kugelrunde oder dem Runden sich nähernde Formen, wie bei den Riesenzellen der Knochen, den Gysten im Sperma vieler Geschöpfe u. a. mehr; theilen sich dagegen die Kerne in be- stimmten Ebenen, so entstehen typische Zellenformen. Das auffal- lendste Beispiel der Art bieten die quergestreiften Muskelzellen dar, in denen die Kerne vorwiegend quer auf die Längsachse der Fasern sich theilen und die Länge der Fasern mit der Zahl der Kerntheilungen und Kerne in Verbindung gebracht werden kann. Bei denjenigen Muskelfasern, deren Kerne nicht nur am Sarcolemma oder in einer einzigen Längsreihe im Inneren, sondern durch das ganze kontraktile ‘ Gewebe zerstreut vorkommen, wie z. B. bei den Amphibien und ‘ vielen Arthropoden, hätte man außer den Längstheilungen auch Quer- ‚ theilungen der Kerne anzunehmen, und ließe sich hiermit die größere t | U sogenannten Epithelialfortsätzen auf, und diese enthalten dann im In- neren je nach ihrer Größe eine geringere oder bedeutendere Ansamm- Breite dieser Art Muskelfasern in Zusammenhang bringen. Als viel- kernige Zelle von bestimmter Forın kann auch die Rhachis im EBier- stocke gewisser Rundwürmer (Mermis, Ascaris etc.) angesehen wer- den und ist hier vielleicht noch klarer, als bei den Muskelfasern, dass die Kernvermehrung die Vergrößerung und das Wachsthum des ı Ganzen bedingt. Endlich erwähne ich hier noch die bemerkenswerthen längst be- kannten Verhältnisse der Epithelien der—38. Gyathomonas truncata Fres. Fig. 25 und 26. Zwei mit Jod getödtete Exemplare, an denen das »Balkensystem« deutlich hervortritt. Fig. 27. Seitliche Ansichten von zwei Mundringen, der eine aus einem einheit- lichen Streifen bestehend, der andere aus einzelnen Körnchen. Fig. 28. Oberes Körperende mit sehr kleinem Mundring, Fig. 29 und 30. Bauchansicht zweier Individuen. Fig. 34. Ansicht von oben. Fig. 32. Mundring von oben gesehen. Fig. 33. Oberes Körperende nach Ausstoßung des Mundringes. Fig. 34. Theil des Balkensystems. S. und Kr. I. IX. Fig. 35. Theilungszustand. 124 C. Fisch, Fig. 36. Ungefärbter Zellkern. Fig. 37 au.b. Zwei gefärbte Zellkerne, der eine fast ohne Chro- 36—38. matinkörner. S.u.Kr. 1.1 Fig. 38 a—e. Kerntheilung in fünfaufeinander folgenden Stadien. Fig. 39—57. Chilomonas Paramaecium. Fig. 39. Ein stark mit Stärke erfülltes Exemplar. Schlund etc. nicht sichtbar. Fig. 40. Ruhendes Individuum mit eingezogenen Cilien. Eben so. Fig. 44. Vordere Körperpartie mit divergirend ausgebreiteten Cilien. Fig. 42. Vordere Körperpartie, skizzirt, um die Einbuchtung zu zeigen. Fig. 43. Dieselbe, von der Bauchseite gesehen, mit den Lippen und der Cilien- insertion. Fig. 44. Getödtetes und mit Jod gefärbtes Exemplar. Die Stärkekörner blau ge- färbt, die Hautschicht dunkler braun, als in der That der Fall war. Fig. 45. Oberer Körpertheil eines Individuum mit zwei Zellkernen., Fig. 46—48. Drei auf einander folgende Stadien der Cystenbildung. Fig. 49. Fertige Cyste. Fig. 50. Theilung des Cysteninhaltes bei der Keimung. Fig. 51. Junge, aus der Cyste eben ausgetretene Chilomonaszelle. Fig. 52. Ausgehungertes Exemplar. Statt der Stärkekörnerschicht nur eine Lage von Anaplasten vorhanden. Fig. 53. Stärkekörner mit Stärkebildnern, herausgepresst. Fig. 54. Eben so, in ihrer natürlichen Lage im Körper, Fig. 55. Stärkebildner mit ganz kleinen Stärkekörnern. S. und Kr. Fig. 56. Lose Stärkekörner, die Schichtung zeigend. 1. IX. Fig. 57. Oberer Körpertheil eines in Osmiumsäure getödteten Chilomonas. Eine eigenthümliche Cilienstruktur zeigend. Fig. 58—78. Codosiga Botrytis. Fig. 58. Einzelne Zelle mit nahrungsaufnehmenden Va£Cuolen. Die linke kon- traktile Vacuole bildet sich eben aus mehreren kleineren. Fig. 59. Dieselbe Vacuole kurz danach. Fig. 60. Eben so, kurz vor der Systole. Fig. 61. Zweizählige Kolonie, das eine Individuum in eine Cyste verwandelt. In dem anderen die rechte kontraktile Vacuole im Anfang der Bildung. Z.0c.2. Obj.D. Fig. 62. Junge zweizählige Kolonie. Z. Oc. 2. Obj. C. Fig. 63. Codosigazelle kurz vor der Theilung. Im Kern die Vertheilung der Chromatinelemente. Fig. 64. Nächstes Kerntheilungsstadium. Oberer Theil des Körpers. Fig. 65 a—i. Folge von Kerntheilungsstadien. S, und Kr. Fig. 66. Einzeln beobachtetes Kerntheilungsstadium. 1, IX. Fig. 67—73. Auf einander folgende Längstheilungsstadien. Siehe den Text. Fig. 74—75. Abnorme Theilung. Fig. 76. Cyste. Inhalt getheilt. Fig. 77. Die Theilstücke aus der Cyste ausschwärmend. Fig. 78 1—3. Junge Codosiga-Individuen in drei auf einander folgenden Stadien. 0) Fig. 79—86. Grassia ranarum,. Fig. 79—82. Einzelne Exemplare in verschiedenen Formen. Fig. 83—85. Drei Theilungsstadien. Fig. 86. Eins der Theilstücke von Fig. 85. Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen. 125 Fig. 87—90. Amoeba diffluens. Fig. 87 a—c. Einzelne Amöben. Fig. 88. Zweitheilung. Fig. 89. Cyste. Fig. 90. Keimung der Cyste. Fig. 99—105. Arhabdomonas vulgaris. Fig. 94, Normales Individuum. Fig. 92—96. Die verschiedenen Gestalten der nahrungsaufnehmenden Vacuole. Fig. 97. Exemplar mit zwei Zellkernen. Fig. 98. Theilungszustand. Fig. 99—102, Stadien der Cystenbildung. Auf einander folgend. Fig. 103. Fertige und isolirte Cyste. Fig. 404a. Keimung der Cyste. Fig. 104b. Die ausgetretene Monade. Fig. 405. Monade mit drei fast ausgebildeten Cysten. Fig. 406—444. Bodo jaculans. Fig. 106. Fünf Bodo-Individuen in verschiedener Ausgestaltung. Fig. 407. Exemplar mit aufgenommener Nahrung (Bakterien). Fig. 108—109. Bildung der nahrungsaufnehmenden Vacuole, Fig. 440. Kernthbeilung. Fig. 444. Riesenexemplar mit nahrungsaufnehmender Vacuole. Fig. #42 a—c. Verschiedene Stadien der Längstheilung. Fig. 143 a—d. Cysten und Theilung des Cysteninhalts. Fig. 444. Junge, aus den Cysten ausgetretene Bodo-Individuen. Fig. 445—120. Monas Guttula. Fig. 445 a—f. Auf einander folgende Stadien der Längstheilung. Fig. 446 a—c. Theilstücke, in amöboider Bewegung. Fig. 447—149. Entstehung und Wanderung der nahrungsaufnehmenden Va- cuole. Fig. 120. Theilungsstadium eines Riesenexemplars. Fig. 424—130. Protochytrium Spirogyrae. Fig. 424. Spirogyrazelle mit kollabirtem Inhalt. Daneben eine Anzahl Amöben | enthaltend. Fig. 422 a—c. Amöben und Plasmodien in verschiedenen Zuständen. Fig. 423—124. Zwei Zoosporangien mit eben vollendeter Inhaltstheilung. Fig. 425. Zoosporen. Fig. 426 a und d. Ausschlüpfen einer Zoospore in Amöbengestalt und Wieder- | nung der Zoosporenform. S. und Kr. O.1, Fig. 427. Stück eines Plasmodiums. Kern! S. und Kr. 1. IX. Fig. 428. Zwei Cystenbildungen. Fig. 429, Theilung des Cysteninhaltes. Fig. 430. Ausschlüpfen der Theilstücke. Nachträgliche Anmerkung: Erst nach Fertigstellung meiner Arbeit ist es mir möglich geworden, Kenr’s Manual zu erhalten. Ich werde in einer Fortsetzung dieser Untersuchungen einige untergeordnete Punkte gegenüber Kent klarstellen. Erlangen, im April 1885. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. Von Dr. Carl Smalian zu Göttingen. Mit Tafel V und VI. Die zerstreuten Angaben, welche die ältere Litteratur über die Amphisbaeniden aufweist, stellen diese Thiere zu den Schlangen. Die Sauriernatur der Doppelschleichen trat hervor, als die Rudimente der Extremitätengürtel bekannt wurden, welche seitdem immer ein Gegen- stand hervorragenden Interesses geblieben sind. Von den älteren Autoren haben dieselben Heusınger beschäftigt, von den neueren hat FÜrBRINGER das bezeichnete Objekt in den Kreis seiner Betrachtungen gezogen. Aber abgesehen von dem Verlust der Extremitäten, den die Doppel- schleichen erlitten haben, erscheinen sie in anderen Beziehungen höchst merkwürdig. Sie sind Thiere, welche meist subterran, wühlend ihr Leben verbringen ; und unter Beachtung dieser biologischen Thatsache werden jene Organisationsverhältnisse derselben verständlich, welche die Doppelschleichen vor anderen Sauriern mit anderer Lebensweise auszeichnen. — Heute, wo unter dem mächtigen Einflusse der Descen- denzlehre die Betrachtung organologischer Verhältnisse unsere spekula- tive Seite zu ihrem Rechte bringt, wird eine Thiergruppe, wie die der Amphisbaenen, ein erhöhtes Interesse beanspruchen dürfen. Ein Theil der folgenden Untersuchungen wurde von Oktober 1883 bis Juli 188% im zoologisch-zootomischen Institut Göttingenan Exemplaren von Amphisbaena fuliginosa Lin. und Blanus cinereus Vand. ausgeführt. Die Ergebnisse des myologischen Theils dieser Arbeit lagen bereits fast fertig vor, als Herrn von Beprıasa’s: »Erster Beitrag zur Kenntnis der Doppel- schleichen« (Arch. für Naturg. 4884) erschien. — Ich konnte dadurch | nicht abgehalten werden, meine Untersuchungen fortzusetzen, da, wie v. BEDrIaGA angiebt, ihm nur circummediterrane Formen zur Sektion zu |) Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 127 Gebote stehen, und da die Behandlung der Muskulatur vom genannten Autor erst in Aussicht gestellt ist. Die von ihm gemachten Angaben über die Eingeweide der Doppelschleichen konnte ich an dem gleichen Objekt, welches auch v. BeprrasA diente, Blanus cinereus, zu meiner sroßen Freude bestätigen, und es erübrigte, den Vergleich der brasilia- nischen Form, der Amphisbaena fuliginosa, auszuführen. Die Ergeb- - nisse dieser Untersuchung sind in meiner Inauguraldissertation (Göttingen 1884) veröffentlicht. Durch die Güte des Herrn Professor Euzers wurde ich weiter in den Stand gesetzt, diesen meinen Untersuchungen den anatomischen Befund an zwei anderen Ännulaten, dem Anops Kingii Bell und der Trogonophis WiegmanniKp. hinzuzufügen ; ich fasse daher in Folgendem die Untersuchungen von Amphisbaena fuliginosa Lin., Blanus cinereus Vand., Anops Kingii Bell und Trogonophis Wiegmanni Kp. zusammen. Es ist mir angenehme Pflicht, Herrn Professor Enzers auch an dieser Stelle meinen innigen Dank zu wiederholen. Litteratur. 4) J. v. BEprIAGA, Amphisbaena cinerea und A. Strauchi. Erster Beitrag. zur Kenntnis der Doppelschleichen. Archiv für Naturgeschichte. 4884. p. 23 bis 77. 2) Ta. BrrL, Description of a new Genus df Reptilia of the family of Amphisbaenidae. Zool. Journal. Vol. V. p. 391 —393. '3) BERGMANN und LEuckart, Anatomisch-physiologische Übersicht des Thierreichs. 41852. .4) Bosanus, Anatome Testudinis Europeae. 41849—1821. 5) Bronn, Die Klassen u. Ordnungen des Thierreichs etc. Reptilien von HorrMmAnn. 6) Cuvier, Lecons d’Anatomie Gomparee. Seconde Edition. 7) p’ArLron, Beschreibung des Muskelsystems eines Python bivittatus. J. MÜLLER’s Archiv. 4834. 8) DuvErnoy, De la langue etc. Meın. de la soc. d’hist. nat. de Strasbourg. Tom. I. 1830. 9) FÜRBRINGER, Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln. Erste beiden Theile in: Jen. Zeitschr., Bd. VII und VIII. Dritter Theil: Morphol. Jahr- buch, Bd. I. 1876. —— Die Knochen und Muskeln der Extremitäten bei den schlangenähnlichen Sauriern. 1870. 40) GAnpow, Untersuchungen über die Bauchmuskeln der Krokodile, Eidechsen und Schildkröten. Morphol. Jahrb. Bd. VII. 4884. p. 57—100. —— Beiträge zur Myologie der hinteren Extremität der Reptilien. Morphol. Jahrb. Bd. VII. p. 329—466. ' 44) GERVAISs, Recherches sur l’osteologie de plusieurs especes d’Amphisbenes et re- marques sur la classification de ces reptiles. Ann. des Scienc. nat. 3 Ser. Zool. Tom. XX. p. 293—312. a% 128 Carl Smalian, HAusaton, On the Muscular Anatomy of the Crocodile. Proc. ofthe Royal Irish Acad. Vol. IX. Part. II. Dublin 4866. —— On the Muscular Anatomy of the Alligator. Annals and Magaz. of Nat. Histor. IV. Ser. Vol. I. p. 203. 4868. 43) HEnLE, Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 2. Aufl. 44) HEUSINGER, Untersuchungen über die Extremitäten der Ophidier nebst Bemer- kungen über die Extremitätenentwicklung im Allgemeinen. Zeitschr. für die org. Physik. Bd. III. 1833. 45) Humrary, Notes on the Muscles of the Gass-Snake (Pseudopus Pallasii). Journal of Anat. and Physiol. Vol. VI. p. 287—292. On the disposition of muscles in vertebrate animals. Vol. VI. p.293—376. ) Huxtev, A Manual of the Anat. of Vertebrated Animals. 4874. ) HyerL, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 1846. 48) Leypıs, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 4872. ) ) 12 = LupwiG FERDINAND VON BAYERN, Anatomie der Zunge. 4884. MACALISTER, Contributions toward the formation of a correct System of Muscular Homologies. Annals and Magaz. of Nat. Hist. Vol. I. 4868. p. 344. 234) MArTın SAINT AnGE, L’appareil reproducteur dans les cinq classes d’animaux vertebres. M&m. de Inst. de France. Savants etrangers 1856. 22) MECKEL, System der vergleichenden Anatomie..6 Bde. 41824—31. 33) MıvArt, Notes on the Myologie of Iguana tuberculata. Proc. of the Zool. Soc. of London 4867. p. 766. —— On the Myologie of Chamaeleon Parsonii. Proc. Zool. Soc. 4870. p. 850. 24) J. MüLLer, Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. 4835. 25) Owen, On the Anatomie of Vertebrates. Vol. I. 1866, Odontography. 1840. 45. 26) RATHKE, Über den Bau u. die Entwicklung des Brustbeins der Saurier. Königs- berg 4853. u 27) RoLLEsTon, On the Homologies of certain Muscles connected with the Shoulder joint. Transact. ofthe Linn. Soc. Vol. XXVI. 4868. p. 609. 28) Rünıncer, Die Muskeln der vorderen Extremitäten der Reptilien und Vögel. Natuurkundige Verhandelingen. Deel XXV. 1868. p. 4—187, 29) SALLE, Untersuchungen über die Lymphapophysen von Schlangen u. schlangen- ähnlichen Sauriern. Göttinger Dissertation. Leipzig 1880. 30) Sanners, Notes on the Myologie of Liolepis Belli. Proc. Zool. Soc. 4872, p. 154. —— Notes on the Myologie of Platydactylus japonicus. Proc. Zool. Soc. 1870. p. 413. —— Notes on the Myologie of Phrynosoma cornutum. Proc. Zool. Soc. 1874. p. A. 34) SCHNEIDER, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere. 1879. 32) Stannıus, Handbuch der Zootomie. 2. Aufl. 1856. 33) v. TEUTLEBEN, Über Kaumuskeln und Kaumechanismus bei den Wirbelthieren. Archiv für Naturgesch. 4874. Bd. XL. p. 78. 34) WIEDERSHEIM, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere, 41883. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 1239 Bevor ich auf die vergleichende Betrachtung der vier meinen Unier- suchungen zu Grunde liegenden Objekte eingehe, scheint es mir geboten, dem Anops Kingii Bell einige Worte im Besonderen zu widmen. Ich glaube mich hierzu veranlasst zu sehen, weil die Betrachtung der in der Göttinger Sammlung vorhandenen Exemplare dieses Thieres mir Ab- weichungen von der Darstellung zeigte, welche in der Abhandlung Beır’s » Description of a new Genus of Reptilia of the family of uliserllase Zool. Journ. Vol. V, p. 391—393 gegeben ist. In den von Bzrı gegebenen Figuren, welche das Gesammtbild des Thieres nicht gut wiedergeben, zeigt der Kopf ein Verhältnis in der Beschildung, welches ich an keinem der zehn mir vorliegenden Exem- plare zu konstatiren vermag!. So finde ich vornehmlich das Rostral- schild bei keinem Individuum durch eine Querfurche in zwei Theile zerlegt, wie Berr’s Abbildung angiebt. Ich nehme davon Abstand, Schild für Schild nach Form und Anordnung zu vergleichen und erlaube mir nur, auf die Figuren 23, 24 a, b, 25 zu verweisen, in denen der Kopf von Anops Kingii von oben, im Profil und von unten etwa in drei- facher Vergrößerung dargestellt ist; Fig. 24 b ist eine Kopie von Berr’s einer Abbildung, die zum Vergleich herangezogen sein möge. Außerordentlich merkwürdig und, wie Ber richtig hervorhebt (l. c. p. 392), von allen übrigen Amphisbaeniden dadurch unterschieden ist Anops durch die scharfe Zuspitzung, die seitliche Kompression des Kopfes, durch den keilartigen Aufsatz des Rostralschildes (cf. das später über den Schädel Gesagte). Wie dem englischen Forscher? so wird allgemein dem Beobachter hierin sich eine Einrichtung darstellen, deren Bedeutung für das Wühlen des Thieres unverkennbar ist. Bezüglich der am Amphisbaenidenkörper stets charakteristischen Analregion weichen Berr’s Angaben von meinen Beobachtungen in so fern ab, als nach diesem Autor Anops keine Praeanalporen besitzt (1. c. p. 391 und 392), während ich, wie Strauch angegeben hat, an jedem der zehn betrachteten Exemplare vier Praeanalporen konstatiren muss, die allerdings zuweilen erst unter der Lupe, aber bei mäßiger Ver- - größerung wahrgenommen werden (cf. meine Fig. 26). 1 Auf die Variabilität der Kopfbeschildung hat übrigens bereits Strauca hin- gewiesen (Bemerkungen über die Eidechsenfamilie der Amphisbaeniden [Melanges biologiques tir6es du Bulletin de l’Acad&mie imperiale des sciences de St. Peters- bourg. T. XI]. St. Petersburg 1884. p. 449). PC. PIE} ac ; and I cannot doubt that the hard sharpened and pro- “minent horn which terminates this part, is intended to facilitate the entrance of the animal into masses of closely entangled herbage and brushwood, or even under the Surface of the ground, where it would force a passage in the persuit of insects and worms, on which all these animals probably feed.« Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 9 130 Carl Smalian, Von dem in mehr als einer Richtung merkwürdigen Thier liegt mir ein Ei mit weit entwickeltem Embryo vor, dessen erstaunliche Größe (39 mm Länge, 8,5 mm mittlere Breite, nahe an 5 mm mittlere Dicke) in ein um so grelleres Licht tritt, wenn man die geringen Dimensionen des Mutterthieres in Betracht zieht. Wie die beiden letzten der ange- führten Zahlen beweisen, ist das Ei in der zur Länge und Breite senk- - rechten Richtung komprimirt. Das eine Ende ist sanft abgerundet, das andere mehr zugespitzt. Durch die derbe Hülle scheint der Embryo. Es muss von hohem biologischen Interesse sein, zu erfahren, wie viel solcher enorm großer Eier von dem kleinen Thier produeirt werden und in welchen Zeitperioden. — Fig. 27 stellt das Ei in natürlicher Größe dar. Außer diesem Ei besitzt das Göttinger Museum einen aus der Eihülle herausgenommenen Embryo (Fig. 28 und 29). Seine Größe (Gesammt- länge 67 mm) stimmt mit derjenigen des durch die Hülle des oben be- schriebenen Eies scheinenden jungen Thieres überein, und es ist wahr- scheinlich , dass beide Thiere von gleichem Entwicklungsstadium sind. Die Hautringe des Thieres sind deutlich ausgebildet; leider gestattet der Erhaltungszustand des Thieres nicht, die genaue Anzahl der Ringe fest- zustellen; doch werde ich, wie ich die Zahl der Gaudalringe des Embryo gleich der Durchschnittszahl der Caudalringe des erwachsenen Thieres (Fig. 24 bis 24) mit Sicherheit beobachte, und wenn ich an den macerirten Hautstrecken die Zahl der zugehörigen Ringe aus ihrer Größe taxiren darf, darauf geführt, dass das junge Thier in dem vor- liegenden Entwicklungsstadium bereits die volle Anzahl der Ringe be- sitzt, welche dem erwachsenen Individuum zukommen. Danach würde die Haut dem Längenwachsthum des Tbieres derart unterliegen, dass jeder einzelne Ring diesem Wachsthum folgt, dass dagegen die Zunahme der Haut nicht in einer Abspaltung oder Einschaltung von Ringen zwi- schen die bereits vorhandenen besteht. — Die Seitenlinie ist am jungen Thier scharf markirt. — Die ungemeine Zartheit der Haut veranlasst, dass unter derselben das Auge viel deutlicher hervorschimmert als beim erwachsenen Thier, bei dem die starke, lederige Haut das Auge nur als bläulich schimmernden Punkt erscheinen lässt. — Der junge Anops zeigt äußerlich noch eine Merkwürdigkeit: auf jeder Seite der Afterspalte findet sich eine kleine Hervorragung;; das freie Ende einer solchen ist in der Mitte ausgeschweift, so dass zu den Seiten dieser Einziehung je ein rundlicher Wulst liegt (Fig. 28 p, Fig. 29). Diese Gebilde stimmen mit den von Leypıc bei den männlichen Embryonen von Anguis angegebenen »kolbigen oder pilzförmigen Bildungen« (o. c. p. 153, Neunte Tafel, | Fig. 119) überein und sind die Ruthen des Thieres. Dieser Befund scheint cite) Zee este re (ech ur nn m nn nn nn nn nn nn m nm en 2... Ist ee ee Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 131 somit auf eine ähnliche Eniwicklung der Ruthen von Anops schließen zu lassen, wie eine solche Leyvıc (ibid.) von Anguis angiebt: »Die etwas auffällige Lage der Ruthe unter der Haut der Schwanzwurzel kommt auch hier später zu Stande. Bei noch ungefärbten Embryonen aus dem Monat Juli und mit noch großem Dottersack, stehen die beiden Ruthen als kol- bige oder pilzförmige Bildungen frei hervor, und die nähere Untersuchung lehrt, dass sie durch Wucherung von der Haut und der Muskulatur des Stammes ihren Ursprung nehmen. Erst nachträglich werden sie durch die lebendig gewordene Thätigkeit der Muskeln eingestülpt.« Myologie. Allgemeines über die Eintheilung der Muskulatur. Nach dem ersten Versuche einer vergleichenden Muskellehre, wie ihn Jos. MÜLLER in seiner »vergleichenden Anatomie der Myxinoiden « gegeben, findet man erst die neuere Zeit sich bereichern mit ver- gleichend - myologischen Angaben. Ganz allgemeine Ausführungen, wie solche in Mürzer’s Intention lagen, eine Übersicht über den ge- sammten Bauplan des aktiven Lokomotionsapparates der Vertebraten zu geben, sind indessen ungleich spärlich gegenüber allen den myologischen Einzeluntersuchungen, auf denen, als Basis benutzt, heute eine ver- gleichende Muskellehre sich aufzubauen bestrebt. Hier begegnen wir den Versuchen von Stannıus!, Huxtey?, MacALısTEer®, Humparv®, GoETTE5, SCHNEIDER 6. Unter den genannten Autoren werden STAnnIUs, Huxrey, Humrury von rein anatomischen Principien geleitet, während GOETTE und SCHNEIDER eine genetische Eintheilung der Muskeln an- streben. MaAcauıster will eine nach vergleichend-anatomisch-phylo- genetischem Princip durchgeführte Myologie, obne dass er aber selbst dieser Aufgabe näher tritt; er sucht nach dem Prototyp einer Wirbel- thiermuskulatur, nach einem »Myozoon«”. 1 Handbuch der Zootomie von v. SIEBOLD und STANNIUS. 2. Aufl. p. 92. 2 Tu. HuxLey, Anatomy of Vertebrated Animals. p. 45. 3 A. MACALISTER, Contributions towards the formation of a correct System of Muscular Homologies. in: Annals and Magazine of Natural History. Vol. I. 1868. p. 314. * Humpary, On the Disposition of Muscles in Vertebrate Animals. in: Journ. of Anat. and Phys. Vol. VI. p. 292. 5 GOETTE, Entwicklung der Unke. 6 SCHNEIDER, Beiträge zur vergl. Anatomie der Entwicklungsgesch. der Wirbel- thiere.. p. 109. 7 Die bezügliche, sehr charakteristische Stelle (o. c. p. 314) lautet: »As tbe _ study of comparative osteology leads us to the conclusion that there is a typical g9* 132 Carl Smalian, Ich unterlasse es, alle die von den genannten Autoren angegebenen Eintheilungen der Wirbelthiermuskulatur hier vorzuführen, und ver- weise auf die bezüglichen Werke. Ich glaube dies um so mehr zu dürfen, als mich bei der folgenden Betrachtung der Muskulatur der Amphisbaeniden nur praktische Grundsätze leiten können, indem es mir allein auf eine klare und durchsichtige Behandlung des Stoffes an- kommt, welche ich unter Zugrundelegung der folgenden, unten darzu- thuenden Eintheilung der Muskulatur zu erreichen hoffe. Überdies er- scheint es mir zur Zeit völlig unmöglich, ohne Weiteres die Muskulatur dieser Ringelechsen von einer dann näher zu bestimmenden Stammform abzuleiten; denn die Doppelschleichen haben unzweifelhaft sehr weit- gehenden Anpassungen an eine merkwürdige, subterrane, wühlende Lebensweise unterlegen, welche von ihrem in der Organisation zurück- gebliebenen morphologischen Ausdruck aus sich nicht bis ins Einzelne als dessen Faktoren rückwärts nachrechnen lassen. Bezügliche, allge- meine Bemerkungen sind daher nur in heuristischem Sinne aufzunehmen. Dieses zur Rechtfertigung der meiner Betrachtung zu Grunde ge- legten Eintheilung der Muskeln, in se fern dieselbe kein einheitliches Princip in sich erkennen lässt, sondern, indem sie Eintheilungsmodi der verschiedenen angeführten Autoren in sich vereinigt, der praktischen Richtung einer übersichtlichen Darstellung zu huldigen sich bemüht. Die folgende Beschreibung stellt die Muskeln nur nach ihren topographi- schen Beziehungen dar, und nicht nach der Art ihrer Verbindungen mit dem Nervensysteme. Eintheilung der Muskulatur der Amphisbaeniden. I. Parietale Muskeln (SchneiDer). Stamm- oder Leibesmuskeln. A. Epaxonische Muskeln (STAnnıus). Episkeletal muscles (Huxıey)!. a. Hautmuskulatur. a. Hautmuskeln im engeren Sinne (d. i. Muskeln, welche ausschließlich dem Integument angehören). Rectus abdominis. M. lineae lateralis. skeleton, of which all vertebrate skeletons are modifications, so the study of myo- logy teaches us that there is a typical vertebrate myozoon, of which the individual vertebrate muscular systems are modifications.« ' i Humpary’s Einwurf (o. c. p. 294) gegen die von Srannıus und HuxLey einge- | führte Eintheilung und sein Vorschlag, die Vorsilbe »epi« für Theile’des Ske- ' Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 133 ß. Skeletthautmuskulatur! - (d. i. Muskeln, welche zwischen Skelett und Integument ausgespannt sind). Costo-cutaneus ventralis. kungen no san lateralis. Vertebro-cutaneus dorsalis. Subeutaneus colli seu | Platysma myoides. | r colli. Capiti-cutaneus dorsalis. en, Muskeln der Praeanaldrüsen. Halsregion b. Skelettmuskulatur. y. Muskeln des Rumpfes und Schwanzes?. 1. Rückenmuskeln. Mediale Rückenmuskeln. » Upper or mesio-dorsal mass« Humpary.) Semispinalis. Spinalis. Multifidus. Longissimus. Intervertebrales. letts allein zu gebrauchen, scheint mir desshalb verwerflich, da ich nicht einsehe, wesshalb ein einzelnes Organsystem dahin bevorzugt sein soll, seine Theile mit einer dem Systeme gegenüber indifferenten Nomenklatur bezeichnet zu sehen, um so mehr als Verwechselungen der mit gleicher Vorsilbe versehenen Bezeichnungen im einen und im anderen Systeme ausgeschlossen sind. (Der Autor sagt: »It is, I think, far better, to reserve the prefix ‚epi‘ to designate the bones — membrane bones — which are formed, usually, though as above mentioned not always, in the Superficial muscular or subcutaneous strata, and thereby distinguish them from the subjacent cartilage bones with which they are often closely related.«) i Die Sonderung der Hautmuskulatur in Hautmuskulatur im engeren Sinne und Skeletthautmuskulatur stammt von DALToN (0. c. p. 357—359). Er scheidet hier scharf: »A. Hautmuskeln, weiche von den Rippen entspringen« (..... »die einen ‚hängen nämlich mit dem Skelett zusammen und gehen zu den Schuppen«). »B. Haut- muskeln, die von den Schuppen entspringen und zu Schuppen gehen«. (..... ».die anderen sind aber gar nicht mit Knochen verbunden, sondern kommen von Schup- pen und gehen zu Schuppen«d). 2 Ich behandle Rumpf- und Schwanzmuskulatur desshalb nicht gesondert, weil sie mir durch den allmählichen Übergang vieler ihrer Muskeln als eine größere Einheit bei den Amphisbaeniden entgegentreten als der scharf differenzirte Kopf, den ich daher gesondert betrachte. Jedes Stratum wird in seinen Eigenthümlich- keiten am Rumpfe und am Schwanze untersucht, sein eventuelles Fehlen hier oder dort angegeben. 134 Carl Smalian, Complexus. Bectus capitis posticus. Laterale Rückenmuskeln. »Lower or latero-dorsal part« Humpary.) [Srlunba Icon Sacrolumbalis seu Dleocostalis. CGervicalis. 9. Lateraie Stammmuskeln. Obliquus abdominis externus. Intercostales. d. Muskeln des Kopfes. Temporo-pterygoideus. Masseter. Depressor maxillae. ge. Muskeln der Extremitäten. Muskeln des Brustschultergürtels. Sternocleidomastoideus. Bezeichnung | fObliquus abd. ext. prof. nach <\Rectus abd. FÜRBRINGER |Sternohyoideus. Levator-scapulae. Muskeln des Beckengürtels. . Ischio-coceygeus. B. Hypaxonische Muskeln (STAnnıus). Hyposkeletal muscles (HuxLey). Retrahentes costarum. Longus colli et capitis. Rectus capitis anticus. Longus atlantis. Hypaxonische Muskeln des Schwanzes. II. Viscerale Muskeln (Scanzıper). »An der Außenfläche des Darmblattes und an der Außen- fläche des Peritonealsackes « entstehend. Transversus. Sphincter cloacae. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 135 Muskeln des Zungenbeinapparates: Sternohyoideus superficialis, profundus. Mylohyoideus. Ceratomaxillaris. Geniohyoideus externus, internus. Genioglossus. Hyoglossus. Binnenmuskeln der Zunge. Muskeln des Kehlkopfes: Hyotbyreoidei. Compressor laryngis. Dilatator laryngis. i. Parietale Muskeln. A. Epaxonische Muskeln (STaxnıus). Episkeletal muscles (Huxıey). a. Hautmuskulatur. ca. Hautmuskulatur im engeren Sinne. Vor der Behandlung der Hautmuskulatur im engeren Sinne dürfte eine Inspektion des Gebietes, auf dem dieselbe vertheilt ist, zweckmäßig erscheinen; dabei möge einer kurzen Betrachtung hier der Raum gestattet sein über Metamerie und Segmentirung der Amphisbaenidenhaut. Die Haut der Doppelschleichen ist bekanntermaßen hinter dem Kopfe durch dünnwandige quere Einschnitte in schmale Ringe getheilt, die selbst wieder durch longitudinale Einschnitte in meist viereckige Schild- chen zerlegt werden. Dieses Verhalten zeigt sich über den ganzen Körper bis zur Schwanzspitze. Die Frage liegt nahe: Sind diese Hautsegmente der oberflächliche Ausdruck der inneren Metamerie des Körpers? Mit an- deren Worten: Entspricht jedem Wirbel ein Dermomer? (sit venia verbo). Ich beginne, wie aus der folgenden Betrachtung begründet er- scheinen wird, mit Blanus cinereus. Die Hautringe dieses Thieres sind bei der bedeutend geringeren Größe desselben gegenüber Amphisbaena fuliginosa relativ viel breiter 136 Carl Smalian, als die des letztgenannten Thieres, was für das Folgende sehr Beachtung verdient. Halbe und Viertelringe, wie solche in nicht unerheblicher Zahl an einer Reihe von Individuen der Amphisbaena fuliginosa beob- achtet wurden, sind an zehn betrachteten Exemplaren von Blanus cine- reus bei Weitem seltener, so dass letztgenanntes Thier eine größere Regelmäßigkeit der Segmentirung der Haut aufweist als ersteres. — Die gespaltene und behutsam zur Seite gezogene Haut zeigt nun, dass bei Blanus je einem Wirbel ein Dermomer entspricht, indem die jedem Wirbel angehörenden peripheren Nerven in die Mitte jedes Hautringes eintreten, um hier sich zu verbreiten. Amphisbaena fuliginosa. Betrachtet man ein Stück Haut dieses Thieres, dessen Segmentirung nicht durch das Vorkommen Halber- oder Viertelringe gestört ist, so sieht man sofort, dass auf je einen Wirbel zwei Hautringe kommen. An letztere treten die peripheren Nerven derart, dass sie nicht in die Mitte der Ringe treffen, sondern in des einen Rand, welcher von einem dünnwandigen Hauteinschnitte begrenzt wird. Zwischen je zwei Ner- veneintritten liegen also zwei Hautringe. Demnach entsprechen zwei solcher Ringe von Amphisbaena fuliginosa, deren einer vor dem Nerven- eintritt in die Haut, deren anderer hinter demselben liegt, einem Haut- ringe von Blanus. Das heißt nichts Anderes, als das bei Blanus einem Wirbel entsprechende Dermomer hat bei Amphisbaena fuliginosa eine seinen Grenzen parallele, mittlere Spaltung erfahren. Demnach führte in Bezug auf die Haut Blanus das einfachere Verhalten vor. Diese An- sicht wird gestützt: 4) durch die relativ geringere Größe der Hautringe von Amphisbaena fuliginosa gegenüber denen von Blanus cinereus; 2) durch das häufige unregelmäßige Auftreten von Halb- und Viertel- ringen bei Amphisbaena fuliginosa, welche keine besondere Innervation bekommen, so dass also von einem Einschieben neuer Ringe, die ja erst durch besondere Innervation den Werth eines Dermomers gewännen, nicht die Rede sein kann, sondern nur von einem Abspaltungsprocess innerhalb gegebener Dermomeren. Ein ganz ähnliches Verhalten wie Amphisbaena fuliginosa zeigt Anops Kingü. sb Zwar beobachte ich nicht so viel Unregelmäßigkeiten in der Haut- ringelung wie bei der Amphisbaena fuliginosa, denn ich kann nur un- mittelbar hinter dem Kopfe unvollständige Hautringe und einen solchen vor dem After feststellen. Was mir aber bedeutungsvoller er- scheint, ist die gleiche Innervation der Hautringe wie bei Amphisbaena Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 131 fuliginosa, so dass jedem Dermomer zwei Hautringe zukommen und die Nerven wie dort in den von einem dünnwandigen Hauteinschnitte be- grenzten Rand eintreten. Vielleicht ist es nicht ohne phylogenetische Bedeutung, die beiden Doppelschleichen der neuen Welt, Amphisbaena fuliginosa und Anops Kingii in dem wesentlichen Charakter der Hautringelung übereinstimmen zu sehen. Trogonophis Wiegmannı. Die Haut dieser afrikanischen Form stimmt in so fern mit derjenigen von Blanus und Anops überein, als sie kaum Unregelmäßigkeiten der Hautringelung aufweist: Dorsal stellen abnormale Ringe sich nur an der hinteren Kopfgrenze ein, ventral beobachte ich einen an beiden Enden sich auskeilenden Halbring nahe der Kopfgrenze. Allein bezüglich der Vertheilung der Hautringe zu den peripheren Nerven nimmt Trogonophis eine Mittelstellung zwischen Blanus und den vorhin betrachteten ameri- kanischen Formen ein: wie bei der spanischen Form treten die Nerven in die Mitte der Hautringe ein; doch herrscht in so fern Alternation, als ein Ring einen Nerven bekommt, der andere eines solchen entbehrt. Und in letzterem Umstande liegt die Ähnlichkeit mit den amerikanischen Doppelschleichen, indem zum Dermomer zwei Hautringe gehören. — — Im Übrigen sind die Ringe der Trogonophis verhältnismäßig viel schmaler als die von Blanus. wobei die geringere Dimension der Trogo- nophis überhaupt gegenüber derjenigen von Blanus genügende Berück- sichtigung gefunden hat. In der Längserstreckung des Körpers markiren sich auf der Haut der Amphisbaenen vier Längslinien, welche für die Orientirung in der Anordnung der gesammten Hautmuskeln von Bedeutung sind: Linea medio-dorsalıs. Eine vom Kopfe bis zur Schwanzspitze gehende deutliche Furche, welche sowohl auf der Außenseite wie auf der Innenseite der Haut zum Ausdruck gelangt. An ihr entlang inserirt das starke, bindegewebige, von den Wirbeloberflächen senkrecht aufwärts steigende, mediodorsale Sepium, das die Rückenregion in eine rechte und eine linke Hälfte zer- lest (Fig. 6+ und 8 [4]). So bei Amphisbaena fuliginosa, Blanus und Anops; Trogonophis weicht hiervon etwas ab, indem die Mediodorsal- linie noch schärfer gekennzeichnet ist: die Schildchen der beiden "medianen Längsreihen , welche durch die Mediodorsallinie von einander getrennt werden, besitzen nämlich nicht wie die übrigen Schildchen der Hautringe rechteckige Form, sondern sind Fünfecke. Die neu hinzu- 138 Carl Smalian, gekommene, fünfte Ecke fällt median, so dass zwischen den beiden medianen Schildreihen vom hinteren Querrande aus in der Medianen kleine, gleichschenklig-dreieckige Schildchen sich einkeilen, deren Basis in die Querfurche, deren Spitze in die Mediane nach vorn fällt. Linea medio-ventr.alıs. Eine bei allen vier Formen deutliche, auf der Innen- und Außen- fläche der Haut ausgeprägte Furche, welche die ventrale Haut in eine rechte und eine linke Hälfte trennt (Fig. 7 und 8 [3]). Durch diese beiden Linien ist die Sagittalebene des Körpers be- stimmt und somit die beiden Antimeren der Haut. Jedes Antimer wird ungefähr in seiner Mitte durch eine der Länge nach verlaufende Linie in eine dorsale und eine ventrale Hälfte zer- legt. Diese Linea lateralis (dextra und sinistra) ist keine einfache Furche der Haut, wie die beiden eben betrachteten Linien, Sondern sie entspricht einer kontinuirlichen Längsreihe von Hautschildern, wie solche von den longitudinalen Haut- einschnitten innerhalb der queren Hautringe gebildet werden. Sie fällt auf ihrer Außenseite dadurch auf, dass sie, wie auch v. BeprıacaA angiebt, feinere Eintheilung ihrer Schilder zeigt, so dass besonders förmige Zeichnungen entstehen. Auf der Innenseite ist sie dadurch charakterisirt, dass sie völlig frei ist von jedweder Hautmuskulatur im engeren Sinne. In diesen Charakteren der Seitenlinie stimmen alle vier untersuchten Annulaten überein ; nur Trogonophis ist darin different, dass die Seiten- linie auf der Innenfläche der Haut wenig markirt ist. Die Seitenlinie ist am Körper der Ringelechsen zwischen Kopf und After in nicht konstanter Längserstreckung vorhanden; am caudalen Ende habe ich die typische Ausbildung einer Seitenlinie nicht konstatiren können. Durch die beiden Seitenlinien wird etwa die Transversalebene des Körpers bestimmt. Die merkwürdige Ausbildung dieser Seitenlinie und die höchst sonderbare, aus der Betrachtung der einzelnen Hautmuskeln klar werdende Verthei- lung der letzteren in den durch die Seitenlinien bestimmten Bezirken jedes Antimers ließen die Vermuthung entstehen, man hätte es in der Seitenlinie vielleicht mit einem Behälter für Sinnesorgane der Haut zu thun. Mit dem Mikrotom angefertigte Quer- und Längsschnitte durch die mit neutralem essigsauren Karmin durchgefärbten Seitenlinien von Amphisbaena fuliginosa und Blanus ließen auch bei starken Vergröße- rungen keine Spur dergleichen erkennen. Eben so wenig konnte ich etwa eine Anhäufung von Nerven oder Gefäßen in der Seitenlinie kon- EEE en nn m a nn Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 139 statiren; beide, Nerven wie Gefäße, zeigten dieselbe Verbreitung wie in der sonstigen Haut. Bezüglich der Gefäße möchte ich nebenbei be- merken, dass dieselben mit einer sehr starken Wand versehen waren, so dass auf ihre arterielle Natur geschlossen werden konnte. Sie lagen in einem erheblich großen Hohlraume, welcher durch eine feine Hülle mit deutlich erkennbaren Kernen begrenzt wird. Massen feinkörniger, durch und durch gleichartiger Substanz, zu Klumpen zusammengeballt, lagen in diesem Hohlraume und machten durchaus den Eindruck ge- ronnener Lymphe. Danach hätten wir es in dem die Gefäße umschei- denden Hohlraume mit einem Lymphraume zu thun. Und so komme ich von hier aus darauf zurück, dass die Seitenlinie der Amphisbaeniden doch ein besonderer Behälter vielleicht sei, und zwar ist es vielleicht möglich, in ihr den Ort eines großen Lymphstammes zu erkennen. Zu dieser Vermuthung werde ich besonders dadurch geführt, dass ich in der Aftergegend in der That von den Lymphherzen aus eine gefäßartige, starke Aufwölbung, welche mit den nämlichen zusammengeballten Massen erfüllt war, in die Seitenlinie eintreten sah. Nach vorn zu verlor sich das Bild in dem die Innenfläche der Haut deckenden, starken Binde- gewebe, so dass ich zu keinem entscheidenden, bezüglichen Resultate kommen konnte, um so mehr als die in Alkohol konservirten Objekte eine Sicherstellung von histologischer Seite nicht gestatteten. Frisch ge- tödtete Objekte werden unschwer eine Entscheidung ermöglichen. Die eigentlichen Hautmuskeln, d. i. diejenigen Muskeln, welche ausschließlich zwischen Hautringen ausgespannt sind, stimmen alle- sammt darin überein, dass sie weder an den dickwandigen Stellen der Haut, also etwa in der Mitte der Hautringe, entspringen, noch hier in- seriren; vielmehr haben sie sich die denkbar günstigsten Angriffspunkte für die gegenseitige Bewegung der Hautringe gewählt, indem sie mit ihren Enden stets den Rändern der dünnwandigen Hauteinschnitte an- setzen. Kontraktion der Muskeln zieht dann die dünnwandigen Haut- einschnitte nach innen, die Hautringe werden einander genähert. Diese Anordnung ist schon mit bloßem Auge an günstigen Stellen erkennbar; Längsschnitte, mit dem Mikrotom angefertigt, überzeugen davon aufs Beste. — Die Hautmuskeln im engeren Sinne können in zweierlei ge- ‚schieden werden: solche, welche innerhalb eines Hautringes ausge- spannt sind, und solche, die über mehrere Ringe weggreifen. Eine Regelmäßigkeit darin, dass letztere Fasern etwa konstant über eine be- ‚stimmte Anzahl von Ringen zögen, ist nirgends aufgefunden. Die Zusammenfassung aller dieser Hautmuskeln zu größeren oder kleineren Komplexen, so wie die Vertheilung der letzteren innerhalb der 140 Carl Smalian, durch die Körperlängslinien abgegrenzten Territorien lässt Folgendes eruiren: Die kurzen, innerhalb eines Hautringes ausgespannten Muskeln haben ihre Verbreitung am Bauche, an den Seiten, wie am Rücken; doch finden sie sich in der Nachbarschaft der Mediodorsallinie am spärlichsten. Kopf- und Schwanzhaut weisen diese Muskeln nicht auf (cf. Fig. 8). Die langen, über mehrere Hautringe ziehenden Fasern sind in größter Mächtigkeit zu den Seiten der Medioventrallinie angehäuft. Sie bilden nach Scuneiper 1 und WIEDERSHEIM? den Rectus abdominis (Re, Fig. 7 und 8). Dieser Muskel ist nach den genannten Autoren bei den Amphisbaenen fest mit der Haut verwachsen. Da indessen, wie die später folgende Betrachtung lehren wird, zwischen den distalen knorpeligen Rippen- enden gerade verlaufende Intercostales ausgespannt sind (Ri, Fig. 7 u. 11), welche den übrigen Zwischenrippenmuskeln gegenüber ziemlich selb- ständig erscheinen, da ferner ihre vordere, von den ersten Rippen zur Sternalaponeurose sich ausbreitende Verlängerung (Ri, Fig.8, 9, 10, 19, 20, 21) denselben geraden Verlauf besitzt, so werden diese nach dem Vor- gange FÜRBRINGER'S 3 ebenfalls zu dem Rectus abdominis gerechnet. So möchte ich diese letzteren als Rectus abdominis internus von dem in die Haut übergegangenen Rectus abdominis externus trennen. Beide zu- sammen machen den Rectus ventralis im Sinne GaApow’s® aus. — Kopf- wärts verliert sich der Rectus ventralis unter der hinieren Kopfgrenze; hinter dem Becken ist er nicht mehr erkennbar. — Der Muskel zeigt bei Amphisbaena fuliginosa und bei Anops Kingii vollkommen gleiches Ver- halten. Blanus und Trogonophis weisen sekundäre Unterschiede auf. Amphisbaena fuliginosa und Anops Kingü. Der Rectus abdominis externus nimmt von der Linea medioventralis bis zur Insertion des Costo-cutaneus ventralis allmählich an Mächtigkeit ab. Lateralwärts von der Insertion des Üosto-cutaneus ventralis und des Gosto-cutaneus lateralis internus, zwischen derjenigen des letzteren und der des Costo-cutaneus lateralis externus stellt sich ein neues longitudinal verlaufendes Muskelband ein (Fig. 6 und 8), das kopfwärts 1 0.c.p. 431. 2 0.c.p. 245. 3 »Die Knochen und Muskeln etc.« p. 76, Nr. 5. * „Untersuchungen über die Bauchmuskeln der Krokodile, Eidechsen und Schildkröten.« Morphol. Jahrb. Bd. VII. p. 93. ne Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 141 bis zum Beginn des Platysma myoides reicht ; vielleicht entspricht dieses Band dem Rectus lateralis Ganow’s. Dorsalwärts von der Seitenlinie sind noch Bündel, welche über mehrere Ringe sich spannen, sichtbar; sie verlieren sich nach der Linea medio-dorsalis aber ziemlich rapid. SCHNEIDER rechnet diese latero-dorsalen Fasern alle noch zum System des Rectus, indem er sagt: »Bei Amphisbaena reicht der als Rectus zu ' betrachtende Hautmuskel bis nahe an den Rücken. « Blanus cinereus. Das bei Amphisbaena fuliginosa die Insertionen des CGosto-cutaneus lateralis externus und internus trennende laterale Band des Rectus hat durch die dorsale Verlagerung des Costo-cutaneus lateralis (cf. das Bezügliche bei diesem Muskel) eine geringe ventrale Verschiebung erfahren, so dass es die beiden genannten Insertionen nicht mehr trennt. Trogonophis Wiegmanni. Der Muskel zeigt keinerlei Differenzirungen, sondern bedeckt fast gleichmäßig die Haut von der Medioventrallinie bis zur Insertion des Vertebro-cutaneus dorsalis. Musculus lineae lateralis (Mll, Fig. I, 3, 5, 6, 8). Unter diesem Namen ist eines schmalen, bei Amphisbaena fuliginosa höchstens 1,5 mm, bei Blanus höchstens 1 mm breiten Muskelbandes zu gedenken, welches von der Schwanzbasis bis zum Hinterrande des Kopfes die Seitenlinie hart an ihrem dorsalen Rande begleitet. Die Fasern haben einen schrägen Verlauf von unten hinten nach oben vorn unter sehr spitzem Winkel. Sie spannen sich in der Regel über sechs bis acht Hautringe aus und ihre Enden heften sich den Rändern der dünnwandigen Hauteinschnitte wie alle Hautmuskeln an. Die vordersten Fasern gehen mit ihren vorderen Enden nicht an die Haut, sondern ‚ endigen in dem starken Bindegewebe, , welches sich hier zwischen Haut ‚ und hinterer Kopfgrenze einschiebt. Ich bin dazu geführt, an der Selb- ständigkeit dieses Muskels zu zweifeln, da ich ihn bei dem sonst mit Amphisbaena sehr übereinstimmenden Anops nicht habe finden können. Bei Trogonophis nahm es nicht Wunder, den Muskel zu vermissen, da die Seitenlinie auf der Innenfläche der Haut auch nicht markirt ist. Vielleicht ist dieser Muskel als dem System des Rectus der Haut ange- hörig zu erachten. Seine Bedeutung ist mir völlig unklar. Am Schwanze ist das Bild der gesammten Hautmuskulatur völlig verwischt: man sieht Fasern weder innerhalb des Raumes eines noch 142 Carl Smalian, mehrerer Hautringe ausgespannt. Alles ist unter Aufnahme der Skelett- hautmuskeln zu einer einheitlichen, oberflächlichen Schwanzmuskulatur verschmolzen, welche von gemeinsamer Fascie umscheidet wird. Die die Hautringe begrenzenden Einschnitte drücken sich oberflächlich in diese superficiale Muscularis ein und die Räume zwischen je zweien solcher Eindrücke sind mit starkem Bindegewebe überzogen, welches zwischen Muskeln und Hautringe sich eingelegt und die Form der Haut- ringe übernommen hat. Es ist schwer ohne Zerreißung der Schwanz- muskeln dieses sehnige Bindegewebe abzulösen. ß. Skelstthautmuskeln. Costo-cutaneus ventralis (Ccv, Fig. 7, 8, 44, 12, 43, 49, 20, 24). MEckEL, Nr. 44, p. 436 (Ophidier ohne Namen). p. 443, $ 77. 2 (Anguis). p. 142, 8 76 (Amphisbaena). — HEuSInGER, Nr. 8, p. 493 (Pseudopus). p. 498 (Anguis). p- 524 (Amphisbaena fuliginosa). (Figurenerklärung von Taf. III, Fig. IV.) »Innerer schiefer Bauchmuskel.« — D’ALton, p. 358 und 359 (Python) und SALLE, p. 45 (Tropidonotus). »Der innere, untere oder Bauchhautmuskel.« — SCHNEIDER, p. 435 (Ophidii). »Ventrale Recto-costales.« — Owen, Vol. I. p. 226 (Ophidier). »Scuto- costales.«ce — Stannıus, p. 407 (Ophidia). »Die oberflächlichste Muskelhülle der Rumpfgegend« etc. (Diesen und den folgenden Muskel damit zusammeniassend.) Amphisbaena fuliginosa. Das Stratum besteht aus einer Menge einzelner, von einander scharf gesonderter Bündel, von denen jedes einer Rippe angehört. Die Bündel entspringen am vorderen Rande der distalen, knorpeligen Rippenenden - und ziehen von hier vorwärts und etwas dorsalwärts; nachdem sie einen Raum, dessen Länge gleich der Summe der Abstände von acht bis neun Rippen ist, überspannt haben, erreichen sie die Haut, um an ihr auf der Bauchseite, jederseits von der Linea medialis ventralis um das Gleiche entfernt, am hinteren Rande der dünnwandigen Hauteinschnitte zu in- seriren. Der von den Bündeln überspannte Raum lässt sich desshalb nicht absolut genau angeben, weil die Bündel nach der Haut zu sich oft in unregelmäßiger Weise in zwei, drei, ja vier Portionen auflösen, deren jede in der angegebenen Weise inserirt. Diese Spaltung lässt sich zu- weilen weit nach dem Ursprunge an den distalen Rippenenden hin ver- folgen; jedes Spaltbündel geht stets an den hinteren Rand eines besen- deren Hautringes, und ich habe nie zwei zusammengehörende Spalt- bündel an dem nämlichen Hautringe ansetzen sehen. Die unregelmäßige Spaltung der Bündel des Costo-cutaneus ventralis ist für dieses Stratum allein nicht eigenthümlich, sondern gilt in gleicher Weise für die dem- nächst zu besprechenden Costo-cutaneus lateralis und Vertebro-cutaneus Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 143 dorsalis. Sie ist mir immer als eine Parallelerscheinung zu der unregel- mäßigen Abspaltung der Hautringe (halber und viertel Ringe, so wie einzelner Schilder) erschienen, wenn ich auch in Bezug auf die Insertion der Skeletthautmuskeln an den Hautringen ein bezügliches Korrespon- diren nicht konstatiren kann. Vielleicht haben wir hierin Thatsachen für die Variabilität der Doppelschleichen, wofür noch andere Anhalts- punkte vorzuliegen scheinen. — Noch ist zu erwähnen, dass die Inser- tionen der Bündel des CGosto-cutaneus ventralis unmittelbar denjenigen des Costo-cutaneus lateralis internus benachbart sind. — Die Gesammt- ausdeknung dieses Stratums erstreckt sich von der letzten Rippe nach vorn bis zur vierten Rippe. Doch sah ich sowohl hier als bei Blanus Spaltbündel der vordersten Portionen des Costo-cutaneus ventralis am Brustgürtelrudiment inseriren. Anops Kingii. Schließt sich bezüglich dieses Stratums in jeder Weise der Ausbil- dung und Erstreckung der Amphisbaena fuliginosa an. Blanus cinereus. Das Stratum ist im Allgemeinen wie bei Amphisbaena fuliginosa ‚ gebaut und von der nämlichen Ausdehnung. Allein die ventrale Inser- tion an der Haut ist gegenüber Amphisbaena fuliginosa weit ventralwärts verschoben, so. dass die unmittelbare Nachbarschaft der Insertion des Costo-cutaneus ventralis und Costo-cutaneus Jateralis internus, wie sie bei Amphisbaena fuliginosa vorliegt, hier aufgehoben ist. Trogonophis Wiegmannt. Der Bau des Stratums unterscheidet sich nicht von dem der eben betrachteten Thiere. Die Erstreckung der einzelnen Bündel beträgt etwa sieben bis acht Rippenabstände. Wie bei Blanus ist die unmiitei- bare Nachbarschaft der Insertionen des Gosto-cutaneus ventralis und Costo-cutaneus lateralis internus aufgegeben. Am Schwanze lässt sich das Lager bei keiner der vier untersuchten Formen gesondert erkennen, was natürlich mit dem Fehlen der Rippen in direktem Zusammenhange steht. Wie dieses Stratum die Doppelschleichen mit den Schlangen ge- meinsam haben, wird die Funktion in beiden Fällen die gleiche sein. Die Bewegung, welche hier in Betracht kommt, wird bei BEercmann und LeuerArr ! als das »Gehen auf dem Bauche« abgehandelt. Die wesenl- 170..0.p. 444. 144 Carl Smalian, lichen Momente dieser Bewegung sind: das Thier stützt sich beim Liegen auf dem Bauche nicht gleichmäßig auf alle Theile desselben. 4) Die Entfernung einer oder mehrerer Stellen der Haut von der Unterlage hebt den auf diese Stellen wirkenden Druck temporär auf. 2) Dadurch ist die Möglichkeit der Bewegung der Hautschilder gegen einander dann gegeben. Diese beiden Bedingungen sind durch die zur Verfügung stehenden Muskelthätigkeiten zu erfüllen: die Hebung des Körpers von dem Boden wird »durch eine kleine Erhebung der unteren Rippenenden an der betreffenden Stelle schon möglich sein«. Das wird aber offenbar erzielt durch Kontraktion der dieser Stelle angehörenden Costo-cutanei- ventrales. Dann bleibt die Bedingung der gegenseitigen Bewegung der Hautschilder zu erfüllen übrig. Dieses wird in erster Linie von den eigentlichen Hautmuskeln, welche zwischen den einzelnen Hautringen ausgespannt sind, besorgt. Allein die merkwürdige Insertion der Costo- cutanei-ventrales am hinteren Rande der dünnwandigen Hauteinschnitte, deren je zwei einen Hautring begrenzen, lässt es wahrscheinlich er- scheinen, dass die Kontraktion der Costo-cutanei-ventrales auch nach der Richtung wirkt, eine Annäherung benachbarter Hautringe hervorzu- bringen. Und da diese Annäherung in der Richtung von vorn nach hinten geschieht, muss Vorwärtsbewegung der bezüglichen Ringe, wenn auch nur um ein Geringes, die Folge sein. Damit sind bei den Amphis- baeniden die Bedingungen gegeben, mit denen von BERGMANN und LEUCKART bei den Schlangen operirt wird: Akt I der Bewegung ist also Annäherung der Haut an die Rippenspitzen und damit verbunden Aufhebung des auf die beweglichen Hauttheile an den bezüglichen Stellen wirkenden Druckes. Gleiehzeitig damit mehr oder minder starke Vorwärtsbe- wegung der vom Drucke entlasteten Hauttheile. Akt II. Fixation der am meisten nach vorn bewegten Hautringe und Vorwärtsbewegung der zugehörigen Rippen durch Kontraktion der Costo-cutanei-ventrales. So ist der Körper um etwas nach vorn bewegt. Die Wiederholung dieses Vorganges scheint mir unzweifelhaft die Lokomotion des Thieres zu be- wirken. — Zu betonen ist, dass zur Ermöglichung dieser Art der Be- wegung die Insertion der Muskeln an den dünnhäutigen Stellen der Haut stattfinden muss, wovon der thatsächliche Befund zeugt. Denn eine Insertion an den dickhäutigen Theilen des Integuments, etwa in der Mitte der Hautringe, würde bei gleichzeitiger Kontraktion der Muskeln benachbarter Hautringe die letzteren niemals einander nähern, was ja eins der nothwendigen Postulate für diese eigenthümliche Lokomotion ist. — Der hier eingehend behandelte Vorgang scheint mir in wenig ver- | änderter Form auf die Funktion der beiden anderen, den Amphisbaenen zukommenden Skeletthautmuskellagen übertragbar. Unterschiede wer- Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 145 den nur in so fern resultiren, als eben andere, durch Ursprung und Insertion der Bündel dieser Straten bezeichnete Körpertheile bewegt _ werden. — Es bleibt demnach bei dem Costo-cutaneus lateralis und | dem Vertebro-cutaneus dorsalis auf das eben Betrachtete zu verweisen | übrig. Zu alledem kommt noch, dass, wenn die Kontraktion der Costo- , -cutanei-ventrales nur auf einer Seite des Körpers erfolgt, Konkavität | auf dieser, Konvexität auf der anderen resultirt. Wiederholt sich dieser \ Vorgang an dem Körper entlang, so wird damit zur Schlängelung beige- tragen. Immerhin möchte diese letztere Bewegung dem hier in Rede | stehenden Muskelstratum wie überhaupt dem Skeletthautmuskelsystem in geringerem Grade zu verdanken sein als der Rückenmuskulatur, , welcher in erster Linie die Bewegung des festen Achsenskelettes zufällt. ‚ Indessen scheint die Skeletthautmuskulatur doch nicht völlig unbetheiligt zu sein an der lebhaften Schlängelung der Amphisbaeniden. Vielleicht ist in den Costo-cutanei ventrales das Homologon der Scalares der Lacertinen, Monitoren, Scincoiden und Ptychopleuren zu erblicken. Denn auch die Scalares dieser Saurier entspringen an den ‚ knorpeligen, distalen Rippenenden; sie inseriren an den Inscriptiones ‚ des Rectus lateralis (ScHnEiDER, 0. c. p. 130). Dann wären die Costo- cutanei ventrales gleichsam mächtig entwickelte Scalares; und dieses Verhalten wäre als mit dem Schwunde der Extremitäten durch An- - passung an die kriechende Lebensweise erworben vorzustellen. — N Nach Mecerzr’s Angaben hat Cuvırr diesen Muskel übersehen. MeEckEL, ' durch die unmittelbare Nachbarschaft der Insertionen dieses Muskels ‚ und derjenigen des folgenden geleitet, fasst den Costo-cutaneus ven- tralis mit dem Costo-cutaneus lateralis als einen zweibäuchigen Muskel zusammen. Er sagt von ihm: »Am stärksten ist er bei Amphisbaena. « ‚ Meerer’s und Heusıncer’s Betrachtungen drehen sich darum, ob das Stratum dem Systeme der schiefen Bauchmuskeln zuzuzählen sei oder ‚nicht. Erst D’ALron trennt diesen Muskel scharf von der eigentlichen ‚ Seitenmuskulatur sammt den beiden anderen Skeletthautmuskellagen. "Er nennt ihn »inneren, unteren oder Bauchhautmuskel«. Seine An- ‚ gaben beziehen sich auf Python. Sırız übernimmt bei der Behandlung ‚ der Muskulatur von Tropidonotus diese Bezeichnungsweise. Auch _Owen’s Bezeichnung »Scuto-costales « folgt (ich weiß nicht, ob mit Ab- sicht) dem Vorgange w’Arron’s. Indem auch ich die Klarheit von ‚D’Arron’s Eintheilungsprincip würdige, schlage ich der Übereinstim- ‚mung der myologischen Nomenklatur wegen die lateinische Benennung | Costo-cutaneus ventralis für das behandelte Stratum vor. i 1 — ne nn Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIL. Bd. 40 146 ‚Carl Smalian, Costo-eutaneus lateralis (Ccl, Fig. 4, 5, 11, 19; Celeund Ccli, Fig. 6, 8). MEckEL, Nr. 41 etc. (wie beim vorigen Stratum). — HEusineEr, Nr. 8, p. 493 (Pseudopus). p. 498 (Anguis). p. 521 (Amphisbaena fuliginosa). v Äußerer schiefer Bauchmuskel.« — D’ALToN, p. 357 und 358 (Python) und SALLE, p. 45 (Tropidono- tus). »Der große, äußere oder Seitenhautmuskel.« — SCHNEIDER, p. 435 (Ophidii). »Dorsale Recto-costales.« — OWEN, p. 226 (Ophidier). »Squamo costales.« — STAN- nıus, p. 407 (Ophidia). »Die oberflächliche Muskelhülle der Rumpfgegend.« etc. Amphisbaena fuliginosa. Der Costo-cutaneus lateralis stellt ein sehr mächtiges Muskellager dar, dessen einzelne Bündel zu je einem je einer Rippe zukommen. Eine Spaltung des von einer Rippe kommenden Bündels, wie wir solche bei dem Costo-cutaneus ventralis beobachteten, ist hier weit stärker aus- gebildet. Denn gleich an der Ursprungsstelle, etwas dorsalwärts über der Mitte der Rippen, dort, wo die Bündel des Sacrotumbalis an den Rippen sehnig inseriren, und welche von den Fasern desselben ver- deckt erscheint, theilt sich jedes Bündel in ein oberflächliches äußeres und ein tieferes inneres, Costo-cutaneus lateralis externus und internus (Cele und Celi, Fig. 6 und 8). Beide verlaufen von vorn dorsalwärts nach hinten ventralwärts, so dass der Gosto-cutaneus lateralis externus weniger, der Costo-cutaneus lateralis internus mehr gegen die Hori- zontale geneigt ist. Die Erstreckung eines Bündels des ersteren beträgt etwa 44 Wirbellängen, die des letzteren deren sechs bis sieben. Der C. ec. l. e. inserirt mit seinen Portionen am vorderen Rande der dünn- wandigen Hauteinschnitte in der Linea lateralis, ventralwärts vom Musculus lineae lateralis, von dem C. c. l. i. durch einen schmalen Hautstreifen getrennt. Der C. c. 1. i. inserirt ventralwärts von den In- sertionen des vorigen Lagers dicht neben den Ansätzen des C. c. v. am vorderen Rande der dünnwandigen Hauteinschnitte. — Die Bündel des C. c. l. e. theilen mit denen des C. c. v. die Eigenthümlichkeit, sich in eine unregelmäßige Anzahl von Zweigen aufzulösen. Dem gegenüber zeigen die Portionen des C. c. 1. i. in ihrer Verzweigung im Allgemeinen eine merkwürdige Regelmäßigkeit: jedes Bündel erfährt nämlich eine Dichotomie. Von den entstandenen Zweigbündeln vereinigt sich das hintere des einen Bündels mit dem vorderen des nach hinten folgenden Bündels, um gemeinsam an der Haut in der beschriebenen Weise zu inseriren. Das Ganze erscheint nicht unähnlich einer sehr einfach kon- struirten Brückenfüllung. Die Erstreckung des gesammten Gosto-cuta- neus lateralis auf der Länge des Körpers ist etwa die folgende: die ersten drei Bündelpaare entspringen sehnig von den Querfortsätzen der drei ersten Wirbel. Die Sehnen der Bündel ! und 2 werden von den Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden.- 147 Portionen des Ilecostalis dorsal bedeckt. Das vierte Bündel entspringt erst normal von der ersten Rippe (Fig. 6). Caudalwärts, hinter dem After ist bei dem Mangel der Rippen das Stratum als solches nicht mehr entwickelt; es wird hier vertreten durch die oberflächliche, laterale Schwanzmuskulatur. Anops Kingi. Auch bezüglich des C. c. 1. herrscht eine fast vollkommene Über- einstimmung, zwischen Anops und Amphisbaena fuliginosa ; besonders gilt das auch für die unmittelbare Nachbarschaft der Insertionen des C.c.v. und C. c.].i. an der Haut. Die Erstreckung der Bündel des C. c. 1. e. beträgt etwa neun Wirbellängen, diejenige der Bündel der C. ec. 1. i. annähernd eben so viel (acht bis neun), so dass Externus und Internus annähernd gleiche Neigung gegen die Insertionsfläche haben, während bei Amphisbaena fuliginosa der Neigungsunterschied merk- licher war (Externus vierzehn, Internus sechs bis sieben Wirbellängen). Blanus cinereus. Im Ganzen entspricht der Bau des C. c. 1. demjenigen bei Amphis- baena fuliginosa. Aber in Bezug auf die Insertionspunkte an der Haut ist eine Verlagerung zu konstatiren: der ganze C. c. 1. ist bei Blanus dorsal verschoben. Das kommt in den beiden Theilen desselben, im C.e.1l.e. und. c.1.i. in folgender Weise zum Ausdruck: Die Sonde- rung in einen Externus und Internus ist viel tiefgreifender als im vor- hin betrachteten Falle, indem dieselbe bis auf den costalen Ursprung ' selbst geht. Der Externus ist in seinem Ursprunge dorsal verschoben, so dass er nicht an der Insertion des Sacrolumbalis an den Rippen be- ginnt, sondern an dessen vertebralem Ursprung, an der Artikulations- stelle der Rippe am Wirbel. Der Ursprung des Internus erscheint nor- ' mal wie bei Amphisbaena fuliginosa. Der dorsalen Verschiebung des ‚ Ursprungs des Externus gemäß ist auch die Insertion desselben dem ‘ nämlichen Process unterlegen, indem sie an den dorsalen Rand der Seitenlinie, also hart an die Grenze des M. lin. lat. gerückt ist. Aber auch der Ansatz des Internus ist in sehr auffallender Weise dorsalwärts , gewandert. Denn während derselbe bei Amphisbaena fuliginosa von \ der Seitenlinie ventralwärts um ein ansehnliches Stück entfernt und , dem Ansatz des C. c. v. unmittelbar benachbart liegt, ist dieses Ver- | halten bei Blanus aufgegeben. Die Insertion des Internus ist in die ‘ Seitenlinie, an deren ventralen Rand verlegt, der Nachbarschaft mit . derjenigen des C. c. v. also beraubt. — Weitere Differenzen der beiden ‚ Doppelschleichen in Bezug auf dieses Stratum habe ich nicht konsta- tiren können. 10* Linea medio- Linealateralis. Linea medio- Linea lateralis. Linea medio- 148 Carl Smalian, Trogonophis Wiegmannı. Im Verhalten des Costo-cutaneus lateralis isolirt sich Trogonophis wieder von den übrigen drei Formen, indem die Bündel sich nicht nur in Externi und Interni theilen, sondern die Externi abermals gleich vom costalen Ursprung an in eine äußere, mehr dorsale und eine innere, mehr ventrale Partie gespalten werden. Die Bündel jeder dieser Partien lösen sich wie gewöhnlich unregelmäßig in eine Anzahl Zweig- bündel auf, welche an die einzelnen Hautringe treten. Die Insertion der äußeren, dorsalen Bündel des Externus erfolgt in unmittelbarer Nachbarschaft mit derjenigen des Vertebro-cutaneus dorsalis. Dagegen sind wie bei Blanus die Insertionen des Internus und des C. c. v. nicht unmittelbar benachbart. Die Beziehungen der Insertionen der Skeletthautmuskeln von den vier untersuchten Ringelechsen zu einander treten in einem Schema am deutlichsten hervor, welches folgendermaßen gewonnen wird: Man denke sich nicht weit von der Mediodorsallinie die Haut der Länge nach aufgeschlitzt und gleich einem Cylindermantel so in die Ebene gerollt, wie dies in Fig. 8 dargestellt ist. Es werden dann die Insertionen der Skeletthautmuskeln bezüglich ihrer Lage zu der Medioventrallinie und der Seitenlinie einer Seite und zu einander eingetragen; die Richtung, welche die Bündel vom Skelett nach der Haut innehalten, sei durch die Richtung von Pfeilen gegeben. In dieser Weise resultiren folgende Schemata: Celi Cele Sn mm TÜR g Dee LLC LILLLSLS sr 2: Q S NIIT m m I ad 7 ı/ >> Sı RS ventralis. ventralis. ventralis. Amphisbaena fuliginosa Blanus cinereus. Trogonophis Wiegmanni. und Anops Kingii. Linea lateralis. | Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 149 Der Costo-cutaneus lateralis wird in seinen beiden Theilen im Ganzen antagonistisch gegenüber dem Costo-cutaneus ventralis wirken. Denn er wird durch seine Kontraktion gemäß seinem Ansatze an der Haut eine Rückwärtsbewegung der Rippen verursachen d. h. eine Ent- fernang der Rippenenden von denjenigen Hautstellen, welchen erstere durch die Kontraktion des C. c. v. genähert wurden. Es werden also diejenigen Hautstellen, welche durch die Thätigkeit des C. c. v. von der Unterlage erhoben wurden, durch den C. c. 1. wieder zur Erde zurück- kehren können, während andere Stellen der Körperoberfläche unter den Einfluss des C. c. v. in der nämlichen Zeit gestellt werden. Es scheint mir, als ob aus dem wechselseitigen Wirken der C. c.v. und. c.|. die Lokomotion konstruktiv verständlich würde. — Bei alledem bleibt eine nebenhergehende Thätigkeit der Skeletthautmuskeln nicht ausge- schlossen, die etwa darin besteht, dürch Kontraktion schützende Räume für zarte Organe, z. B. Nerven, bei der Lokomotion zu schaffen. — Außerdem darf bei dem C. c. 1. nicht vergessen werden, dass er in bei Weitem höherem Grade befähigt sein wird, durch Kontraktion auf einer Körperseite zur Schlängelung beizutragen, als der C. c. v. Wie bei der Behandlung des C. c. v. erwähnt, fasst Meckeı den G.c.v.undden(. c.]|., von der gemeinsamen Insertion ausgehend, als zweibäuchigen Muskel zusammen. Hätte ihm auch das Verhalten anderer Annulaten vorgelegen, so würde er zu dieser Auffassung nicht ‚ gelangt sein. — Die Bezeichnungen der übrigen Autoren für dieses ' Stratum bei Amphisbaeniden una Ophidiern sind am Anfange der Be- trachtung desselben zusammengestellt, worauf an dieser Stelle nur zu verweisen ist. — Analog dem vorigen Stratum bringe ich für das eben Vorgeführte die Bezeichnung Costo-cutaneus lateralis in Vorschlag. Vertebro-cutaneus dorsalis (Vcd, Fig. 1, 3, %, 5, 6, 8). MEckEL, Nr. 8, p. 434 (Ophidier). p. 442, $ 76 (Aphisbaena). »Äußerer Bauch des langen Rückgratsstreckers.«< — CUVIER, p. 300 (Amphisbaena). — HEUSINGER, p. 524 (Amphisbaena fuliginosa). (Figurenerklärung von Taf, III, Fig. IV.) Amphisbaena fuliginosa. Auf der dorsalen Seite entspricht den beiden behandelten Muskel- systemen bei Amphisbaena ein drittes Lager, welches den Doppel- ; schleichen den Schlangen gegenüber eigenthümlich ist. Es präsentirt sich in mächtiger Entwicklung, sobald die Haut dorsal, median gespalten und aus einander geschlagen wird, und lässt unschwer die einzelnen ı Portionen gesondert erkennen, deren jede einem Wirbel zukommt. — , Die Bündel dieses Stratums entspringen gemeinsam mit dem Semispinalis 150 Carl Smalian, an der dorsalen Wirbeloberfläche dort, wo die Rippen an den Wirbeln gelenken. Die Bündel erfahren in sehr vielen Fällen gleich vom Ursprung an eine Spaltung in zwei, drei oder vier dünnere Portionen, wovon jede an einen besonderen Hautring geht. Ein solches Bündel überspannt den Raum von etwa acht bis neun Wirbellängen. Die Insertion erfolgt am hin- teren Rande der dünnen Hauteinschnitte unmittelbar über dem dorsalen Rande des M. lineae lateralis. Demnach ist die Richtung dieser Bündel von tief median etwas aufwärts lateral. — Kopfwärts entspringt das erste Bündel von der Artikulationsstelle der ersten Rippe am dritten Wirbel. Die Insertion der vordersten Bündel des V. c. d., welche an Länge nach vorn um etwas abnehmen, erfolgt in der Kopfregion nicht mehr an der eigentlichen Haut: durch die Ausbildung der Kopfschilder erscheinen die Bündel des V. c. d. gleichsam ihrer typischen Insertionen, der Hautringe, beraubi. So sehen wir die vordersten Portionen des V.c..d. iin der Höhe der Schädelcrista in mächtig entwickeltem Binde- gewebe enden, welches sich zwischen die oberflächlichen Muskeln des Schädels und die Schilder der Kopfhaut legt. Caudalwäris ist das Lager bis zur Schwanzspitze verfolgbar. Allein es verschmilzt hier mehr und mehr mit dem Semispinalis, und beide stellen die oberflächliche, dorsale Schwanzmuskulatur dar. Anops Kingü. Die Muskellage ist ganz wie beiAmphisbaena fuliginosa ausgebildet; die einzelnen Bündel überspannen an acht Wirbellängen. Blanus cinereus. Bei Blanus habe ich keinerlei Differenzen im Bau des Vertebro- cutaneus dorsalis im Vergleich mit der gleichen Lage bei Amphisbaena fuliginosa feststellen können. Trogonophis Wiegmanni. Der Bau des V.c.d. ist von demjenigen bei den übrigen drei Formen nicht verschieden. Ursprung und Insertion liegen sieben Wirbel- längen von einander entfernt. | Der analoge Aufbau eines Skeletthautmuskels, wie uns die Seite und der Bauch des Körpers der Doppelschleichen dergleichen aufge- wiesen, auf der dorsalen Seite des Thieres scheint den Schluss als be- rechtigt hinstellen zu dürfen, dass auch die Rückenseite der Amphisbaenen von sich lokomotorische Thätigkeit ausgehen lasse. Freilich wird von einer Bewegung der starren Theile der Wirbelsäule nach außen, wie eine solche bei den nachgiebigen Rippenspitzen leicht annehmbar er- Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 151 schien, nicht im entferntesten die Rede sein können. Wohl aber verdient die in der Kontraktion eines zwischen Skelett und Haut gespannten Muskels involvirte zweite Thatsache der Bewegung der Hauttheile eine Würdigung : der fast völlige Mangel einer Hautmuskulatur auf der dor- salen Seite dieser Thiere schließt eine Bewegung der Hautringe auf der Rückenseite durch eigentliche Hautmuskeln aus. Sehen wir daher die Hautringe vom Skelett her Muskelbündel empfangen und zwar derart, dass letztere die für ihre Wirkung denkbar günstigsten Angriffspunkte, die dünnwandigen Hauteinschnitte, wählen, so glaube ich, liegt es nicht fern, die Hautringe gegen einander mittels der BündeldesV.c.d. in Bewe- gung gesetzt zu sehen. Da der Ansatz derV.c.d. an den dünnwandigen Hauteinschnitten gerade wie der des C. c. v. sich verhält, so wird die Bewegung sich in der Richtung nach vorn vollziehen. Eine Lokomotion eines Thierkörpers auch mit der Rückenfläche wird aber da nicht be- fremdlich erscheinen, wo wir es, wie bei den Doppelschleichen,, mit wühlenden Thieren zu thun haben, wo das Substrat, auf dem die Lokomotion sich vollzieht, den Körper allseitig umgiebt, allseitig in Bezug anf die hinter einander liegenden Theile der Leibesoberfläche beseitigt sein will, falls überhaupt eine Ortsbewegung unter derartigen Um- ständen ermöglicht sein soll. So dürfte der V. c. d. als in Anpassung an die wühlende Lebensweise der Doppelschleichen entstanden zu denken sein. Unter den Autoren betont Meeker den Mangel dieses Stratums bei allen Schlangen, den Besitz desselben von Amphisbaena. Er fasst ihn als den äußeren Bauch seines gemeinschaftlichen Rückgratsstreckers der Schlangen auf, indem er Amphisbaena noch zu letzteren rechnet. Eben so sah ihn Guvier und sagt von ihm: »Le muscle externe & celui-ci« (celui-ci = l’epineux du dos) »et que l’on pourrait prendre pour le long dorsal, puis qu’il n’ait des apophyses articulaires, va s’ins6rer ä la ligne laterale de la peau«. — Hrusınger weist in der oben angezogenen Figuren- erklärung ebenfalls darauf hin, dass das hier behandelte Muskellager Amphisbaena eigenthümlich sei. Es kann heute, wo die Amphisbaeniden längst als gut charakterisirte Saurier gelten, natürlich nicht die Rede sein, für die Muskulatur der Amphisbaeniden im Allgemeinen einen Ausgangspunkt der Ableitung bei den Schlangen zu suchen, also auch nicht für den V. c. d., wie das Mecker möglich war. Wohl aber möchte ich geneigt sein, den V. c.d. dem Systeme des Semispinalis zuzuzählen; dann will er mir als ein äußerer Theil der letzteren Lage erscheinen, welcher, seinen Ursprung mit dem Mutterstratum bewahrend, seine Insertion von den Dornfort- ' sätzen an die entsprechenden Stellen der Haut verlegte. 152 Car! Smalian, Die Skeletthautmuskeln der Halsregion sind folgende: Subeutaneus colli seu Platysma myoides (Pl, Pl,, Fig. 6, 8, 19). Mit gleichem Namen der Autoren. Amphisbaena fuliginosa. Von der Mitte des unteren Randes jedes Unterkiefers entspringt eine kräftige, kurze Sehne, welche nach hinten und unten zieht, aber unmittel- bar fast am Ursprunge sich in Muskelfasern auflöst, welche bis zur Höhe des sechsten bis siebenten Wirbels an der Haut inseriren. Die Fasern strahlen nach zwei Richtungen aus, ventralwärts und latero-dorsalwärts; die ventralen (Pl,, Fig. 6, 8, 19) inseriren an der Haut in einer Geraden, welche als die vordere Fortsetzung der Insertionslinie des Costo-cutaneus lateralis internus erscheint; die dorsalen (Pl, Fig. 6, 8) setzen an der Haut in einer Geraden an, welche einer Verlängerung der Linea lateralis entspricht. Die Fasern konvergiren also nach der gemeinsamen Sehne; die Schiefe der Richtung nimmt bei den ventralen Fasern dorsalwärts, bei den dorsalen ventralwärts ab und nähert sich der Längsrichtung der Körperachse. So ist eine ventrale Portion dieses Muskels von einer mehr dorsalen leicht zu sondern. Die ventrale ist hinter der Mitte ihres Verlaufs mit der Außenfläche des Schulterrudimentes durch Bindegewebe verwachsen, von demselben aber leicht ablösbar. Die drei übrigen untersuchten Ringelechsen weichen, was diesen Muskel angeht, nicht von Amphisbaena fuliginosa ab. Die sehr übereinstimmende Anordnung dieses Muskels mit dem nämlichen des Menschen gestattet von dem letzteren die Übertragung seiner funktionellen Bedeutung auf den ersteren: Hyrır's! diesbezüg- liche Meinung ist: »Er hilft den Kiefer herabzieken und erhebt, wenn dieser fixirt ist, die Haut des Halses von den tieferliegenden Schich- ten. « — Diese Ansicht erscheint auf den ersten Anblick sehr plausibel. Allein ihr setzt Herne? gegenüber: »Soll man aber diejenigen« (scil. Bündel des Subeutaneus colli), »die sich an den Unterkiefer befestigen, zu den Herabziehern dieses Knochens zählen? Sie wären dazu sehr ungeschickt angeordnet, da sie, um auf den Unterkiefer zu wirken, zu- vor das Bindegewebe, mittels dessen ihre innere Fläche an die tieferen Halsmuskeln angeheftet ist, aufs äußerste gedehnt haben müssten. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie bei geschlossenem Munde zwischen Brust und Kiefer sich gerade strecken sollen. Den Zweck dieser Streckung aber hat FoLrz (Gaz. med. 1852 Nr.31) vollkommen dadurch erklärt, 1 HYRIL, 0. c. p. 287. ? HENLE, 0. c. p. 108 (Muskellehre. 1858). Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 153 dass dem Einsinken der Haut des Halses und dem Kollabiren der Hals- venen beim Einathmen Widerstand geleistet werden müsse.« — Ich bin sehr geneigt, mich der Ansicht Henur’s für die Amphisbaeniden anzu- schließen. Sphincter colli! (Sphc, Fig. 49). Mit gleicher Bezeichnung der Autoren. Diesen Muskel habe ich merkwürdigerweise unter den vier unter- suchten Formen nur bei Blanus gefunden: Blanus cinereus. Bei dem der Untersuchung dienenden Exemplar von Blanus trat mir ein äußerst dünner, häutiger Muskel auf der ventralen Seite un- mittelbar unter der Haut, außen vom Platysma myoides entgegen. Die Erstreckung desselben ist eine sehr geringe, indem ich ihn als von dem seitlichen Bindegewebe der Haut entspringend unmittelbar hinter der hinteren Schädelgrenze beginnen sah; seine hintere Grenze lag etwa kurz vor dem Schulterrudiment. Die beiden von jeder Seite des Halses kommenden Theile erscheinen als ein durchaus einheitliches, feines Häutchen, welches den Hals unmittelbar hinter dem Schädel auf der ventralen Seite überbrückt. Die dem Häutchen angehörenden Muskel- fasern haben einen queren Verlauf. Allein sie spannen sich nicht etwa ‘ kontinuirlich auf dem Häutchen aus, sondern lassen einen lateralen Theil von einem medialen unterscheiden (Fig. 19). Der erstere erstreckt sich bis dahin, wo die ventrale Grenzkontur des Platysma durch das Häutchen schimmert. Es folgt eine schmale, der Muskelfasern bare Zone des Häutchens;; ihr schließen sich medianwärts die medialen Fasern an, | deren Ausdehnung die Breite des durchscheinenden Sternohyoideus nicht überschreitet. Eine direkte Vereinigung der medialen Fasern ‚ beider Seiten in der Mitte findet nicht statt; hier ist das quere Band rein häutig. Die funktionelle Bedeutung scheint mir ausschließlich die eines elastischen Bandes zu sein; vielleicht dient er auch der Festigung der Ventralfläche beim Schlingakt. 1 Dieser, den Hals umscheidende Muskel ist eben so wenig ein absolut typi- -; scher Hautmuskel als Skelettmuskel. Wegen seiner Beziehung zum Stamm bringe ich ihn an dieser Stelle unter. 154 . Carl Smalian, Capiti-eutaneus dorsalis (Cacd, Fig. 3, 4). Amphisbaena fuliginosa. Von jedem der Sehnenbogen, mit welchen die beiden Splenii an der Schädelcrista inseriren, entspringt je ein schmales Muskelbündel, welches nach hinten und lateralwärts geht, um hinter dem Schädel am vierten bis achten Hautringe zu inseriren. Anops Kingü,. Die Fasern des Muskels sah ich bis zum neunten Hautringe hinter der hinteren Schädelgrenze inseriren; im Übrigen wie vorhin. Blanus cinereus. Die Insertion fand bei dem vorliegenden Exemplar am dritten bis zehnten Hautringe statt; sonst wie bei Amphishbaena fuliginosa. Trogonophis Wiegmanni. Der Bau des Muskels ist auch hier nicht abnormal, doch ist letzterer unter allen betrachteten Formen hier am mächtigsten, indem seine Fasern an den 45 ersten, hinter dem Schädel folgenden Hautringen inseriren. Kontraktion beider Gapiti-cutanei dorsales wird eine Fixation des Kopfes von oben her mit dem Halse hervorbringen, wie in ähnlichem Sinne die Splenii und Gomplexi wirken werden. Die Thätigkeit eines der beiden Muskeln dagegen wird eine leichte Wendung des Kopfes nach seiner Seite zur Folge haben, also zum Wühlen beitragen. Tleo-cutaneus (Ilcut, Fig. 12, 13, 45). Amphisbaena fuliginosa. Vom Beckenrudiment geht ein mehr oder minder deutlich ausge- bildeter kleiner Muskel ventralwärts zur Haut. Sein Ursprung am Beckenrudiment ist in so fern kein absolut konstanter, als ich bei zwei untersuchten Exemplaren den Muskel am Hinterende des Beckenrestes, bei einem dritten Exemplar an der ganzen Außenseite des lleopectineum entstehen sah. Seine Fasern gehen nach kurzem Verlauf vollkommen in den eigentlichen Hautmuskeln auf. Anops Kingiü. Wie Amphisbaena fuliginosa. Blanus cinereus. Der Muskel war an dem untersuchten Individuum deutlich ent- Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 155 wickelt und entsprang am vorderen Ende des Beckenrudimentes. Außer demselben sah ich von der nämlichen Stelle des lleopectineum noch ein kleineres Muskelchen entstehen, welches ventral und etwas nach hinten zur Haut ging. Es ist mir in keinem Falle gelungen, dasselbe bei Am- phisbaena fuliginosa nachzuweisen. | Trogonophis Wiegmanni. | Am hinteren Ende des Ileopectineums entstehend. Sonst wie | oben. | Die Thätigkeit dieser kleinen Muskeln wird eine geringe Bewegung | von Beckenrudiment und Haut gegen einander bedingen können. Das | Ziel dieser Bewegung ist mir aber nicht klar. Vielleicht vermag diese Bewegung als Einschnürung der betreffenden Körperstelle zum Ausdruck ‚ zu gelangen und einen Einfluss auf die Präanaldrüsen auszuüben. | Muskeln der Präanaldrüsen. Amphisbaena fuliginosa, Anops Kingii und Blanus cinereus- zeigen diesbezüglich ein völlig gleiches Verhalten : Von dem Beckenrudiment treten feine Muskelfasern an die inneren, blinden Enden jener integumentalen Drüsen, deren Mündungen in der Haut als Präanalporen für die Amphisbaeniden von systematischer Be- deutung geworden sind. Eben so sind zwischen den blinden Drüsen- enden und der Haut nach außen feine Muskelfäden gespannt. Diese sämmtlichen Fasern werden als Protraktoren der Drüsen funktioniren, die letzteren gegen ihre Mündung hindrängend. Ihnen stehen als Antagonisten Muskelfasern gegenüber, welche, J ebenfalls von den blinden Drüsenenden entstehend, nach vorn in dem ‚ den Darm deckenden, starken peritonealen Bindegewebe sich verlieren. Sie sind Retraktoren der Drüsen. Trogonophis Wiegmannı ‚ besitzt keine Präanaldrüsen. b. Skeletimuskulatur. y. Muskeln des Rumpfes und Schwanzes. 1. Rückenmuskeln. Mediale Rückenmuskeln. Semispinalis (Ssp, Fig. I, 2, 3, 6, 7). ") Mecxer, Nr. 4, p. 131 (Ophidier). »Spinalis u. Semispinalis.« p. 142, $ 76 (Amphis- baena). — Cuvier, p. 298 (Ophidier). p. 300 (Amphisbaena). »L’epineux du dos.« — 156 . Carl Smalian, HEUSINGER, Nr. 3, p. 492 (Pseudopus). p. 497 (Anguis). »Spinalis und Semispina- lis.« — D’ALton, Nr. 39, p. 442 (Python). »Der lange absteigende Muskel zwischen den Gelenk- und Dornfortsätzen.« — OwEn, p. 224 (Ophidia). »Semi-spinalis dorsi. — STANNIUs, p. 4104 u. 402 (Sauria kionocrania). »Semispinalis.< — Humpary, On the disposition etc. p. 304. »Semispinalis dorsi.« — SANDERS, p. 420 (Platydactylus o. c.). p- 164 (Liolepis o. c.). »Spinalis dorsi.« Amphisbaena fuliginosa. Die Muskelmasse, welche ich als Semispinalis bei den Amphis- baeniden ansehen möchte, erscheint als oberflächlicher Streifen, wenn die Haut dorsal gespalten und ihre beiden dadurch entstandenen Lappen so weit seitwärts geschlagen sind, dass die Bündel des Vertebro-cuta- neus dorsalis sich straff gespannt darbieten. Dieser Streifen ist von der Breite der Wirbelsäule; die dorsale, mediale Aponeurose, das binde- gewebige Septum mediale dorsale, zerlegt ihn, wie überhaupt die ge- sammte Stammmuskulatur des Rückens, der ganzen Länge nach in eine rechte und eine linke Hälfte. Außen wird der Muskel umgeben von starker aponeurotischer Scheide, welche Sehnen hindurchscheinen lässt, deren Konturen nach der Medianen zu schärfer und schärfer sich ab- heben. Öffnet man die Aponeurosis, so stellen sich jene nach der Medianen unter spitzen Winkeln strebenden Sehnen als verdickte Theile der Aponeurose selbst dar; diese Thatsache wird dadurch erwiesen, dass die Aponeurose nur sehr schwer von den Sehnen entfernt werden kann, stets Fetzen zurücklassend. Dennoch erscheinen die verdickten Theile derartig scharf gesondert, dass sie als Sehnen betrachtet werden dürfen. Nach Eröffnung der Aponeurose bietet sich dann folgender That- bestand dar: von der Ursprungsstelle des Vertebro-cutaneus dorsalis und von hier aus an der ganzen seitlichen, äußeren Grenze jedes Wirbels entlang entspringen die Bündel des Semispinalis, deren jedes einem Wirbel angehört. Sie beginnen auf eine sehr &eringe Strecke hin sehnig, wenden sich aus der Tiefe im Bogen aufwärts und schlagen dann die Richtung vorwärts und unter sehr spitzem Winkel nach der Medianen hin ein, mit der Entfernung vom Ursprunge spitzer und spitzer werdend. Nachdem sie die Strecke von sechs Wirbellängen überzogen haben, tauschen sie ihre fleischige Natur gegen die sehnige ein ; die so gebilde- ten und vorhin als der Aponeurosis angehörend beschriebenen Sehnen ziehen in der von den Bündeln angegebenen Richtung über weitere sechs Wirbel, um am zwölften Wirbel (vom Ursprung der fleischigen Bündel aus gerechnet) an der Stelle, welche dem Processus spinosus entspricht, zu inseriren. Die vordersten Bündel dieses Stratums inse- riren in normaler Weise am Hinterrande des zweiten Halswirbels; es ist selbstverständlich, dass die dieser Stelle am nächsten liegenden Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 157 Bündel kürzer und kürzer werden, da ihre Insertion durch die nach vorn beschränkte Wirbelzahl ihre Grenze findet. — Am Schwanze ist ' der Semispinalis als gesondertes Stratum nicht mehr verfolgbar ; doch beweisen Richtung und Niveau der Fasern, dass er in der oberfläch- lichen Schwanzmuskulatur aufgegangen ist, indem er sich mit dem ‚ Vertebro-cutaneus dorsalis vereinigte. Die Insertion der vereinigten \ oberflächlichen Schwanzmuskulatur findet an der die ganze Muskelmasse einhüllenden Aponeurose statt. Anops Kingü. Selbst in der Zahl, welche die Erstreckung der Bündel bezeichnet (12 Wirbellängen inel. Ursprung und Ansatz), mit Amphisbaena fuli- ; ginosa übereinstimmend. u Blanus cinereus. Das untersuchte Exemplar ließ keinerlei wesentliche Unterschiede ı von der Amphisbaena fuliginosa erkennen im Bau und in Erstreckung \ des Stratums; selbst die Zahlenverhältnisse stimmten absolut, indem die Semispinalisbündel, eben so wie bei Amphisbaena, so auch bei Blanus ‚ über die Strecke von 12 Wirbellängen sich ausspannten. Trogonophis Wiegmannı. Die Bündel ziehen über zehn Wirbel (inel. Ursprung und Ansatz). Gleichzeitige Kontraktion des gesammien rechten und linken Semi- spinalis wird die Wirbelsäule strecken. Ist nur eine der beiden anti- meren Muskelhälften in Aktion, so ist Krümmung der Wirbelsäule die "Folge. Die succedane Kontraktion hinter einander folgender Portionen ‘der rechten oder linken Muskelhälfte wird demnach in der Richtung der Schlängelung wirken und hieran einen vorzüglichen Antheil haben. MEckEL und Cuvier fassen den Semispinalis mit dem gleich zu be- ‚trachtenden Spinalis zusammen; Guvıer’s bezügliche Angaben über- ‚ treffen diejenigen Mecker’s bei Weitem an Klarheit, und ihm scheint bei 'Amphisbaena auch nicht entgangen zu sein, was er an dem homologen ‚Muskel der Schlangen wahrgenommen und beschrieben: »Chaque ‚faisceau se termine par un tr&s long tendon contenu dans une gaine | apon&urotique. « Der Vergleich des dargestellten Befundes mit den ‚Muskelbeschreibungen der am Eingange der letzten Betrachtung citirten ‚Autoren lässt mich den eben behandelten Muskel als Semispinalis be- zeichnen, obwohl Abweichungen von dem entsprechenden Muskel der | ‚anderen Saurier nicht von der Hand zu weisen sind. Es leitet bei der Beurtheilung das topographische Princip, und danach gehört der hier 158 Carl Smalian, als Semispinalis bezeichnete Muskel in Humpury’s Kategorie: »Trans- verso-spinous or inwardly directed «; »the fibres pass from the transvere processes inwards and forwards to the spinous processes. « Spinalis (Sp, Fig. 1, 2, 5). MEckEL, Nr. 4, p. 434 (Ophidier). p. 442, 5 76 (Amphisbaena). »Spinalis und Semi- spinalis.« — CUüVIEr, p. 298 (Ophidier). p. 300 (Aphisbaena). »L’&pineux du dos.« — HEUSINGER, Nr. 3, p. 492 (Pseudopus). p. 497 (Anguis). »Spinalis und Semi- spinalis.« — p’Auton, Nr. 40, p. 443 (Python). »Der aufsteigende Muskel zwischen den Dorn- und Gelenkfortsätzen.« Spinalis der sonstigen Autoren. Bei allen vier untersuchten Formen wesentlich übereinstimmend. Geht man von der Ursprungsstelle des Semispinalis an einem Bündel desselben aufwärts bis zu der Stelle, wo in der Höhe des sechsten Wirbels (vom Ursprung an gerechnet) die fleischigen Fasern zu der noch weitere sechs Wirbel überziehenden Sehne zusammen- schließen, so gewahrt man unmittelbar vor dieser Stelle an die Sehne des Semispinalis sich heftende,, aus der Tiefe emporsteigende Bündel. Trägt man den Semispinalis dann auf der Seite, von welcher die Rich- tung dieser Fasern kommt, ab, so lassen sich diese vertikalen Bündel in die Tiefe verfolgen; sie bieten in ihrer Gesammtheit eine scheinbar ununterbrochene Schicht dar. Werden aber die Semispinalissehnen, woran die betreffenden Bündel inseriren,, isolirt und gespannt, so löst sich die vertikale Muskelwand in eben so viel einzelne Portionen auf, als Semispinalissehnen gesondert und scharf angezogen wurden. Jetzt erst wird auch die Ursprungsstelle der Fasern deutlich erkennbar; sie bietet sich als eine kaum von der Medianen des Rückens abweichende und über den Raum zweier Wirbel ziehende Sehne dar. Diese Sehne entspringt am Hinterrande des einen Wirbels unmittelbar neben der Stelle, welche an den Wirbeln anderer Saurier und der Schlangen die Processus spinosi trägt; sie legt sich, indem sie nach vorn und kaum merklich nach außen zieht, den beiden Wirbeloberflächen dicht an, so dass sie nicht leicht von der Unterlage abgehoben werden kann, und lässt erst in ihrer zweiten Hälfte, nämlich von da an, wo sie den Hinter- rand des zweiten, ihrer Ausdehnung angehörenden Wirbels erreicht, auf der Länge des letzteren die beschriebenen mehr oder weniger verli- kal stehenden Bündel entspringen, welche ich für den Spinalis halten möchte. Der Ursprungsort der Bündel scheint durchaus den Processus spinosi zu entsprechen. Und der immerhin merkwürdige Ursprung an einer der Wirbeloberfläche aufliegenden Sehne dürfte sich dann aus dem Mangel der Dornfortsätze herleiten. So stellt diese eigenthümliche Ur- sprungssehne des Spinalis vielleicht ein basales Rudiment der Dornfort- Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 159 sätze resp. der Ligamenta interspinalia vor. Der Spinalis ist demnach zwischen zwei Sehnen ausgespannt. — Die vorderste Portion des Stratums entspringt normal auf der vorderen Hälfte einer Sehne, welche am Hinterrande des vierten Wirbels submedian Ursprung nimmt und bis zum Hinterrande des zweiten Wirbels reicht, so dass mit der Ver- kürzung der Insertionssehnen des Semispinalis auch der Ansatzort der vordersten Spinalisbündel an jenen nach vorn verschoben wird. Die Verkürzung der Semispinalissehnen und die dadurch im Spinalis her- vorgerufene Veränderung lassen die Halsmuskulatur kompakter als die Rückenmuskulatur erscheinen, und das klare Bild, welches der Rücken in seinen Muskeln bietet, ist am Hals bei Weitem schwieriger erkenn- bar. — Am Schwanze ist der Spinalis bis zur Spitze deutlich entwickelt und nach letzterer hin mit den übrigen Schwanzmuskeln allmählich abnehmend. | Wie man mit dem Spinalis zu jenem nicht gerade einfachen Flecht- werk von Muskeln vordringt, welches die dorsale Wirbeloberfläche bedeckt, stellt sich mit der Komplikation des morphologischen Befundes die Schwierigkeit der physiologischen Deutung ein. Im Allgemeinen weist die mannigfache Verknüpfung der Rückenmuskeln unter einander darauf hin, dass die Wirkung des einzelnen Muskels stets mit derjenigen der mit ihm verbundenen Hand in Hand gehen wird, nie allein zum Ausdruck gelangen wird. Das gilt gleich vom Spinalis: er wird ver- möge seines Ansatzes am Semispinalis die Sehnen des letzteren an der ‚ Insertionsstelle fassen und sie spannen; seine Wirkung wird demnach das Punctum fixum, welches für die Semispinalissehnen in der Mitte des Hinterrandes des vom Ursprung an gerechneten zwölften Wirbels liegt, von hier in die Höhe des sechsten vom Ursprung des Semispinalis an gerechneten Wirbels, dort, wo die Auflösung der Semispinalissehne in die Fleischfasern erfolgt, verlegen. Umgekehrt: sind die Bündel des Semispinalis schon durch Kontraktion straff gespannt, und der Spinalis tritt in Thätigkeit, so wird er den oder die zugehörenden Wirbel um ein Geringes heben können; dann wird er hierin offenbar von dem Semi- ‚spinalis unterstüzt. Aber durch seine Ursprungssehne besitzt der Spinalis eine weitere Verbindung mit dem unten abzuhandelnden Multifidus Spinae und durch dessen Verbindung mit dem Longissimus mittelbare Beziehung zu dem letztgenannten Muskel. So wird hier eine Bewegung in Scene gesetzt, welche sich in ihren Einzelheiten kaum nachrechnen lassen dürfte. Durch seine mittelbare Verknüpfung mit dem Longissimus wird der Spinalis, wie wohl einzusehen ist, eine indirekte Bedeutung für die schlängelnde Bewegung besitzen. Zu alledem bleibt anzufügen, dass hier wie bei allen Muskeln eine weitere Aufgabe ihrer Thätigkeit 160 | Carl Smalian, darin liegt, schützende Räume für zarte, bei lebhafter Bewegung von Druck bedrohte Organe, als Nerven und Gefäße, zu schaffen, worauf an dieser Stelle ein- für allemal verwiesen sein mag. Wie bei dem Semispinalis erwähnt, fassen MEckeL-und Guvier den Semispinalis und Spinalis zusammen. Dasselbe gilt von Hrusinger. Aber selbst in der neueren, besonders englischen Litteratur werden Semispi- nalis und Spinalis häufig nicht scharf gesondert. Multifidus spinae (Mf, Fig. 1, 2). MEcKEL, Nr.3, p. 4132 (Ophidier). p.142, $ 76 (Amphisbaena). » Multifidus spinae.« — CuVIER, p. 298 (Serpents). (Unter »’Epineux du dos«.) — D’ALTON, Nr. 44, p. 443 (Python). »Zweiter oder kurzer absteigender Muskel zwischen den Gelenk- und Dornfortsätzen.« — STANNIUS, p. 402 (Saur. kionocran). »M. multifidus.« — OWEN, p- 225. »Multifidus spinae« (Ophidia). — Humrury, p. 304. »Multifidus«. (»On the disposition etc. «) Bei allen betrachteten Formen gleichartig. An den Ursprungssehnen des Spinalis entspringen auf der näm- lichen Strecke, welche den Spinalis abgiebt, nämlich der vorderen Hälfte dieser Sehnen, Bündel, welche nach außen lateralwärts sich wenden, so dass dieselben mit denjenigen des Spinalis nach dem ge- meinsamen Ursprung hin konvergiren. Sie inseriren an den zum Hinter- rande der Wirbel ziehenden Ansatzsehnen des Longissimus dorsi und geben einige Fasern an die äußere, hintere Wirbelecke selbst ab. Gegen- über den Portionen des Spinalis treten diejenigen des Multifidus erheb- lich viel schärfer gesondert heraus, so dass sie durch die Verbindung mit dem Longissimus, ohne dass weitere Präparation nöthig wird, den Anblick eines zierlichen Flechtwerkes gewähren. Die Erstreckung des Stratums kopfwärts und caudalwärts ist die nämliche wie die des Spinalis. Das typische Verhalten des Multifidus bei den Reptilien und den höheren Vertebraten ist, von den hinteren Gelenkfortsätzen, aus der Tiefe aufwärts und rückwärts zum vorderen Rande der Spinae zu ziehen (von Ansatz nach Ursprung der bisherigen Betrachtungsmethode ge- rechnet im Anschluss an viele Autoren). Dann weicht der Multifidus der Amphisbaenen davon folgendermaßen ab: Erstens setzt er nur mit einem kleinen Theil seiner Fasern an den hinteren Gelenkfortsätzen an, wäh- rend der größere Theil derselben an der Ansatzsehne des Longissimus inserirt. — Zweitens ist im Verlauf seiner Fasern (von der Insertion an den Longissimussehnen an gerechnet) nach der Medianen der Wirbel- oberfläche, die den Processus spinosi entspricht, nicht von einem Ansteigen die Rede. — Drittens kann der Multifidus von Amphisbaena Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 161 nicht an den Vorderrand der Spinae gehen, weil letztere nicht da sind. — Aber gerade diese drei Differenzen scheinen mir dafür zu zeugen, dass wir es in dem in Rede stehenden Stratum mit dem Multi- fidus zu thun haben. Denn der Mangel der Dornen wie überhaupt der sehr einfache Bau der dorsalen Wirbeloberfläche, welcher kaum Niveau- differenzen der letzteren erkennen lässt, erklärt das fast horizontale Streichen und die Insertion der Bündel an der Sehne des Longissimus;; zugleich scheint mir bei dem Mangel der Dornen in dem Ursprunge der Bündel an der auch dem Spinalis angehörenden Sehne eine Stütze für die bei Behandlung des Spinalis ausgesprochene Meinung zu liegen, dass die gemeinsame Ursprungssehne des Spinalis und Multifidus als der Rest der Dornenbasis beziehungsweise der Ligamenta interspinalia aufzufassen sei. Die Thätigkeit des Multifidus wird sich auf die Bewegung kurzer Strecken der Wirbelsäule (von der Länge eines oder zweier Wirbel) gegen einander erstrecken. Die Verbindung mit dem Longissimus und dem Spinalis lässt ihn Beziehungen zu den Funktionen des Longissimus, Spinalis und Semispinalis gewinnen. Über die Homologen bei anderen Sauriern belehrt die oben ange- ' führte Litteratur. Bei Cuvırr finde ich keinen Multifidus gesondert behandelt. Doch scheint dieser Autor den Multifidus zum Systeme seines »Epineux du dos« zu ziehen, wenn er (o. c. 298) sagt: »L’&pineux du dos: outre son origine ä la face laterale des apophyses Epineuses, il recoit des tendons qui se detachent du long dorsal et qui s’&panouissent et se perdent A sa face inferieure.« Das gilt für die Schlangen. Longissimus dorsi (Ld, Fig. 1 und 2). MECcKEL, Nr.7, p.133 (Ophidier). » Innerer Bauch des langen Rückgratsstreckers.« — Cuvier, p. 298. 20 (Serpents). »Long dorsal.« — HEUSINGER, Nr. 4, p. 492 (Pseudo- pus). p. 497 (Anguis). »Longissimus dorsi.« — D’ALToN, Nr. 35, «@. p. 438 (Python). »Der obere innere Bauch des zweibäuchigen Rückwärtsziehers der Rippen.« — ‚ SarLe (Tropidonotus). (Unter demselben Namen.) — STANNIUS, p. 402 (Sauria kiono- ' krania). p. 106 (Ophidia). »M. longissimus. « — OWEN, p. 224 (Ophidia). » Longissi- mus dorsi.« — Hunmpary, p. 303 (On the dispos. etc.). »Longissimus dorsi.« — SANDERS, p. 420 (Platydactylus jap.). p. 160 (Liolepis Belli). »Longissimus dorsi.« — MivarT, p. 769 (Iguana tubercul.). p. 854 (Chamaeleon Parsonii). »Longissimus dorsi.« Bei allen untersuchten Thieren gleichartig ausgebildet. Das Lager, welches mir als Longissimus bei Amphisbaena entgegen- tritt, besteht aus scharf gesonderten Bündeln, deren jedes einem Wirbel -, zukommt. Der Ursprung findet vom hinteren Gelenkfortsatz der Wirbel 18 Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Ba. AA 162 | Carl Smalian, 3 aus an der ganzen Seite des Wirbels statt. Die Bündel steigen aufwärts und vorwärts, über die Länge dreier Wirbel sich erstreckend. Die Fasern jedes Bündels heften sich, aus der Tiefe aufsteigend an einen sehnig verdickten Streifen der das ganze Bündel einhüllenden Aponeu- rose. Dieser sehnige, wie eine Crista erscheinende Streifen der Muskelfascie biegt sich über dem Bündel sichelförmig nach vorn oben, um an der nämlichen Stelle, an welcher der Ursprung eines vor- deren Bündels dieses Stratums beginnt, am hinteren Gelenkfortsatz des vierten vom Ursprung an gerechneten Wirbels sich anzufügen (Fig. 2). Der Longissimus erscheint demnach als gefiederter Muskel. Die Bündel des Longissimus decken einander derart, dass die hinteren sich auf die vorderen legen, so dass erst nach Abtragung eines Bündels der Ursprung der nach vorn folgenden sichtbar wird. Aber auch der vordere sehnige Ansatz der Bündel an den Wirbeln ist verdeckt, da auf dem vorderen Drittel der beschriebenen, crista-artigen Verdickung der Aponeurose die Portionen des Multifidus inseriren. — Kopfwärts reicht das Stratum bis zum Hinterrande des zweiten Wirbels wie der Semispinalis, Spinalis und Multifidus; eben so theilt der Longissimus mit den genannten Lagen die caudale Erstreckung. Die Haupithätigkeit des Longissimus wird bei einseitiger und in auf einander folgenden Portionen succedaner Kontraktion Krümmungen der Wirbelsäule hervorbringen, also zur Schlängelung des Körpers bei- tragen. Kontraktionen gleicher, auf beiden Körperantimeren einander entsprechender Portionen des Longissimus werden die Wirbelsäule strecken. Sein indirekter Einfluss auf die übrigen Rückenmuskeln er- giebt sich aus seiner Verbindung mit letzteren durch den Multifidus. Die oben eitirte Litteratur lässt das beschriebene Stratum als dem Longissimus sonstiger Reptilien homolog erkennen, wie sie gleichzeitig erhebliche Schwankungen in den Formverhältnissen dieses Muskels bei den Reptilien erweist. Eine nicht zu verkennende Ähnlichkeit der Form ' des Longissimus der Amphisbaenen tritt mit dem gleichen Muskel bei Chamaeleon Parsonii hervor, wie ich aus Mıvarr’s trefflicher Abbildung | ersehe. Intervertebrales (/v, Fig. 1, Zum und Zvs, Fig. 2). Interspinales der Autoren. Bei allen vier untersuchten Annulaten gleichartig. Als Intervertebrales bezeichne ich bei den Doppelschleichen flache H Muskelportionen, welche der dorsalen Wirbeloberfläche unmittelbar an- | haften. Sie lassen sich nur bei sehr sorgfältiger Präparation bis ins i I 1 \ | | | | j \ | Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 163 Einzelne verfolgen, gestatten dann aber die Erkenntnis folgenden That- bestandes: Genau in der Medianen der dorsalen Wirbeloberfläche verläuft eine Sehne, welche, hart am hinteren Rande jedes Wirbels entspringend, zu demjenigen des nächstfolgenden, vorderen geht, hier median inserirend. An dieselbe treten auf ihrer ganzen Länge Muskelfasern,, welchen die Wirbeloberfläche Ursprung giebt; ihre Richtung ist von unten vorn nach oben hinten. Sie gehen an die Sehne etwa in der Weise, wie die beiden Flächen eines Daches in der Firste sich vereinigen. Wie diese mediane Sehne den Bezirk der bei Amphisbaena fehlenden Dornen be- zeichnet, mögen die ihr angehörenden Muskeln den Interspinales der mit Dornen versehenen Wirbelthiere im eigentlichsten Sinne gleich- werthig sein. — Den medianen Intervertebrales (/om, Fig. 2) schließen sich lateralwärts submediane Intervertebrales an (/vs, Fig. 2). Auch diese entspringen auf der dorsalen Wirbeloberfläche nach außen von den eben betrachteten und haben eine gleiche Richtung wie die letz- teren. Allein sie haben sich zur Insertion die dem Multifidus und Spi- nalis gemeinsame Ursprungssehne gewählt. In dieser Sehne sind aber, wie die Betrachtung des Spinalis und des Multifidus lehrte, zwei Theile zu scheiden: Erstens diejenige Sehnenstrecke, welche vom Ursprung der Sehne, am Hinterrande eines Wirbels, zu demjenigen des nächst- folgenden vorderen geht und weder Spinalis- noch Multifidusfasern trägt, dabei sich um ein sehr Geringes von der Wirbeloberfläche er- hebt. Zweitens die Strecke der Sehne, welche dem vorderen, zum Er- streckungsgebiet der Sehne gehörenden Wirbel entspricht. Diese zweite, vordere Strecke steigt etwas höher von der Wirbeloberfläche empor. — Indem die Fasern der submedianen Intervertebrales an die beiden ver- schieden hoch von den Wirbeln entfernten Strecken der nämlichen Sehne treten, müssen sie sich hinsichtlich ihrer Länge derart ausbilden, dass an die vordere Sehnenstrecke längere, an die hintere kürzere Fasern treten. — Dazu kommt, dass die dem Multifidus und Spinalis gemein- same Ursprungssehne besonders in ihrer vorderen, zweiten Hälfte von der Medianen des Rückens divergirt; und mit dieser lateralen Verschie- bung der vorderen Sehnenhälfte ist auch derjenige Theil der sub- medianen Intervertebrales, welcher an dieser vorderen Hälfte inserirt, mit seinem Ursprunge etwas nach außen verschoben. Gehen wir dem- nach von den medianen Intervertebrales (/um, Fig. 2) an ein und dem- ‚selben Wirbel nach der Seite, so treffen wir zunächst auf die kurzen submedianen Intervertebrales (vs, Fig. 2), welche an der hinteren Hälfte der am Hinterrande des betrachteten Wirbels entspringenden Sehne inseriren. Unmittelbar nach außen von diesen stoßen wir auf die 1° BE 164 Carl Smalian, langen, submedianen Intervertebrales, welche an der vorderen Hälfte derjenigen Spinalis-Multifidussehne ansetzen, die vom Hinterrande des nächst hinteren Wirbels kommt. Das Bild, welches die submedianen Intervertebrales gewähren, ist wieder wie bei den medianen Interverte- hrales das dachförmige. | Ich lasse es dahingestellt, ob die als submediane Intervertebrales bezeichneten Muskeln bei den Amphisbaenen von den Interspinales der Saurier mit Wirbeldornen abzuleiten sind, was ich für die medianen Intervertebrales sicher glaube. Eben desshalb sei für die Totalität der hier behandelten Muskeln die mehr indifferente Bezeichnung der Inter- vertebrales eingeführt. Die physiologische Bedeutung der Intervertebrales wird kaum eine solche sein, welche etwa direkt bewegend auf die Wirbel einwirkte. Vielmehr wird die Wirkung eine indirekte sein, sich auf die Bewegung von Spinalis und Multifidus erstrecken; wenigstens möchte das für die submedianen Intervertebrales gelten. Den medianen Intervertebrales indessen wage ich überhaupt nicht eine lokomotorische Bedeutung zuzu- schreiben ; ihnen mag in bedeutendem Maße in Gemeinschaft mit ihren submedianen Nachbarn die Aufgabe zufallen, schützende Räume für Nerven etc. zu schaffen. Im Allgemeinen wird die Bedeutung der Intervertebrales sich auf die wechselnde Festigkeit der Verbindung zwi- schen Wirbeln und auf die Gelenkverbindungen der letzteren beziehen. Mediale dorsale Halsmuskulätur. Die mediale dorsale Muskulatur der Halsregion ist bei den Amphis- baeniden in einer so merkwürdigen Weise ausgebildet, dass es mir in der That unmöglich geworden ist, auch nur mit einiger Sicherheit die hier in Frage kommenden Muskeln mit solchen anderer Reptilien zu homologisiren. Wie sehr ich mich diesbezüglich auch gemüht habe, so hat mir weder die vergleichende Präparation von Lacerta, Anguis, Tropidonotus dabei genützt, noch bin ich durch Verfolgung der ein- schläglichen Litteratur, in welcher noch dazu eine fast unübersehbare Verschiedenheit der Bezeichnungsweise das Studium erschwert, zu irgend einem entscheidenden Resultat gekommen. Daher sind die Namen, welche ich den gleich zu besprechenden medialen Halsmuskeln beilege, nur aus ganz allgemeinen Anklängen, die bei der vergleichen- den Betrachtung der Halsmuskeln anderer Wirbelthiere entgegentraten, hergeleitet. Und ich verwahre mich durchaus davor, in diesen, der üblichsten Nomenclatur der Halsmuskeln entnommenen Bezeichnungen irgend welche Homologien mit gleichnamigen Muskeln anderer Verte- | braten zum Ausdruck gebracht zu haben. Ich unterlasse es desshalb Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 165 auch, auf irgend welche Citate der bezüglichen Litteratur einzugehen, — Was nach dieser Richtung an morphologischem Verständnis zur Zeit mangelhaft ist, scheint mir physiologisch in so fern ersetzt, als ganz allgemein die merkwürdige Ausbildung der Halsmuskulatur der Doppel- schleichen als das Produkt der Anpassung an eine höchst eigenthüm- liche, wühlende Lebensweise der Thiere erscheinen dürfte, wie die Einzelbetrachtung der Verhältnisse ergeben wird: Splenius (Spl, Fig. 3, 4, 6). Amphisbaena fuliginosa. Ein starker in der Halsgegend paarig entwickelter Muskel, welcher sich auf jedem Antimer vom Semispinalis abspaltet. Und zwar fand ich ihn bei einem Exemplar von Amphisbaena fuliginosa vom 14. Wirbel, bei einem anderen vom 12. Wirbel an nach vorn sich erstrecken. Er führt in typischer Weise das Bild eines Fiedermuskels vor, indem seine Fasern von zwei Seiten her an eine mediane Sehne treten, welche auf der dorsalen Schädeloberfläche mit einem deutlichen Sehnenbogen an der Schädelcrista ansetzt. Die den Muskel zusammensetzenden Fasern nehmen von zwei Orten am Semispinalis Ursprung: die äußeren be- ginnen am Ursprunge des Semispinalis mit diesem zusammen, schwin- gen sich aus der Tiefe über denselben empor, um in der Richtung nach vorn und medianwärts an der erwähnten Sehne zu inseriren. Das Lager der inneren Fasern dieses Muskels entspringt nicht so tief als das der äußeren, sondern neben der Medianen des Rückens auf der Fascie des Semispinalis; und zwar sah ich besonders die Sehnen des letzteren für die Abgabe der inneren Spleniusfasern geneigt. Die Richtung dieser inneren Fasern ist nach vorn und außen, so dass beide Faser- systeme nach der gemeinsamen Sehne hin unter einem spitzen Winkel konvergiren. Die vordersten Fasern vereinigen sich in der gemein- samen Sehne an der hinteren Schädelgrenze. Anops Kingü. Der Muskel ist über die ersten 47 Wirbel am untersuchten Exem- plar ausgedehnt. Sonst wie Amphisbaena fuliginosa. Blanus cinereus. Die Erstreckung des Splenius an dem untersuchten Exemplar konnte ich vom 15. Wirbel nach vorn konstatiren. Im Bau wich der Muskel von demjenigen der Amphisbaena fuliginosa in so fern ab, als die inneren Fasern so ungleich viel mächtiger den äußeren gegenüber 166 Car! Smalian, entwickelt waren, dass sie fast ausschließlich den Muskel ausmachten. Außerdem entstanden die äußeren Fasern nicht schon vom 15., sondern etwa vom 6. oder 5. Wirbel an, die hinteren derselben von der Fascie des Semispinalis, die vorderen von den Seiten der Wirbel. Trogonophis Wiegmanni. Erstreckung vom 49. Wirbel an, sonst wie gewöhnlich gebaut. Die ganze Anlage des Muskels deutet darauf, dass seine Thätigkeit sich kaum in Bewegung der Halswirbelsäule äußern kann, da sein Ursprung ihn ja gänzlich von zu bewegenden Wirbeln abschließt. Seine Funktion wird vielmehr die sein, durch Kontraktion den Kopf von oben her fest und straff an die Keha zu ziehen zur Erzielung der nöthigen Energie bei der Beschäftigung des Wühlens. Complexus (Cpl, Fig. 4, 5). Amphisbaena fuliginosa, Anops Kingii, Blanus cinereus. Während der eben betrachtete Muskel sich über das dorsale Niveau der Rückenmuskulatur erhob, haben wir in dem hier als Complexus angeführten Muskel die direkte Fortsetzung der Rückenmuskeln nach vorn vor uns, indem derselbe dort beginnt, wo die letzteren aufhören : Zwar spalten sich seine hinteren Fasern von dem Semispinalis am dritten Wirbel ab; allein die Masse des Bündels entspringt median auf der Fläche des zweiten Wirbels. Der Muskel wendet sich schräg nach außen und vorn und heltet sich am ganzen hinteren Rande des Occipi- tale basilare fest. Bei Trogonophis Wiegmanni empfängt der Gomplexus Fasern vom Semispinalis an den ersten fünf Wirbeln. Wirken beide Theile des Muskelpaares, so werden sie die Splenü darin unterstützen, eine hohe Festigkeit zwischen Schädel und Wirbel- säule beim Wühlen hervorzubringen. Tritt nur ein Gomplexus in Aktion, so wird er den Schädel nach seiner Seite ziehen ; und hierin wird ein nicht unbedeutendes Moment der Wühlbewegung des Kopfes zu suchen sein, sobald die beiden Muskeln jeder Seite in schneller Folge bezüglich der Kontraktion und Relaxation mit einander alter- niren. Reetus capitis posticus (Rcap, Fig. &). Bei allen vier betrachteten Formen gleichartig ausgebildet. Zwischen den Gomplexi liegt unter den Splenii verborgen dem TE EERREDITEIEE N ET a a u u le SF. 8 Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 167 Ligamentum nuchae ein minimales Muskelchen paarig auf. Die sehr geringe Größe lässt ihn leicht übersehen. Bei Trogonophis ist er am kleinsien. Jeder Theil entspringt mit deutlicher Sehne am vorderen Ende derjenigen dorsalen Erhebung des zweiten Wirbels, welche man mit der des ersten Wirbels als Spina nehmen kann. Die Insertion erfolgt sehnig an der Schädelerista. Die Funktion kann wohl nur im Sinne der Fixation des Schädels an die ersten Halswirbel resp. in der Umkehrung bestehen. Laterale Rückenmuskeln. Intertransversarii (It, Fig. 8 und 16) (der Autoren). Für alle vier Formen geltend. Kurze Muskelbündel von sehr geringer Breite und longitudinalem Verlauf, welche sich zwischen je zwei auf einander folgenden Querfort- sätzen ausspannen. Sie werden medianwärts von dem Longissimus, lateralwärts von dem Sacrolumbalis begrenzt. Sie finden ihre größte Entwicklung in der Halsregion. Das stärkste Bündel ist das zwischen den Querlfortsätzen des ersten und zweiten Wirbels sich ausdehnende; nach hinten nimmt die Ausbildung dieser Portionen ziemlich schnell ab, so dass schon vom siebenten bis achten Wirbel an ihre Sonderung von den Fasern des Sacrolumbalis fast unmöglich wird. In der Rumpfregion konnte ich keine Intertransversarii mehr konstativren. — Dieser Befund stellt sich demjenigen Heusınger’s bei Pseudopus an die Seite, indem nach dem genannten Forscher bei diesem Thier der Rumpftheil der Wirbelsäule ebenfalls der Intertransversarii ledig ist. — Beim Vordringen in die Tiefe zeigen sich im Niveau der ventralen Wirbeloberfläche schärfer abgesonderte Bündel (Jt Fig. 16), welche nach ihrer Lage zu den Seiten der Wirbel eben sowohl der epaxonischen wie der hypaxo- nischen Muskulatur beigezählt werden können. Sacrolumbalis seu Ileocostalis (Ilc, Fig. 1, 2, 5, 6, 7, 8, 9). MECkEL, Nr. 44, p.436 (Ophidier). p. 142, $ 76 (Amphisbaena). — CuviEr, p. 299, 30, «Le sacro-lombaire« (Serpents). — HEUSINGER, Nr. 5, p. 492 (Pseudopus). p. 497 (Anguis). »Sacrolumbalis.« — p’ArLton, Nr. 35 8, p. 439 (Python). »Der untere, äußere Bauch des zweibäuchigen Rückwärtsziehers der Rippen.« — SALLE, (Tropidonotus). Mit gleichem Namen. — Srtannıus, p. 102 (Sauria kionokrania). - »M. ileocostalis.« p. 106 (Ophidia). »M. costalis.« — OWEN, p. 225 (Reptiles). » Sacro- lumbalis.« — Humpury, p. 303 (On the disposition ete.). »Sacrolumbalis.« — SAN- DERS, p. 303 (Myolog. of Platyd. Jap.). »Sacrolumbalis.« Bei allen betrachteten Formen in Übereinstimmung. 168 Carl Smalian, Das Stratum , welches mir nach Vergleichung der von den citirten Autoren behandelten Rückenmuskulatur anderer Reptilien als Sacro- lumbalis seu lleocostalis entgegentritt, ist nach dem Semispinalis von allen Lagen der Rückenmuskulatur am mächtigsten entwickelt. Das Lager erscheint, sobald der Vertebro-cutaneus dorsalis und der Semispi- nalis von ihrem vertebralen Ursprung an entfernt sind. Dann bietet es sich in Form eines die Seiten der gesammten Rückenmuscularis begren- zenden Streifens dar, welcher in eine der Zahl der Wirbel gleiche Anzahl von Bündeln zerfallen ist, deren jedes von einer besonderen, aponeurotischen Scheide eingeschlossen wird. Auf der dorsalen Höhe der Scheide macht sich überall deutlich eine starke, sehnige Verdickung bemerkbar, welche in ihrer Richtung diejenige jedes Gesammtbündels bestimmt. Diese Sehne beginnt von der Artikulationsstelle der Rippe am Wirbel und zieht schräg von oben vorn nach unten hinten, kurz vor der Mitte der nach hinten folgenden, dritten Rippe zu inseriren, dort, wo die Insertionssehne des später zu behandelnden Obliquus ab- dominis externus ansetzt. Diese Sehne dient allen, den Sacrolumbalis- bündeln angehörenden Fasern innerhalb der bindegewebigen Muskel- scheide als Ansatzstelle. Diese Sehne, welche an der Oberfläche als eine geschwungene Linie erscheint, ist als ein senkrecht in die Tiefe bis zum Niveau der Rippen steigendes Septum verfolgbar ; sie theilt jedes Sacrolumbalisbündel der Länge nach in eine vordere und eine hintere Hälfte. An dasselbe treten von drei, jedem Bün- del zugehörigen Rippen innerhalb der Scheide die Muskelfasern. Die oberflächlich inserirenden müssen dabei natürlich von unten auf- steigen, während die tiefer und tiefer ansetzenden weniger und weniger sich über das Niveau der Rippen erheben, so dass sie unmittelbar zu den später zu betrachtenden Intercostales überführen. Alle Fasern zeigen das Bestreben, sich in die Längsrichtung der Wirbelsäule zu stellen, und je nach dem Grade des durch ihren costalen Ursprung und ihre höhere oder tiefere Insertion an der medianen Sehne bedingten Anstieges er- reichen sie die angestrebte Longitudinalrichtung mehr oder minder. Die einzelnen Portionen des Sacrolumbalis erscheinen somit als typische Fiedermuskeln. — Das vorderste Bündel des Ileocostalis entspringt mit seiner medianen Sehne am (Querfortsatz des zweiten Halswirbels, um typisch zu verlaufen. Die hinterste Portion endet in normaler Ausbil- dung in der Höhe des Beckenrudimentes an der letzten Rippe sehr zu- gespitzt und stark dorsal verschoben. Diese caudalwärts gelegene Endigung wird sich aus dem Mangel des Os ileum, welches bei den Sauriern sonst der am meisten caudalwärts gelegenen Sehne des lleo- costalis Ursprung und dem Stratum den Namen giebt, verstehen lassen. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 169 Denn das Beckenrudiment der Amphisbaeniden ist nach FÜRrBRINGER kein Os ileum, sondern ein lleopectineum, dessen »Schwerpunkt der Ent- wicklung an der Bauchseite liegt«. Fehlt demnach auch bei den Doppel- schleichen der eine der Punkte, dem das Stratum seine bei der Mehrzahl der Reptilien und überhaupt der höheren Wirbelthiere charakteristische Benennung verdankt, so glaube ich dennoch aus dem dargelegien topographischen Befunde und der Ausbildung des Stratums dasselbe als Sacrolumbalis seu lleocostalis der Amphisbaeniden führen zu dürfen. Der physiologische Werth dieses Stratums wird in erster Linie in einer Vorwärts- und Aufwärtsbewegung der Rippen, sekundär und untergeordnet in einer nicht zu bedeutenden gegenseitigen Bewegung der Wirbel seinen Ausdruck finden. Der Muskel übernimmt also mit die Funktion der Levatores costarum der kionokranen Saurier und der Ophidier, deren gesonderte Ausbil- dung ich in keinem Falle bei den untersuchten Thieren zu konstatiren vermag. Cervicalis-(Cerv, Fig. 5, 20, 21). FÜRBRINGER, (Die Knochen und Muskeln etc. p. 76). »Cervicalis. « Amphisbaena fuliginosa. Ein bezüglich seines Baues sehr eigenartiger, den Amphisbaenen eigenthümlicher Muskel. Er stellt eine flache, nicht erheblich dicke, aber kräftige Muskelplatte dar, welche sich zwischen dem hinteren Schädelrande und der Halswirbelsäule bis zu der Stelle ausspannt, wo die letzten Fasern des Splenius entspringen, so dass die Längserstreckung dieses Muskels mit der des Splenius bei Amphisbaena zusammenfällt: Bei dem Exemplar , wo die letzten Spleniusfasern in der Höhe des 44. Wirbels entstanden, reichte auch der Cervicalis bis zum 14. Wirbel; da, wo der Splenius vom 42. Wirbel entsprang, war auch der Cervicalis bis hierher verfolgbar. — Der Ursprung der Cervicalisfasern wird erst ‚sichtbar, wenn die Halswirbelsäule ihrer sämmtlichen medialen Rücken- muskeln entkleidet ist: Dann findet man an der Ursprungsstelle des lleocostalis und an dem ganzen Seitenrande der Wirbel die Fasern ent- stehen und sich schräg nach außen, vorwärts und kaum merklich ab- wärts, kaum von der Horizontalen abweichend, zum Hinterhaupt ‚wenden. Sie entspringen bei den untersuchten Exemplaren an allen vom 14. resp. 12. bis zum ersten Wirbel. Ihre Insertion erfolgt an dem ganzen hinteren Rande der Occipitalia basilaria. Allein das Stratum ist ' in seiner Erstreckung sehr merk würdig unterbrochen. Vom ersten Wirbel 170 Carl Smalian, an bemerkt man nämlich eine leicht $-förmig geschwungene, sehnig er- scheinende Linie derart über die Muskelplatte sich hinziehen, dass die Konvexität des oberen Zweiges der Figur nach der Außenseite, die des unteren nach der Medianen gewendet ist. Diese Linie ist der Ausdruck eines sehnigen, zur Transversalebene des Thieres das Stratum senkrecht durchsetzenden Septums. Im Übrigen erscheint trotz dieses Septums das gesammite Lager einheitlich, indem die oben beschriebene Richtung der Fasern durch das Septum in keiner Weise gestört wird. Bei Anops, Blanus, Trogonophis ist der Gervicalis genau so gebaut wie bei Amphisbaena fuliginosa ; nur ist seine Ausdehnung bei den drei Thieren wechselnd: bei Anops liegt er den 12 ersten Wirbeln auf, bei Blanus entspringen seine hin- tersten Fasern am A1., bei Trogonophis am 12. Halswirbel. Die enorm starke Ausbildung eines solchen, den Amphisbaenen durchaus eigenthümlichen Muskels kann meines Erachtens nur aus seiner physiologischen Bedeutung verständlich erscheinen. Der Muskel wird aller Wahrscheinlichkeit nach einen hohen Werth für die Wühlbe- wegung besitzen : Kontraktion beider Theile des Mukelpaares wird den größten Theil der Festigkeit herstellen, den der Kopf mit der Wirbel- säule besitzen muss, um mit Energie von dem sich vorwärts bewegen- den Körper gegen das aufzuwühlende Erdreich gestemmt zu werden. Ist Letzteres geschehen, so wird nach eingetretener Relaxation neue Kontraktion nur eines der paarigen Muskeln Konvexität der Halswirbel- säule nach der Seite des wirkenden Muskels, Konkavität nach der ent- gegengesetzten bedingen. Diese Bewegung, gestärkt durch die Thätig- keit der medialen und lateralen Rückenmuskulatur, erscheint mir aber als die bohrende, wühlende, mit der das Thier sich seinen subterranen Weg bahnt. FÜRBRINGER’S allerdings nicht völlig überzeugenden Abbildungen und seine Beschreibung lassen mich erkennen, dass ich es in diesem Muskel mit seinem »Cervicalis« zu thun habe. Und desshalb übernehme ich die von jenem Autor eingeführte, übrigens ziemlich indifferente Be- zeichnung für den in Rede stehenden Muskel. Allein eine Homologisirung mit Muskeln anderer Saurier wage ich nach vielfacher Überlegung nicht. Wenn Fürsrınger ! diesen Muskel dem Serratus anticus major RArake’s? gleich setzt, so scheint mir indessen hierin ein Irrthum vorzuliegen. 1 FÜRBRINGER, »Die Knochen und Muskeln etc.« p. 76. Anmerkung 21. 2 RATHKE, 0. C. p. 2. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 171 Denn die Richtung der Fasern des Cervicalis ist nach FÜRBRINGER’S eigener Angabe »von oben und hinten nach unten und vorn«, und Raruke’s Serrati antici majores gehen »von den beiden Knochenstücken « (seil. Schulterrudimente) »nach hinten und unten zu einigen von den vorderen Rippen«. Ich glaube in Raruke’s Serrati antici majores viel- mehr den »an der ganzen hinteren Seite der Sternalaponeurose« enden- den Rectus abdominis FÜRBRINGER’S erkennen zu dürfen. 2. Laterale Stammmuskeln. Die Anordnung der Muskeln, welche die Rippen auf ihrer Außen- seite decken, schließt sich so eng an das Verhalten der Schlangen an, dass die bezüglichen Angaben von Srannıus fast unmittelbar auf die Amphisbaeniden übertragbar sind. Obliquus abdominis externus (Oae, Fig. 8, 9, 11, 12, Oae,, Oae,, Oae,,, Fig. 7). (O. a. e. der Autoren.) Amphisbaena fuliginosa. Die als Obl. abd. ext. zu betrachtenden Muskeln bestehen aus drei vom Rücken nach dem Bauch zu einander folgenden Lagen, welche von der Insertion des lleocostalis an den Rippen beginnen. Die Richtung der Fasern aller drei ist von vorn oben nach hinten unten. Die erste Lage beginnt von der Insertionsstelle des lleocostalis, also kurz über der Mitte der Rippen. Jedes Bündel nimmt von jeder der nach hinten fol- genden nächsten sieben Rippen ein Bündelchen, diese Bündelchen ent- springen von vorn nach hinten gerechnet der Reihe nach immer weiter ventralwärts von den Rippen, so dass das Gesammtbündel das Ansehen eines gesägten Muskels aufweist und also acht Rippen mit einander ver- bindet. Die Portionen dieser ersten Lage sind derart angeordnet, dass die hinteren die vorderen decken, so dass die Gesammtansicht eines Bündels erst nach Entfernung der nach hinten folgenden Portionen kenntlich wird (Oae, Fig. 7). — Da, wo die am weitesten ventral ge- legenen Faserkomplexe der Bündel der eben betrachteten Schicht ent- springen (also etwa 3/, Rippenlänge vom vertebralen Rippenende entfernt) schließt sich die zweite Schicht des Obligq. ext. an (Oae,, Fig. 7). Ihre Portionen zeigen ebenfalls das Ansehen eines Serratus; doch kom- "plicirt sich ihr Verhalten in so fern, als jede derselben gegabelt erscheint, so dass sie von der dorsalen und von der ventralen Seite der Rippen Fasernkomplexe von den hinter ihrem sehnigen Ansatz gelegenen . nächsten vier Rippen empfängt und damit eine Längenausdehnung 172 Carl Smalian, zwischen fünf Rippen erreicht. Jede isolirte Portion ist demnach vorn zugespitzt, hinten breit und parallel der Richtung ihrer Fasern in ihrer Mitte ausgeschlitzt. Die Gesammtheit des Lagers weist daher eine Zeichnung von in einander geschobenen spitzen Winkeln auf, deren Schenkel einander parallel laufen ; das sind die Konturen des medianen Ausschnittes jedes Bündels. Diese zweite Lage ist gegen die erste sehr deutlich abgehoben ; eine in 3/, Rippenlänge vom vertebralen Rippenende entfernte, auf der Länge des Bauches hinziehende und ohne weitere Präparation sichtbare Linie giebt sich als Grenze zu erkennen. Der zweiten Lage schließt sich eine dritte an, am meisten ventral- wärts liegend , mit der vorigen darin übereinstimmend, dass sie ein System von gegabelten, mit ihren vorderen Spitzen in einander ge- schachtelten Bündeln vorstellt (Oae,,, Fig. 7). Aber die Bündel sind bei Weitem kürzer als die der beiden anderen Lagen; sie verspannen nur eine Rippe mit der nächstnächsten und empfangen von der zwischen beiden liegenden keinen Zuwachs an Fasern, so dass von dem Bilde eines gesägten Muskels hier nicht mehr die Rede ist. Die Richtung der Fasern dieser dritten Lage ist eine der Körperlängsachse fast parallele. Eine ohne jede Präparation erkennbare Grenze zwischen dem zweiten und dritten Lager ist nicht vorhanden. Anops Kingü,. In Bau und Anordnung der drei Schichten des O. a. e. zeigt Anops wieder den vollkommenen Anschluss an Amphisbaena fuliginosa. Blanus cinereus. Der Muskel verhält sich bei Weitem einfacher, indem er nur zwei, auf der Außenfläche der Rippen liegende, von der Rückenseite nach dem Bauche zu einander folgende Lagen erkennen lässt. Die Richtung der Fasern ist wie bei Amph. ful. Auch darin liegt eine Übereinstimmung mit Amph. ful. vor, dass das mehr dorsale Lager vom Ansatz des lleo- costalis an den Rippen bis zu einem Punkte reicht, der vom dorsalen Rippenende um 3/, Rippenlänge entfernt liegt, und dass diesem Lager das zweite sich ventralwärts unmittelbar anschließt. Ferner entspricht die Längserstreckung der Bündel des ersten und zweiten Lagers völlig derjenigen bei Amph. ful. Doch stellt sich in so fern größere Einfachheit ein, als die Bündel beider Straten keine Serrati sind; auch zeigen die Portionen des zweiten Lagers nicht jene Zeichnung in einander gescho- bener spitzer Winkel wie bei Amph. ful ; vielmehr sind die Bündel beider Lagen glatte, einfache Faserzüge, welche eine vordere Rippe mit der nach hinten folgenden achten resp. fünften verspannen, ‚“ nn ee EEE Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 173 ‚ unterwegs von keiner der zwischenliegenden aber Zuwachs an Fasern erhalten. | Trogonophis Wiegmanntı. Wie schon verschiedentlich nähere Beziehungen zwischen den anatomischen Verhältnissen der beiden Amphisbaeniden der alten Welt sich erwiesen haben, so stellen sich Blanus und Trogonophis auch hin- sichtlich des O. a. e. einerseits nahe zu einander, als andererseits der Bau des Stratums die beiden amerikanischen Formen in engeren Connex brachte. — Wie bei Blanus sind auch bei Trogonophis nur zwei Schichten des O. a. e. und zwar von nicht gesägtem, sondern einfachen Bau zu konstatiren. Die Bündel der ersten Schicht reichen bis 3/, Rippen- | länge ventralwärts; jedes derselben überspannt sechs Intercostalräume (und in diesen Zahlenverhältnissen liegt der Unterschied zwischen ‘Trogonophis und Blanus) , verbindet also eine Rippe mit der siebenten | der dahinter folgenden. Die zweite Schicht ist sehr schmal, bedeckt vom ventralen Ende der ersten an nicht ganz !/,; Rippenlänge; jedes Bündel derselben verbindet eine Rippe mit der vierten der nachfolgen- den, überspannt demnach drei Intercostalräume. In der Beckenregion verwischt sich bei sämmtlichen vier unter- ' suchten Thieren die deutliche Ausbildung der einzelnen Lagen des Obliquus externus. Ein allmähliches Verschmelzen der Fasern mit denen des Gosto-cutaneus lateralis führt zur Bildung der oberflächlichen lateralen Schwanzmuskulatur. Kopfwärts ist der Obliquus externus so weit ausgebildet, als Rippen vorhanden sind. Da alle Bündel des Obliqu. abd. ext. an ihrem vorderen Ende stark sehnig an den Rippen ansetzen, während die sie zusammensetzenden Fasern an den Rippen fast unmittelbar fleischig entspringen, da also der kontraktile Theil der Bündel nach hinten zu liegt, so wird sich die ' Thätigkeit dieser Muskellagen im Wesentlichen in Vorwärtsbewegung der Rippen äußern. | Die eben behandelten, auf der Außenfläche der Rippen liegenden ‚ Seitenrumpfmuskeln müssen nach Ganow ! als die zweite, innere Schicht ‚des Obliquus abdominis externus der Saurier, besonders der Lacertinen, ‚ aufgefasst werden. Für diese Beurtheilung spricht ihre Lagerung inner- | halb des mit der Haut verwachsenen Rectus. Mit Gapow ist die für diese Muskeln von ScHnEiDEr gegebene Bezeichnung als Obliquus internus ‚zu verwerfen,, da ein Obliquus internus auf der Innenseite der Rippen lagern müsste. Man kann sich in dieser Beziehung ScHhnEIDEr um so I j | | | 1 0. c.p. 63 und 85—37. 174 Carl Smalian, weniger anschließen, als in seinen Angaben mir ein offenbarer Wider- spruch vorzuliegen scheint, wenn er auf p. 130 o. c. den Obliquus externus bei den Amphisbaenen, Pseudopus und Anguis in »platte Bündel zerfallen« lässt, während er auf p. 431 sagt: »Einen Obliquus externus kann ich bei Amphisbaena nicht finden, es ist dies eine Eigen- schaft, welche sie mit den Schlangen gemein haben.« Intercostales (Ic, Fig. 7). Intercostales der Autoren. Die Intercostales zeigen bei den vier betrachteten Thieren das typi- sche Verhalten der übrigen Saurier. Unmittelbar neben der Wirbelsäule ist der Faserverlauf parallel der Körperlängsachse; je weiter ventral- wärts, um so mehr geht die Richtung über in schief von oben hinten nach unten vorn. In ?/, der Länge der knöchernen Rippenstücke vom vertebralen Ende entfernt ist diese Richtung verloren gegangen; die Intercostales sind abgelöst von geraden Bündeln, welche ziemlich scharf sich gegen jene gesondert haben : wir haben es mit dem inneren Theile des Rectus zu thun, welcher die distalen Rippenenden verspannt und der bereits bei der Hautmuskulatur seine Besprechung gefunden hat. Die Intercostales werden die Rippen einander nähern. Die betrachteten Fasern bilden die Intercostales externi in GADow’s Sinne gegenüber den Intercostales interni, welche der hypaxonischen Muskulatur angehören und daher dort ihre Erledigung finden werden. ‚6. Muskeln des Kopfes. Folgt man der nach physiologischen Prineipien von E. von Teur- LEBEN (Archiv für Naturgeschichte 187% p. 78 etc.) durchgeführten Ein- theilung der Kaumuskeln, so haben wir, wie überhaupt bei den Wirbel- thieren, so auch hei den Amphisbaeniden Herabzieher und Anzieher des Unterkiefers zu scheiden. Die erstere Abtheilung wird vom sogenannten Digastricus, die zweite vom Masseter, Temporalis und Pterygoideus ge- bildet. — Wie bei den Amphisbaenen der Schädel eine außerordentliche Kompaktheit aufweist, so dass v. BeprıacA mit Recht auf Analogien mit den Amphibien- und Säugerschädeln verweisen kann (o. c.p. 43), so spricht sich eine dieser Massigkeit korrespondirende Zusammenziehung der Kaumuskulatur in sehr hohem Grade aus. Amphisbaena ful., Anops Kingii und Trogonophis verhalten sich bezüglich der Kopfmuskeln völlig gleich. Die geringen Abweichungen bei Blanus sind an den bezüglichen Stellen zu erwähnen. | | l Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 175 Temporo-pterygoideus (Tpt, Fig. 3, 4, 5, 8). Die Spaltung der dorsalen Kopfhaut führt auf eine enorm grobe Muskelmasse, die gleich einem von glänzender Sehnenhaut überzogenen Polster die ganze Occipital- und Parietalregion bis zu den Augen hin zu jeder Seite der Schädelerista deckt. Öffnet man die Sehnenhaut dieses Muskels, so sieht man die Fasern von der Medianen her aus der Tiefe aufwärts steigen, sich krümmen und lateralwärts wenden, um außen wieder abwärts zu steigen. Ein querer Schnitt durch einen der paarigen Muskeln lässt ein sehr merkwürdiges Verhalten konstatiren : die Schnitt- fläche wird in ihrer Mitte quer von einer starken sehnigen Linie (Fig. 3) durchsetzt, an welche von der Schädeloberfläche Muskelfasern treten, während andere auf ihrer Oberfläche entspringen und den angegebenen Verlauf einschlagen. Wird ein Theil der auf dieser Linie entspringen- den Fasern weggeräumt, so erscheint eine sehr starke, sehnige, glänzende Fascie, die sich auf der Schnittfläche eben als Linie ausdrückte. Diese Fascie durchsetzt die ganze Muskelmasse parallel ihrer Oberfläche, nach hinten bis zum Occipitalrande gehend, seitwärts stark verdickt sich an den Kronfortsatz des Unterkiefers heftend. Die Fasern, welche von der Schädeloberfläche an die Fascie herauf treten, sind weit in die Tiefe zwischen Unterkiefer und Pierygoideum zu verfolgen, und zwar ist hier keinerlei Differenzirung der tiefsten Schichten in einen besonderen Muskel ausgebildet. Das Ganze macht mir den Eindruck der Verschmel- zung des Temporalis mit dem Pterygoideus. Die enorme Ausbildung dieser kompakten Muskelmasse lässt auf eine bedeutende Kraftentwicklung schließen; allein dieser erhebliche Kraftaufwand wird unmöglich allein dem Kauen gelten. Unverstanden bleibt mir, was die Kontraktion der unmittelbar an der Medianen des Schädels entspringenden und an jene geschilderte Fascie gehenden Fasern soll. Warum ist die Kaumuskulatur der Lacertinen nicht ganz analog ausgebildet, die doch auf sehr ähnliche Nahrung angewiesen sind? Gewinnt dieses ganze Verhalten bei den Doppelschleichen nicht etwa die Bedeutung, dass wir in der großen, kompakten Muskelmasse ein elastisches Polster zu sehen haben, welches, indem es den Kopf nach hinten hin verdickt und seine Form daher der des Kegels nähert, denselben zum Wühlen im hohem Maße geschickt macht? Masseter (M, Fig. 8, 9). Unmittelbar nach außen von diesem Muskel und zwar entlang der vorderen Hälfte seines lateralen Randes trifft man auf einen spindel- förmigen Muskel, der mit seinem spitzen, sehnigen Hinterende an der 176 Carl Smalian, unteren, hinteren Ecke des Quadratums entspringt. Er wendet sich von hier aufwärts und vorwärts, nach vorn breiter werdend, um hinter der Submaxillardrüse am Kronfortsatz des Unterkiefers mit verbreiter- ter Sehne zu inseriren. Löst man den Muskel von seiner Insertion und zieht ihn rückwärts, so trifft man auf eine, von ihm bedeckte und daher in seiner Richtung liegende Knorpelspange (Fig. 10), die nach hinten etwas gekrümmt bis unter die hintere Ecke des Quadratums reicht. Ich möchte diese Spange als ein rudimentäres Jugale ansehen, und dann erscheint der dasselbe deckende Muskel in der That als Masseter. Dazu passt auch ganz das Verhalten von Blanus cinereus, bei dem dieser Muskel absolut nicht aufgefunden werden konnte. Und das fällt mit dem Mangel jener Knorpelspange bei Blanus zusammen, so dass ich die Angabe v. Benrraca’s bestätigen kann, es fehle bei Blanus das Jugale. Depressor maxillae seu Digastrieus (Dm, Fig. 8, 9, 20, 21, 22). Ein schmaler, spindeliger Muskel, der unmittelbar hinter dem Quadratum am unteren Rande des Basioccipitale sehnig entspringt, ab- wärts am Unterkiefer !/, der Länge desselben entlang geht, um hier, nachdem er sich um den unteren Rand desselben geschlagen, an dem- selben inwärls gewendet zu inseriren. Blanus cinereus verhält sich fast eben so; doch sah ich unmittelbar vor dem eben ge- schilderten Muskel ein zweites, nur sehr schwer zu sonderndes und er- kennbares Bündelchen von gleichem Verlauf (Fig. 21 und 22). &. Muskeln der Extremitäten. FÜRBRINGER’S oft citirte Arbeit behandelt die Extremitätenmuskeln von Amphisbaena fuliginosa. Ich erlaube mir nur einige Bemerkungen, welche sich auf gefundene Abweichungen bei dem nämlichen Thier und auf Blanus beziehen. Ich übernehme Fürsrınger’s Bezeichnungen und behandle die einzelnen Muskeln in der von ihm gegebenen Reihenfolge. | Muskeln des Brustschultergürtels. Die Rudimente der Vorderextremität mit der sich daran schließen- den Sternalaponeurose liegen bei den untersuchten Exemplaren von Tr Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. AT Amphisbaena fuliginosa und bei Blanus in der Höhe des zweiten Wirbels. M. cervicalis. Siehe das unter »Cervicalis« Gesagte. Ich halte dafür, diesen Muskel in keine Beziehung zur Vorderextremität zu setzen, da er nach FÜRBRINGERS eigener Angabe »mit dem das Suprascapulare repräsen- tirenden Bindegewebe in ganz loser Verbindung steht«. M. sternocleidomastoideus (Siclm, Fig. 6, 8, 20). Weder die Abbildungen noch die Beschreibungen dieses Muskels bei Fürsrınger liefern ein vollkommenes Bild des Muskels. FürsrinGer scheidet einen Sternocleidomastoideus sublimis mit nahezu longitudi- nalem Verlauf von einem profundus mit sehr schrägem Verlauf. Viel iwreffender und völlig erschöpfend hat Rartukr (o. c. p. 2) den Muskel bereits geschildert, indem er auf die fächerförmige Ausbreitung der vom Hinterhaupt kommenden Fasern hinweist, von denen nur der ge- ringere Theil an das Rudiment des Schultergürtels, die meisten an die Haut geheftet sind. Ich möchte noch hinzufügen, dass der größere, an die Haut gehende Theil der Fasern in seiner Mitte eine deutliche Thei- lung erkennen lässt. Die drei übrigen untersuchten Doppelschleichen verhalten sich wie Amphisbaena fuliginosa. Obliquus abdominis externus sublimis (FÜRBRINGER). FÜRBRINGER meint damit den Muskel, der von mir als innerer Theil des Obl. abd. ext. (Ganow) bei der lateralen Stammmuskulatur be- handelt ist, worüber dort einzusehen. Er hat mit dem Schultergürtel- rudiment gar nichts zu thun, als dass seine vordersten Bündel dorsal vom Scapularrudiment hinziehen ; er ist gar kein Extremitätenmuskel. Obliquus abdominis externus profundus (FÜRBRINGER). Weder die Beschreibung noch die Abbildungen Fürsringer’s (die Figurenerklärung [p. 132] führt den Muskel unter Nr. k, während die Zeichnung diese Nummer gar nicht enthält) lassen erkennen, was ge- meint ist. Vermuthlich hat der Autor an den dorsalen Theil jener Fasern gedacht, welche zwischen den ersten Rippen und dem Schulter- gürtelrudiment gespannt liegen (Ri, Fig. 8, 9, 10, 19, 20, 24). Allein, obwohl von diesen leizigenannten Fasern ein dorsaler Theil von einem ventralen gesondert werden kann, so bin ich doch nicht geneigt, den- selben als einen besonderen Muskel aufzufassen. Vielmehr möchte ich ‚ihn zu jener vorderen Fortsetzung des Rectus internus stellen, welche Zeitschrift f.wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 49 178. Carl Smalian, die vordersten Rippen mit dem Rudiment des Schultergürtels verbindet. Dazu führen mich der von der Längsrichtung kaum abweichende Ver- lauf, der gleiche Ursprung der dorsalen und ventralen Partie an den Rippen und die in einander übergehenden Insertionen beider, Beide zusammen bilden mir, wie gesagt, die vordere Fortsetzung des Rectus internus. Bei allen vier Formen gleich. Bectus abdominis (FÜRBRINGER). Cf. das oben Gesagte. Sterno-hyoideus (FÜRBRINGER). Wird bei der Zungenbeinmuskulatur behandelt. Levator scapulae (Lesc, Fig. 6, 8, 9). FÜRBRINGER lässt diesen Muskel bei Amphisbaena fuliginosa zum Querfortsatz des zweiten Halswirbels gehen. Ich konnte dasselbe bei einem Exemplar von Amphisbaena fuliginosa bestätigen; an einem an- deren Thier derselben Art und an Anops, Trogonophis und Blanus ging er zum Querfortsatz des ersten Wirbels. Muskeln des Beckengürtels. FÜRBRINGER’S Nr. 4 (Obliquus abd. ext. subl.), Nr. @ (Transversus abdominis), Nr. 3 (Sphincter eloacae) sind keine Extremitätenmuskeln. Ischio-coceygeus (FürzrınGeR) (Isc, Fig. 13, 14, 15). FÜRBRINGER’S Nr. k, Ischio-coccygeus habe ich in keinem Falle der Beschreibung des Autors gemäß erkennen können. Er soll vom Dorn- fortsatz des ersten Schwanzwirbels kommen und mit kräftiger Sehne am hinteren Ende des Beckenrudimentes inseriren. Ich habe stets bei allen berücksichtigten Formen zwei solcher, nach Entfernung der ven- tralen, oberflächlichen Schwanzmuskeln deutlich trennbare Muskeln gefunden, die aber ihre Fasern von mehr als je einem Wirbel bezogen. Die Sehne des vorderen Muskelchens inserirt am vorderen Ende des Beckenrudimentes, die des hinteren in der Mitte desselben. Die vom Beckenrudiment zur Haut gehenden Muskeln sind bei der Skeletthautmuskulatur behandelt. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 179 B. Hypaxonische Muskeln (STAnnıus). Hyposkeletal museles (HuxLey). Retrahentes costarum (Ric, Fig. 7, 46). STANNIUS, MIVART, SANDERS etc. »Retrahentes costarum.« — SCHNEIDER etc. »Trans- versus dorsalis. « Diese, allen Sauriern zukommenden Muskeln entspringen auch bei den untersuchten Amphisbaeniden typisch an den Seitenrändern der Wir- bel in deutlich gesonderten Portionen, deren jede einem Wirbel ent- spricht. Die Bündel ziehen schräg vorwärts und lateralwärts über vier Intercostalräume, um an der Innenseite der Rippen in deren Mitte zu inseriren. Die Erstreckung des Stratums ist durch die erste und letzte Rippe bestimmt. — Der Name bezeichnet die Funktion. — Unter den Autoren fassen einige, z. B. ScHNEIDER, diesen Muskel mit dem Trans- versus zusammen und sondern ihn als eine Pars dorsalis musculi trans- versi von der Pars ventralis, dem eigentlichen Transversus. Longus colli et capitis (Lcc, Fig. 16). Longus colli und Longus capitis der Autoren. Ein Muskelpaar von außerordentlicher Mächtigkeit zu den Seiten der ventralen Wirbelmedianen: jeder der beiden Muskel ist ein typi- scher Fiedermuskel; die starke Sehne setzt neben dem Oticum am Sphe- noidale basilare an und empfängt von den ersten 26 Wirbeln sowohl bei Amphisbaena fuliginosa wie bei dem untersuchten Exemplar von Blanus cinereus Fasern, während bei Trogonophis die ersten 21, bei Anops die ersten 33 Wirbel den Fasern des Muskels Ursprung geben. Die letzteren entspringen von der ventralen Oberfläche der Wirbel und gehen schräg vorwärts an die Sehne; die median an den Wirbeln entstehenden kon- vergiren nach vorn zu demnach mit den lateral entspringenden Fasern. Das hintere Ende des Muskels wird bei Betrachtung von der ventralen Seite vom Herzen überlagert. Es wird unzweifelhaft sein, dass die gewaltige Ausbildung dieses Muskels mit der Wühlbewegung der Thiere in enger Beziehung steht. Der Muskel wird, wenn seine beiden Theile wirken, den Kopf nach unten beugen und ihn straff gegen die Wirbelsäule ziehen; Kontrak- tion eines der beiden Muskeln wird Seitenbewegung und Drehung des vorderen Körperendes veranlassen. Reetus capitis anticus (Rcaa, Fig. 47). Rectus capitis anticus und Rectus capitis der Autoren. Ein kurzer, kräftiger, paariger Muskel, dessen Fasern bei allen vier :. Amphisbaenen an den Seiten der ventralen Dornen des zweiten bis 12* 180. MN Carl Smalian, vierten (incl.) Wirbels entspringen, um am ganzen ventralen, hinteren Schädelrande zu inseriren. Die Aktion beider Theile des Muskels wird der Festigkeit zwischen Schädel und Wirbelsäule dienen, diejenige des einen Theils wird Seiten- bewegung des Schädels gegen die Wirbelsäule bedingen. Longus atlantis (La, Fig. 47). HEsLE (Muskellehre. 1858. p. 127). »Longus atlantis. « Unter diesem Namen führe ich einen paarigen Muskel, dessen Fasern bei Amph. ful. und Blan. cin. zu den Seiten der ventralen Dornen auf der Oberfläche des siebenten bis zweiten Wirbels, bei Anops und Trogo- nophis des sechsten bis zweiten Wirbels entspringen und am Querfort- satz des ersten Wirbels inseriren. Sein vorderes Ende wird vom vorigen Muskel von unten her bedeckt. Die neben den Dornen, also mehr median- wärts entspringenden Fasern haben einen etwas schrägen, nach vorn gerichteten Verlauf; die lateralen Fasern, welche die größere Masse dieser Muskeln ausmachen, weichen von der Längsrichtung gar nicht oder unmerklich ab; demnach schneidet sich ihre Richtung nach vorn zu mit derjenigen der median entspringenden Fasern. Der Muskel wird die Wirbel der von ihm überspannten Strecke bei Kontraktion eines seiner antimeren Theile gegen einander bewegen, also krümmen; wirken beide Muskeln, so werden die ersten sieben Wirbel straff gegen einander fixirt werden. Hypaxonische Muskeln des Schwanzes (Fig. ik). Während die dorsale, tiefe Schwanzmuskulatur mehr oder minder deutlich als die hintere Fortsetzung der medialen und lateralen Rücken- muskulatur erkennbar bleibt, ist eine Zurückführung der bypaxonischen Schwanzmuskulatur auf die hypaxonische Muskulatur des Rumpfes un- möglich. Hinter dem After ist jeder Wirbei mit einem ventralen Dorn versehen, und damit sind Ansatzpunkte für eine mannigfache Muskula- tur gegeben. Zwei Lagen von Muskeln, deren jede in ihren Portionen ein Flechtwerk vorführt, finden Ursprung und Ansatz an diesen Dornen. Wenn wir bei der Betrachtung von der ventralen Seite her das, was an der Oberfläche erscheint, als oben, das tiefere als unten bezeichnen, so zeigt sich Folgendes: Am oberen (also am meisten ventral gelegenen) Seitenrande der Dornen entspringen Fasern, welche sich in einem nach außen konvexen Bogen nach vorn wenden, in einer spitzen Sehne sich ! vereinen, welche an dem fünften, nach vorn gelegenen Dorn (den Ur- | sprung mitgerechnet) inserirt. Die paarigen Bündel ziehen also über vier Wirbel und werden eine Krümmung der überspannten Strecke Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 181 hervorbringen, wenn nur einer aus dem Paare wirkt; gleichzeitige Aktion entsprechender, antimerer Bündel wird die Theile jener Strecke fest an einander ziehen. Diese Bündel könnten als Pars externa spinalis ventralis bezeichnet werden; ihre Bündel sind so angeordnet, dass die hinteren die Ursprünge der vorderen decken, das Ganze also wie eine Flechte erscheint. Diesen Bündeln entspricht eine Pars interna spinalis ventralis von ähnlichem Verhalten: die Bündel entspringen an den Seiten der Dornen tiefer, bis zur Basis derselben; jedes Bündel über- spannt aber nur zwei Wirbelräume, inserirt also sehnig an dem (vom Ursprung an gerechnet) dritten Dorn nach vorn. Ihre Thätigkeit wird eine ähnliche wie die des äußeren Theiles sein. Die einzelnen Dornen sind durch Interspinales ventrales verbunden. Die übrigen, bei Weitem am mächtigsten entwickelten Schwanzmuskeln bestehen aus zwei Schich- ten, deren eine ventral, deren andere mehr dorsal liegt. Die erstere besteht aus Bündeln, welche auf der ventralen Wirbeloberfläche ent- springen, schräg nach außen und vorwärts ziehend sich sehnig zuspitzen ; die spitzen Sehnen flechten sich in die oberflächliche ventrale Schwanz- muskulatur ein. Die mehr dorsale Schicht, welche an die lateralen, dorsalen Schwanzmuskeln grenzt, stellt Fleischbündel von Kegelform dar, welche mit ihren nach hinten gerichteten Spitzen in einander ge- schoben erscheinen. Im Allgemeinen werden sich die hypaxonischen Schwanzmuskeln auch hier nach dem Vorgange von Bosanus an Emys als Flexores caudae betrachten lassen ; vielleicht wird die Schwanzmuskulatur auch zum An- stemmen bei der Lokomotion verwendet. 11. Viscerale Muskeln. Transversus (Tr, Fig. 10, 13, 15, 16, 19; ir, Fig. 13). Transversus der Autoren. Der Transversus bedeckt mit seinen, an der Mitte der Rippen, an der Insertionslinie der Retrahentes costarum, in einer Zickzacklinie ent- springenden Fasern die äußere Seite des Bauchfells. Er unterscheidet sich, was ScHNEIDER (0. c. p. 131) betont, von dem gleichen Muskel der Schlangen dadurch, dass seine Fasern bei den Amphisbaenen »nicht einmal über die Rippenenden reichen«. »Die Aponeurosen der rechten und linken Hälfte vereinigen sich und setzen sich nicht an den Rectus. « Der Muskel reicht von dem Beckenrudiment zum Reste des Schulter- gürtels. Am vorderen Ende verbreitert er sich medianwärts, doch kommen die Fasern beider Hälften nicht zur Berührung in der Mitte. — 182 Carl Smalian, Ein Diaphragma ist nicht vorhanden. — Hinter dem After sieht man im männlichen Geschlecht jede der paarigen Ruthen von einer Muskel- hülle umscheidet, deren Fasern einen queren Verlauf haben. Diese Muskelscheide erscheint als die postanale Fortsetzung des Transversus und könnte als Transversus penis (ir, Fig. 13) bezeichnet werden. Sphincter eloacae (Sphel, Fig. 13, 14, 45). Der stark entwickelte, ringförmige, die Kloake umgürtende Muskel stößt seitwärts an die Beckenrudimente. Muskeln des Zungenbeinapparates. Die drei Gruppen von Zungenmuskeln, welche Prinz LupwıG Fervı- NAND VON BAYERN (0. c. p. 38) für die Saurier aufgestellt, sind auch bei den Amphisbaeniden zu unterscheiden: | »Die erste Gruppe, welche zwischen Zungenbein und Unterkiefer oder zwischen dem Brustbein, Schultergürtel und Zungenbein ange- bracht ist:« Sternohyoideus (Sth, Fig. 8, 9, 10; Sths und Sthpr, Fig. 19; Sihpr, und Sthpr,,, Fig. 20 und 21). Amphisbaena fuliginosa und Anops Kingii. Von dem von Fürgrınger (Die Knochen und Muskeln etc. p. 76) an- gegebenen Verlauf: » Ein longitudinal verlaufender Muskel, der von dem Schulterrudimente und der Sternalaponeurose nach vorn zu dem äußerst dünnen Zungenbein und von da noch weiter bis zum Submaxillare geht. « Dieses Verhalten ist etwas different bei Blanus cinereus. Während der Muskel bei Amphisbaena fuliginosa durchaus einheit- lich erscheint, giebt sich bei Blanus eine oberflächliche Schicht (Sths, Fig. 19) von einer tieferen (Sthpr, Fig. 19—21) gesondert zu erkennen. Sternohyoideus superfieialis (Sihs, Fig. 19). Von dem Scapularrest und dem das Suprascapulare repräsentiren- den Bindegewebe zieht der Muskel, ohne mit dem Zungenbein zu ver- wachsen, über dasselbe hir bis zum Unterkiefer. Der Muskel ist von dem Scapularrest auf drei Viertel seiner Länge fleischig; das letzte Viertel ist eine breite Sehne, welche an der hinteren Hälfte des inneren Unter- kieferrandes inserirt und die darunter liegenden Muskeln durchscheinen lässt. Demnach wäre dieser Muskel bei Blanus gar kein echter Sterno- hyoideus. Doch scheint er immerhin zum Systeme des letzteren gehörig, und desshalb stelle ich ihn hierher. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 183 Sternohyoideus profundus (Sthpr, Fig. 19—24). Er besteht aus einem medianen und einem lateralen Theil; der erstere (Sihpr,,, Fig. 20 und 21) ist neben dem eben betrachteten Muskel als ein gerade verlaufendes, flaches Bündelchen sichtbar, das sich zwi- schen Sternalaponeurose und der Stelle ausspannt, an welcher das _ hintere Zungenbeinhorn dem Zungenbeinkörper ansitzt. Der laterale Theil (Sihpr,, Fig. 20) erscheint erst nach Abtragung des Sternohyoideus externus; er entspringt von der Scapula und setzt sich nach außen von dem medianen Theil unmittelbar neben demselben an das hintere Horn. Trogonophrs Wiegmannı. Einen Muskel, der in seinem Bau dem Sternohyoideus superficialis von Blanus entspricht, finde ich nicht. Wohl aber ist der Raum zwischen hinterem Zungenbeinhorn und Brustgürtelrudiment von zwei Muskeln überbrückt, die der Richtung ihrer Fasern nach dem lateralen und medialen Theil des Sternohyoideus profundus von Blanus entsprechen, ı indem der laterale Theil schräg medianwärts zum hinteren Zungenbein- horn, der mediale Theil dagegen gerade von der Sfehnalapongusese zum Zungenbeinhorn zieht. In allen übrigen Zungenbeinmuskeln stimmen die untersuchten Amphisbaenen wesentlich überein: Mylohyoideus (Myh, Fig. 19 und 20). Er stellt ein dünnes Lager quer über den Intermaxillarraum ver- laufender Fasern dar, welche von dem ganzen Unterkieferrande ent- springen, nach der Mitte zu feiner und feiner auslaufen, so dass das Lager in der Medianen häutig erscheint. Der Muskel macht von der Oberfläche einen durchaus einheitlichen Eindruck (Fig. 19). Spaltet man ihn aber median in der Richtung der Körperlängsachse und zieht die Lappen zur Seite, so löst sich eine ganze Reihe Portionen von einander, die sich durch die Grenzen, welche die gleich zu besprechenden Cerato- maxillaris, Geniohyoideus externus und internus, Genioglossus von ein- ander sondern, hindurchflechten, um danach median zur Vereinigung zu kommen (Fig. 20). Cerato-maxillaris (Cema, Fig. 9, 10, 20). Dieser spannt sich zwischen der Spitze des hinteren Hornes und der Mitte des Unterkieferrandes als scharf gesondertes, äußerst schmales ' Muskelchen aus. Dasselbe umfasst mit einem oberen und einem unteren \ Theil die Spitze des Hornes. 1854. Carl Smalian, Geniohyoideus (Ghe und Ghi, Fig. 20, 21). Nach innen vom Cerato-maxillaris liegt ein platter Muskel, der eine oberflächliche, laterale und eine tiefere, mediale Schicht erkennen lässt, Geniohyoideus externus und internus. Der Externus (Ghe, Fig. 20) geht vom hinteren Horn neben dem Gerato-maxillaris zum Unterkiefer, der Internus (Ght, Fig. 20, 21) vom hinteren Horn zur Mitte des Unterkiefers, so dass beide Theile sich median berühren. Ich sah aber auch Fasern zwischen dem Mittelstück des Unterkiefers und dem vorderen Horne ausgespannt. Die zweite Muskelgruppe, »welche vom Zungenbein und von der Mandibula ausgeht und in die Zunge ausstrahlt«: Genioglossus (Ggl, Fig. 22). Geht von der Mitte des Unterkiefers aus an die Zunge dorthin, wo die Transversalmuskelschicht (t, Fig. 22) der Zunge fast an der Basis des Os entoglossum die Zunge auf der ventralen Seite zu umgürten beginnt. An dieser Stelle hat sich zwischen den beiden vorderen Hörnern eine quere sehnige Grenze ausgebildet, von welcher an die Umgürtung der Zunge durch die erwähnte Transversalschicht beginnt, und wo auch der Genioglossus aufhört. Hyoglossus (Hygl, Fig. 22). Von der Mitte des hinteren Hornes schräg nach vorn und median- wärts gegen die Zunge gewendet. Er setzt sich von der Transversal- schicht bedeckt in die Binnenmuskeln der Zunge fort. In diese Gruppe wären dann noch zwei Muskeln zu stellen, welche sich zwischen den beiden Hörnern ausspannen. Der eine (7, Fig. 21, 22) verbindet die Spitzen der beiden Hörner jeder Seite (die des hinteren und die des vorderen) auf der Außenseite; der andere (2, Fig. 22) be- ginnt unmittelbar neben demselben nach der Medianen zu am hinteren Horn und geht zur Basis des vorderen Hornes. Die dritte Gruppe, »die als Binnenmuskeln der Zunge aufzufassen ist«: Von derselben ist äußerlich eine die Zunge ventral umscheidende Transversalfaserschicht sichtbar. Die übrigen Muskeln können nur auf Querschnitten erkannt werden, von deren Ausführung ich Abstand ge- nommen habe, da es mir auf Erhaltung des Zungenbeins ankam. Muskeln des Kehlkopfes (Fig. 48). Bei den untersuchten Thieren habe ich keine Differenzen entdecken können. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. | 185 Hyothyreoidei (Stannıus) (Hyihy, Fig. 18). Kleine, paarige, von dem Zungenbeinkörper entspringende und schräg an die Gartilago cricoidea verlaufende Muskelchen; sie gehen in dem Gompressor laryngis auf, wesshalb sie bei Henız übersehen zu sein scheinen. Srannıus betont, dass diese Muskeln bei Amphisbaena un- mittelbar vom Zungenbeinkörper entspringen gegenüber den meisten Sauriern, wo dieselben »von den Seiten eines Ligamentes entstehen, das von der Cartilago entoglossa des Zungenbeins an den Kehlkopf tritt«. Compressor laryngis (Henze) (Oprla, Fig. 18). Umgiebt ringförmig als ein Sphincter den Aditus Jaryngis. Dilatator laryngis (Henıe) (Dila, Fig. 18). Vom vorderen Ende der Cartilago cricoidea zu den kleinen hinteren Hörnern, welche dicht neben der Trachea liegen, und nicht, wie Henıe’s Abbildung zeigt, zu den großen hinteren Hörnern. Eingeweide. Traetus intestinalis. Über die Eingeweide der Amphisbaeniden macht Srannıus (Hand- buch der Zootomie. 2. Aufl. 1856) Angaben, von denen eine Anzahl, wie angegeben wird, sich auf Amphisbaena fuliginosa bezieht. Ob alle hierher gehörigen Bemerkungen dieses Autors für das genannte Thier gelten, oder ob noch andere Species vorgelegen haben, weiß ich nicht. — WIEDERSHEIN bringt in seinem »Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere« Abbildungen des Darmtractus und seiner Anhänge von Amphisbaena fuliginosa, denen kurze, bezügliche Notizen beigegeben sind. — Am eingehendsten behandelt von Beprıaca » Amphisbaena cine- ‘ rea Vand. und Amph. Strauchi v. Bedriaga. Erster Beitrag zur Kenntnis der Doppelschleichen.« Archiv für Naturgesch. 1884. p. 61 etc.) die Eingeweide der Amphisbaenen. — Meine auf die Eingeweide der Amphis- baenen bezüglichen Bemerkungen gehen daher nur dahin, hier und dort Beobachtungen zu ergänzen, etwaige Abweichungen zu konstatiren. Fettkörper. Das mächtige Gebilde, welches von BeprıaGA an den von ihm unter- suchten Individuen der Amph. cin. beschreibt, finde ich bei allen in Be- tracht gezogenen Thieren ganz der Schilderung von Brprıaga’s gemäß ausgebildet (f, Fig. 43, 15). Das gilt für diese Körper an sich wie für 186 Carl Smalian, die Vertheilung der ihnen zukommenden Gefäbe (cf. von BEDRIAGA, 0. c. p. 64). Hinzufügen möchte ich, dass ich das Gebilde in einer peritonea- len Tasche eingelagert finde, nach deren Spaltung es frei wird; es ist also sowohl auf der Außenseite wie auf der Innenseite von Peritoneum umgeben und gehört demnach zum Bereich des letzteren. Eine kleinere Masse Fettkörper von gleicher Beschaffenheit wie die angeführte, an- nähernd viereckig, lagert vor dem Herzen, die Gefäßaustritte von der ventralen Seite her deckend; sie ist in ganz gleicher Weise bei allen vier Formen vorhanden. — In sehr merkwürdiger Weise finde ich Fett- anhäufungen unter der oberflächlichen Schwanzmuskulatur bei Amphis- baena fuliginosa, Anops und Blanus, während dieselben an der unter- suchten Trogonophis nicht vorhanden waren. — An allen untersuchten Exemplaren von Amphisbaena fuliginosa sehe ich nach Abtragung der oberflächlichen Schwanzmuskeln sowohl auf der dorsalen, als auf der ventralen Seite (Fig. 14 f,) je zwei Stämme wenig hinter der Schwanz- wurzel (bei den männlichen Thieren neben der Mitte der Ruthen be- ginnend) anfangen und bis zur Schwanzspitze verlaufen. Diese vier Stämme sind solide, einheitliche Stränge ohne jedwede Gliederung. Auch hier wieder dokumentirt sich die engere Beziehung zwischen Amphisbaena fuliginosa und Anops Kingii, indem die caudalen Fett- körperstränge ebenfalls keine Gliederung zeigen ; es waren an dem unter- suchten männlichen Anops ihrer zwei, welche, außerordentlich mächtig entwickelt, den größten Theil des Raumes im Schwanze zwischen ober- flächlicher Muskulatur und Achse einnahmen. — Sehr mächtig waren bei Blanus zwei caudale Fettkörperstränge ausgebildet, die sich aber vor denjenigen von Amphisbaena fuliginosa und Anops durch eine Seg- mentirung auszeichneten: Die Stränge sind in eine der Zahl der Haut- ringe gleiche Anzahl von Packeten zerlegt, von denen je eines einem Hautringe entspricht (f„, Fig. 15). — Überall sind die vier caudalen, longitudinalen Fettstränge von einer Haut eingehüllt, deren histologische Struktur (so weit davon an den in Weingeist konservirten Thieren die Rede sein kann) nur bindegewebigen Charakter konstatiren lässt. An den männlichen Thieren von Amphisbaena fuliginosa und dem untersuchten männlichen Anops finde ich außerdem auf der ventralen Seite je ein Fettpacket zu den Seiten der Medianen zwischen den beiden Ruthen. Diese kleinen Massen haben annähernd die Form eines Kegels (fr Fig. 13), stecken in einer ihrer Gestalt entsprechenden Tasche von Bindegewebe, die Spitze nach vorn gerichtet. Die häutige Tasche (+, Fig. 14) lässt auf ihrer äußeren Fläche Muskelfasern entspringen, welche nach vorn konvergirend je einen konischen Muskel bilden, wel- cher der hypaxonischen Muskulatur zugezählt werden muss. — An dem Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 187 weiblichen Blanus fand ich hinter dem After zwischen den Ischiococcy- gei ein kleines unpaares Fettpacket (f,, Fig. 15). Die von den Autoren vielfach ventilirte Frage nach der physiologi- schen Bedeutung der Fettkörper muss auch ich nach den mir vorliegen- den Befunden unentschieden lassen. Man hat diese Fettkörper in Beziehung setzen wollen zur geschlechtlichen Thätigkeit, letzterer etwa eine Konsumption des Fettes zuschreibend; andererseits hat man den Fettverbrauch während des Winterschlafs, der Zeit des Nahrungs- mangels, vor sich gehen lassen wollen. Die mir vorliegenden Exemplare von Amphisbaena fuliginosa, Anops Kingii und Trogonophis gestatten gar keinen Schluss, weil ich nicht weiß, wann sie gefangen sind. Da- gegen könnte Blanus vielleicht der Lösung der Frage nützen: Das untersuchte Exemplar, das von Fett gleichsam strotzt, wurde von Pro- fessor Euters im Monat April 1884 in Banos de Ledesma bei Salamanca in Spanien erbeutet. Den Thieren steht hier vom zeitigen Frühjahr an bereits eine reiche Käferfauna zur Ernährung zur Verfügung; ja wahr- scheinlich fehlt es ihnen bei dem unterirdischen Leben während der Wintermonate nie an Futter. Für einen Verbrauch während des Winters, etwa im Winterschlafe, dürfte das Fett also wohl nicht dienen, und es bliebe die andere Möglichkeit, dass der Fettkörper der Geschlechtsthätig- keit zu Gute komme. Allein ich maße mir kein entscheidendes Urtheil an; unausgesetzte Beobachtung der Thiere in der Heimat wird hier helfen. Der Feitkörper des Schwanzes der Amphisbaenen vermag aber viel- leicht eine morphologische Bedeutung zu gewinnen: Wenn wir im männlichen Geschlecht der Doppelschleichen einen Transversus der Ruthen beobachten, welcher als die direkte Fortsetzung des Transversus der Leibeshöhle erscheint, wenn wir ferner hinter dem After Fettkörper in gleicher Weise von Haut eingeschlossen finden, wie der Fettkörper der Leibeshöhle in einer peritonealen Tasche eingebettet liegt, so ist die ' Frage zur Hand: Ist nicht die den Fettkörper des Schwanzes umgebende ; Haut etwa als eine postanale Fortsetzung des Peritoneums anzusehen ? "Mit anderen Worten: Haben wir in dem Hohlraum, welcher den cau- dalen Fettkörper birgt, etwa die persistirende postanale Leibeshöhle zu erblieken, welche der embryonalen im Sinne Gorrtr’s (Entwicklungs- geschichte der Unke) entspricht? Zur Entscheidung dieser Frage bedarf es des histologischen Beweises, in der den Schwanzfettkörper einhüllen- ‘den Haut peritoneale Natur zu erkennen. Wie erwähnt, haben die in Alkohol konservirten, mir vorliegenden Objekte eine bezügliche histo- logische Entscheidung nicht gestattet. Frische Objekte werden die Be- . Jahung oder Verneinung der angedeuteien Frage ermöglichen. 188. Carl Smalian, Darmtractus. In der Mundhöhle fallen bei den untersuchten Doppelschleichen die sroßen Glandulae sublinguales auf, über deren Bau und näheres Ver- halten zur Nachbarschaft allein Schnitte durch den Kopf belehren können; ich nahm von der Ausführung der letzteren zur Zeit Abstand, da es mir auf eine Erhaltung des Schädels ankommt. Die Zunge aller berücksichtigten Thiere zeigt die von Stannıus (o. c. p. 188) angegebene Ausbildung: »Bei den Amphisbaenoidea ermangelt sie der Scheide, ist breit, platt, vorn in zwei feine Spitzen, hinten in paarige Fortsätze ausgezogen, unten durch eine Längsfalte am Boden der Mundhöhle befestigt.« Über die Muskeln derselben cf. den bezüg- lichen Theil der Myologie. Gegenüber dem Darmtractus der Schlangen zeichnet sich, wie Stannıus (p. 190) besonders betont, und wie mir das von ihm geschil- derte Verhalten bei sämmitlichen untersuchten Thieren entgegengetreien ist, derjenige der Doppelschleichen darin aus, dass er an einem Mesen- terium befestigt ist, » welches allen einzelnen Darmwindungen folgt«. Die einzelnen Darmabschnitte bedürfen keiner eingehenden Behand- lung, da WIEDERSHEIM und von BEDRIAGA eine solche bereits durchgeführt haben, und ich keine Abweichungen, ausgenommen Größendifferenzen, in den beiden untersuchten Formen zu konstatiren vermag. Nur in Bezug auf den Enddarm habe ich hinzuzufügen: An der Übergangs- stelle des Enddarmes in die Kloake finde ich mit Ausnahme von Trogo- nophis bei den betrachteten Thieren die nämliche Schleimhautfalte nach innen ragen, welche Leypıs (»Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier« p. 148) in den einheimischen Eidechsen und in Anguis (ibid. p- 120) beschreibt, und von welcher er annimmt, dass »sie sich bei der Kothentleerung wahrscheinlich gegen die Kloake ausstülpe«. — Die Milz von Amphisbaena fuliginosa und Anops erscheint nicht so dunkel pig- mentirt als diejenige von Blanus cinereus. Über die Leber von Amphis- baena fuliginosa cf. Wiırnersueim p. 599 und 600. Die Leber von Amphisbaena fuliginosa und Anops zerfällt nur in zwei Lappen, deren linker noch einmal unvollkommen der Länge nach gespalten ist. Da- gegen stimmt das Organ bei Blanus und Trogonophis wieder darin über- ein, dass es weit mehr gelappt ist; bei Blanus ist es, wo sie, wie auch von BEprIAGA angiebt, sich »in zwei Haupt- und etliche kleine Neben- lappen zu sondern pflegt«; auch bei Trogonophis theilt sich der rechte größere Leberlappen in drei kleinere, zwischen denen die Gallenblase geborgen ist, der linke in zwei Lappen. Bezüglich der Gallenblase und des Pankreas habe ich nichts zu bemerken, was nicht die anderen Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 189 Autoren bereits gesehen hätten. Milz und Pankreas konnten bei Trogo- nophis nicht erkannt werden, da die betreffende Körperregion erheblich macerirt war. Respirationsorgane. Larynx: Ich verstehe mit von Beprıaca die Angaben Srtannıus (0. c. p- 205) nicht, wonach der Kehlkopf sich zusammensetzt aus » zwei seit- lichen Längsstreifen, die an der Ventralseite durch Querstreifen ver- bunden sind «. Vielmehr habe auch ich, eben so wie von BEDRIAGA an Blanus bei den übrigen untersuchten Thieren eine größere Knorpel- platte, die Gartilago cricoidea, gesehen, ihr angelagert und durch Binde- gewebe mit ihr verbunden zwei Knorpelchen, vielleicht die Gartilagines arytaenioides (Fig. 48). Über die Muskeln des Kehlkopfes vergleiche den bezüglichen Theil der Myologie. Henze behandelt zwar in seiner vergleichenden Anatomie des Kehlkopfes die Kehlkopfmuskeln der Amphisbaeniden, nicht aber den Kehlkopf selbst. Die Trachea (Fig. 18—22) ließ keine Abweichungen von dem bei Stannıus (0. c. p. 206) geschilderten Verhalten auffinden. Allein Wirpersazim’s Abbildung (p. 649) und zugehörige Bemerkungen (p. 650) scheinen mir irrthümlich: »Hier (scil. bei den Amphisbaenen) liegt sie der ganzen medialen Girkumferenz der Lunge innig an.« Ich kann die Luftröhre stets nur am oberen Ende der Lunge ein kurzes Stück ver- folgen ; ich sehe sie nicht, wie WIEDERSREIM zeichnet, bis über die Mitte der Lunge entlang laufen.. So wenig wie von BEDRIAGA an den von ihm untersuchten Amphis- baenen vermag ich bei Amphisbaena fuliginosa, Anops und Blanus paarige Lungen zu finden; ich sehe kein zweites Lungenrudiment noch eine Spaltung der Trachea in zwei Bronchien. Der eine Lungensack ist Janggestreckt in Anpassung an die Körperform wie bei den Schlangen; mit der Lunge der Schlangen stimmt er auch in so fern überein, als die Hauptmasse seiner drüsigen Elemente dem vorderen Theile zukommt, während er in seinem hinteren Theil mehr als Luftreservoir sich dar- stellt. Hier aber ist Trogonophis deutlich gesondert: die Lunge dieses Thieres ist an der Stelle, an welcher die Trachea in sie mündet, in zwei hinten und vorn zugespitzte Theile gespalten; doch kann man immerhin nicht von einer paarigen Lunge, sondern nur von einem ge- gabelten Lungensacke reden, da die Theilung der Lunge nicht auf die ‚ Trachea geltend gemacht ist. Die beiden Lungentheile sind ungleich groß, indem der rechte derselben etwa ?/, der Länge und '/, der Breite des linken an einander entsprechenden Stellen beider erreicht; der . erste Theil spitzt sich schneller zu als der linke. Die vorderen Spitzen 10 . | Carl Smalian, der Lungentheile sind die kürzeren, die hinteren die längeren. Die von den hinteren und vorderen Enden der Lungentheile eingeschlossenen Winkel, von denen der eine, in dessen Scheitel die Trachea eintrifft, nach vorn, der andere nach hinten geöffnet ist, sind sehr spitze. Gefäßsysiem. Ich kann die bezüglich des Gefäßsystems von Srannıus (p. 22% und 225, $ 116), WIEDERSREIM (p. 725) und von BeprracaA (p. 62 und 69— 7%) gemachten Angaben im Allgemeinen bestätigen, und besonders die ein- gehende Behandlung des in Rede stehenden Gegenstandes von Seiten des letztgenannten Autors macht eine weitläufige Besprechung an dieser Stelle überflüssig. Die mit Recht von den Autoren betonte langgestreckte Form des Herzens, welche auch bei den von mir untersuchten Amphis- baenen auffallend war, und der weit vom Zungenbeinapparate nach hinten verschobene Ort desselben lassen Ähnlichkeiten mit den Schlangen erkennen. Es muss aber unser hohes Interesse in Anspruch nehmen, dieses Princip der Streckung des Herzens und seiner weit nach hinten verschobenen Lage allgemein in solchen Wirbelthierformen realisirt zu sehen, welche sich in ihrer Gestalt derjenigen der Schlangen nähern. Von ungleichen Ausgangspunkten aus tritt uns diese Thatsache immer wieder entgegen: unter den Amphibien bei den Gymnophionen, unter den Reptilien bei Anguis, wenn auch hier nicht in so ausgeprägter Weise; ferner hier bei den Doppelschleichen ist das Verhalten nicht minder extremer Art als bei den Schlangen. So muss sich von diesem Gesichtspunkte aus die Anschauung verbieten, in den Sauriern, welche mit dem Verluste der Extremitäten der Schlangenform sich näherten, Übergangsformen zu den Ophidiern erblicken zu wollen. In diesen Saurierformen liegt nur eine Parallelentwicklung in Bezug auf die Schlangen vor. — Auf Einzelheiten habe ich nicht zurückzukommen, da bei den untersuchten Thieren im Wesentlichen Übereinstimmung herrscht; da wo, wie bei Amphisbaena fuliginosa, Anops und Blanus, eine einfache Lunge gegeben ist, sind auch Arteria und Vena pulmonalis an derselben entlang als einfache Gefäße vorhanden ; bei Trogonophis dagegen spaltet sich die Lungenarterie und die Lungenvene nach ihrem Eintritt in die Lunge; jeder Zweig der beiden genannten Gefäße ver- sorgt je einen Lungentheil. — Bezüglich der Aortenbogen ist mir auf- gefallen, dass dieselben bei Amphisbaena fuliginosa und Anops ver- hältnismäßig am kürzesten sind gegenüber denjenigen der beiden anderen Amphisbaenen, von welchen Trogonophis die verhältnismäßig längsten Aortenbogen besitzt. Im Übrigen gilt für das Herz der Amphis- baenen, was für die meisten Saurier festgestellt ist: »Die Scheidung Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 191 des Ventrikels in ein Gavum arteriosum und Cavum venosum ist sehr unvollkommen.« (STAannıus, p. 22%.) Lymphgefäßsystem. Obwohl die Art der Konservirung der Thiere, welche zur Unter- suchung vorlagen, ein genaues Verfolgen der lymphatischen Bahnen nicht gestattete (ja bei Trogonophis konnte bezüglich der Lrmphbahnen überhaupt nichts konstatirt werden), so konnte doch Einiges beobachtet werden: Zunächst ist darauf zu verweisen, dass, wie bei Betrachtung der Hautseitenlinie dargethan wurde, die beobachteten Arterien von Lymphräumen umscheidet werden. In besonderer Mächtigkeit sah ich einen Lymphraum die Aorta descendens begleiten ; so weit er die ge- ronnenen Lymphballen enthielt, konnte er verfolgt werden. Sein ganzer Verlauf konnte nicht festgestellt werden. In außerordentlicher Entwick- lung lagerte vor dem Herzen ein mächtiger Lymphraum, dessen ge- ronnener Inhalt die sämmtlichen vor dem Herzen liegenden Gefäße ein- hüllte. Die beiden Lymphherzen fand ich bei Amphisbaena fuliginosa gemäß den Angaben Sarır's (0. c. p. 39), dessgleichen bei Blanus; bei Anops habe ich sie nicht gesehen, bei Trogonophis machte der Er- haltungszustand des Thieres ihre Entdeckung unmöglich. Da, wo die Lymphherzen sichtbar waren, mündeten in dieselben die Lymphstämme der Seitenlinien. Die Thymus fand ich überall in der durch von Bepr1acA für Blanus angegebenen Weise. Auch in Bezug auf die | Thyreoidea der Amphisbaeniden habe ich auf von Benrıaca zu verweisen. Bei Amphisbaena fuliginosa, Blanus und Trogonophis lagerten in wechseln- der Zahl in dem von dem Sternocleidomastoideus bedeckten Raume | weiße ovale Körperchen (Fig. 6, 8, 9, 40, 20, 24, 22), umgeben von reich vascularisirtem Bindegewebe. Wurden sie zerzupft, so zeigten sie unter dem Mikroskop Ballen stark lichtbrechender, rundlicher Körn- chen, welche den Eindruck von Konkretionen machten; gegen Essig- Säure waren sie resistent. Ich habe ihre Natur nicht erkennen können. _ Bei Anops allein habe ich diese Bildungen nicht angetroffen. Der Urogenitalapparat von Amphisbaena fuliginosa, Anops und Trogonophis schließt sich völlig dem durch von Bepriaca bei Blanus geschilderten Verhalten an. 192 | Carl Smalian, von Beprıaca’s Vermuthung, dass im männlichen Geschlecht je ein Spermaleiter und je ein Ureter gemeinsam auf je einer, an der dorsalen Kloakenwand liegenden Papille münden, bestätigt sich. Der paarige Penis trägt an seinem vorderen Ende Drüsenschläuche, auf welche Leyoie’s Beschreibung bei Anguis passt (o. c. p. 452). Die Ovarien liegen, wo sie beobachtet wurden, unsymmetrisch, das rechte weiter vorn als das linke. Ovidukte und Ureteren münden gesondert. Sympalthicus. Dort, wo bei Amphisbaena fuliginosa das Mesenterium der Wirbel- säule angeheftet ist, verläuft jederseits von der Medianen, an den äußeren Wirbelrändern entlang ein sehr feiner Faden; nach dem Hinter- ende des Tbieres zu wurde er feiner und feiner, so dass selbst gute Lupenvergrößerung an manchen Stellen ihn nicht finden ließ, während er ein Stück dahinter wieder zum Vorschein kam, so dass seine Kon- tinuität zwar wahrscheinlich ist, sich aber nicht erweisen ließ. In der Herzgegend und etwas rückwärts davon zeigte das Fädchen deutliche Anschwellungen. Beim Ablösen des Fadens stieß das Messer auf feine Fädchen, welche aus der Wirbelsäule hervorkommend in den Longi- tudinalfaden traten ; andererseits wurden von letzterem Zweige an die Eingeweide abgegeben. Behandlung mit Essigsäure zeigte sehr deutlich Ganglienzellen, in besonderer Anhäufung an den Anschwellungen. Dem- nach ist in dem Longitudinalfaden der Grenzstrang des Sympathicus mit seinen zu den Eingeweiden gehenden Zweigen zu erblicken. Die Fäden, welche aus der Wirbelsäule an ihn treten, erscheinen demnach als die Rami communicantes. — Bei den übrigen Formen habe ich den Sym- pathicus nicht verfolgt. Bemerkungen zum Schädel der Amphisbaeniden. Meine Zeit gestattet mir gegenwärtig nicht, mich auf eine eingehende Untersuchung des Skelettes der von mir betrachteten Formen einzu- lassen. So darf ich auch dem Schädel nur wenige Worte widmen. Eine genaue Betrachtung des Schädels meinerseits erscheint auch um so ent- behrlicher, als besonders von Beprraca den Amphisbaenidenschädel an A. cinerea und A. Strauchi eingehend behandelt hat. Im Übrigen ist unter den Autoren auf Gervaıs (o. c., Pl. XIV und XV und p. 293—312), wo unter Anderem der Schädel von Amphisbaena fuliginosa betrachtet und gezeichnet ist, auf die in Owzn’s Odontography (Pl. LXV, Fig. 3 und 4) gegebene Abbildung des Schädels von Amphisbaena alba und auf die Abbildung des Schädels von Trogonophis in Wacner’s Icones Zootom. Taf. XUI, Fig. XXI und XXII zu verweisen. — Der Schädel des Anops Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 193 ‘ Kingii trägt im Allgemeinen den Typus des Amphisbaenidenschädels zur Schau. Aber. wie schon äußerlich der Kopf des Thieres durch eine starke seitliche Kompression in der vorderen Hälfte und durch den früher beschriebenen kammähnlichen Aufsatz vor den Köpfen aller übri- gen Doppelschleichen ausgezeichnet ist, so ist dieser Bau auf die vor- ‚ dere Schädelregion übertragen: Intermaxillare, Nasale, Frontale, Maxil- lare werden von dieser seitlichen Kompression derart betroffen, dass die ganze aus den genannten Knochen bestehende Partie wie ein Keil erscheint, dessen Schärfen dorsal und ventral gewendet sind. Es scheint mir nicht zweifelhaft, in dieser merkwürdigen Ausbildung den Ausdruck einer weitgehenden Anpassung an die wühlende Thätigkeit erblicken zu dürfen. Ohne mich auf Einzelheiten einzulassen, möchte ich nur auf die Fig. 30 und 31, in denen der Schädel von Anops dargestellt ist, ver- weisen. — — Die Angaben und Zeichnungen der Autoren über den Schädel von Amphisbaeniden haben mir übrigens die Vermuthung nahe gelegt, dass ihnen durch Maceration gewonnene Präparate zu Grunde gelegen haben. Dahin werde ich vornehmlich dadurch geführt, dass mir an den Schädeln von Amphisbaena fuliginosa (cf. Fig. 40), von Anops (Fig. 30 und 31), von Trogonophis stets jene Knorpelspange (J) entgegen- getreten ist, welche nach Abtragung des Masseter frei wird und an der hinteren unteren Ecke des Quadratums dem Schädel ansitzt, welche ich aber an allen Abbildungen und in allen durchgegangenen Notizen der Litteratur unerwähnt finde. Ja von BeprIacA betont ausdrücklich den Mangel des Jugale. Nicht sicher bin ich allerdings, ob auch Blanus diese Spange besitzt, da dieselbe mir bei den außerordentlich geringen Dimen- sionen des Objektes durch einen unglücklichen Schnitt entgangen sein könnte. Wie schon mehrfach ausgesprochen, bin ich geneigt, in dieser Spange das Rudiment des Jugale zu sehen. Die Extremitätenrudimente der Amphisbaeniden sind mir hinsichtlich ihrer Deutung nicht verständlicher geworden als FÜRBRINGER und es scheint, als ob es des Vergleichs recht vieler Saurier mit verkümmerten Extremitäten bedürfe, um die Homologen der Gürtel- reste der Doppelschleichen konstatiren zu können. Brustschultergürtel. Amphisbaena fuliginosa. Fürgringer beschreibt die von ihm als Scapulae bezeichneten Knochen der Amphisbaena fuliginosa als einfach walzenförmig, die der Ampbhisbaena alba »in der Mitte etwas dünner als an ihren stark abge- . rundeten Enden«. Ich muss letztere Beschreibung auch für die Scapulae Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 43 194. Carl Smalian, von Amphisbaena fuliginosa in Anspruch nehmen und betonen, dass ich die Knöchelchen niemals walzenförmig gefunden habe. Anops Kingü. Bei diesem Thier sind Knöchelchen überhaupt nicht mehr im Brust- gürtel vorhanden; eine muskellose Linie, welche in der Richtung der Scapula der Amphisbaena fuliginosa verläuft und bis zu welcher die typischen Muskeln des Brustgürtels, Sternohyoideus und die vordersten Theile des Rectus internus, gehen, zeigt allein den Ort an, wo ein Rudi- ment des Gürtels zu suchen wäre. Blanus einereus. Auf die Scapulae dieser Form passt ganz die Beschreibung der- jenigen der Amphisbaena fuliginosa (cf. Fig. 19, 20, 21 sc). Trogonophis Wiegmanni. Wie auch FürBrIngEr angiebt, sind die Scapulae der Trogonophis unter den Amphishaeniden »am meisten entwickelt und stoßen unten beinahe zusammen «. Aber sie weichen auch in der Form erheblich von den übrigen beschriebenen Knochen des Brustgürtels ab, indem sie hakenartig gekrümmt sind. Beckengürtel. Amphisbaena fuliginosa. Die bezüglichen Knochen sind von Fürsrınger beschrieben und ge- zeichnet. Sie stellen sich als sanft gebogene Spangen dar, die nach vorn zugespitzt sind, hinten abgerundet. Anops Kingü. Bei diesem Thier sind die Knöchelchen in der Mitte geknickt, am vorderen Ende werden sie etwas breiter, hinten sind sie abgerundet. Blanus cinereus. Auch die Knöchelchen dieser Form sind in der Mitte geknickt; jede der dadurch gegebenen Hälften ist in ihrer Mitte angeschwollen, die vorderen nach vorn und hinten sich zuspitzend, die hintere nur nach vorn an Stärke abnehmend, dagegen sich nach hinten verbreiternd. Am vorderen Ende des ganzen Knochens befindet sich eine knopfförmige Erweiterung. Trogonophis Wiegmannı. Auch rücksichtlich der Knochen des Beckengürtels isolirt sich Trogonophis von den übrigen Formen. Die Knöchelchen stellen zwei Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 195 S-förmig geschwungene Spangen dar, welche mit ihren spitzen Vorder- enden einander zugeneigt, mit ihren abgerundeten Hinterenden von einander abgewendet sind. Schlussbemerkung. Die in der Litteratur über die Amphisbaeniden bekannt gewordenen Thaisachen und der in den vorliegenden Untersuchungen fesigestellte Befund werden es außer Zweifel setzen, dass die Doppelschleichen sich in vielen Beziehungen ihrer Organisation den Schiangen nähern. Allein, wenn gewisse anatomische Verhältnisse der Schlangen, bei- spielsweise die Extremitätenrudimente der Pythoniden darauf zu deuten scheinen, dass die Schlangen von Saurierformen abzuleiten seien, so dürfen wir doch nicht etwa hoffen, in den Amphisbaeniden eine jener Übergangsgruppen gefunden zu haben, welche die Kluft zwischen Saurier und Schlange füllen helfen. Die langgestreckte Form des Herzens und seine weitgehende Verschiebung nach hinten, die Streckung von Leber und Lunge in die Länge, die äußerlich geringe Ausprägung der verschiedenen Darmitheile können uns nicht veranlassen, die Doppel- schleichen in nähere Beziehung zu den Schlangen zu bringen. Führen ja doch die Gymnophionen unter den Amphibien ein sehr analoges Ver- halten ihrer Eingeweide vor. Vielmehr haben wir im Organismus der Amphisbaenen lediglich eine Parallelentwicklung zu demjenigen der Schlangen nach einem gleichen formativen Principe zu verzeichnen. Das beweist am evidentesten der Bau des aktiven Lokomotionsapparates: mit dem Verlust der Extremitäten mussten andere Theile des Körpers mit dem Substrat, auf dem eine Bewegung auszuführen war, in Berüh- rung treten, und diese mussten beweglich werden. Von hier aus ver- stehen wir die höchst eigenthümliche, enorme Ausbildung der Skelett- hautmuskulatur am Bauche und an den Seiten sowohl der Schlangen als der Amphisbaeniden; bei beiden ist das gleiche Princip realisirt. Wie wir aber weiter die Doppelschleichen als subterran lebende Thiere er- kennen, ihren Körper auch auf der dorsalen Seite mit dem Substrat in Kontakt finden, der zur Bewegung aufgehoben werden muss, wundern wir uns nicht, nach dem gleichen, vorhin bezeichneten Principe eine dorsale Skeletthautmuskulatur, die Vertebro-cutanei dorsales, in hohem Grade ausgeprägt zu sehen. Was ist das Anderes als eine Parallelent- ‘ wicklung von Schlange und Doppelschleiche nach gleichem Princip, bei der letzteren Thierform aber gleichsam über eine Grenze hinaus, welche bei der Schlange innegehalten ward? — Begegnen wir doch auch in der Halsregion Ausbildungen des muskulösen Apparates, die als Folgen des 13* 196 Carl Smalian, Überganges dieser Saurier zu wühlendem Leben sich uns darzubieten scheinen. Es ist an das zu erinnern, was in den vorliegenden Unter- suchungen als Splenius, als Cervicalis, als Longus colli et capitis be- zeichnet wurde. Ja es vermag möglicherweise die vereinfachte Kopf- muskulatur (cf. Temporo-pterygoideus) und der kompakte Bau des Schädels als Ausdruck der Anpassung an jene singuläre Lebensweise zu erscheinen. Am evidentesten tritt die Thatsache der Anpassung bei Anops hervor, dessen Kopf in seinem vorderen Theile gleichsam zu einer Art Pflugschar ausgebildet ist, die Erde, die dem Thier Wohnung und Nahrung bieten soll, leicht zu durchfurchen. — Wenn so uns die Eigenartigkeiten des Amphisbaenidenkörpers vorzugsweise als das Resultat der umbildenden, wühlenden Lebensweise dieser Thiere er- scheinen, dürfen wir nicht unerwähnt lassen, dass auch jener Faktor eines subterranen Lebens sich auf den Organismus der Doppelschleichen Geltung verschafft hat, den wir so oft bei terricolen Formen herrschend treffen, der Mangel des Lichts: die funktionslos gewordenen Augen überzog er mit der derben Körperhaut. — — Ich glaube, dass nach alle dem Gesagten es sich von selbst verbietet, Schlange und Doppelschleiche in nähere verwandtschaftliche Beziehung zu bringen. Nur dort werden wir den Zweig der Amphisbaeniden, den mächtigen Ast der Schlangen, den wieder sehr viel geringeren Zweig der Skinke sich einander nähern sehen, wo alle drei von vielleicht mehr oder minder differenten Saurier- formen ihren Ursprung nehmend dem Stamme der Vertebraten ent- sprossen. Mit der weiteren und weiteren Entfernung vom Stamm und von einander stellen sich an den Repräsentanten der genannten Zweige Differenzen des Körperbaues ein, welche der organologische Ausdruck eigenartiger Lebensweisen sind. Ein Rückblick auf die untersuchten vier Formen darf nicht ver- fehlen, noch einmal zu erwähnen, dass Amphisbaena fuliginosa und Anops Kingii, die beiden Formen der neuen Welt, sich einander in sehr erheblichem Maße nähern, wie auch andererseits die beiden Bewohner der alten Welt Annäherungen der Organisation zu einander nicht ver- kennen lassen, wenn gleich bei Blanus und Trogonophis bedeutungsvolle Differenzen vorhanden sind (z. B. die paarige Lunge der Trogonophis). Ohne hier weiter darauf eingehen zu wollen, die Charaktere der Formen in systematischem Sinne gegen einander abzuwägen, scheinen die ameri- kanischen Formen sich vielleicht doch dem spanischen und dem afri- kanischen Thier in gewisser Weise entgegenstellen zu lassen. Allein ein solches Urtheil bedarf der genauen Prüfung durch vergleichende Untersuchung sehr vieler Vertreter der Gruppe der Amphisbaeniden. Göttingen, im November 1884. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 197 Erklärung der Abbildungen. Mit Ausnahme der Figuren 27 und 28, welche in natürlicher Größe wiederge- geben sind, sind alle Figuren unter Zuhilfenahme einer Brücke'schen Stativlupe gezeichnet. Für alle Figuren geltende Bezeichnungsweisen: Cacd, Capiti-cutaneus dorsalis; M, Masseter; Cel, Gosto-cutaneus lateralis; Mf, Multifidus; Cele, Costo-cutaneuslateralisexternus; Mil, Musculus lineae lateralis; Ccli, Gosto-cutaneus lateralis internus; Myh, Mylohyoideus; Ccv, Costo-cutaneus ventralis; Oae, Obliquus abdominis externus; Cema, Gerato-maxillaris ; Oae,, Oae,,, Oae,,,, erste zweite, dritte Cerv, Cervicalis; Schicht desselben; Cpl, Complexus; Oaepr, Obl. abd. ext. profundus; Cprla, Compressor laryngis; Pl, Platysma myoides seu Subcutaneus Dila, Dilatator laryngis; colli; Dm, Depressor maxillae; R, Rectus abdominis; Ggl, Genioglossus; Re, Rect. abd. externus; Ghe, Geniohyoideus externus; Ri, Rect. abd. internus; Ghi, Geniohyoideus internus; Rcaa, Rectus capitis anticus; Hugl, Hyoglossus; Rcap, Rectus capitis posticus; Hytihy, Hyothyreoidei; Ric, Retrahentes costarum ; Ic, Intercostales ; Sp, Spinalis; Iic, Lleocostalis seu Sacrolumbalis; Sphc, Sphincter colli; Ilcut, Neocutaneus; Sphel, Sphincter cloacae; Isc, Ischio-coceygeus ; Spl, Splenius; It, Intertransversarii; Ssp, Semispinalis; lv, Intervertebrales;; Sicim, Sternocleidomastoideus; Ivm, Intervertebrales mediales; Sth, Sternohyoideus; Jvs, Intervertebrales submediales; Sihpr, Sternohyoideus profundus; La, Longus atlantis; Sths, Sternohyoideus superficialis; Lee, Longus colli et capitis; Tpt, Temporo-pterygoideus; Ld, Longissimus dorsi; Tr, Transversus; Lese, Levator scapulae; Ved, Vertebro-cutaneus dorsalis. Tafel V und VI. Fig. 4. Rückenmuskeln (Rumpfregion) von Amphisbaena fuliginosa. Die Haut ist mediodorsal aufgeschlitzt und ziemlich straff zur Seite gezogen, um die ge- sammte Rückenmuskulatur des Rumpfes zu zeigen. Einige Bündel des Semispinalis ($sp) sind isolirt und zum Theil straff nach rechts gezogen, um die Insertion des Spinalis (Sp) an den Semispinalissehnen zu veranschaulichen. Durch successive Abtragung der jeweilig oberflächlichen Straten werden nach hinten zu die tieferen Lagen von Muskeln in ihren gegenseitigen Beziehungen vorgeführt. Links ist der größere Theil des Vertebro-cutaneus dorsalis (Ved) entfernt oder als ein großer, der Haut anhaftender Lappen zur Linken geschlagen, um einen Gesammtanblick des Costo-cutaneus lateralis zu gewähren. Unter der Insertion des Vertebro-cutaneus dorsalis kommt der Musculus lineae lateralis (MI!) zum Vorschein. — Die Figur ist 198 . Carl Smalian, sehr erheblich vergrößert und, da sie ihre Entstehung einer Reihe im Laufe der Prä- paration gewonnener, schließlich kombinirter Skizzen verdankt, etwas schematisirt. Fig. 2. Ein in Fig. 4 in der Mitte gegebenes, leicht erkennbares Stück Rücken- muskulatur in stärkerer Vergrößerung, um die tiefsten Lagen der Rückenmuskeln klar zu legen. Bei ++ ist ein Multifidusbündel zerschnitten und der größere Theil medianwärts zurückgeschlagen. Hierdurch und weil bei Sp, ein an einem Stück Semispinalissehne haftendes Spinalisbündel (Sp,) scharf nach links gezogen ist, wer- den die langen und kurzen Intervertebrales submediales (vs) erkennbar, wie sie an der zwei Wirbellängen überziehenden Multifidus-Spinalissehne inseriren; in der Mitte erscheinen die Intervertebrales mediales (!vm); ferner sind Ursprung und An- satz des Longissimus dorsi (Ld) und die Verbindung zwischen Multifidus und Lon- gissimus damit ersichtlich. Fig. 3. Rückenmuskeln der Halsregion von Amphisbaena fuliginosa. Die Haut wie in Fig. 4 gespalten und zurückgeschlagen. Man sieht, wie der Vertebro-cuta- neus dorsalis und der Musc. lin. lateralis an der hinteren Kopfgrenze enden. Die Splenii (Spl) sind etwas mit der Pincette gelockert, um die Abspaltung ihrer media- len und lateralen Fasern vom Semispinalis merklich zu machen. Der rechte Capiti- cutaneus dorsalis (Cacd) ist in seiner Mitte quer durchschnitten; der an der Splenius- sehne inserirende Theil (Cacd +) desselben ist zur Linken gewendet, der zugehörige, an der Haut entspringende Theil (Cacd +) ist gewaltsam breit gespannt, damit man den Ursprung der Fasern an der Haut erkenne. Der linke Temporo-pterygoideus (Tpt) ist quer durchschnitten, der vordere Theil mittels einer Nadel nach außen gebogen. Es erscheinen damit die an der Schädeloberfläche entspringenden, inne- ren und die äußeren Fasern, welche fiederartig an die innere, hier im Querschnitt als starke Linie erscheinende Fascie treten. Fig. 4. Tiefe Rückenhalsmuskeln von Amphisbaena fuliginosa. Rechts sind der Temporo-pterygoideus (7pt), dessen tiefe Reste dem Schädel noch anhängen, der Capiti-cutaneus dorsalis (Cacd) und der Splenius {Spl) entfernt, der Vertebro-cut. : dors. (Ved) gewaltsam zur Seite gebogen : in Folge davon erscheinen Rectus capitis posticus (Rcap) und Complexus (Cp}): Fig. 5. Halsregion von Amphisbaena fuliginosa nach Beseitigung der medialen Rückenmuskeln. Nur auf der Rechten sitzen den Wirbeln noch Reste der medialen Rückenmuskeln an. Rectus capitis posticus und der linke Complexus sind entfernt. Es zeigt sich der Cervicalis (Cerv) mit der ihm charakteristischen sehnigen S-förmig gekrümmten Linie, welche der oberflächliche Ausdruck einer senkrecht zur Trans- versalebene stehenden Fascie ist (cf. das beim Cervicalis Gesagte). Fig. 6. Halsregion und ein Stück Rumpf von Amphisbaena fuliginosa im Halb- profil. Das vordere Ende der Halswirbelsäule ist der medialen Rückenmuskeln be- raubt, um den Bau des lleocostalis (Iic) erkennen zu lassen. Es erscheinen weiter die Costo-cutanei laterales externi und interni (Ccle und Cck), der Muse. lin. lat. (Mil), das Platysma myoides (Pl und Pl,), dessen ventraler Theil (Pl,) mit der Sca- pula in losem Zusammenhang steht; zwischen Brustgürtelrudiment und Schädel ist der Sternocleidomastoideus (Stclm) ausgespannt. Auf der rechten Seite ist die Haut straff aufwärts gezogen, so dass Vertebro-cut. dors. (Ved), Capiti-cut. dors. (Cacd) und das mediale, auf der Wirbeloberfläche senkrechte, bindegewebige Septum (+) gespannt erscheinen. In dem rechten vorderen, abgespaltenen Hautlappen ist jenes Septum abgetragen ; seine Anheftungsstelle an der Linea medio-dorsalis der Haut findet ihren Ausdruck in einer (in der Zeichnung blau gehaltenen) geraden Linie. Spl. Splenius. Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. 199 ' Fig. 7. Laterale Sammmuskeln von Amphisbaena fuliginosa. Die Haut ist auf der linken Seite des Thieres abgeschält und hängt nur noch durch einige Costo- cutanei ventrales (Ccv) mit den Rippen zusammen. sSsp, Semispinalis. Nach vorn sind die Bündel des Ileocostalis (Ilc) derart präparirt (meist durch’ Abtragung ober- flächlicher Fasern), dass jene die Sacrolumbalisbündel durchsetzende Sehne zum Vorschein kommt. Auf der hinteren Strecke ist der Sacrolumbalis entfernt. Die drei Schichten des Obliquus abdom. ext. (Oae,, Oae,,, Oae,,,) sind in der Weise frei gelegt, dass ihr gegabelter und gesägter Bau zu verfolgen ist und die Eigenthüm- lichkeit der gegenseitigen Ineinanderschachtelung. Im hinteren Theile der Figur sind die Intercostales (/c) und an den Stellen, wo diese ganz oder theilweise entfernt sind, die Retrahentes costarum (Ric), ventralwärts die Recti abdom. interni (Ri) sichtbar. In der Tiefe zeigt sich neben der Medioventrallinie (5) der Rectus abd. ext. Fig. 8. Kopf und vorderste Halsstrecke von Amphisbaena fuliginosa. Die Haut ist in der Höhe der Transversalebene auf der linken Seite des Thieres aufgeschnit- ten ; alle Skeletthautmuskeln sind so weit entfernt, dass nur die Enden der Bündel, welche der Haut inseriren, an letzterer hängen geblieben sind. So ist es ermög- licht, die Haut von links nach rechts abzurollen und in die Ebene zu legen. Am Kopfe erscheinen die Ober- und Unterkieferdrüsen (7 und 2), der Temporopterygoi- deus (Tpi), Masseter (M), Depressor maxillae (Dm), letzterer zum Theil von dem vorderen Theil des Sternocleidomastoideus (Stelm) bedeckt. + Scapula mit dem Levator scapulae (Lesc). Nach vorn vom Brustgürtelrudiment wird der Sternohyoi- deus (Sih) zum Theil sichtbar, zwischen dem Brustgürtelrudiment und den vorder- sten Rippen spannen sich jene geraden Fasern, die als ein Theil des Rectus internus (Ri) angesprochen wurden (cf. das beim Obliqu. abd. ext. profundus Gesagte). Ileo- costalis (Zic) und Obliqu. abd. ext. (Oae) sind bloßgelegt. Haut und Unterkiefer ver- bindet das Platysma myoides, dessen beide rechte Portionen (P! und Pi,) klar vor- liegen. Mil, vordere Endigung des Muse. lin. lat. /£, die in der vorderen Halsregion vom Ileocostalis isolirbaren Intercostales, bei * ist der vorderste derselben wegge- nommen, sein Bezirk durch roth punktirte Linien angegeben, um die Insertion des Levator scapulae (Lesc) zu zeigen. Zwischen der Medioventrallinie (3), neben der jederseits der Rect. abd. ext. (Re) erscheint, und der Mediodorsallinie (4) liegt die ganze vordere, durch genannte Linien begrenzte, rechte Hautseite, auf ihr die In- sertionen des Gosto-cut. ventr. (Ccv), des Costo-cut. lat. ext. und int. (Ccleund COck), des Vertebroa-cut. dors. (Vcd), Am vorderen Ende der Mediodorsallinie sitzen jederseits die Gapiti-cut. dors., welche von der Kopfoberfläche abgetrennt sind. Fig. 9. Kopf und vordere Halsregion von Amphisbaena fuliginosa. Von der linken Seite und etwas ventral verwendet. Der Sternocleidomastoideus ist entfernt und damit der Sternohyoideus (Sth) völlig freigelegt. Dorsalwärts von letztgenannten Muskeln wird ein weißes, rundes Körperchen, eins der ihrer Bedeutung nach mir unbekannten Anhangsgebilde der Thyreoidea, sichtbar. Übrige Bezeichnung wie in voriger Figur. Fig. 10. Dasselbe nach Entfernung der Kieferdrüsen, des Masseter, Depressor maxillae, Ileocostalis und Obliquus externus. Es treten die Anhangsbildungen der Thyreoidea deutlicher hervor. Tr, vorderstes Stück des Transversus. Cema, Cerato maxillaris. Durch Entfernung. des Masseter ist die von ihm bedeckte Knorpelspange freigelegt, welche von der hinteren, unteren Ecke des Quadratums entspringt und mir als das rudimentäre Jugale erscheint, Fig. 44. Ventrale Rumpfmuskulatur von Amphisbaena fuliginosa. Die Haut ist medio-ventral gespalten und zur Seite geschlagen. Von den knorpeligen Rippen- 200. Carl 'Smalian, spitzen r entspringen die Costo-cutanei ventrales (Ccv) zur Haut gehend. In dem System des Obliqu. abd. ext. (Oae) markirt sich als scharfe Längslinie die Grenze zwischen der als »erste« bezeichneten Schicht des Obl. abd. ext. und den beiden anderen Schichten desselben. Ri die Recti interni zwischen den Rippenenden. Da, wo der Costo-cutaneus ventralis (Ccv) fehlt, erscheint der Costo-cutaneus lat. (Cei). Fig. 12. Analregion eines sehr kurzschwänzigen Exemplares von Amphisbaena fuliginosa. Die ventrale Eröffnung hat die großen Präanaldrüsen, deren jede mit einem Porus vor dem After mündet, zu Tage gelegt; die vier mittleren derselben bergen zu ihren Seiten je zwei der übrigen; die feinen Muskeln der Drüsen, welche an die Haut und an das Peritoneum (p) gehen, sind zum Theil in situ erhalten, zum Theil hängen sie in Fetzen an den Drüsen. Zur Rechten ist der Ileo-cutaneus dieser Seite zur Erscheinung gebracht. Sonstige Bezeichnung wie vorhin. Fig. 43. Analregion von Amphisbaena fuliginosa. Die medioventral geöffnete Haut ist zurückgeschlagen; an ihr haften auf der linken die Präanaldrüsen dieser Seite, während die der rechten Seite entfernt sind; nur jene Muskelchen (*), welche zwischen dem blinden Ende der Drüsen und dem Beckenrudiment (b) gespannt sind, blieben erhalten. Präanal erscheint das Peritoneum, seitlich vom Transversus (Tr) der aus der Tiefe unter den Rippenspitzen hervorkommt, bekleidet; durch das Peri- toneum schimmert bandartig der Enddarm (e), während weiter vorn ein Theil des peritonealen Fettkörpers (f) zur Erscheinung kommt. Der Sphincter cloacae (Sphel) ist auf seiner ventralen Oberfläche der äußersten Fasern beraubt, damit das Becken- rudiment (b) bloßgelegt werde, dem der Ileocutaneus (Ilcut) und der Ischiococcygeus (Isc) angehören. Am hinteren Rande des Sphincter cloacae dringen weiße Wülste hervor, die drüsigen, vorderen Enden des paarigen Penis. Am Schwanze ist die rechte, oberflächliche, ventrale Muskulatur erhalten, deren Eröffnung auf der linken Seite den Ischiococcygeus (Isc) und den Transversus der linken Ruthe (tr) freigelegt hat. Median zeigt sich noch ein kegelförmiges, isolirtes Stück Fettkörper (f,), das in einer einem nach vorn sich erstreckenden, spindelförmigen Muskel angehören- den, häutigen Tasche steckt. a, After. Fig. 14. Dieselbe Körperregion. von Amphisbaena fuliginosa mit einem größe- ren Theil des Schwanzes. Die Transversi der Ruthen sind geöffnet und so zur Seite gelegt, dass die beiden Ruthen (p) mit ihren vorderendständigen Drüsen (pd) (letz- tere sind vielleicht den Penisdrüsen von Anguis [cf. Leypıe] gleichwerthig) zum Vor- schein gekommen sind. Bei + ist das mediane, isolirte Fettkörperstückchen aus seiner häufigen Tasche genommen. Die eröffnete oberflächliche caudale Muskulatur ist zur Seite geschlagen, dass die tiefen Schwanzmuskeln und der Schwanzfettkörper (f,,) sichtbar werden. Übrige Bezeichnung wie vorhin. Fig. 45. Analregion von Blanus cinereus. Ähnlich wie in Fig. 43 präparirt. Der Sphincter cloacae ist ventral fast ganz entfernt, so dass die anale Endigung des End- darmes (e) links sichtbar wird. f, peritonealer Fettkörper; f, mittlere, isolirte cau- dale Fettkörpermasse;; f,,, der segmentirte, caudale Fettkörper. Fig. 46 und 47. Hypaxonische Muskeln des Halses von Amphisbaena fuliginosa. Fig. 46. Lec, Longus colli et capitis; Tr, zurückgeschlagener Transversus; Ric, Retrahentes costarum. Neben den Wirbeln (w) sind die hypaxonisch am deut- lichsten ausgebildeten Intertransversarii (/) sichtbar. Fig. 47. Longi ecolli et capitis sind entfernt; es erscheinen Rectus capitis anticus (Rcaa) der linken Seite; der rechte ist fortgenommen, um den Ansatz des Longus atlantis (La) am Atlas zu zeigen. Fig. 18. Kehlkopf und Zungenbein von Amphisbaena fuliginosa. Hyihy, Hyo- Beiträge'zur Anatomie der Amphisbaeniden. 201 thyreoidei; Dila, \inker Dilatator laryngis ; vom GCompressor.laryngis (Cpria) ist nur ein Theil der linken Seite unversehrt gelassen, um die Cartilago cricoidea (4) der rechten Seite hervortreten zu la&sen,: 2, Cartilagines arytaenoides. Fig. 19—22. Zungenbeinapparat von Blanus cinereus. Die Darstellung folgt genau der Präparation, indem nach einander die jeweilig oberflächlichen Muskeln erscheinen, dann abgetragen sind, um tiefere.zu Gesicht kommen zu lassen. “Fig. 19. Nach Eröffnung der Haut wird als sehr feines, häutiges Muskelchen der Sphincter colli (Sphc) erkennbar; er ist unter den untersuchten Formen allein bei Blanus beobachtet und ‘durch die Diskontinuität seiner Fasern gekennzeichnet, so dass auf dem Sphincter colli jeder Seite eine zur Richtung der Fasern senkrechte muskellose Zone vorhanden ist. Durch den Sphincter colli schimmert das Platysma (Pl), bis an den Unterkiefer verfolgbar. Von der Scapula (sc) verläuft zum Unter- kiefer der Sternohyoideus superficialis (Sths) mit breiter Endsehne ; durch letztere scheint der Depressor maxillae. Medianwärts vom Sternohyoideus superficialis ist der Sternohyoideus profundus (Sihpr) zwischen der violett gehaltenen Sternalapo- neurose und dem hinteren großen Zungenbeinhorne ausgespannt, welches als nach der Medianen zu konvergirende dunkle Linie durch diesen Muskel scheint. Die tieferen Zungenbeinmuskeln sind von den unversehrten Mylohyoideus (Myr) be- deckt. Am Unterkiefer tritt die große, weiße Submaxillardrüse hervor. (cl, vor- dersie Costo-cutanei laterales; die vordersten Bündel des Costo-cutaneus ventralis (Cev) treten von hinten her an die Scapula; median von ihnen erscheinen jene die ersten Rippen und die Sternalaponeurose verbindenden Fasern, die mir als vorder- stes Stück des Rectus internus (Ri) erscheinen. Zu den Seiten der Trachea steigt der Transversus (Tr) aus der Tiefe empor. Fig. 20. Nach Entfernung der Sphincter colli, Platysma und Sternohyoideus präsentiren sich: Depressor maxillae (Dm) an der Stelle, wo er sich um den Unter- kiefer schlägt, um an demselben zu inseriren. Cervicalis (Cerv) in seinem vorderen Theil und in ventraler Ansicht. Zwischen Brustgürtelrudiment und hinterem Zungen- beinhorn der laterale und mediale Theil des Sternohyoides profundus (Sihpr, und Sthpr,,). Ganz nach außen zwischen dem hinteren Ende des hinteren Hornes und dem hinteren Theil des Unterkiefers der Cerato-maxillaris (Cema). Medianwärts felgen: die Geniohyoidei externi und interni (Ghe und Ghi),; Myh, die einzelnen zwischen den verschiedenen Zungenbeinmuskeln hervortretenden und entsprechend ihrem Ursprunge von einander getrennten Portionen des Mylohyoideus. Alles Übrige wie in Fig, 19. Fig. 21. Der laterale Theil des Sternohyoideus profundus (Sihpr,), der Cerato- maxillaris (Cema) und Geniohyoideus externus {Ghe) sind weggenommen,. Es treten in völliger Ausdehnung hervor: medialer Sternohyoideus profundus (Sthpr,,) und Geniohyoideus internus (Ghx), so wie der laterale jener kleinen Muskeln, welche die beiden großen Hörner mit einander verbinden (7). Sonst wie in den vorigen Figuren, Fig. 22. Medialer Sternohyoideus profundus (Sihpr,,) und Geniohyoideus in- ternus sind abgetragen. Es erscheinen die tiefsten Zungenmuskeln: Genioglossus (@gl) und der hintere Theil des Hyoglossus (Hygl), so weit er nicht von der die Zunge ventral umgürtenden Transversalschicht (t) verdeckt wird. Auf der rechten Seite sind durch Entfernung des Genioglossus und Hyoglossus die Zwischenhorn- muskeln (7 und 2) zum Vorschein gebracht und der größere Theil des Zungenbeins frei gelegt; eben so tritt dadurch die rechte Sublingualdrüse hinter dem Unterkiefer 202 - Carl Smalian, Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. heraus. Wie in Fig. 20 und 34 sind auch in Fig. 22 die weißen Anhangsgebilde der 'Thyreoidea (th) sichtbar. Fig. 23—25. Kopf von Anops Kingii. (Vergrößert.) Fig. 23. Von der dorsalen Seite, etwas nach rechts gewendet: Fig. 24. a, im Profil; b, dasselbe, Kopie nach Beır, o. c., Pl. XVI, A. Fig. 25. Von der ventralen Seite. “ Fig. 26. Analregion von Anops Kingii in gleicher Vergrößerung wie Fig. 233—25, um die vier sehrikleinen Präanalporen zu zeigen, Fig. 27. Ei von Anops Kingii in natürlicher Größe. Durch die Eihülle scheint der Embryo.'$ Fig. 28. Embryo von Anops Kingii in natürlicher Größe, aus dem Ei genom- men. p, der in diesem Stadium noch ausgestülpte, doppelte Penis, welcher erst/mit beginnender Muskelthätigkeit eingestülpt wird. Fig. 29. Analregion des Embryo von Anops Kingii (stark vergrößert), um den ausgestülpten Penis deutlich vorzuführen. Fig. 30. Schädel des Anops Kingii, von oben. Fig. 34. Schädel und Unterkiefer des Anops Kingii, im Profil. Die Striche neben den Figuren geben die wirkliche Länge und Höhe des Schädels, so wie die Länge des Unterkiefers an. J, Jugale. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken und ihrer europäischen Verwandten. Von Dr. Heinrich Simroth in Leipzig. Mit Tafel VI—XI. Bekannt sind die älteren Verdienste von GoLDFUss, HEYNEMANN und LEHmann und die neueren von Leypıce um die Kenntnis der deutschen Nacktschnecken. Hrynemann hat das Thema unausgesetzt weiter ver- folgt. Durch sie zumal wurden eine Menge wertihvolle Bausteine ge- liefert für neue Arbeit. Eine mehr topographische Anatomie erwies sich da als treffliches Mittel der Sichtung. Sie bewährte sich immer besser, als mir Herr von MAutzan die von ihm an den ÖOstküsten des Mittel- meeres gesammelten Nacktschnecken zur Bearbeitung überließ. Seit- dem ist mir durch die Güte der Herren Dr. O. Börtger, BORCHERDING, S. CLessin, GEHRs, GoLpruss, Dr. GraBau, Hazay, Hesse, HEYNENANN, ‚von Kınakowicz , Professor Leypıg, von Marızan und Dr. Rey, denen mein wärmster Dank gilt, immer mehr werthvolles Material zugeflossen, und bereitwillig unterstützten mich eifrige Schüler in der Beschaffung des vaterländischen. Weit fühlbarer als bei den Gehäusen versagt beim Nacktschneckenkörper die auf äußere Kennzeichen gegründete Beschrei- bung, daher nur verhältnismäßig Weniges, was nicht in natura vorliegt, aus der Schilderung Anderer zu entnehmen ist. Hieraus erklärt sich eine vielleicht zu ungleichmäßige Behandlung der Litteratur, von der mir ein gut Theil unzugänglich war. Auch musste auf eine mehr philelogisch-diplomatische Untersuchung der Synonyme und Prioritäten, welche beim Mangel mancher einschlägigen Schriften kaum möglich war, verzichtet werden. Endlich konnten einige neueste Artikel, sofern sie nicht thatsächlich Wesentliches enthielten, leider nicht mehr berück- sichtigt werden. Meine Absicht ging dahin, den Thieren in möglichst Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. Ah 204. Heinrich Sinroth, vielen Richtungen nachzuspüren. Am wenigsten freilich kam dabei die Entwicklungsgeschichte zur Geltung, theils weil sie umfangreiche Sonderstudien verlangt hätte, theils weil das bisher Bekannte schwer- lich schon jetzt bis in die Einzelheiten der Familien, Gattungen oder gar Arten hineinleuchtet. Die Systematik, die sich auf die Anatomie stützte, bewährte sich, wie ich glaube, glänzend, um eine Anzahl bio- logischer Fragen auf Grund des geklärten Materials zu beantworten, daher im Folgenden der anatomische Theil voransteht. Erster Theil. Anatomie. Ziemlich lang ist die Reihe der Arten, die nach ihrem inneren Bau mit anderen übereinstimmen. Da die Untersuchung des Äußeren und der Lebensweise das Ergebnis zu bestätigen schien, waren die Species als Synonyme einzuziehen. | Erstens: Anatomie der Arten. Erste Gattung: Limax. Nacktschnecken mit sechs Darmschlingen. Erste Untergattung: Eigentliche Limaces. Mit sechs Darmschlingen ohne Blinddarm. I. Limax maximus (Taf. VII). Zur Sektion kamen folgende Formen: Limax cinereoniger in vielen Varietäten aus Deutschland und Norwegen, L. cinereus aus Deutschland und der Schweiz, L. unicolor Frankfurt a. M., L. transsylvanicus! von Siebenbürgen, L. corsicus Moquin-Tandon, subgen. Doriae, var. simplex Lessona und var. rubronotatus Les- sona von Oberitalien und L. montanus Leydig von Südtirol. Darm. DerDarm {Fig4 Gund2 H) macht zunächst, wie bei allen einheimischen Schnecken, vier Halbwindungen oder schlechtweg, der üblichen Ausdrucksweise gemäß, Windungen. Die erste Windung, die bei allen in dieser Arbeit in Betracht kommenden Thieren als Magen fungirt, zieht nach hinten, die zweite nach vorn bis zum Anfangstheil der Aorta, die gerade in der Umbiegung der zweiten in die dritte Darmwindung sich in die Arteria cephalica und intestinalis spaltet. Die Kopfarterie geht unter dem Darm hindurch und giebt den Fixationspunkt für die zweite Darm- umbiegung ab. Die dritte Darmschlinge geht wieder nach hinten, die vierte end- lich nach vorn, um im Allgemeinen unter dem Kopfretraktor oder Spindelmuskel hinweg als Enddarm zum After zu ziehen. Diese vier Darmwindungen sind die typischen, sie sind gekennzeichnet durch ihren Verlauf sowohl wie durch die Ein- bettung in die Leber. Mit diesen vier Windungen begnügt sich Limax nicht, son- 1 Betreffs der Zugehörigkeit dieser Art siehe die Anmerkung Theil II. Limax maximus, außerdeutsche Entwicklungsformen, Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten, 205 dern es kommt eine fünfte und sechste hinzu, welche wiederum überall, wo sie auftreten, in gleicher Weise um den Spindelmuskel als Fixationspunkt herum ziehen. Jourpaın erwähnt sie neuerdings als »anse rectale« (34). Sie treten nie in Beziehung zur Leber, sondern halten sich stets außerhalb derselben, d.h. außerhalb des Eingeweidesackes, daher die Bemerkung der Autoren, der Enddarm gehe bei Limax frei durch die Leibeshöhle (51). — Wie die Anzahl der Schlingen und die beiden Befestigungspunkte der vorderen Umbiegungen, eben so typisch ist auch die Länge und die Aufwindung,. Die erste Windung, der Magen, reicht stets weiter nach hinten als die übrigen drei typischen, sie ist die längste von allen. Be- kanntlich wechselt ihr Lumen, von dem kurzen, an den Pharynx sich anschließen- den Schlund abgesehen, beträchtlich je nach dem Verdauungszustande; bald gleichmäßig weit, bald hinten birnförmig aufgetrieben, ist es immer weiter als das der übrigen Schlingen oder des Dünndarmes. Schlinge 2 zieht, ziemlich lang, neben dem Magen gerade nach vorn zur Aorta, 5 und 4 sind bei jungen Individuen (4) kurz und reichen wenig nach hinten, sie biegen sich stark nach links hinüber; im Alter nehmen sie beträchtlich an Ausdehnung zu (G). 5 und 6 endlich liegen ganz dicht zusammen gerade in der Mitte unter der Kiellinie auf dem Intestinalsack;; sie können beim Öffnen eben so gut an diesem als an der Haut hängen bleiben. In der Jugend bereits sehr lang und bis hinter den Magen reichend, bleiben sie nachher im Wachs- thum zurück und werden an Länge von allen übrigen Windungen übertroffen. Win- dung 6 tritt endlich als Enddarm in den Lungenrand ein und verläuft rechts zum Athemloch, vor und über welchem der After sich zusammen mit dem Ureter in die Analrinne öffnet. — Typisch wie Zahl und Verlauf der Schlingen, ist eben so die mangelnde Aufwindung des gesammten Intestinalsackes. Der Magen verläuft gerade gestreckt, nirgends kommt eine der folgenden Windungen unter eine der früheren zu liegen. Es versteht sich von selbst, dass man Verbiegungen oder Abweichungen vom geraden Verlauf, welche durch einseitige Anschwellung der Genitalien ent- stehen, nicht mit Aufwindung verwechseln darf. — Über die Histologie des Darmes habe ich kaum Neues hinzuzufügen. Der Magen erscheint im frischen Zustande durch Muskelwirkung oft mannigfach längsgefaltet, wozu sich meist bloß im vor- deren Theil oder bis hinten Querbrücken gesellen, so dass eine wabige Abgliede- rung entsteht. Der Enddarm, so weit er im Lungenrande verläuft, ist, wie überall, sehr muskulös, innen voll kräftiger Längsfalten. Die Speicheldrüsen ziemlich groß, bis zu 2 cm lang, flach, weißlich, nur wenig in einzelne Lappen zerfällt, die dann für sich größere Blätter darstellen. (Die kleinen Drüsenmassen, die im Pharynxdach um die Mündung der Speichelgänge liegen und von Narera als kleine Speicheldrüsen bezeichnet wurden, sind hier nicht berücksichtigt [54].) Die beiden Lebern, welche Jourpaım mit Recht als Chylusdrüse »glande chylifique « bezeichnet wissen will (34), münden einander gegenüber am Ende des Magens ein, an der Umbiegung in den Dünndarm. Die linke Leber, die wie überall in zwei Lappen zerfällt, bildet, wie beiLimax tenellus (Fig. 13 II E), das Hinterende des Eingeweidesackes mit ihrem größeren Lappen, der kleinere schmälere legt sich nach vorn dem Darm an. Die rechte Leber reicht hinten kaum über den Darm hin- aus; und da sie die Darmwindungen 3 und 4 in deren Umbiegung eingebettet ent- hält, zerfällt sie in drei, oft scharf bis zum gemeinsamen Galiengange getrennte Ab- schnitte, die alle drei nach vorn gerichtet sind. Retraktor (Homologon des Spindelmuskels). Der kräftige Kopfretraktor, der in der Mittellinie am Rücken ein Stückchen hinter der Niere entspringt, hat im 44* 206, Heinrich Simroth, Allgemeinen einen einfach typischen Verlauf. Zuerst ein breites Band, theilt er sich bald auf einmal in den mittleren Pharynx- und die beiden Fühlerretrakto- ren. Der untere gabelt sich sehr bald wieder, um in zwei Strängen zum Pharynx zu ziehen. Jeder Fühlerretraktor geht als Hauptstamm zum Ommatophoren, giebt aber vorher noch ein Seitenbündel ab, das zum Hirn tritt und am kleinen Fühler und Semper'schen Organ endet. Dabei geht der rechte Ommatophorenretraktor und Ommatophor gekreuzt über den Penis. Abweichungen giebt es mehrere. Der Ur- sprung ist gelegentlich doppelt, bisweilen dreifach. Die beiden Ursprungsbündel verbanden sich in einem Falle ersi an der Theilungsstelle, so dass nun die drei weiteren Bündel sehr früh getrennt erschienen und von dem einen oder anderen Urstamme sich abzweigten. Weiter kommt eine schräge Querbrücke zwischen den Pharynxbündeln vor und dergleichen mehr. Die Geschlechtsorganel sind im Ganzen wohl bekannt. Die große röth- liche Zwitterdrüse, hinter dem Magen gelegen, mündet mit ihren Lappen einseitig in den weißen Zwittergang. Der windet sich, Anfangs gerade, bald stark geschwol- len vielfach auf, um schließlich wieder abzuschwellen und eine kleine Vesicula seminalis zu bilden, kurz vor dem Eintritt in den Eisamenleiter. Eiweißdrüse zu Zeiten groß, viellappig, zart gelblich. Der Ovispermatodukt lässt sich sehr weit hinauf trennen in den Ei- und den Samenleiter; letzterer, den JENTINcK mit seinen Prostatadrüsen am genauesten schildert, hat oben nur zarte Läppchen ansitzen und schwillt erst unten zu einem dicken Drüsenschlauch auf. Der Eileiter verjüngt sich nach dem Abgange des Samenleiters, um eine dieckwandige feste Röhre zu bilden, die sich unten wiederum flaschenförmig erweitert und dann von den Auto- ren, wohl mit Unrecht, meist als Scheide bezeichnet wird. Das Vas deferens schlingt sich an dem langen, weißen, darmartig gewundenen Penis hinauf bis zu dessen letztem Ende. Der Penis geht, wie oben angedeutet, unter dem rechten Ommatophor und dessen Muskel durch; er hat einen langen, kräftigen, gelegentlich allerdings beim Alkoholtode stark verkürzten Retraktor, der sich in der Mittellinie am Rücken nicht nur hinter Niere und Lunge, sondern noch hinter dem Kopf- retraktor inserirt. Unterstützt wird der Retraktor noch durch muskelreiches Binde- gewebe, welches sich als äußeres Band im oberen Theile einseitig am Penis hin- zieht, beim zusammengekrümmten Organ an der konkaven Seite; dieses Längs- muskelband wird hauptsächlich die spiralige Krümmung des ausgestülpten Penis veranlassen, indem er eine Art Columella bildet (s. u.). Das Receptaculum seminis, bei jungen Thieren (Fig. 3 I J) in den Ovidukt einmündend, sitzt bei alten, wohlin Folge einer vorhergegangenen Begattungsverzerrung, am Penis an als kurzgestielte rundliche Blase mit röthlichem Schleim gefüllt, Das Charakteristischste des Penis ist sein innerer Hautkamm. Er beginnt an der dem äußeren Längsmuskelband ent- sprechenden Stelle am oberen Ende bei der Einmündung des Vas deferens am höchsten und verliertsich allmählich nach unten hin (Fig. 5 L). Oft üindet man ihn bei sonst entwickelten Genitalien im ganzen unteren Drittel nicht mehr, wo wiederum hier und da, z. B. bei einem L. montanus, unregelmäßige, gänzlich atypische Muskelwülste aus der Wand herausspringen, denen keine weitere Bedeutung beizu- legen ist; bei anderen Exemplaren dagegen reicht er, flacher allerdings und flacher 1 VERLOREN’s Figur (70) von Limax cinereus stimmt im Ganzen, doch ist der Kamm nicht deutlich, das Vas deferens fälschlich roth und die Prostata röthlich. # Jentisck’s Angaben über die Limaxanatomie (29) sind hauptsächlich auf diese Art zu beziehen. Lawsov’s Beschreibung (36) bezieht sich durchweg auf Arion empiri- | corum. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 207 werdend, bis zur Einmündung des Receptaculums. So wenigstens fand ich’s bei einem Limax cinereoniger im Frühjahr, der in Folge des Aufquellens im Wasser den Penis zur Hälfte von der Basis aus vorgestülpt hatte (Fig. 6 M), so bei einem L. transsylvanicus mit völlig bervorgestoßener Ruthe, Und so scheint der Kamm bei Thieren, die zur Begattung schreiten wollen, bis unten herab entwickelt zu sein, nachher aber wieder theilweise zu schrumpfen oder sich in die Wand zurück- zuziehen. Im geöfineten Penis findet man oft gegen das blinde Ende einseitig unter dem Rande oder Kamm, der sich zur Halbrinne wölbt, Schleim und Samen; in Folge dieser Schleimanhäufungen und durch ungleichmäßige Faltung des Kammes er- scheint der Penis mannigfach kugelig aufgetrieben. Der untere flaschenförmig ver- dickte Theil des Oviduktes ist innen mit ringförmigen Drüsenwülsten ausgestattet (L, w). - Über die Begattung, die ich nicht selbst beobachtete, kann man sich nach den vorhandenen Litteraturangaben im Zusammenhang mit der Anatomie ein völlig sicheres Urtheil bilden, wiewohl noch bis in die neueste Zeit Zweifel und Unklar- heit herrschen. Zunächst muss die noch hier und da mitgeschleppte Vorstellung zurückgewiesen werden, als würde vom Vas deferens eine Spermatophore gebildet, — der Same wird frei als schleimige Flüssigkeit übertragen. Den Verlauf der Copula beschreibt vortrefflich (— von älteren kann abgesehen werden —) PURKYNE, der allerdings, wie man weiß, die Schnecke für Arion empiricorum hält (53). Auch hat er seine Befunde im Allgemeinen mit der Anatomie in Einklang gebracht, wo- bei freilich das äußere Muskelband und der innen auf derselben Linie aufsitzende Kamm übersehen wurden. Bekanntlich vollziehen die Thiere die Copula von einem Baumzweig etwa herabhängend oder, wie mir Herr Heynesann schreibt, so dass sie sich mit dem größten Theil der Sohle auf der Unterlage festheften und nur die Vorderkörper erheben. Sie umschlingen sich spiralig, belecken sich und treiben das übliche Vorspiel. Dann treten die Penes erst schwach heraus, um plötzlich durch gewaltigen Blutdruck zu hängenden Schläuchen fast von Körperlänge her- vorzuschießen. Nun beginnen Kontraktionen, die einen großen Theil des Blutes wieder nach dem Körper zurückdrängen und jeden Penis zu einem flachen, natür- lich hohlen Band machen, in dessen Hohlraum der Retraktor und das Vas deferens verlaufen. Beide Bänder umschlingen sich spiralig. Hierbei wirkt jenes Muskel- längsband, um jeden Penis in die Gestalt einer Spirale oder Wendeltreppe überzu- führen, dessen Achse es bildet; denn wenn die eine Längskante des flachen Penis- schlauches, eben das Band, sich verkürzt, muss sich die andere freie in eine Schraubenwindung legen. An der Spitze tritt nun aus den Samenieitern das Sperma aus, um in einen mittleren Hohlraum in der Achse der Wendeltreppe aufgenommen und durch entsprechende Kontraktionen nach dem Körper zu befördert zu werden; Thiere, in diesem Zustande am Anfange der Penes unterbunden und getrennt, hatten Samen außen auf den ausgestülpten Organen. Wenn Purkvne’s Beobachtungen so weit vortrefflich korrekt sind, so versteht man doch nicht, wie der von beiden Samenleitern ausgestoßene Same, der in einem einzigen Hohlraum emporsteigt, dann sich wieder scheiden und in die betreffenden Receptacula gelangen soll. Hier tritt ergänzend der Kamm ein; er legt sich, bei der Ausstülpung nach außen ge- kommen, bei der Umschlingung auf den Penis, zu dem er gehört, zurück und bildet so einen geschlossenen Kanal, in dem der Same bis ins Receptaculum auf- steigt, Der einzige Hohlraum wird also zu zwei in der Achse der umschlungenen Penes neben einander liegenden Kanälen, jeder von einem Penis und seinem | Kamme gebildet, Fand Purkyxe den Samen außen auf dem Penis, so hatte sich 208. Heinrich Simroth, eben bei der Trennung der Kamm wieder aufgerichtet. Gehen die Thiere aus ein- ander, dann bleibt wohl der zuletzt ausgestoßene Same noch in dem äußersten Theile des Kanales und findet sich nun in dem eingezogenen Organe unter dem Kamme wieder (s. 0.). BAUDELoT, den JourpAın citirt (33), denkt sich wohl den Verlauf der Copula in ähnlicher Weise, lässt aber das Sperma erst bei der Retrak- tion des Penis ins Innere gelangen, was weder mit Purkyne’s Beobachtungen noch mit der Thatsache harmonirt, dass Thiere, die sich getrennt haben, zuerst die Penes schlaff nachschleppen. Eier habe ich nicht mit Sicherheit gefunden. Es scheint wichtig, dass mehrere Autoren die Unbeständigkeit der Form und Anordnung betonen. Nach SEIBERT (58) sind die Eier seines L. Bielzii, die auf einem Haufen liegen, bald mit, bald ohne Zipfel an den Polen; nach Leumann (37) legt L. maximus 40—60 Eier von länglicher Gestalt, mit 5—7 mm langem größeren und 4 mm langem kleineren Durchmesser bald auf einen Haufen, bald rosenkranzartig verbunden. Sie sind glas- hell. Nimmt man noch ähnliche Bemerkungen an anderen Stellen dazu, wonach auch rundliche Formen vorkommen, so ergiebt sich ein ziemlich geringer Werth dieses Eies für die Systematik, nicht nur, was die Form anlangt, sondern es scheint auch vom Zufall abzuhängen, ob die einhüllende Schleimschicht bei zäherer Be- schaffenheit eine rosettenkranzartige Verbindung herstellt oder, gleich Anfangs reißend, jedes Ei gesondert austreten lässt. Niere. Die Lage der Lungenorgane bietet nichts Besonderes. Die Niere verbin- det den Boden der Lungenhöhle mit der Lungendecke oder dem Boden der Schalen- tasche ; unten ist sie mehr rechts, oben mehr links angewachsen (Fig. 8—10 O—R), hinten macht sie den Abschluss der Höhle, so dass als Athemraum ein großes brei- tes Hufeisen bleibt. Die Niere besteht aus zwei Theilen, der eigentlichen Harn- drüse und dem Ureter. Dieser aber kann wieder in drei Abschnitte zerlegt werden, den weiten rückläufigen Anfangstheil, der wie eine Scheide die Niere von rechts umfasst, die Nebenniere der Autoren, den eigentlichen dünnen Harnleiter, der aus jenem am Hinterrande der Lungenhöhle ausführt, zuerst am hinteren Lungen- rande, dann neben und mit dem Enddarm nach außen ziehend, — und die Schleim- drüse, die halbkugelig gewölbt an der Lungendecke liegt, dem Nierenkopf zu, um sich direkt in das Ende des Harnleiters zu entleeren. Die Mündung geht in die Analrinne, da wo diese außen den Wall um die Athemöffnung durchschneidet und mit dem letzten sichelförmigen Ende nach oben biegt. Die Endsichel ist die Öff- nung des Harnleiters. Die Niere selbst ist ein dünnwandiger Sack, der nur zum geringsten Theile frei mit der Unterseite in die Lungenhöhle sieht, sonst oben und unten angewachsen ist und im Übrigen vorn links vom Perikard, rechts in der ganzen Ausdehnung vom weiten Ureterabschnitt bedeckt wird. Der dünnwandige Nierensack ist innen aufallen Seiten mit einem annähernd gleichmäßig dicken, maschigen Blätterwerk versehen, welches als Epithel die Drüsenzellen mit den | Harnsäurekonkrementen trägt. Nur der äußerste vorderste Winkel ist frei von Drüsenbalken, und hier findet sich die feine schmale Spaltöffnung nach dem Ureter (R). Eine feinere Spalte, die Nierenspritze Berce’s, bewirkt die Kommunikation N zwischen dem Nierenraum und dem Herzbeutel, sie ist nur von letzterem aus zu | sehen, denn als ganz feine, nicht mit Flimmerepithel ausgekleidete Öffnung führt \ sie mitten in das drüsige Blätterwerk. Die Niere wird reichlich mit Gefäßen ver- | sorgt, die man als feine Bäumchen auf der Oberfläche beobachtet; der genauere | Verlauf wurde erst neuerdings durch NALerA festgestellt (54). Der Ureter umfasst | zunächst die Niere als ein weiter Spaltraum von sichelförmigem Querschnitt, der! Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 209 sich vorn am meisten rechts vom Herzbeutel vordrängt und hier wohl passend als Nierenkopf bezeichnet werden mag. Er fasst oben weiter über die Niere weg als unten, erstreckt sich bis ganz hinten und biegt hier in den dünnen Ureter um. Es ge- lingt nun, von der äußeren Mündung des Harnleiters her den ganzen Ureter aufzu- blasen, wobei derselbe namentlich am Kopf weit aufschwillt, ohne dass die Luft in die Niere selbst eindränge. Andererseits kann man die Niere durch eine Kanüle aufblasen und dann durch Druck die Luft nach dem Ureter entweichen lassen ; d. h. es ist wohl ein Ausfluss des Harns aus der Niere in den Ureter, aber nicht umgekehrt ein Rück- fluss möglich aus diesem in die Niere, der bei den mannigfachen Kontraktionen des Mantels leicht eintreten möchte. Erreicht wird solcher durch die Konstruktion der Öffnung zwischen Niere und Ureter. Diese, ein feiner, schmaler, die Wand schräg durchsetzender Spalt, wird auf der Ureterseite noch von einem feinen, ein- seitig über die Öffnung vordringenden Häutchen, das als Klappenventil dient, ver- deckt und verengert, ähnlich dem Tracheenverschluss mancher Insekten. Die Spalte selbst ist mit Flimmerepithel ausgekleidet1. — Noch ist bemerkenswerth, dass der weitere Abschnitt des Ureters, namentlich im Kopf, quer durchsponnen wird von sehr feinen Gefäßen (0), welche von der Niere. heraus zu den Gefäßen des Athemgewebes treten. Ihr Zerreißen beim Öffnen des Ureters giebt der Niere ein feinflockiges Ansehen, unter dem Mikroskop zeigen Sie sich, auffallend genug, mit hohem Epithel dicht ausgekleidet, und es will mir scheinen, als ob es sich hier um die feinen von Leypıs beobachteten Öffnungen handelte (46), sind doch bis in die neueste Zeit die ganz groben Risse an den Sinus der Seitenwand für venöse Öffnungen gehalten worden (51). Da auch der enge Ureter weiterhin von feinen Gefäßen durchsponnen wird, so komme ich auf die gelegentlich der Parmacella ausgesprochene Vermuthung zurück, die ihnen die Resorption von der Niere über- flüssig abgeschiedener Stoffe übertragen möchte (65). — Die Schleimdrüse, die sich am Ende in den Ureter öffnet, ist innen wabig oder papillär mit drüsigen Pol- stern. Welche Mengen von Schleim hier erzeugt werden, sieht man am besten beim Tödten eines Thieres in kalter Sublimatlösung, wobei von Zeit zu Zeit Massen scheinbar aus der Lungenöffnung entleert werden, die gleich zu dicken weißen Flocken gerinnen. Lunge, Herz, Blutlauf. In Betreff der Athmung hat sich mehrfach bis in die allerjüngste Zeit die merkwürdige Angabe eingeschlichen, dass Limax zum Unterschiede von den anderen Pulmonaten opisthobranch wäre. Der Irrthum stammt wohl von DELLE ChHiaJE, dessen Figur in Bronn’s Thierreich übergegangen ist. Während die arteriellen Bahnen und die venösen Sinus im Großen und Ganzen genau gezeichnet sind, sind die Verhältnisse der Lungenhöhle um 90 aus der natür- lichen Lage gedreht, daher Fig. 7 N diesen Theil der verbreiteten Zeichnung richtig stellen soll. Die Herzkammer sieht nach hinten, wo die Aorta heraustritt, die Vor- kammer nach vorn. Die Aorta theilt sich in die A. cephalica und die A. intestinalis, deren weiterer Verlauf im Allgemeinen bekannt oder doch von mir hier nicht weiter berücksichtigt wurde. Das venöse Blut wird hauptsächlich durch zwei starke seitliche Sinus von hinten her zur Lunge geführt, um die sich ein Circulus venosus herumzieht. Das Athemgewebe, das ein zwar recht vertieftes, aber doch ! Interessant ist ein Vergleich mit den Heteropoden, die L. JoLıer lebend untersuchte (34). Da hat Firola ein ähnliches Klappenventil, das den Rückfluss des Harnes verhindert, aber nicht zwischen Niere und Ureter, sondern zwischen Niere a Perikard, wo bei Limax keine besondere Sperrvorrichtung angebracht zu sein scheint. 210: Heinrich Simroth, einfaches Maschenwerk darstellt, keinen Schwamm wie bei Parmacella, reicht an der Lungendecke nach links nicht weit hinter den vorderen Nierenrand, rechts da- gegen bis hinter in den Zipfel des Blindsackes. Rechts schlägt es sich auch auf den Lungenboden herab und bedeckt als besonders dichtes Maschenwerk den Ureter- kopf, in starken Trabekeln von diesem zur Schleimdrüse herüberziehend und beide verbindend, so dass es Anfangs schwer wird, an das Nichtbestehen einer Kom- munikation zwischen beiden zu glauben; indess überzeugt man sich, dass die bei- den Vorwölbungen nur benutzt sind, um die Athemfläche zu vergrößern und ihre Gefäße in der ausgespannten Brücke möglichst frei zu legen. Die gesammelten Ge- fäße werden durch einen dicken Stamm der Vorkammer zugeführt. Weitere Einzelheiten sind bei NaLerA nachzusehen (54). Beim lebenden Thiere sieht man an der Mantelhaut, welche durch die Pulsationen des Herzens mitbewegt wird, dessen natürliche Lage am linken Mantelrande gegenüber dem Athemloch, etwas mehr nach vorn. Endlich mag noch mehr der Merkwürdigkeit halber Lawson’s Angabe, die Limaxlunge sei durch ein Septum in zwei Cavitäten getheilt (36), Erwähnung finden, da sie in GEGENBAURS Grundzüge der vergleichenden Anatomie (2. Auflage, p. 554) übergegangen ist. Wie schon oben angeführt, liegt eine Verwechslung mit Arion empiricorum vor; wichtiger aber ist, dass bei keiner der beiden Arten an ein derartiges Septum zu denken ist. Fußdrüse. Ganzin den Fuß eingelassen, scheinbar oft nur bis zur Mitte des Körpers reichend. In Wahrheit zieht sie fast bis ans letzte Ende, nur ist die letzte Hälfte meist schmächtig. Bei Thieren, die bei guter Beleuchtung lebhaft am Glase kriechen, sieht man den geschlossener gewordenen Ausführgang vorn in der Mittel- sohle, diese nicht in ganzer Breite erfüllend, etwa 4 cm weit durchschimmern, SEMPpER'SChes Organ. Jene Drüsenballen, welche von SEMPER zuerst ge- sehen wurden und sich im vorderen Pharynxumfang nach außen öffnen, sind wohl entwickelt. Jederseits unten ein großer stumpfviereckiger Ballen, hinter welchem der Lippenast des unteren Fühlernerven in den Mundlappen eintritt. Jederseits dar- über ein eben so langer aber schmälerer Drüsenballen, und nach oben, um den Pharynxansatz herum, noch drei bis fünf kleinere Läppchen. Das Ganze also ein aus Drüsenlappen gebildetes, unten offenes Hufeisen, das die größten Lappen, die Stollen bildend, nach unten zu hat. Dabei erhält der größte Ballen ein Muskel- bündel vom Retraktor des kleinen Fühlers, einen Ast des Ommatophorenretraktors. Unterstützt wird aber dieser Fühlerretraktor noch durch ein anderes feineres Bün- del, das unten in der seitlichen Kopfhaut entspringt und sich mit ihm vereinigt. Nase. Ist meine Auffassung der nervösen Doppelleiste, die sich bei Parma- cella unter dem Manteldach im Umfange der Anwachslinie von der Lunge über den Körper herüberzieht, richtig (64), dann muss konstatirt werden, dass sich das Organ beim großen Limax wiederfindet, aber bei Weitem nicht in der Stärke und Schärfe der Ausbildung, wie bei jener. Ein einfacher zarter gelblicher, nirgends scharf be- srenzter Wall zieht weit von der Analöffnung unter dem Manteldach nach links hinüber. II. Limax tenellus! (Taf. VIII und IX). Darm. Der gesammte Eingeweidesack steckt in einem zart schwarzen Mesen- |7 terium. Der Darm hat genau die sechs Windungen, wie beim maximus (Taf. VII, 1 Die Anatomie, welche SEnpEr (63) von L. tenellus, als einer allerdings frag- lich bestimmten Art gegeben hat, gehört nicht zu diesem Thiere, sondern vermuth- lich zu Agriolimax laevis. Darüber siehe Theil II. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 211 Fig. 12 D), nur gleichen alle in ihrem relativen Längenverhältnis mehr den jugend- lichen Thieren der großen Art, doch sind sie noch kürzer und dicker zu nehmen. Die Fixationspunkte sind dieselben, die Arteria cephalica und der Kopfretraktor. Der Magen ist kurz und weit, Windung 3 und 4 bleiben ganz kurz, 5 und 6 reichen am weitesten nach hinten, 5 bildet am Ende ein kleines Coecum, aus dem seitlich 6 entspringt. Der Magen frisch getödteter Thiere über und über wabig gekräuselt. Die Leber, die förmlich roth erscheint, ist sehr weich und teigig; bei der Kürze des Darmes springt die linke am meisten in die Augen; die rechte ist weniger scharf getheilt, sonst aber typisch. Der Retraktor entspringt als einfaches, breites Band in der Mittellinie hinter der Lunge. Erst in der Hälfte seiner Länge theilt er sich in die drei Zweige. Geschlechtsorgane (Taf. IX,Fig.4 B). Die dunkelbraun umsponnene kleine Zwitterdrüse hinter dem Magen giebt einen dunkelbraunen Zwittergang ab. Dieser schwillt nach unten beträchtlich aufund verjüngt sich wieder, um eine winzige kuge- lige, weiße Vesicula seminalis zu bilden, noch nicht von der Stärke des erweiterten Zwitterganges; auffällig aber ist es, dass dieser sich in seinem Verlaufe nicht windet und schlängelt, ähnlich den Agriolimaces. Die Eiweißdrüse gelb, zart, flockig. Der Ovispermatodukt im Verhältnis kürzer als bei L. maximus. Der Ovidukt, oben blass, wird nach unten gelblich, verjüngt sich schließlich rasch und bildet ein verdicktes gelbes Endstück. Der Spermatodukt (Prostata), oben ein ganz zarter Besatz, wird unten, wo er mit dem Ovidukt nur locker verbunden ist, ein weiter gelber Drüsen- schlauch. Ein kurzes weites, schwarz gesäumtes Vas deferens, das vor der Mün- dungsstelle trichterförmig mit lockerem Faltenkamme sich erweitert, führt von hinten in den Penis. An derselben Stelle setzt sich ein breiter Penisretraktor an, derin der Mittellinie vom Lungenboden vor dem Herzen entspringt. Der Penis mit seinem Retraktor kreuzt sich mit dem rechten Ommatophoren. Der Penis ein kürzerer, dicker weißer Schlauch, vorn mit einer Seitenanschwellung. Wo er mit dem Ovidukt zu- sammentrifft, sitzt die scharf gestielte, längliche Samenblase an. Der geöffnete Penis zeigt einen öhnlichen Kamm wie bei L. maximus (Taf. IX, Fig. 2 C), doch kein einfaches Längsband, sondern eine Art Kummet, das oben die Mündung des Vas deferens umfasst. Oben am höchsten, läuft der Kamm beiderseits nach unten niedrig aus. Während er aber an der einen Seite mit niedriger Wurzel entspringt, endet er an der anderen (C, &) mit einer flach vortretenden länglichen Scheibe, von deren fein gefalteter, drüsenreicher Oberfläche sich eine große Menge Schleim aus dem Scheibengewebe herausziehen lässt. Es ist wohl sicher, dass dieses Organ, ver- muthlich als eine Art Haftscheibe, bei der Begattung fungirt. Die Copula, die in den Herbst fällt, ist meines Wissens leider bisher noch nicht beschrieben. Eier werden nach LeumAnn (37) mehrmals in Haufen von 30—40 Stück ab- gelegt; sie sind rund, klar, durchsichtig, 2 mm im Durchmesser. Niere wie beim L. maximus. In der Lunge bildet das Athemgewebe ein flaches Netzwerk, aus dem nur die Hauptvene zum Vorhof als frei erhabenes Gefäß herausspringt. Prächtig ist die Kreisvene um die Lunge mit den in sie einmünden- den Sinus zu verfolgen. Von hinten her treten nur die beiden Hauptsinus, die parallel bis zur Schwanzspitze verlaufen, heran. Sie nehmen ganz unregelmäßig, . namentlich in gar keinem Zusammenhange mit der äußeren Hautrunzelung ihre Seitenzuflüsse auf, wenig vom Rücken, ein halbes Dutzend etwa von unten her, von der Sohle, doch so, dass diese Nebensinus bald von hinten nach vorn, bald auch von vorn nach hinten dem Hauptstrome zustreben. Von einem mittleren Kielsinus . ist keine Rede. Dagegen erhält der größere vordere Abschnitt der Kreisvene von 2128: Heinrich Simroth, den Hals- und Kopftheilen noch eine ganze Reihe unregelmäßig zutretender, be- liebig verästelter Zuflüsse, deren ich gegen zehn zeichnete. Die Fußdrüse erkennt man sehr schön durch die glashelle Mittelsohle, die beim Kriechen nur allmählich in die weißlichen Seitenfelder übergeht. Sie reicht bis zum Hinterende. Von beiden Seiten sieht man die Drüsenläppchen dem Miittel- gange deutlich ansitzen. Das Semper’sche Organeinähnliches Hufeisen, wie beim maximus, doch so, dass die Läppchen über dem Mundeingange zu einem einzigen größeren Ballen zu- sammengefasst sind. Das Hufeisen wird also im Ganzen aus fünf etwa gleich großen Ballen gebildet. Einen deutlichen Nasenwulst zu erkennen, gelingt kaum mit einiger Sicher- heit, da die zarte, weiche, fast flockige Haut gar leicht trügerische Fältelungen vor- weist. Bei Spiritusexemplaren sieht man eben, dass die Unterseite des Manteldaches rings in der Ansatzlinie ein wenig rinnenförmig ausgehöhlt ist. III. Limax nyctelius! (Taf. VIN). Die Anatomie stimmt auffällig mit der destenellus, ohne ganz damit zusammen- zufallen. Der Darm gerade so, vielleicht die freien Windungen 5 und 6 ein wenig kürzer, so lang wie der Magen. Einige wesentliche Unterschiede zeigen sich nur an denGenitalien (Fig. 44 A). Die hellere Zwiiterdrüse zweitheilig, was ohne Belang. Wichtiger, dass sich der Zwittergang mit dem Unterende in einige weite Schlingen legt, also sich dem Verhalten des L. maximus und der übrigen Limaxarten nähert. Sonst Alles wie beim tenellus. Nur die Falte im Inneren der Ruthe (Fig. 15 B) verläuft anders, als ein einfacher Kamm, der nicht wieder kummetartig herabsteigt, oben sich mehrfach fältelt, unten sich etwas verbreitert und durch eine mittlere Ein- senkung fast in zwei Schenkel theilt. IV. Limax coerulans Bielz. (Taf. VIII, Fig. 16) (= L. Schwabi v. Frild.). Die Genitalien dieser Art entfernen sich von denen der Gattungsgenossen so auffallend, dass eine Aufklärung wohl erst von genauer Bearbeitung der verwandten Gehäuseschnecken, der Vitrinen und Hyalinen, zu erwarten ist. Der Darm ist der echte Limaxdarm mit sechs Windungen, die anatomischen Verhältnisse sind überhaupt ganz wie beim maximus. Anders, wie gesagt, die Ge- schlechtsorgane. Man liest öfters zur Bezeichnung der Lage der Zwitterdrüse von Limax maximus: »frei neben dem Darm«, ein Ausdruck, der in Wahrheit allein für den coerulans Berechtigung hat. Dort kann er weiter nichts bedeuten, als dass sich die Drüse bis an die Oberfläche des Eingeweidesackes hervordrängt, während doch der Zwittergang in der Tiefe zwischen den Darm- und Lebertheilen hinzieht; hier dagegen hat wohl die rundliche hell lila-blaugraue Zwitterdrüse eine ähnliche, mehr nach vorn gerückte Lage, aber ihr Ausführgang hält sich völlig außerhalb des Intestinalsackes, wie es von der westafrikanischen Gattung Dendrolimax zu melden wäre. Die Anlage der Genitalorgane, die vom Ektoderm hereinwachsende Knospe, ! Das Originalwerk BoursvienAr’s, nach dem die Art zu bestimmen gewesen wäre, ist mir nicht zugänglich. Herr CLessin war so freundlich, mir einige jüngere Exemplare zu überlassen, die von Herrn LessoxA stammen. Weiter fand ich unter algerischen Sachen aus derselben Quelle ein erwachsenes Exemplar von der Größe des tenellus, das ich durch Vergleich mit jenen auf dieselbe Art beziehen zu müssen glaube. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 213 muss also von Anfang an eine andere Richtung eingeschlagen haben neben dem Intestinalsacke, da sie bei unseren übrigen Nacktschnecken mitten in ihn eindringt. Aus dieser veränderten Beziehung ergiebt sich ein wesentlicher Unterschied des hellen Zwitterganges, der in seiner ganzen Länge gleich weit und geschlängelt ver- läuft. (Der Befund wirft zugleich weiteres Licht auf die anderen Arten; die Streckung der oberen Zwitterganghälfte ist eine Folge des Wachsthums des ge- sammten Intestinalsackes, der die hinter dem Magen gelegene Zwitterdrüse mit nach hinten nimmt und so auf den Gang dehnend wirkt.) Eiweißdrüse und Ovi- spermatodukt bieten nichts Besonderes, bis auf ihre unteren Enden. Im Ganzen sind Uterus und Prostata, um die landläufigen Bezeichnungen zu gebrauchen, ziem- lich eng vereinigt, in einem Falle enthielt die letzte bauchige Auftreibung noch ein sroßes, zur Ablage fertiges Ei; von dem Punkte, wo sie nur noch äußerlich zu- sammenhalten, wird der Ovidukt dünnhäutig und spitzt sich zu, um schließlich nochmals zu einer dickwandigen, kurzen Flasche anzuschwellen und ins Atrium zu münden. Der Spermatodukt ist in seinem eigenen Verlaufe ein flacher glattwandi- ger Kanal, dem von beiden Seiten Drüsenfollikel ansitzen. Diese schwellen zuletzt an der Stelle, wo sich Samen- und Eileiter auch äußerlich trennen, zu einem dicken Drüsenring auf, der den Kanal von unten völlig umfasst und nur oben auf einen geringen Ausschnitt unterbrochen ist, wie man es auch an der von Hazay gegebenen Abbildung (15) wahrnimmt. Von hier an gleichen die männlichen Endorgane nur noch ganz oberflächlich denen desL. maximus. Der Samenleiter nämlich erweitert sich sofort zu einem offenen Trichter, der mit breiter Mündung in das kurze Atrium sich offen ergießt, so dass weder von einem eigentlichen Vas deferens, noch von einem Penis, der den Samen aufnähme und übertrüge, weiter die Rede sein kann. Unten, neben der äußeren Geschlechtsöffnung, sitzt dem Atrium das Receptaculum an, eine große längliche und langgestielte Blase. Nach oben aber und rechts, neben der Mündung des Samentrichters, hat das Atrium einen weiten Blindzipfel, der schließlich ein eylindrisches, schlauchförmiges, weißes Organ aufnimmt, das die Autoren für den Penis hielten, das aber wahrscheinlich als ein Pfeilsack zu gelten hat. Da wo derselbe, um ihn vorläufig mit diesem Namen zu belegen, ins Atrium übergeht, sitzt ein kurzer, kräftiger Retraktor an, der an der Decke der Leibes- höhle am vorderen Lungenrande entspringt. Das Atrium hat innen ein System paralleler, dicht gestellter Längsfalten, die von der Mündung in den Blindzipfel ziehen gegen den knorpeligen Lippenwulst des Pfeilsackes. Ein anderes System solcher Längsfalten zweigt sich vom ersteren ab in die trichterförmige Erweiterung des Samenleiters, in dessen Lumen rings hohe Blätter vorspringen. Der Pfeilsack erweist sich schon durch seinen Perlmutterglanz als vorwiegend muskulöses Organ, ein dichtes Netz von Längs- und Ringmuskeln bildet den Schlauch. Im Inneren. lässt sich ein eben solcher engerer dickwandiger Schlauch herausschälen von dem- selben Bau, der mit der äußeren Muskelumhüllung durch lockeres Bindegewebe verbunden ist; das Ganze also ein dickwandiger Schlauch mit engem Lumen, dessen Wand eine äußere und eine innere besonders dicke Muskellage hat. Drüsen- zellen, die höchst wahrscheinlich in der Brunstzeit den lockeren Mitteltheil der Wand ausfüllen, wurden vermisst, eben so jede Spur von Kalk oder einem Pfeil. ‚ So muss vor der Hand die Bedeutung des Organes noch als räthselhaft gelten. Schwieriger aber däucht mich’s, eine Vorstellung von der Copula zu gewinnen. Schwerlich wird mehr ausgestülpt als das Atrium bis zum Retraktor und die trichterförmige Erweiterung des Samenleiters, wie denn überhaupt alle Theile der Endwege im Bereich des Atriums mit diesem und der Körperwand durch vielerlei 214: . ‘Heinrich Simroth, kurze Muskelbündel eng verknüpft und schwer zu entwirren sind. Aus dem Samen- trichter kann man sich das Sperma kaum ohne großen Verlust nach außen fließen denken, und für das Wahrscheinlichste halte ich, dass der dicke Drüsenring des Samenleiters noch eben mit nach außen hervortritt und in die Öffnung des Receptaculums gepresst wird, nachdem das fragliche Organ als Pfeilsack das an- reizende Vorspiel ausführte. Oder ist dasselbe eine Drüse, deren Sekret dem Sperma Hülle und Form giebt? Hier haben ungarisch-siebenbürgische Zoologen durch Beobachtung eine auffallende Lücke auszufüllen. Zweite Untergaltung : Limaces mit sechs Darmschlingen und einem Blinddarm!'. V. Limax variegatus (Taf. VIII). Von Deutschland, England, Kreta und Syrien, als kaukasischer L. ecarinatus Böttger von Kutais untersucht. \ Darm (Fig. 417 D)2. Die Schlingen —4 genau wie bei den vorigen, so dass der Magen am weitesten nach hinten reicht, 5 und 4 kürzer als beim erwachsenen maxi- mus. Keine Aufwindung, sondern 7 und 2 ziehen gerade nach hinten und vorn. Zu diesen vier kommen eben so eine fünfte und eine sechste Schlinge, die in gleicher Weiseum den Retraktor herumgehen. Aber diese beiden Schlingen bleiben ganz kurz, und an der sechsten, dem Enddarm, sitzt ein langer, schlauchförmiger Blinddarm, der gerade unter der Kiellinie bis ziemlich zum Schwanzende zieht und mit dem Intestinalsack so wenig verbunden ist, dass er beim Öffnen der Schnecke bald an diesem, bald an der Haut haften bleibt. Der Magen dieses Thieres, bei der eigen- thümlichen Lebensweise und Ernährung von allerlei Speiseresten und Moder meist bräunlich gefüllt, kann beträchtlich aufschwellen, und ich fand ihn namentlich bei zwei syrischen Exemplaren so auffallend erweitert, dass sie in der hinteren Mantel- gegend stark verbreitert waren und nach hinten keilförmig sich zuspitzten, wodurch sie einen ganz anderen Habitus erhielten, als die bekannten schlanken Formen. Der Blinddarm war stets leer, er dient wohl entweder als Drüse, was bei der Anheftung am Enddarm unwahrscheinlich, oder als Resorptionsorgan, indem er nur die flüssi- gen Theile des Chymus durch antiperistaltische Bewegungen in sich einsaugt. Speicheldrüsen mäßig groß, etwas gelappt, weißlich gelb. Leber ziemlich klein, der Hinterlappen der rechten Hälfte am größten. An- ordnung wie bei den echten Limaces. 1 Da hier mehrere Arten zu vereinigen sind, welche im Darm wie in den übri- gen anatomischen Verhältnissen gut übereinstimmen, so könnte man auch eine be- sondere, dem Genus Limax eng verwandte Gattung aufstellen; nur fragt sich's, welcher Name für dieselbe Berechtigung hat. LEHMANN hat (44) für die eine ver- meintliche Art, die dann wieder eingezogen wurde, die Benennung Limacus vorge- schlagen. Mit der Art verschwand der Gattungsname. Vorher wurde für die andere, bisher im System ziemlich entfernte Species der Gruppenname Lehmannia von HEYNEMARN eingeführt, der sich meist für diese eine Schnecke erhalten hat. Die Un- sicherheit der Wahl hat Cressiın, der in der zweiten Auflage seiner Exkursions- molluskenfauna meinen bieflichen Angaben in gutem Glauben gefolgt ist, dadurch vermieden, dass er mir zu Ehren der Untergattung die Bezeichnung Simrothia bei- legte. So lange meine Angaben noch der allgemeinen wissenschaftlichen Aner- kennung harren, halte ich es für angezeigt, auch diese Gruppe unter den indifferenten Namen Limax zu subsumiren. - 2 Moguın -TaAndon (48) zeichnet nur die ersten vier Windungen im Ganzen richtig. SELENKA hat den Blinddarm entdeckt (62), worauf LEHMANN die Gattung Limacus gründete (39, 44). N Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 215 Den Retraktor sah ich gelegentlich mit drei Wurzeln, die sich bald ver- einigten, an gewohnter Stelle entspringen. Ziemlich weit unten erst tritt die Drei- theilung ein; der rechte Ommatophorenretraktor geht um den Penis, Geschlechtsorgane. Die helle oder bräunliche Zwitterdrüse hinter dem Magen istentweder kugelig aus vielen Lappen zusammengesetzt oder durch die Arterie in zwei Hälften geschieden, deren Ausführungsgänge sich erst später vereinigen (Fig. 148 E). Zwittergang weiß, stark geschlängelt, mit kleiner kugeliger Vesicula seminalis. Eiweißdrüse flockig, hochgelb. Ovispermatodukt gewöhnlich. Die Pro- stata oben schon stärker entwickelt als beim maximus, unten eine Strecke weit als dicker gelber Schlauch ablösbar. Bis zu der Stelle, wo sich der Schlauch abhebt, ist der gelbliche Eileiter jabotartig, dickwandig. Nachher verjüngt er sich mit ver- dünnter Wand, die durch ihre innere Struktur gut von dem oberen, das Eiweiß abscheidenden Theile geschieden ist; sie zeigt lauter dicht neben einander herab- ziehende drüsige Längswülste, Nach der Verjüngung schwillt der Ovidukt wieder an, um das flaschenförmige starkwandige Endstück zu bilden. In dieses, ziemlich weit oben, mündet der Stiel des ovalen Receptaculums. Das Vas deferens mündet oben in den ziemlich langen, walzenförmigen Penis. Der Penisretraktor entspringt in der Mittellinie vom Lungenboden, zwischen Niere und Herzbeutel. Penis und rechter ‚Ommatophorenretraktor kreuzen sich. Innen trägt der Penis (Fig. 49 F) keinen Kamm, sondern in der unteren Hälfte springen zwei sehr kräftige Längsmuskel- wülste vor, während oben die Wand dünner und vorwiegend fein quergefältelt ist. Der untere Theil des Oviduktes trägt innen bis zum Einsatz des Receptaculums einen zottigen Drüsenbesatz, die Zotten sind ringförmig gestellt. Bei einem Thiere aber zeigte sich der Theil darüber bis zum Grunde der flaschenförmigen Verdickung mit lebhaft purpurrothem Epithel ausgekleidet (E). Oben und unten ein wenig unterbrochen, besteht es aus flachen Zellen, deren jede eine oder mehrere roth- braune Konkretionen oder aber eine große fettglänzende Kugel enthielt!. Dasselbe Thier hatte im letzten Ende des Oviduktes bis zum Ansatz des Receptaculums ein flaches Schleimband stecken, das aus Schleim, Cylinderzellen, innen aber aus eng zusammengelegten Strängen von Spermatozoen bestand. Unzweifelhaft war eine Begattung kurz vorhergegangen. Im Receptaculum findet man bekanntlich meist einen röthlichen Teig, mit allerlei Detritus und Samenfäden. Es ergiebt sich daher der allgemein wichtige Schluss, dass der rothe Brei von dem verdickten flaschen- förmigen Theile des Oviduktes oberhalb des Blasenstieles, von einem Theile also, der den Penis nicht aufnimmt, gerade nur zur Zeil der Copula geliefert wird. Und zwar wird diese Masse nicht in das andere Thier übertragen, sondern gelangt un- mittelbar in demselben Individuum aus dem Ovidukt in das Receptaculum, ver- muthlich als eine Substanz, welche die Erhaltung und Lebensfähigkeit des aufge- kommenen Sperma zum Zweck hat. Bei der Copula, die bis jetzt meines Wissens nicht beschrieben wurde, dringt der Penis höchst wahrscheinlich, ganz anders als beim maximus, in den Ovidukt bis zum Receptaculum ein, wie aus demselben Be- funde hervorgeht. Der Same wird frei ohne Spermatophore übertragen. Auf- fallenderweise stammt die einzige Beobachtung eines ausgestülpten Penis von dem australischen Exemplar, das SELENkA .zergliederte (61). Mir selbst ist einmal ein halbwüchsiges Thier mit demselben Befund vorgekommen. — Die Eier sind be- . 1 Scumipr und JEextınck (56, 29) erwähnen einen ähnlichen rothen Ring bei Limax, doch ohne Angabe der Art. — Sollte die Unterbrechung des rothen Epithels nicht die Straße andeuten für den aus dem Receptaculum zur Befruchtung in den Ovidukt hinaufsteigenden Samen ? 216 - Heinrich Simroth, kanntlich klar, länglich oval und in einer Schnur angeordnet; dadurch, dass die umhüllende Schleimschicht zwischen zwei Eiern zusammensinkt, entsteht ein Rosenkranz, in welchem das einzelne Ei an beiden Polen spitz ausgezogen erscheint. Bei genauerer Betrachtung hat das ovale Ei einen schwach bläulichen Inhalt, in welchem der Dotter schwimmt. Die Hülle mit den beiden Zipfeln erscheint schwach bernsteingelb. Sie lässt sich aufschlitzen und abwickeln, woraus hervorgeht, dass sie als zähes Eiweißband sich an das Ei anlegte, während dieses unter dreimaliger Torsion um seine Längsachse im Ovidukt herabstieg. Nach Abwickelung der äuße- ren Hülle ergiebt sich, dass das eigentliche Ei an dem einen (oberen oder unteren?) Pole einen knopfförmigen Vorsprung hat. Die eigentlichen Eier selbst sind einander sehr gleich, die Schleimhüllen aber variiren so, dass die gezipfelten Gebilde, also die Eier mit aller Hülle, zwischen 7 und 44 mm in demselben Gelege schwankten. Die Niere, meist von brauner Färbung, wie bei maximus. Die Lunge eben so, nur fällt das starke Vorspringen der Trabekeln in der rechten Nische zwischen Niere und Enddarm.auf, wodurch die Lungendecke hier in eine Reihe tiefer Waben ausgehöhlt ist. Herz und Blutlauf eben so, die Aorta theilt sich unmittelbar nach dem Austritt aus dem Herzen in die beiden Stämme, die gleich weiter zerfallen. An dem einen großen venösen Sinus der Seitenwand wurde gelegentlich eine Auflösung in zwei Zweige beobachtet, die sich wieder sammeln, also eine Art Kollateralkreislauf. Die Fußdrüse reicht nicht bis hinten in den Schwanz. Das Semrper’sche Organ ist nur dadurch gekennzeichnet, dass die beiden untersten Lappen jederseits zu einem einzigen breiteren Ballen verschmolzen sind. Für die Bedeutung der Drüse will es gar nichts sagen. Denn untersucht man einen solchen Lappen näher, so ergiebt sich ein einfach drüsiger Bau ohne jede Beziehung zu Nerven oder Muskeln, außer dem kleinen Retraktor, der als Bündel des kleinen Fühlermuskels den untersten Lappen zurückzieht. Ein Lappen bildet eine Anhäu- fung einzelliger Drüsen, jede mit einem Ausführgange. Diese Kanäle sammeln sich zu einer Anzahl von Strängen, die neben einander die Haut durchbrechen, etwa wie ein Kamm, dessen Zähne durch das Integument nach außen gerichtet sind. Zwischen und um die einzelnen Drüsen ein bindegewebiges, kernhaltiges, inter- stitielles Balkennetz, das zugleich in dichteren Strängen die Ausführgänge bildet. Auffallend bleibt es, dass die Drüsen ohne jegliche Muskulatur sind, daher die Ent- leerung lediglich von der Sekretion abhängig sein muss. Da von einer Beziehung zu Nerven keine Spur, da auch die Drüsen rings um den Mund, außer unten, wo ‘die Fußdrüse einsetzt, sich öffnen und nicht bloß an der Mundlappenbasis, so ist es wohl das Wahrscheinlichste, dass sie auch keine andere Bedeutung haben, als die Fußdrüse zu unterstützen. Ja man kann wohl die Wahrscheinlichkeit steigern durch eine allgemeinere Betrachtungsweise, die so Jautet: Um den Mundeingang liegt eine Anzahl von Drüsenlappen, ursprünglich wohl ringsherum gleich, mit der Aus- bildung der Bauchseite zur Sohle nach dieser Seite hin an Größe überwiegend, zu- letzt so, dass der unterste Lappen zu einem großen Drüsenschlauch, der Fußdrüse, sich tief hinein in die Sohle erweitert. Die Nase reicht als breite Rinne an der Unterseite des Manteldaches von der Athemöffnung bis weit nach links hinüber. Der erhabene Ringwall davor bleibt ziemlich zart. VI. Limax arborum (Taf. IX). Zergliedert wurden Exemplare von Deutschland, der Schweiz, Oberitalien, Nor- wegen, var. figrina von Sachsen, Siebenbürgen, Algarve, var. Dianae von Sieben- bürgen. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten, 217 - Die Innenwand der Leibeshöhle, wie bereits Leypıs angiebt, schön schwarz pigmentirt, namentlich hinten, während nach vorn die Kalknetze mehr überwiegen. Darm genau wie bei L. variegatus, höchstens reicht der erste vordere Wendepunkt, zwischen der zweiten und dritten Schlinge, nicht ganz so weit nach vorn, der srößeren Länge der ungetheilten Aorta entsprechend. Auch hier war der Blinddarm stets leer, selbst dann, wenn alle sechs Darmschlingen sich gefüllt erwiesen. Die Speicheldrüsen klein, geschlossen dreieckig, weißlich oder gelb; die Leber oft erdfahl, oft lebhaft goldig rothbraun, oft dunkel olivenbraun. Retraktor völlig normal, wie bei variegatus. Geschlechtsorgane (Fig. 3D). Zwitterdrüse rundlich, braun, meist dunkel, doch auch blasslila, auch wohl durch die Arterie halbirt, hinter dem Magen. Zwitter- gang hell, geschlängelt, mit kleiner Vesicula seminalis. Die flockige Eiweißdrüse gelb. Ovispermatodukt etwas besser verbunden als beim variegatus. Eileiter weiß- lich, unten verjüngt, endlich wieder flaschenförmig verdickt; Prostata ähnlich wie bei der vorigen Art, weit, bräunlich am Ende. Vas deferens sehr kurz, eben so der Penis, ein kurzer, dicker, nach unten verjüngter Schlauch. Der Penisretraktor, der hinten am Lungenboden einsetzt, hat seinen Ursprung typisch am vorderen linken Nierenrande oder etwas schwankend weiter hinten am Nierenrande, immer aber vor dem -Kopfretraktor. Das längliche Receptaculum setzt mit seinem längeren Stiele nicht am Eileiter sich an, sondern ganz unten am Penis. Dieser ist ausge- zeichnet durch ein meist kurzes Flagellum, eine hornförmige Anhangsdrüse (siehe SEMPpER 63). Hier und da wird das Flagellum länger, bei einer var. tigrina von Portu- gal übertraf es den Penis beträchtlich an Länge, während es bei einem siebenbürgi- schen Exemplare derselben Varietät wiederum kurz blieb. Beim Öffnen ergiebt sich, dass dem Penis(E) ein innerer Kamm fehlt, während die Wände nach unten mit zwei starken Längsmuskelwülsten ausgestattetsind. Oben wird die Mündung der Schleimdrüse entweder von einem verdickten Ringwall umgeben, oder diese Verdickung bildet einen zungenförmigen Vorsprung im Hintergrunde (Fig. 4 E), der aber keineswegs immer gleich stark hervortritt. Wahrscheinlich ist er ähnlichen Schwankungen unterworfen, wie der Kamm bei L. maximus, ohne ihm sonst gleich zu sein. Er mag als Reizmittel oder was bei seiner Lage an einer Stelle, die bei der Ausstülpung aus der Haut erst zuletzt hervortritt, mehr zu vermuthen ist, bei der.Einführung des Penis in die weibliche Geschlechtsöffnung als Leitorgan dienen. Die hornförmige Schleimdrüse hat ganz die kräftige Ring- und Längsmusku- latur der oberen Peniswand, innen ein drüsiges Epithel. Nur das schwarze Pigment, das den Penis etwas durchspinnt, geht nicht mit auf dasHorn über, bei jungen Thieren zeigt sich’s in der Entwicklung als eine ganz geringe nischenartige Vertiefung der Peniswand. — Copula unbekannt. Zweifelsohne aber wird auch hier der Same frei ‚olıne Spermatophore übertragen, daher das Flagellum mit dem der Heliciden etwa, wo es an der Bildung der Patrone sich ..betheiligt, nichts zu thun hat. — LEHMANN giebt an, dass 20—30 Eier im Herbst isolirt unter die Baumrinde vertheilt wer- den. Ich fing eine Anzahl Thiere am letzten März 1884, von denen eines im Behäl- ter zwei einzelne Eier legte, länglich, klar, Durchmesser 3 und 4 mm; eben so traf ich zweimal nur je zwei Junge dieser so gesellig lebenden Thiere zusammen, so dass ich die niedrige Zahl eher als Regel annehmen möchte. Die Niere wie bei L. variegatus, doch mit sehr großer Schleimdrüse, die den Ureterkopf breit berührt. Die Lungengefäße erheben sich kaum aus der Wand. Von der Aorta wurde bereits gesagt, dass sie sich erst spät gabelt, später als bei allen Gattungsgenossen. 218 % Heinrich Simroth, Die Fußdrüse reicht bis hinten hin. Die Lappen des Semprr’schen Or- gans recht deutlich, länglich; der untere breitere zeigt leicht seine Ausführgänge. Die Nase, eine flache breite Rinne mit wenig erhabenem Wulste davor, lässt sich verhältnismäßig leicht bis nach links hinüber verfolgen. Zweite Gattung: Agriolimax. VIE. Agriolimax agrestis (Taf. IX). Untersucht von Deutschland, Norwegen, Schweiz, Tirol, Kleinasien, var. floren- tinus Florenz, var. panormitamus Kreta. Die Ackerschnecken haben ihren Intestinalsack sehr wesentlich anders ent- wickelt als die Limaces oder Wegschnecken, sowohl was die Darmwindungen, als dieDarm- und Leberlagerung angeht. Eben so different sind die Verhältnisse des Re- traktorsund der Genitalien. Es sind hier nur die vier typischenDarmwindungen (Fig. 5 D) vorhanden, die in die Leber sich einbetten und die durch die Aorta in 2 und 2 getheilt werden; 5 und 6, um den Retraktor herum, fehlen. Der End- darm geht einfach als vierte Darmschlinge vor dem Retraktoransatz in den Lungen- rand. Dabei ist der Magen nicht mehr wie bisher die längste Windung, sondern die kürzeste von allen, die Umbiegung von 3 in 4 bildet das Hinterende. Zu diesen Unterschieden kommt aber noch der vielleicht wichtigste, dass der ganze Einge- weidesack und damit der Darm eine Aufwindung erfahren hat mit dem Ende nach links, entgegengesetzt dem Weg des Uhrzeigers, so dass durch Hineinwachsen des Intestinalsackes mit schräg aufgerichteter Achse in den Mantel ein rechtsgewundenes Haus mit mäßiger Windung erzeugt wäre. Sonst sind die Verhältnisse die gleichen, an den Pharynx schließt sich ein kurzer Ösophagus, der in den weiten Magen führt. Die drei übrigen Schlingen bilden Dünn- und Enddarm. An letzterem sitzt, eine Strecke bereits vor der Bildung des Mastdarmes im Lungenrande, nach rechts ein kleiner Blinddarm (D, bd), der in seinen Längenverhältnissen etwas schwankt, hier und da das Doppelte von dem gezeichneten erreicht und dann bald vor- bald rück- wärts sichelförmig gekrümmt ist. Auch er ist niemals gefüllt. Es ist klar, dass dieser Blinddarm mit dem der zweiten Limaxgruppe nicht verwechselt werden kann, da der Enddarm beider nicht gleichwerthig, — daher bei den Versuchen, den Blinddarm als Eintheilungsgrund zu nehmen, nichts herauskommen konnte. Die Speichel- drüsen sind schlank und ziemlich reich zerschlitzt. DieLebern (Fig. 6 E) haben eine den Darmverhältnissen entsprechende starke Lageveränderung erfahren. Die Gallengänge liegen am Übergange des Magens in den Dünndarm. Während aber bis- her die linke Leber die Spitze des Intestinalsackes bildete, wird jetzt mit dem Dünn- darm die dreilappige rechte nach hinten verschoben, so dass sie zur Spitze wird. Die linke dagegen, die nicht mehr zweilappig erscheint, sondern ein einziger großer breiter Lappen ist, von vorn her mit einer Reihe von Einschnitten versehen, liegt ganz und gar schräg quer vor dem Magen. Also ein ganz anderer Situs viscerum als bei der vorigen Gattung. Der Retraktor entspringt hinter der Lunge in der Mittellinie mit einer, zwei oder drei Wurzeln, die sich dann sogleich vereinigen. Er ist schlank, namentlich theilt sich der Pharynxmuskel gleich vom Ursprung an in zwei lange freie Bänder; der rechte Ommatophorenretraktor geht, symmetrisch zum linken, direkt zum Füh- ler, gleich rechts vom Pharynx, ohne dass sich der Penis dazwischen schöbe. Geschlechtsorgane (Fig. 7 F). Die Zwitterdrüse hinter dem Magen, lang | | gestreckt, mit vielen Acinis, die nicht zu Lappen zusammengefasst sind, meist dunkel braun gefärbt. Der weißliche Zwittergang, sehr dick geschwollen, dann wieder Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 219 schmächtig mit ziemlich lang gestielter Vesicula seminalis, verläuft nicht geschlän- gelt, sondern fast gerade, wie beim L. tenellus. Der lange Eileiter meist zart lila, die Eiweißdrüse mehr ins Gelbliche, der Spermatodukt, Anfangs aus lauter Zipfeln und Blättern gebildet, wird am Ende dickwandig; beide Gänge bis unten dicht ver- einigt. Der freie Ovidukt verschmälert sich kaum, erscheint vielmehr gleich wieder bis zum länglichen Atrium in der ganzen Länge dickwandig gelblich drüsig; das flaschenförmig verdickte Unterende ist also eben so vorhanden wie bei Limax, aber der sich verjüngende Theil darüber bis zum Jabot ist sehr verkürzt (in der Figur gar nicht sichtbar). Das kurze Vas deferens mündet von hinten her in den weiten schlauchförmigen Penis, doch ein wenig unterhalb des blinden Schlauchendes. Das birnförmige Receptaculum sitzt mit kurzem Stiel gerade an der Vereinigungsstelle von Ovidukt und Penis. Neben der Mündung des Samenleiters sitzt am Penis noch eine aus mehreren, hier und da etwas verzweigten Schläuchen gebildete Schleim- drüse an, die man mit demselben Recht oder Unrecht, wie beim Limax arborum, als Flagellum bezeichnen darf. Meist vier kurze getrennte Schläuche, können sie auch hinter einander in einen Ausführgang sich ergießen, oder es bilden sich zwei Ausführgänge, oder es treten im Ganzen drei Schläuche auf (37), oder es theilen sich die Schläuche noch mehrfach, auch bei den einheimischen (was LeEssonA und PoLLo- NERA als ein Charakteristikum des panormitanus nehmen). Die Schläuche sind so gebaut, dass das drüsige Schleimepithel nur an der konvexen Seite sitzt, daher die Krümmung entspringt. An der anderen Seite bleibt das Epithel niedrig. Das Lumen liegt also excentrisch. Je größer das Thier, um so freier ragen die einzelnen Drüs- chen aus dem konvexen Bogen heraus, daher dann jeder Schlauch wieder kamm- artig in eine Menge kleiner Schläuche aufgelöst sein kann, wie beim florentinus etwa. Der kurze kräftige Penisretraktor sitzt einerseits an der Ruthe nicht ganz oben an, sondern nahe der Mitte, andererseits entspringt er von der Mitte des Lungen- bodens vorn vor Niere und Perikard. Penis und Penisretraktor kreuzen sich, wie bemerkt, mit dem rechten Ommatophor und seinem Muskel nicht. Nach unten zu hat der Penis noch eine seitliche Ausladung, entgegengesetzt dem Retraktoransatz, und endlich am Unterende noch mehrere ziemlich kräftige basale Muskelbündel, die ohne volle Regel aus der umgebenden Haut sich herauslösen. Beim Öffnen (Fig. 9 H) erkennt man, dass der obere Theil mit allerlei Faltenwülsten sich wieder durch einen Ringwall verengert, während in der unteren Ausladung der Reizkörper sitzt, ein konischer Zapfen, unten einerseits zwiebelig vorgetrieben, bald weißlich, bald gelb gefärbt mit violetter Spitze wie ein Cyclasfuß. Mit der Lupe bereits nimmt man wahr, dass er fein längsgefurcht ist (Fig. 40 J). Die sehr regelmäßige Furchung konvergirt nach der Spitze, wobei oft zwei Furchen verschmelzen ; andererseits setzt sich diese eigenthümliche Epithelfurchung in parallelen Linien auch auf den Ringwall und die . Wülste der oberen Abtheilung fort, dem zierlichen Bild einer Muschelkieme ähn- lich. Der Reizkörper, der in der Mitte einen feinen lakunären Doppelkanal hat (zur Schwellung durch Blut), besteht, wiewohl er knorpelig anzufühlen, doch zur Haupt- sache aus dichten mit einzelnen Kalkzellen durchsponnenen Muskeln, wie schon die freie Beweglichkeit beim Gebrauche beweist. — Die Thiere werden sehr leicht brünstig, so dass der Begaltungsakt unschwer zu belauschen ist. Der Copula, welche Schon HEYNEMANN und JoURDAIN recht gut nach dem Äußeren geschildert haben (18, 33), geht ein Vorspiel voran, indem zunächst nur die Reizkörper ausgestreckt wer- den, in voller Länge bis zur Basis, die jetzt bulbös nach hinten vorspringt. Die Thiere, die den Rammelplatz in einen Schleimfleck verwandeln, schließen sich im Kreise zusammen, indem jedes mit der Schnauze dem Schwanze des anderen sich Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 15 220 Ä | Heinrich Simroth, zuwendet (33). Dabei werden die Reizkörper mit der Spitze geißelartig geschwungen, über den Rücken des Partners gelegt und mannigfach spielend bewegt. Indem sie in dem Kreise sich immer nachlaufen, biegen sie sich mehr und mehr zusammen, so dass die Basen der Reizkörper sich hier und da einen Moment berühren (Taf. VII, Fig. 44 A); oder sie belecken sich gegenseitig, und wenn der Schleim an der Reiz- körperbasis weggeleckt wird, erfolgt eine schreckhafte kurze Bewegung. Ich habe dieses Vorspiel Anfang Juni vom Beginn an eine halbe Stunde lang beobachtet, worauf die Begattung erfolgte ; an einem nasskalten Tage Mitte Oktober dauerte es fast andert- halb Stunden bis in die Dunkelheit hinein, und noch wurde die Copula nicht vollzogen ; ein anderes Mal währte das Ganze dreiviertel Stunden. Kommt es zur Begattung, so werden die Penes schleunigst ganz ausgestülpt, die Thiere bewegen sich äußerst schnell spiralig gegen einander, als wenn sie sich in einander einbohren wollten, oder sie erheben sich mit dem Kopfende, sich mit dem Vorderkörper ähnlich um- schlingend, wie Limax maximus. Die Penes lässt HEYnEMAnN spiralig wie zwei Uhr- federn gegen einander wirken. In der That erscheinen sie sichelförmig, aber noch mit einem vorderen Anhang, der zuerst herauskommt. Die Ausstülpung ergreift näm- lich den gesammten Penis bis hinauf zum gemeinsamen Ausführungsgang der An- hangsdrüsen (Taf. IX, Fig. 8 G). Diese selbst pressen ihren Inhalt mit Gewalt aus, so dass sie völlig zusammenschrumpfen, der Ausführgang aber wird zuerst ausgestülpt, dann folgt der sichelförmige Penis, dessen Konkavität durch den Retraktor festge- halten und bewirkt wird. Man kann nur schwer die volle Form der Sichel mit dem vorderen Anhang beobachten und muss anatomisch das Bild vervollständigen, denn der ganze Begatiungsakt vollzieht sich in weniger als einer viertel Minute, während- dem die Thiere in heftig drehender Bewegung sind. Dabei starren die Reizkörper senkrecht nach oben in die Luft. Endlich werden Penis und Reizkörper zusammen eingezogen. Thiere mit völlig ausgestülpten Begattungsorganen (G) erhält man, wenn man sie in höchster Erregung, wo die Theile zum Ausstülpen bereit sind, in Alkohol wirft; die Kontraktionen der gesammten Haut treiben sie dann durch Blut- druck blitzschnell und völlig heraus wie im Leben. Das Hervortreten der Reiz- körper zum Vorspiel wird vermuthlich nicht durch Blutdruck geleistet, da dann die Wand blasig mit herauskäme, sondern durch die Basalmuskeln, welche die untere Wand des Penis gegen die Haut zu verkürzen und so den Inhalt, d. h. den Reiz- körper, herauspressen. Dass der schiefe Ansatz des Retraktors die sichelförmige Krümmung der ausgetriebenen Penisblasen bewirke, ist schon bemerkt. Thiere, die unmittelbar nach der Copula geöffnet werden, zeigen die Anhangsdrüsen in dem kontrahirten Zustande der Fig. 1% L und 43 M, dagegen mit weitem Ausführgang, der ja mit ausgestülpt war. In Fig. L sind die Drüsenschläuche völlig verschwunden, indem sie bis ins Wandniveau des Ausführungsganges herabgedrückt wurden. Wie diese Drüsen nach Lage und Form, namentlich nach der Copula wechseln, so bringt es die Anheftung des Retraktors unterhalb des Endes mit sich, dass gelegentlich der Insertionspunkt beim Zurückziehen des Penis zum hintersten Punkte gemacht wird, daher dann die Drüse nicht am Blindende ansitzt, sondern ein Stück davor nach der Mitte zu, wie in Fig. 14 N von einem echten agrestis von Magnesia. Ähnlich wird der äußere Umriss der Ruthe verändert dadurch, dass der Reizkörper mit der Spitze bald nach oben, bald nach unten sieht (ZL und M). Man muss sich hüten, aus der- artigen Abweichungen ohne genauere Untersuchung der anatomischen Ursachen, auf eine neue Varietät oder gar Art schließen zu wollen. Ein Penis mit Reizkörper und ‚gegabelter oder beliebig zerspaltener Enddrüse bleibt das echte Merkmal der Ackerschnecke. : Eine gewisse Bedeutung für die Entstehung mag ein Reizkörper Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 291 ‚haben, der bei einem kretensischen Individuum von Sitia, an der unteren Seite gegen die Spitze rinnenartig ausgehöhlt war (Fig. 45 O), so dass er als ein zusammenge- wachsener doppelter Faltenwulst genommen werden kann. Die Drüse saß hier durch zufälligen Retraktorzug in der Mitte, der Blindsack aber, der in solchen Fäl- len von der oberen Abtheilung gebildet wird, sah zum Ausstülpen fertig schon um- gekrempelt nach innen, da das Thier wahrscheinlich unmittelbar aus der Copula gesammelt war. — Die Untersuchung jener Thiere, die es nicht übers Vorspiel ge- bracht hatten, ergab, dass im oberen Theile des Penis je eine Masse gelblichen Samens stak, feine Bänder, zu einem rundlichen Körper aufgewickelt und das ganze ‚von einer starken Schleimschicht umgeben, so die unvollkommenste Stufe einer Spermatophore darstellend. Das Sperma wird also hier nicht in fließendem Strome ‚übertragen, wie bei Limax, sondern in einer weichen Patrone. Nun habe ich aller- ‚dings (66) von jenen Thieren, die sich im Juni begatteten, bekannt gemacht, dass ‚nur das eine, kleinere, seine Samenpatrone zur Hälfte in das Receptaculum des größeren übertragen und die andere Hälfte noch im oberen Theile des Penis hatte; beide Theile aber waren zusammenhaltende, hellbräunliche längliche Ballen, wie es der Natur der weichen Patrone entspricht. Dabei wurde zugleich bemerkt, dass das größere Thier weder Sperma im Penis führte, noch ins andere Receptaculum übertragen hatte; freilich auffällig genug. Hatte es die Copula mit seinen männ- ‚lichen Organen nur aus weiblichem Reiz vollzogen? oder war die Patrone bei der heftigen Bewegung nebenbei verloren gegangen? Auf dem Rammelplatz fand ich sie nicht. Für die erstere Möglichkeit tritt aber die Thatsache ein, dass bei ganz jungen Thieren dieser Art oft bereits der Penis entwickelt ist und die Zwitterdrüse voll freier Spermatozoen (mit jungen Eiern in der Wand), während die weiblichen Organe noch ganz unvollkommen erscheinen. Die Fig. 41 K, welche dieses Verhält- nis zeigt, entstammt einem Thiere von 4,4 cm Länge. Die frühe Fortpflanzungs- fähigkeit der Art ist bekannt; hier zeigt sich, dass die männliche Reife zuerst und sehr früh eintritt1. — Selbstverständlich wird bei Thieren von so geringer geistiger ‚Begabung die geschlechtliche Vereinigung lediglich auf inneren Reiz erfolgen ohne das psychische Moment der persönlichen Zuneigung. Wie es aber selbst noch nach der Einleitung gegenseitiger Beziehungen völlig ausgeschlossen bleibt, lehrt folgen- der Fall, der bei stärkerem Regen nach längerer Trockenheit und daher allgemein - gesteigertem Geschlechtsreiz sich häufiger finden dürfte. Zwei Thiere, a und b, ‚waren im Vorspiel begriffen. Ein drittes, c, berührte auf seinem Wege zufällig das eine; sofort steckte es den Reizkörper aus und trat dazu, indem es unter tastenden Schwingungen des Reizorganes die langsame Kreisbewegung mitmachte. Dabei ‚passirte es abwechselnd, dass das eine oder. andere Thier seinen Partner wechselte, so dass also verschiedentlich a und c, b und c, a und b in bunter Reihenfolge mit einander spielten, je nachdem sich zufällig der Vorderkörper des dritten zwischen die anderen einschob. Verschiedene Male wollte a mit c oder db mit c zur Copula ‚schreiten, die aber immer wieder durch das dritte gestört wurde. Schließlich 1 Es braucht wohl kaum betont zu werden, dass unsere Zwitter die männliche Reife im Allgemeinen etwas vor der weiblichen erlangen ; werden sich doch die Eier erst nach der Begattung lösen. So sieht man bei Limax maximus (Taf. VIII, Fig.31J), . dassin der That der Penis stark entwickelt ist auf früher Stufe. Doch ist diese Diffe- renz nur untergeordnet, und eine wirklich funktionsfähige Ruthe findet man erst bei erwachsenen Thieren mit weitem jabotartigen Ovispermatodukt. Nur die Eiweiß- drüse ist zur Brunstzeit noch wenig geschwollen und erlangt erst nach der Copula ihren großen Umfang. Einseitige Begattung ist, wenn auch sehr vereinzelt, bereits früher bei anderen Pulmonaten beobachtet (45, p. 77). 415* 222. Heinrich Simroth, negatteten sich durch zufällige Kombination a und d, während dessen c außen lang- sam weiter kreiste. Wenn natürlich bei den Zwittern von geschlechtlicher Aus- und Zuchtwahl keine Rede sein kann!, so wird doch durch diese Beobachtung jeder Gedanke an individuelle Unterscheidung zurückgewiesen, wie ja vielleicht noch größere Gleichgültigkeit von den allerdings nicht kreuzweise verbundenen Lim- naeen u. a. bekannt ist. Von ce stammt Fig. 8 G. Die klaren runden durchsichtigen Eier sind bekannt, sie werden mehrmals in Haufen von 30—40 Stück abgelegt; Durchmesser etwa 2 mm (37). Niere, Herz und Lunge wie bei Limax. Nur hat die Niere, die im Ureter und der schwächer entwickelten Endschleimdrüse übereinstimmt, in so fern eine Abweichung, als der eigentliche Drüsenraum nicht rundlich abgeschlossen bleibt, sondern eine schwache zipfelförmige Ausladung am Lungenboden nach rechts hin- übertreibt unter den Enddarm. Auch sieht man von unten her in die groben Spal- ten des Blätterwerkes hinein, da sie hier sich bis auf die untere Nierenwand hin- durchstrecken; diese trägt nur vereinzelte Drüsenfalten, die seitlich und oben so dicht werden wie bei Limax. DieFußdrüse, deren Kanal allerdings bis nahe zum Schwanzende zu ver- folgen ist, trägt doch nur im ersten Drittel einen stärkeren Drüsenbelag, der dann ‘plötzlich verschwindet. Das SeEmper’sche Organ mit gut getrennten unteren Lappen wie bei Limax. Die Nase als Rinne und Wulst ganz gut bis nach links hinüber zu verfolgen. VIII. Agriolimax laevis (Taf. IX). Nur deutsche Exemplare sind untersucht aus Sachsen, von Halle, Ochsenfurt, Breslau. Vielleicht ist auch der hyperboreus Westerlund von der Beringsinsel hier- her zu rechnen (Ss. u.). Intestinalsack schwarz umkleidet. Der Darm (Fig. 16 B) hat dieselben Ver- hältnisse wie beim agrestis; Magen eher noch kürzer, kein Blinddarm am Ende; Speicheldrüsen schlank und ziemlich stark gelappt. Die linke Leber eben- falls ganz nach vorn, ein flaches gleichschenkeliges Dreieck, dessen breite Basis, schräg nach vorn gerichtet, sehr zierlich in etwa ein Dutzend Schlanke Zipfel zer- fällt; die rechte Leber bildet die Spitze des Eingeweidesackes. Leberfarbe meist schön moosgrün. Der schlanke Retraktor, auch wohl mit dreifacher Wurzel, wie beim vori- gen; der rechte Ommatophor kreuzt den Penis nicht. Geschlechtsorgane (Fig. 47 C). Wie die inneren Organe überhaupt, sind meist die Genitalien sehr lebhaft gefärbt. Dann ist die Zwitterdrüse dunkel kastanien- braun, traubig. Der Zwittergang kaum gewunden, nie dicht geschlängelt, meist dunkel pigmentirt, mit heller Vesicula seminalis am verjüngten Ende. Eiweißdrüse hochgelb ; der mäßig lange Ovispermatodukt oben hell weißlich, dann meist schön kastanienbraun, und zwar bald die Drüsenblätter der Prostata, bald die Manschet- ten des Eileiters dunkel. Die beiden Schläuche eng vereint. Der getrennte Ovidukt kurz, drüsig; eben so kurz das Vas deferens, das nicht ganz an der Spitze seitlich in den Penis mündet. Das Receptaculum wie beim agrestis. Der Penis ist von eigenthümlich hammerförmiger Gestalt, indem der weite Schlauch oben jederseits eine Ausladung hat, meistens mit besonders reichlichem Pigment. Gerade am 1 SEMPER (64, p. 266) bespricht wenigstens die Möglichkeit, dass bei den Land- lungenschnecken Antipathie ein Faktor der geschlechtlichen Zuchtwahl sein könnie. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten, 223 Oberende, zwischen beiden Ausladungen, sitzt der kurze Penisretraktor an, der, ohne mit dem rechten Ommatophor sich zu kreuzen, andererseits am Lungenboden weit vor Herz und Niere sich befestigt. Unten hat der Penis die seitliche Ausladung mit dem Reizkörper. Dieser ist kürzer als beim agrestis und schwächer gefurcht, während sonst die Wände des Schlauches eben so durch zierliche Furchen gekenn- zeichnet sind. Die inneren Wülste sind weniger charakteristisch, doch besteht auch hier deutlich die obere und untere Abtheilung. Die Gopula und das Liebesspiel, die jedenfalls ähnlich sind wie beim agrestis, nicht beobachtet. Wohl aber störte ich zufällig zwei Thiere gerade im Begattungsakte und fand auf der Haut des einen eine kleine Schleimpatrone voller Samen im Innern (Fig. 19 E). Bei der Sektion war der eine Penis leer, der andere hatte noch eine weiße Patrone in der oberen Ab- theilung; sie ließ sich durch Druck hin und her schieben und kam dann mit der Spitze in die kleinere Ausladung nach dem Vas deferens zu. Es ergiebt sich somit, dass die größere als Schleimdrüse fungirt; die kleinere aber wird bei der Ausstül- pung eine Sichelform des Penis bewirken müssen, trotz der endständigen Anhef- tung des Retraktors, die für sich nur ein gerade ausgestrecktes Glied bedingen würde (SEmpER beschreibt eine gleiche Anhangsdrüse als kurzes Flageillum von einem fraglichen Limax tenellus von Triest und von Limax brasiliensis n. sp., Thieren, die mit einiger Sicherheit zu unserem Agriolimax laevis bezogen werden können [63]). — Kurz habe ich bereits die Thatsache veröffentlicht, dass ich vom Agriolimax laevis an derselben Lokalität drei rein weibliche Thiere fand (66). Dem dritten ist die Abbildung entnommen (Fig. 22 H). Wie man sieht, fehlt der Penis vollständig, eben so das Vas deferens, eben so der Spermatodukt, während als Rest von dessen Drüsenbesatz oder der Prostata ein Paar ganz kleine Drüsenläppchen vorhanden sind, die ohne eigentlichen Zusammenhang an dem weiten Eileiter an- sitzen, Zwittergang nicht aufgetrieben, Zwitterdrüse klein, ohne Sperma, nur mit Eiern. Ich habe ferner hervorgehoben, dass auch diese Art sehr früh und zu ver- schiedener Jahreszeit fortpflanzungsfähig wird, indem nur Thiere von 0,75 cm Länge, im Leben ausgestreckt, sich als noch nicht geschlechtsreif erwiesen. In- zwischen habe ich weitere ähnlich junge Individuen untersucht, mit demselben Resultat, sie waren weiblich. An einer Serie eben solcher kleiner Thiere von Ochsenfurth ließ sich das Räthsel lösen. Einige waren gerade so wie Fig. H, ein weiteres aber hatte bei gleich vollkommenen weiblichen Organen die ganz kleine Auftreibung im Anfang des Blasenstieles vergrößert, wenn auch noch nicht auf die Größe des Receptaculums, es entwickelte sich nachträglich ein noch rudimentärer Penis (Fig, 20 F). Hier liegt also der Fall vor, dass die weiblichen Genitalien im Allgemeinen früher reif werden. Ausnahmsweise können aber auch, wie es scheint, die männlichen zuerst reifen, überhaupt zeigt die Penisentwicklung merkwürdige Unregelmäßigkeiten. Ein kleines Exemplar von 4,2 cm Länge hat bei noch nicht reifen weiblichen Theilen, kleiner Zwitterdrüse, engem Ovispermatoduktetc., einen auffallend langen, aber ganz abnormen Penis (Fig. 24 G); ein enger langer Schlauch, dessen mittlere Einschnürung die Abgliederung in eine obere und untere Hälfte stark anzeigt, ohne Reizkörper und abgetrenntes Flagellum. Zu sehr kleinen Exem- plaren würde man vermuthlich zurückgreifen müssen, vielleicht selbst bis ins Ei, ‚ wollte man die Genitalien in Gestalt des feinen Fadens finden, wie beim Limax maximus etwa noch verhältnismäßig spät. So bekommen wir bei unseren Agrio- limaces nicht nur eine sehr frühe Geschlechtsentwicklung, sondern auch eine zeit- lich ungleiche Ausbildung der verschiedenen Theile; und zwar scheint Agr. agrestis _ meist proterandrisch, laevis meist proterogyn, seltener auch proterandrisch zu sein, 224 Heinrich Simroth, nach Analogie der Pflanzen zu urtheilen, gewiss der erste wichtige Schritt zur ge- schlechtlichen Trennung der Zwitter. Die Eier sind denen der Ackerschnecke ähnlich, rundlich, glashell, 20—30 absatzweise in Haufen, Durchmesser 4,25—2 mm (37). Ein halbwüchsiges Thier, das ich nach Weihnachten 1883 im Freien traf, legte bald acht Eier, etwa halb so groß als die der Ackerschnecke, auf einen Haufen, ein wenig durch hellen Schleim verbunden. Niere, Herz und Lunge wie bei der vorigen; die Aorta bleibt auf weithin ungetheilt, länger als bei irgend einem Limax. Der Pulsschlag des durchschimmern- den Herzens wiederholt sich 90—400mal in der Minute. Sehr schön sind die seit- lichen Sinus zu sehen, namentlich der linke, dessen Äste sich sammeln, ganz unab- hängig von den Runzeln, wie beim L. tenellus. Der Sinus bleibt oft gleichmäßig offen stehen, ohne im geringsten den Pulsschlag mitzumachen, also echt venös. Die Fußdrüse reicht bis hinten hin. Das Semrer’sche Organ, mit mehreren länglichen Läppchen, hebt sich um so schärfer ab, als die Haut um den Mund sehr dünn und zart ist. . Die Nase lässt sich als Leiste und Rinne mit Mühe bis auf die Mitte verfolgen. IX. Agriolimax melanocephalus (Taf. IX). Diese kaukasische Art schließt sich am besten an unseren laevis an. Der Ein- geweidesack ist hinten schlank zugespitzt und steckt mit der Spitze in einem schwarzen Mesenterium, das nach vorn heller wird. Der Darm ist etwas mehr aufgewunden, ohne Blinddarm. — Zwitterdrüse (Fig. 23 IX) dunkelbraun, die übrigen Genitalien hell; aber trotzdem die Thiere in Spiritus reichlich 3 cm maßen, waren sie kaum wirklich geschlechtsreif, vielmehr der Ovispermatodukt noch ziemlich dünn etc. Der Penis ein kolbiger Schlauch, der mit dem oberen verdickten Ende schraubig eingerollt ist. Er entbehrt völlig eines Flagellums und eines Reizkörpers. Der Retraktor setzt am Hinterende an und vor der Niere am Lungenboden. i X. Agsriolimax Dymezewiczi (Taf. IX). Die Art, von der ich Exemplare aus der Krim vor mir hatte, gleicht im Darm dem laevis, in so fern als die vierte und letzte Windung ohne Blinddarm bleibt. Die Genitalien sind wie bei den vorigen, bis auf den eigenartigen Penis (Fig. 25 B). Einähnlicher Sack, wie beim agrestis; doch bleibt dieAnhangsdrüse einfach, lang und nur hier und da etwas aufgetrieben, innen finden sich ähnliche wulstartige Wand- verdickungen, aber es fehlt der Reizkörper. Im eingezogenen Zustande sitzt, wor- auf nicht viel ankommt, die Drüse nicht am Ende, sondern die obere Abtheilung des Penis springt als besonderer Blindsack vor. Die Wülste sind namentlich in der unteren Hälfte stark, sie bilden eine elliptische Falte, deren freie Ränder sich eng zusammenlegen und einen spaltförmigen Raum umschließen. Besonders die zuge- wandten Flächen dieses von der Falte gebildeten Raumes zeigen die charakte- ristische Riefung, so stark, dass sich die Oberfläche in feinsten starren Fransen ab- fasert. Dass das Organ völlig entwickelt, beweist der glückliche Fund eines Thieres mit ausgestülptem Penis (Fig. 24 A). Hier sehen wir vorn die dicke Doppelfalte, weiterhin die Drüse und den Blindsack des Penis ganz umgekrempelt. Der zuerst vorkommende schmächtigere Theil muss wohl hier wie bei den vorigen als Leitorgan aufgefasst werden, um bei der stürmischen Copula den Penis in die andere Ge- schlechtsöffnung einzuführen und zu befestigen. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 225 XI. Agriolimax berytensis (Taf. IX). Die syrische Ackerschnecke hat ganz den Darm des agrestis, d. h.dı mit Blind- darm. Die Genitalien sind von demselben Bau; aber der Penis, der eine dicho- tomische Anhangsdrüse trägt, ist ohne Reizkörper, dem der vorigen Art ähnlich, mit etwas differenter Wulstbildung (der untere Wulst bildet eine einfache Längs-, keine elliptische Doppelfalte). Dass der Mangel des Reizkörpers auch hier keine Folge unfertiger Entwicklung, bewies neben der Beständigkeit des Befundes wieder- um ein erwachsenes Exemplar mit ausgestülptem Penis (Fig. 26 XI A und B). XII. Agriolimax Maltzani n. sp. (Taf. IX). Bei dieser südportugiesischen Art (von Algarve) gleicht der Darm ganz dem des laevis, ist also ohne Blinddarm; der Penis dagegen gehört zu agrestis, denn er hat einen langen Reizkörper und eine lange endständige Drüse, die allerdings, wie beim laevis immer, beim agrestis seltener, zurückgeschlagen ist, die aber, wie beim laevis niemals, hier und da knotig anschwillt und auch wohl an der Basis einen kleinen Nebenschlauch treibt. Man erhält völlig den Eindruck, als hätte man einen agrestis vor sich mit besonders einfacher Anhangsdrüse, wie sie bei diesem Thiere gelegentlich vorkommt. Dritte Gattung: Amalia. XIII. Amalia marginata (Taf. X). Untersucht von Grimma und Ochsenfurt. Der Darm (Fig. 4 E) mit den typischen vier Windungen, die zum Intestinalsack gehören, Die Längenverhältnisse wie bei Agriolimax, so dass 5 und 7 am weitesten nach hinten reichen, aber die Aufwin- dung des Darmes und Eingeweidesackes übertrifft die des Agriolimax um ein Mehr- faches. Der Magen ist scharf gegen den Dünndarm abgesetzt. Die Magenwand ziemlich stark, stärker als bei allen vorigen Arten. Die Speicheldrüsen weiß- lich kompakt, kaum etwas gelappt. Die Leber ist der Anordnung nach wie bei den Ackerschnecken, so dass die rechte die Spitze des Eingeweidesackes bildet; doch sind alle Abschnitte viel schlanker und wieder in viele gut getrennte Läppchen zerlegbar; die linke Leber, die zwar nach vorn liegt, ist doch wieder in ihre beiden sehr schlanken Hauptlappen zerfallen, die sich dem Darm nach vor- und rückwärts anschmiegen. Die Lebern münden gerade gegenüber genau in der Einkerbung zwischen Magen und Dünndarm, und wenn der Hauptgallenerguss in den Magen sich richtet, so geht doch von jeder Mündung eine Rinne in der Wand des Dünn- darmes. Beide Rinnen vereinigen sich zu einer einzigen, die von zwei Längswülsten begleitet ist, und führen weit hinter in den Dünndarm, um den Chylus zu vertheilen. Der Retraktor entspringt einfach, hinter der Lunge, er theilt sich bald in drei Theile; der rechte Ommatophorenmuskel verhält sich wie bei Agriolimax, d.h. er kreuzt den Penis nicht. Geschlechtsorgane (Fig. ! B). DiezartgraublaueZwitterdrüse sitzt gestreckt dem Zwittergange seitlich an, wie beim L. maximus; der weißliche Zwittergang stark geschlängelt mit schlanker Vesicula seminalis. Eiweißdrüse viel gelappt, hoch- gelb. Ovispermatodukt in ganzer Länge gut vereinigt; die Manschette des Eileiters gelb, viel weniger quellend als bei den anderen Schnecken; der Spermatodukt nur blass, wenig drüsig, am Ovidukt herablaufend. Der freie Ovidukt läuft nach der Ab- trennung ziemlich dickwandig zum Atrium, ihm sitzt unten der schlanke Blasenstiel an; das Receptaculum ist gestreckt rhombisch, und seine Spitze ist durch musku- löses Bindegewebe fester an die erste Windung des Eisamenleiters geheftet, als bei 236. Heinrich Simroth, den Limaces. In vielen Fällen ist der Blasenstiel gerade gestreckt, und ihm erst sitzt seitlich der Ovidukt an, natürlich nur eine Verbiegung, die aber bei der Copula für die bequemere Einführung der Patrone von Bedeutung. Das Vas deferens erweitert sich nach längerem Verlaufe plötzlich zur dickwandigen drüsigen Spermatophoren- strecke, in der die Patronenhülse für den Samen gebildet wird ; denn dieser wird in einer echten Spermatophore übertragen. Die geöffnete Patronenstrecke zeigt in ihrer drüsigen Wand unten Längsfalten, oben aber, wo sie besonders verdickt ist, mehrere Reihen von quer spaltförmigen Grübchen. Endlich geht die Patronenstrecke in einen kurzen, cylindrischen, dünnwandigen Penisschlauch über, der sich oft durch stärkeres Lumen recht scharf abhebt. Entweder am Beginn des Penis oder ein Stückchen darüber noch an der Patronenstrecke setzt sich ein schmächtiger zarter Retraktor an, der, mit dem rechten Ommatophor nicht gekreuzt, sich vorn am Lungenboden befestigt. Penis und Ovidukt-Receptaculum münden in ein kurzes, nicht eben dickwandiges Atrium. Der obere Theil desselben endlich oder der ge- meinsame Stiel des Receptaculums und Oviduktes nimmt von beiden Seiten her eine Menge Drüsenschläuche auf, die zu einem dichten Ballen um die Endorgane ge- schlungen sind. Sie erscheinen braun, dicht, undurchsichtig, ihre Ausführungs- gänge in der Wand des Atriums machen sich als orangerothe Linien bemerklich. Von gleicher Farbe ist der Schleim im Receptaculum. Mit anderen Worten: die Drüsen haben dieselbe Bedeutung wie jenes drüsige Epithel im Grunde der unteren flaschenförmigen Oviduktanschwellung bei Limax variegatus, ihr Inhalt wird nicht bei der Copula in das andere Thier entleert, sondern wandert direkt in das Recepta- culum desselben Individuums, es für die Aufnahme von Sperma vorzubereiten. Die Drüsenschläuche sind, entwirrt, schlanke, lange, mehrfach verzweigte Röhren. Die eigentlichen Schleimdrüsen sind einzellig, jede mit besonderem Ausführgang, der sich eine Strecke weit nach unten verfolgen lässt. — Der Penis zeigt inwendig eine glatte Wand, wo oben die Mündung der Patronenstrecke vorspringt als konische, in der Mitte geöffnete Papille, knorpelig anzufühlen, aber mehr aus Muskelfasern gewebt. Bei der Copula, die mir nicht bekannt, wird zweifelsohne der Penis nur so weit aus- gestülpt, dass diekonische Papille das vorderste Ende, gewissermaßen die Glansbildet, die in das andere Thier nur mäßig eindringt. Das Atrium wird blasig mit ausgestülpt, wie sich an einer anderen Art feststellen ließ (s.u.). Schließlich gelang es mir auch, Eier und Spermatophore zu beobachten. Am 30. März 4884 fand ich unter vielen Amalien eine große, die ein Ei abgelegt hatte. Im Behälter fügte sie noch drei zu. Es ist unwahrscheinlich, dass ich einen Theil des Geleges im Freien über- sehen haben sollte, wie namentlich die auffallende Größe der Eier, die selbst die des Limax maximus, und damit aller unserer Nacktschnecken übertrifft, gegen eine höhere Zahl spricht. Die weißlichen, schwach durchscheinenden Eier haben eine längliche, an beiden Enden stumpf abgerundete Form; Messungen ergaben in einem Falle 0,65 cm für den großen, 0,5 cm für den kleinen Durchmesser, in einem zwei- ten bez. 0,6 und 0,45 cm. Schon dem freien Auge erscheint die Schale hell, aber durch feine weiße Punkte milchig getrübt. Mit dem Mikroskop erkennt man, dass die Eier, so trocken sie äußerlich erscheinen, doch außer der eigentlichen Eischale noch einen gleichmäßig dünnen Überzug hellen Schleims haben, wie eine äußere Schale; die Korrelation zwischen der Trockenheit des Hautschleimes und des Ei- überzuges springt in die Augen. Die Eischale selbst ist, wie bei Arion subfuscus etwa (s. u. Taf. XI, Fig. 40 XXIII E), an den Polen nicht einfach abgerundet, sondern der Pol springt knopfartig heraus wie bei einer Citrone; der Knopf ist glashell, die umgebende Eihaut aber ist durch dichte meridionale Falten oder Furchen zierlich Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 227 gezeichnet, diekonvergirend dem Pole zustreben, hier also am dichiesten stehen. Der Kalk (Taf. X, Fig. 3 D) besteht aus kleinen sechseckigen Plättchen, mit zwei längeren Gegenseiten, sie liegen hier und da einzeln, hier und da zwei regelrecht zwillings- artig verbunden, öfter zu mehreren zu unregelmäßigen Konkretionen verwachsen, im Ganzen ziemlich regellos. — Vier Tage nach der Eiablage wurde die Schnecke ge- öffnet; im Receptaculum fand sich noch die entleerte kollabirte Hülle der Spermato- phore vor, aus der sich immerhin noch die frische Gestalt konstruiren ließ. Ein länglicher Körper, wie bei Arion, an beiden Seiten etwas eingerollt, mit einer Be- waffnung, die einen specifisch sicheren Unterschied abgiebt gegen die verwandte Amalia carinata (s.u.). Die konvexe Seite ist in ihrer ganzen Länge mit festen Dornen oder Stacheln bekleidet, die wiederum in parallelen Querreihen mit regel- mäßigen Abständen geordnet sind. Die Abstände etwas größer als die Länge der Stacheln. Deren mögen sieben bis zehn in einer Querreihe stehen. Manchmal ent- springen zwei mit gemeinsamer Wurzel, hier und da ist ein seitlicher Dorn in vier und fünf einzelne Äste, die alle in der einen Fläche liegen, zerspalten. Alle Dornen sind nach einer und derselben Richtung gestellt schräg zur Patrone, wie es die Auf- gabe, als Sperrvorrichtung gegen. das Herausschleudern beim Explodiren des Samens zu dienen, erheischt. — Die Entwicklung der Genitalien wurde zurückver- folgt bis zu Thieren von 4,3 cmLänge. Alles war schon angelegt außer den schlauch- förmigen Drüsen und dem Receptaculum. Auch bei einem Thiere von 2 cm Länge waren beide noch nicht zu sehen, erst bei einem von 3 cm war Alles deutlich, das Atrium, das überhaupt stets viel mehr hervortritt in der Entwicklung, noch sehr lang, der freie Ovidukt sehr kurz etc. Erst spät, mit 5 und 6 cm Länge, wird die Art geschlechtsreif, zum Unterschiede von den außerdeutschen Species. Wenn Herz, Niere und Lunge auch im Allgemeinen die Lageverhältnisse der Ackerschnecken haben, so bietet doch namentlich die Niere (Fig. 2 C) wesentliche Unterschiede, wenn mir’s auch nicht gelang, alle Einzelheiten zu verfolgen. Vor allen Dingen stellt die Niere selbst keinen rundlichen Sack dar, sondern sie zerfällt in zwei Abschnitte, den einen, der in gewohnter Weise nach vorn reicht, und einen anderen langen Zipfel, der sich am Lungenboden weit nach rechts hinüberschiebt unter dem Ureter und Darm hinweg. In richtiger Lage sind beide Abschnitte nicht in einer Ebene, sondern der erstere biegt sich knieartig zurück. Die Drüsensub- stanz sitzt nicht mehr ringsum, sondern die Blätter, die im Zipfel nach rechts immer mehr abnehmen, sind nur an der Nierendecke angeheftet, ihr Boden ist dünnwandig und drüsenfrei. Leider habe ich keine Klarheit über den Anfang des von Gefäßen durchsponnenen Ureters bekommen können; bald schien er vor der Herzkammer sich zu öffnen und als ein feiner, aber schwammiger Schlauch ohne größeres Lumen auf der Nierendecke zu verlaufen, bald erst hinten zu entspringen, . an der Stelle, wo er zuerst in der Zeichnung sichtbar ist. Gegen das Ende er- weitert er sich ein wenig, wohl um den Harn vor der Entleerung aufzustauen, trägt aber keine Schleimdrüse,. — Lunge wie bei Limax, Athemgewebe wenig vor- springend. An Stelle der beiden seitlichen Sinus der vorigen Arten tritt hier eine mittlere Kielvene unter dem Rückenkiel in den Vordergrund, die beiden Seiten- venen sind schwächer; die Aorta verläuft ein ziemliches Stück ungetheilt, wie etwa beim Limax variegatus. Die kurze Fußdrüse, im ersten Drittel der Körperlänge, ist bekanntlich viel freier, nicht in die Muskulatur eingebettet; der Mittelgang deutlich, von beiden Seiten die Drüsenmassen. Das SEmpER’sche Organ tritt zurück, zwei kleine schmale Drüsenlappen _ jederseits. 228 -» Heinrich Simroth, Die Nase ist ungleich schärfer entwickelt als bei allen vorigen Arten, sie er- innert in der Schärfe ihrer Ausbildung an die Parmacelien; und wer das Organ kennen lernen und, was so wünschenswerth, weiter untersuchen will, muss unter den einheimischen auf die Amalia verwiesen werden. Die Rinne geht scharf bis weit nach links hinüber, wo sie allmählich ausläuft; die weißliche Leiste davor hat eine scharfe Kammlinie nach der Rinne zu, Der Unterschied ven der Parma- cella liegt in der einfachen, nicht doppelten Leiste. Näheres habe ich hier nicht anzuführen, höchstens dass Rinne und Leiste nicht flimmern. XIV. Amalia carinata var. Sowerbyi (Taf. X). (Lim. Sowerbyi autt.) Der Darm dieser englischen Schnecke (Fig. 40 F) wie bei der Amalia marginata, etwas weniger gewunden. Beim Retraktor, der wie bei der vorigen verläuft, fiel die intime Beziehung zur Schale auf; diese saß mit ihrem hinteren Häkchen ziemlich fest auf dem Boden der Schalentasche, und genau an und unter dem Häkchen entsprang der Muskel, der so den Eindruck eines Columellaris erhöht. Die übrigen Verschiedenheiten liegen indenGeschlechtsorganen (Fig.5A), und zwar in den Endwegen (Fig. 6B,7C,8D). Das Receptaculum läuft oben in eine lange Spitze aus, die am Ovispermatodukt befestigt ist. Der Blasenstiel ist kurz, sehr dick und bauchig, innen mit Längsblättern, wahrscheinlich drüsig; und die Struk- tur hängt zusammen mit der Veränderung des länger gewordenen Penis, der jedenfalls in den Blasenstiel eindringt. Die Patronenstrecke ist kürzer und dicker, innen mit ringförmig gestellten Quergrübchen. Unten wird sie durch einen schönen Sphinkter geschlossen. Hier beginnt der Anfangs enge und unten erweiterte Penisschlauch, der an Länge der Patronenstrecke mindestens gleich kommt (bei marginata Verhältnis 1:8). Über dem Sphinkter der Patronenstrecke heftet sich der typische Penisretrak- tor an, der seinen Ursprung hinten am rechten Lungenumfange nimmt. Dazu kommt aber noch eine Reihe Muskelbündel (B, r;, ?7,), die unten oder am Sphink- ter ansetzen und aus der seitlichen rechten Körperwand entspringen. Die starke Muskulatur hängt natürlich mit einer veränderten, energischen Copula zusammen. Innen hat der Penis unten schön geordnete Längsfalten und zwischen ihnen ganz am Ausführgange ein kleines gekrümmtes Horn, jedenfalls ein Reizkörper. Das Atrium, das bei der Copula ausgestülpt wird (nach Befunden bei der folgenden Form), ist dickwandig, die schlauchförmigen Drüsen endlich mehr flach, gelappt, mit ganz feinen Ausführgängen, aus einzelligen Drüsen nach Art des SEmpEr’schen Organes zusammengesetzt. — Von den Sinus war der mittlere sehr stark, der linke seitliche fehlte, dafür rechts zwei; der mittlere ist mit anderen Worten der typische. XV. Amalia carinata (Taf. X) von Athen und Kreta schließt sich ganz an die englische an, — mit dem geringen Unterschiede, dass der Abstand der beiden Retraktoransätze am Penis etwas größer war durch Herabschieben des unteren, — und dem beträchtlicheren, dass unten das Horn, der Reizkörper, fehlt. Wohl ist eine seitliche Ausladung vorhanden, die ihn enthalten könnte, auch die Längsfalten sind da; man könnte höchstens an- nehmen, dass der Körper überhaupt nur zur Brunstzeit anschwillt und hervor- wächst und nach der Copula verschwindet. Ein Thier hatte eine Begattung offenbar eben erst hinter sich, denn das Atrium stand noch weit nach außen offen, einfach die erweiterte Genitalöffnung flach ausfüllend, und im Receptaculum stak eine schöne Spermatophore. Da auch hier das Horn fehlte, ist der Mangel typisch. Die Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten, 229 Spermatophore (Fig. 44 C) stak mit dem spitzen Ende hinten in der Blase, bog sich unten knieförmig um und saß endlich mit dem unteren Kopf fest angesaugt in der Wand des Blasenstieles, so dass eine scharfe Trennung zwischen Blase und Stiel gar nicht möglich war. Um den unteren Theil hatte die Patronenhülse dreiSpiralen bräun- licher Höckerchen, im Knie noch einige mehr. Jedes Höckerchen (Fig. 12 D) ist ein verzweigterConchiolinbesen, dessen Enden nach hinten umgebogen sind. DerZweck der Widerhäkchen wird wieder der sein, die explodirende Patrone vor dem Hin- ausschleudern zu bewahren. Die Bildung der Häkchen geschieht offenbar in den kleinen im Kreise gestellten Grübchen im oberen Theile der Patronenstrecke, die in der Litteratur als Penis fungirt. Die Spalten sind die Formen, die Zähnchen der Ausguss — ein ähnliches Verhältnis, wie zwischen der Radula und ihrer Papille. — Noch ist: zu erwähnen, dass bei diesen Thieren durchweg der Retraktor bis zur Wurzel in zwei ganz verschiedene Muskeln gespalten war, der eine für den Pharynx, der andere für den Fühler, der Ursprung beider unmittelbar hinter einander. Wenn ich die eben beschriebenen Amalien, kaum von der Größe der margi- nata, als carinata bezeichne, so komme ich in Widerspruch mit LessonA und PoLLo- NERA, oder ich muss doch auf eine Unsicherheit der Auffassungen hinweisen. Diese Schriftsteller nehmen die carinata, die größte italienische Amalia, zu der Unter- gattung ohne Horn, so dass die Beschreibung sehr wohl zu jenen griechischen Thieren passt. Nun fiel mir aber bei Betrachtung der Abbildung, die sie von den Genitalien geben (44, Taf. II, Fig. 15), die große Ähnlichkeit mit denen der Amalia Sowerbyi auf, daher ein Horn zu vermuthen war. In der That, als mir durch Herrn Cressins’ Freundlichkeit ein Florentiner Exemplar, das er von Herrn LessonA erhal- ten, zugänglich wurde, bestätigte sich die Vermuthung — der Penis hat dasselbe Horn wie bei Amalia Sowerbyi. Wie ist diese Differenz zu erklären? Sollten die italienischen Forscher den Reizkörper ganz übersehen haben ? Möglich, aber noch wahrscheinlicher, dass sie bei dem Horn zunächst lediglich an das Gebilde denken, wie es bei der Amalia gagates größer, gekrümmter und an etwas anderer Stelle entwickelt ist (s. u.). Danach will es mir scheinen, als wenn die carinata, deren Formen im Äußeren und den übrigen anatomischen Merkmalen gut mit einander übereinstimmen, eine Übergangsreihe darstellt entweder von der marginata auf- wärts mit Entwicklung oder zu ihr abwärts mit Verkümmerung des Reizkörpers. Somit aber tritt die carinata in enge Verwandtschaft zur marginata, und das um so mehr, als jene kleineren griechischen Formen ohne Horn in den Genitalien eine gewisse Neigung zum Variiren bekunden in der Länge des Penis, im Abstande seines oberen Sphinkters vom Ansatze der unteren Muskeln. In die Lücke, die etwa noch zwischen der marginataund den kleineren Formen der carinata bestehen könnte, schieben sich zwei Thiere ein, die vermuthlich ein ‚und dieselbe Art darstellen. XVI. Amalia gracilis (oder Limax gracilis) Leydig (Taf. X) und Amalia budapestensis Hazay, jene aus Süddeutschland und Hermannstadt in Siebenbürgen, diese von Pest. Die Abbildung der Genitalien, welche Hazay giebt (14), passt völlig zur marginata!; nur muss man bedenken, dass ein genaueres Urtheil über diese wenig verschiedenen Organe nur bei gleichzeitiger Übersicht reicheren Materiales möglich ist. Meine Unter- suchung der A. gracilis (Fig. 13) ergab Folgendes: Der Ovidukt ist ziemlich kräftig, 1 Inzwischen an Thieren, die ich Herrn Hazay verdanke, bestätigt. 230 .; Heinrich Simroth, das längliche Receptaculum mündet seitlich darein, der Penis ist schmächtig ohne Horn, mit nur einem Retraktor, der eine Strecke weit über der Papille sich ansetzt, die Patronenstrecke ziemlich kurz und dick. Die Anhangsdrüsen münden ins Atrium, das mit ausgestülpt wird, wie ein besonderer Retraktor desselben beweist. Im Atrium sehen wir am Boden eine ringsum verlaufende gekräuselte kräftige Falte, welche sich gegen den Penis hin öffnet und ein Paar feine Längsfalten als letzte Ausläufer in ihn hineinschickt. Man kann weder behaupten, dass eine scharf ge- trennte Form vorliege, die ohne Weiteres für sich allein bestimmt werden könne, noch auch die Genitalien mit denen der verwandten Arten völlig zusammenwerfen. XVII. Amalia gagates (Taf. X). Nach einem kleineren dunklen Exemplar von 2,3 cm Länge, das Herr v. MALTzZAN aus Algarve heim brachte. Wiewohl wir die Abbildungen von SEMPER und JOURDAIN haben (63 und 33), gebe ich eine neue (Fig. 44), lediglich, um zum Vergleich einen genauen Anhalt zu haben, da doch jene Forscher die Art außerhalb des Zusammen- hanges vornahmen. Das Receptaculum, zum Unterschiede von den vorigen, eine rundliche Blase, mit kräftig muskulösem, drehrundem Stiele ; am Zusammenfluss von Blasenstiel und Ovidukt sitzt einerseits ein dicker accessorischer Drüsenballen, rund- lich klumpig, noch schwer zu entfalten, jedenfalls sind die Drüsen mehr als Lappen entwickelt denn als Schläuche; die Patronenstrecke zart und wurstartig gekrümmt. Wo sie ins mäßige Atrium mündet, sitzt in diesem (unterhalb der Ovidukt- und Blasenstielmündung) ein plumper, dreieckig konischer Reizkörper, der seine Spitze in der Ruhe gegen den Penis kehrt, etwa als hätte man den Penis der Ackerschnecke so gestellt, dass seine untere Hälfte zum Atrium würde. Jourpaın hat den Reizkörper, wohl von frischerem Material oder besonders kräftig entwickelt, als schneckenför- mig gewunden und auf der konkaven Seite gezähnelt dargestellt (33, Fig. 43). Sicherlich wird bei der Copula das Atrium mit dem Horn ausgestülpt, wie denn bei den anderen Arten, nachweislich durch den retractor atrii bei gracilis oder den oben beschriebenen Befund bei carinata, eben so das Atrium, jedenfalls aber außer- dem der Penis bis zu seinem Retraktor vorgekehrt wird. — AmaliaRaymon- diana Bourg. von Algier muss, wie mich die anatomische Untersuchung lehrte, ganz und gar zur A. gagates genommen werden, kaum als Varietät abgegrenzt. XVII. Amalia Robici n. sp. (Taf. X). Krain. Diese Gebirgsschnecke hat den eigentlichen Zwitterapparat (Fig. 15 C) von allgemeinem Ansehen. Die gelbbraunen Zwitterdrüsenläppchen sitzen einseitig dem Zwittergang an, der sich kaum schlängelt. Er hat eine kugelige Vesicula semina- lis. Eiweißdrüsegroß, gelb; Ovispermatodukt ziemlich groß, mit schwachem Drüsen- besatz der Samenrinne. Wo der schmale Ovidukt mit dem Stiele des rundlichen Receptaculums zusammentriflt, sitzen die kleinen Anhangsdrüsen als kurze Blätt- chen oder Ballen an, einfacher und kürzer als bei anderen Arten. Ovidukt und Blasenstiel münden nicht direkt ins kurze Atrium ein, sondern Sie haben noch einen gemeinsamen dicken Stiel, der die Verbindung herstellt. Der Penis, der unten seitlich am Atrium ansitzt, erscheint dünnwandig, flach, wiewohl mit geringer Ausladung, doch ohne Spur von Reizkörper; auch wurde der Retraktor bei einem kleineren und einem größeren Exemplare vermisst, daher der Verdacht nahe liegt, der Penisretraktor bilde sich bei den meisten Amalien überhaupt nur zur Brunst- zeit stärker aus den Mesenterialzügen heraus, um nachher wieder zurückzugehen. Eine kurze abgeflachte Patronenstrecke endlich schiebt sich zwischen Penis und Vas deferens ein. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 931 - Eine besondere Erwähnung verdient die Fußdrüse. Von höchstens zwei Fünf- teln der Körperlänge ist sie wohl abgelöst und am Rande wellig gezackt und ver- breitert, worin sie am meisten der von SELENkA beschriebenen australischen Amalia gleicht (64). XIX. Amalia cretica n. sp. (Taf. X). Da das einzige Exemplar nicht durch genaue Zerlegung zerstört werden durfte, können nur wenige Daten gegeben werden. — Der Darm stark gewunden, den vorigen ähnlich. Die Geschlechtsorgane (Fig. 48 C) wohl entwickelt. Ovi- spermatodukt ein weißlicher Schlauch, mit orangegelben Prostatablättern. Der ge- trennte, dickwandige Ovidukt trägt in halber Höhe, weit entfernt vom Atrium, das Receptaculum, aus einem kurzen, muskulösen, ringförmigen Stiel und einer kurz birnförmigen Blase bestehend ; weiter unten, immer noch entfernt vom Atrium, sitzen dem Eileiter links und rechts je ein Packet, die lappigen Schlauchdrüsen an, so am allersichersten als weibliche Organe dokumentirt. Das Vas deferens mündet in eine sehr dicke, kurze, dem kurzen Receptaculum entsprechende Spermatophoren- strecke, die durch einen starken wulstartigen Ring vom gedrungenen, weiten, horn- losen Penis getrennt ist, seine Wand ist innen längsgefaltet drüsig. Das Atrium flach und muskulös, gerade nach hinten gerichtet und mit der Körperwand ziem- lich fest verwachsen. Fußdrüse von halber Körperlänge, wie bei anderen Amalien. Nase sehr scharf kenntlich. Vierte Gattung: Paralimax. XX. Paralimax intermittens Böttger. Ein unausgewachsenes Exemplar dieser kaukasischenSchnecke von 2,2 cm Länge zeigte so erhebliche Besonderheiten, dass schon ohne die genügende Untersuchung der Genitalien die Aufstellung des neuen Namens gerechtfertigt ist, liegt doch auch das Athemloch vor der Mitte des Mantelrandes. Der Darm mit den vier typischen Windungen, doch so, dass der Magen am weitesten nach hinten reicht; dabei ziemlich stark aufgewunden, so dass man etwa die Figur des Arion subfuscus (Taf. XI, Fig. 8 XXIII C) dafür einsetzen könnte. Die Lebern münden am Ende des Magens. Die Arionähnlichkeit wird sonst durch nichts unterstützt. Vom Retraktor geht der rechte Ommatophor um den Penis wie bei Limax. Von den Genitalien war allein die Zwitterdrüse, am zweiten Drittel des Magens, entwickelt, blass, leberbraun; der Penis ein dicker, in der Mitte eingeschnürter Sack mit engem Ausführgang. Sein Retraktor am Ende. Niere, Herz und Lunge wie bei Limax; die Niere auch am Boden mit fein- maschigem Drüsennetz. Am Rücken drei Sinus, ein mittlerer und zwei laterale. Fußdrüse von einem Drittel der Körperlänge, frei wie bei Amalia. Fünfte Gattung: Arion. XXI. Arion empiricorum (Taf. X und X]). Thiere aus Deutschland und Norwegen. Der Darm (Taf. XI, Fig. 4 L) mit den vier typischen Schlingen, so dass der Magen am weitesten nach hinten reicht; dabei stark mit der Spitze nach links aufgewunden, so dass das Thier, wenn mit Schale, rechts gewunden wäre; die Aufwindung des _ Intestinalsackes übersteigt hinten 3600 weit. Über den Sitz des Magens lässt sich hier 232 Heinrich Simroth, streiten; die erste Schlinge ist sehr weit, durch einen kurzen Ösophagus mit dem Pharynx verbunden und im ganz frischen Zustande dicht netzförmig wabig quer und längs getheilt, wie bei Limax. Dabei aber entsteht hinter dem Lebereintritt zwischen 7 und 2 noch ein Blindsack, wie ein Pfeifenstiefel, der ebenfalls ein be- sonders stark verdauender Abschnitt sein mag. Der Enddarm tritt nicht in die Umwallung der Lunge’ein, wie bei den besprochenen Gattungen, sondern steigt von unten gegen den oberen Rand des Athemloches, neben der Niere in die Analrinne sich öffnend (s. u.). — Die blassen Speicheldrüsen groß, flach, sehr stark ge- lappt, jede wie ein durchbrochenes Netz, beide oben und unten bis zur Verschmel- zung sich berührend, unten mit der Hauptausbildung, so dass sie wie ein breites Kummet dem Magen von vorn aufsitzen. DieLebern, die sehr groß und im Ein- zelnen vielfach gelappt sind, haben die Lage wie bei Limax; die linke, mit zwei Hauptlappen, bildet mit dem größeren die Spitze des Eingeweidesackes, der kleinere ist nach vorn gerichtet. Die rechte Leber zerfällt durch die Einbettung des Dünn- darmes in die drei Abschnitte. Die Einmündung der Gallengänge in das hintere verjüngte Ende des Magens ist nicht ganz symmetrisch, denn der rechte ergießt sich ein klein wenig weiter vorn. Ein Kopfretraktor existirt nicht, sondern drei, wie die Autoren, besonders JEnTIncK, schon im Allgemeinen angeben!. Das lange Band des Pharynxmuskels entspringt am meisten rückwärts in der Mittellinie ziemlich weit hinter der Lunge; nicht ganz symmetrisch zu beiden Seiten die breiten, flachen Fühlerretraktoren, der linke im hinteren linken Lungenumfang, der rechte ähnlich, doch ein Stück- chen von der Lunge entfernt in einem ihrem Umkreis parallelen Bogen. Keine Kreuzung mit den Genitalien. Jeder theilt sich in der Mitte des Verlaufs in einen oberen Muskel für den großen, und einen unteren für den kleinen Fühler. Der 4etztere giebt weiterhin wieder die Hälfte zum Mundlappen ab. Geschlechtsorgane (Taf. X, Fig. 419—25 P—V), recht hübsch durch Ver- LoREN dargestellt, doch mit einigen für die Auffassung wichtigen Ungenauigkeiten (70). Die kugelige, durch die Arterie halbirte Zwitterdrüse hinter dem Magen ist stark pigmentirt, meist dunkelbraun. Zwittergang lang, viel geschlängelt, am Ende mit Vesicula seminalis. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass es keine Blase ist, son- dern .die wenig geschwollene letzte Windung des Zwitterganges, die einfach durch Bindegewebe zur Blasenform zusammengehalten wird (U). Diese enge Fixation dürfte weiter nichts bedeuten als eine Stauungsvorrichtung, um den sonst ungehinderten Abfluss von Sperma und Eiern in den Ovispermatodukt zu reguliren, damit jedes seinen richtigen Weg in die Samenrinne oder den Ovidukt hinein finde. Die helle, weißliche Eiweißdrüse groß, kompakt, doch mit vielen Einschnitten. Der Ovi- spermatodukt sehr lang, beide Rinnen bis unten zusammenhängend; die zart bläu- liche Manschette des Ovidukts wird unten zu einem einfachen Schlauche, umgekehrt nimmt dagegen die grobblättrige, gelbliche Prostata nach unten mächtig überhand. Der Ovidukt auf eine Strecke frei und verjüngt, mündet von hinten in das stark aufgetriebene obere Atrium (egg-sac Lawson 36). Das Vas deferens, Anfangs dünn, erweitert sich allmählich zu: einer dicken Patronenstrecke, die gleichfalls von hin- ten ins obere Atrium mündet, so wie drittens das längliche, kurzgestielte Recepta- culum. Ein Penis fehlt, so gut wie ein Penisretraktor. Was man für letzteren 1 Ich hatte in einer früheren, als Programmabhandlung etwas eiligeren Arbeit (68) hauptsächlich die Fühlerretraktoren im Auge und daher den Retraktor im All- gemeinen als doppelt angegeben, und so ist es in die 2. Auflage von Cuessın’s Exkursionsmulluskenfauna übergegangen. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 233 gehalten hat, sind lockere Bindegewebszüge des Mesenteriums, wohl wie überall mit vereinzelten Muskelfasern, doch ohne ein wahres Muskelband zu bilden; so lange man die Patronenstrecke als Penis ’ansah, hatte man eben nach einem Penis- retraktor zu suchen, Dagegen existiren kräftige Retraktoren für den Ovidukt und das Receptaculum1!. Sie entspringen in einer Bogenlinie hinten vom linken Lungen- boden, gerade nach innen vom linken Fühlerretraktor, seinem Ursprung parallel. Hier und da hängt ihr Ursprung zusammen. Das stärkere vordere Muskelband ge- hört dem Ovidukt an, den es cylindrisch scheidig umfasst (Q, rf), um gleichzeitig mit ihm am Atrium zu enden ; das schwächere hintere Bündel sitzt tiefer unten am Blasenstiel an. Endlich entspringt ein flaches, breites, zartes Muskelband oben links von der Lunge, um sich in der ganzen Länge des Atriums links zu befestigen. Das dünnwandige, weite obere Atrium bildet noch nicht das äußerste Ende, son- dern vor der Mündung schiebt sich ein dicker gelber Drüsenring ein, dessen Wand zur Hauptsache aus einzelligen Drüsen mit langen Ausführgängen besteht (von der - Form der Musiknoten, LAwson). Das obere Atrium wird von einer großen Zunge ausgefüllt, auf deren Oberseite der sie durchbohrende Ovidukt in langer Spalte mündet. Die Patronenstrecke bildet eine mäßig schlanke, bräunliche Spermato- phore, deren Hülse eine durchsichtige harte Crista trägt, hahnenkammartig aufge- franst, um mittels der rückwärts gebogenen Zähne das Herausschleudern der explo- direnden Patrone aus dem Receptaculum zu verhindern. Bei der Copula wird das gelbe drüsige untere Atrium mit dem oberen oder dem Eiersack ausgestülpt, so dass die Zunge (Ligula VERLOREN) am weitesten nach außen sieht (V). Ihre flache Oberseite, die an der Spitze die lange Spalte des Ovidukts zeigt, ist stets weiß, die Seitenwände bei rein rothen Thieren eben so, bei solchen, die viel schwarze Chro- matophoren in der Haut haben, bläulich-schwärzlich angelaufen. Im Zustande höchster Erektion ragt das untere Ende der Patronenstrecke als eine schön ge- streifte Papille an der Seitenwand konisch vor, oft mit dunkelbläulichem Rand und Innenkegel; an ihrem Grunde öffnet sich in kurzer Spalte der Stiel des Receptacu- lums. Die flache weiße Oberseite mit dem Spalt des Ovidukts dient den Thieren (die in der Copula eine ähnliche Stellung einnehmen wie die Ackerschnecken, der Kopf am Rücken des Partners, den Körper halb gekrümmt) nur zum Aneinander- legen und hat mit der Samenübertragung selbst nichts zu thun; dagegen passt gegenseitig die kleine Papille auf die Mündung des Receptaculums, und wenn die Hauptflächen lose sich berühren, saugen sich jene Seitenmündungen fest in einan- der, und die Spermatophoren werden gleichzeitig ausgetauscht, Dass beim Er- stickungstode das aufgetriebene Copulationsorgan nicht nur die Geschlechtsend- organe, sondern den halben Ovispermatodukt enthält, ist nur eine über die Natur hinausgehende Quellungserscheinung durch das von der Haut nach innen aufge- Saugte Wasser, das bei jüngeren Thieren gelegentlich den halben Magen durch ‚den Mund hervorstülpt. Derartige Quellungsübertreibungen liegen im Charakter unserer Art. — Die Untersuchung der Genitalien jüngerer Thiere zeigt ein langes 1 A, Scamiot, der die Muskeln am genauesten zeichnet (56), nennt den Retrak- tor des Receptaculums »Retentor«, wohl weil es ihm absurd vorkam, nach einem Rückziehmuskel zu suchen bei einem Organ, das bei dem Gros der Pulmonaten gar nicht nach außen vorgeschoben wird. Die eigenthümliche Copula zeigt uns umge- ‚kehrt die Nothwendigkeit der Retraktion. Aber auch abgesehen davon müsste man, selbst ohne die Begattungsvorgänge zu kennen, umgekehrt aus dem Vorhandensein eines Retraktors auf die Ausstülpbarkeit des von ihm geleiteten Organes schließen. Gegen die Thätigkeit eines Retentors sprechen alle übrigen freien Muskeln des Schneckenleibes, die durchweg Retraktoren sind. 254 | Heinrich Simroth, schlankes Atrium (R), dem noch die gelben Drüsen fehien; aus ihm geht nur das eigentliche drüsige untere Atrium hervor. :Oben erweitert sich dieser Schlauch und man sieht die Zunge lediglich als Verlängerung des Ovidukts in der Wand sitzen (T). So ergiebt die genauere Betrachtung der Muskulatur und der Begattungsorgane das merkwürdige Resultat, dass von einem männlichen Penis keine Rede sein kann, sondern dass die weiblichen Theile das Copulationsorgan, eine Art weiblichen Penis, erzeugen. Die Eier werden bekanntlich in Haufen abgelegt, fast kugelig oder eiförmig, 4—5 und 31/a—4 mm Durchmesser (37), kreideweiß, d.h. mit kalkreicher Schale. Wer Moouis-TAnpon u. A, folgen wollte (48), hätte auch dieSchwanzdrüse zu den Geschlechtswerkzeugen im weiteren Sinne zu rechnen. Denn bei dem langen wohl eine Stunde währenden Vorspiel vor der Copula fressen die Thiere gegenseitig den reichlich abgeschiedenen Schleim dieses Organes, woraus auf eine direkte Beziehung zum Geschlechtsleben geschlossen wird. Indess fällt das wohl unter denselben Gesichtspunkt, wie sich die Helices in gleicher Lage den Schleim der Lippenwülste ablecken und wie Ähnliches von den Ackerschnecken oben angegeben wurde. Es kommt dazu, dass auch schon kleine und halbwüchsige Arionen mit völlig unentwickelten Genitalien häufig einen großen Schleimpfropf auf derSchwanz- drüse tragen, daher diese nach wie vor als ein eigenartiges Exkretionsorgan zu gel- ten hat, das nur rein gelegentlich und zufällig in die Brunst hineinbezogen wird. Herz, Niere, Lunge (Taf. XI, Fig. 2—4 M, N, O). Die allgemeine Angabe, dass die Organe des Athemraumes in der angegebenen Ordnung drei koncentrische Kreise oder besser Ellipsen bilden, ist richtig, reicht aber für die Kenntnis der sehr auf- fallenden Bildungen nichtzu. An lebenden, mehr albinen Thieren, wo der Herzbeutel nach außen durchschimmert, sieht man, dass der Mittelpunkt des koncentrischen Systems nicht in die Mittellinie fällt, sondern mäßig nach links verschoben ist. Das Perikard oder die mittlere Ellipse hat Kammer und Vorkammer nicht wie sonst hinter-, sondern über einander. Die Vorkammer ist äußerst dehnbar und im aufge- blasenen Zustand dünnwandig und nimmt nicht eine Lungenvene auf, sondern sitzt mit breitem Rande oben links von vorn bis hinten an. Die dickwandige Kam- mer darunter giebt nach rechts, hinten und unten die Aortaab, deren Verzweigun- gen durch Kalk bekanntlich weiß gefärbt sind. In geschwellter Lage, wenn die Lunge gedehnt ist, stehen natürlich beide viel steiler als in der gegebenen Durch- schnittsfigur M. Eine Öffnung des Perikards gegen die Niere, die Nierenspritze, habe ich trotz mancher Versuche nicht entdeckt. Die Niere ist anscheinend ein elliptischer Ring, vorn beträchtlich breiter als hinten, und vorn rechts mit einem Ausschnitt; in Wahrheit ist sie ein geschlossenes Hufeisen, da hinten in der Mittel- linie eine schmale Scheidewand hindurchgeht. Die Drüsenblätter mit den Harn- säurezellen stehen radiär hauptsächlich außen und unten angewachsen, nach innen am Herzbeutel weniger hoch. Die Öffnung zum Ureter (O0, np) ist ein kreisrundes Loch auf der Oberseite, nicht weit vom vorderen Ausschnitt. Ein Klappenventil, wie bei Limax, ist nicht vorhanden. Der Ureter ist zunächst in dem der Nebenniere entsprechenden rückläufigen Abschnitt (uk) eine Art weiten zur Hälfte angewachse- nen Schlauches, wie bei Limax. Vorn am weitesten, verjüngt er sich ein wenig nach hinten und schlägt sich dabei über den rechten Nierenrand halb nach unten und öffnet sich hinten plötzlich als weite Spalte klaffend an der unteren Nierenseite. Die Öffnung führt aber nur in den nach vorn führenden Hauptabschnitt, der sich als breiter Schlauch oder Halbschlauch, d.h. nur auf der freien Seite mit eigener Wan- dung, der rechten Nierenhälfte von unten her anlegt. Er beginnt fast ganz hinten Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 235 als ziemlich breiter Raum und erweitert sich sehr beträchtlich nach vorn, so dass er als weiter Sack unter dem rechten vorderen Nierenende zum Vorschein kommt. Hier mündet er mit einem engen Kanal schräg nach oben in den oberen Umfang des Athemloches, dicht hinter dem After, wobei sich schließlich die Öffnung in drei- facher Rinne ergießt, gerade gegenüber der unten abführenden Analrinne. Der Enddarm steigt vorn an der sackförmigen Erweiterung des Ureters, diese etwas eindrückend, in die Höhe und öffnet sich nicht erst in der Umwallung des Athem- loches, sondern noch im weißen Athemgewebe selbst. Der Ureter hat in beiden "Theilen, dem rückläufigen und dem weiten ihn umfassenden nach außen führenden darunter zarte dünne Wandungen ; im ersteren aber beginnen um die Öffnung der Niere eine Reihe drüsiger Längsfalten, die sich nach hinten hin allmählich ver- lieren. Der Rückfluss des Harnes in die Niere bei Mantelkontraktionen wird wohl verhindert durch die freie Spaltöffnung des rückläufigen Ureterumfanges oder der Nebenniere in den weiten Ureterschlauch, die durch Druck in letzterem gleich verschlossen werden muss, daher eine Ventilvorrichtung zwischen Ureter und Niere überflüssig wird. Vergleicht man die Arionniere mit der von Limax, so stimmen höchstens die Drüsenblätter überein; alles Andere, Form der Niere, Form des Ureters, Verlauf des Ureters, zwischen dessen Schenkel sich kein Athemge- webe einschaltet, sind völlig anders, zudem fehlen die den Ureteranfang durch- spinnenden Gefäße, es fehlt die Schleimdrüse. — Die Lunge ist gleichfalls recht charakteristisch. Auch sie bildet anscheinend einen vorn verbreiterten elliptischen Ring um die Niere, doch ist es wieder nur ein Hufeisen, dessen Schenkel sich hin- ten berühren, aber durch eine Scheidewand an der Kommunikation verhindert sind. Einblasen und Injieiren erhärten den anatomischen Befund, ähnlich wie bei der Niere und ihren Kanälen. Der Enddarm liegt nicht außerhalb der Lunge, sondern deren rechter Schenkel schlägt sich vor ihm herüber. Die Athemöffnung ist ein- wärts von der runzeligen Haut durch einen besonderen glatten, bläulichschwarzen Ring, der den Sphinkter enthält, abgeschlossen. Das Athemgewebe zieht in beiden Sehenkein herum, etwa im zweiten Drittel eines jeden sich allmählich verlierend, so dass die hinteren Zipfel glatte Wände haben, während sich die Ausbildung kon- tinuirlich nach dem Athemloch zu steigert. Es bekleidet den Boden und die Außen- wand ganz, letztere wenigstens vorn bis oben hin, links schlägt sich’s weit auf die Niere, rechts auf den Ureter hinauf; links vorn eine eigenthümliche lakunäre Stelle. So starke Hauptvenen wie bei Limax treten nicht hervor, am ehesten noch vorn; die Gefäßvertheilung ist überall wabig, wobei im Allgemeinen die Gefäße, bez. die Trabekeln, radiär gestellt sind. Die Höhe der Ausbildung mag zwischen der Lunge der Parmacella und der einer großen Helix die Mitte halten. Die Gefäße springen durchweg viel stärker aus der Wand heraus als bei Helix, so dass tiefe Alveolen entstehen, aber die Alveolen verzweigen sich nicht weiter zu Alveolen höherer Ord- nung und einem regulären Schwammgewebe wie bei Parmacella. Athmende Thiere, namentlich wenn sie nach längerem Aufenthalt in enger Blechschachtel die Lunge recht weit öffnen, drängen das Athemgewebe vom Boden her in zwei Wülsten an die freie Luft, und man kann.sehen, wie sich über jeden Wulst ein Lungenschenkel nach hinten verliert und bald schließt. In diesem Zustande bietet der Arion nicht ‚gerade einen großen Unterschied vom Limax maximus, dessen Lunge ja auch im Allgemeinen in zwei Schenkeln um die Niere geht. — Zwei starke, weit getrennte Sinus führen das venöse Blut von hinten her zur Lunge; die ganze Rückenhaut ist kavernös;; ein feiner Mittelsinus ging auf dem Lungenboden nicht zum Rande, son- dern schlug sich zur Analöffnung hin, unvollkommene Angaben, die nur andeuten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 16 236 NT | Heinrich Simroth, sollen, dass die Untersuchung des Blutlaufs dieses Thieres gewiss interessante Resul- tate verspricht. So ging auch von der Kopfarterie, die mit der Intestinalarterie An- fangs zu einem nur kurzen Aortenstiel verbunden ist, auf halbem Wege zum Schlund- ring ein Gefäß gerade nach oben zum Lungenboden und dgl. mehr. Die Fußdrüse, die bekanntlich von SEmpEr genau geschildert wurde, reicht, gut in die Muskulatur eingebettet, weit nach hinten. - Das Semper’sche Organ fehlt, wenigstens springen keine Drüsenballen frei aus der Haut nach hinten heraus. Das Nasenrelief erkennt man am besten an Spiritusexemplaren. Die Rinne schlägt sich weit nach links hinüber, die Leiste, allerdings nicht so fest und dicht wie bei Amalia, springt mit ihrem Kamme nach unten und hinten gegen die Rinne vor. XXII. Arion brunneus (Taf. XI, Fig. 5—7). Die mittelgroße Art, von der ich nur deutsche Exemplare secirie, stimmt mit der oben behandelten großen durchaus überein, mit geringen Unterschieden. Geschlechtsorgane (D). Zwitterdrüse dunkelbraun, rundlich, Zwittergang lang, mäßig geschlängelt, weiß, Eiweißdrüse flockig, gelb; Ovispermatodukt kürzer als bei der vorigen Art; der Ovidukttheil bläulich violett, oben eine ganz weite Manschette, die allmählich abnimmt; die weiße Prostata aus kleinen Drüsen ge- bildet. Der freie Ovidukt ist ziemlich lang, weit und glatt; die Patronenstrecke, die durch allmähliche Verdickung des Vas deferens entsteht, schlank (die Spermato- phore wahrscheinlich ähnlich wie bei der großen Art); die Strecke mündet unten in den erweitertenBlasenstiel, dieser führt andererseitsin ein kurzes kugeliges oderbirn- förmiges Receptaculum. Ein oberes Atrium oder Eiersack fehlt, Ovidukt und Blasen- stiel münden unmittelbar in das untere eigentliche, diekwandige, mit gelben Drüsen ausgestattete Atrium. Die Copulationswerkzeuge sind weiblich. Der Genitalretrak- tor entspringt mit gemeinsamer Wurzel vom Perikard am Aortenaustritt, er fasst mit seinen beiden Bündeln am Blasenstiel, der an der Insertionsstelle erweitert sein kann, und am Ovidukt an, in mittlerer Höhe. Ein Penisretraktor fehlt. Die Öffnung (E) ergiebt, dass der Ovidukt in seiner oberen Hälfte dünnwandig, in seiner unteren aber, etwa vom Retraktoreinsatz an, dick und mit zwei starken Längswülsten aus- gestattet ist. Bei der Copula, die leider nicht bekannt ist, wird erstens das gelbe Drüsenatrium, sodann aber zweifelsohne die untere Hälfte des Ovidukts, wahrschein- lich nach Art eines schraubigen Penis, hervorgestülpt, so dass man hier erst recht von einem weiblichen Penis zu reden hätte. — Die Entwicklung zeigt ein langes | dünnes Atrium, in dessen Blindsack Patronenstrecke und Blasenstiel + während etwas unterhalb der Eileiter einsetzt. Fußdrüse bis ziemlich ans Hinterende. XXIII. Arion subfuscus (Taf. XI, Fig. 8—10). ‚Die zerschnittenen Thiere stammten aus Deutschland, der Schweiz, Norwegen, Tirol, Siebenbürgen. Wie es sehr fraglich ist, ob man den brunneus vom subfuscus | specifisch trennen könne, — oder wie der erstere des letzteren vollkommenste Stufe | darstellt, so kann man auch kaum bestimmte anatomische Unterschiede ausfindig machen. Eine gewisse Differenz schien mir in der inneren Ausbildung des Eileiters, so weit er als Copulationsorgan dient, zu liegen. Die beiden Längsfalten, die beim | brunneus mit scharfem oberen Ende einsetzen, verlieren sich beim subfuscus all- mählich nach dem Uterus zu; die Bildung des brunneus hätte sich also vollkommener | herausgearbeitet. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 237 ' Eier fand ich vom Herbst bis zum Frühjahre. Doch ist es nicht unwahrschein- lich, dass sich die Brunstzeit an gar keine Jahreszeit bindet. Siejliegen in der moosigen Waldstreu bald zu wenigen, bald zu mehreren vereint, zwanzig und mehr zusammen. Dann bilden sie eine echte Traube, an einer Seite zugespitzt. Die Eier sind länglich ; ich maß 2,5 mm als langen und 1,9—2 mm als kurzen Durchmesser; durchscheinend, völlig ohne Kalk. Man unterscheidet die äußere gleichmäßig dünne Schieimhülle von der eigentlichen Eischale;; diese hat, wie ich es von der Amalia imarginata angab, an den Polen glatt vorspringende Knöpfe, gegen die sich ein stark ausgeprägtes meridionales Rinnen- oder Faltensystem der Schale zusammenzieht (E), XXIV. Arion Bourguignati Mabille (Taf. XI, Fig. 11—13). Untersucht aus Deutschland, der Schweiz, Norwegen. Wiederum sind die ana- tomischen Merkmale nur bei den Genitalien (F, G, H) zu suchen, hier aber sehr charakteristisch. Das zur Orientirung wichtige tritt an der Zeichnung von LEssonA und POLLONERA hervor (44), A.Scnuipr 'hat auch in Bezug auf die Muskulatur die beste Abbildung gegeben, die er freilich auf den A. hortensis bezieht (56). Am sichersten hält man sich an das kurzgestielte zipfelig ausgezogene Receptaculum, das nur dieser Artzukommt. Mag es selbst in gefülltem Zustande zu einer Blase kugelig aufgetrieben sein, immer macht sich auch daran noch der vorstehende Blindzipfel bemerklich. Vielleicht kann man auch die meist dottergelbe Färbung des Ovispermato- duktes als Merkmal nehmen. Sodann ist die relative Länge der Endorgane bezeich- nend (direkte Maße nach LeumaAnn’s Methode anzugeben halte ich bei den Größen- und Konservirungs-, bez. Kontraktionsschwankungen für unersprießlich). Der Ovidukt ist kurz, gleichmäßig ohne Anschwellung, ziemlich dünn, das Vas deferens dagegen lang und bildet eine lange, schlanke Spermatophorenstrecke. Öffnet man sie frisch, wobei sie auffallend starr emporsteht, so sieht man leicht einige innere Längsialten, namentlich zwei, die eine schmale Rinne zwischen sich fassen. Man wird auf eine ähnliche Patrone schließen dürfen, wie bei empiricorum, deren Crista in der Rinne gegossen würde. Die drei Endwege münden dicht zusammen in ein großes, breites, abgeflachtes hellgelbes Atrium, das in dieser Ausdehnung wiederum keiner anderen Art zukommt. Man sieht es an erstickten Thieren hier und da als gelben Ring vorgestülpt (Taf. VII, Fig. 40). Die Muskulatur besteht in einem Haupt- retraktor, der vom hinteren Lungenboden zum Blasenstiel geht. Als Hilfsmuskeln wirken eine Menge zarter Bündel, die von unten her an die Mündunssstelle der Ge- schlechtswege ins Atrium treten (G), so wie zwei muskulöse flache Mesenterialbänder, die das Atrium beiderseits halten (F). Wie der Hauptretraktor auf den Blasenstiel als das bei der Copula am meisten betheiligte Organ hinweist, so zeigt der auch innerlich das meiste Relief. Mancherlei Längsfalten im oberen Theile des Atriums treten in den Blasenstiel ein, erheben sich stärker und werden wieder zu zwei Nischen eingedrückt. Es ist zu vermuthen, dass: sie für die Aufnahme und Be- festigung der Spermatophore von Belang sind. Die Eiablage habe ich nicht beobachtet, man kann aber mit Bestimmtheit Lesmann’s Angaben vom A. hortensis, den er in Wahrheit nicht gekannt zu haben scheint (s. u.), hierhersetzen, denn sein hortensis ist der Bourguignati. Danach werden die Eier vom Frühjahr bis Herbst ee. gelegt, 50—70, 21/5 mm lang und 2 mm breit. XXV. Arion minimus n. sp. (Taf. XI, Fig. 14 und 45). Untersucht aus der Niederlausitz und dem Harthwalde bei Leipzig. — Auch bei .dieser kleinsten Art sind die anatomischen Verhältnisse denen der übrigen äußerst 16* 238 Heinrich Simroth, konform. Herz, Niere und Lunge zeigen dieselben Umrisse. Der Darm (B) hat die üblichen Windungen, nur sind sie, dem plumperen Habitus des Thieres und seines Intestinalsackes gemäß, weiter ausgebogen. Die Genitalien entsprechen am meisten denen des subfuscus. Der Zwittergang sehr wenig geschlängelt. Ovidukt kurz und gerade, Receptaculum rundlich, sein Stiel trichterförmig erweitert, Vas deferens und Patronenstrecke beide von mäßiger Länge und ohne Komplikationen oder Windun- gen. Die drei Endorgane münden in ein mäßig großes hellgelb drüsiges Atrium von fast quadratischem Umriss. So hat die kleinste Form die einfachsten Konturen. Re- traktoren wurden bei der Zartheit nicht besonders untersucht. XXV1l. Arion hortensis (Taf. XI, Fig. 41648). Aus Süd- und Mitteldeutschland. Abermals keine anatomischen Abweichungen, mit Ausnahme des Genitalapparates; höchstens könnte die Kürze der Fußdrüse (ein Drittel der Körperlänge) außerdem erwähnt werden. Die dunkle, kugelige Zwitter- drüse (C) ist aus länglichen Follikeln aufgebaut; Zwittergang sehr wenig geschlängelt, wie es scheint, in Proportion zur geringen Größe des Thieres, ähnlich wie bei der vorigen Art. Eisamenleiter graublau bis dunkelgrau. Charakteristisch wieder die Endwege. Da Verwechselungen der Art wohl nur mit A. Bourguignati möglich sind, hat man besonders die Verschiedenheiten von dieser Species zu berücksichti- gen. Und sie sind auffallend genug, wenn auch nicht immer ganz in der Schärfe ausgeprägt, wie in den Fig. Cund D. Wenn beim Bourguignati der freie Ovidukt am kürzesten, wiegt er beim hortensis vor; dort langes Vas deferens mit langer, gleichmäßig schlanker Patronenstrecke, hier ein kürzerer Leiter und die Spermato- phorenstrecke kurz und etwas kegelig; dort zipfeliges Receptaculum mit kurzem, hier rundliche Blase mit langem Stiel; dort nur ein großes unteres Atrium, hier ein kleines unteres und ein besonders entwickeltes oberes, ähnlich dem A, empirico- rum; dort übernimmt der Blasenstiel die Hauptrolle bei der Copula, hier jedenfalls der Eileiter als weiblicher Penis. LEumann’s Versuch, die direkten Maße der Geni- talien festzustellen, führte zum Theil auf Abwege; ich hielt es für wichtiger, durch gegenseitige Vergleichung die Kennzeichen, die bekanntlich bei unserer Gattung keineswegs grelle sind, festzustellen. Den dadurch aufgedeckten Unterschieden sind noch weitere Einzelheiten des hortensis zuzufügen. Der Genitalretraktor ent- springt mit gemeinsamer Wurzel am hinteren Lungenboden und theilt sich dann in ein Bündel für den Blasenstiel und ein zweites, das an der Mitte des Oviduktes anfasst. Dieser ist in seiner oberen Hälfte zart und dünnwandig, in der unteren, dem auszustülpenden Penis, dick fleischig. Am oberen Atrium fassen beiderseits Muskelbündel an, besonders starke an der Seite des Eileiters. Und beim Öffnen springt der starke Muskelwulst in der Atriumwand in die Augen (D), wie denn wahr- scheinlich das vorgewölbte Atrium eine Art Ligula bildet. Der Blasenstiel hat feine Längsfalten, doch ohne Nischen. Endlich sieht man hier am besten das Ende der Patronenstrecke als eine Art Glans (doch ohne Retraktor) in das Atrium vorspringen. Leider waren mancherlei Bemühungen, die Copula dieser, wie überhaupt der zu- letzt geschilderten fünf Arten zu beobachten, umsonst, wie mir es auch nicht ge- lungen ist, bei irgend einer von ihnen die Spermatophore im Receptaculum zu en decken; jedenfalls wird die Hülse sehr schnell zerstört. Am 8. Juni 1884 sah ich, wie ein hortensis lange einem anderen folgte, so dass er seine Schnauze in desse Schwanzdrüse hatte, gewiss ein ähnliches Zeichen der Begattungslust, wie beim A. empiricorum. Nachher aber ging jeder wieder seinen eigenen Weg. Die Sektio ließ bei beiden, namentlich auch bei dem, welcher deutlich die Initiative zu ergreife Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 239 / schien, sowohl im Receptaculum wie in der Patronenstrecke die Spermatophore vermissen. Der Schluss liegt nahe, dass die Hülse erst unmittelbar vor oder während der Copula abgeschieden wird. Als ich im März eine Anzahl hortenses in einem Glase zusammenbrachte, legte einer über Nacht ein Häufchen von vier Eiern, die, wiewohl neben einander, doch nicht zusammenhingen. Sie waren glashell, kugelrund, von 2 mm Durchmesser, Es ist zu vermuthen, dass die Anzahl im Freien viel größer ist oder ähnlich variirt, wie beim subfuscus. Zweitens: Übersicht der Anatomie und äufsere Merkmale der Gattungen. Die vorstehenden Beschreibungen geben vielleicht schon den Ein- druck, dass in der Anatomie auch Betreffis der Artunterschiede mehr typische Norm herrscht als die allgemeine Verschwommenheit des skelett- losen Eingeweidesackes von vorn herein vermuthen lässt und die üblichen Aufzählungen an die Hand geben. Den Darm konnte man unter zweier- lei Gesichtspunkten auffassen, pbysiologisch und morphologisch. Der im Allgemeinen sehr einfache und gleichmäßige Bau ließ in ersterer Hin- sicht vielleicht geradezu die Beantwortung der gewichtigen Frage nach dem Verhältnis zwischen verdauender Resorptionsfläche und Körper- gewicht erhoffen, wiewohl bei dem wechselnden Wasserstand im Innern des Körpers für den letzteren Faktor die Feststellung schwer wäre. Es hat sich auch gezeigt, dass eine gewisse Beziehung zwischen beiden be- steht beim Limax maximus, wo der Dünndarm, die dritte und vierte Schlinge, mit dem Wachsthum des Thieres unverhältnismäßig zunimmt. Immerhin beweist aber auch diese Schnecke, dass solche Verhältnisse nur sich abspielen innerhalb des fest bestimmten morphologischen Rah- mens. Die Morphologie des Darmes allein genügt, um Gruppen scharf zu begrenzen und die bisherige Anordnung umzustoßen; jetzt rückt Limax variegatus aus der Gruppe des maximus weg und zu dem viel kleineren, viel herumgeworfenen L. arborum;; noch viel mehr aber wird Lim. tenellus aus der Reihe der Ackerschnecken, zu denen er der Größe nach passt, weggezogen unmittelbar zum allergrößten. Der Sprung wird um so weiter, als bereits die Darmverhältnisse die Gruppe Agriolimax- Amalia schärfer von den Limaxarten trennen und zu den Heliciden ziehen. Dagegen unterscheiden sich die beiden Untergattungen von Limax nur durch den Blinddarm, der Magen ist überall die längste der vier typi- schen Windungen, überall kommt eine fünfte und sechste jenseits des Retraktors dazu, nirgends eine Aufwindung. Dabei wird sofort klar, ‚dass die Gruppe mit Blinddarm die höhere, die differenzirtere Form vorstellt. Schon dem Darme nach muss Agriolimax als besondere Gat- ' tung gelten; der Mangel der atypischen überzähligen Windungen, vor ' Allem aber die Aufwindung, die Kürze des Magens mit der veränderten 240 Heinrich Simroth, Leberstellung, die wohl mehr dem von Helix bekannten entspricht, lässt keine Vereinigung mit Limax zu. In der Gruppe bildet agrestis mit dem oft etwas vergrößerten Blinddarm die vorgeschrittenste Form. Dem Darme nach könnte Amalia für einen stärker aufgewundenen Agriolimax gelten, die übrigen Merkmale sprechen für weitere Trennung. Paralimax wie- derum gleicht den Arionarten, während im Übrigen an eine Vereinigung trotz des vor der Mitte liegenden Athemloches nicht zu denken ist. Eher könnte man geneigt sein, wenn man auch den über den Penis gehenden rechten Ommatophor in Betracht zieht, eine genetische Verwandtschaft mit Limax anzunehmen; dann wäre Paralimax ein Limax, der es noch nicht über die vier typischen Schlingen gebracht hat, aber beginnt, seinen Intestinalsack aufzuwinden. So plausibel die Annahme, so muss doch neues besseres Material abgewartet werden; ist doch bis jetzt nur die äußere Beschreibung bekannt. — Könnte man Arion dem Darm nach ähnlich auffassen wie Paralimax, so spricht nicht mehr als alles Übrige dagegen. Ein Verhältnis, das ich nicht bis zur Klarheit verfolgt habe, schien sich mir Anfangs lebhaft aufzudrängen. Es kam mir nämlich vor, als stände das Maß der Aufwindung bei den einzelnen Arionarten in direkter Proportion zur Körpergröße. Doch müsste man vorerst Thiere von ganz gleicher Entwicklung, namentlich der Genitalien, in eine noch zu vereinbarende Normallage fixiren und danach die Messungen vor- nehmen, was einige Schwierigkeiten bietet. Mit dem neuen System harmonirt die Bezahnung besser, als man nach den Autoren erwarten sollte. Im Allgemeinen freilich gewinnt man den Eindruck, dass bei der verhältnismäßig großen Übereinstimmung der Radula die geringen Unter- schiede, die oft genug noch durch Altersdifferenzen so wie durch die manchen Arten eigene und noch nicht genug gewürdigte Neigung zum Variiren schwer zu taxiren sind, beinahe das denkbar ungünstigste Merkmal abgeben für die Klassifi- kation, jedenfalls ein viel ungünstigeres, als die leicht aufzudeckenden groben ana- tomischen Differenzen. Im Einzelnen wird es sich näher darlegen lassen. Trotzdem kann man im Großen und Ganzen die Parallele zwischen der Bezahnung und der anatomischen Gruppirung nicht verkennen. HEYNEMANN war ganz auf dem Wege, das Richtige zu finden, tenellus (cinctus) wollte er von der Agrestisgruppe trennen, | für arborum fand er eine besondere Stellung, über variegatus wollte er nichts Be- | stimmtes ausmachen. Auf die bei allen mehr oder weniger gleichen Mittelzähne ! wird kein Gewicht gelegt; nun sind bei Agriolimax die Zähne des Seitenfeldes meist einspitzig ohne Nebenspitze, bei Limax dagegen immer ein Theil zweispitzig, der ' auch doppelte Nebenzahn wird stärker bei tenellus. L. arborum aber kann mit dem nicht eben typisch bezahnten variegatus leicht vereinigt werden. Aus der größeren | Länge der Seitenzähne der Limaciden gegenüber den Arioniden eine bestimmte‘ Differenz der Ernährung ableiten zu wollen, scheint bei der unbedeutenden Ab-! lebend überfallen, sich allerdings, aber nur und auch nur ausnahmsweise unter den! Limaces fänden; namentlich wird von L. maximus erzählt, dass er den variegatus! Ta a an rei a un Tu EEE FE HERREN GEHEN" TER ne Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 241 oder Arion empiricorum lebend verfolgte und anfraß, auch ist zumal der tenellus solcher Gelüste überführt (48), auch vom Agriolimax agrestis giebt es LEenmAnn an, was ich bestätigen darf (s. u.), — aber bei den übrigen findet sich nur die allge- meine Erwähnung, dass sie von Pflanzen- und Fleischkost leben. Die zweite Limax- untergattung dürfte der wahren Raubthiernatur mit Unrecht verdächtigt sein, wie sich denn arborum namentlich von Baumflechten, variegatus von allerlei Vorraths- abfällen in Kellern und Speichern zu ernähren scheint. Die Vorliebe für Pilze zeigt gewiss schon den Übergang zur Fleischkost an, wie man es zum Beispiel bei den Käfern verfolgen möchte. Kein Thier scheint aber so an Pilze gebunden, als L. tenel- lus, eben so ist maximus ein großer, wenn auch nicht ausschließlicher Verehrer der giftigen Basidiomyceten. Unter den Arionarten sind subfuscus und minimus, wie es scheint, fast nur auf Pilze angewiesen, und den A. empiricorum sieht man über- all gern todtes, wiewohl noch ganz frisches Fleisch verschlingen;; ich fand ihn an todten Maikäfern; an den Baumstämmen unseres Rosenthales locken die vielen Tausende von Mückenleichen, die, ein Opfer der Pilzepidemie, in den letzten Jahren an der Wetterseite jede Rinde überziehen, diese Schnecke weit an den Stämmen hinauf, und kaum trifft man ein zertretenes Exemplar auf dem Wege, dem nicht der Genosse Bestatter und Grab wird. Wirkliche Mordanfälle scheinen auch bei diesem Thiere nicht beobachtet. Arten, die frische Pflanzentheile im Magen haben, färben den Spiritus grün, ich bemerkte es gelegentlich von Arion empiricorum, A, horten- sis und Bourguignati, Limax arborum, Agriolimax agrestis. Die Agriolimaces, so wie A. hortensis und Bourguignati, scheinen für gewöhnlich rein auf grüne Pflanzen- kost angewiesen. Das Nähere ist im zweiten Theile nachzusehen. — Einige Be- ständigkeit zeigt der Kiefer, wiewohl HEYNnEMmAnN auch hier genug individuelle Verschiedenheiten bekannt machte. Unregelmäßig gefaltet und gerippt bei Arion, ist er bei Limax und Agriolimax ein Bogen mit einem bisweilen gefurchten Mittel- zahn. Bei Amalia von demselben Bau, zeigt er doch hier größere Abweichungen; ja der ganze Umkreis des Mundes fast bis unten hin und eine Strecke weit nach innen und hinten hat Neigung zur Chitinisirung oder Conchiolinbildung. So be- kommt nicht nur der Kiefer einen mehr oder weniger starken Mittelzahn, sondern am Bogen können weiterhin verschieden viele und verschieden starke Zähne auf- treten, schwächere bilden noch einen unvollständigen Bogen dahinter (Taf. VII, Fig. 19 A). Die Beschreibung nach älterer Methode würde auf die Zähnchen be- sonderes Gewicht zu legen haben. Eine specielle Erwähnung mag der ursprüng- lichen Zweitheilung des Limaxkiefers gelten, die HEYNEMAnN und später WIEGMANN beobachtete. Den Retraktor halte ich nach meinen bisherigen Erfahrungen für eines der allerkonstantesten.und charakteristischsten Organe, ist er doch 2. B. beim ostafrikanischen Dendrolimax und dem madagassischen Uro- cyclus bis auf die untergeordnetsten Unregelmäßigkeiten übereinstim- mend, ähnlich bei Parmacella, Clausilia, Helix, Zonites etc. Hier harrt noch ein guter Boden künftiger Arbeit. Freilich, ob der Anfang aus zwei, drei Wurzeln besteht oder aus einer, mag gleichgültig sein und sich aus einer häufigen Funktionstrennung nach Bündeln herschreiben, so fern die Wurzeln nur auf demselben typischen Fleck liegen ; vielleicht deutet die Spaltung auf starke Rückbildung. Anders der Verlauf der Bündel "und vor Allem die weite Trennung der Theile beim Arion. Letztere kann 242 Heinrich Simroth, gar nicht genug betont werden und schließt von vorn herein die Ableitung von beschalten Formen durch Rückschlag ganz und gar aus; ja Arion entfernt sich hierin schon von allen echten Pulmonaten der ganzen Erde, so weit ich die Litteratur kenne. Die Unterschiede bei den übrigen, ob der rechte Ommatophorenretraktor sich mit dem Penis kreuzt oder nicht, sind sekundärer Natur. Der Retraktor war längst ausgebildet, ehe die Geschlechtsknospe von der Haut aus nach innen in die Achse des Intesti- nalsackes hinter den Magen wuchs, später erst sprosst seitlich der Penis heraus; und dessen Richtung nach unten unter den Ommatophor oder nach oben darüber und seine Verbindung mit einem Mesenterialbündel zu einem Penismuskel ist wenigstens nicht von so grundlegender Be- deutung, erhält aber immerhin einen höheren systematischen Werth, wenn sie der Ausbildung der übrigen Organe parallel geht; und das thut sie allerdings in vollem Maße. Von den Geschlechtsorganen scheint mir die Form der Zwitterdrüse fast ganz ohne Belang, so oft auch Werth darauf gelegt wurde. Typisch ist nur die Lage unmittelbar hinter dem Magen, worin allein der Limax coerulans auffallend abweicht, der in Bezug auf seine Genitalien und seine Abstammung noch besonders der Aufklärung harrt. Ob aber die Drüse die Oberfläche des Intestinalsackes erreicht, ob sie eine äußerste Spitze bildet oder sich zwischen den Leberlappen verbirgt, das hängt allein von ihrem jeweiligen Entwicklungszustande ab, wie denn auch der Verlauf ihrer Arterie, bald neben ihr, bald sie halbirend mitten ) hindurch, hier und da zu wechseln scheint. Der gestreckte oder ge- | schlängelte Verlauf des Zwitterganges mag in so fern einige Bedeutung haben, als ersterer für die Agriolimaces typisch ist, sonst sich aber nur beim L. tenellus findet, d. h. bei der einfachsten einheimischen Limax- | art. Man könnte an gemeinsame Vererbung denken. Bei den Arionarten | ist die Schlängelung, wiewohl stets angedeutet, doch unbestimmter und mehr von der Körpergröbe abhängig. Die starke von Anfang bis zu Ende # reichende Schlängelung bei Limax coerulans endlich hängt mit der! freien Lage seiner Zwilterdrüse zusammen. Fraglich ist es, was man von der kleinen Anschwellung am Ende des Zwitterganges, der soge-" nannten Vesicula seminalis zu halten habe. Für Arion habe ich gezeigt, dass es nur eine durch Bindegewebe festgehaltene Schlinge ist, eine” Stauungsvorrichtung für den Abfluss der Geschlechtsprodukte. Darin würde Arion mit den näher untersuchten Zonitiden Semper’s überein I» | stimmen. Bei den übrigen bin ich nicht zur Klarheit gekommen, ok nicht entweder eine doppelte Schlinge sich bilde oder ein etwas kompli- | eirteres Bläschen dem Gange aufsitze. Wie dem auch sei, wenn Arion! dessen Genitalien auch noch weiter unten von demselben Schema sind Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u, ihrer europ. Verwandten. 243 die Blase nicht hat, so wird schwerlich bei den übrigen die Befruchtung gerade an dieser Stelle vollzogen werden, sondern JEnTInck, der Sperma- tozoen im Ovidukt selbst fand, wird Recht behalten, wenn er sie im obersten’ Theile des Eileiters geschehen lässt (29). Auch die vielgenannte Trennung des Spermatodukts oder der Prostata vom Ei- leiter, die als gutes Merkmal für Limax angegeben wird, hält über die Art hinaus nicht wohl Stich; vielleicht könnte man darauf hinweisen, dass wiederum beim tenellus die Vereinigung inniger ist als bei den anderen Limaces, so dass auch hier eine untergeordnete Ahnlichkeit mit Agriolimax hervorträte. Um so maßgebender nun ist die Ausbildung der Endorgane, die in der That nicht wohl verschiedener sein können. Das wird erst recht klar, wenn man bezüglich der Muskulatur den Grundsatz anwendet, dass nur die Muskeln als Retraktoren gelten können, die ihren Ursprung von anderen Körpertheilen, namentlich von der Haut nehmen, und dass im Leben nur Organe ausgestülpt werden, die durch einen Retraktor zu- rückgezogen werden können. Sie werden aber ausgestülpt mindestens bis zu dem Punkte, wo der Retraktor anfasst. Dieser einfache und klare Grundsatz, welcher mit der einzigen und unschwer verständlichen Aus- nahme der auch den oberen Theil des Penis bis zur Schleimdrüse aus- stülpenden Ackerschnecke durch alle beobachteten Ausstülpungsthat- sachen erhärtet wird, kann eben so gut auf die in der Erektion nicht bekannten Organe ausgedehnt werden, um ihre Erektionsform , oder doch deren Umfang, zu erschließen. Solcher naturgemäßer Betrachtungs- weise entspringt die allerdurchgreifendste Differenz : Limax, Agriolimax, Amalia, Paralimax bilden die männlichen Endwege zu Penes um, Arion die weiblichen. So viel mir bekannt, existirt keine Schnecke, die ihm darin gliche, ja vielleicht fehlt es überhaupt an einem weiteren Beispiele im Thierreiche ; und wenn A. empiricorum einen zungenartigen Wulst mit der Oviduktmündung hervorstreckt, wird beim A. subfuscus geradezu eine ganze Strecke des Eileiters als Penis ausgestülpt. Wenn die Be- trachtung der Muskulatur eine solche Aussicht aufdrängt, so bewahrt sie eben so vor der Verwechslung zwischen Penis und Patronenstrecke. Die letztere, eine Drüse, wurde bisher immer zum Copulationsorgan ge- rechnet, wovon in der That nicht die Rede sein kann. Während sie beim Limax, Agriolimax und Paralimax fehlt, charakterisirt sie Arion und Amalia. Aber die Spermatophore ist bei beiden wesentlich ver- schieden, bei Arion mit gezacktem Längskamm, bei Amalia mit Reihen ‚vielfach verzweigter Zähnchen. Die Patronenstrecke mit besonderen Vertiefungen in der drüsigen Wand bildet die Matrix, zu der die Patronenhülse der erhärtete Abguss ist. In dieser Hinsicht kann die Patronenstrecke am besten mit dem Pfeilsack verglichen werden, 244 Heinrich Simroth, und es verlohnte sich gewiss der Mühe, die Form und ihre Vertiefungen mit dem Relief der Patrone in genauen Zusammenhang zu bringen, wo- für freilich das Material schwieriger zu beschaffen wäre als für den Pfeil- sack. Bei Amalia carinata ist der Zusammenhang in so fern klar, als der obere Theil der Patronenstrecke die Quergrübchen hat, die dem zuletzt ausgestoßenen Spermatophorenende die Zähnchen liefern. Bei Limax und Agriolimax, die den Samen mit Schleim gemischt übertragen, ist in so fern ein scharfer Unterschied gegeben, als bei jenem das Sperma als Flüssigkeit hervorquillt, während diese Gattung eine Art Schleimhülse bildet und den Pfropf, der allerdings zerreißen kann, schnell im Ganzen überträgt. Zu dem Ende theilt sich der Penis in einen oberen und einen unteren Raum, der obere ballt den Pfropfen, der untere enthält bei den höheren Formen den muskulösen Reizkörper, der mit längerem Vorspiel die Begattung einleitet. Er muss wohl als Homo- logon des Liebespfeiles gelten, wie denn auch Parmacella im Pfeilsack einen fleischigen Reizkörper hat und wie bei Urocyclus vermuthlich geradezu der Pfeilsack als Penis ausgestülpt wird (68). Wie aus dieser Darstellung erhellt, ist der Liebespfeil, dessen Sack allerdings meist mit dem Oviduktende im Zusammenhang bleibt, nicht als weibliches, son- dern als männliches Organ zu betrachten. Die Stellung des Pfeilsackes ist nicht maßgebend, da auch er nur eine seitliche Knospe des ursprüng- lich einfachen Genitalschlauches darstellt, so gut wie der Penis; wohl aber ist die vielfach verbürgte Thatsache bestimmend, dass Lungen- schnecken, deren weibliche Organe noch nicht entwickelt sind, zur Copula schreiten, aus männlichem, nicht aus weiblichem Anreiz. Nicht die Schnecke, die, aus weiblichem Drange, begattet sein will, fordert ein anderes Individuum durch den Pfeil heraus, sondern die, welche begatten will, aus männlichem Triebe. Sie braucht aber dazu ein an- deres Thier, das in die gleiche Disposition gebracht werden muss!. Wie wenig die Insertion des ganz selbständigen Pfeilsackes am Ovidukt dabei 1 Da bei Arion die Copulationsorgane vom weiblichen Antheil gebildet werden, so erhebt sich die Frage, ob nicht die Begattung auf weiblichen Antrieb erfolgt. Sie kann wohl nur gelöst werden durch die Untersuchung, ob die brünstigen Thiere stets völlig ausgebildete weibliche Organe, eine große Eiweißdrüse, einen weiten Ovidukt besitzen, da doch von Agriolimax wenigstens das strikte Gegentheil er- wiesen sein dürfte. Für A. empiricorum kann es als ausgemacht gelten, dass er nur im ausgewachsenen Zustande mit reif entwickelten weiblichen Organen die Copula eingeht. Bei den Gattungsgenossen muss man dasselbe daraus schließen, dass nur bei reifem Ovispermatodukt und Eiweißdrüse auch die Endorgane funktionsfähig sind. Endlich möchte die schwierige Aufindung der Spermatophore im Receptacu-7 lum, offenbar wegen rapider Zerstörung, auf eine sofort nach der Begattung er- folgende Befruchtung der Eier, also auf völlige weibliche Reife hinweisen. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 245 ins Gewicht fällt, lehrt das Receptaculum, es sitzt bald dem Eileiter an, bald dem Penis, bald der Vereinigungsstelle beider. Durch den fleischi- gen Liebespfeil aber nähert sich Agriolimax den Helices. Fraglich bleibt es bei der unteren Lage des ebenfalls oft fehlenden Hörnchens bei Amalia, ob auch dieses als ein Liebespfeil gelten muss, oder ob es als eine be- sondere Erwerbung zur Befestigung oder richtigen Leitung der Gopu- lationsorgane dient. Wiederum heischt hier das besondere Organ des Limax coerulans, ob es ein echter Pfeilsack sei mit kalkigem Liebespfeil, neue Untersuchung, wie denn dessen Copula bei anscheinend ganz offenem ungeregelten Samenerguss überhaupt noch ein Problem ist. Der Ursprung der Genitalretraktoren am Körper ist ohne allen Belang, doch ganz besonders charakteristisch für die Arten. Die drüsigen Theile end- lich an dem unteren Ende des Oviduktes so wie am Atrium müssen als weibliche Organe gelten, nicht nur jene drüsige Epithelauskleidung im “Grunde der unteren flaschenförmigen Verdickung des Eileiters bei Limax und Agriolimax, die zur Brunstzeit den rothen Stoff fürs Receptaculum absondern (L. variegatus), sondern auch die kleinen Zotten in der unteren "Partie desselben Abschnittes der echten Limaxarten; L. maximus be- weist es dadurch, dass der Penis gar nicht in diesen Abschnitt eindringt. - Hierher gehören eben so die lappigen oder tubulösen Drüsen der Amalia und, wie ich glaube, der gelbe Drüsenbesatz des unteren eigentlichen Atriums bei Arion. Bei der Copula bleiben sie wirkungslos, wie man ' am A. empiricorum sieht; ihre Farbe aber stimmt überein mit der des Blaseninhaltes. Die Gestalt der Eier harmonirt im Ganzen mit dem System, wiewohl hier der ı specifischen Wandelbarkeit so vielRaum bleibt, dass die Bestimmung der Art nach der - Eiform nur in der geringsten Anzahl der Fälle möglich wird. Rundlich und klar sind sie bei Agriolimax, wechselnd rundlich oder länglich und klar bei den echten Limaces, länglich und klar bei der zweiten Limaxgruppe; in dieser Gattung wiederum spielt die äußere Schleimhülle eine Rolle, in so fern sie bei L. maximus gelegentlich, bei variegatus regelmäßig, bei tenellus und arborum niemals die Eier zu einem Laich- band verknüpft. Die Eier unserer Amalia sind länglich und kalkig und so groß, dass sie denen des gewiss fünf- bis zehnmal so schweren L. maximus gleich kommen. Bei Arion finden sich die größten specifischen Unterschiede. Immer liegen die Eier in Haufen, aber sie sind beim empiricorum rund und kalkig, bei den übrigen klar ohne Kalk, bei subfuscus jedoch länglich, bei Bourguignati und hortensis rundlich. Die Verkalkung der Eischale bei A. empiricorum entspricht der starken Kalkein- lagerung in die Arterienwandungen, Die Niere ist überall eine geschlossene, blätterige Drüse, die sich vorn öffnet; beim Limax und Agriolimax ein einfacher rings blätteriger ' Sack, bei Amalia mit einem Zipfel nach rechts unter der Lunge weg mit beblätterter Decke und glattem Boden, bei Arion aber ein Hufeisen, G dessen Schenkel sich hinten berühren; es umfasst den Herzbeutel, der. | ’ :. 246 Heinrich Simroth, bei den anderen links vor der Niere liegt. Der Ureter zerfällt in Folge seiner Biegung überall in einen rückläufigen Schenkel und den nach vorwärts gerichteten Ausführgang, der bei Limax und Agriolimax am Ende eine Schleimdrüse trägt. Beide Schenkel sind bei Limax, Agrio- limax und Amalia von wahrscheinlich resorbirenden Gefäßen durch- sponnen, bei Arion nicht. Der rückläufige Schenkel oder die Nebenniere scheint nur bei Amalia eng zu sein, sonst ist er als weiter Schlauch mit sichelförmigem Lumen der Niere selbst rechts angewachsen. Sehr verschieden aber ist der Ausführungsgang; eng und von der Niere durch Athemgewebe weit getrennt bei Limax, Agriolimax und Amalia, wird er bei Arion zu einem noch viel weiteren Beutel, der an der Niere selbst rechts unten hängt und den rückläufigen Schenkel zum großen Theil umfasst. Die Lunge überall hufeisenförmig, am regelmäßigsten bei Arion, mit wechselnder Ausbildung des Athemnetzes, am höchsten bei A. empiricorum. Der Enddarm hält sich an den Ureter, d. h. er läuft im rechten Mantelrande außer bei Arion, wo er vor der Niere von unten sich durehdrängt. Diese sehr merkwürdige Ureter- und Enddarmbil- dung dürfte für Arion von höchster systematischer Bedeutung sein. Die Lunge ist das erste Organ, das sich beim Übergang einer Wasserschnecke auf das Land ausbilden muss. Ist sie prineipiell verschieden, so beweist es, dass ihre Träger auf verschiedenem Wege von Wasserschnecken aus sich entwickelten. Arion hat bereits im Wasser einen anderen Vorfahr, als die anderen Gattungen. Den linken Nierenschenkel könnte man viel- leicht vom rechten ableiten, indem man diesen sich allmählich vor dem Herzen vorbei erweitern lässt; dadurch würde auch die veränderte Stel- lung der Herzkammer sich erklären lassen, die nach links verschoben wäre: der rechte Theil aber zeigt, dass der Vorgang ein anderer war; bei Limax, Agriolimax und Amalia hat sich die Lunge gleichmäßig zwi- schen den rückläufigen Uretertheil und den Ausführgang nach innen vorgeschoben, bei Arion außen von beiden! (die Beziehungen zwischen Arion und Onchidium, die ziemlich nahe zu sein scheinen, wage ich nicht eher zu erörtern, als bis ich die letztere Gattung aus eigener Anschau- ung und Untersuchung kenne). | Die Fußdrüse ist nicht allzu sehr verschieden; frei bei Amalia, liegt sie bei den übrigen im Fuße; bei Limax und Agriolimax reicht sie bis hinten, bei Arion’ wechselt die Länge nach den Arten. Das Seurer’sche Organ fehlt Allein bei) | Arion. Umgekehrt hat dieser allein de Schwanzdrüse, ohne dass man wohl bis! 1 Es ergiebt sich von selbst aus obiger Darstellung, dass ich mit von IBERINGS) Auffassung der Pulmonaten als Nephropneusten, wobei ein Theil der Niere zun Lunge geworden und der Ureter eine nachträgliche Neubildung wäre, nicht einver standen sein kann, hauptsächlich wegen seines komplieirten Verlaufes (30). Doch ist das gleichgültig. Auch nach seiner Darstellung bleibt der Unterschied der Gat- tungen gleich groß. | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 247 jetzt den geringsten Anhalt dafür hätte, beiderlei Drüsen für vikariirende Organe zu halten. | ’ Nervensystem. Lryvıc hat auf die verschiedene Länge der Connective des Schlundrings bei den Gruppen aufmerksam gemacht, wobei Amalia in der Mitte steht (46). Ich fügte früher hinzu, dass die untere Partie der Pedalganglien, welche die Sohlennerven liefert, bei Amalia eine verschmolzene Strickleiter sind, jederseits vorn und hin- ten ein stark verschmolzener Knoten, dazwischen drei kleinere (67); überall sind Visceral- und Pedalganglien eng vereinigt. Wichtiger aber ist die Abweichung des Arion. Während aus den Pallialknoten im All- gemeinen jederseits der Pallial- oder Geruchsnery kommt, aus dem Abdominalknoten der Anal- und Intestinalnerv, daneben einseitig, ur- sprünglich aus der Kommissur zwischen Pallial- und Abdominalknoten der Schwanzrückennerv, so fügt Arion zwei neue Nerven hinzu, erstens - einen Genitalnerven, der an den hier so hervortretenden weiblichen Ge- schlechistheilen in die Höhe steigt, zweitens aber und besonders charakte- ristisch einen Partner des Schwanzrückennerven. Und wenn dieser sonst, wo er einfach ist, mit dem Retraktor nach der Mitte des Rückens hinter der ' Lunge sich begiebt, umfassen die beiden Nerven beim Arion im weiteren Bogen den hinteren Mantelumfang. Die Freiheit dieser Innervirung ent- - spricht der Trennung des Retraktors und seiner Ursprünge. Zu den inneren Unterschieden gesellen sich zahlreiche äußere. Limax, Agriolimax und Amalia sind schlanker, Arion plumper. Der Unterschied zeigt sich gut beim Ertränken. Die ersteren bleiben stets schlank, die trockne Amalia schwillt kaum, A. empiricorum wird, wenig gestreckt, unförmlich aufgetrieben, die kleineren Arten dieser Gattung bleiben trocken. Die Körperform differirt recht auf- fällig bei zusammengezogenen Thieren, nach längerer Verpackung etwa. Nur Arion vermag eine solche Kugelgestalt anzunehmen, wie in Taf. VII, Fig. 30 J. Dabei wird der Fuß geradezu zu einer querovalen Saugscheibe. Gelegentlich sieht man eine eigenthümliche Schaukelbewegung, die auch Leamans und MoRELET erwähnen. Doch geht der Körper dabei nicht im Ganzen hin und her, sondern der Mittelpunkt bleibt fest; während der Vorderkörper nach links schwankt, biegt sich die hintere Hälfte nach rechts und umgekehrt. Die Bewegung vollzieht sich oft lange Zeit un- ausgesetzt ungefähr in der Schnelligkeit unseres Pulses, mit dem auch der Herz- schlag übereinstimmt; am deutlichsten wird das Schaukeln, wenn man ein gerade disponirtes Thier auf den Rücken legt. Genügende Blutcirkulation dürfte der Zweck sein, — Die Plumpheit des Körpers geht mitdem BaudesHautmuskelschlauches Hand in Hand. Levpıe weist darauf hin, dass die Haut bei Arion viel dicker als bei Limax, während Amalia die Mitte hält. Agriolimax würde sich an Limax anreihen. Ähnliche Unterschiede gelten für die Skulptur der Haut. Die Runzeln sind mehr gerstenkornartig bei Limax und Agriolimax, flach hinter einander bei Limax, bei großen Arion namentlich auf dem Rücken in der Ruhe lang verschmolzen und scharf gekielt. Indess sind das Unterschiede, für die eine Norm kaum festzustellen; sie hängen gar sehr von der Haltung und Schwellung des Körpers ab und selbst bei todten Thieren werden sie wechseln, je nach dem Tödtungsmittel (Ersticken im 248 Heinrich Simroth, Wasser, Alkohol, Sublimat) und nach dem Quellungszustand, in dem der Tod ein- trat; endlich scheinen sie von äußeren Einflüssen, die zur Abänderung Veranlassung geben, im Leben bedingt zu werden. Im Allgemeinen kann man wohl folgende Regel aufstellen: Bei Limax, Agriolimax und Arion trägt die Haut-Runzeln, bei Amalia aber wird eine glatte Haut durch feine Furchen eingeschnitten, daher bei jenen ein viel unregelmäßigeres Relief herauskommt, das dem Zeichner zu schaffen macht. Am meisten nähert sich auch hier Agriolimax den Amalien. Mit der Runzelung hängt der Kamm zusammen, den viele Arten auf dem ganzen Rücken tragen oder nur gegen das Schwanzende hin. Bei Amalia, wo er keineswegs immer den ganzen Rücken oder auch nur dessen größeren Theil bedeckt, weicht er nicht wesentlich von der glatten Haut ab, er ist eine einfache Verdickung. Ähnlich bei Agriolimax. Bei Arion, wo er seltener ist, besteht er aus der einzigen, durch Färbung oder Stärke ausgezeichneten Mittelreihe von Runzeln, die mit zunehmendem Alter wieder- um den übrigen mehr oder weniger gleich werden. Bei Limax dagegen, namentlich beim maximus, bildet er sich aus den Runzeln durch Verschmelzung und geweb- liche Veränderung heraus. Nach dem Mantel zu pflegen sich zuerst einzelne zerstreute Runzeln aus der Mitte des Rückens, oft mehrere neben einander, durch Hellerfärbung zu kennzeichnen. Weiter nach hinten verschmelzen sie zu einem gleichmäßig hervorragenden Kiel; damit aber verlieren sie ihre Muskulatur und ihren Blutreichthum, d. h. Pulsations- und Schwellfähigkeit. Wenn die übrigen Runzeln durch unregelmäßige Pulsationen das Blut umhertreiben, bleibt der Kiel starr, und wenn Haut und Runzeln sich kontrahiren und verkürzen, muss er sich in einer Schlangenlinie zusammenlegen, ein von der zufälligen Hautdisposition abhängiges Verhältnis, das keinen systematischen Werth beanspruchen kann. Auf keinen Fall darf der Kiel längerals ausschlaggebendes Gatlungsmerkmal gelten, daer selbst inner- halb der Art sehr stark variirt. — Das Athemloch liegt vor der Mitte des Mantel- randes bei Arion und Paralimax, bei den anderen dahinter. Bei Limax und Agrio- limax wird seine Umwallung von der Analrinne durchschnitten (siehe die Bilder ganzer Thiere), nicht bei Amalia, wo die Rinne ein Stückchen weiter vorn liegt. Bei Arion bildet die Rinne eine Verlängerung der die glatte Umwallung abschließenden Ringfurche. — Feingekörnt ist das Schild bei Arion und Amalia, bei den leben- den Limaces und Agriolimaces laufen excentrische Furchen über den Mantel, deren Mittelpunkt hinter der Mitte liegt. Moouın-Tanpon’s Behauptung (48), dass Limax maximus ein zweites Wellencentrum vor. der Mitte habe, hat HeynEmann zurück- gewiesen. Pını wiederum bildet ein sehr großes Exemplar mit dieser Zeichnung ab (52). Die Bildung scheint von der Größe abhängig zu sein, indem sich bei besonders | | stattlichen Thieren die Wellen vorn einbiegen und so das zweite Centrum erzeugen, Charakteristisch ist eine Furche auf dem Schild von Amalia, die, tief genug, auch‘ bei den Spiritusexemplaren erhalten bleibt. Sie ist keineswegs, wie wohl öfter ge- schehen, mit der queren Einschnürung zu verwechseln, die bei der Zusammen- ziehung des Thieres entsteht. Vielmehr verläuft sie, wie die koncentrischen Fur-' spannung abhängig sind und daher im Tode verschwinden können. Bei manchen‘ f Arten zieht sie fast um das Schild herum, und der rechte hintere Ast mündet von hinten in die Analrinne, z. B. bei A. cretica. Wiewohl ich weder an frischen noch an getödteten Thieren Flimmerung sah, auch keine besondere Drüsenvertheilung in H ihrem Verlaufe wahrnahm, kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass sie be u | | a | 6 | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 249 stimmt ist, Stoffe, wahrscheinlich Schleim, vom Mantel in die Analrinne abzuführen. Sie entspricht auch nicht etwa, wie man vermuthen könnte, der Nasenlinie unter dem Schild und ist noch eben so wenig bis ins Letzte zu erklären als jene beiden “ Rinnen, welche bei Limax, Agriolimax und Amalia die Mittel- von der Rand- sohle trennen. Bei allen unseren Nacktschnecken dient nur die Mittelsohle zum | Kriechen, die lokomotorischen Wellen erzeugend, aber bei Arion fehlt die scharfe trennende Furche, wiewohl meist die Färbung auf den Rand beschränkt bleibt. ' Allerdings erscheint die Mittelsohle von Limax und Agriolimax als ein durch Arbeits- theilung besonders hoch entwickeltes Lokomotionsorgan, denn sie ist völlig klar - ohne Pigment und Schleimdrüsen, die sich auf die Randsohle beschränken, während man bei den Amalien wenigstens die Schleimdrüsen, bei Arion oft auch noch außer- . dem den Farbstoff gegen die Mitte vordringen sieht. Bekanntlich wird die kontra- ' hirte Sohle (im Alkohol zum Beispiel) von Querlinien gefurcht, die den Seitenästen . des sympathischen Fußnervennetzes entsprechen. Diese Linien, auf deren systema- - tischen Werth Semper Bezug nimmt, sind charakteristisch. Bei Limax und Agrio- ' limax ziehen sie quer herüber ;, bei Arion, wo sie am unbeständigsten sind, quer in ‚ der Randsohle, bilden sie im lokomotorischen Felde einen flachen Bogen nach hin- ' ten, oder wenn sie gerade quer ziehen, liegt der mittlere Theil weiter zurück als . die Seitenabschnitte, in die er an der Grenze des Mittelfeldes einbiegt; bei Amalia ‘in der Randsohle quer, tritt jede Furche von der Seite in der Querrichlung in das | lokomotorische Feld ein, biegt aber gegen die Mitte scharf nach hinten um, so dass " in der Mitte ein Zickzackband von vorn nach hinten zieht. Die Struktur hat jeden- f falls ihre noch unaufgeklärte Bedeutung. Wenigstens spricht der Versuch dafür, den ich an Limax maximus anstellte und bekannt gab. Schneidet man hier die - Haut seitlich ein und zerreißt man die Fußnerven eine Strecke weit auf der einen Seite, so tritt in der Mitte des hellen lokomotorischen Feldes beim Kriechen an der verletzten Strecke ein gleiches Zickzackband im Innern auf. — Die Geschwindig- keit, die von der Thätigkeit der lokomotorischen Mittelsohle abhängt, ist im All- gemeinen nach den Gattungen verschieden, in so fern als Arion und Amalia beson- ' ders faule, Agriolimax und Limax dagegen sehr bewegliche Thiere sind; doch ist auch hier vor schematisirender Verallgemeinerung zu warnen, da die Lebhaftigkeit ' durch die Lebensverhältnisse und -gewohnheiten bedingt wird und selbst bei den Varietäten einer Art erheblich schwanken kann (z. B. L. maximus var. cinereoniger " und cinereus). — Der Schleim, den der Körper liefert, ist nach den Gattungen ‚ verschieden, klar oder durch gelben oder rothen Farbstoff getrübt bei Limax, eben so, doch weniger flüssig bei Arion, leichtflüssig, klar oder durch Kalk getrübt bei | Agriolimax, zäh firnisartig bei Amalia, vielleicht hier geradezu mit Byssusfäden ‚ (Am. Robicis. u.). Kaum von stärkerem Belange als etwa der Kiel ist die Bildung der kleinen Kalkschale. Es ist bekannt, dass sie bei Arion viel schwächlicher ‚istals bei den übrigen. Nur bei kleineren Arten in einigem Zusammenhange, findet ‚ sich bei größeren nichts als ein körniger Kalkbrei ; eine Beziehung zum Retraktor | hat nicht statt. Bei den Limaces und Agriolimaces ist meist die Kalkschale rings noch mit einem weichen hornigen Saum der organischen Grundsubstanz versehen, | doch wechseln die Dicke und der Kalkgehalt nach dem Boden; bei Amalia nur ist | sie regelmäßig kräftig, oben koncentrisch gestreift, das nun hinter der Mitte, | hinten mit einer kleinen unteren Umbiegung, die sich ziemlich fest an die Unterlage | zu heften pflegt und oft mit dem Retraktor in direkte feste Verbindung tritt. Die Schalentasche wechselt ähnlich. Kreisrund und eng bei Arion, länglich und | eng bei Amalia, bildet sie bei beiden die innere Lungengrenze, weit dagegen und | 250 Heinrich Simroth, von der Schale nicht ausgefüllt greift sie bei Limax und Agriolimax über die Lunge hinweg. Die Lage der Genitalöffnung giebt endlich ein gutes Merkmal. Dicht hinter den rechten Fühlern bei Limax und Agriolimax, weit davon entfernt nahe der Lungenöffnung bei Arion, ungefähr auf halbem Wege, etwas mehr nach vorn bei Amalia. Mit Hilfe der verschiedenen hier besprochenen Differenzen hält es nicht schwer, die Eintheilung zu begründen. Man hat sich, glaube ich, zu sehr gewöhnt, bei der Klassifikation auf nebensächliche Feinheit zu achten und darüber die wesentlichen Verschiedenheiten aus dem Auge verloren. Arion ist von allen übrigen Gattungen gründlich ver- schieden. Amalia könnte zu Agriolimax gestellt werden, so lange man den äußeren Habitus, namentlich von Spiritusexemplaren in Betracht zieht. Bei näherem Zusehen ergiebt sich indess eine Summe äußerer oder innerer Differenzen, welche den sämmtlichen untersuchten Arten gemein ist, dass sie dadurch als eine recht scharf umgrenzte Gattung erscheint, bei der es selbst fraglich werden kann, ob sie künftige For- schung nicht weiter von den Limaciden, etwa durch beschalte Formen, trennen wird. Über die Zusammengehörigkeit der beiden Untergat- tungen von Limax kann man nicht schwanken, die Lehmannia-, Limacus- oder Simrothiagruppe ist offenbar die höchste Stufe dieses Genus. Am schwersten erscheint es auf den ersten Blick, Agriolimax von Limax abzutrennen; denn der äußere Habitus und die Eingeweide stimmen in der Struktur ihrer Theile so weit überein, dass die Arten wohl von allen Untersuchern bunt durch einander gewürfelt werden. Dennoch ist der | Bau der Eingeweide nach Länge und Anzahl der Darmschlingen, Leber- | stellung und Aufwindung, endlich nach dem Verlauf des Penisretrak- ) tors so grundverschieden, dass eine Zusammenfassung nicht thunlich ) bleibt. Agriolimax würde, wenn eine veränderte Richtung des Intesti- F nalsackes den Mantel ausgestülpt hätte, eine mäßig gewundene, Limax wohl eine napfförmige Schale erhalten. Dazu kommt der Reizkörper ' oder doch die gestreiften Wülste der Agriolimaces und das schwer- wiegende Moment der Färbung, auf das ich unten näher eingehe. Und so müssen Limax und Agriolimax für zwei Thierformen gelten, deren IE gemeinsamer Ursprung immerhin recht weit zurückliegt. D Das Verhältnis zu beschalten Schnecken lässt sich einigermaßen) bestimmen. Die Schale selbst kann keinen Aufschluss geben, wohl aber' die Organe, die durch die Schale beeinflusst werden, die Muskulatur und das Nervensystem. Limax, Agriolimax und Amalia haben einen einheitlichen Retraktor und einen nur einseitig entwickelten, an den’ Retraktor gehefteten Schwanzrückennerven, Umbildungen, die wohl nur f durch die frühere Existenz einer äußeren Schale zu erklären sind ode [4 Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 251 doch jedenfalls die Thiere zu beschalten Formen in allernächste Be- ziehung bringen. Arion hat die Muskulatur weit getrennt und eben so zwei symmetrische weiter verzweigte hintere Mantel- oder Schwanz- rückennerven. Die Gattung 'hat niemals eine Schale gehabt, niemals eine höhere Stufe der Beschalung erreicht, als sie jetzt inne hat. Man . müsste denn geradezu die weitgehendste innere Rückbildung zur Sym- metrie bei beiden Organen annehmen, wofür eben nichts spricht. Im ‚Allgemeinen ist man denn auch in den neueren Systemen, die sich an ' KoBELT anschließen, einer ähnlichen Auffassung wenigstens in so fern gefolgt, als man ie Arioniden von den übrigen weiter getrennt hat, | während ich mich keineswegs damit befreunden kann, sie an die Heli- den im engeren Sinne anzureihen. Jedenfalls stimmt es vortrefflich "zu der Auffassung, wonach die Amalien und nächst ihnen die Agrio- limaces sich an beschalte Formen anschließen, wenn gerade bei ihnen noch ein äußeres Mantelloch über der Schale hier und da beobachtet ‚wurde (vgl. 28). | Es entzieht sich noch meiner Beurtheilung, in wie weit die große ‘Bedeutung, welche Semper der Schwanzdrüse beilegt /63), der natür- | lichen Verwandtschaft entspricht. Danach theilt er die echten Pulmo- ‚naten in die beiden Familien der Heliciden ohne und der Zonitiden mit 'Schwanzdrüse. Die Limaciden sind natürlich den Heliciden unterzu- ‘ordnen. Arion würde wohl den die wärmeren Länder bevorzugenden ‚ Zonitiden zufallen (oder Typus einer verwandten Familie sein |l. c. 'p. 4%]). Wenn auch vielleicht zuzugeben ist, dass Arion zu ihnen in ‚näherer Verwandtschaft steht, als zu den Heliciden, so kann ich doch ‚nicht umhin, ihn auch als scharf getrennt von den Zonitiden hinzustellen ‚und zum Vertreter einer eigenen Familie zu erheben. Die Zonitiden ‚sind beschalte Formen, die durch Achsenveränderung des gewundenen |Eingeweidesackes in das Nacktschneckengewand zurückschlagen können, ‚dann aber in Nervensystem und Muskulatur die Eigenheiten der frühe- ren Beschalung beibehalten (Parmarion, Dendrolimax), — Arion trägt ‚alle Merkmale ursprünglicher Unbeschaltheit an sich. Bei den Zonitiden ist der Copulationsapparat aus den männlichen Endorganen hervorge- sangen oder, wie ich glaube, bei Urocyclus aus dem Pfeilsack, den ich ke als männliches Organ beanspruchen musste, — bei Arion sind die |Copulationsorgane weiblich. Endlich, was am schwersten wiegt: bei = Zomitiden sind Niere, Herz und rad gebaut wie bei den Heliciden der Limaeiden, bei Arion herrscht die gründlichste Verschiedenheit. Bei jenen hat sich die Lunge zwischen die Schenkel des Ureters von hußen eingeschoben, beim Arion ganz außerhalb desselben. Mag die Lunge beim one auf das Land sich neu eingestülpt, mag sie eine a Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 47 | u. 292 Heinrich Simroth, vorhandene Kiemenhöhle benutzt haben, die Differenz bleibt gleich stark. Wenn wenigstens alle Aufgabe der Systematik darin gipfelt, die natürliche Stammverwandtschaft herauszuklauben, insonderheit bei den Pulmonaten zuerst die Herleitung von Wasserschnecken und dann die folgende Verzweigung der Landthiere zu untersuchen, dann wird man den Arion zum Vertreter einer den übrigen gleichwerthigen Sippe er- heben müssen, da seine Vorfahren aus anderer Wurzel dem Wasser entsprossen !. Dass die drei anderen deutschen Gattungen zu der großen Familie der Heliciden gehören, kann vor der Hand, wie gesagt, keinem Zweifel unterliegen. Man pflegt sie, wenn man die beiden Unterfamilien der Vitriniden und der eigentlichen Heliciden aufstellt, der ersteren zuzu- zählen, mit welchem Rechte, dürfte fraglich sein. Amalia und Agrio- limax wird man nach dem ganzen anatomischen Habitus an anderer Stelle anschließen müssen, als die im Innern wesentlich abweichenden Limaces. Welche schließen sich an die Vitrinen an? Hier haben künf- tige Untersuchungen über die gesammten anatomischen Verhältnisse ein- zusetzen, so dankenswerth auch schon PoLLonera’s mehr systematische Bearbeitung sein mag. So kann denn zum Schluss dieses Abschnittes nur etwa folgende systematische Übersicht gegeben werden: Ordnung Pulmonata. Erste Familie: Helicidae. Ohne Schwanzdrüse; beschalt oder mit rückgebildeter Schale: ein Columellarmuskel, ein Schwanzrückennerv. Der rechte Lungenschen- kel schiebt sich zwischen den weiten und den engen Ureterschenkel ein. Copulationsorgane männlich. Genus: Limax. Schale rückgebildet. Intestinalsack nicht oder kaum aufgewunden. Zu den vier typischen Darmschlingen gesellt sich eine fünfte und sechste, die-jenseits vom Retraktor liegen. Erste Darmschlinge die längste. Die linke Leber bildet die Spitze des Intestinalsackes. Der Retraktor des rechten Ommatophoren kreuzt sich mit dem Penis und seinem Retrak- tor. Genitalöffnung dicht hinter den Fühlern. Der Same wird flüssig übertragen. Athemöfinung hinter der Mitte des Mantels. Mantel im Leben mit koncentrischen vergänglichen Furchen; Nase schwach ent- ! Die bilateral-symmetrische Ausbildung der Arionniere (mit nur -einseitigem Ureter) legt dem Embryologen die Frage vor, ob sie nicht aus beiden Urnieren durch | Verschmelzung entstanden sei. % Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 253 wickelt. Niere ein rundlicher Sack, rings mit Drüsengewehbe. Sohle durch zwei Furchen in Mittel- und Randfelder getheilt. Thier schlank, beweglich. Haut dünn. Schleim flüssig, klar oder bunt. Genus Agriolimax und Genus Amalia. Schale rückgebildet. Intestinalsack aufgewunden. Vier Darm- schlingen, die erste die kürzeste. Die rechte Leber bildet die Spitze des Intestinalsackes. Der Retraktor des rechten Ommatophoren kreuzt sich nicht mit dem Penis. Genitalöffnung bei Agriolimax dicht hinter den Fühlern, bei Amalia weiter rückwärts. Der Same wird bei Agriolimax in einer lockeren Schleimpatrone, bei Amalia in einer echten Spermato- phore übertragen. Jener ohne, diese mit Patronenstrecke des Samen- leiters. Penis bei jenem mit, bei dieser ohne Anhangsdrüsen. Amalia mit Anhangsdrüsen am Atrium oder Ovidukt. Athemöffnung hinter der Mitte des Mantels. Mantel bei Agriolimax mit koncentrischen vergänglichen Furchen, bei Amalia körnig, mit einer tiefen bleibenden, in die Anal- rinne mündenden Furche. Nase bei Amalia viel stärker entwickelt. Niere bei Agriolimax ein rundlicher Sack, bei Amalia mit einem Blind- zipfel, nur an der Decke mit Drüsenblättern. Sohle durch zwei Furchen in Mittel- und Randfelder getheilt. Agriolimax schlank, beweglich, mit dünnerer, Amalia langsam, mit dickerer Haut. Schleim bei Agriolimax klar oder durch Kalk getrübt, bei Amalia zäh firnisartig. Zweite Familie: Zonitidae. Mit Schwanzdrüse. Beschalt oder mit rückgebildeter Schale. Ein Columellarmuskel. Ein Schwanzrückennerv. Niere und Lunge wie bei den Heliciden. Copulationsorgane männlich. Dritte Familie: Artonidae. Mit Schwanzdrüse. Von Anfang an unbeschalt. Statt des Golumel- laris zwei vom Beginn weit getrennte Fühler- und ein Pharynxretraktor. Zwei weit getrennte Schwanzrückennerven. Der rechte Lungenflügel verläuft ganz außerhalb des Ureters. Beide Ureterschenkel weite Schläuche, beide direkt einander umfassend, der hufeisenförmigen Niere angelagert. Copulationsorgane weiblich. Einziges! Genus: Arion. Intestinalsack aufgewunden. Vier Darmschlingen, die erste die längste. Die linke Leber bildet die Spitze des Intestinalsackes. Samen- 1 Die Bezeichnung des Arion als einziger Gattung schließt die Annahme ein, dass die Ariunculusgruppe Lessona’s nicht generisch verschieden. 47* 254 Heinrich Simroth, leiter mit Patronenstrecke, bildet keinen Penis. Athemöffnung vor der Mitte des Mantels. Mantel körnig gerunzelt. Nase schwach entwickelt. Sohle mit lokomotorischem Mittelfeld, doch ohne trennende Längs- furchen. Thier langsam. Haut dick. Schleim klar oder bunt. Zweiter Theil. Äufsere Beschreibung und Naturgeschichte der Arten. Im ersten Theile wurden lediglich die inneren anatomischen Ver- hältnisse der Eintheilung der Gattungen nicht nur, sondern eben sowohl der Arten zu Grunde gelegt. So wenig an und für sich auf den engeren oder weiteren Rahmen ankommt, in den man den Begriff der Art spannt, -wenigstens da, wo ein fortlaufendes Verfließen einer Formen- reihe vorzuliegen scheint, so sehr springt bei unseren Nacktschnecken bei Weitem in den meisten Fällen eine scharf umschriebene anatomische Artbeständigkeit in die Augen; in anderen, bei einigen Agriolimaces, Amalien und Arioniden scheinen einzelne Formen mehr zu verschwim- men und bedürfen daher einer besonderen Betrachtung vom descendenz- theoretischen Standpunkte. Auffallend aber ist es, dass gerade die ana- tomisch am schärfsten gekennzeichneten Limaces in der gebräuchlichen Systematik der allergrößten Unsicherheit unterliegen, indem sie nicht nur beliebig weiter zersplittert, sondern in ihren Einzelheiten bunt durch einander gewürfelt werden. Am einfachsten zeigt sich’s, wenn ich dem anatomischen System einige der neueren Eintheilungen gegen- über stelle. Während die Anatomie u. A. die Ordnung ergiebt: Untergattung Limax-maximus-tenellus, » Lehmannia-variegatus-arborum, Il. Gattung: Agriolimax-laevis-agrestis, III. Gattung: Amalia-marginata, I. Gattung: Limaxl so lautet die Folge nach Pını: I. Gattung: Limax. Sectio Heynemannia » Chromolimax » Plepticolimax-variegatus, » Stabilea (= maximus mihi), » Agriolimax-agrestis, Il. Gattung: Lehmannia-arborum, III. Gattung: Amalia-marginata, \- maximus mihi). nach LEypıe: Limax carinatus (= Amalia marginata), » Formen des maximus m., » variegatus, » Form des maximus m., Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 255 Limax marginatus (= arborum), » agrestis, » cinctus (= tenellus), » brunneus (= laevis), nach Lessona und POLLONERA: I. Gattung: Lehmannia-marginata (= arborum), II. Gattung: Limax-Arten des maximus, » flavus (= variegatus), II. Gattung: Agriolimax-tenellus-laevis-agrestis, IV. Gattung: Amalia-marginata, nach SEMPER: Gruppe des cinereoniger, dazu maximus-Formen, variegatus, margina- tus (= arborum), » des agrestis: agrestis-tenellus, » des gagates: Amalia. Wie man sieht, kommt Semper’s Eintheilung meiner am nächsten, weil beide auf anatomischer Grundlage beruhen (bei Semper ist die Zu- sammenstellung mehr im Vorbeigehen gegeben); die übrigen dagegen, — die Gruppirung ließe sich leicht vermehren —, würfeln meist nicht nur die Arten in der Gattung, sondern selbst Untergattungen und Gat- tungen durch einander. So fern es mir liegt, an den oft in praktischer Rücksicht gegebenen Aufstellungen Kritik üben zu wollen, eins folgt von selbst: die Unzulänglichkeit der Merkmale, nach denen jene Grup- pirungen gebildet wurden. Das moderne Rüstzeug der Nacktschnecken- artbestimmung, Kiefer, Bezahnung, Färbung, Hautrelief und einige untergeordnete Besonderheiten, die für den ganzen Habitus sehr wichtig sein mögen, dieses Rüstzeug ist nicht geeignet, in vorderster Reihe seinen Platz zu behaupten. Je mehr aber diese Faktoren von den ana- tomischen Differenzen in die zweite Stelle gedrängt werden, je mehr sie von der Betrachtung des Gesammtmateriales ausgeschlossen werden, ein um so stärkeres Interesse erlangen sie innerhalb der einzelnen Art als besondere Arpassungen an lokale oder klimatische Bedingungen. Und da hat es mir scheinen wollen, als ob die Begrenzung der Unter- suchungen dieser Faktoren auf den allerengsten Formenkreis, oft nur an einem beschränkten Orte, besonders geeignet sei, die fortbildende Thätigkeit der Natur an unseren Objekten unmittelbar zu beleuchten, | sei es in Bezug auf die Eigenschaften des Integumentes, die den Habi- tus erzeugen, sei es auf die bei den Nacktschnecken grell hervortretende Färbung. Konnte Vieles hier nicht über die Stufe gegründeter Ver- ‚muthungen hinausgeführt werden, so würde ich es dankbarst begrüßen, " wenn eine methodische Untersuchung in der freien Natur sowohl als ‚, mit Hilfe der experimentellen Züchtung durch die folgenden Angaben | angebahnt werden könnte. | | &) 256 Heinrich Simroth, In Bezug auf die Färbung hat Leypie erst die so wichtige Unter- scheidung genau durchgeführt zwischen den schwarzen Chromatophoren und den Farbdrüsen, welche die bunten Farben erzeugen. Erstere bil- den ein subepitheliales Netz; letztere, zusammen mit den Kalkdrüsen, stellen zwar ein ähnliches, meist mehr in die Tiefe der Haut dringendes Netzwerk vor, das vielleicht sogar mit den ersteren verschwimmen mag. Die Differenz liegt aber darin, dass die schwarzen (dunkelbraunen oder blauen) Ghromatophoren niemals die Haut durchbrechen, während die Farb- und Kalkdrüsen bei einer Reihe von Arten sich nach außen öffnen und ihren Inhalt dem ursprünglich glashellen von besonderen Schleimdrüsen abgeschiedenen Schleim beimischen. So entsteht bald ein weißlich getrübter, bald ein bunter Schleim, der aber, wie sich weiter ergiebt, nicht nur von den Arten, sondern innerhalb derselben von Formen und Alterszuständen abhängt. Es thut der Unterscheidung der Pigmente keinen Eintrag, wenn sie bei manchen rothbraunen Thieren noch nicht getrennt erscheinen, so dass schwarz durch roth- braun, ja in einem Falle durch lebhaftes Roth ersetzt wird. Immer steht der konstante Farbstoff, der die Zeichnung erzeugt, dem hinfälli- gen, oft fehlenden, durch die Drüsen entleerten gegenüber. Nach dieser Vorausschickung mögen die einzelnen Arten zur Besprechung gelangen ! Arion. Die Gattung Arion soll diesmal voranstehen, weil sie bei ihrer starken Varia- bilität und gleichwohl anerkannten Arteinheit der größten Species die beste Hand- habe bietet, über Ursache und Bedeutung der Abänderungen nach obigen Gesichts- punkten ein Urtheil zu gewinnen. Für das Genus waren in Deutschland bis in die neueste Zeit SEIBERT’S Angaben, welche auf so gut durchgeführten Zuchtversuchen beruhen, zum Dogma geworden (58, 60), und man ließ nur die drei Arten empiri- corum, subfuscus und hortensis gelten. Er hatte aber das Unglück, die Jungen nur | der größten Species unter die Hände zu bekommen, und daer eine große Varia- | bilität und Verfärbung an ihnen wahrnahm, schloss er, dass alle von anderen Auto- | ren, u. A. von LEHMANN, aufgestellten kleineren bunten Arten hinfällig wären. Er verlangt, dass kein Exemplar in seiner Artberechtigung anerkannt werde, das man | nicht bis zum ausgewachsenen Zustande gezüchtet habe. Ein schwieriger Grund- satz der Zoologie, namentlich für die Untersuchung fremden Materiales! Übrigens würden nach seinen Resultaten vermuthlich alle bunten Thiere zu A. empiricorum | werden. Eine viel sicherere Handhabe für die Bestimmung bietet die Anatomie, und da ist auf Leamann’s Urtheil besonderes Gewicht zu legen. Leider hat dieser Forscher gerade bei unserer so abweichenden Gattung einige Versehen begangen, | daher bei der Geringfügigkeit der anatomischen Unterschiede, die im Allgemeinen hier viel schwerer zu eruiren sind als bei den übrigen Nacktschnecken, eine scharfe Trennung ihm kaum gelungen ist. In so fern aber hat er unbedingt Recht, als er | Thiere mitentwickelten Genitalien ohne Weiteres der Artbestimmung zu Grunde legte. Bei den Arionen gilt, wie mir vielfache Erfahrung sicher gezeigt hat, der Grundsatz: | | - Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 257 kein geschlechtsreifes Thier macht noch Farbenveränderungen durch. Nun ist aber die Geschlechtsreife hier gerade sehr leicht festzustellen theils an der Ausbildung der Eiweißdrüse, theils und noch mehr an der manschettenartigen Erweiterung und mehrfachen Krümmung des Ovispermatodukts. Oft schon scheint die große weiße Eiweißdrüse durch die Haut, so dass ein Einschnitt überflüssig. Hat man aber die erwachsene Form kennen gelernt, dann ist allerdings noch nöthig, dass man die Farbenskala durch die ganze postembryonale Entwicklung verfolgt, denn einige Arten konvergiren im ausgewachsenen Zustande beträchtlich, da doch die jüngeren Stadien nicht zu verwechseln sind. Meist gelingt es unschwer, die jungen Thiere in der Nähe der alten zu finden, zu fast allen Jahreszeiten, denn die Arten haben fast durchweg bestimmte Standgebiete, um die man sich bisher wenig kümmerte, da man vom Arion subfuscus z. B. meist nur sein Wechselgebiet angiebt. Hat man endlich jede Art nach Anatomie und Farbenentwicklung kennen gelernt, dann treten einem die verschiedenen Thiere, auch einzeln in irgend einem Zustande vorgelegt, in so ausgezeichnetem Gewande entgegen, dass ein Zusammen- werfen nicht leicht statthaben wird. Freilich ist die Kenntnis des ganzen Formenkreises jeder Art unerlässlich. Wenn SEıBerT annimmt, dass die jungen A. empiricorum unter den anderen Arten überall herumspuken, wie sie es bis zu gewissem Grade thun, so kann ich aus Einsicht in die Sammlungen tüchtiger Kenner versichern, dass A. empiricorum vielfach bei subfuscus untergebracht wird, junge subfuscus aber bei hortensis, der wiederum aus hortensis und Bourguignati sich zusammensetzt. Vielleicht erheischt noch einer der gebrauchten Ausdrücke, der für die Nackt- schnecken größere Wichtigkeit beansprucht, Erklärung, der Ausdruck »Stand- und Wechselgebiet«. Die allermeisten Arten finden nur an bestimmten Loka- litäten die Bedingungen für ihre volle Entfaltung, wo sie dann vorherrschen, sei es der Laubwald, das Nadelholz, die pilzreiche Haide, fruchtbare Aue und Garten, Gebirg oder Ebene. Von diesen Centren ihrer Verbreitung, deren Fauna sie einen charakteristischen Anstrich verleihen, die aber mit den geographischen Ursprungs- centren als viel größeren Gebieten nicht zu verwechseln sind, strahlen sie in ver- schiedenem Verhältnis nach anders gearteten Örtlichkeiten aus, manche gar nicht, manche wählerisch nach gewissen Gebieten, manche fast nach allen, hier einen untergeordneten Bruchtheil der Thierphysiognomie bildend. Die Feststellung dieses Wechselgebietes im Zusammenhalte mit dem Standgebiete ist vorzüglich geeignet, den Einblick in die Lebensbedingungen zu erleichtern. In erster Linie aber wird man jede Art an dem Standgebiete, einem Unterbegriff des geographischen Schöpfungscentrums, zu studiren haben. | XXI. Arion empiricorum (Taf. VII). Die Naturgeschichte der großen Art ist in Bezug auf Färbung, Re- lief und Aufenthalt klar genug gestellt. Was man als rufus und ater unterschied, ist längst zusammengeworfen, und wenn MorELET zwischen beide noch einen portugiesischen sulcatus einschiebt (49), so beweist das nur, dass er die Hautrunzelung des Thieres an der braunen Varietät zu würdigen wusste. In der That hat keine deutsche Schnecke so hohe, - scharf gekielie Runzeln, bei recht großen, ungeschlachten Individuen zumal über Verhältnis der Körpergröße entwickelt und auf dem Rücken 258 Heinrich Simroth, ohne Unterbrechung vom Mantel bis zum Schwanzende reichend, hier und da nach hinten sich gabelnd. Die langen Kämme entstehen in der Entwicklung durch Verschmelzung kleinerer, länglich polygonaler Run- zeln, die aber immer, auch bei den jüngsten, direkt hinter dem Mantel, deutlich und verhältnismäßig lang aus einander strahlen, beträchtlich länger, als alle übrigen Körperrunzeln. Es sind diese längeren vorderen Rückenrunzeln meiner Meinung nach das beste und oft das einzige Merkmal, die Jungen dieser Art von denen der Gattungsgenossen zu unterscheiden (leider sind in den Abbildungen junger Thiere die Formen der ersten Rückenrunzeln nicht genug hervorgehoben, da ich zeichnete, ehe ich auf ihre Wichtigkeit aufmerksam geworden war). Die Färbung der erwachsenen Thiere, die zwischen roth und schwarz wechselt oder | besser sich aus roth und schwarz oder aus einer Farbe allein bildet, kann man mit Leypie etwa folgendermaßen klassificiren (46): | 1) Rückenseite einfarbig gelbroth, Sohle farblos (grau); | 2) Rücken dunkelt ins Braune; 3) Rücken dunkel bis schwarz, Fußrand roth, Sohle hell, — drei- farbige Form; | A) das Schwarz überdunkelt auch die Sohle. | Mogouin-Tannon giebt nicht weniger als Al, oder wenn man seinen albus dazu nimmt, als 45 Färbungsvarietäten an, « vulgaris, einfarbig, ' braun, # ater, y ruber, d suceineus, bis hierher alle einfarbig, & Drapar- | naldi, hellere Form von Leypıc’s drei, Z bicolor, oben dunkelbraun, nach den Seiten heller, n nigrescens, eben so, aber oben schwärzlich | (kaum vom vorigen zu trennen), 9 marginatus, dunklere Form von Leyoie’s drei, ı Mülleri, schwarz, der Kiel oben grünlich, x virescens, grünlich, mit zwei orangenen Seitenbinden, 4 pallescens, schmutzig | weiß oder gelblich oder röthlich. Dazu Arion albus mit vier Varietäten: ce simplex, einfarbig weiß oder weißlich (wobei man kaum versteht, in wie fern sich dieser von der letzten Form des vorigen unterscheidet), ß marginatus, weißlich, mit gelbem Rand, y elegans, weißlich, Sohlen- rand und Kopf orange, Ö oculatus, weißlich mit schwarzen Fühlern. —' Es leuchtei wohl ein, dass unter albus der verschiedengradige Albinis-' mus zu verstehen ist. Der virescens kommt im Allgemeinen mit dem in neuerer Zeit mehrfach beschriebenen fasciatus überein (siehe SEIBERT, WESTERLUND U. A.). Die starke Verschiedenheit einer aus weiß, gelb, roth, braun, grün | und schwarz zusammengesetzten Färbung, die sich weiter aus der Ent-% wicklung herleiten lassen wird, g:iedert sich schon jetzt ziemlich ein- fach, wenn man sie nach den zwei Komponenten, die sie ganz allein] erzeugen, zerlegt. In Wahrheit sind es nur die beiden Farbstoffe Roth! | | l I Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 259 oder Rothgelb und Schwarz, welche durch wechselnde Intensität und Anordnung den ganzen Reichthum des Kolorits bedingen; und zwar bildet der schwarze das subepitheliale Netz, das oben nach Leynıc an- gegeben wurde, während der rothe überall bei unserem Thiere in Farb- drüsen die Haut durchbricht und den Schleim bunt färbt, daher man hier auch ein schwaches, durch schwarz fast verdunkeltes rothes Pig- ment noch nachweist, indem man den Schleim auf weißes Papier ab- wischt, wo sich jede Farbenspur verräth. — Für die Pigmentvertheilung sind einige Determinationen von Wichtigkeit. Die Ausdrücke Rand- und Mittelsohle verstehen sich im Folgenden von selbst, die Mittelsohle ist das lokomotorische Feld, die Randsohle die eben so breiten Seiten- felder, — unter Sohlenleiste (bord Moguın-Tannon) meine ich den be- kannten, nach oben gekehrien, scharf abgegrenzten, bei den Arionen hinten beträchtlich verbreiterten Fußrand. Das schwarze Pigment fehlt nach meinen Erfahrungen nie ganz, zum mindesten ist es am Kopfe und den großen Fühlermuskeln erhalten; nach Moguin-Tanpon würden in Frankreich auch vollkommen albine Thiere vorkommen; empiricorum 4 pallescens, albus « simplex, ß marginatus, y elegans; leider hat der französische Autor nicht ange- geben, ob es sich um echten Albinismus handelt, bei dem auch die Augen ungefärbt sind. Die geringste Stufe der Entwicklung, die ich kenne, entspricht Moouin-Tanpon’s albus Ö oculatus. Nächstdem ergreift das Schwarz die Sohlenleiste, indem es dieselbe mit radiär gestellten grauen bis schwarzen Strichen zeichnet; es wollte mir scheinen, als ob diese radiäre Streifung sich an die feinen Blutbahnen der Haut hielte: wenigstens ergiebt die Beobachtung der feinen Integumentipulsationen in der Sohlenleiste (wie solche in der ganzen Haut bekanntlich die Blut- eirkulation unterstützen), dass sie eben so streng radiäre Richtung ein- halten und in stäbchenartig radiären Wellen sich abspielen. Der Ge- danke, die Entwicklung des dunklen Pigmentes möge ursprünglich vom Bluifluss abhängig sein, wird durch die weitere Ausbreitung nicht un- wesentlich unterstützt. Denn zunächst dunkelt der Rücken grau von oben her; und dabei kann es kommen, dass bei zarter oder stärkerer Schwärzung jederseits eine dunklere Längsbinde sich abhebt in der Höhe des Seitensinus (bei der fasciatus-Form). Es ist also der Rücken dunkel und klingt hell nach den Seiten ab, bis abermals jederseits eine starke Dunkelung auftritt, die wiederum nach unten allmählich abklingt. ‚Man kann die seitliche Dunkelung nicht eigentlich als Streifen oder Binde bezeichnen, eben desshalb, weil sie nach unten allmählich sich verwischt, entsprechend den besonders von unten her in den Sinus sich sammelnden Blutströmen. Viel eher kommt es vor, dass die Dunkelung 260 Heinrich Simroth, des Rückens nach der Seite gegen den dunkeln Streifen hin in bestimm- tem Abstand von diesem plötzlich abbricht, so dass jederseits eine hellere echte, d. h. beiderseits begrenzte Binde sich abhebt (Fig. 25 C, 31 K). Weiterhin dunkelt der Rücken gleichmäßig, indem’ er oben schwarz wird und das Schwarz allmählich nach unten über die ganzen Seiten ausdehnt. Dann wird auch die Sohlenleiste einfarbig schwarz. Inzwi- schen ist das Schwarz auch auf die Sohlenfläche übergetreten, entweder sie zart grau gleichmäßig überziehend, oder in stärkerer Ausbildung sich auf die Randsohle beschränkend, so dass bei den intensivst kolorirten über und über schwarzen Thieren doch noch immer die Mittelsohle weißlich oder hellgrau heraussticht. Dass bei nicht ausgefärbter Sohle das Pigment sich auf den Seitenfeldern gern in Querstrichen bemerklich macht, ist bekannt. Bei mäßig starker gleichmäßiger Vertheilung des Schwarz (ohne besondere Entwicklung des Rothen) entsteht bisweilen ein deutlicher Stich ins Blaue, wie GoLDruss eine ausgezeichnete schöne bläulichgraue Varietät bei Hausberge in der Nähe der Porta wesiphalica anführt (13). Man sieht das Blau namentlich während der Entwicklung und am deutlichsten seitlich zwischen Leiste und Mantel. Das rothe Pigment hält sich zunächst und zum mindesten an die Sohlenleiste; fehlt es dieser, dann fehlt es überhaupt. Im Übrigen überzieht es den Rücken mehr oder weniger gleichmäßig und geht eben so gut auf die Sohle über, hier namentlich auf die Randsohle sich be- schränkend. Beispiele ohne Roth kenne ich aus der Natur bloß an ganz schwarzen Thieren; albine, also wirklich weiße Individuen (mit schwärzlichem Kopfe) habe ich bloß gelegentlich durch künstliche Züch- tung erzeugt (s. u. Fig. 29 H), Mogquın-Tanpon beschreibt sie aus der Freiheit (Exemplare seines empiricorum 4 pallescens, so wie sein albus c simplex). Immerhin halte ich es für fraglich, ob er sie in der freien Natur selbst angetroffen, oder ob sie ihm lebend zugeschickt wurden, wobei leicht die Haut erschlaffen und die Sekretion des rothen Schleimes sistiren konnte, wie bei meiner Züchtung. Ganz schwarze Thiere ohne alles Roth, alse auch ohne röthlichen oder bräunlichen Schleim der Sohlenleiste, zeigen die andere Merkwürdigkeit, dass ihr Rückenschleim auf Berührung ziemlich dünnflüssig und nicht farblos, sondern milch- weiß hervorquillt, wobei mir das Weiß nicht auf beigemengtem Kalk zu beruhen schien. Ist das Weiß hier von denselben Farbdrüsen ab- geschieden, die sonst das Roth liefern? — Mischfarben aus Schwarz (Grau) und Roth (Gelb) ergeben sich von selbst: Schwarz und Roth erzeugen die braunen, Grau und Gelb die grünlichen Töne, wie beim Laubfrosch etwa. Jetzt schon mag bemerkt werden, wie es auch WESTERLUND angiebt, dass die schwarzen Thiere mehr dem nördlichen, Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ, Verwandten. 261 die rothen mehr dem südlichen Theile des Verbreitungsbezirkes ange- gehören, während sie an vielen Orten gemischt vorkommen und nach MoRELET (49) beide in Portugal heimisch sind. — Ein eigentliches Stand- gebiet vermag ich für die Art kaum anzugeben, da sie fast auf allen Bodenarten und bei jeder Bodenbedeckung sich findet. Immerhin kann die fruchtbare, feuchte Aue, vorzüglich wenn sie mit Laubwald be- standen ist oder Wiese und Park abwechseln, als bestes Quartier gelten, hier ist sie am dichtesten; im Nadelwald scheint sie die feuchte Nach- barschaft der Rinnsale zu bevorzugen; sie wird hier entschieden spär- licher, und auf weiten Strecken dürren Sandbodens, auf der echten Haide, so wie auf den damit gern verknüpften Torfimooren und moorigen Wiesen tritt sie nur sporadisch auf, hier mag ihr Wechselgebiet sein, in das sie verschlagen wird; auf unseren deutschen Mittelgebirgen steigt die Schnecke bis zu den höchsten Höhen. Dass sie an bestimmte Nah- rung nicht gebunden ist, wurde schon früher bemerkt, saftige Kräuter sagen ihr eben so zu wie Pilze oder frische Leichen niederer Thiere. . Immerhin hat mir’s auch für diese Art scheinen wollen, als wenn sie wenigstens in der Jugend Pilzäsung nöthig hätte, denn man findet die kleinen meist in faulendem, also pilzreichem Laube, hier häufig geradezu am Mycel der größeren Schwämme zehrend, selten nur an grünem Kraut. Die Losung besteht in einer langen, mehrfach in einer Ebene gewundenen Wurst, ganz anders als bei Limax, der einen kurzen, in den Lungenrand eingebetteten Mastdarm hatte, da doch bei den Arionen der Dünndarm frei zum After aufstieg. Die große Verschiedenheit der Thiere nach Färbung und Schleim rest natürlich die Frage nach der Ursache an, denn selten oder kaum dürfte sich ein so günstiges Objekt darbieten, das an nahe gelegenen, ja unter Umständen an derselben Örtlichkeit einen gleichen Betrag von Variabilität aufwiese. Die scheinbar nächstliegende Annahme, als habe die geologische Beschaffenheit des Untergrundes als solche mit der Ver- färbung zu thun, wird leicht und bestimmt durch eine Prüfung zahl- reicherer Fundorte zurückgewiesen, denn da erscheinen auf Urgebirge, auf Kalk, auf Sandstein bald grell rothe, bald grell schwarze Formen. So fand Herr Gears beispielsweise (laut brieflicher Mittheilung) bei Scharzfeld am Harz alle Übergänge vom grellsten Roth bis zum tiefsten Schwarz auf Kalk, während in der Nähe von Hannover die rothen Thiere nie zu finden waren, weder auf Kalk, noch auf Sand oder Moor. Andererseits fanden sich grellrothe auf Buntsandstein bei Eisenberg im Altenburgischen, röthliche und bräunliche vom Glimmerschiefer-Gneiß- gebiet im sächsischen Mittelgebirge, tief schwarze von den gleichen Formationen des Erzgebirges. Die Beispiele ließen sich beliebig mehren; 262 Heinrich Simroth, schon die Thatsache, dass Skandinavien vornehmlich die dunkle Form besitzt, weist auf die große Unabhängigkeit vom Boden hin. So heißt es einen anderen Weg einschlagen wesentlich durch Be- obachtung der natürlichen Bedingungen, welche die individuelle Ver- färbung des Thieres beeinflussen während der Entwicklung. Diese wird sehr erleichtert durch die Wahrnehmungen über das Lebensalter. Schon SEıserr bemerkt (58), dass die Jungen, die überwintert haben, sich in einem Jahre groß ziehen lassen. Die Ver- folgung des Auftretens in der Natur durch längere Zeit hindurch lehrt mit Bestimmtheit, dass die Schnecke überhaupt nur ein Jahr alt wird, bezüglich in einer Sommerperiode aus dem Ei schlüpft, um in der nächsten nach erfolgter Fortpflanzung zu Grunde zu gehen. Wahr- scheinlich existiren gar keine Ausnahmen; in milden Wintern mag es | vielleicht nicht zu den Unmöglichkeiten gehören, dass ein Exemplar | unter Tausenden das zweite Mal durchkommt. Zuerst fiel mir nach einer kurzen Michaelisreise 1882, während welcher die ersten Nacht- fröste eintraten, in unserem Rosenthal, das vom A. empiricorum wim-. | melt, der völlige Mangel aller erwachsenen Thiere auf. Junge waren | reichlich unter'm Laube anzutreffen. Im Frühjahr 1883 am 10. Mai im Rosenthal eine Serie von Jungen, nach oberflächlicher Schätzung zwi- | schen 1/, und ?/,; der Normalgröße schwankend, am 17. Mai dasselbe Resultat, und wie es schien, nach demselben Mischungsverhältnis der Größenstufen; nach der Sektion war noch nirgends die Geschlechtsreife eingetreten. Nach und nach, ziemlich schnell, nehmen nunmehr die großen erwachsenen Thiere überhand, Anfang August (wo sie gebraucht | wurden) lassen sie sich in Unmasse sammeln, hundert in einer Vieriel- ' stunde; eben so häufig, doch ungezählt, waren sie vorher im Juni | und zumal im Juli. Während der folgenden Trockenperiode vom | 20. August bis zum 6. September wurden die Thiere völlig vermisst, trotzdem das schattige Rosenthal unausgesetzt feuchte Stellen genug hat. Am 9. September ließen sich nach lange anhaltendem abendlichen und | nächtlichen Gewitterregen während eines mehrstündigen Vormittags- | spazierganges im Ganzen zwölf Thiere auftreiben, wo sie sonst unter gleichen Verhältnissen zu Hunderten zu sehen waren. Alle waren ge- schlechtsreif, doch, was auffiel, alle im Durchschnitt kleiner als wäh- rend der Hauptsaison. Dieselbe Schachtel, die damals sieben, höchstens acht aufnahm, fasste jetzt alle zwölf (vielleicht für Nacktschnecken die beste und einfachste Methode der Verhältnisbestimmung). Die That-) sache, dass die Spätsommerthiere nur die Hälfte oder zwei Drittel des! Normalvolums erreichen, wird unten berücksichtigt. Entsprechend! dem außerordentlich milden Winter 1883/84 wurde noch in den letzten N Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 263 Oktobertagen ein erwachsenes Thier aufgetrieben. Im November und zu Weihnachten wurden nur Massen ganz junger Schnecken konstatirt. Ende Februar 1884 eben so, doch treten schon vereinzelt umgefärbte (s. u.) etwa von !/s Körpervolum auf, wieder in Folge der überaus mil- den Temperatur. Eben so Mitte März, Ende März, Anfang April etc. Im April beginnt starkes Wachsthum, man sieht schon halbwüchsige, und nun verläuft die Entwicklung in demselben Geleise, so dass sich Ende August nicht ganz so spärlich, wie im Vorjahr (— vielleicht hat die Trocknis des Sommers die Entwicklung etwas verzögert —) die erwachsenen kleineren Formen vorfinden (von 6—8 Gramm Alkohol- gewicht), hier und da auch noch ein größeres von 10—11 Gramm, während die kräftigsten sonst 42—13 Gramm erreichen. Das Facit ist leicht zu ziehen. Die Jungen überwintern, meist auf der ersten Stufe beharrend ; im Frühjahr machen sie ein rapides Wachsthum durch, um frühestens Ende Mai fortpflanzungsfähig zu werden. Die meisten er- reichen dieses Stadium im Juli. Und wenn nach der Brunstzeit die Eier abgelegt sind, gehen die Thiere während der trockneren Zeit des Hoch- sommers ein, natürlich nicht in Folge der Trocknis, sondern an Alters- schwäche. Man sollte vermuthen, dass sich die Leichen unter dem Laube finden lassen müssten; ein einziges Mal fand ich eine, die gar keine Ver- letzung zeigte; schnelles Verwesen oder Vertrocknen, — beides geht äußerst schnell vor sich — verhindert die häufigere Wiederholung des Fundes. Ist das Gros verschwunden, dann halten sich einige Nachzügler, kleinere Kümmerformen, bis in den Herbst, jedenfalls, um noch ihrer Bestimmung, der Fortpflanzung, nachzukommen. Darf das, was an der einen Lokalität, im fruchtbaren Auewald, festgestellt wurde, auf andere und alle Gegenden übertragen werden ? Meine Erfahrungen ermuthigen mich, unbedingt zu bejahen, so sehr hier und da der Schein dagegen spricht. Nach Mogouın-Tannon wer- den die Eier, in Übereinstimmung mit Obigem, im Mai, Juni, August abgelegt, nach 25 bis 40 Tagen schlüpfen die Jungen aus. LEHMANN fand in Pommern (37) die Eierhaufen, aus denen nach 30 bis 40 Tagen _ die Jungen auskriechen, im Frühjahr, Sommer und Spätherbst. Viel- leicht darf man in der kürzeren Incubationszeit einen Einfluss des wärmeren französischen Sommers erblicken, während der Begriff Früh- Jahr etwas weit ist; ich vermuthe in Pommern den Juni darunter. Die Spätherbsteier möchten jenen Nachzüglern entstammen. Ob etwa die ‘ Thiere, die im Frühjahr Eier legen, zu einer zweiten Begattung schrei- ten, entzieht sich meinem Urtheile. Jedenfalls wird zuzugeben sein, dass aus der Fortpflanzungszeit wenigstens kein Widerspruch gegen die erschlossene einjährige Lebensdauer erwächst. Wenn mir Herr GEHRs, 264 Heinrich Simroth, der nachträglich meinen Anschauungen zustimmte, Anfang Mai unter jungen einen scheinbar erwachsenen schwarzen Arion schickte, so er- gab die Sektion deutlich, dass an Geschlechtsreife noch nicht zu denken. Schwieriger war es zu deuten, wenn sich Ende Juli auf dem Erzge- birge, in 550—900 m Meereshöhe, unter großen alten nicht nur halb- und drittelwüchsige, sondern auch ein vereinzeltes, fast jugendlich gefärbtes ganz kleines Thier fand, das etwa den durchschnittlichen März- und Aprilformen Leipzigs entsprechen mochte. Wäre es erst von diesem Sommer, dann müsste die Vereinzelung auffallen, da sich die kleinen wenig zerstreuen. Aber der Zusammenhang mit den übrigen größeren jungen, die immerhin gegen die alten stark in der Minderzahl waren, zeigt, dass es sich hier, wo die im Flachlande längst beendigte Roggenernte noch nicht begonnen hatte, um eine klimatische Verzöge- rung handelte, daher die normale Durchschnittsreife vielleicht erst in den August fällt. Und so verlangt, wie bei den von den meteorologischen Verhältnissen besonders abhängigen Nacktschnecken überhaupt, jeder einzelne Fall seine eigne, so zu sagen lokale Erklärung, daher mir bis jetzt keine Beobachtung die Einjährigkeit unserer Art anzufechten scheint. Ursachen der Färbung. Im normalen Entwicklungscyklus erweist sich als eine Zeit erstaunlich beschleunigten Wachsthums die Frühjahrsperiode. Diese wechselvollste aller Jahreszeiten bringt mit dem Wachsthum auch die Um- und Ausfärbung zuwege. Auch lohnt sich der Hinweis, wie der Körper jeder Nacktschnecke die Stärke und Unmittelbarkeit der atmosphärischen Einflüsse ohne Weiteres zeigt: | die Unterfläche der Mantelkapuze und der von ihr bedeckte Theil des Nackens bleiben durchweg hell, meist mit allmählichem Übergange am Rande der verdeckten Stelle, wo die Kapuze je nach dem Kontraktions- zustande etwas hin- und herspielt; nächstdem ist die Sohle der hellste Körpertheil; die übrige der Luft ausgesetzte Haut trägt die Farben. Bei unserer Art sind die schlanken, zarten Jungen (Fig. 23 A) die erste Wochen nach dem Ausschlüpfen oder bis zum Herbst hin mehr oder weniger einfarbig mit dunklem Kopfe, man dürfte sagen »larvenfarbig«, wobei auffälligerweise oder nach dem vielen Larven einher Gesetze der Purpur oder das Violett des Kopfes die Komplementärfarbe ist zu dem isabellgelben oder zart orangenen Kleide des übrigen Leibes, — man denke an helle Maden mit dunklem Kopfe, noch mehr aber an die hellgelben Schwammlarven mit rothviolettem Vorderpol. Herbst und Winter, während deren die meist unter Laube versteckten Schneckchen durchschnittlich wenig an Größe zunehmen, prägen die | Färbung nur in so fern aus, als der Kopf sich kräftiger schwärzt und’ je) Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 265 der Rücken ein wenig ins Graue dunkelt, immer aber noch im Gebiet des Blassgelben (Fig. 24 B). Jetzt könnte man schon hier und da einen Stich ins Grüne angeben. Wer die kleinen mit allgemeinem Ausdrucke bezeichnen wollte, der könnte sie mit Leumann hellweiß mit grauem Grunde nennen. Dabei macht sich jetzt die erste Zeichnung bemerk- bar, häufig und zunächst nur als ein helles, weißliches Längsband auf dem Mantel, das nach innen scharf begrenzt ist, nach außen allmählich sich dunkler verwischt. Es geht oft auf den Rücken über, indem der dunklere Hauch von oben nicht bis herab reicht, sondern sich nach der Binde hin abblasst, die dann wiederum nach unten allmählich heller wird. Streng genommen sind bei dieser zarten Fasciatusform die Binde des Mantels und die des Rückens entgegengesetzt gefärbt, jene heller, - diese dunkler als die Umgebung (gegen die gewöhnlichen Angaben der dunkleren Mantelbinde), und der Zusammenhang besteht in Wahrheit nur in der Linie, die auf dem Mantel leierförmig ist und auf dem Rücken gerade sich fortsetzt, und von der in verschiedener Weise eine Farben- abtönung nach außen und innen statt hat. Doch ist der Unterschied weniger bedeutungsvoll, einmal weil fast ausnahmslos der Mantel ein- farbig wird, und dann weil sich in ausgeprägteren Fällen die Binde meist auf Rücken und Mantel so zuschärft und beiderseits begrenzt, dass sie hell aus dunklerem Felde hervorsticht. Endlich pflegt die Um- randung der Schwanzdrüse bald ein wenig zu dunkeln. Als ein Charakteristikum dieser jungen Formen kann eine Reihe milchweißer Runzeln über der Sohlenleiste gelten, die auffällig absticht. So verfolgte ich die Thierchen im Winter 1883/84 im Rosenthal im November, December und Februar. Mitte März waren die kleinen, von derselben Grundfärbung, bereits viel dunkler angeflogen, also kräftig grau und grünlich; zwei der größten, 1/, oder 1/; ausgewachsen, erschienen be- reits braun ausgefärbt, auf dem Rücken völlig einfarbig, nur die Sohle noch gleichmäßig weiß; es hatte also das Schwarz die Oberseite über- zogen, während mäßiges Roth beigemischt war, das sich noch nicht mit dem Schleim abschied. Da jetzt die Umfärbungen energisch begannen, wurde eine Anzahl von Zuchtversuchen unternommen, zunächst in der Absicht, die Verfärbung überhaupt genauer kennen zu lernen. Wenn dabei im Folgenden, wie schon im Vorhergehenden, die Größenverhält- nisse durch Bruchzahlen angegeben werden, so ist auf diese allgemeine willkürliche Schätzung nicht viel mehr zu geben, als dass unter gleichen ‘ Bruchtheilen gleiche Größen verstanden werden sollen; die ganz jungen wurden gleich 1/,, gesetzt. VersuchI. Den 20. März ca. wurden sieben kleine, einfarbige Thiere (1/.), alle mehr oder weniger graugrün (weißlich), oben schwach 266 Heinrich Simroth, grau angeflogen mit fünf anderen (!/,, bis !/,), die bereits dunkel grau- grün erschienen mit hellen Binden (Fasciatusform) in ein Glas gesetzt und im mäßig warmen, nur hin und wieder geheizten Zimmer gehalten. Unten im Glas ist Sand, darüber Moos; stets ist es innen stark feucht. Nach drei Wochen, am 9. April, wird ein Vergleich mit einer Summe gleich großer Formen von derselben Lokalität im Freien angestellt. In- zwischen hatte meist rauher Ostwind bei heiterem Himmel geherrscht. Da erscheinen auf den ersten Blick die Freilandthiere ungleich mehr zu kräftigerer, immer noch heller Fasciatusform gedunkelt, als die ge- züchteten. Diese (1/, bis !/,) sind einfarbig, oben ziemlich hellgrau, orange überflogen, die Sohlenleiste hell orange, darüber eine Reihe schneeweißer Punkte, die den freien völlig fehlen. Offenbar sind die im Glase heller, schlanker, mit mehr rothem und weniger schwarzem Pigment. — Welcher Faktor hat die Veränderung bewirkt? Wärme, Besonnung (das Glas war im Fenster der Sonne stark ausgesetzt), Nah- rung? Die Nahrung schließt sich wohl von selbst aus, wie sie wenigstens in weiteren Versuchen ganz ohne Einfluss war. Die Besonnung, sofern sie nicht als Wärmequelle, sondern als Beleuchtung genommen wird, wird durch Versuche, die in dunkler Zimmerecke zu gleichen und stärkeren Resultaten führen, als einflusslos erwiesen; auch sollte man vom Licht viel eher Dunkelung erwarten, als gerade das Bleichen der Lebenden!. So bleibt lediglich die Wärme, und diese ist es in der That, welche das Schwarz hemmt, und das Roth begünstist, wie sich noch weiter zeigen wird. — (Versuche, die unter gleichen Be- dingungen das gleiche Ergebnis hatten, sollen nicht besonders erörtert werden.) Versuch Il. Am letzten März wurde in der bergigen Gegend von Grimma eine Anzahl kleiner, halbwüchsiger und bereits noch größerer | A. empiricorum gesammelt. Die größeren waren kräftig dunkeibraun mit schwärzlicher Sohle, ein Beweis für die dunklere Form der Gegend, die sich im Sommer bestätigt hat. Von den kleineren wurde eins ge- halten, das im Glase weiter wuchs, ohne eine Spur von Schwarz zuzu- fügen, der Kopf blieb schwarz, das Übrige wurde bald auffallend gelbroth. Versuch Ill. Vom 40. April bis zum 4. Mai wurde das Thier ! Wie stark das Licht die dunkeln Farben an Todten bleicht, habe ich zu meinem Nachtheil erfahren müssen, als fast schwarze Amalien und Agriolimaces in Alkohol, die arglos in der Sonne stehen gelassen waren, völlig farblos wurden. — Höchst erfreulich ist die Übereinstimmung meiner Resultate mit SEmPpER's Ansicht, wonach der Wärme im Allgemeinen mehr färbender Einfluss auf die Thiere zu- komme, als dem Licht (64, I, 3 und 4). | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 267 vom vorigen Versuch mit vieren vom Rosenthal zusammen gehalten ; zwei (!/s) stammten von Versuch I, sind also schon bekannt. Dazu kamen zwei neue vom Rosenthal, die bereits kräftig gefärbt waren, eins (1/,) ganz dunkel schwarzbraun einfarbig mit heller Sohle, deren Leiste dunkelorange; das andere (!/,) ein dunkel kirschrother fasciatus (eine bis jetzt kaum erwähnte Form). Das Thier von Grimma ist äußerst grell- roth und kleiner geblieben, der eingeschlagenen Entwicklung zufolge, in starkem Gegensatze zu seinen ursprünglichen Nachbarn im Freien. Die anderen, die gleich groß geworden und in der Färbung nicht mehr zu unterscheiden sind (etwa ?/,), sind durchweg einfarbig hell grauroth mit weißer Sohle. Sie haben damit im Allgemeinen die Freilandent- wicklung inne gehalten; aber der Vergleich mit zehn entsprechenden Thieren frisch vom Rosenthal zeigt, dass diese ausnahmslos viel dunkler schwarz und, was bei der verschiedenen Grundfarbe schwerer zu beur- theilen, ärmer an Roth sind, der Rücken ist unvergleichlich dunkler, die radiären Striche in der Sohlenleiste sind dick schwarz, bei den Ver- suchsthieren zart braun ete. Bei jenen ist das Schwarz als Dunkelgrau in die Sohle eingedrungen, und man muss im Vergleich zu viel kleineren Freilandthieren greifen, um gleich helle Sohlen zu finden, wie beim Versuch. So hat die Wärme wiederum das Roth entwickelt, das Schwarz gehemmt und zugleich rückgebildet, sonst aber die Ausfärbung nicht gehindert. Versuch IV. Am schärfsten wurde ein Experiment 44 Tage lang, vom 14. bis zum 28. April, durchgeführt in der Zimmerecke am warmen Ofen, wobei die Temperatur sich stetig zwischen 48 und 20°R. hielt. Sechs Thiere vom Rosenthal, alle schon ein paar Wochen in Ge- fangenschaft. Zum Schluss gingen alle zu Grunde, als die Temperatur auf Blutwärme etwa sich steigerte. Zwei Thbiere (l/,o), ungefärbt, weißlich, mit schwarzem Kopf; das eine wächst stark und überholt fast die nächsten, dabei entwickelt es den schwarzen Farbstoff gar nicht (ohne Leistenstriche etc.) und wird rein gelb; das andere hält ein. wenig mehr die Freilandentwicklung ein, indem es kleiner bleibt und _ ein klein wenig dunkelt, mindestens so, dass man die helle Figur auf dem Mantel ganz zart erkennen kann, immerhin heller als im Freien. — Zwei Thiere (!/,), beide lebhaft graue fasciatus; das eine wird gleich- mäßig mittelgrau ohne Binde, verfärbt sich also normal, nur heller und röthlicher, das andere behält die Binde, wird aber namentlich an den ‘Seiten heller und, was bezeichnend, ohne alle schwarzen Leisten- Striche. — Zwei Thiere (je 1/;), ausgefärbt, bleiben so, unter lebhafterer Röthung. — Diese Züchtung zeigt einmal bei den vier ersten eine gewisse individuelle, aber im Rahmen des Färbungsgesetzes bleibende Ver- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Ba. 18 268 Heinrich Simroth, schiedenheit, die gewiss nicht unerwartet kommt, sie zeigt überall eine stärkere Röthung, aber — und das ist eine auffallende Ausnahme vom Früheren — die Wirkungslosigkeit der Wärme gegen das Schwarz .bei bereits ausgefärbten Thieren, bei denen der Farbstoff auch in die Sohle gedrungen war. Versuch V. Letzterer Punkt, die Festigkeit des schwarzen Pig- mentes bei ausgefärbten Tbieren gegen die Wärme betreffend, wurde wiederholt an besonders dunkelbraunen, schwärzlichen Formen geprüft, wie sie beiuns den beiden sandigen Haidewäldern mit Nadelholz eigen sind, dem Bienitz und der Harih. Bei oberflächlicher Betrachtung schienen sich die ausgefärbten Thiere mit dunkler Sohle gar nicht zu verfärben; ein Vergleich mit frischem Material ergab immer, dass zwar das Schwarz sich gleich geblieben war, dass aber der Rücken viel lebhafter braun erschien, also mehr Roth enthielt. Einfarbig 1/;,- wüchsige Thiere etwa, welche die Sohle noch hell hatten, waren ziem- lich zäb, immer aber begannen sie nach mehrwöchentlicher Züchtung an den Seiten sich allmäblich aufzuhellen. Diese letztere Versuchsreihe enthält beinahe den Kernpunkt. Sie beweist die Wirkungslosigkeit der Sommerwärme an den Thieren, die sich im Frübjahr entwickelt und umgefärbt haben. Das Kennzeichen der Ausfärbung ist, wie gesagt, die Schwärzung der Sohle. Die Zähigkeit des eingewurzelten schwarzen Pigmentes erweist sich eben so an dem bleibenden schwarzen Kopfe, der im Herbst und Winter sich im Freien gebildet hatte. Ich war nur im Stande (rotbe) Albinos zu ziehen mit schwarzem Kopfe (melano- cephalus Fig. 29 H); wer den reinen albus Mogquin-Tannon’s haben wollte, müsste wohl mit ganz jungen Thieren im Sommer oder Herbst anfangen. Versuch VI. Wie viel weniger beständig der rotbe Farbstoff ist als der schwarze, folgt aus gelegentlichen Vorkommnissen an rothen Albinos, die bereits lange und energisch in gesteigerter Temperatur ge- ‚zogen wurden und, was bereits hier erwähnt werden mag, dann immer in der Größenentwicklung zurückbleiben. Man sieht dann wohl, wenn die Sonne täglich stark aufs Glas brannte, bei dem einen und anderen Thiere die Haut erschlaffen und allen rothen Schleim verlieren. Man erhält einen wirklichen albus, der mit der hellen Larvenform nichts zu thun hat (natürlich mit dunklem Kopfe). Allmählich stellen sich Haut- thätigkeit und rothes Sekret wieder ein. Versuch VI. Die strenge Beweiskette erheischt offenbar noch | Kälteversuche, um die Dunkelung zu erzeugen. Drei Wochen langim | Mai wurde einer unternommen, doch mit gestörtem Erfolge. Eine | größere Anzahl der verschiedensten Farben- und Größenstufen wurde | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u, ihrer europ. Verwandten. 269 in zwei genau gleiche Reihen getheilt und die eine unter sonst ganz gleichen Bedingungen der Wärme, die andere der Kälte ausgesetzt, so dass die Parallele zu ziehen war. Das eine Glas wurde regelmäßig auf der Temperatur der Wasserleitung gehalten (Anfangs 11°, zuletzt 140) und wöchentlich zweimal, je einen halben Tag etwa, in eine Kälte- mischung gesetzt, wobei ich die Temperatur verschiedentlich auf — 2°, — 50%, — 150 erniedrigte und so fort. Da zeigte sich bald, dass solche Temperaturschwankungen nur von einzelnen ertragen werden, regel- mäßig gingen einige ein, zuletzt waren noch zwei kleinere (!/,, bis !/) übrig, die allerdings eine deutliche Binde zeigten, wie etwa ent- sprechende Februar- oder Märzformen vom Freien, entschieden dunkler als die Wärmeexemplare. Günstigere Bedingungen herzustellen gelang mir nicht mehr, die Wiederholung musste auf künftige Jahre verschoben werden, — doch hoffe ich, liegt bereits in der obigen Kontrolle zwi- schen Freiland- und Züchtungsthieren der Beweis enthalten, dass die srößere Frische im Freien, besonders wohl der Nächte, wo die Thiere rege sind, Ursache der Dunkelung ist. Und so dürften sich die Resultate in folgende Gesetze zusammen- fassen lassen: | a) Die Färbung wird bedingt lediglich durch Tempe- ratureinflüsse während der Hauptentwicklungsperiode (bei uns von März bis Mai); jeder weitere Einfluss wenigstens aufdasschwarze Pigmenterlischt, sobald auch die Sohle ausgefärbt ist. b) Wärme hemmt den schwarzen Farbstoff oder bildet ihn zurück; sie begünstigt den rothen, selbst noch nach erfolgter Ausfärbung im Schwarz. In letzterer Hinsicht sind viel- leicht nur die nordischen und Hochgebirgsthiere auszunehmen, die auch an der schwarzen Sohlenleiste kein Braun zeigen. ec) Kälte wirkt der Wärme entgegengesetzt. So weit die äußeren Ursachen; es ist oben angedeutet, dass ihnen vielleicht eine besondere innere, konstitutionelle Ursache (von der konstitutionellen Fähigkeit der Pigmentbildung überhaupt abge- sehen) gegenüber steht, die Abhängigkeit des dunkeln Farbstoffes von den Hautblutbahnen. Wir wissen noch kaum etwas Eingehendes von der Blutwärme unserer Thiere im Allgemeinen, noch viel weniger von den Temperaturunterschieden innerhalb des Körpers im Besonderen; sollte z. B. die Möglichkeit bestehen, dass der kräftig wirkende Haut- muskelschlauch sich durchweg ein wenig mehr erwärmte als die von Simus durchlöcherten verdünnten Stellen, so fiele die Ablagerung des ‘ dunkeln Pigmentes in der Umgebung der kühleren Blutbahnen, also die 18* 270 Heinrich Simroth, konstitutionelle Ursache mit der äußeren zusammen. Es wäre müßig, mit den jetzigen Mitteln der Spekulation weiter nachzugehen (s. u.). Wohl aber ist hier zu erinnern, dass Leyvıc als die äußere Ursache der Dunkelung den Aufenthalt im Feuchten annimmt; Trockenheit würde umgekehrt wirken. Nach der Beobachtung im Freien würde ich dem zustimmen müssen, hätten mich nicht die Versuche in fast durchweg geradezu nassen Gläsern eines Anderen belehrt. Und so kommt dem Feuchtigkeitsgrade des Aufenthaltsortes nur eine sekundäre Bedeutung zu, wie mir scheint, in doppeltem Sinne. Einmal regt feuchte Um- gebung die Thätigkeit der Nacktschnecken überhaupt beträchtlich an und verlegt somit im Frühjahr die Entwicklung in eine frühere Periode, die dann energisch dunkelt; zweitens wird der durchfeuchtete und zu- gleich beschattete Boden (die Thiere meiden die Sonne) an und für sich der kühlere sein, wie denn das trockene Laub im Walde viel eher von den Strahlen der Frühlingssonne getroffen wird, da sich das feuchte meist in den Vertiefungen verbirgt, oder wie ein Bach im Gebirge im Sommer angenehme Kühlung ausstrahlt. Die hohe sekundäre Bedeutung der Feuchtigkeit unter diesem Gesichtspunkt wurde am Versuchsfeld, dem Rosenthal, besonders deutlich, denn die !/,-Thiere vom Februar, bis auf die Sohle einfarbig schwärzlich oder kirschbraun und del. stammen alle vom feuchten Uferabhange der alten Elster. Der in der ebenen Aue besonders gleichmäßige Einfluss der Frühlingssonne gleicht im Allgemeinen alle Formen wieder aus, so dass wir im Juni ein höchst einfarbig braunes Kleid antreffen, mag die Schnecke zeitlebens fast hell und einfarbig sich entwickeln, mag sie die graue Fasciatusform durch- laufen haben, mag sie schon auf halber Stufe auf der ganzen Oberseite fast schwarz gewesen sein. Immerhin war es noch am 5. Juni, wo alle | 1/;- und !/,-Thiere einfarbig ausgefärbt waren bis auf die helle Sohle, | auffällig, dass ein besonderes dunkles mit dunkler Sohle wieder an der | alien Eister zu finden war. Man muss sehr vorsichtig sein in der Be- | urtheilung von Thieren, deren Gebiet man nicht das ganze Jahr über | im Auge haben konnte. So fällt es schon sehr auf, dass die Arionen von den trocknen Haidewäldern der Harth und des Bienitz gegen die \ Erwartung dunkler sind als die der Aue. Doch scheinen mir die loka- | len Bedingungen, eine gleichmäßig erwärmte Moosdecke voll winterlich # regen Lebens und ein besonderer Reichthum an größeren Pilzen, bereits | im Herbst das Wachsthum weiter zu fördern und so die Hauptent- |” wicklungsperiode in eine etwas frühere Jahreszeit zu verlegen. F Andererseits versteht man ohne Weiteres, warum im Rosenthal jene) herbstlichen Nachzügler (s. o.) besonders roth sind mit schwach grauem r Grunde: sie wuchsen im Sommer auf. Wenn man aber in der Nähe) | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ, Verwandten, 271 des Bienitz auf den Wiesen fast ausgefärbte Thiere sammelt, die sich hier, vom Walde ausgestrahlt, im Wechselgebiete befinden und der Frühjahrssonne mehr ausgesetzt sind, bemerkt man deutlich, wie die Seiten zumal vorn sich aufgebellt haben, wie ich denn eben so im Erz- gebirge bei 600 bis 900 m die halbwüchsigen zwischen den ganz schwarzen alten schwarz fand mit helleren grauen Seiten, Moouvin- Tannon’s £ bicolor und n nigrescens. Es ließen sich im Einzelnen viele Beispiele geben. Im Allgemeinen ist die Ursache der geographischen Farbentrennung klar, im Norden und auf den Gebirgen die schwarzen, im Süden die rothen, die Ausnahmen sind besonders zu untersuchen. Wie stark der Einfluss des Nordens ist, ergiebt ein näherer Vergleich. Ein halbwüchsiges Thier von Lillesand ist so tief schwarz, auch auf Leiste und Randsohle, wie es unter denen von den höchsten Punkten des Erzgebirges nur die größten werden. Wodurch es bewirkt wurde, dass gelegentlich die jugendliche Fascialusform sich bis in den er- wachsenen Zustand bewahre, weiß ich nicht zu sagen; immerhin wird man annehmen können, dass nicht weit liegende Ursachen, Rückschlag oder Atavismus etwa, zur Erklärung heranzuziehen sind, sondern dass diese vielleicht atavistische Form durch unmittelbare Einflüsse, dieselben, die sie erzeugten, d.h. durch fortdauerndes Aprilwetter oder besser durch einen Aufenthalt, der gleiche Bedingungen am Boden einschließt, erhal- ten wird. Noch näher freilich liegt bei der so sehr schwankenden Größe die Vermuthung, man habe es nur mit Jugendstadien einer besonders großen Lokalform zu thun; die anatomische Untersuchung bleibt uner- lässlich; zum mindesten müsste, wenn der Ovispermatodukt noch nicht stark erweitert erscheint, das obere Atrium (egg sac) dick aufgetrieben sein, damit man das Thier als ausgewachsen bezeichnen könnte. Ja so lange der anatomische Beweis fehlt, möchte ich selbst Leynıe’s Form 3 als unausgewachsen betrachten, da bei so kräftiger Anlage des Kolorits zum Schluss sich noch immer die Sohle zu schwärzen pflegt. Eine besondere Entwicklungsfärbung scheinen viele nordische Exemplare durchzumachen. Herr Borckernine sandte mir einmal aus _ der Umgegend von Bremen einen dunklen noch grünlichen fasciatus (!/;), ein ander Mal, jedenfalls von einer anderen Lokalität derselben Gegend, eine Menge höchst auffallend gefärbte junge Thiere (l/,,), die ich trotz aller Ähnlichkeit mit jungen brunneus (s. u.) für A. empiricorum halten muss (Fig. 28 F, G). Die helleren weißlichen Seiten gehen doch mehr ins Graugrünliche, als bei diesen, namentlich aber spricht die Reihe der milchweißen Punkte über der Sohlenleiste und die großpolygonale Ge- Stalt der länglichen vorderen Rückenrunzeln entschieden für empirico- Fum. Diese Thiere haben den Rücken des Mantels und Leibes oben 212, Heinrich Simroth, gleichmäßig hellgraubraun bis schwärzlich, von der Linie des Leier- bandes aber auf dem Mantel und der Fortsetzung auf dem Rücken, also von der Bindenlinie an sind sie seitlich hell, wobei die Farben grell ah- schneiden (albolateralis oder bicolor Rozsuck 55). Dabei giebt.es einige, zumal unter den helleren, wo auf dem Rücken doch noch die hellere Binde sich abhebt, die dann nach außen von einem schmalen Saume von Rückenfarbe begrenzt wird. Auch in der Harth bei Leipzig fanden sich einzelne junge, die wenigstens diese dunkle äußere Linie eben so scharf hatten, wenn auch der Rücken nach der Mitte zu die allmähliche Dunke- lung zeigte (zart angedeutet -bei Fig. 27 E). Es scheint, dass diese wohl mehr nordische Jugendform bis jetzt unbekannt blieb, vielleicht außer den erwähnten englischen Formen, die Rozsuck beschreibt, bei denen man aber nicht weiß, ob sie nicht eben so gut zu brunneus gehören. Die bunt zusammengewürfelte Gesellschaft rother und schwarzer Thiere endlich in manchen Berggegenden, z. B. am Harz (s. o.), halte ich gewissermaßen für ein fixirtes Aprilwetter, dessen Gegensätze sich auf unebenem Boden am grellsten zeigen müssen; liegt doch hier wochenlang eine Schneewehe fest, an deren Saume die Blumen sprießen. In diese Unbeständigkeit fällt die entscheidende Entwick- lungsperiode der jungen, die, wie oben berührt wurde, in jüngeren Stadien ziemlich sesshaft sind, während die völlig oder annähernd aus- gewachsenen aus Geschlechtstrieb, Nahrungsmangel oder Wanderlust sich viel umhertreiben, so dass nun die Mischung erfolgt; triffi man doch unter den Vagabunden auf den Parkwegen, die so häufig zertreten wer- den, nie einen unausgefärbten Jugendzustand. Bedeutung der Färbung. Dass das durch die Kälte erzeugte Schwarz in seiner Fähigkeit, vor allen Farben die Wärmestrahlen am meisten aufzusaugen und sich zu erwärmen, zugleich ein Schutz gegen die Kälte sei, ist gewiss der nächstliegende Gedanke. Möglich und wahr- scheinlich, dass ein solcher Zusammenhang wirklich besteht; durch die Erfahrung wird er aber außerordentlich modifieirt. Am 20. Mai stand ein Glas mit zwanzig bis dreißig Thieren aller Größen, die alle mit dem März oder April in Gefangenschaft waren, im Fenster in der Sonne; darunter namentlich eines, früher fast ausgefärbt und schon groß eingebracht, jetzt stark reth (wenn auch nicht albin) und fast | erwachsen; der nächstgroße °/, etwa, allein erst seit acht Tagen in Gefangenschaft, war mit allem schwarzen Farbstoff dunkel ausgefärbt. | Alle zogen sich von der beleuchteten Seite weg in den Moosschatten zurück, doch wurde die Wärme so stark, dass sämmtliche abstarben mit einer einzigen Ausnahme, und das war der ganz schwarze, der im Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u, ihrer europ. Verwandten. 273 mäßigen Schatten offen an der Glaswand saß!. Also auch der sehr kräftige große, aber nur mäßig graue war erlegen. Danach schien das Schwarz, das doch die meisten Sonnenstrahlen hätte absorbiren sollen, auch einen Schutz gegen die Wärme zu bieten. Wiederholte Versuche, die Thiere in einem Wasserbade zu erwärmen und so die Widerstandsfähig- keit der Farben zu ermitteln, schienen zwar dasselbe Resultat zu er- geben, doch- war in der vorgeschrittenen Jahreszeit das Material spärlich, auch müsste wohl die Temperatursteigerung stundenweise langsam sein, um die Differenz klar zu stellen. Mit einer Brutmaschine würde man zum Ziele kommen. Ungefähr bei unserer Blutwärme fallen die Schnecken in Wärmestarre, aus der sie sich wieder erholen, wenn sie bald heraus- genommen werden; sonst gehen sie zu Grunde, selbst wenn die Respira- tionsthätigkeit auf einen ganzen Tag lang wieder hervorgerufen wird. Dies Feld mag der Zukunft aufbewahrt bleiben! Aber auch ohne das ergiebt wohl die Beobachtung der Natur, dass die Rolle des schwarzen Pigmentes die angedeutete ist. Die dunkelbraunen Thiere von Grimma und die schwarzen vom Erzgebirge sind die größten, die ich je traf, — und was eben so deutlich hervortritt, das Hautrelief ist am schärfsten, die Runzeln am kräftigsten und höchsten. In allen meinen Zuchtver- suchen blieben die rothen Halbalbinos mit der Zeitim Wachsthum zurück, ihre Haut war zart, und ich habe bereits bemerkt, dass sie gelegentlich völlig erschlaffte und in diesem collabirten Zustande selbst alles’ rothe Pigment verlor und weib wurde. Freilich war keines der rotben Thiere, als ich sieim Juni untersuchte, bis dahin geschlechtsreif, und ein Skeptiker könnte bezweifeln, dass sie es je geworden wären. Der Wärmeüber- schuss war gegen das Leben im Freien wohl zu bedeutend. Doch treten hier jene hochsommerlichen und herbstlichen Nachzügler vom Rosen- thal ein (s. o.), die, in der warmen Zeit aufgewachsen und daher lebhaft roth mit hellgrauer Unterlage, im geschlechtsreifen Zustande klein ge- blieben waren und nur wenig die Hälfte des normalen Körpervolumens überschritten. Angesichts dieser Befunde dürfte der Satz Berechtigung haben: Das Schwarz kräftigt die Konstitution gegen die Wärme so gut wie gegen die Kälte, es macht seinen Träger, mit Mösıus zu reden, zu einem eurythermen Thier. Und wir werden sehen, dass dieses Gesetz, hier vielleicht etwas kümmerlich gewonnen, durch das Auftreten der Nacktschnecken im Allgemeinen erhärtet wird. Zunächst scheint es die geographische Verbreitung unserer Art zu regeln. ‘ Die Schnecke fehlt nach den Angaben von Lessons und PoLLonera jen- seits der Alpen oder ist doch erst eingeführt worden, wobei man die Ge- \ Ein Paar griechische Helices blieben, was kaum erwähnt zu werden braucht, unversehrt; es handelt sich eben um die weit empfindlicheren Nacktschnecken. 274, | Heinrich Simroth, schichte der Einwanderer im Einzelnen verfolgen möchte. Immerhin glaube ich schon jetzt bestimmt, dass das Thier in Oberitalien heimisch war, aber, eine kleine Form, von Lessona dem hortensis beigezählt wurde, einer Art, die gar nicht, am wenigsten in solcher Weise, variirt. Lessona bildet einen hellrothen, schwarzköpfigen, mit ganz zarter Rücken- binde und weißen Seiten versehenen Arion ab (42, Fig. 3) und be- schreibt ihn als A. hortensis y aureus (= oresiacus Mabille). Das Thier gleicht, vielleicht von der Bindenandeutung abgesehen, die nichts aus- macht, aufs Haar den von mir gezüchteten Wärmealbinos; man könnte höchstens noch an einen brunneus oder subfuscus denken, wenn der Kopf weniger dunkel gemalt wäre. Meiner Überzeugung nach handelt es sich um eine gelegentliche Verschleppung unseres empiricorum nach Rivarossa Canavese, wo dann eine Wärme-Kümmerform daraus wurde. Hätte die Art ihre Konstitution dem Klima so weit angepasst, dass sie auch im italienischen Frühling ihr Schwarz entwickeln könnte, dann würde sie wahrscheinlich auch den südlichen Sommer leicht überstehen. Vielleicht verhält es sich so mit dem gewiss höchst auffälligen häufigen Auftreten der Art in Portugal, das MorzLer berichtet. Oder sollte hier das eigenthümliche spanische Klima mit winterlichen Schneestürmen und brennenden Sommern die Erklärung liefern? Vor der Hand wird man die Ausnahme schwerlich als ein Beweismittel gegen die am ein- heimischen Material gewonnenen Erfahrungen verwenden dürfen, viel- mehr eine genaue Untersuchung namentlich der Entwicklungsbe- dingungen in jenem Lande abzuwarten haben. Immerhin könnte man schon geltend machen, dass MorELET bei seinem A. sulcatus und rufus zweifelhaft ist, ob er es nicht mit lokalen Arten oder Rassen zu thun habe. Der schwarze Farbstoff kräftigt die Konstitution — hat der rothe keine andere Wirkung als sie zu schädigen ? Schwerlich würde die Natur ihn wieder und wieder in Fülle erzeugen. Es fällt auf, dass sich selbst am Tage auf den schattigen Waldwegen kein Thier so massenhaft umher- treibt und in die Augen sticht, als der grell rothbraune Arion. Hier und da könnte man einen mit einem abgefallenen welken Blatte verwechseln, im Ganzen machen sie sich breit und bemerklich, wie selten ein Thier. Nie habe ich einen von anderen Feinden belästigen sehen, als von seinen eigenen Schmarotzern und den Schuhen der Spaziergänger. Gleichwohl giebt es Schneckenliebhaber allhier genug, Krähen und Staare. Es liegt nahe, in dem rothen Schleim ein Gift- oder Widrigkeitszeichen , eine. Trutzfarbe zu vermuthen, wie bei buntgefärbten Raupen nach Weıs- 1 Inzwischen habe ich durch Herrn Professor EHLe£rs’ Güte ein Exemplar unter- suchen können und es als eine verwandte, aber doch verschiedene Art erkannt, wovon künftig. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ.,Verwandten. 275 MANN. Große Arionen eine Nacht durch im Wasser im halbwarmen Ofen digerirt und in beginnender Auflösung wirkten durch ihren ekelhaften Geruch beinahe brechenerregend. Schon in kaltenı Wasser erstickte geben nach einigen Stunden einen deutlichen Knoblauchgeruch von sich, wiewohl ich hier im Zweifel blieb, ob er vom genossenen Allium ursi- num, derParadepflanze des Rosenthales, herrührte. Immerhinriecht auch der bloße Schleim, den die Thiere beim Ersticken zurücklassen, nach einiger Zeit unangenehm, und siärkeres Erwärmen auf sechs bis sieben Stunden (ohne zu kochen) erzeugte wiederholt den Ekelgeruch. Zur genaueren Darlegung wurden Fütterungsversuche im zoologischen Garten angestellt. Freilich war wenig Kontrollfutter aufzutreiben. Von größeren - Schnecken wurden einige Limax variegatus (auch mit buntem Schleim!) vom Pelekan verschmäht, vom jungen Storch gefressen, vom Kranich lang durch den Schnabel gezogen und namentlich im Wasser abgespült, um den ekligen Überzug zu enifernen. Agriolimax agrestis (und laevis, der aber zu Experimenten zu klein) wird probirt, aber verachtet vom gemeinen, Kronen- und Paradieskranich, wieder ausgespien vom Pele- kan, gleichgültig behandelt, d. h. gelegentlich verzehrt von türkischen Gänsen und Löffelreihern; gern aber verspeist wird er vom jungen Storch, vonMöwen und Schnepfen, vor Allem aber von den fleischgierigen Hühnern, Haushahn, Pfau, Hokohuhn, Silberfasan,; Rüsselbären sind lecker dahinterher. Wie nun mit dem rothen Arion? Höckergänse sehen ihn von der Seite an und lassen ihn ganz liegen, ähnlich die Enten. Möwen hacken daran herum, doch verschluckt keine einen. Der Pelekan speit sie aus dem Kehlsack wieder aus, kaut mit der Schnabelspitze daran herum und lässt sie dann liegen. Ähnlich gemeiner und Kronen- kranich. Die Reiher spülen die Schnecken lange und oft im Wasser ab und nehmen doch gelegentlich eine. Bussard und Geier, am wenigsten Feinschmecker, probiren und lassen liegen. Die Störche machen es wie die Reiher, die unerfahrenen jungen fallen schnell darüber her und ver- schlucken hier und da eine Schnecke. Die großen Hühner aber, die passionirten Fleischfresser,, gingen gierig daran, hackten eifrig herum, ließen dann aber liegen oder fraßen die herausquellenden Eingeweide. Ob sie überhaupt von vielen Häuten, die umhergeschleppt wurden, eine einzige verschluckten, blieb fraglich. Die Waschbären nahmen die Schnecken gern an, spielten damit, wuschen sie, nahmen sie ins Maul, fraßen aber keine. — Kurz nach dieser letzten Probe war Fütterung, und . was im Aufschnappen glücklich war, fraß mit Lust Fleischstücke von reichlicher Schneckengröße. Zwei Hähnchen, die zu Hause gehalten wurden, verschlangen gierig Agriolimax agrestis, Arion hortensis und selbst den bunten subfuscus, der freilich kleiner ist, behackten aber einen 276 n Heinrich Simroth, möglichst kleinen rothbraunen empiricorum nur, um ihn sogleich unbe- helligt zu lassen; als ich‘ Eingeweide und Haut gesondert vorsetzte, nahmen sie erstere und ließen den muskulösen Balg liegen; einmal wurde die unpigmentirte Sohle behackt. Eine voruriheilsfreie Erwägung vorstehender Thatsachen muss ohne weitere Diskussion, glaube ich, zu dem Schlusse führen, dass der rothe A. empiricorum selbst von den eifrigsten Schneckenliebhabern, wie die Hühner es sind, verschmäht wird, lediglich wegen des Ekelstoffes in der Haut. Das Roth ist eine Ekel-, Trutz-, Schreckfarbe. Wer die Aufgabe erhielte, den vortheilhaftesten A. empiricorum her-- zustellen, gleich tüchtig gegen die Angriffe der Witterung und der Ver-.. folger zugleich, der müsste ihm durch die nöthige Kälte während der Entwicklung das. hinreichende Schwarz verleihen und ihn dann durch reichliche Frühlings- und Sommerwärme möglichst roth übergießen. Mir scheint, dass keine Abänderung in den verschiedenen deutschen Gegen-- den zu solcher Massenhaftigkeit anschwillt, als die aus Schwarz und Roth gemischte braune Form der Aue. — Zum Schluss mag noch ein Synonym des A. empiricorum Erwähnung finden. Noch immer spukt der zweifelhafte, auf A. Scamipr’s Autorität von GoLDruss (43) eingeführte A. olivaceus in den Lokalfaunen herum, in Deutschland und Sieben- bürgen, ohne dass Jemand etwas Weiteres und Bestimmtes damit anzufangen wüsste, Von der Größe des subfuscus etwa, mit gelbem Schleim beim Anfassen, röthlichgelb, rostfarbig, bräunlich oder olivenfarbig, Fußrand grau mit Quer- strichen, mit Längsbinden: ich kann nicht schwanken, dass hierunter nichts Anderes als das so sehr wechselnde Jugendstadium des empiricorum, das als fascia- tus angeführt wurde, zu verstehen ist. Hoffentlich sind diese Zeilen des olivaceus Grabrede. XXVI. Arion hortensis (Taf. VII, Fig. 42). Ist der größte Arion durch Variabilität ausgezeichnet, so muss die zweit- kleinste deutsche Art als die allerbeständigste gelten. Länge 3, höchstens 4 cm. Sohle ohne alles Schwarz, dagegen enthält die Oberseite mit der Sohlen- leiste reichlich das dunkle Pigment. Es ist so geordnet, dass über Mantel und Rücken eine Bindenlinie verläuft. Von der tiefgrauen Mitte oben auf dem Rücken: klingt es allmählich gegen die Bindenlinie ab, in dieser setzt es wieder sehr kräftig: und schwarz ein, um wiederum nach außen und unten allmählich abzublassen, doch so, dass die Seiten gesättigt grau bleiben bis hinunter zur Leiste; oft genug, sind die Seiten selbst schwarz. Also auch hier ist von einer eigentlichen, scharf begrenzten Binde keine Rede, und nur selten werden die Seiten so hellgrau, dass eine Art unterer Begrenzung des dunkeln Bandes herauskommt. Der kopf natürlich dunkel. Runzeln schwach, auf dem Rücken in Längsreihen, die hier und da zu längeren Kämmen verschwimmen, nicht gerade charakteristisch. | Die ganze Variationsweite des Kolorits schwankt zwischen Mittelgrau und Schwarz, immer mit derselben Zeichnung; man kann bemerken, dass das Mittelfeld des Mantels stets gleichmäßig dunkel bleibt, nie tritt ein hellerer Augen- Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 277 fleck hervor. Im Spiritus, der; das Röthliche entfernt, spielen die Thiere oft ins dunkel Indigblau hinüber, selten im Leben. Der rothe oder. gelbe Farbstoff, der sich auch dem Schleim beimischt, ist oben, auf der Leiste und dem Rücken, ziem- lich schwach entwickelt, die Rückenrunzeln tragen häufig Haufen feinster hellgelb- licher Drüsenpunkte, wodurch etwas Olivenfarbenes entsteht. Um so bemerkens- werther ist es, dass der rothe Farbstoff in besonderer Intensität, wie beikeineranderenArt, aufder Sohle auftritt und zwar auf. den Rand- oder Seitenfeldern. Diese haben. oft einen hochorangenen bis zimmetrothen Schleim. Er ist ein wenig inkonstant und wird zeitweilig stärker abgeschieden; immer aber erhält die Sohle einen schwach grünlich-gelblichen Anstrich, und wer einmal ein Thier mit dem rothen Schleim sah (unter einem halben Dutzend gewiss eins), er- kennt die eigenthümliche Sohlenfärbung stets wieder. Naturgemäß ist das Roth der Sohle bei den Alten viel lebhafter. Die Jungen, Anfangs recht klein, wie ein Stecknadelknopf, sind in Bezug auf das dunkle Pigment (das rothe kommt erst.all- mählich) zeitlebens wie die alten gefärbt, nur finden sich unter dunkeln Exempla- ren auch viel hellere. Hervorzuheben ist, dass die Jungen Anfangs gekielt sind. Der Kiel, von derselben dunkeln Farbe wie der Rücken, also nicht besonders her- vorstechend, beschränkt sich auf .die hintere Hälfte des Rückens, vorn sich allmäh- lich heraushebend; hier und da geht er etwas weiter nach vorn, ohne jemals scharf den Mantel zu erreichen. Bei halbwüchsigen Thieren ist er so gut wie ver-: schwunden. | Die enge Artumgrenzung, wie sie hier vorgetragen, steht in grellem Widerspruch mit dem gewöhnlichen Begriff des A. hortensis, der sehr weit zu sein pflegt. Nur der geringere Theil bleibt nunmehr dabei, und der ganze Rest fällt anderen Species, namentlich dem Bourguignati, zu. Mehrjährige unausgesetzte Beobachtung der beiden unter einander lebenden Thiere hat mir: gezeigt, dass von Übereängen oder Bastardbildungen: nichts zu finden ist: Man könnte nur über die Berechtigung schwanken, welcher der Arten, die bis jetzt unter horiensis zusammenstehen, der alte Name weiterhin gebühre, ob dem viel verbreiteteren und gemeinhin als hortensis bezeichneten Bourguignati cder dem kleinen Theile, den ich als: hortensis genommen. Meinem Grundsatze gemäß habe ich die Anatomie entscheiden lassen. Lessona und PoLLoNERA, wenn Sie auch hier und da noch Verwechslungen begehen dürften, geben als gutes Merk- mal des Bourguignati das gestreckte, zugespitzte Receptaculum an; ohne diese Handhabe würde der Anfänger über die Bestimmung vermuthlich fast immer im Unklaren bleiben ; und so bleibt nichts übrig, als nach Ausscheidung des Bourguig- nati (freilich in ganz anderem Umfange als es ursprünglich schien) den Rest als hor- iensis zu bezeichnen. Es kommt dazu, dass auch dieser allein seinen Namen voll und ganz verdient (s. u.). Für ihn hat sich nun eine ganz eigenartige geogra- phische Verbreitung herausgestellt. BoOrCHERDING (6) hat, wie aus mir gütigst übersandten Proben hervorging, den subfuscus für den hortensis genommen und den Bourguignati für den subfuscus (wohin seine Arbeit zu berichtigen); der wahre hortensis war bei Bremen und in dem weiteren Gebiete der'norddeutschen Tief- ebene nicht aufzutreiben. Gears hat ebenfalls den Bourguignati als hortensis be- - schrieben, der ihm von mir übersandte hortensis ist ihm bei Hannover nicht vor- gekommen, in Übereinstimmung mit dem vorigen (12). Leumann’s Beschreibung könnte zum Theil ganz gut auf unseren hortensis passen, einige Merkmale (der gelbe Seitenstreif, 4—5 cm Länge etc, s. u.) deuten darauf hin, dass er wenigstens 278 Heinrich Simroth, den Bourguignati darunter, wahrscheinlich allein hatte. Unter den vox MARTENs- schen Abbildungen, die das Leumann sche Werk zieren, dürfte Fig. 4 (Taf. II) der echte hortensis sein, während Fig. 4a, nach der Erklärung hortensis var. alpicola Fer., zum Bourguignati gehört; es ist aber wahrscheinlich, dass das Original aus Stuttgarts Umgebung stammt. Was aus Norwegen in Herrn Czessıvs Sammlung gelangte, enthielt keinen hortensis, wiewohl genug kleine Thiere. Es ist höchst unwahrscheitlich, dass nach den Befunden in Deutschland das Thier so weit nach Norden vordringt. In Westfalen und der Rheinprovinz kommt es jedenfalls vor, unter den hortensis des Herrn Gorpruss halte ich die Form b für den echten. Es versteht sich von selbst, dass WESTERLUND (72) unter seinem hortensis zu viel zu- sammengefasst hat, wie denn LessonA bereits auf seinen Artenreichthum bei Limax und Artenmangel bei Arion hinwies. Auch die citirten englischen Arbeiten der Herren Rorsuck und SPENCE haben unter dem hortensis so viele Varietäten, dass es kaum gelingt, ohne Autopsie sich herauszufinden. Ähnlich bleibt man mit den siebenbürgischen im Dunkeln, wo gleichfalls zu viel zusammengeworfen wird. Dass die Franzosen meist jede Färbungs- und Entwicklungsstufe als besondere Art genommen haben, ist bekannt, daher man auch hier im Unklaren bleibt, wie weit die Arten zusammenzuziehen oder zu erhalten wären. Wie man am Litieratur- verzeichnis sieht, habe ich mich mit den transrhenanischen Thieren kaum befasst, theils aus Mangel der wichtigsten Schriften, theils und mehr, weil ohne Ansicht der Thiere selbst ein Urtheil hier schwer begründet werden könnte. Ähnlich ergeht es mir gegenüber LessonA und PoLLonErA (44). Ich sah mich schon veranlasst, ihre var. y aureus als Wärme-Kümmerform zu empiricorum zu stellen, es bleibt ferner fraglich, ob var. 8 alpicola so aufzufassen ist wie bei LEHMAnNn-von MARTENS, d.h. als Bourguignati. Die Verfasser erklären die Art einfach für scharf gekielt in der Jugend, da doch der Kiel wesentlich von dem des Bourguignali (s. u.) abweicht. Mag dem sein wie ihm wolle, esbleibt immer noch als sichere Form ihre var. « fasceia- tus und damit der Beweis, dass die Art über ganz Italien bis nach Kalabrien hinunter verbreitet ist. Hiermit stimmt die Angabe MorELET's, dass die Art in Portugal vor- kommt (50), wiewohl man leider gerade hier fremden Bestimmungen nicht trauen darf. Die Fundorte, von denen ich selbst den hortensis gesehen habe, sind Hallea.S., Leipzig, Weimar, sächsische Schweiz (Kunersdorf unter dem Königstein) , die Schweiz. Auf.der Höhe des Erzgebirges vermisste ich ihn. Hieraus ergiebt sich eine Verbreitung von Italiens Südspitze nach Norden über die Alpen bis in die Mitte Deutschlands, schwerlich über den 52. Parallelkreis hinaus. Arion hortensis muss als eine mehr südliche Form gelten. Dies aber stimmt wieder trefflich mit seinem Aufenthalt: sein Standgebiet ist der Garten, und zwar so streng, dass ich kein einziges Exemplar von anderer Örtlichkeit kenne als aus Gär- ten, Friedhöfen, Dorfumzäunungen. Hier in Gohlis, wo er in meinem jetzigen Garten häufig ist und wo Sich Garten- wohnung an Gartenwohnung reiht, um das halbe Kilometer bis zum Rosenthalwald ununterbrochen auszufüllen, wo also Garten und Wald völlig in einander verfließen, ist das Thier niemals im Walde zu treffen (ganz im Gegensatz zum Bourguignati ‚ Ss. u.), auch scheint schwerer Boden eine Bedingung zu sein, so dass man im | Sandlande vergebens danach sucht. Somit ist der hortensis, — zeitlebens ein echter Krautfresser, nur Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 279 ein einziges Mal im Spätherbst an Pilzen getroffen, — die einzige Art, welche den Aufenthalt in dem von der Sonne frei beschienenen und durchwärmten Boden auch mitten im Sommer nicht scheut; er verbringt den heißen Tag in Regenwurmröhren oder unter dichterem Kraut, wuchernder Reseda oder dergleichen, und wird bei klarem Wetter in der Dämmerung lebendig, bei irübem am Tage. Nun aber ist keine deutsche Arionart zeitlebens mit so viel Schwarz ausgestattet, als der hortensis, während, eine Folge der Wärme, das Roth sich hier und nur hier in gleichem Maße auf der Sohle dem Schleim beimischt. Das Schwarz aber muss hier gewiss so verstanden werden, dass es die Kon- stitution gekräftigt hat, die dem Thiere gestattet nach Süden und nach dem freien, der Sonne ausgesetzten Lande vorzudringen, da doch der empiricorum, unfähig, in der Wärme Schwarz zu erzeugen, von diesen Örtlichkeiten ausgeschlossen war. Die Acclimatisation aber des hortensis scheint in den Gärten eine recht vollständige, so dass man ihn zu allen Jahreszeiten beinahe in allen Größen und Alterszuständen antrifft; solche sammelte ich Mitte März unter faulendem Laube, dann durch alle Monate bis in den Oktober und November; im März wurden im Glase einmal vier Eier gelegt, eine geringe Zahl, die sonst größer sein mag; immerhin deutet das gleichmäßig zerstreute Auftreten der ganz kleinen an, dass sie nicht zugleich in Masse auskriechen. Worauf sich Moguin- Tannon’s Angaben von 50—70 Eiern, vom Mai bis September abgelegt, beziehen, ist schwer auszumachen, da er unter hortensis vielerlei zu- sammenfasst. Doch schien es, als wenn im weiteren Frühling, im Mai etwa, die überwinterien großen Exemplare fehlten, als wenn die Über- winterung unter fußdick gehäuftem Laube mit der auffallenden Milde der letzten Winter zusammenhinge, als wenn auch hier die Lebens- dauer einjährig wäre und vornehmlich die jüngeren die kalte Jahreszeit überständen. Hier ist weitere Beobachtung unter veränderten Be- dingungen nöthig. Arion timidus? Herr v. MALTzan brachte aus Portugal verschiedene große Arion mit, die Herr Cressın als A. timidus Morelet bestimmte und mir zur Ansicht und Untersuchung Sütigst zusandte. Die Bestimmung nach dem MorELET'schen Originalwerke (49) ist indess schwierig oder kaum durchführbar. An und für sich ist es fraglich, ob MOoRELET'S einfarbig olivengraugrüner timidus ein Arion ist, da vielleicht die eigen- artige Retraktion der Ommatophoren, wobei das Auge stets zu oberst bleibt, auf tiefere anatomische Unterschiede hinweist. Dann aber sind die mir vorliegenden Thiere alle jung und, wie die Sektion ergiebt, sexuell unentwickelt; die kleineren gleichen einem großen dunkeln hortensis auffallend, dunkel olivengrau, dieschwarze Binde nach unten verwaschen, die Seiten dunkel; der Unterschied liegt im Rücken: denkt man sich ihn tief schwarz und nach den Seiten gegen die Binde heller grau 280. Heinrich Simroth, abklingend, dann aber die Mittellinie auf die Breite von einigen Runzeln wieder scharf dunkelgrau herausgeschnitten, dann hat man die Färbung; also auf dem Mantel jederseits eine, auf dem Rücken jederseits zwei schwarze Binden, die nach außen abklingen. Die größeren Thiere gleichen großen subfuscus oder vielleicht halbwüchsigen empiricorum an Umfang, ihre Zeichnungentsprichtnoch vielmehrund völlig der des A. hortensis, jederseits nur eine Binde. Das Schwarz dieser Binde ist nicht ganz so dunkel mehr, im Ganzen ein 'dunkleres Olivengraugrün. Eine weitere Stufe würde vielleicht auch die einfache Binde noch verschwinden lassen, und dann hätten wir den timidus. Die kleineren Stadien, im Leben vielleicht leb- hafter grünlich und bläulich,, entsprechen, wie mir scheint, den von MorELET neu aufgestellten Arten Limax squammatinus und L. viridis (Pl. IIT, Fig. 2 u. 3), wie denn auch sein Limax anguiformis offenbar ein Arion ist. Man könnte sich eben so- wohl vorstellen, dass die weitere Entwicklung der Thiere, bei denen nebenbei die Schwanzdrüse noch ziemlich undeutlich ist, zum Arion empiricorum führen würde, | doch müsste dann die Seitensohle schon schwarzes Pigment haben, zum mindesten in Querstrichen, während sie völlig einfarbig hell ist. Wie dem auch sei, mögen uns hier die Jungen von timidus vorliegen oder von einer anderen Art, diese große südliche Species scheint mir mit Sicherheit als die Weiterführung unseres hortensis aufgefasst werden zu müssen, wiederum im Einklange mit dem Gesetze, dass eine kräftige Schwärzung von klein auf die Ertragung wärmeren Klimas ermöglicht. XXIII und XXII. Arion subfuscus und Arion brunneus (Taf. VII, Fig. 32—35). Die erstere Art macht trotz ziemlicher Einfachheit einige Schwierigkeiten. Zweifelhaft sind ihre Synonyme, die nur Verwirrung anrichten; man weiß nicht, ob man den fuscus einiger Autoren hierher zu rechnen habe, oder ob der unter den hortensis autt., d. h. wahrscheinlich unter den Bourguignati gehöre; den Arion cinctus hat man vermuthlich hierher zu stellen, dagegen wird es geradezu fraglich, nach Lessona namentlich, ob der subfuscus der verschiedenen Schriftsteller über- haupt dieselbe Art sei. Dass Herr BorcHErDING nach den mir zugesandten Exempla- ren den subfuscus und den hortensis- Bourguignati vertauscht hatte, bemerkte ich schon ; es war ganz natürlich, da seine Sammlung größere Bourguignali enthielt als subfuscus, daher die Bestimmung nach den Handbüchern korrekt war. Was er nachher an Herrn PoLLonErA sandte, waren gewiss subfuscus; und auf diesen ein- zelnen Befund hin, zusammen mit Karlsbader Thieren, hat Herr PoLLoxera dann über die deutschen Formen das Urtheil gefällt, dass sie vom sub/uscus des südlichen Alpenabhanges verschieden seien, dass der Karlsbader Arion LEHMAxN’Ss A. brunneus entspreche und dgl. (43). Freilich mussten wcehl die vereinzelten einen specifischen Eindruck machen, und so sollen die skandinavischen Vertreter vermuthlich wieder eine besondere Form at'geben etc. Diesen vielfachen Unsicherheiten gegenüber ist es gewiss geboten, die Art in ihrem ganzen Entwicklungsumfange zunächst von einer be- schränkteren Lokalität und dann zur Vergleichung von möglichst vielen Orten genau kennen zu lernen. Durch Herrn Cressın's Sammlung und die Unterstützung vieler Freunde hatte ich das Glück, Funde von folgen- |” den Örtlichkeiten vergleichen zu können: | Norwegen : Ghristiania, Krageroe; Norddeutschland: Bremen, Hannover, Niederlausitz; Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u, ihrer europ. Verwandten. 281 - Mitteldeutschland: Thüringen, Halle, Leipzig, sächsisches und 'böhmisches Erzgebirge; Süddeutschland : Ochsenfurt, Zobten; Tirol: Luttach; Schweiz: Schwarzenberg, Pilatus, Mellingen; Siebenbürgen: Hermannstadt, Negoispitze; Italien : Val delle Toce (von Herrn Lessona stammend). Die Übersicht über das zusammengewürfelte Material lässt bald einige Abänderungen in geographischer Aufeinanderfolge wahrnehmen, bald wieder springen die verschiedenen Formen durch einander, auf keinen Fall scheint mir irgend eine Grenzlinie zwischen den Zweigen dieser wohl umschlossenen Art zu bestehen. — Anders vielleicht mit dem brunneus. Ich würde keinen Anstand nehmen, ihn ohne Weiteres dem subfuscus unterzuordnen, von dem viele zerstreute Einzelexemplare ihm ähneln oder gleichen, wenn mir nicht eine völlige Entwicklungs- ‚reihe vorläge von den jüngsten bis zu den ältesten, die vom subfuscus ‚abweicht (s. u.). Wie dem auch sei, sicherlich ist die Grenze schwer zu ziehen, und wie die Anatomie kaum scharfe Unterschiede wahr- nehmen ließ, so kann auch der brunneus nur als eine werdende Art, die sich vom subfuscus als höherer Spross ablöst, betrachtet werden. ‚Ich glaubte dies der Beschreibung vorausschicken zu müssen, da die- ‚selbe die beiden fertigen Formen kaum genügend aus einander zu halten vermag. Das Charakteristische in der Färbung der Thiere ist ein Stich ins Roth- bis Kaffeebraune, der den Rücken überzieht, so wie die Be- ständigkeit des dunkeln Farbstoffes, der nur selten vom tiefen Braun in Grauschwarz umschlägt; der Schleim des Rückens ist gelb bis roth, die Sohle rein hellgelb, weißgelb, ohne Stich ins Graue oder Grüne, eben 'so, wo sie hell sind, die Seiten, so dass durchweg eine reine Skala von ‘Weiß durch Gelb, Rothbraun, Braun und Schwarz herauskommt. a. A.subfuscus (Taf. VII, Fig. 34 und 35). In der Niederlausitz (Gegend von Eisterwerda und Ortrand) traf ich in sandiger Kiefernbaide und auf Torfmoor An- fang Okteber 1882 alle Größen durch einander etwa in folgender Weise: Die kleinen hellröthlichen Jungen haben auf dem Mantel eine Leierbinde, die sich als gerades Band auf den Rücken fortsetzt, natürlich gegen die Schwanzdrüse konvergirend. Die Binde lebhaft dunkelbraun, beiderseits scharf begrenzt; der Innenraum des Mantels durchweg dunkler und durch eiren helleren Saum von der Binde abge- hoben, der Rücken in der Jugend oft hell, meist wenigstens fuchsig, noch öfter bräunlichgrau gedunkelt und dann ebenfalls durch einen helleren Saum von der viel lebhafteren Binde geschieden. Da auf den Mantel die Schenkel des Leierbandes sich ‘ vorn mehr nähern, bekommt der dunkle Innenfleck eine Biskuitform mit kleinerer Vorderhälfte, oder die Vorderschenkel rücken mit ihren hellen sich gleich bleiben- ‚den Innensäumen sc nah zusammen, dass sich letztere berühren und ein helles Zwischenfeld bilden; dann ist nur die hintere Hälfte der Leier von einem rund- 282 Heinrich Simroth, lichen dunkeln Fleck ausgefüllt. Dieser pflegt wieder in der Mitte eine leicht ver- waschene helle Stelle zu haben, so dass ein Augenfleck gebildet wird, wie bei der Pfauenfeder, ein helles Centrum, darum eine dunklere Zone, weiter der helle Innen- saum der Binde, dann die dunkle Binde, endlich deren heller Außensaum am seit- lichen Mantelrande. Bei biskuitförmigem Innenfleck der Leier ist, wenn überhaupt einer, stets nur der größere hintere Abschnitt in der Mitte zum Augenfleck aufge- hellt. Parallel mit dieser Aufhellung der Mantelmitte geht eine solche des Rückens, so dass dessen Scheitellinie unregelmäßig auf die Breite von zwei bis vier Runzeln wieder heller wird. Dann erscheint der Rücken mit vier dunkeln Binden, indem sich zu den anfänglichen scharfen noch zwei mediale weniger scharfe gesellen. Bei diesen Formen pflegt das dunklere Pigment, der koncentrirenden Tendenz ent- sprechend, sich zu kleinen Tupfen oder Strichen anzuhäufen, zunächst in der Quer- furche zwischen dem Vorder- und Hinterende je einer Runzel, dann von hier in die benachbarten Längsfurchen und ein wenig auf die Runzeln selbst vordringend. Solche eigenthümliche Sprenkelung tritt zuerst unregelmäßig auf in den ver- schwommenen inneren Binden des Rückens, sodann an den helleren Seiten, hier immer den schräg abwärts gerichteten Farben und Runzeln folgend. — Die weitere Entwicklung besteht im Wesentlichen aus einer allmählichen Verwischung der entstandenen Zeichnung, mit einer schwachen Dunkelung des Rückens. Zuerst pflegen die inneren Binden des Rückens wieder verwaschen zu werden und die helle Scheitellinie, eben so den hellen Innensaum der normalen Binde zu ver- wischen. Es entsteht ein gleichmäßiges Mittelfeld, das außen von den nur wenig dunkleren normalen oder Stammbinden begrenzt wird. Oft nimmt die Sprenkelung des Rückens zu, bisweilen fehlt sie schließlich. Ähnlich der Mantel. Während die dunklere Innenzone um den Augenfleck sich erweitert, den hellen Saum verwischt und sich mit der Leierbinde vereinigt, bleibt der hellere Augenfleck oft noch lange ein wenig sichtbar, wenn auch stark verwaschen; endlich pflegt auch er zu ver- schwinden und der Mantel ist gleichmäßig rölhlich graubraun mit hellerem Außen- saume. — Noch ist der Seitenfelder zu gedenken, die bei manchen Exemplaren, Anfangs durch Dunkelung der Furchen, dann auch einzeiner Runzeln, sich so stark färben, dass es fast den Anschein gewinnt, als hätten sich die Stammbinden nach außen verwaschen, als hätten sie ihre scharfe Begrenzung aufgegeben. Der Vor- gang ist ein anderer. Das Dunkel geht nicht von den Binden aus, sondern vorn vom Kopfe, wo es sich schnurrbartähnlich an beiden Seiten nach hinten ! zieht, bis es wohl schließlich die Binden erreicht. In den meisten Fällen hält sich der Schnurrbart seitlich unten nächst der Sohlenleiste, nach hinten allmäh- | lich verschwindend. — Die scharfe Begrenzung der Stammbinde bietet noch ein anderes Interesse. Bei großen Exemplaren mit hellen Seiten zieht das Dunkel- ! braun in so scharfer Linie über die Haut, dass es sich an die Runzeln nicht kehrt; es kann eine Runzel, wiewohl nur wenig schräg gegen die Bindenachse nach außen gestellt, zur Hälfte dunkel, zur Hälfte hell sein, so dass also die Bindenzeichnung nichts mit dem Hautrelief zu thun hat. Man überzeugt sich leicht durch Einstiche, dass die Binde genau! über den Sinus hinzieht, dass das Pigment in dessen verdünnter äußerer Decke abgelagert ist, wie denn ein solcher Zusammenhang zwischen | Pigment und Blutlauf bereits oben bei A. empiricorum angedeutet wurde. | Die Hautrunzelung ist im Allgemeinen mäßig kräftig, nirgends sind die Runzeln| zu Längskämmen verschmolzen; die Sonlenleiste ist hinten am breitesten und hier’ | | | | 15 Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 283 am deutlichsten durch radiäre dunkle Striche gezeichnet, die jedoch auch vorn, wenn gleich heller braun, nicht fehlen. Man wird PotLLonerA’s Abbildungen deut- scher Thiere (43) ohne Weiteres in die geschilderten Formen einreihen können. Fig. 3 und 4 (A. fuscus Müll. var, Böttgeri« aus Bremen) sind mäßig große gespren- kelte Formen, 3 mit undeutlich dargesteiltem noch erhaltenen Augenfleck; Fig. A (»A. brunneus Lehmann « aus Karlsbad) ist ein fertig entwickeltes ausgefärbtes Thier ohne Sprenkeln. Ich fand Exemplare von Hannover und Bremen (beide vom Mai) völlig der citirten Fig. 3 entsprechend. Karlsbader dagegen, um den brunneus Fig. 4 zuerst zurückzuweisen, habe ich eine Anzahl vom Mai 1883, die durchweg in Alkohol wohl 4 cm größer sind als Herrn PoLLonera’s, alle mitteldunkel, z. Th. mit kräftigerer, - z. Th. mit glatter Haut; eins beinahe einfarbig, Seiten heller, Mantel und Rücken mattbraun, kaum eine Binde zu erkennen, ohne Sprenkelung; ein zweites ähnlich, doch dunkler, mit Andeutung der Binde, namentlich am Rücken, mitSpur von Sprenke- lung; ein anderes schließt sich an mit vollständiger kräftiger Binde, Augenfleck und starker Sprenkelung des helleren Mittelrückens etc. Alle sind sicherlich nach ein- zelnen Untersuchungen geschlechtsreif. Ich halte es also für erwiesen, dass Formen, die POLLONERA als fuscus Müller var. Böttgeri und A. brunneus Lehmann getrennt hat, identisch sind. Ganz dieselben Übergänge mäßig gesättigter Farbentöne finden sich in Thüringen, an den Abhängen des Saalthales (Jena und Dornburg), in der Dölauer Haide bei Halle, vereinzelt, mit lebhaft rothem Schleim und überhaupt reichen Binden und Flecken im Rosenthal und in dem Gebiet, das mir namentlich wieder als ein Standquartier der Art in unserer Umgebung zu Gebote stand, im Harthwalde. Im Oktober herrschten hier die lebhaft bunten, doch mit ziemlich kräftigem Pigment, vor, alle höchstens halbwüchsig, meist mit starken Schnurr- bärten. Vom März, April, Juni und August hob ich sie wieder auf, namentlich im Juni und August unter kleinen auch recht große, auch jetzt in allen Abstufungen der Zeichnung. Aus Mellingen in der Schweiz liegen nur kleinere, höchstens halb- wüchsige vor mit sehr scharfer dunkelbrauner Stammbinde und im Übrigen aller Lebhaftigkeit der Zeichnung. Ähnlich lebhaft gezeichnete sammelte ich auf der Höhe des Erzgebirges bei Neustadt in Böhmen am 4. August sieben, alle ziemlich dunkel; bei Bienenmühle im Erzgebirge, 500 bis 600 m hoch, um dieselbe Zeit alle Größen und Färbungen, wenig hell, fast durchweg mit deutlicher, einmal selbst hellgrauer Stammbinde, außerdem aber zwei etwa erwachsene Exemplare, die viel brunneus-artiger sind als PorLonerA’s Karlsbader Exemplar, nämlich Mantel und Rücken dunkel kaffeebraun, nach den Seiten allmählich abklingend, ohne Spur von Binde, Runzeln ziemlich fein. Trotz wiederholtem Suchen zu den verschiedensten Tageszeiten war an der Stelle, wo der eine sich fand, kein ähnlicher aufzutreiben, sondern nur gemeine subfuscus. Ein ähnliches Exemplar, noch mit schwach er- ‚ haltener Binde vom Wieselstein im Erzgebirge (über 900 m), zusammen mit kleinen lebhaft gezeichneten subfuscus. Ein solcher vereinzelter brunneus ohne jede Binde mit einem Schnurrbart, der sich in Flecken auflöst, aus der sächsischen Schweiz. Ein anderer, ganz wie der vom Wieselstein, noch mit deutlicher Binde, die selbst innen schwach hell gesäumit ist, sonst aber dunkel kaffeebraun, aus Christiania in Norwegen, Aus Luttach in Tirol deutliche Subfuscusfärbung, kräftige Binden, selbst bei einem ziemlich erwachsenen noch eine Spur von Augenfleck, die Seiten kräftig -gedunkelt, hier und da gefleckt. Den norwegischen oder erzgebirgischen Thieren (vom Wieselstein) entsprechen am meisten nach der Beschreibung und namentlich der Abbildung Lessona’s (42, Fig, 4) die Thiere des südlichen Alpenabhanges, brunneus-artig, also auf dem Rücken dunkel kaffeebraun, doch mit noch eben Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 19 234 Heinrich Simroth, sichtbarer Binde; sie übertreffen vielleicht noch an Größe unsere großen subfuscus etwa aus der Niederlausitz, jedenfalls aber nur ganz wenig. Dass aber auch auf den Südalpen andere Zeichnungen vorkommen, glaube ich aus dem A. Pegorarii Less. und Poll. folgern zu dürfen ; denn die drei Exemplare von Aosta, auf welche die Art gegründet wurde, sind kaum etwas Anderes als erwachsene Formen mit erhaltenen Innenbinden, etwa Vergrößerungen der in Fig. 35 XXIII B abgebildeten Jugendform obne Umfärbung. Die abweichendste von allen Formen ist endlich die sieben- bürgische, vielleicht die einzige, der man einen Varietätsnamen (transsylvanus) beilegen könnte, da sie von mehreren recht verschiedenen Orten des Landes in gleicher Weise vorliegt. Ein sehr dunkles Thier hat noch im Alter seine vier Bin- den, also die trennende unregelmäßige, durch Tupfen gestörte helle Scheitellinie des Rückens, viel mehr sind die inneren mit den Stammbinden verschmolzen, die Seiten sind lebhaft grau gesprenkelt, namentlich den Furchen entlang, aber auch der Rücken lässt im tiefen Schwarzbraun zumal der inneren Binden überall reiche Sprenkelung erkennen. Wiederum ist bemerkenswerth, dass die Thiere vom 2300 m hohen Negoi noch dunkler sind als die Hermannstädter. — Aus dieser lang- athmigen Zusammenstellung erkennt man schon jetzt unschwer den Zusammenhang - aller Formen, vielleicht von den ganz bindenlosen dunklen vereinzelten Thieren der Gebirge abgesehen. Man erkennt, dass die kleinen Thiere von Bremen wahrschein- lich noch nicht ausgewachsen sind, denn ihre Artgenossen und ganz gleichen For- men der Niederlausitz, die den echten norddeutschen Landschaftscharakter trägt mit Moor und Haide, werden zum Theil viel größer, eben so die von Karls- bad etc. Im Allgemeinen scheint zu folgen, dass die Thiere der höheren Berge mit’ dem Alter dunkler werden als die in der Ebene. Die spär- lichen Befunde von Norwegen lassen immerhin sich den Gebirgsformen anreihen. Dem vereinzelten dunkeln bindenlosen Thiere der Gebirge steht gegenüber b) Arion brunneus (XXIJ, Taf. VII, Fig. 32 und 33). Ich hatte im Herbst 1882 aus der Dübener Haide eine Menge subfuscus aller Größen, die ich von den scharfbindigen Jugendformen bis zu den erwachsenen mit fast verwaschener Binde verfolgen konnte; letztere waren mittelhell. Dieser Reihe stand gegenüber eine andere sehr deutliche Kette ebenfalls von jung bis alt, 30 bis 40 Stück. Die jungen waren scharf bicolor oder albolateralis, der Rücken dunkel einfarbig schwarz- oder kaffeebraun, eben so der Mantel; die Seiten, ein Stückchen des Mantels einbegriffen, sind weiß, vorn zart graubraun gestrichelt; beide Farben scharf abgeschnit- ten. Gelber Schleim färbt bereits die Leiste. Mit der Entwicklung dehnt sich das Dunkel des Rückens, allmählich abklingend, bis hinab auf die Seiten aus, wobei zugleich die Mitte sich etwas lichtet; es macht den Eindruck, als wäre das Pigment, ohne sich zu mehren, weiter verwischt worden; dabei stellen sich die dunkeln Querlinien, auf die ich nicht viel Gewicht lege, in der Leiste ein, hinten am stärksten; sie sind recht fein, wie überhaupt die Haut etwas Zartes, Sammetartiges hat. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 285 Mir war es nicht fraglich, dass ich LeumAnn’s brunneus vor mir hatte, von der einzigen Schwierigkeit abgesehen, dass Lenmann klaren Schleim angiebt, statt gelben; doch hatte er nur zwei Exemplare (mit WEstErLUnn den brunneus zum empiricorum zu stellen, geht sicher nicht an, da braune Exemplare dieser Art von 4,5 cm Länge nie geschlechtsreif sind). Nachher erhielt ich von Herrn BorcHERDING einen einfarbigen hellen (albinen) subfuscus mit lebhaft rothem Schleim, einen solchen, in dem er (6, p. 277), eigentlich auffälligerweise, den brunneus LEHMAnN’s vermuthet. Zwei gleiche, lebhaft gelb übergossene Thiere erhielt ich von Herrn GE&rs in Hannover, nach welchem der subfuscus dort in den beiden Färbungen vorkommen soll. In Spiritus ist das eine Exemplar völlig albin, das andere ein bicolor oder albolateralis, dessen scharf abgesetzter Mantelrückenfleck nur ganz zart bräunlich sich abhebt. In diesen Thieren haben wir ganz zweifellos den A, flavus MÜLLER-LEHMANN vor uns (der nicht, wie LEHMANN vermuthet, mit dem melano- cephalus, einem jungen empiricorum, zusammengehört). Nun beweist aber das letzte Exemplar mit seiner zarten Rückenzeichnung, dass dieser flavus mit dem brunneus identisch ist, wie denn auch beim flavus die Haut feinrunzelig ist. Handelte es sich bloß um vereinzelte Thiere, wie bei LeamAnn, dann würde ich kein Bedenken tragen, sie dem subfuscus unterzuordnen. Jene Entwicklungsreihe zeigt zum mindesten eine gewisse Selbständigkeit. Mir ist es auch sehr zweifelhaft, ob die Flavus-brunneusform der norddeutschen Ebene mit den vereinzelten dunkeln brunneusartigen Gebirgsexemplaren des subfuscus zusammengehört, die sich viel- mehr unter dem Einflusse der Bergfrische aus gemeiner gebänderter Subfuscusbrut entwickelt zu haben scheinen. Auch so viel ist gewiss, dass jene norddeutschen Thiere zum subfuscus in allerengster Beziehung stehen, wie denn der junge von POLLONERA als brunneus abgebildete Karlsbader subfuscus in der That einem jungen brunneus ähnelt. Die Frage ist nur noch die: Sind die flavus-brunneus eine unter einander blutsverwandte Familie, die, aus dem subfuscus herausge- bildet, sich über den Norden zerstreut hat? Oder werden diese Formen noch immerfort hier und da vom gemeinen subfuscus unter besonderen Bedingungen erzeugt? und welches sind diese Bedingungen? Die Ant- wort möge Züchtung und Naturbeobachtung geben. Hinzugefügt aber kann werden, dass in Herrn Cressın’s Sammlung sich aus Norwegen der echte brunneus befand mit einem ganz jungen Thiere von 0,45 cm Länge, von Skalsaeter in Tonset, gegen 900 m hoch. Eben so wird von BRIGITTE Esmark (10) ein A. empiricorum var. albus erwähnt, den ich aber, da der nordische empiricorum durchweg ziemlich dunkel sein dürfte, für einen brunneus-flavus halten ı möchte, so dass die beiden Formen im Norden konstatirt wären. Junge brunneus, von Herrn Cuessın im letzten Jahre in der Rhön gesammelt, waren auf dem Rücken ganz besonders dunkel. Und hiermit zum subfuscus zurück! Wie der beinahe in allen, wenn auch wenig verschiedenen Nüancen erwachsen vorkommt, so kann er auch, wie ich mich bei weiterer Erfahrung überzeugt habe, schon früh \ geschlechtsreif werden. Ich traf ganz junge zu allen Jahreszeiten, Eier , namentlich in den Herbst- und Wintermonaten. Im Januar 1884 waren ' in der Dölauer Haide im Moos Eierhaufen zu finden, die von vier bis 19* 236 Heinrich Simroth, dreißig Stück wechselten. Zwei noch nicht halbwüchsige Thiere (in Alkohol 1—1,3 cm lang) legten im Glase im ungeheizten Zimmer (durch- schnittlich 6°R.) zwei Eierhaufen von vier und fünf Stück Ende Februar und Anfang März. Ende März sind junge vorhanden, noch nicht 1, cm lang, noch nach Wochen völlig blass mit kaum wahrnehmbarer Binde, wie eben so die alten in der gleichmäßigen Temperatur abgeblasst sind. Es ergiebt sich von selbst, dass die großen Eierhaufen im Freien von ungleich größeren Thieren herrühren mussten. Und hiermit löst sich - das Räthsel, warum PorLonera aus Norddeutschland kleinere und doch schon geschlechtsreife Thiere erhielt, woraus er, mit Unrecht, auf eine kleinere Form schloss. Worin aber ist die Gleichgültigkeit der Art gegen die Jahreszeit begründet, welche die Einjährigkeit — man vergleiche die obigen Daten der Fundorte, Monate und Größen — höchstens wahr- scheinlich, keineswegs sicher erschließen lässt? In den außerordentlich gleichmäßigen Lebensbedingungen des Aufenthaltes. A. subfuscus ist ein reiner Pilzfresser, der vor Allem die großen Agaricus- und Boletus- arten, gleichgültig ob für uns giftig oder essbar, bevorzugt und nur unter jenen die schwarzsporigen, unter diesen die holzigen Polyporus meidet oder doch noch weniger gern annimmt, als die Boviste etwa. Niemals wird der Alkohol vom subfuscus grün gefärbt, denn der frisst kein chlorophylihaltiges Kraut, man muss ihn an Pilzen suchen oder an deren Mycel; am Mycel eines einzigen Fliegenpilzes, das sich in der moosigen Waldstreu ein wenig ausbreitete, fand ich sieben erwachsene zusammen. Nun aber werden wasere Märkte hauptsächlich von den Nadelwäldern der sandigen Haide mit Pilzen versorgt, und die Moos- schicht bietet jahraus jahrein eine gleichmäßig feuchte und annähernd gleichmäßig warme Decke. So sind denn recht eigentlich die Haide, Kiefernholz und Torfgrund, die in Norddeutschland vorherrschen, das Standgebiet unserer Art, eben sowohl aber die Nadelholzregion der höheren Gebirgsgegenden. Wo hier in einem Fichtenschlage alte Stumpen stehen, deren Rinde sich vom Splint abgehoben hat, indem die Pilze in die weichsten und saftigsten Stellen zer- störend sich einschoben, da wird man immer auch den subfuscus in den Spalten finden. Das Wechselgebiet geht in die Laubwälder, wo er an Buchen und in der pilzhaltigen Bodenstreu ähnliche Bedingungen findet, schwerlich aber oder nur ausnahmsweise in den Garten (BoRCHERDING’S gegentheilige Angabe beruht wohl wieder auf der Verwechslung mit dem Bourguig- nati), niemals in offenes Land. Wohl berichtet z. B. vox Kımakowicz, dass das Thier in den Buchenwäldern reichlich vorkommen soll, dem steht aber die allgemeine Annahme entgegen, dass es seltner sei als der empiricorum; Leypig lässt die Art in Süddeutschland zU- | | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 287 rücktreten, auf den Alpen aber sehr häufig werden, in der Kiefernhaide der Nieder- lausitz aber z. B. traf ich ein Verhältnis, wonach der subfuscus mindestens 800/, des gsesammten Schneckenbestandes ausmachte, die Gehäuseschnecken bis zur Zonitoi- desgröße herunter mit eingeschlossen. So ergiebt sich aus der Ähnlichkeit der Lebensbedingungen für die Häufigkeit des Auftretens zugleich die geographische Parallele zwischen den Alpen und Norddeutschland, ja dem Norden überhaupt, da die Art in den arktischen Theilen Norwegens gemein ist, — mag es immerhin fraglich sein, ob der von Bınney (3) erwähnte A. fuscus von Grönland zu unserer Species gehöre. Die Art variirt wenig innerhalb brauner und gelblicher Töne, demnach bestätigt sie das Temperaturgesetz, in so fern als die dunkeln Töne dem Gebirge angehören. Der größte Körperumfang wird in den Alpen erreicht. XXIV. Arion Bourguignati (Taf. VII, Fig. 36—40). Das langgezipfelte Receptaculum seminis und die scharfe Kiellinie der jungen lassen keinen Zweifel, dass meine Artbestimmung mit der von LessonA und PoLLo- NERA (44) sich deckt; auf die Bezahnung habe ich auch hier kein Gewicht gelegt. Die Thiere habe ich im Garten und im nahen Rosenthal unausgesetzt zur Verfügung, daher die Verfolgung der Entwicklung nicht schwer fällt. Ihre Blüthezeit fällt in die nassen und kühlen Monate des Herbstes und Frühjahres (und wärmeren Winters), während welcher man auch allein ganz junge antrifft; im heißen Sommer sind sie selten und leben sehr verborgen. Sie scheinen im Frühjahr ausgewachsen und zu Sommersanfang sich zu vermehren, um dann meist einzugehen, andere dürften jedoch erst im Herbst ihre volle Größe erreichen, so dass man entweder einen doppelten Entwicklungscyklus im Jahre annehmen kann oder, was wahr- scheinlicher, einen einfachen, wobei die jungen in verschiedenen Größenzuständen ähnlich den Sommer überständen, wie die von empiricorum den Winter. Vom Oktober bis März wogen die kleinen und halbwüchsigen vor, vom März bis Juni stellten sich immer mehr große ein. Die Statistik stützt sich freilich nur auf 400 bis 200 aufbewahrte, außerdem aber auf die Beobachtung im Freien. Die ganz kleinen sind hell silber-(blau-) oder röthlichgrau, mit einer dunkelgrauen Leier- oder Stamm- binde auf Mantel und Rücken, Wie bei den anderen Arten auch, setzt die Rücken- binde weiter außen ein, als die Leierbinde des Mantels verläuft, natürlich, denn die Schenkel der letzteren biegen sich nach hinten zusammen. Die Binde ist durchweg beiderseits scharf begrenzt, wie beim subfuscus. Die Mittelfelder von Mantel und Rücken sind dunkler, doch hat die Binde nach innen einen hellen Grenzsaum. Die Seiten sind hell. Endlich das beste Kennzeichen, ein erhabe- ner, scharf vom Mantel bis zur Schwanzdrüse ziehender heller Kiel, aus der einzigen Schuppenreihe der Mitte gebildet, der An- ' fangs dicht erscheint ohne Runzeltrennung (C und D). Die von Levpıc betonte Ähnlichkeit zwischen Arion und Amalia kommt nirgends schärfer zum Ausdruck, als bei rothgrauen jungen Bourguignati (C); man würde sie mit gleichalterigen " Amalia marginata entschieden verwechseln, wenn sie nicht die noch sehr zarte Rückenbinde hätten. Beim Heranwachsen wird die Binde dunkler bis schwarz, ihr Pigment hält sich nicht auf den Runzeln, sondern in den Furchen, zum Beweis, dass die Ursache tiefer liegt als in der Haut, im Sinus nämlich. Der Rücken 288 | Heinrich Simroth, dunkelt gleichfalls ein wenig, er verwischt den hellen Grenzsaum, die Runzeln des Kieles rücken mehr aus einander, sinken auf das Niveau der Nachbarn herab und nehmen allmählich deren dunkleres Kolorit an, so dass der Kiel immer schwerer und schwerer zu unterscheiden ist. Nun findet eine Scheidung statt zwischen Wald- und Garten-, zwischen Winter- und Sommerthbieren, so zwar,dass dieSchattenformen des Waldes den Winterformen des Gartens ähneln; mit anderen Worten: Wärme und Kälte erzeugen ein verschiedenes Kleid. Die Kälte giebt ein reines mehr oder weniger dunkles Grau, dabei entsteht, dem subfuscus ähnlich, ein schwarzer Schnurrbart, der end- lich, in den Furchen sich haltend, die Seitenfelder ganz überzieht bis an die Binde. Der Schleim ist natürlich blass. Im freien Lande (Garten) wird der Rücken mehr oder weniger olivengraugrün (B), die Seitenfelder bleiben ohne alles Schwarz, sie erhalten vielmehr, parallel] und neben der schwärzlichen, eine gelbe Binde, so dass das Thier nun von der Seite ein dreifarbiges Band trägt, schwarz, gelb, weiß. Dem Schleim mischt sich, wenn auch spärlich und nur gegen das Hinterende deut- lich, gelbes Sekret bei in feinen Körnchen, nicht diffus wie beim subfuscus u. a. Es gelingt, die dunklen Thiere des Waldes und Winters im Glase durch Wärme heller zu färben, doch wollte mir’s nicht glücken, das Gelb hervorzurufen. Da im Garten das Thier mit dem hortensis zusammen sich findet, noch ein gutes Merk- mal: die Sohle ist hell, ich möchte sagen, blendend weiß, namentlich erscheinen die Seitentheile dick weiß fleischig, während das Mittelfeld, sehr verschwommen und schmal abgegrenzt, mehr dünn und durchscheinend ist (stark lakunär). Die Art nährt sich von Kräutern und färbt den Alkoho! grün, die Jungen zumal sind leidenschaftliche Obstliebhaber. So weit meine lokalen Beobachtungen. Es ergiebt sich, dass man zur Größen- bestimmung ausführlicheres Materialhaben muss. Jeälter ein Thier, um so schlan- ker ist seine Sohle und am Ende spitzer, die Länge kommt im Alkohol auf reich- lich 3, d. h. im Leben gewiss auf 5 cm. — Das Standgebiet ist bereits angegeben, Gärten, Hecken, Laubwald; in das Nadelholz oder die sandige Haide wechselt das Thier nie hinüber, wie sich’s durch anderweitige Funde oder vergebliches Suchen herausstellte. Bei Grimma im Laubwald leben mit Amalia marginata zusammen auffallend helle Thiere, nicht weniger befremdlich war es, dass im Erzgebirge bei Bienenmühle (circa 550 m hoch an einer sehr feuchten Stelle im hohen Buchen- wald) rur die helle Form vorkam, freilich im Hochsommer und ohne Gelb. Ich habe das Thier noch von verschiedenen mitteldeutschen Stellen, außerdem aber namentlich von Siebenbürgen (E), zwei kleinere olivengraue Exemplare, so dass es sehr fraglich ist, ob von Kınakowiıcz’s transsylvanischer hortensis nicht ganz und gar unter den Bourguignati gehört; sodann von Norwegen (Christiania). Hier hat sich bei einigen das in der ursprünglichen Anlage gegebene Roth weiter entwickelt, und das Kolorit ist dunkel chokoladenbraun, auch an den Seiten, auf dem Rücken ein klein wenig gesprenkelt, wie bei manchen subfuscus, die Binde deutlich (die Bestimmung ausdrücklich anatomisch geprüft). Die Thiere waren in Herrn Cressın’s Sammlung als subfuscus bezeichnet; da auch WESTERLUND den Bourguignati einfach unter den subfuscus begreift, nach der Entwicklung und Anatomie sicherlich mit Unrecht, so ist zu vermuthen, dass die Art viel weiter nach dem skandinavischen Norden hinaufreicht. Aus der Litteratur lässt sich ferner anführen : LEnmann’s hor- tensis (Pommern, 37), GEHrs hortensis (42), für den der Autor trefflich als Aufent- halt »schweren Boden« angiebt, durchweg Bourguignati, ähnlich BoRCHERDING’S subfuseus oder hortensis {Nordwestdeutschland, 6), Gorpruss’ hortensis, zum | 1 Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 289 mindestendie hell silbergraue Forma (Rheinland, 13), aus Süddeutschland von Ochsen- furt bekannt, wahrscheinlich aber von Leynie’s subfuscus die graue Form (46), aus Leamann’s Werk (37) die von Martens’sche Figur des hortensis var. alpicola, sodann die französischen Vorkommnisse, nach denen die Art kreirt wurde; ja ich stehe nicht an, auch in Lrssona’s und PoLLonErA’s hortensis (44), wahrscheinlich in der var. alpicola noch einen Theil Bourguignati zu vermuthen, wiewohl ja die Autoren den letzteren außerdem haben. Die Bestimmungen des hortensis dürften aus Lessona’s früherer, so erfolgreicher Bearbeitung (42) mit herüber genommen sein, und in dieser fehlt noch der Bourguignati. Doch wie dem auch sei, wir erhalten für unsere Art zum mindesten einen Bezirk, der sich von den Alpen, und zwar von deren Südabhange bis in den skandinavischen Norden erstreckt und überall, wo er sein Standgebiet findet, häufig ist; vielleicht wird sich künftig das Territo- rıum noch bedeutend erweitern. XXV. Arion minimus nov. spec. (Taf. VII, Fig. 44). Anfangs schwankte ich bei oberflächlicher Prüfung, ob ich hier etwa den flavus LEHMANN’s vor mir habe, denn das hellgraue Thier hat oft lebhaft gelben Schleim. Dem entsprechend ist der Name in Cuessın’s Exkursionsmolluskenfauna, 2. Aufl., übergegangen. Indess, da das Thier in Alkohol noch nicht 4 cm, im Leben noch nicht 4,5 cm Länge erreicht, kann es nicht mit dem flavus von 4,5 cm identisch sein, auch glaube ich letzteren aus guten Gründen oben beim brunneus unterge- bracht zu haben. So liegt denn sicherlich eine neue Art vor. Das ziemlich plump gebaute Schneckchen hat einen gelbgrauen Grundton, das Grau wird meist dunkler auf dem Rücken und Mantel, am meisten am Kopf. Seiten mit verwaschener Binde, die ganz fehlen kann, »lateribus zonam simulantibus«, wie Lessona und PoLLoneraı den Ariuneulus Mortilleti beschreiben (44). Über das Ganze ein goldgelber Schleim, auch über die weißgelbe Sohle. Der Schleim häuft sich namentlich gegen die Schwanzdrüse. Die Körperform ist gedrungen, hinten abgerundet, die Fühler klein. Man kann die Thierchen leicht mit manchen ganz jungen empiricorum verwechseln. Doch ist die Runzelung eine ganz andere. Während beim empiricorum von Anfang an schöne polyedrische Felderung, sind es hier kleine runde perlartige ' Knöpfchen, die sich, gar nicht dicht, aus der Haut erheben. In Ge- fangenschaft wird die Haut bald gleichmäßig gequellt, so dass alle Runzelung vollständig verschwindet; sie sieht dann durch die locker eingepflanzten Drüsenpunkte wie mit Mehl bestäubt aus. Die kleinen, bis zu 0,25 cm Länge hinab, sind gerade so, nur weniger gelb, dafür \ etwas schärfer gezeichnet, mit deutlicher, beiderseits scharfer Binde von demselben Grau wie das Rückenfeld, von diesem durch eine helle Linie geschieden, die Seiten hell, auf dem Mantel schwach angedeutete ‚ Leierbinde. Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich die Lebensdauer auf ein | v 290 | Heinrich Simroth, Jahr angeben, so dass der ausgewachsene Zustand in die Kältemonate fällt. Im Oktober 40 bis 20 durchweg erwachsene, im März ganz kleine bis halb- wüchsige, Anfang April noch ein erwachsener, im Juni 1/3- bis 3/„-wüchsige. Sie sind reine Pilzfresser, die im Moose der Kiefernhaide sich halten. Fundorte: Die Niederlausitz (gerade im Winkel zwischen der Provinz Schle- sien und der Provinz und dem Königreiche Sachsen), die Harth bei Leipzig, Vege- sack (Herr BorcHERDING fand ein noch nicht erwachsenes Exemplar, das er mir zur Beurtheilung zusandte). Es ist wohl kaum zweifelhaft, dass das Schneckchen über die ganze norddeutsche Ebene verbreitet ist, bis jetzt aber der Kleinheit halber übersehen oder mit Jugendformen anderer Arten verwechselt wurde. Da- gegen fand sich ein echtes, ungezeichnetes, geschlechtsreifes Exemplar vom Pila- tus in Herrn Cressin’s Sammlung.- So scheint dann wieder eine entschiedene Parallele vorzuliegen zwischen der norddeutschen Haidelandschaft und den Höhen der Alpen. Und diese wird noch mehr gestützt durch die kleinen Arten, welche LessonA als Ariunculus zusammenfasste (42), lediglich nach dem Merkmal einer vom Athemloch mehr nach vorn gerückten Geschlechtsöffnung. In einem Falle konstatirte ich freilich die unmittelbare Nachbarschaft von Athem- loch und Genitalporus, im Allgemeinen war die Entfernung bei den mir zu Gebote stehenden Thieren zu klein, der Kopf zu nahe an und unter den Mantel zurückge- zogen, als dass das Kriterium überhaupt hätte in den Vordergrund gestellt werden können; auch dürfte etwas auf die durch die größere Schwellung der Genitalien und die beim Alkoholtode entstandene Zerrung der Haut zu setzen sein, kurz, ich halte den Arion minimus für ein Glied der in den höheren Regionen der piemon- tesischen Alpen vorkommenden Ariunculusgruppe LessonA’s, wenn auch die Ari- unculi durchweg etwas größer sind als der minimus. Gemeinsam ist ihnen das mehr verwaschene Kolorit im erwachsenen Zustande, mag es mehr ins Rothe, Gelb- liche oder Schwarze gehen, gemeinsam als Standgebiet der Moosgrund der Nadel- wälder, Vielleicht kann man, wie beim subfuscus, einen gleich günstigen Einfluss der Alpenluft auf die körperliche Entwicklung herausfinden, die Formen der Süd- alpen sind die größten. Die tiefere Schwärzung mancher alpinen Thiere scheint wieder mit der Gebirgsfrische zusammenzuhängen, wie denn die halbwüchsigen Thiere, die ich im Juni fand, entschieden heller waren als die ganz jungen vom Frühjahr und die alten vom Herbst. Übersicht der Gattung Arion. Man pflegt mit Mogouin-Tannon die Gattung Arion in die beiden Sub- genera Lochea und Prolepis zu scheiden und nimmt als Eintheilungsgrund den geringeren oder festeren Zusammenhang der Kalkpartikelchen in der Schalentasche .zu einem Schälchen, eins der hinfälligsten und neben- sächlichsten Merkmale, das wohl atavistischen Werth besitzt, aber als anscheinend funktionell gleichgültig den größten Schwankungen unter- worfen ist. Fast die einzige sichere anatomische Unterscheidung liegt in den Endwegen der Geschlechtsorgane, und von hier kann man auch eine Eintbeilung nehmen in Monatriidae und Diatriidae, je nachdem | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 291 das eigentliche mit gelben Drüsen ausgestattete untere Atrium der ein- zige gemeinsame Antheil der beiderlei Organe bleibt oder sich darüber noch, vom Oyidukt aus entstanden, eine zweite Erweiterung (egg sac) bildet, Vorausgesetzt, dass hier zugleich der phylogenetische Vorgang erkannt ist, bekommen wir folgenden Stammbaum: Monatriidae A. minimus [x subfuscus Diatriidae 1 A. empiricorum / A, brunneus p A. hortensis A. Boureuienati es A. timidus | Der Bourguignati muss wegen der weiteren Eigenthümlichkeit des Receptaculums etwas für sich zur Seite stehen; unter den Diatriiden weiß man nicht, ob man eine Kette oder eine Parallelentwicklung auf- stellen soll; der timidus, dessen ausgewachsenen Zustand und Genitalien ich nicht Kenne (s. o.), ist wegen Zeichnung und Habitus sicherlich hierher zu rechnen. Der Stammbaum, auf geringe Unterschiede der Anatomie gegründei, wird weiter durch das gewichtige Moment der Zeichnung gestützt. Die Monatriiden haben, wenn überhaupt eine, eine beiderseits scharf begrenzte Binde, die Diatriiden eine nach außen verwaschene. Beiden gemeinsam ist, wie so vielen anderen Thieren, z. B. vielen Säu- gern, das Streben nach Einfarbigkeit, beiden gemein die Abhängigkeit des Pigmentes von der Temperatur, die Ausbildung des schwarzen Aurch die Kälte, des rothen durch die Wärme. Der andere Einfluss aber des schwarzen Pigmentes, die Konstitution auch gegen die Wärme zu kräftigen, offenbart sich bei den Diatriiden, welche das ursprüngliche : Standgebiet verlassen haben. Nehmen wir mit BoursuienAt, der über die Grundzüge der geographischen Verbreitung ganz gewiss ein kom- petentes Urtheil hat (8, p. 149), an, dass unsere Schneckenfauna von Asien her sich entlang den großen Gebirgskämmen verbreitet hat und von hier nord- und südwärts ausgestrahlt ist, dann befinden sich die Monatriiden noch zumeist auf ihrem ursprünglichen Terrain, die Diatriiden aber haben es verlassen (doch muss auch die Möglichkeit offen gehalten werden, dass die Verbreitung ursprünglich durch die nördliche Kiefern- haide erfolgte, und dass die Alpenbewohner nur einen vorgeschobenen Posten auf ähnlichem Terrain bedeuten, was indess die Beurtheilung der Standgebiete nicht beeinträchtigt). Unter den Monatriiden erweisen sich zunächst die beiden echten, 292 Heinrich Simroth, minimus (die Ariunculusgruppe) und subfuscus als geborne Alpen- bewohner, welche in der Moosdecke der Nadelhölzer von Pilzen sich nähren. Sie verbreiten sich von da hauptsächlich nach Norden, bis sie in der norddeutschen Haide und in Skandinavien einen dem ursprüng- lichen adäquaten Boden finden und entsprechend zur herrschenden Form anschwellen. In den Alpen aber erreichen sie das größte Körpervolum. Im brunneus liegt die höchste Stufe der Ausfärbung vor. — Der Bourguignati muss als besondere Abzweigung gelten, die wohl sehr bald, nach ihrer Verbreitung zu schließen, Krautfresser geworden und in die Ebene herabgestiegen ist, aber bei ihrer Hauptausdehnung nach Norden die ursprünglich scharfe Bindenzeichnung beibehalten hat; in der Be- schränkung auf die kühlere Jahreszeit erweist sich ihre Zusammenge- hörigkeit zur ersten Gruppe. Anders die Diatriiden, welche die mycophage Lebensweise durch- weg mehr oder weniger mit der herbivoren vertauscht haben. Der empiricorum, der am meisten nach Volum, Färbung und Territorium aus den anfänglichen Grenzen herausgewachsen ist, bekundet in der Einfarbigkeit der erwachsenen die höchste Stufe des Kolorits, anderer- seits scheint die viel größere Ähnlichkeit der jungen in der Haide mit den Monatriiden auf den Ausgangspunkt hinzudeuten (die jungen aus der Harth [Taf. VII, Fig. 26 D und 27 E] waren mit dem minimus, die von Bremen mit dem subfuscus-brunneus vielmehr zu verwechseln als die Aueformen). Die Unfähigkeit, in der Wärme schwarzes Pigment zu erzeugen, verhindert die Ausbreitung nach Süden, nach Italien, wobei das portugiesische Vorkommen andere Erklärung findet. Arion hor- tensis, der das Schwarz auch in der Wärme am entschiedensten zeitigt, u ist dadurch in den Stand gesetzt, aufs offne Land und nach Süden vor- zudringen, er ist die einzige Form, welche den Wald meidet und auf frei durchsonntem Boden sich im Sommer hält. Das letzte Glied dieser Richtung scheint der südportugiesische timidus zu sein, der die gleiche ‚dunkle Färbung mit großem Körperumfang im wärmsten Winkel Europas vereinigt. Die Lebensdauer ließ sich bei einigen Arten, empiricorum und minimus, Mit ziemlicher Sicherheit, bei anderen, Bourguignati etc., wenigstens mit Wahrscheinlichkeit als einjährig feststellen. Die Wahr- scheinlichkeit wächst wohl durch die Gattungszusammengehörigkeit. Eine solche Verkürzung des Alters auf das geringste Maß gegenüber den meist viel langlebigeren Gehäuseschnecken (während viele Hinterkiemer gleichfalls einjährig sind) wird durch den Mangel der Schale, welche | heiße, kalte, und namentlich trockne Zeiten überstehen hilft, leicht ver- | ständlich. | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u, ihrer europ. Verwandten. 293 Limax. Hazay stellt seine Beobachtungen an der Radula des Limax coeru- Jans denen Hrynemann’s gegenüber (15), er fand etwa 200, HEYnEManN noch nicht 100 Längsreihen, die Unterschiede in der Ausbildung der ein- zelnen Zähne sind nach beiden Untersuchern nicht geringer. Mag eine große Variabilität die Ursache sein, mögen verschiedene Altersstufen den verschiedenen Beobachtern vorgelegen haben, — bei der Frühreife der Art immerhin denkbar —, die Thatsache einer solchen Kluft ist gewiss geeignet, den Kredit der Bezahnung als Artmerkmal zumal innerhalb unserer Gattung zu untergraben, wie denn die Anatomie wiederholt die auf die Radula gegründete Systematik umstieß; die Differenzen sind eben bei der Gleichmäßigkeit zu gering oder zu schwankend. Ist aber diese Schranke einmal beseitigt, dann erweist sich das reiche Material unseres Genus einer natürlichen Anordnung viel zugänglicher als bis- her. Die Anatomie ergiebt eine verschiedene Gruppirung, je nachdem man die Verhältnisse des Darmes oder der Genitalien in den Vorder- grund stellt, die Stellung des L. coerulans wird eine völlig andere. Nach dem Darm. a) Arten ohne Blinddarm: L. maximus, tenellus, nyctelius, coe- rulans. b) Arten mit Blinddarm: L. variegatus, arborum. Nach den Genitalien. a) Zwitterdrüse dem Intestinalsack eingefügt, Penis schlauchför- mig: L. maximus, tenellus, nyctelius, variegatus, arborum. b) Zwitterdrüse frei, kein Penis, großes Anhangsorgan: L. coeru- lans. | Nach der üblichen Systematik würde man, glaube ich, dem coeru- lans geradezu den Rang einer besonderen Gattung schulden; indess bleibt der Zusammenhang mit den Vitrinen, bei denen nach Lessona mancherlei Differenzen in den Genitalien vorkommen, aufzuklären, und das Urtheil ist aufzuschieben. Den übrigen anatomischen Verhältnissen nach nimmt der coerulans die Stelle ein, die ich ihm oben gegeben habe. ' Wahrscheinlich liegt aber in der Ableitung von den Vitrinen-Hyalinen | auch die Lösung eines anderen Räthsels, das wiederum den coerulans ‚ von den übrigen trennt durch ein sehr gewichtiges Moment, der coeru- ‚lans ist zeitlebens einfarbig, die übrigen alle mehr oder weniger ge- ‚zeichnet. Man müsste auch hiernach abscheiden, wenn nicht das tiefe Blau des coerulans, eine seltene Farbe, bei manchen Hyalinen, z. B. Draparnaldi, sich wiederfände und eben so andeutungsweise bei anderen ‚Limaxarten, namentlich in den Fühlern des variegatus (Taf. VII, a x 2 ' ! I 294 A Heinrich Simroth, Fig. 8 V A). Man sieht, dass hier fundamental wichtige Fragen einer vielleicht ziemlich leichten Beantwortung harren. IV. Limax coerulans Bielz. Die ungarisch-siebenbürgische Art wird meist als L. Schwabi aufgeführt, doch hat von Kınakowicz die völlig genügende ältere Beschreibung von Bıerz mit Recht seiner Benennung zu Grunde gelegt und schreibt in eingehenderer Trennung, die ich aus anatomischen Gründen nicht annehmen konnte, Heynemannia coerulans (35, p. 120). Bıerz’s Definition, die so klar als bestimmt ist, verdient Wiederholung (2, p. 14): »Thier langgestreckt, Kopf und Fühler dunkel, schiefergrau, beinahe schwarz, der übrige Theil des Körpers schön lazurblau gefurcht, der Fuß strohgelb gesäumt; die Sohle des Fußes unten strohgelb-weißlich.« Durch die von Hazay veröffentlichten Abbildungen kennen wir das lebhafte Jugendgrün, das nachher in schönstes Blau übergeht. Exemplare von der Tatra, die ich demselben Herrn ver- danke, sind auch auf der Sohle tief gefärbt, selbst die Mitte ziemlich dunkel (in Alkohol schwärzlich). von Kımakowicz fügt aus Südost-Siebenbürgen die var. in- compta dazu, sie hat nie das Himmelblau; an einem zugesandten Thiere fällt viel- leicht noch mehr auf, dass der Mantelrand, und schwach auch Leiste und Rücken, etwas heller gefleckt sind, woraus man bei reichlichem frischen Material vielleicht doch noch eine bestimmte Zeichnung herausfinden könnte. Als gutes Merkmal führt derselbe Autor an, dass jede Rückenrunzel gekielt ist. Mit den einfarbigen Arten anderer Genera theilt sie die Frühreife, bei kaum halberwachsenen Thieren sind Genitalien entwickelt. II. Limax tenellus (Taf. VII, Fig. 7). Diese kleine Art, die doch der Ackerschnecke an Größe nicht nach- steht, ist verhältnismäßig so selten beobachtet, aus Unkenntnis der Lebensbedingungen, dass über ihren Verbreitungsbezirk noch kaum sich etwas sagen lässt. Nach WesterLunp würde er sich auf Centraleuropa, nördlich von den Alpen, bis England und Skandinavien erstrecken, Geht man der Bezahnung nach (die bei den betreflienden Arten leider das einzige von der Anatomie Bekannte ist), dann könnte man wohl auch den L. majoricensis Heynemann von den Balearen dazu nehmen; die äußeren Zähne bekommen gegabelte Nebenspitzen, sie werden drei- spitzig. Doch wird man vor der Hand am centralen und nördlichen Europa festhalten müssen, da solcher Radulacharakter eben sowohl auf Agriolimax gedeutet werden darf. Recht genau lassen sich Lebensweise und -dauer feststellen. Nach LEHMANN lebt die Schnecke von gemischiem Futter ; wenn er Pilze, dieihrem Nahrungswerthe nach viel mehr dem Fleische sich nähern, zu den Vegetabilien rechnet, mag es an- gehen. Nie genießt tenellus grüne Pflanzen, nie färbt er den Alkohol grün, Andererseits wird er des Kannibalismus beschuldigt, die Thiere sollen sich in Gefangenschaft gegenseitig angehen und völlig aufzehren. Ich hielt im Herbst 20 große Exemplare in enger Schachtel mit reichlichen Pilzen neun Tage lang, ohne dass ein einziges verletzt worden wäre. Haben sie Pilze, verschmähen sie Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 295 Fleisch; von den Pilzen hängen sie ab, mit ihnen kommen und sehen sie. BorcHErDInG bemerkt nachträglich (7), dass sie im Oktober leicht unter den Hutpilzen zu finden seien, ähnlich HEynemAnn (49). Rationell sammelt man sie nur da, oder sonst zufällig. In den fruchtbaren Laubwäldern unserer Aue fand ich auf vielen Spaziergängen während mehrerer Jahre zwei Stück im Ganzen; unser Markt wird, wie bereits bemerkt, im Hochsommer und Herbst lediglich von den norddeutschen Haidenadelwäldern, die bei Düben und Eilenburg beginnen, mit Pilzen versorgt; ein Pilzsammler, der ohne alle Sachkenntnis in meinem Auftrage die sonst weggeworfenen Nacktschnecken aufhob, brachte in Massen und vor- wiegend tenellus (außerdem L. maximus, Arion subfuscus-brunneus, Ss. o.). Die Nadelwälder bei Leipzig, Harth und Bienitz, enthalten die Schnecke reichlich. Eben so die Fichten des Erzgebirges. Wie aber die Pilze im Oktober ihre Haupt- saison haben, so auch die Schnecken. Erwachsene findet man erst von da an, weit in den Winter hinein bis zum ersten Frühjahr, wie CreEssın meint, an feuchten Orten, in Wirklichkeit, weil Pilze dort wachsen. Im Juli kann man zuerst die kleinen, noch nicht halbwüchsigen Thiere an den Pilzen aufsuchen und leicht durch reichliches Sammeln das weitere Wachsthum verfolgen. Es ist kein Zweifel, dieArt ist einjährig, in der kalten Jahreszeit werden dieEier ge- legt, in ihr kriechen die Jungen aus, in ihr sterben die Alten. Eben so wenig wird man zweifelndürfen, wo die Jungen Frühjahr und Sommer verleben: unterirdischam Pilzmycel. In einem zwanzig- bis dreißigjährigen gleichmäßigen Fichtenbestande des Erzgebirges, wo der Boden auf weithin im tiefen Schatten kein grünes Blättchen enthielt, nur eine dicke Nadel- lage, verfolgt ich es wochenlang; wo ein Pilz herauskam, war eine Schnecke daran; sie konnte nur aus dem Boden stammen. Möglich, dass ihr in dieser Zeit kleines Gethier zum Opfer fällt; aber warum annehmen, wofür kein Grund vorliegt? Meiner Erfahrung nach werden nur Pilze gefressen, wie vom Arion subfuscus und minimus. Wenn man die Schnecke bei feuchtem Wetter an alten Buchenstämmen über 4 m hoch hinaufkriechen sieht, wenn man sie unter der Rinde antrifit, sie findet auch hier ihre Nahrung. Standgebiet ist Haide- und Nadelholz, Wechselgebiet derLaubwald; lockeresMoos und Waldstreuscheint für die Jungen Bedingung. Hat man das Thier lebend am Pilz, dann kann kein Zweifel über die Art ent- stehen, die Verwechslung mit den Agriolimaces ist ausgeschlossen, sonst könnte ‚ man jüngere Thiere wohl mit helleren Agriolimax laevis verwechseln, doch sind | bei letzteren die Ommatophoren bräunlich, beim tenellus schwärzlich. Noch häufi- | ger findet sich eine Verwechslung jüngerer einfarbiger tenellus mit gewissen hellen; ‚ oben gelbroth angehauchten Agriolimax agrestis, wo dann ohne Sektion nur die ' Sehlankheit der ersteren und die grobpolygonale Furchenbildung oder Runzelung ‚ auf dem Rücken der letzteren die Unterscheidung ermöglicht. So wie die Thiere ‚ älter oder nur halbwüchsig werden, ist der Schleim lebhaft gelb. Die Haut ist ‚ frisch sehr weich und dick, in Spiritus wird sie zart und dünn, weil ein enormer | Schleimverlust statt hat. In der Jugend fehlt, wie mir scheint, die Zeichnung durchweg völlig, bei manchen entwickelt sich überhaupt keine. Die Regel ist, dass die Schnecken, bevor sie halbwüchsig werden, jederseits auf dem Mantel eine \bräunliche oderschwarze Binde bekommen (noch sehr zart in A), die sich nachher leierartig nach vorn auf die Kapuze ausdehnt. Innen ist die Binde hell ge- ' säumt, und es entsteht ein dunkleres Zwischenfeld, in bester Ausprägung von der Form einer Sanduhr. Die Binde erstreckt sich nicht auf den Rücken, u 296 Heinrich Simroth, höchstens ganz andeutungsweise. Vielmehr ist dieser zart grau angelaufen, so dass die Farbe von oben nach unten gleichmäßig abnimmt. Es bleibt dann ein heller Kielstreifen, vorn am Mantel knopfartig breit beginnend, dann verjüngt, all- mählich wieder verbreitert und wieder verjüngt. Die Sohle ist durchweg hell. Junge Thiere haben die Schwanzspitize zart kärminroth ange- haucht (Fig. 7 A). Trotz der geringen Färbungsunterschiede lassen sich recht gute Lokalvarietäten unterscheiden; so waren drei junge Thiere ohne jede Zeich- nung aus der sächsischen Schweiz vom Königstein, eben solche, auch ältere reich- lich, vom Erzgebirge aus der Umgegend von Bienenmühle, gleich große junge mit eben beginnender Zeichnung von Harth und Bienitz bei Leipzig, von Vegesack, die gleiche Größe, aber mit scharf ausgeprägter brauner Zeichnung vom Harz; Aus- nahmen gab es unter den Lokalfarben gar nicht. Auf der Lebhaftigkeit der Zeich- nung beruht das Synonym L. cinctus, auf dem Mangel der L. flavus, der cereus geht auf die wachsgelbe Haut. Schließlich mag wieder darauf hingewiesen werden, dass nach Leyvig die Art in den Alpen besonders zahlreich, so dass, wie bei man- chen Arionen, die geographische Parallele herauskommt zwischen den Höhen der Alpen, dem Kamm der deutschen Mittelgebirge und der nord- deutschen Ebene. I. Limax maximus (Taf. VII, Fig. ı—6). Eine historisch-kritische Erörterung könnte schwanken, ob sie hier den Namen L. maximus von Liınn£ oder Ferussac enilehnen oder zum cinereus Lister zurückgreifen solle. Wenn der Letztere das Recht der Priorität bei guter Sicherheit der Bestimmung für sich hat, ist doch die Masse verschiedenartiger und oft greller und grellster Tinten mit der Lister’schen Sonderbezeichnung kaum verträglich, und es erscheint ge- boten, einen koloristisch indifferenten Namen zu wählen, und da ist maximus der treffendste. Es bleibt nur fraglich, wie weit der Umfang der Species zu nehmen ist. Von den Arten, die WESTERLUND aus Europa aufzählt (73), glaube ich etwa 15 hierher rechnen zu müssen, in Italien leben nach Lessona und Porzoxeri (44) 141 Species mit zahlreichen Unter- und Abarten, die ich sämmtlich meine vereinigen zu sollen. Wollte man die deutschen Färbungen alle nach ihren Feinheiten be- nennen und die jugendlichen Abänderungen dazu nehmen, die Zahl würde Legion. Unter den Formen, die ich in der Anatomie angegeben (s. o.), fungiren, wie der Kenner sieht, ziemlich die größten Extreme zwischen Schwarz, Gelb, Roth und Weiß, so dass mir ein anatomisches Urtheil wohl zusteht. Wenn der innere Körperbau bei solcher äußeren Verschiedenheit derselbe ist, so bleibt zu erweisen, dass wirklich zwi- schen allen jenen Lokalformen ein verwandtschaftlicher Zusammenhang besteht in so weit, dass die eine aus der anderen geradezu herausge- | züchtet werden kann. Oder es möchte der umgekehrte Fall eintreten, Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 297 es wären die klimatischen Formen bereits so weit gefestigt, dass eine wesentliche Abänderung wenigstens innerhalb weniger Generationen nicht mehr sich erzielen ließe, — und die behauptete Arteinheit würde hinfällig. So viel ist klar, es ist hier bereits eine solche Masse von ver- schiedenartigstem Wechsel aufgefunden und bekannt gemacht, dass der Forscher zu einer planmäßigen Untersuchung der Abänderungsursachen förmlich herausgefordert wird. War ich auch nicht im Stande, bei dem völligen Mangel der Art in unseren Auewaldungen eine durchdringende Klarheit mir zu verschaffen, so genügen doch eine Anzahl von Einzel- beobachtungen, zu zeigen, was hier ein genaues Lokalstudium, das sich auf den kleinsten Bezirk und die begrenzteste Züchtung beschränkte, zu leisten vermöchte. Möchte doch namentlich in den überreichen Südabhängen der Alpen dieses hochinteressante biologische Problem endgültige Würdigung und Lösung finden! Um zunächst für die Beurtheilung der meteorischen Einflüsse eine Unterlage zu gewinnen, wird es dienlich sein, die Lebensweise und Lebensdauer womög- lich zu ermitteln. Von den Thieren, die in Kellern leben (cinereus s. str.), kennt man den Appetit nach allerlei Esswaaren, Mehl, Brot, Früchten ete., selbst nach Schnecken. Dem widerspricht nicht, dass sie an den feuchtdunklen Orten Pilzmy- celien im reichsten Maße finden. Die freilebenden cinereoniger, die LEBMANN bei vorwiegend räuberischem Naturell auch Pflanzenkost genießen lässt, sind entschieden Mycophagen. Nie ist der Darminhalt, nie der Alkohol grün, chlorophylihaltige Kräuter werden verschmäht. Hofft man dagegen in einem Walde, der die Schnecken nur spärlich enthält, noch die eine oder andere zu er- beuten, muss man sich an die Pilze halten; die jungen trifft man ausschließlich dort oder in der unmittelbaren Nähe. Eben so, — das ist die gewöhnliche Angabe —, sind alte Baumstümpfe beliebteste Aufenthaltsorte, wo sie zwischen Rinde und Holz willkommene Verstecke finden; aber es ist nicht nur die feuchtgeschützte Stelle, die ihnen zusagt, sie fressen geradezu den schwärzlichen, pilzreichen Moder, wie ich im Freien beobachtete. Entsprechend ist die im kurzen Mastdarm geformte länglich zugespitzte Losung, der der Mäuse ähnlich, weißlich oder dunkel schwärz- lich gefärbt. Wenn gelegentlich ein zertretener Kamerad verschlungen wird, stimmt es mit der allgemeinen Nahrung. Mag nun auch ein cinereus im Keller ein so saftiges Gemüse angehen, wie Biumenkohl etwa, Pilze sind das ursprüngliche Futter, das durch besonders nahrstoffreiche Substanzen, zucker- und mehlhaltige Vegetabilien oder Fleisch ersetzt werden kann. | Schwieriger erscheint es, die Lebensdauer festzustellen. LEHMANN fand in Pommern eine doppelte Fortpflanzungszeit, der erste Wurf fällt im Sommer, der zweite im Herbst; die jungen vom ersten sind im Herbst bereits 5 cm lang. Da- bei wäre nur zu konstatiren, ob die alten überwintern. LEHMANN sagt nichts davon, doch wird es dadurch höchst unwahrscheinlich, dass die Fortpflanzung nicht schon im Frübjahr statt hat. Hiernach wäre, wie beim tenellus, eine einjährige Lebens- Zeit anzunehmen, wobei nur festzustellen bliebe, ob dasselbe Individuum mehr- mals Eier legt oder nach dem ersten Fortpflanzungsgeschäft zu Grunde geht, so dass ‚ der zweite Wurf von zurückgebliebenen Thieren stammte. Darüber kann ich nichts beibringen. Auch gilt hier noch mehr als beim A. empiricorum schärfste lokale 298 | Heinrich Simroth, Beobachtung, da veränderte Bedingungen auch die normale Entwicklung außer- ordentlich zu verschieben und zu trüben scheinen. In der Niederlausitz waren im Haidewalde der Ebene, also auf dem Pommerschen am meisten entsprechenden Terrain, Anfang Oktober sehr viele ganz junge zu finden, so wie eine Mittelgröße, gestreckt bis 7 und 8 cm, nur einmal noch ein erwachsener. Das würde genau mit Leamann’s Angaben stimmen. Hier bei Leipzig beschränkt sich die Schnecke auf die Harth, den öfters erwähnten Haidewald auf sandigem Lössboden, so dass eigentlich eine treffliche Isolation die Beobachtung unterstützt. Hier wurden gefunden Ende Oktober ganz kleine und !/;- bis 1/a,-wüchsige, im März und April dieselben Größen, die kleinen nur ein wenig gewachsen, Mitte Juni halbwüchsige bis erwachsene. Auch diese Reihe spricht entschieden für die Einjährigkeit. Völlige Verwirrung dagegen brachten die Sammlungen vom Erzgebirge von Mitte Juli bis Mitte August, von etwa 500 bis 1000 m Meereshöhe. Hier gab es alle Größen von der eben aus- geschlüpften Schnecke bis zur erwachsenen, ja alle Stufen waren anscheinend in gleicher Anzahl vertreten. Höchstens ergiebt eine genaue Sonderung, dass von den höheren Stellen, über 850 m, keine über halbwüchsig waren, während an den tieferen (bei Bienenmühle so wie in den Schluchten des südlichen böhmischen Ab- hanges) die erwachsenen vorwogen. Doch wäre es voreilig, hier Schlüsse zu machen, ehe man jeden einzelnen Abhang genau auf die Größenverhältnisse und womöglich auf seinen Bestand in den verschiedenen Jahreszeiten inventarisirt hat, Eben so aber muss man sich verwahren vor einer Methode, welche aus solch bun- tem Gemenge sofort einen Einwurf herleiten wollte gegen die Resultate, die an an- deren besser bekannten Stellen deutlich gewonnen wurden. Bei Schnecken, die sich an die stete Gleichmäßigkeit des Kellers gewöhnt haben, wird man eine scharfe Abhängigkeit von der Jahreszeit kaum erwarten dürfen, und die Beobachtung des cinereus scheint von vorn herein wenig Aussicht zu bieten, ihr Lebensalter zu eruiren, Und so muss zunächst das Facit genügen, dass da, wo eine genauere Kon- trolle unter günstigen Verhältnissen stattgefunden hat, die Lebensdauer Sich auf ein Jahr zu beschränken scheint, und zwar fällt dieJugend der Hauptsache nachin die kälteren Monde. Ent- sprechend machen sich die Witterungsverhältnisse bei den frei- lebenden Formen geltend. Diese sind naturgemäß dem größten Wechsel ausgesetzt, daher keine Gruppe so stark variirt als die des cinereoniger. Entwicklung und Formenkreis desL. cinereonigerin Deutschland. Fast alle Beobachter stimmen über den bunten Wech- sel der Jungen überein, und wenn GoLpruss angiebt: »junge Exemplare zeigten eine einfache dunkelgraue Färbung und keine Spur der Zeich- nung ersterer Art«, des cinereus nämlich (43), so ist das nur ein Beweis für sehr verfrühte Ausfärbung in seinem Untersuchungsgebiet. Im All- gemeinen sind die jungen bekanntlich, um jetzt den vollständigsten und komplicirtesten Entwicklungsgang zu besprechen, heil und von oben her allmählich abklingend, karminroth, ins Ockerige und Bräunliche, übergossen. Es will zu Anfang scheinen, als beruhe das Grau- oder Braunroth nicht auf zwei Farbstoffen, sondern auf einem einzigen, der sich erst mit der Zeit in die zwei zerlegt, den dunklen braunen bis Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten, 299 schwarzen, und den helleren, rothen, ockerigen, hellgelben, auch wohl ganz verblassenden. Auf solchem ganz gleichmäßigen Grunde zieht jederseits in der Höhe des Sinus eine dunkel braunrothe, scharf be- srenzte Binde über den Rücken, die sich auf den Mantel fortsetzt, höch- stens ganz schwach leierartig, vielmehr gerade nach vorn ziehend, in der vorderen Hälfte allmählich verwischt. Es ist offenbar die Binde der Arionen, die ich als Stammbinde bezeichne. Die Variabilität dieser kleinen Thiere nach Fundorten und Individuen ist gering und bezieht sich auf die mattere oder lebhaftere Röthung des Grundes und auf die Breite und Dunkelung der Binde, letztere schwanken am meisten. Dem- nächst tritt eine weitere Scheidung des Pigmentes ein, indem die Stamm- binde zu beiden Seiten einen hellen Streifen erhält (Fig. 1 A und 2 B) (es ist, als ob sich das dunklere Pigment auf die Stammbinde koncen- trirte, wie man denn durchweg auch da, wo ein dunkler Fleck entsteht, eine solche Kontraktion des Farbstoffes wahrnimmt an einem helleren, den Fleck umgebenden Hof, der zur Belebung des Kolorits nicht un- wesentlich beiträgt und namentlich von Pını am L. punctulatus, 52, Taf. B, Fig. 1 trefilich dargestellt ist). Die schärfere Trennung des Pig- mentes äußert sich weiter darin, dass oben auf der Mitte gleichfalls ein heller Kielstreif sich abhebt, so dass nun zwischen Medianlinie und Stammbinde sich jederseits eine Anfangs schwach dunklere Binde, die innere Binde, bemerkbar macht. Ähnlich, wenn auch meist schwächer, lagert sich entlang dem unteren hellen Begleitstreifen der - Stammbinde das dunkle Pigment in einer äußeren Bindean. Nach unten verschwimmt sie meist, oder wenn sie sich aus dem immer grauer werdenden Seitenfelde deutlich abhebt, geschieht es nur selten ‘ durch einen neuen helleren Saum, der daher vernachlässigt werden mag. Bezeichnen wir also, nach willkürlicher Übereinkunft, die dunkeln Linien als Binden, die hellen als Streifen, dann erhalten wir jederseits folgenden Wechsel von oben nach unten: Kielstreifen, innere Binde, innerer Streifen, Stammbinde, äußerer Streifen, ‚äußere Binde, selten noch von einem unteren Streifen begrenzt, am ı ganzen Thiere sechs Binden, durch fünf Streifen getrennt. Es möchte zur Unterscheidung gut sein, die einfache Stammbinde über Rücken und Mantel die Steammzeichnung, die vielfache Streifung aber die ‚Streifenzeichnung oder Bänderung schlechthin zu nennen. — \ Die allgemeinste Folge der Winterkälte scheint die zu sein, dass sie das ‚Roth in Ocker- und Hellgelb überführt oder ganz auslöscht, nach dem- |selben Gesetze, wonach beim Arion die Wärme das Orangeroth be- ‚günstigt. Entsprechend fand ich halbwüchsige Tbiere in der Harth im Oktober sowohl als im Juni noch mit schwach rothem Schein. Auffällig Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. Bd. XLIL 20 300 | Heinrich Simroth, aber war es, dass sich die lebhafteren Farben bei den Thieren von des Erzgebirges höheren Höhen besonders gut erhalten hatten, zum min- desten waren viele halbwüchsige Thiere vom Juli und August, Thiere, die höchst wahrscheinlich überwintert hatten, ja ‘ein erwachsenes (Fig. 5 E), noch stark röthlich, bräunlich, ockerig übergossen, da doch sonst diese Töne in den deutschen Faunen nicht angegeben werden. Die Ursache ist erst noch durch lokale Beobachtung wenigstens während eines Jahres festzustellen. — Die weitere Umfärbung vollzieht sich durch Dunkelung, zunächst in den Binden. War bis jetzt die Stammbinde die lebhafteste, so dunkelt nunmehr die innere am meisten, wie überhaupt die Dunkelung vom Rücken nach unten vor- schreitet. Ähnlich am Mantel, wo die Stammbinde bald im gedunkel- ten Felde verschwindet. Dabei kann die Dunkelung allmählich und gleichmäßig fortschreiten durch Übertuschen des ganzen Thieres von oben her, oder sie vollzieht sich sprungweise durch weitere Zeichnung; doch soll diese nachher besprochen werden. Wenn schließlich das Pig- ment die Randsohle mit ergriffen hat, so haben wir im höchsten Falle ein ganz schwarzes Thier mit weißer Mittelsohle, — grellweiß nur ist noch der Körper unter der Mantelkapuze, zum sicheren Beweis, wie die Atmosphärilien allein ohne inneren Impuls die Haut verändern. — Die- selbe dunkle Form kann aber auch sprungweise erreicht werden durch weitere Zeichnung, wie etwa ein Rappe ein ursprünglich einfarbiges Pferd oder ein gedunkelter Apfelschimmel sein kann. — Wiederum mag die Zeichnung einen doppelten Weg einschlagen, so dass in der einen Richtung die Binden kräftig dunkeln, sich ausbreiten und sich durch Querbrücken mit einander verbinden, — dann entsteht, durch Pig- mentausbreitung, ein dunkles Thier mit aufgelösten, in kurze Linien oder Punkte getheilten Streifen, von denen auch wohl nur der eine, innere oder äußere, in Resten sichtbar bleibt; in gleicher Weise wird auch die Kiellinie in ihrer vorderen Hälfte zertheilt, während die hintere, der eigentliche, durch festere Verschmelzung der Runzeln ent- standene Kiel die eine Ausnahme macht und durchweg der Dunkelung am längsten widersteht. Die zweite Art, eine Zeichnung auszubilden, besteht, wenn auch von der ersten, der Pigmentausbreitung, nicht grundsätzlich verschieden, doch mehr in der Pigmentkoncentra- tion. Erzeugt die Pigmentausbreitung helle Flecken, so kommen durch die Koncentration vorwiegend die dunkeln zu Stande. Ihr Gang ist im Allgemeinen ein postero-anteriorer, oder genauer ein centripetaler, wenn man etwa die Herzgegend oder den hinteren Theil des Mantels als | Mittelpunkt nimmt. Der Farbstoff zieht sich zunächst ringsum an den | Seiten, nach außen und unten von den äußeren Streifen, oder rings am Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 301 vorderen und seitlichen Schildrande zusammen in der Weise, dass er bald ein dunkleres Netz mit helleren Punkten, bald dunkle Punkte auf hellerem Grunde bildet; die letztere Zeichnung ist die höhere Stufe und bildet sich aus dem dunkeln Netz durch Reißen der Verbindungs- brücken zwischen den dunkeln Punkten. Das zeigt sich auch in der Intensität des Farbstoffes; denn so lange die Zeichnung netzartig bleibt, hält sie viel häufiger ein mittleres Grau ein, während die geschlossenen Tupfen viel dunkler werden. Sodann aber ergreift die Koncentration die Binden, und zwar, nach dem früheren Gesetz, dass die Dunkelung vom Rücken her vorschreitet, und nach dem ferneren, dass die Koncen- tration centripetal wirkt, zunächst die innere Binde von hinten her. Sie wird erst in ihrer hinteren Hälfte etwas blasser und erhält dafür eine Reihe tief schwarzer Punkte, oder sie löst sich in schärfster Koncentra- tion in toto bis vorn zum Mantel in lauter einzelne kurze Striche und Tupfen auf, und wie die Binde überhaupt nach vorn etwas breiter wird, der Körperform gemäß, so theilt sich die hinten einfache Fleckenreihe nach vorn in eine doppelte und dreifache, oder es liegen doch im Raume derselben inneren Binde oft vorn mehrere dunkle Flecken unregelmäßig neben einander. — Seltener als die innere wird auch die in Deutsch- land mehr zurücktretende Stammbinde ähnlich durch Pigmentkoncentra- tion gegliederi, am seltensten die äußere. Schließlich kann auch dieser Weg durch Vergrößerung der Flecken und sekundäre Verschmelzung wiederum zu demselben Resultate führen, wie die einfache Dunkelung, zu einfarbig schwarzen Thieren mit oder ohne hellen Kiel. Ja, wenn die Fleckung intensiver die Jungen ergreift, kann man mit einiger "Sicherheit darauf rechnen, dass bereits die halbwüchsigen einfarbig ‚ werden, wahrscheinlich eine Folge des Klimas, da durch kräftigen , Wechsel der Temperatur Pigmentkoncentration erzeugt und durch den- selben Einfluss bald zu allgemeiner Intensität gesteigert werden dürfte. \ Das postero-anteriore Fortschreiten der Pigmentirung, wie es sich in | der Koncentration der Binden ausspricht, tritt eben so in dem durch- schnitilich besonders dunkeln Körperende überhaupt hervor, wie in | ‚ der Sohle, in welcher mindestens immer die hintere Hälfte der Rand- \ oder Betsehfelder einen nach hinten zunehmenden Schatten erkennen ‚ lassen. Damit dürften die Momente, welche die Zeichnung bedingen, er- ‚ schöpft sein. Sie lassen sich kurz folgendermaßen rekapituliren : a) Abblassung des rothen Pigmentes in Ocker- oder Schwefelgelb, oder völliges Auslöschen. b) Stammbinde. c) Bänderung. 20* 302 Heinrich Simroth, d) Allgemeine Dunkelung, namentlich vom Rücken her nach unten. Ende: Einfarbigkeit. e) Pigmentausbreitung, die hellen Streifen zerschneidend. Ende: Einfarbigkeit. : f) Pigmentkoncentration, die dunkeln Binden in Flecken auflösend, den Mantel betupfend, centripetal wirkend. Ende: Einfarbigkeit. a und d halte ich ohne Weiteres für Folgen unseres rauheren Winters. b dürfte, wie bei den Arionen, im einfachsten Sinne eine innere konstitutionelle Ursache haben, den Blutsinus nämlich. c dürfte (zusammen mit f) dem im Thierreiche sehr allgemein wirksamen und in neuerer und neuester Zeit durch Emer namentlich verfolgten Färbungs- sesetze zuzuschreiben sein; e und f, die den größten Wechsel in der Zeichnung veranlassen, scheinen am meisten vom Witterungswechsel abzuhängen. Der letztere Satz bedarf des Beweises, der nachher er- bracht werden soll. Eine Folge aber unseres Klimas, das die Schnecken mehr und mehr der Einfarbigkeit zutreibt, dürfte auch der stete Mangel der Mantelbinde bei erwachsenen im Freien sein, sie erhält sich nicht über die Haibwüchsigkeit hinaus. Die Sohle bestimmt sich nach d und f, nach d färbt sie sich zuletzt, nach f von hinten her. — Innerhalb der angedeuteten durch unser Klima gesetzten Grenzen können sich nun in unserem Vaterlande sämmtliche Modifikationen und Kombinationen, die sich aus jenen Gesetzen ergeben, vorfinden. Es ist klar, dass die bun- ten und gebänderten Formen mehr unter der Jugend, die gefleckten und einfarbigen, grauen und schwarzen mehr unter dem Alter zu finden sind. Ausnahmen von den Regeln sind mir nicht vorgekommen. Dunkle Einfarbigkeit muss im Allgemeinen als letzte und höchste Stufe gelten, alle übrigen als konservirte Jugendzustände, in den gestreiften sind die jüngsten, in den gefleckten die mittleren und späteren Zwischenstufen erhalten. Welches sind die Ursachen der Erhaltung”? Ich sagte bereits, dass Wechsel der Bedingungen, zumal der Temperatur, geeignet sein müsse, Wechsel der Zeichnung, Fleckung zu erzeugen, Gleichmaß da- gegen die einfache Bänderung zu erhalten. Im Erzgebirge bei Bienen- mühle war es auffallend, in der Moosstreu des dichten Fichtenwaldes durchweg eine gleichmäßig dunkel- bis schwarzgraue erwachsene Form zu finden, an der noch überall, wenn auch als schwacher Schimmer und in Alkohol meist nicht mehr sichtbar, die Stammbinde des Rückens ohne Streifen hervortrat, erzeugt nach der Kombination a, b, d; unter vielen | derartigen fanden sich zwei Albinos (uneigentliche, da sie schwarze | Augen hatten), bei denen aber der aufmerksame Blick doch noch, | namentlich gegen das Hinterende, einen zart grauen Schatten als deut- lichen Rest der Stammbinde entdeckte. Unter den jungen herrscht die Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 303 bräunliche Bänderung c, besonders aber die kräftige Stammzeichnung b vor, sie war unter dem Schutzdache des Nadelwaldes erhalten, aber unter dem Einflusse von a, Auslöschen des Roth, und mehr oder weniger von d, allgemeiner Dunkelung, die indess auch fehlen konnte, abgeändert. Dieselben Waldungen hatten größere Lichtungen, mit einzelnen Buchen, einigem Unterholz und alten Stumpen;; diese Stellen, viel mehr den Ein- flüssen der Witterung, Wind und Sonne ausgesetzt, ließen Schnecken finden, die kräftiger gedunkelt, unter dem Einflusse von e, einfarbig - waren, aber inneren und äußeren Streifen als je eine Reihe weißgelber Punkte und Striche bewahrten, also kräftige Zeichnung als Folge von Temperaturwechsel. So ließen sich in engem Gebiete die lokalen choro- logischen Einflüsse verfolgen. Gekrönt aber wurde solches Bestreben durch ein Thier, das ich, da in Deutschland derartiges wohl noch nicht beschrieben wurde, in Fig. 5 E abgebildet habe: Sohle hell weißlich, Seiten hell; Kielstreifen hell; innere und Stammbinde deutlich erhalten, bräunlich, eben so der Mantel, dessen heller Rand bräunliche Punkte hat (Athemloch dunkel gesäumt), Körperende seitlich besonders dunkel, das Thier oben mit schwachem Roth und Ocker! übergossen, wie es sonst erwachsenen fehlt, Kiel schwefelgelb. Dieses Thier, zwischen lauter einfarbigen schwarzen und schwärzlichen oder nur schwach mit Streifen versehenen, würde nach gewöhnlicher Praxis ganz bestimmt zur Auf- stellung einer neuen Art Veranlassung gegeben haben, hier war nicht daran zu denken. Wo fand ich's? Unter der dicken Rinde eines unge- heuren Buchenstumpen. Der Baum war ungefähr I m hoch abgehauen. Im Stumpf wurde die Lücke zwischen Holz und Rinde von einer 1 bis 2 cm dicken hellen Mulmschicht ausgefüllt, mitten in welcher die Schnecke saß. Ich habe von sämmtlichen Buchenstumpen, deren auf der Lichtung noch eine größere Anzahl stand, die Rinde abgesprengt, die Lichtung bei Tag und Abend und Regenwetter begangen und noch viele gewöhnliche, doch kein derartiges Exemplar mehr gefunden. Ich bin überzeugt, dass es sein Leben lang den dicken Pilzmulm des Wohn- 'Taumes noch nicht verlassen hatte und erst zum Zwecke der CGopula ver- lassen haben würde, kurz, dass es ein allerlokalstes Züchtungsprodukt seines Wohnortes, des Buchenstumpen, ist, der die jugendliche Bände- rung mit einem guten Theile des Roth ohne jede weitere Umfärbung durch seine gleichmäßige Wärme bis ins Alter erhalten hat, — war doch der vorige Winter 1883/84 besonders milde. | Künftige Züchtung, die mit den ganz jungen rothen Thieren im ' Herbst einsetzt und nur wegen der frischen Pilznahrung besondere Schwierigkeiten hat, muss untersuchen, in wie weit sich etwa das Roth ! Roth und Ocker müssten in der Figur ziemlich lebhafter sein. 304 Heinrich Simroth, auch bei uns konserviren lässt. Wie weit gleichmäßige Wärme helle Formen stabil macht, lehrten zwei junge Thiere, im März in der Harth gefangen; das eine kleinere (Fig. 3 C) hat bei ausgelöschtem oder stark verblasstem Roth noch deutlich die Stammbinde, das andere, fast halb- wüchsig, gestreckt bis 7 und 8 cm, ist noch heller und die Stammbinde bis auf das Hinterende wolkig verschwommen, in der Zeichnung auf- fallend genau wie ein von Leydie freundlichst mitgetheiltes großes Exem- plar seines L. montanus von Südtirol. Beide jungen Thiere waren nach zweimonatlicher Gefangenschaft im Glase völlig unverändert. Gegen die Gültigkeit des Beweises könnte höchstens angeführt werden, dass sie fast gar nicht zugenommen hatten, da doch bei den Arionen die Um- färbung hauptsächlich mit dem Wachsthum zusammen erfolgt. Immer- hin muss eine derartige Stabilität der Stammzeichnung in der Wärme auffallen. Und in der That, wenn man die völlige Übereinstimmung jenes halbwüchsigen Thieres mit dem montanus Leydig oder engadinen- sis Heynemann bedenkt, mit derselben wolkigen Verschwommenheit der Stammbinde, wobei der letztere nur eine ganz geringe Graufärbung der Sohlenleiste voraus hatte, dann muss man diese Art für einen cinereo- niger halten, dessen Roth durch die Winterkälte ausgelöscht und dessen verschwindende Stammbinde durch einen gleichmäßig warmen Frühling oder Sommer der betreffenden südlichen Alpenabhänge stabil erhalten wurde. Die genaue Prüfung des Aufenthaltsortes muss das Entscheidende lehren. Große Ähnlichkeit aber hatten mit diesem montanus auch jene erwähnten Halbalbinos aus dem Fichtenwalde vom Erzgebirge, bei denen die wolkige Verschwommenheit der Stammbinde nur noch mehr zuge- nommen hatte. Die Geschwister der beiden jungen Züchtungsbeständigen aus der Harih waren im Freien inzwischen umgefärbt und gewachsen. Ihre Färbungen finden sich von Leunann (37) geschildert als Färbung 4 bis 8, die man leicht auf meine Beschreibungen beziehen kann in folgen- der Weise: Form 4. Aschgrau. Kiel und Rückenlinie gelb; daran schwarzes Fleckenband, dann helles Band, dann schwarzes Längsband. Schle seit- lich aschgrau, Mitte weißgelb; — d.h. innere und Stammbinde, innerer Streif erhalten, erste in Flecken aufgelöst nach f. | ‚Form 5. Eben so, das untere Längsband in Flecken aufgelöst; — d. h. die Pigmentkoncentration f hat auch die Stammbinde ergriffen. Form 6. Eben so. Untere Längsbinde fehlt; — d. h. von den Binden ist nur die innere erhalten nach d, wonach die Dunkelung von oben her fortschreitet und besteht. | Form 7. Eben so, stärker gedunkelt, so dass die Sohle schwarz | und weiß. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 305 Form 8. Weißgrau mit grünlichem Schleim, zwei schwarzen, unterbrochenen Streifen, die Sohle weißgrau ohne deutliche Felder; — d. h. eine Form wie 4, 5 oder 6, wo das Roth nicht ganz ausgelöscht, sondern zu schwefelgelb abgeblasst ist, das nun mit dem Schwarz grün- lich schimmert. — Nach meinen Erfahrungen sind alle diese halbge- dunkelten Formen mehr auf die Ebene beschränkt, auf den Haidewald, ohne dass ich damit ein Präjudiz für andere Gegenden aufstellen möchte. Leumann’s Formen 1 bis 3 enthalten die stärkere Dunkelung. Form 4. Tiefschwarz, Sohle grau oder schwarz, Mitte weiß. Form 2. Eben so mit gelbem Rücken- und Kielstreifen. Form 3. Wie die vorige‘, jederseits am Rücken ein gelber oder grauer Streif, der dem inneren Streifen entspricht. Frühjahrsjunge von Vegesack waren kaum auf das doppelte Maß der allerersten Jugend herangewachsen, also in Alkohol etwa 1 cm, be- reits So wie LEHMAnN’S Form 3, fast schwarz, natürlich die Sohle noch hell, und eben so der Mantelrand und unten die Seiten noch etwas maschig fleckig. Sie wären binnen Kurzem völlig einfarbig schwarz, wie die, welche Gorpruss fand. Dieselben Formen, oft Mantel und Seiten noch mehr gefleckt, auch mit schwarzen Punkten, fanden sich viel größer, bis 3 cm in Alkohol, am Königstein in der sächsischen Schweiz, dabei gerade so lebhaft schwärzlich gebändert, mit vier hellen Streifen, zum Theil Fleckenauflösung der Binden ; zu dieser Serie gehörte das Thier, das einem thüringischen (Fig. 4 D) glich, im Leben 2 bis 3 cm, ockerig noch ; mit allen Binden, auch der Stammbinde des Mantels. Damit mögen der ‘ Schilderungen genug sein; sie ließen sich erheblich vermehren. | Entwicklungskreis descinereusin Deutschland. Jene ‚ strengste Lokalform vom Erzgebirge (Fig. 5 E) würde, wenn man nicht ‚ eine besondere Art aufstellen wollte, nach den allgemeinen Definitionen als cinereus zu gelten haben, denn die Sohle, ja die Seiten sind ent- ‚ schieden ohne Schwarz, so gut als der Mantelsaum, der nach der Mitte ' zu überdies dunkle, wenn auch kleine Tupfen bekommt. Dem Vor- "kommen nach konnte das vereinzelte Thier nur zum cinereoniger ge- rechnet werden. Auch sehen die anderen gewöhnlichen cinereus, verschieden unter einander, doch ganz anders aus. Diese Keller- ‚sehnecke, die nur selten im Walde, viel mehr in der Nähe der Gebäude ‚vorkommt, hat stets auf dem Rücken alle Bänder und Streifen mehr ‚oder weniger deutlich, der Mantel aber hat ziemlich feine schwarze IE nen. die Sohle ist immer hell. So weit die Übereinstimmung, wenn \man nicht den ziemlich wechselnden unicolor Heynemann dazu rechnet, "wozu manche Autoren, z. B. BorcHErvding, nach der allgemeinen Körper- ‚ähnlichkeit sich bewogen finden. Eine Trennung ist aber zwischen H 306 Heinrich Simroth, beiden um so weniger möglich, als auch der unicolor mit lebhaft geflecktem Mantel, dem eigentlichen cinereus-Kennzeichen (da die übrigen Färbungscharaktere dem cinereoniger entlehnt sind), vorkommt. Dann aber erhalten wir die Färbung von aller Fleckung fortschreitend bis zur völligen grauen, ja schwärzlichen Einfarbigkeit, nur mit ganz weißer Sohle. Man sieht: der Färbung nach reine Jugendformen des cinereoniger, denen, mögen sie alle Stufen durchlaufen, doch noch der letzte Stempel der Ausfärbung, die dunkle Randsohle, fehlt. Nichts ist leichter, als diesen Mangel auf den Aufenthalt in Kellern, Brunnen, Speichern oder doch tief versteckt im Laube der Gärten zurückzuführen ; überall fehlt die volle Einwirkung der freien Atmosphärilien, der küh- len Frühlingsnächte etc., so dass niemals des Kleides letzter Zipfel, der ihrer bedarf, gefärbt werden kann. Die Beobachter machen aber den- noch gegen solche Vermengung der Formen ein Mehrfaches geltend: eine größere Zartheit der Haut mit leicht geschlängelten Runzeln, einen Unterschied in der Radula, in so fern als die Nebenspitze der Seiten- zähne erst weiter außerhalb einsetzt, also ebenfalls eine gewisse Zart- heit oder Schlankheit der Bezahnung, und drittens einen Unterschied im Betragen. So schreibt mir Herr GEurs, dass cinereoniger und cine- reus, in demselben Käfig gehalten, sich recht abweichend geriren; cinereoniger verlässt nach der Mahlzeit den Fressnapf, in den sich der {faule cinereus hineinlegt. Ich glaube, gerade die Umkehr liefert die Er- klärung. Überfluss der Nahrung an demselben Ort, im Speicher oder an gleichmäßig feuchter, moderiger Waldstelle, wie bei dem Thiere Fig. 5 E der Buchenmoder, entwöhnt die Schnecke der Bewegung und macht sie träge zur Ortsveränderung, mit der Bewegung fällt der Ein- fluss der frischen Luft weg, mit dieser die Ausfärbung nicht nur, son- dern die Kräftigung der Haut zu derben Runzeln, wie denn bei A. em- piricorum die schärfsten Kielrunzeln auch den dunklen Kälteformen zukamen, mit der Zartheit der Haut aber steht die Schlankheit der ° Radulazähne, gleichfalls eines Ektodermgebildes, in direkter Korrela- tion; es ist wohl unnöthig, den Streit zwischen HEynEmanNn und LEHMANN über die Radula von Neuem zu detailliren. Dass die Runzeln in der % Zahl nicht abweichen, wurde durch Zählung von der Kiellinie hinter © dem Mantel bis zur Sohlenleiste gerade herunter festgestellt. Und nun zur Färbung im Einzelnen! Beikeiner Form des cinereoniger ist der röthliche Ton so stark bis ins Alter erhalten, als beim cinereus. Schweizer Exemplare haben ihn besonders lebhaft, weniger Hannovera- , Breslauern fehli er; war doch schon die ursprüngliche älteste Figur one grau kolorirt en): das Roth kann sich häufig erhalten, weil es, dem Aufenthalte gemäß, durch die Winterkälte nicht ausgelöscht wird. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 307 Die Bänderung des Rückens wechselt nicht unerheblich. Im Allgemeinen pflegt die Stammbinde gleichmäßig breit grau zu bestehen, der Bereich der äußeren Binde bis zur Sohlenleiste herab ist durch schwache Pig- mentkoncentration f maschig oder hell- und graufleckig. Die innere Binde unterliegt gewöhnlich zumeist der Auflösung in Flecken und Striche, so dass noch ein grauer Grund bleibt und die Punktreihen in derselben nach vorn divergiren. Eben so machen sich innerhalb der grauen Stammbinde mehr oder weniger dunkle Punkte bemerklich. Zum mindesten pflegen Kiel und innerer Streifen erhalten zu sein. Der Mantel hat entweder durch schwache Koncentration nur am Rande und in der Vorderhälfte maschige Zeichnung mit spärlichen hellen Stellen im hinteren Theile und ist im Übrigen schwärzlich, oder es treten auf maschig-grauem Grunde durch weitere Koncentration allerlei kleinere und größere schwarze Punkte hervor; dabei kann es kommen, dass auch noch die Stammbinde grau sich abhebt oder namentlich im hinteren Theile durch einen recht lebhaften weißen inneren Streifen begrenzt wird. Die centripetale Richtung dieser Pigmentkoncentration, die sich hier überall kund giebt, wird besonders deutlich bei manchen unicolor. Ist dieses Thier, eine Lokalform von Frankfurt a. M., selten aus Böhmen (Cizssın), aus Dänemark (Westerrunn) und Norddeutschland (BorcuEr- pıng), im Allgemeinen einfarbig grau bis schwarz, so kommen doch Exemplare vor, wie ich Herrn Börtger eins verdanke, Exemplare, die auf dem vorderen Mantelrande etwa ein halbes Dutzend große schwarze Tupfen mit hellerem Hof tragen, so wie ferner einige schwächere Flecken auf der hinteren Mantelhälfte und dem Rücken. — Die ganz jungen Formen, wenn ich sie nicht als cinereoniger unbewusst mit erhalten habe, konnte ich nicht bekommen, halbwüchsige gleichen bereits im Ganzen den alten, woraus die Retention des Kolorits am besten erhellt. Pfingsten 1882 aber hatte ich eine Serie halbwüchsiger vom Königstein, von denen ich einige erwähnte (s. o.), mit allen Cinereusmerkmalen, doch waren einige darunter bereits so weit gedunkelt, dass die Zuge- hörigkeit zur freien Cinereonigerform zweifellos. Dies Jahr, 1884, kam zu Pfingsten von derselben Stelle wieder ein gut halbwüchsiger, bei dem es unmöglich ist zu entscheiden, was aus ihm wird, ein cinereus ‚ oder ein cinereoniger. Bis jetzt ist es ein cinereus in Alkohol. Wenn . so die beiden Formen durchaus verfließen, deutet der reiche Wechsel in der Färbung darauf hin, dass die verschiedenen Vorkommnisse des - einereus nicht einmal unter einander in direkter Blutsverwandtschaft ' stehen, sondern dass sie überall örtlich wieder von den gemeinen einereoniger abstammen. Damit steht im Einklang das Fehlen des ' cinereus in den Kellern von Gegenden, wo im Freien der cinereoniger 308 Heinrich Simroth, fehlt; wenigstens kenne ich keine Ausnahme, die immerhin vielleicht erklärlich wäre; hier in und um Leipzig unmittelbar fehlen beide, wie- wohl der L. variegatus viele Keller bewohnt. — Eine Inkonsequenz war es wohl, wenn Pını (52) die beiden oberitalienischen Formen L. punctu- latus Sordelli und L. psarus Bourguignat zwei verschiedenen Sektionen zutheilt, jenen der Sectio Stabilea, diesen der Sectio Opilolimax. LEssona und PorLonerA (44) bringen sie daher an den Anfang und in die Nähe des cinereus. Der mit schwarzen Flecken versehene, sonst hellgraue Mantel verweist sie zum cinereus direkt. Wer aber die Figuren bei Pınt genau verfolgt, erkennt im psarus (Taf.B, Fig.3) einen cinereus mit allen drei Binden; die innere ist in unterbrochene Linien aufgelöst und durch Seitenpunkte vorn divergirend, die Stammbinde eben so in einzelne Linien zerlegt, die äußere in einreihige und mehrfache unregelmäßige Punkte zerstreut bis zur Leiste hinab, dem Charakter dieser Binde gemäß. Beim punctulatus (ibid. Fig.2) bestehen innere und Stammbinde je aus einer Reihe großer schwarzer Tupfen, die äußere theilt sich nach vorn in eine doppelte Reihe kleinerer Punkte. Ich würde diese Ober- italiener nicht hierher stellen, wenn nicht die Leipziger Universitäts- sammlung einen sehr großen prachtvollen echten punctulatus enthielte aus Oschatz in Sachsen, leider ohne Angabe, ob Freiland- oder Keller- exemplar. Außerdeutsche Entwicklungsformen. Einige norwegi- sche Exemplare von Christiania (aus Herrn Cressw’s Sammlung) zeigen bei Drittelwuchs die einfache Stammzeichnung, bei Halbwuchs bereits sind sie schwarz ausgefärbt, wie es dem nordischen Klima entsprechen würde. Viel interessanter ist das südliche Material, vom Südabhange der Karpathen und Alpen. Vom siebenbürgischen transsylvanicus, der in vielen Varietäten bekannt wurde, ist neuerdings die Identität mit dem cinereoniger bewiesen!. Der unga- rische L. Bielzi Seibert (58) dagegen zeichnet sich durch sein lebhaftes Fleischroth aus: rothe Kiellinie, die jungen durchweg lebhafter karmoisin, als unsere einheimischen; dabei schreitet das Roth, arion- ähnlich, so weit fort, dass es in Farbdrüsen die Haut durchbricht und den Schieim färbt. Vom dunklen Pigment kann eine verwaschene | innere, es kann auch die Stammbinde erhalten sein. In Bezug auf das 1 Hierbei ist es gleichgültig, ob von einzelnen Autoren Exemplare des coeru- | lans, von anderen des maximus als transsylvanicus beschrieben wurden. Durch Herrn Cressın bekam ich einen coerulans-transsylvanicus, über Frankfurt a. M., so | wie durch Herrn vox Kımakowicz maximus-transsylvanicus. Die Hauptsache bleibt die Zurückweisung der betreffenden Art, und in unserem Falle die Gewissheit, dass Fa | in Ungarn-Siebenbürgen keine besondere Abart des maximus, die jenen Namen verdient, sich findet. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 309 Roth ist also diese südliche Form auf der höchsten Stufe angelangt, der dunkle Farbstoff dagegen ist auf der mehr jugendlichen Bänderung stehen geblieben, gemäß dem allgemeinen Gesetz, dass ein wärmeres Klima die beiden Pigmente in umgekehrtem Sinne beeinflusst; der nähere Aufenthalt ist noch zu prüfen!. Der sardinischel. Genei Lessona und Pollonera (44, Taf. I, Fig. 4) hat die größte Ähnlichkeit mit der in Fig. 4 D abgebildeten Jugendform aus Thüringen, ein gleich- mäßig ockeriger Grund zeigt auf dem Mantel noch grau die Stammbinde mit helleren Streifen, auf dem Rücken die innere Binde grau, Kiel und innerer Streif hell; wie bei manchen unicolor aber sind durch centri- petale Pigmentkoncentration auf der vorderen Mantelhälfte und im hin- teren Ende der inneren Binde eine Anzahl schwarzer Tupfen aufge- taucht; so wenig man an der Artzugehörigkeit zweifeln kann, bleibt doch noch der anatomische Beweis zu führen. — In den warmen Thälern Oberitaliens sehen wir den bunten Farbstoff lebhaft roth und gelb, den schwarzen aber, entsprechend dem Temperatur- und Schattenwechsel im zerrissenen Terrain, in allen möglichen Abstufungen. Ich untersuchte den L. corsicussubsp. Doriae var. simplex, einen gleichmäßig gedunkelten cinereoniger mit völlig rothem Grunde, “ daher die Farbe mehr ins Kastanienbraune geht, der Kiel ist grellroth, - die Mittelsohle rosa. Von derselben Art und Unterart hatte ich die var. ‘rubronotatus, eine entsprechende Form, welche beweist, dass auch die erstere Varietät aus der Bänderung durch Pigmentausbreitung e her- “ vorgegangen war, denn außer einem in ganzer Länge rothen Kielstreifen waren auch der innere und äußere Streif in ununterbrochenen Linien ‘und Punkten roth sichtbar. Genau so scheinen mir L. Taccanii Pini undL. Gualterii Pini nach den schönen Abbildungen zu beurtheilen, ausgefärbte cinereoniger mit rothem Grund, ersterer mit rothem Kiel- streifen, und wie es scheint, schwach erhaltener Stammbinde, letzterer mit rother Kiellinie, in toto erhaltenem äußeren und nur durch einzelne 1 Ein wahres Kabinetstück aus dem Biharer Gebirge, zu Herrn Hazay's Sammlung gehörig, übersandte mir derselbe inzwischen freundlichst zur Ansicht. Es ist in Fig. 6 F dargestellt. Die Zeichnung dunkelrothbraun, das ganze Thier röthlich übergossen. Alle drei Rückenbinden deutlich, dem Gesetz gemäß die äußere aufgelöst. Und wie am Rücken die Pigmentkoncentration fehlt, so auch auf dem Mantel, der gleichmäßig rothbraun ist, mit hellen Flecken, zunächst am Rande, ‚sodann mit zwei hellen Fleckenreihen, die das dunkle Mittelfeld umschließen; es ‘sind die inneren Saumstreifen der Mantelstammbinde. Hier hätte man einen wundervollen cinereus, doch ohne alle Pigmentkoncentration, da doch die schwar- zen Flecken so gern für dessen Charakteristikum genommen werden. Natürlich ‚halte ich die Form für ein lokales Züchtungsprodukt, unbekümmert darum, dass ‚sich in der Nähe gemeine cinereoniger fanden. 310 Heinrich Simroth, Punkte erhaltenem inneren Streifen. Ein prachtvoll rother cinereoniger ist der L. Villae Pini, über und über karminroth, Mantel einfarbig grau überflogen, enisprechend das Schwarz überhaupt schwach entwickelt, die innere Binde aus einer nach vorn verdoppelten Reihe von Punkt- flecken bis zum Mantel bestehend, genau so die zweite, doch centripe- tal vom Schwanzende den Mantel nicht mehr deutlich erreichend. L. Pivonae, Pavesii, Strobelii und Turatii Pini bedürfen eigent- lich keiner Erklärung, gleichmäßig mehr oder weniger gedunkelte Formen, bei deren letzterer das Roth am kräftigsten durchklingt und im Kiel grell zum Vorschein kommt. Als die höchste Entwicklung der Cinereonigerreihe mag ein oberitalienischer L. corsicus gelten, gleich- mäßig ausgefärbt, also grau übergossen und der ganze Grund lebhaft karmin. Bedenkt man, dass die Schnecke 40 cm Länge erreicht, so leistet sie wohl bei weitgehendster Durchbildung beider Pigmente (das dunkle durch die Wärme in der Intensität beschränkt) nach jeder Rich- tung das Vollendetste!. Was die Varietäten monolineatus, trilineolatus und ähnliche bedeuten, ist überflüssig zu erörtern, wie es denn nicht meine Absicht ist, alle einzelnen von den Autoren so fleißig beobachte- ten Zeichnungsänderungen im Detail aufzulösen. Es genügt der Hin- weis, welche Fülle aus einem schwefelgelben, ockerigen oder karmin- rothen Grunde und dem schwarzen Pigment, das entweder das Ganze als ein Schleier überzieht oder in den verschiedenen Mustern der Zeich- nung auftritt, kombinirt werden kann; ein schweielgelber Grund giebt dabei mit grauem Überzug den grünlichen Ton, ein ockeriger den braunen, ein röthlicher den graurothen bis kastanienbraunen und schwarzrothen. Als eine der schönsten Zusammenstellungen der Cine- reusgruppe mag noch der L. Perosinii Less. und Poll. gelten, als formosissimus mit grell rothem, als venustisissimus mit lebhaft gelbem Grunde, und wie man an der Abbildung des letzteren sieht (4%), den Mantel mit groben Tupfen bedeckt, die innere Binde am stärksten in abenteuerliche Flecken aufgelöst, schwächer die Stammbinde. Etwas näher steht der Grundform der L. Gornaliae Pini (52, Taf. A, Fig. A), die Flecken durchweg kleiner, dabei deutlich die dunkelgraue Stamm- binde erhalten, der Grund schön orange. Von den Arten, die WESTERLUND (73) noch anführt, möchte der L. erythrus Bourg. aus den Alpen bei Grande Chartreuse nach der Definition (»Corpus rufum, unicolor, clypeo nigro-maculoso, postice acuto«) eine eigene Cinereusform sein, mit einfarbigem Rücken, wie er sonst bei dieser Gruppe wohl niemals vorkommt. ! Die Formen, welche die Italiener beschreiben, gehen so sehr in einander über, ‚dass man den orangerothen Schleim des L. Dacampi auch bei den großen und bun- ten L. corsicus vermuthet. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ, Verwandten, 311 Der L. martinianus Boureg. von den Seealpen (»flavido-albus, maculis brunneis numerosis sicut trans!ucentibus et in latere utroque fascia pallide brunnea ornatus «) wird ebenfalls zur Cinereusgruppe, dem L. Cornaliae Pini nahe, zu Setzen sein. Von demselben Fundort gehört dann höchst wahrscheinlich trotz der geringen Länge von 5—6 cm der L.maurelianus Bourg. hierher (flavidus, fasciis 5 atris longi- tudinalibus, una dorsali; solea albida«); die Anatomie wird zu entscheiden haben, ob hier nicht eine scharf ausgeprägte jugendliche Bänderform vorliegt. Vor der Hand wüsste ich endlich keinen Grund, warum der L. nubigenus Bourg. von den höheren Pyrenäen dem maximus entzogen werden sollte, zumal ihn WESTER- LUnp zwischen maximus und cinereus einschiebt, als eine schlanke, einfarbig schwarze Schnecke mit weißlichem Kiel und weißlicher Mittelsohle. Mag vielleicht künftige anatomische Untersuchung noch die eine oder andere dieser Formen als wirklich von L. maximus specifisch ver- schieden ausscheiden, so viel scheint mir vorläufig festzustehen, dass diese buntfarbige große Art sich, der Bourguisnar’schen Auffassung von der europäischen Schneckenfauna gemäß, entlang den großen Gebirgen von Osten nach Westen verbreitet hat, dass sie von da hauptsächlich nach Norden ausstrahlt, und dass sie am Südabhange der Karpathen und noch viel mehr der Alpen den Höhepunkt ihrer Ausbildung erreicht, wiewohl man auch hier die umgekehrte Anschauung, wie bei den Arionen, vielleicht nicht völlig von der Hand weisen darf. Schlussbetrachtungen. Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass alle die verschiedenartigsten Zeichnungen und Färbungen, die im Ver- stehenden nur einen kurzen Abstrakt des von emsigen Untersuchern niedergelegten Maäteriales darstellen, macht den Limax maximus zu einem der interessantesten Objekte der Biologie, zumal sich wenigstens die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten seiner Entwicklung bereits über- sehen lassen. Die Abhängigkeit der Pigmente von der Temperatur ist dieselbe, wie bei den Arionen;; das Roth übersteht den Winter nur im Süden oder bei uns im Keller, im Freien wird es ausgelöscht. Das Schwarz umgekehrt herrscht im Norden vor. Das Thier scheint noch nicht die Fähigkeit erworben zu haben, auch in der Wärme das Schwarz zu steigern und dadurch seine Konstitution für den Süden zu festigen; darin liegt die Schranke für südliches Vordringen. In der allmählichen Ausbildung der Zeichnung zu Bänderung, Fleckung und Einfarbigkeit folgt die Schnecke einem allgemeinen Fär- bungsgesetz und reiht sich den Wirbelthieren an, bei denen kein dunk- ler Streif, kein Fleck bedeutungslos zu sein scheint. Ja das Emmer’sche Gesetz wird im Großen und Ganzen sireng inne gehalten, mit der Aus- nahme, dass an die Stelle des postero-anterioren Fortschreitens mehr ‚ ein centripetales tritt, bedingt in der ursprünglichen Dunkelung des Kopfes, zumal der Fühler und der frei vorragenden und wie jener leicht ) sich färbenden Mantelkapuze. Dabei ist Hoffnung vorhanden, nicht nur 312 Heinrich Simroth, mit allgemeinen äußeren Ursachen rechnen zu müssen (wie die Längs- streifung der großen Thiere von der monocotylen Flora vergangener Zeiten in hypothetische Abhängigkeit gebracht wurde), sondern die inneren konstitutionellen Ursachen im Blutlaufe aufzufinden. Die Er- zeugung aber der verschiedenen Zeichnung und das Festhalten ihrer einzelnen Stufen bis ins erwachsene Alter muss förmlich dazu anreizen, durch wenn auch mühsame und umfangreiche Züchtung die Ursachen experimentell nachzuahmen und zu prüfen. Nicht weniger wichtig er- scheint die Aufgabe, durch genaue Jahr aus Jahr ein fortgesetzte statisti- sche Beobachtung namentlich in den südlichen Alpenthälern zu unter- suchen, in wie weit die Formen bereits stabil geworden, also sich dem Werthe einer wahren Art nähern, wie weit — bei der Langsamkeit der Lokomotion und der strengen Beschränkung unserer Thiere auf den Wald — Migration und Isolation, d. h. in unserem Falle die künstliche Verpflanzung in eine Baum- oder Waldinsel, die Variation befördert und festigt und was von derlei Fragen das Interesse des Biologen erregt. Das Problem dürfte in ein besonders günstiges Licht treten durch die Annahme, die noch dazu bei dem sehr dehnbaren Artbegriff nicht ganz außer der Wirklichkeit liegt und von den Malakologen fort und fort gemacht wird, — die Annahme, dass alle jene Formen, die man bisher unterschieden, bereits wirklich fixirte Arten seien. In welchem Ver- hältnis würden diese zu einander stehen? Nach dem biogenetischen Grundgesetz hätten wir eine große Reihe von Species, die alle in direk- ter Descendenz mit einander verbunden wären. Die Stammart würde bis jetzt, wie es bei den meisten derartigen Problemen ergeht, fehlen, denn sie muss ein rothes Thier sein mit der einfachen Stammzeichnung, eine solche aber findet sich nicht erwachsen vor. Eben so hypothetisch blieben die nächsten Arten, die der jugendlichen Bänderung entsprechen; denn eine eigentlich ausgeprägte alte Form mit sechs dunkelbraunen Binden und rothem Grunde findet sich nicht (höchstens jenes in der vorletzten Anmerkung beschriebene, in Fig. 6 F abgebildete Thier). Wohl aber ließen sich alle weiteren Arten, wie sie in der Entwicklung aus der Bänderung durch Pigmentausbreitung und -koncentration und Dunkelung hervorgehen, in natura auftreiben und zu einem Stamm- baume vereinigen; zu unterst kämen die bunten Formen mit einfachen Bändern und Flecken, als höchste Stufe die mit buntem Grunde und einfarbig schwarz überzogen; ein Seitenzweig wären die ohne Bunt, gebändert und gefleckt, und die höchste Stufe bildeten endlich die völ- lig schwarzen. Man sieht, es kommt ungefähr das Bild heraus, wie es der hypothetischen Ausbreitung der Art entspricht; nur stellt sich die Perspektive im Einzelnen anders. Bei unserem nordischen cinereoniger Versuch einer N aturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 313 müsste der rothe Farbstoff der jungen in die Reihe der rudimentären Organe gerechnet werden, vorausgesetzt, dass, wie beim großen Arion mit aller Wahrscheinlichkeit, der rothe Schleim als Ekel- und Trutzfarbe dient, also von biologischer Wichtigkeit ist. Wenn wir aber die ein- farbige Schwärze des cinereoniger in dem einen Falle durch alle Stufen der Umfärbung erreicht sehen, während im anderen Falle (wie in den Fichtenwäldern des Erzgebirges zum Beispiel) die ursprüngliche Stamm- zeichnung durch einfache Dunkelung direkt in dieselbe dunkle Einfarbig- keit überspringt, dann hätte man im letzteren Falle von abgekürzter Entwicklung zu reden; wenn aber in einer Familie einfarbiger cinereo- niger einzelne Junge sich nicht bis zur vollen Einfarbigkeit wieder ent- wickelten, sondern noch einen Schimmer der Stammbinde oder einzelne Flecken behielten, dann lägen in ihnen Rückschlagsformen vor. Man könnte gewiss weiter gehen und unsere Schnecke in noch mehr Be- ziehungen für einen großzoologischen Standpunkt nutzbar machen. Aber selbst wenn wir jene Hypothese der Artspaltung des maximus fallen lassen und die in Wahrheit bestehende Arteinheit wieder hervor- holen, verlieren dadurch, dass die Arten zu Varietäten herabsinken, _ jene Begriffe an Werth und Interesse? bestehen sie nicht eben so gut fort? Nur mit dem großen Vortheile, dass die Gesetze noch in der Aus- bildung begriffen sind und daher viel eher, ja wahrscheinlich ziemlich leicht, den vollen Einblick in den ursächlichen Zusammenhang ge- Statten? Damit möge der Abschweif entschuldigt sein, mit dem ich auf diese interessanteste aller europäischen Schnecken ein wenig weiter ausholend den Blick des Biologen zu lenken suchte. III. Limax nyctelius. Ein mehr als halbwüchsiges Exemplar dieser algerischen Art hat einen roth- bräunlichen Grund, nach oben dunkelnd, nach unten mehr gelblich weiß, darauf eine äußerst scharfe Stammzeichnung als dunkel kastanienbraune Binde, Sie zieht auf dem Mantel mehr parallel als leierförmig bis nach vorn, auf dem Rücken schließen sich die Linien eben so scharf an, doch ein wenig mehr nach innen und nun parallel verlaufend. Das wenig umfänglichere erwachsene Thier von Tenellus- größe hat den Rücken gleichmäßiger gedunkelt, doch sind auch in dem röthlichen Braungrau die Binden auf Rücken und Mantel, wenn auch mehr verschwommen und im Kolorit der Grundfarbe genähert, zu verfolgen. Man kann schwanken, ob auf dem Rücken die innere oder die Stammbinde vorhanden sei, eine schwache Andeutung der letzteren bei jüngeren Thieren lässt sie mehr als innere Binde an- sehen, wenn sie auch vom Partner durch einen ungewöhnlich, etwa doppelibreiten Kielstreifen getrennt ist. Doch macht dies für die Beurtheilung nichts aus. Unter ‚den mannigfachen Farbenvarietäten des maximus ist nicht eine, welche die ein- fache Stammzeichnung ungetrübt mit scharfer Mantelbinde und auch nur mit innerer Rücken- statt Stammbinde bis zu einer ähnlichen Altersstufe oder selbst bis zum erwachsenen Zustande bewahrte. Nach dem biogenetischen Grundgesetz müsste 314 Heinrich Simroth, der nyctelius als Stammart oder als deren nächstverwandte gelten; die Anatomie hätte nichts dagegen (s. o.). Nach der muthmaßlichen Verbreitung von Asien her, entlang den großen Gebirgskämmen, wäre die algerische Form, vorausgesetzt, dass sie über die iberischen Gebirge und die aite Landbrücke nach Afrika den Weg ge- nommen hätte, der vorgeschobenste Posten. Es würde vielleicht nichts Auffallen- des haben, wenn die einfache Stammart bei ihrem Vordringen an der Spitze unver- ändert bliebe, während die an der Heerstraße sesshaft gewordenen Genossen nach völliger Acclimatisirung zu größerem Körperumfang und reichlicher Anpassung im Einzelnen übergingen und so das gewonnene Terrain allseitig ausnutzten, VI. Limax arborum (Taf. VII, Fig. 11—13). Diese mäßig große schlanke Art, für die vielleicht der Name Limax scandens Norm. oder altilis Fischer noch treffender wären, wenn sie die Priorität und sich mehr eingebürgert hätten, fällt jedem Beobachter durch ihren besonderen Habitus auf. Dieser besteht lediglich in der durch Anpassung erworbenen hohen Quellungsfähigkeit. Das Thier ent- hält, zumal bei feuchtem Wetter, in der Leibeshöhle so außerordentlich viel Wasser, dass die Eingeweide bei durchfallendem Lichte nur einen kleinen, unteren vorderen Klumpen bilden, während Rücken und Schwanzende hell durchscheinend sind. Auf Reiz wird das Wasser namentlich auf des Rückens Hinterhälfte durch die Haut entleert, aus- geschwitzt. Die Quellungsfähigkeit ist Folge und Grund der Anpassung der Nackischnecke für einen in unserem Klima diesen Thieren ganz un- gewöhnlichen Aufenthalt auf Bäumen oder in Felsenritzen, da doch alle anderen bei trockenem Wetter sich am Boden verkriechen. Die Flüssig- keit bildet ein Reservoir für trockene Zeit. Nur wenn bei Regenwetter das Wasser an den Bäumen. herabrieselt oder ein Baum im Frühjahr blutet, kommen sie, fast unbekümmert um die Tageszeit, zum Vorschein. Ihre Schleimspuren reichen bis in die höchsten Baumwipfel. Sonst sitzen sie, meist gemeinschaftlich, in Astlöchern oder Felsenritzen, neun traf ich zu einem Haufen zusammengeballt. Die Geselligkeit dürfte weniger auf einem psychischen socialen Triebe beruhen, als auf der Interessengemeinschaft, von der Feuchtigkeit der anderen zu profitiren (wie man denn in einem trockenen Behältnis gern alle Nacktschnecken zusammen findet). Den Winter allein verbringen sie in der Erde. Ich fand 1883, wo im März ein kräftiger Nachwinter hauste, am 18. April ") die ersten Schleimspuren am Grunde der Wohnbäume, am 14. noch hatten sie gefehlt. Mitten im Winter kommen sie auch bei mildem Wetter nicht hervor; allerdings wurden sie einmal, Ende November 7 1883, wieder an Baumstämmen lebhaft gefunden, nachdem sie sich vorher bereits bei Schneewetter im oder am Boden verkrochen hatten. Was die Gehäuseschnecken durch ihre Schale und das erhärtete Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u, ihrer europ. Verwandten. 315 Schleimseptum leisten — Widerstand gegen das Austrocknen, — wird hier durch den Wasservorrath erreicht. Die Parallele geht aber noch weiter. Nacktschnecken leben meist an so feuchten Orten, dass sie in trockner Zeit wenigstens Nachts ihrer Äsung nachgehen können, daher ihre Entwicklung sich sehr regelmäßig und ununterbrochen vollzieht, — die Gehäuseschnecken, auch zum Aufenthalte an trocknen Orten be- fähigt, kommen oft Wochen und Monate lang nicht heraus, sie leben gewissermaßen sprungweise in Absätzen. Eben so L. arborum. Daher wird es schwer, die Lebensdauer zu bestimmen; die Fortpflanzung fällt in den Herbst und Frühling (s. o.), aber man findet die Jungen ver- einzelt unter der Schar erwachsener und halberwachsener von allen Größen. Mir wird es daher sehr wahrscheinlich, dass die Thiere, namentlich bei trockenem Sommer und längerem Winter, wodurch die Zeit ihrer vollen Lebensäußerungen sehr beschränkt wird, durch mehrere Jahre hindurch leben; dafür spricht, wie gesagt, der geringe Procentsatz von Jungen, da doch sonst während der Fortpflanzungs- periode deren Zahl stark vorzuwiegen pflegt, oder gar, wie beim tenel- lus, zu derselben Zeit an demselben Orte immer nur dieselbe Größen- stufe vorkommt. — Nach Leumann wäre die Schnecke Fleisch- und Pflanzenfresser, ersteres nach meinen Erfahrungen gar nicht oder nur gelegentlich aus Noth. Dagegen wird der Alkohol stets grün, aber nicht von Blättern und Kräutern, sondern vom Algengehalt der Flechten; die Anpassung an Felsen und Bäume hat den Nahrungsübergang von den _ Pilzen zu den verwandten Flechten erzeugt. — Ein eigentliches Stand- gebiet lässt sich wohl nicht angeben, außer Wald und Felsen im Wald oder in Waldesnähe. Laub- und Nadelholz sind gleich beliebt. Das Vaterland erstreckt sich, so viel wir wissen, von Siebenbürgen bis Algarve ‚und von Norwegen bis Kalabrien, also vermuthlich über ganz Europa. Der letzt- genannte Fundort beruht auf der Lehmannia mongianensis Paulucci, die ich nach Lessoxa und PoLLonEra citire. Sie soll sich durch kürzeres Flagellum auszeichnen; nach dem in der Anatomie über dessen Entwicklung Gesagten ist das Merkmal ohne allen Belang, ja jene Form ist eine typisch gezeichnete. Die Zeichnung und Fär- bung bewegt sich in ziemlich geringen, aber sehr gesetzmäßigen Grenzen. Das all- gemeine Graubraun kann als treffliche Anpassung an den Aufenthalt gelten; »das Mäusegrau mit rötblichem Anfluge« blasst einerseits ab, wo wir dann wahrschein- lich die var. flava Weinland haben (mir leider nur aus dem Referat 72 bekannt), wie es sich auf der anderen Seite bis zu reinem Schwarz steigert. Die Jungen, Fig. 11 A, sind gleichmäßig hellgelblich oder röthlich graubraun, nach oben etwas gedunkelt. Auf dem Mantel eine scharfe dunkelbraune Leierbinde, die sich auf den Rücken fortsetzt. Hier aber erkennt man an der Lage deutlich, dass wir es nicht mit der Stamm-, sondern mit der inneren Binde zu thun haben. Jene fehlt zunächst völlig. In der Mitte bleibt ein bis zum Mantel reichender heller gelblicher Kiel- streifen, welcher sich meist in der unregelmäßigen Breite von ein bis drei Runzeln hält. Charakteristisch für die Art ist die lange Konservirung der Mantelbinde, Zeitschrift f. wissensch,. Zoologie. XLI. Ba. 24 316 Bi | Heinrich Simroth, welche gewöhnlich durch das ganze Leben besteht. Hierin verhält sich das Thier dem tenellus ähnlich. Die einfachste Farbenentwicklung ist nun die, dass durch allgemeine Dunkelung vom Rücken her (siehe maximus d) ein einfarbiges, nach unten abklingendes Kolorit entsteht, mit oder ohne schwache Erhaltung der Kiel- linie und der Binde. Das Ende ist ein einfarbig heller gelbgraues Thier (var. flava), oder ein dunkleres, im höchsten Falle dunkler roth- oder mäusegraues, vielleicht selbst schwärzliches. Solche Exemplare (Fig. 42 B) kenne ich von Piemont (Valle di Lanze), Leipzig und vielleicht schwärzlich von Siebenbürgen. Die schwarze Siebenbürgener Form kann aber eben so gut aufdem zweiten interessanteren Wege erreicht werden, durch Pigmentkoncentration und -ausbreitung. Dann treten die Stamm- und häufig die äußere Binde zur ursprünglichen inneren, niemals aber als glatte gerade Bänder, — als solche würde nach dem für maximus gültigen Gesetz die Stammbinde vor der inneren da sein, — sondern stets unregelmäßig, unter- brochen, oder am reinsten als ein stark welliges Zickzackband. Dann aber wird auch der Außenrand der Innenbinde unregelmäßig zackig, die Zacken wachsen sich durch Pigmentausbreitung brückenartig entgegen, und es entsteht in diesem Falle eine auf dem ganzen Rücken feinmaschige bräunliche Zeichnung mit hell gelben Flecken (var. Heynemanni Bielz oder var. tigrina Weinland). Man sieht noch den hellen Kielstreifen, aber man erkennt weder die Binden noch die übrigen Streifen (welche letzteren man beim maximus unter entsprechenden Formen als Punktreihen wahrnähme), denn die Zickzackform der Stamm- und äußeren Binde hat ein viel dichteres Netz erzeugt. Je regelmäßiger aber die Zickzackform war, um so mehr steuert sie auf ein anderes Muster los. Die Zacken der Binden vereinigen sich so, dass von oben nach unten und hinten divergirende Querbinden entstehen, zunächst noch durch die Längsbinden verbunden. Sind die Brücken so weit geschlagen, dann pflegen die Verbindungsstellen der Stamm- und äußeren Binde zu verschwin- den, und so entsteht eine mehr oder weniger regelmäßig quergestreifte Schnecke (Fig. 13 Cin mäßigem Grade, bisweilen viel deutlicher). Solche Thiere kommen wohl fast überall vor, ich hatte sie von Algarve, von Siebenbürgen, von Neustadt im böhmischen Erzgebirge, von Grimma, von Bäumen und Felsen, so dass der Aufenthalt gleichgültig ist. — Beide Farbenentwicklungen stehen sich indess nicht scharf gegenüber, sondern auch bei der einfarbigen Dunkelung, die zu einfarbig rothgrauen Thieren führt, sieht man dort meist mattere hellere, verschwommene Flecken, als Spuren von Zeichnung. — Der Mantel weist, wie erwähnt, meist scharf die Binde auf. Dadurch, dass sie einen hell weißgelben inneren und äußeren Saum bekommt, wird er lebhaft; dadurch, dass centripelale von vorn und dem Bande vorschreitende maschige Pigmentkoncentration die Streifen überbrückt und sich der Binde bemächtigt, wird er schließlich bunt gefleckt mit braunen Maschen und hellen Punkten. Bei Grimma fand ich unter Anderem ein Thier, das ohne großen Fortschritt in der Fleckung in der Mantelbinde die echteste Koncentration zeigte, in so fern als jederseits in der vorderen und hinteren Hälfte ein scharf umgrenzter dunkler Punkt hervortrat (in Alkohol mehr verschwimmend). Da das Thier groß und ziemlich rein grau war, dachte ich Anfangs an einen halbwüchsigen maximus- cinereus. — Die Temperaturverhältnisse sind zunächst nicht von besonderem Be- lang, da ja die Schnecke ihre Lebensintensität in die gemäßigten Jahreszeiten oder im Sommer in die kühleren Regentage verlegt, bei Hitze aber oder rauhen trocknen Ostwinden sich verkriecht und schützt. Gleichwohl ist auf dem Gebirge der Ein- fluss der Kälte nicht zu verkeunen. Hier allein wird das Pigment schwarz, zunächst die Binden, dann die Zeichnung überhaupt. Die Exemplare von der Höhe des Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 317 Erzgebirges (böhmisch Neustadt) zeigen die Tendenz kräftig; sie erreicht ihr Maxi- mum auf den Höhen der Karpathen (Negoispitze) in der var. Dianae von Kimakowicz. Die Dunkelung geht vom Rücken aus, der Kiel verschwindet, die Binden mehr und mehr, nur ein undeutlicher Streif daran, seitlich unten am Thier matt hellere Flecken. Das Ende des Processes ist einfarbige Schwärze. Bei solchem Thier ist nicht mehr zu entscheiden, ob es sein Kolorit durch einfache Dunkelung oder wie in Wirklichkeit auf dem Umwege der Fleckung, Pigmentkoncentration und -aus- breitung erlangte. Nicht unerwähnt aber mag bleiben, dass über eine solche Schnecke, selbst nach Prüfung der Radula, unter besten Kennern sich die Kontro- verse erhob, ob es ein junger cinereoniger sei. Noch glaube ich konstatiren zu dürfen, dass in der Ebene die einfache mäßige Dunkelung, im Gebirge die Fleckung vorherrscht. Im Ganzen hat die Art also etwa folgendes Färbungsgesetz : Sie beginnt nicht mit der Stammzeichnung, sondern mit der nächst höheren Stufe der inneren Rückenbinde. Von da an schließt sie sich im Allge- meinen der Maximuszeichnung an, aber mit selbständiger Modifikation. In Folge gleichmäßiger Lebensbedingungen ohne große Temperaturunter- - schiede wird etwa der Färbungsgang des cinereus eingehalten. Die Selbständigkeit betrifft zunächst die lange sich erhaltende Mantelbinde, - sie betrifft die Fleckung, die zu der beim maximus fehlenden schrägen ‘ Querstreifung führt. Einfarbigkeit ist das Ende. Solche mit mittlerer Sättigung kann auch (durch abgekürzte Entwicklung) auf dem Wege ‚ einfacher Dunkelung erreicht werden. Auf dem Rücken tritt das postero- ‚ anteriore Fortschreiten wenig oder nicht hervor. Ein Vergleich mit dem Eımer’schen Färbungsgesetz zeigt, dass das Thier, wie es jung mit einer höheren Stufe einsetzt, so auch in der Querstreifung einen höheren Grad erreicht, — und das entspricht dem inneren Fortschritt in der Anatomie des Darmes. Das Pigment macht in hohem Maße den Eindruck der Ursprünglichkeit, d. h. es scheint, als ob ein originales Rothbraungrau sich nicht oder wenig in die beiden Komponenten Hellgelb oder Roth auf der einen und Schwarz auf.der anderen Seite zerlegt hätte. In der dunkeln Zeichnung wird es deutlich, dass der Farbstoff ent- schieden roch braun ist, und nur bei vereinzelten rein grauen, so wie namentlich in der dunkeln var. Dianae wird es wirklich zu Schwarz. Der helle Farbstoff, wie es scheint das andere Spaltungsprodukt, hat einen Stich ins Rothgelbe, nie aber steigert er sich zu wirklichem Gelb oder Roth, wie es nie in Farbdrüsen durch- bricht, der Schleim bleibt stets hell. Noch mag, an Bekanntes anknüpfend, erwähnt werden, dass bei manchen blassen Thieren die Seiten vorn besonders dick weißlich sind durch den der Haut und den Sinuswänden reichlich eingelagerten Kalk. V. Limax variegatus (Taf. VII, Fig, 8—40). ' Diese Art ist besonders ausgezeichnet durch die Abrundung der ganzen vorgeschrittenen Erscheinung, sowohl was die Färbung angeht, als die Anpassung an äußere Verhältnisse. Größe und Zeichnung wer- den fast immer Veranlassung, sie unter die Varietäten des maximus 21% 318 | Heinrich Simroth, einzureihen; sie führt unter sehr gleichmäßigen Bedingungen, die zu ihrer ziemlich weichen, schleimigen Haut passen, ein mehr nächtliches, halb unterirdisches Dasein, vorzüglich in Kellern und Speichern und nährt sich entsprechend, zunächst wohl von Pilzen, dann von allerlei Nahrungsmitteln; der Darm ist stets bräunlich gefüllt, die Leber braun oder hell gelbbraun ins Graue, die kurze Losung meist hell; nie wird der Alkohol grün. Ein Thier, das an solche Bedingungen geknüpft ist, wird dieselben leicht auf der ganzen Erde wiederfinden, und so ist sie, vermuthlich durch Kaufmannsgüter verbreitet, ein Kosmopolit gewor- den (Heynemann). Da die Bewältigung äußerer Bedingungen durchaus keine Schwierigkeiten macht, sind früh Überschüsse für die Fortpflan- zung vorhanden, bei halbwüchsigen sind bereits die Genitalien funktions- fähig, — und das zu allen Jahreszeiten. Leyvıc beobachtete die Eiab- lage im Oktober und das Ausschlüpfen der Jungen im December (46), Heyxemanw fand von Anfang Juni halbwüchsige, Anfang August ganz junge. Eben so bekam ich aus vielen Leipziger Kellern zu allen Jahres- zeiten meist alle Altersstufen zusammen. Über die Lebensdauer wage ich mich kaum zu äußern, vermuthlich ist sie nach Analogie der Nackt- schnecken keine lange mehrjährige; doch könnte auch der Mangel an Abwechslung in den Existenzbedingungen die Todesursache hintan- halten. — Die Färbung ist in Beziehung auf beide Pigmente wohl ent- wickelt. Das hellere zunächst ist (wie es scheint, durchweg) zum Durchbruch durch das Epithel, zur Farbdrüsenbildung übergegangen, es wechselt zwischen Hellgelb und Dunkelorange, wonach sich der Rücken- schleim richtet; die Varietäten flavescens und rufescens sind darauf gegründet. Das dunkle Pigment, das die Zeichnung bedingt, zeichnet sich durch den bekannten Stich ins Blaue aus, der namentlich an den Fühlermuskeln sich steigert (Fig. 8 A) und durch die äußere Haut durchschimmert. Auch auf dem Rücken fehlt er nicht, und aus der Kombination mit rein gelben Farbdrüsen enisteht die var. virescens. Im Allgemeinen hält sich das dunkle Pigment in Grau. Die Zeichnung ist die, welche sich bei einigen halbwüchsigen Formen des maximus und bei seiner erwachsenen Form subalpinus var. eporediensis auf dem Schilde oder am unteren Seitenrande findet, es entsteht ein dunkles Netz mit runden Ausschritten oder Maschen, die am vorderen Mantel- rand am feinsten, auf dem Rücken länglich werden (A). Wenn also im Ganzen die Ausbildung auf einer etwas niedrigeren und eigen- artigen Stufe stehen geblieben ist, so ist sie doch in so fern außerordent- lich fixirt, als sie schon den jüngsten Individuen zukommt; sie pflegen | nur etwas dunkler zu sein als ihre Eltern. Der einzige Rest, der noch Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 319 an die ursprüngliche Stammzeichnung erinnert, dürfte in der helleren Kiellinie der var. tigrinus Pini zu erblicken sein. Trotz dem Gleichgewicht, in dem sich die Art befindet, dürfte sie doch einer Weiterbildung nicht ganz abgeneigt sein, die sich verschie- den beschrieben findet. SeLznkı schilderte die Anatomie eines echten L. variegatus von Australien unter dem Namen L. bicolor (64), HEyxe- mann erkannte die Zusammengehörigkeit (26). Lemmann benannte eine ganz ähnliche australische Schnecke als Limacus Breckworthianus (39, 44). Nachdem der bicolor als Art zurückgezogen, hat Lenmann die bei- den Australier nochmals genau verglichen und die Unterschiede erörtert. Da ist denn der Breckworthianus stets ungekielt..., »der übrige Körper chagrinirt, mit größeren und kleineren perlschnurartigen hinter einander liegenden körnigen Runzeln. Farbe stets dunkel schwarzbraun, kaffee- braun, die Sohle eben so dunkel braungrau, aschgrau, wenig heller als die Seite. Bei jüngeren Stücken zeigen sich verwaschene, sehr wenig hellere, undeutliche Flecken am Rücken und an den Seiten und am Mantel«. Die Beschreibung des erwachsenen Thieres passt ganz scharf auf den Limax ecarinatus Böttger vom Kaukasus, von dem ich oben mit- theilte, dass die Anatomie der des variegatus gleich ist (s. Fig. 10 0). Die Farbe, die körnigen, perlschnurartig geordneten Runzeln sind präs- nante Merkmale. Ich halte also dafür, dass zunächst der ecarinatus ein- zuziehen ist zu Gunsten des Breckworthianus. Was ist aber dieser ? Oder wie kommt es, dass dieselbe Schnecke in Australien entdeckt wurde und im Kaukasus, ohne dass doch vermittelnde Glieder irgendwo gefunden wären? Die Erklärung kann nur darin liegen, dass beide Umbildungen des überall verbreiteten L. variegatus darstellen. Den Schlüssel für die Bildung geben die schwach gefleckten Jungen, wie sie LEHmAann beschreibt, genauer giebt ihn ein jüngeres Thier, das Herr von Martzan auf Kreta fing und das in einem Glase mit erwachsenen variegatus sich fand (Fig. 9 B). Das gleiche Vorkommen wird von Eng- land bekannt gemacht. Hier sehen wir einen völlig einfarbigen, , schwärzlichen Mantel, während der Rücken noch die echten länglichen Punkte der Stammform trägt, wenn auch weniger hell sich heraus- hebend. Wir haben es mit einer Form zu thun, welche noch über die ' Färbung der Stammform hinausgeht, nach demselben Gesetz, das die Verfärbung des L. maximus beherrscht : zuerst wird der Mantel ein- farbig, hinterher auch der Rücken. So beim Breckworthianus. Es bleibt ‚die Frage, ob auch die Ursache der Verfärbung dieselbe wie beim maxi- mus. Dort wurde das Verlassen der unterirdischen Wohnräume und ' das Herausgehen an die freie Atmosphäre als wahrscheinlich wirksamer "Faktor erkannt. Dass es auch hier derselbe sei, bezeugt die Runzelung 320 Heinrich Simroth, die körnig und kräftig wird, gegenüber der weich schleimigen Be- schaffenheit der Stammform. Ecarinatus-Breck worthianus ist also weiter nichts, als der L. variegatus, der unter dem Einflusse der freien Luft - völlig ausgefärbt wurde und eine kräftig runzelige Haut bekam. Das Gesetz bleibt dasselbe, mag das Thier in Australien seinen Aufenthalt ändern oder im Kaukasus. Wir wissen bedauerlicherweise nicht, an welcher Örtlichkeit der Breckworthianus in Australien gefangen wurde, im Keller oder im Freien; ich vermuthe das letztere. Bei der allgemeinen Verbreitung des L. variegatus dürfte es un- möglich sein, das ursprüngliche Vaterland zu ermitteln. Immerhin däucht mir’s sehr wahrscheinlich, dass es von dem Bildungsherde des. L. maximus nicht zu weit entfernt gelegen habe, dass auch diese Schnecke in Europa oder Westasien aus der hier vermuthlich einheimi- schen Stammart sich entwickelt hat, so gut wie der kleinere L. arborum, der vorwiegend in Europa gesammelt wird; ja man könnte recht wohl auch den ecarinatus für die kleinere, im Freien lebende Stammform nehmen, aus der durch Verseizen in den Keller sich der variegatus ent- wickelte. Dann wäre der Breckworthianus in Australien ein Rück- schlag. Für wohl möglich und wahrscheinlich halte ich es, dass der L. Companyoni Bourg. und der L. eubalius Bourg. nach den Diagnosen, die WESTERLUND mittheilt (73), zum variegatus zu ziehen sind, während sie sich allerdings in seinem System an anderer Stelle finden. Die Anatomie muss künftig entscheiden. Übersicht der Gattung Limax. Leider konnten unsere Thiere so gut wie keine geologischen Reste hinterlassen, denn die Schälchen eignen sich kaum zur Bestimmung. Daher fehlt uns der historische Anhalt, bis zu welcher Zeit wir ihre Entstehung und Einwanderung zurückzuverlegen haben. Letztere | könnte man vielleicht eben so gut, als man ihr noch späteres Vordringen | entlang den Gebirgszügen annimmt, wenigstens bis in die Eiszeit zu- ' rückschieben. Dann wären unsere Hochgebirge nicht als der direkte | Weg der Einwanderung, sondern als die Zufluchtstätte nordischer ! Flüchtlinge anzusehen. Immerhin lässt sich aus den Thieren selbst, | wie sie sind, mancherlei ablesen. Die entschiedene Abneigung gegen | südliches Klima macht ihre Entstehung in wärmerer Tertiärzeit unwahr- | scheinlich; noch viel mehr aber weist die scharfe Beschränkung der ! Gattung auf Europa-Asien, ihr ursprünglich völliger Mangel selbst in Nordamerika (3), am meisten aber die noch jetzt fort und fort wirkende | reichste Neubildung in unserer Heimat auf eine jüngere und jüngste | Formation hin; der ungemeine Formenreichthum aber der Alpen, | nn. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 321 namentlich der Südalpen, im Zusammenhange mit dem größten Körper- umfange, zeigt bestimmt, dass wir es hier mit einem Bildungscentrum zu thun haben, wie denn andererseits die von Osten nach Westen ab- nehmende Zahl von charakteristischen Arten und Formen den ursprüng- lichen Weg der Einwanderung angiebt. Die Karpathen enthalten von großen freilebenden Arten den coerulans und viele Formen des maxi- mus, die Alpen viele Formen des maximus, die Pyrenäen nur eine charakteristische Form desselben, den nubigenus. Je mehr uns so die Formenbildung nach Zeit und Ort nahe gerückt wird, um so mehr muss die Berechtigung, die große Mannigfaltigkeit der Färbung im Alter und während der Entwicklung zu descendenztheoretischen Schlüssen zu verwerthen, steigen und die Schlussfolgerung selbst an positivem Halt gewinnen. Es kommt dazu, dass die äußeren Ursachen der Färbung “und Hautrunzelung sich bis zu gewissem, nicht allzu niedrigem Grade noch jetzt in atmosphärischen Einflüssen nachweisen lassen. Das Bild muss um so mehr überraschen, als es sich im Großen und Ganzen den für die Wirbelthiere geltenden Färbungsgesetzen anschließt, in so fern als auf die erste einfache Längsstreifung der Stammzeichnung eine mehr- fache stärkere Längsstreifung, als hierauf die Fleckenauflösung und all- gemeine Fleckung, weiter die Quersteifung, endlich die Einfarbigkeit folgt. Im Einzelnen freilich giebt es mancherlei Ausnahmen und Schwierigkeiten und viele individuelle und specifische Besonderheiten. Völlig ausgenommen werden muss zunächst der L. coerulans, durch- weg einfarbig und wahrscheinlich mit den übrigen nur im Allgemeinen seine Wurzeln von den Vitrinen ableitend. Unter den anderen treten die Gesetze am deutlichsten hervor bei den überreichen Formen und Färbungen des maximus, die alle mit derselben Stammzeichnung be- sinnen. Im Übrigen vermögen sie alle Stufen zu erreichen oder zu durchlaufen, außer der Querstreifung. Sucht man nun unter den drei Arten, die ihrer einfachen Anatomie nach zusammengehören, maximus, tenellus und nyctelius, die Species mit den ursprünglichsten Färbungs- _ charakteren, so kommt man in ein Dilemma betreffs der beiden letzteren. Der nyctelius hat den Vorzug, die Stammbinde auf dem Mantel in origi- naler Form bis ins Alter zu bewahren, dazu auf dem Rücken wenigstens das nächste Stadium der inneren Binde; tenellus aber bekommt die Mantelbinde erst von einem gewissen Alter an und ist vorher einfarbig. Wenn wir die Färbung nach dem biogenetischen Grundgesetze beur- theilen dürfen, dann wäre der tenellus sogar eine Form, die in der Jugend das viel einfachere Stadium ohne alle Zeichnung zur Schau trüge, das allen übrigen fehlt und auf noch weiter zurückliegende Vor- ‚fahren bezogen werden könnte. Dem widerspricht die starke Diffe- 322 Heinrich Simroth, renzirung des Pigmentes in Schwarz und Gelb, das in Farbdrüsen durchbricht; dieses würde eine sehr vorgeschrittene, keine ursprüng- liche Stufe andeuten, und es scheint vielmehr die späte Entwicklung der Zeichnung auf ein spätes Hervortreten des dunkeln Pigmentes, das jene bedingt, überhaupt zurückzuführen ; andererseits könnte man den geraden Verlauf des Zwitterganges und besonders die ungetrübte ein- jährige Lebensdauer für die Ursprünglichkeit geltend machen. Vom nyctelius kennen wir nicht viel. Die Anatomie ist einfach, die Zeich- nung durchweg einfach, und was dazu kommt, das Kolorit braun, d.h. anscheinend ohne Zerlegung in Roth und Schwarz. So gewinnt es doch wohl den Anschein, als wäre der teneilus eine in Gentraleuropa später erzeugte, etwas vorgeschrittene Form, und nycielius stände der Stamm- art am nächsten. Andererseits ist klar, wie sehr eine solche Schluss- folgerung durch die direkten Einwirkungen der Atmosphäre durch- kreuzt werden kann. Im Allgemeinen wird man dem dunklen Pigment, das die Zeichnung bildet, mehr Bedeutung beilegen müssen, als dem gelben oder rothen. Dann aber fragt sich’s weiter, ob die Stammbinde des Mantels ein für die Descendenzermittelung wichtigeres Merkmal sei oder die des Rückens. Erstere möchte in unserer Gattung nicht nur, sondern bei den Pulmonaten überhaupt von ganz besonderem Belange sein. Bei den Arioniden kann man einen Unterschied nicht machen, da in der Jugend wenigstens Mantel- und Rückenbinde stets zusammen auftreten. Bei den Limaciden aber liegt der Fall anders, und hier dürfte die Stammzeichnung des Mantels den gebänderten Schalen der Heliciden homolog sein, deren Thiere doch immer einen einfarbigen Rücken haben. Von diesem Gesichtspunkt aus tragen L. tenellus und nyctelius gleiche Ahnenbeweise an sich. Die Rückenstammbinde aber, die mit dem Sinus zusammenhängt, scheint nur für unsere Gattung speciellere Bedeutung zu haben, und in dieser Hinsicht möchte der nyctelius doch der Urform am nächsten stehen. L. maximus mit seiner Stammzeichnung in der Jugend bildet das Heer gesetzmäßiger Umformungen, die alle möglichen Grade durchlaufen bis zur Einfarbigkeit, mit Ausnahme der Quer- streifung; charakteristisch ist für die Art, dass sie beinahe in allen Freilandformen, die nicht durch Kellerluft auf atavistischer Stufe zurück- | gehalten werden, durch Verlust der Mantelbinde sich als fortgeschrittene | Species kennzeichnet. Die Einzelheiten sollen nicht wiederholt werden. Unter den Arten mit vorgeschrittener Anatomie muss L. arborum als die einfachere gelten, sie setzt mit der Stammbinde des Mantels und der inneren Binde des Rückens ein und bleibt entweder so, oder sie eilt | auf direktem Wege der Einfarbigkeit zu oder auf dem indirekten der Zick- | zackstammbinde, der Fleckenbildung und der Querstreifung. L. varie- | u u Ka Me EEE ae EEE yon zu Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u, ihrer europ. Verwandten. 323 gatus aber ist die höchste Form, da sie mit der Fleckenzeichnung von Jugend auf einsetzt und sie als kosmopolitische Kellerform zeitlebens bewahrt oder als Freilandform zur Einfarbigkeit fortschreitet. Der Stammbaum lässt sich durch beifolgendes Diagramm verdeutlichen. DM L. maximus L. tenellus ar | L. nyctelius Re Wr Der Einfluss der Atmosphäre kann nur bei den Formen verfolgt "werden, welche bald versteckt, bald auf freiem Lande leben; solche, die unausgesetzt unter gleichen Bedingungen existiren, entziehen sich der Beurtheilung, da sie uns als gefestigte und abgerundete Arten ent- gegentreien, wie vor Allem tenellus mit der weichen Haut und dem gelben Schleim. Im Übrigen zeigt sich, dass die Runzeln in der freien Luft derber werden, so bei L. cinereoniger gegenüber der Cinereus- gruppe, so bei L. Breckworthianus-ecarinatus im Vergleich zum typi- schen variegatus. An denselben Beispielen aber erkennt man den Ein- fluss des kälteren Klimas, welches das schwarze Pigment steigert; eben dahin gehört vor Allem der L. arborum var. Dianae. Die Begünstigung des Roth durch die Wärme tritt namentlich an den ungarischen und lombardischen maximus hervor. Keine Form aber hat es so weit ge- bracht, das Schwarz auch bei höheren Wärmegraden energisch auszu- bilden und dadurch den Aufenthalt in wärmerem Klima sich zu erringen. Als die ursprüngliche und eigentlichste Nahrung des Genus müssen Pilze gelten; die Lebensdauer lässt sich wahrscheinlich im Allgemeinen auf ein Jahr bestimmen, wobei vielleicht der maximus-cinereus und der _ variegatus wegen der gleichmäßigen Existenzbedingungen ihres Aufent- haltes, der arborum aber wegen der durch Trocknis häufig gebotenen Unterbrechung seiner Lebensenergie Ausnahmen machen. L. variegatus L. arborum Agriolimax. Wie die Gattung der Ackerschnecken anatomisch scharf vom Genus 'Limax verschieden ist, so ist auch das Färbungs- und Verfärbungsgeseiz von Grund aus ein anderes, damit zugleich die Lebensweise, damit das Bildungscentrum und Verbreitungsgebiet. Setzt Limax in der Entwicklung - mit der längsgestreiften Form der Stammzeichnung ein, so ist Agriolimax 324 Heinrich Simroth, zeitlebens ungestreift, von Jugend auf, in allen Arten und Zuständen. Man darf sich durch Konvergenzen und den Schein nicht täuschen lassen. Alle anatomisch einfacheren Arten sind ungebändert, ja ohne alle eigentliche Zeichnung überhaupt, nur bei der höchsten Stufe, dem Agriolimax agrestis, kommt durch völlig unregelmäßige Pigmentkoncentration viel- leicht hier und da eine zufällige Kombination heraus, die als Spur von Mantelbinden gedeutet werden möchte, namentlich wenn eine hellere Umwallung des Athemloches auf der rechten Seite das Pigment ein wenig nach links schiebt und so ein dunkleres Band erzeugt. Es muss aber von vorn herein nach meiner Erfahrung Verwahrung eingelegt werden gegen die Einführung von Binden unter die Merkmale. Die Varietäten des agrestis, wie sie WESTERLUND citirt, — 2) punctatus, albidus, atomis nigris sparsis et utrinque linea nigra, 6) tristis Moqu.-Tand., brunneus, clypeo utrinque fasciato, 7) obscurus Moqu.-Tand., subrufescens, obsolete variegatus, tentaculis fuscis et fasciis brunneis, — sind entweder in die Gattung Limax zu ver- weisen, wenn die Binde wirklich deutlich, — oder es handelt sich, was wahrscheinlicher, um einen zufälligen individuellen Anklang an ver- schwommene Limaxbinden, die aber den Namen nicht verdienen, denn es ist etwas Anderes, ob in dem einen Falle die verschwommenste Form einer vorher scharfen Jugendbinde vorliegt, oder im anderen eine ge- legentliche Anordnung diffusen Pigmentes ähnlich jener verschwommenen Binde bei einzelnen erwachsenen Thieren. Der letztere Fall gilt für Agriolimax, der erstere für Limax. Ähnliche Konvergenzen finden sich noch mehr bei einfarbigen Thieren; im Alkohol kann es schwer sein zu entscheiden, ob eine schwarzblaue Ackerschnecke vorliegt mit weißer Mittelsohle oder ein früh ausgefärbter L. maximus-cinereoniger, eine hell einfarbig geibrothe Ackerschnecke oder ein noch nicht gebänderter tenellus. Im Leben wird es leicht, sich nach dem Schleim zu orientiren: bei Limax ist er klar oder bunt, bei Agriolimax klar oder durch Kalk milchig; die Verwechslungen, die danach noch möglich erscheinen, sind durch anderweitige Merkmale leicht ausgeschlossen, so dass es nicht zwei Formen mit farblosem Schleim aus den beiden Gattungen giebt, die nicht ohne Weiteres zu unterscheiden wären. Als ein gutes Doku- ment der völligen Zeichnungslosigkeit der Agriolimaces kann auch der Kiel gelten. Wiewohl er oft stark kammartig vorragt, nie tritt er durch besondere Färbung aus der Umgebung hervor, wie er auch nie die ge- webliche Differenzirung zeigt wie bei Limax, er ist also nicht zäher, bindegewebiger als die benachbarte Haut, daher er auch nie bei Körper- kontraktionen sich in Schlangenwindungen legt. Die Färbung selbst lässt sich am besten bei den einzelnen Arten besprechen. Ich halte EEE Versuch einer Naturgeschichte der dentschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 325 dafür, dass zu Gunsten der Arten, deren Anatomie oben beschrieben wurde, eine Anzahl anderer einzuziehen sei, wie sich im Einzelnen mehr oder minder bestimmt erweisen lässt, nämlich Agriolimax panor- mitanus Less. und Poll. und Heydeni Heynemann unter agrestis, wahr- scheinlich brasiliensis Semper und lacustris Bonelli unter laevis, eben so wahrscheinlich campestris Binney und Weinlandi Heynemann, palli- dus Schrenk je nach den Autoren unter agrestis oder laevis, wobei ich auf die geringen Differenzen der Radula bei sonstiger Übereinstimmung nichts gebe. Wer meinen Ansichten über den maximus zustimmt, wird mich einer besonderen Diskussion dieses difficilen Punktes überheben. Die anatomischen Momente, aus denen sich die Reihe aufbaut, sind die Beschaffenheit des Penis und der Biinddarm an der letzten Darm- schlinge: Penis ohne jeden Anhang: melanocephalus; ohne Reizkörper: melanocephalus, Dymezewiczi, berytensis; mit Reizkörper: agrestis, Maltzani, laevis; mit einfachem blindsackförmigen Flagellum : laevis; mit aufgetriebenem, freiem, acinösen Flagellum:: Maltzani, berytensis, agrestis (das Flag. fast gar nicht verzweigt: Maltzani, — einfach gegabelt: berytensis, — gegabelt bis vielfach getheilt: agrestis). * Enddarm ohne Blinddarm: melanocephalus, Maltzani, Dymeze- wiezi; mit Blinddarm: berytensis, agresüis. Diese sehr deutlichen Faktoren machen es leicht, die natürliche Gruppirung zu finden. Die Ernährung ist grundverschieden von der des Limax, die Acker- sehnecken sind, nach den einheimischen mit Sicherheit zu schließen, durchweg herbivor, sie färben den Alkohol kräftig grün. Wenn Lex- MANN den agrestis in der Gefangenschaft den Limax tenellus angehen sah, war es gewiss der Zwang des Hungers!. Hiermit hängt es zu- sammen, dass von einem eigentlichen Standgebiet, nach den beiden deutschen Arten zu urtheilen, kaum die Rede sein kann. Wo Kräuter 1 Ein einziges Mal sah ich junge Ackerschnecken beim Fleischschmause be- theiligt, in eigenartiger Gesellschaft. Früh an einem Sommermorgen lag ein riesi- ger Regenwurm wie erstarrt offen da. Als ich ihn aufhob, machte er sofort heftige Bewegungen und entwischte. Das hintere Drittel war auf der Unterseite völlig _zerfleischt. An seiner früheren Lagerstätte sahen fünf oder sechs Scolopendriden aus Erdlöchern und durchpeitschten mit den Fühlern heftig die Luft nach der ent- wichenen Beute. Ein Paar kleine Ackerschnecken saßen auf demselben Fleck. Jedenfalls hatten sie am Mahle Theil genommen, nachdem das Gift der Tausendfüßler den Wurm betäubt. 326 Heinrich Simroth, wachsen, können sie vorkommen, Moosgrund und sandige Haide mit Nadelwald wird ihnen am wenigsten behagen. Im Einklang mit der Ernährung und dem unbegrenzten Aufenthalte lassen sich die deut- schen außerordentlich leicht züchten, wo die anderen Gattungen Schwie- rigkeiten machen, ich habe eine Familie im zugekorkten Reagensgläschen bei Salatfütterung monatelang gehalten. Die rundlichen Eier werden zu allen Jahreszeiten gelegt, und dasselbe Individuum schreitet bekannt- lich wiederholt zur Fortpflanzung, der mangelnden Verfärbung zufolge sehr früh schon. Danach wird es schwer, die Lebensdauer abzu- schätzen. Dennoch glaube ich bei der gemeinen Ackerschnecke wenig- stens im Winter höchstens gut halbwüchsige Exemplare zu finden und im Frühjahr wesentlich kleine; wenn das Gemüse zu Markte kommt, giebt es erst erwachsene. Ähnlich beim laevis. Demnach auch hier ein einjähriger Cyclus. Neigung zur Diöcie wurde schon früher besprochen, hier scheinen künftige Untersuchungen junger Thiere der außerdeut- schen Arten gute Früchte zu versprechen. IX, Agriolimax melanocephalus Böttger. Dieser Kaukasier ist seiner Anatomie nach die einfachste Art, Mangel des Blind- darms, der Anhangsdrüse und des Reizkörpers im Penis, Er steht also, da eine regressive Metamorphose gar nicht in Betracht gezogen zu werden braucht, der Stammart am nächsten. Gleichwohl trägt er Merkmale, die ihn nicht als Stammart erscheinen lassen, sondern mit einem individuellen Gepräge ausstatten. Dahin ge- hört die Länge und stärkere Aufwindung des Darmes so wie die, wie es scheint, späte Geschlechtsreife. Das Hinterende ist zugespitzt und schwach gekielt. Die Zeich- nung ist die ursprünglichste, einfachste unter der Gattung. Das Thier ist gleichmäßig hellgrau, etwas ins Gelbliche, nach dem Bücken zu all- mählich ins Schwärzliche dunkelnd. Die Dunkelung wird auf dem Schilde und Körper durch fein wolkige, beliebig vertheilte Pünktchen bewirkt. Ein solches einfarbig graues, nach oben gedunkeltes Kleid mit verschwommener, ich möchte sagen diffuser Pigmentkoncentration mag als Originaltracht der Gattung gelten; vielleicht, ja wahrscheinlich ist selbst die schwache Punktirung bereits eine sekundäre Stufe oder aber eine Folge einfach des Alkohols!. 1 Herr HEYnemAnn machte mich auf eine Thatsache aufmerksam, die ich selbst bereits beobachtet hatte, dass nämlich beim Agriolimax laevis niemals im Leben, wohl aber im Spiritus solche Punkte hervortreten. Ohne Zweifel wirkt hier der Alkohol kontrahirend auf die beweglichen Chromatophoren, und es bleibt nur zu | untersuchen, ob auch bei den außerdeutschen Arten die Punktirung lediglich eine posthume ist. Auch verlohnte sich das Experiment, ob denn die Kontraktion nicht doch durch irgend welchen Reiz am lebenden Thiere erzeugt werden könnte. nen ES Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten, 327 VIII. Agriolimax laevis Müller (Taf. VII, Fig. 17). Beim Anreihen dieser Art an die kaukasische muss man sich be- wusst werden, dass sie zwar nicht wohl anders gestellt werden kann, dass aber die Ableitung nur sprungweise geschieht, indem am Penis gleich zwei neue Merkmale, der Reizkörper und die durch das rückwärts sekrümmte blindsackartige Flagellum erzeugte Stammform,hinzukommen. Wir haben es mit einer relativ hoch entwickelten Form zu thun, welche eine große Verbreitung erlangt, d.h. eine sehr vollkommene Anpassung gewonnen hat und auf Grund dieser breiten Basis selbst mannigfach variirt, äußerlich und innerlich. Sie macht sich bei uns von der Jahres- zeit fast so unabhängig wie von der Trockenheit, wobei sie allerdings im Sommer gar zu warme Stellen meidet. Zunächst findet man ver- einzelte Thiere, die nach den Autoren schwieriger zu sammeln sind, das sanze Jahr über zerstreut an Bachrändern, im Genist, unter Baumrinde im Walde, unter ausgelegten Brettern. Sie sind dunkel mäusegrau, oft mit schwärzlichem Rücken, tragen also eine gedunkelte Originaltracht und sondern glashellen Schleim ab. Herynemann gab von dieser Form so deutliche Abbildungen (27), dass seine Beschreibung wohl das Muster geworden ist für alle späteren. Die sehr kleinen Thierchen sind hinten plump, und der Mantel ist so groß, dass er der Rückenlänge gleich kommt. Was ich von der Unvollkommenheit der Genitalien derartiger Formen herausbrachte, verbietet es, aus ihnen eine neue Art oder gar ein Subgenus Hydrolimax zu machen. Diese zerstreuten Jugendformen kommen, wie gesagt, zu allen Jahreszeiten vor. — Demnächst trifft man im Sommer an Kraut etwa oder unter Steinen im Rasen eine größere schlanke Schnecke (Fig. 17 A), die durchaus hellgrau ist, mit einern Stich ins Röthliche. Das Hinterende geht spitz aus, und der Mantel hat _ dieselbe mäßige Größe wie beim agrestis. Man verwechselt beide Thiere, wenn sie am Gemüse zusammen leben, um so leichter, als auch dieser helle laevis auf stärkeren Reiz einen schwach milchigen Schleim ausstößt, also, wohl auf Einfluss der Wärme oder Trockenheit, Kalk ab- sondert, wenn auch in geringerem Maße. Die Jungen dieses Thieres sind eben so hell. Sammelt man in den nasskühlen Herbsttagen (1883 that ich es bis in den December hinein) an demselben Ort, so ist an Stelle der hellen Form eine einfarbig dunkle getreten, graubraun bis schwarz, ‚mit plumperem Hinterende und größerem Mantel, nur vereinzelt noch ein helleres Thierchen darunter. Auf sie passt vortrefflich das Charakteristikum, das Bınn£y für den amerikani- schen L. campestris dem agrestis gegenüber hervorhebt : »it is always much smaller, and at all ages posseses a peculiary gelatinous or transparent consistence«. Mittelhelle 328 Heinrich Simroth, haben den hinteren Manteltheil eigenthümlich goldig schimmernd, aprikosengelb etwa, so dass eine Verwechslung mit schwach gezeichneten tenellus möglich wird. Ja der Mantel ist so zart gelatinös, dass man deutlich die Schale von außen er- kennt. — Ich habe mich in meiner unmittelbaren Umgebung sowohl. in Garten und Feld, als an der Saale bei Halle von der Verfärbung überzeugt; und so liefert die Art eine treffliche Bestätigung für Leynıe’s Vermuthung, wonach die Dunkelung von der Feuchtigkeit oder, wie ich glaube, von der niedrigeren Temperatur bedingt wird. Die Sommerexemplare auf trocknem Krautlande sind hell, die am gleichmäßig kühlen Bach dunkel. Im Herbst und Winter dunkeln sie alle. Mit der Feuchtigkeit aber scheint zugleich ein plumperes Quellen des Körpers und namentlich eine Wucherung der Mantelkapuze zu- sammenzuhängen. Gleichfalls vom Aufenthalt am Wasser wird es nebenbei herrühren, dass sich in einer noch kleinen Schnecke drei Wasserkälber vorfanden, eine gewaltige Para- sitenlast. Der schwankende Gang der Genitalentwicklung macht es nicht unwahrschein- lich, dass auch in der Radulabewaffoung geringe Differenzen auftreten. Dann aber fällt der Agriolimax lacustris (44) ohne Weiteres dem laevis anheim und ist als Art zu streichen. Schwieriger scheint mir die Beurtheilung des Agriolimax pallidus Schrenk. Nach ScarEnk’s eigener Beschreibung (57) kann ich kein Be- denken tragen, seinen pallidus mit dem laevis zu identificiren, und zwar hat der Autor die helle Soemmerform vorgehabt. »Sie stimmt, bis auf ihre gelbliche Farbe, die etwas ins Grauliche und Rothbraune abändert, ihre etwas geringere Größe und nach dem Körperende zu eine mehr allmählich verjüngte Gestalt, in ihren wesent- lichen äußeren Merkmalen mit dem L. agrestis überein.« Der farblose Schleim be- stimmt SCHRENk vor Allem, die neue Art pallidus aufzustellen. Es ist der laevis. Wenn sich die Beziehungen so weit leicht klären lassen, wird die Stellung wiederum verdunkelt durch die Auffassung. Lessona’s und POLLONERA'S, die den pallidus vom laevis trennen und zwischen beide den agrestis einschieben. Doch kommen sie mit ihrer sonst deutlichen Beschreibung über ein Hindernis nicht hinweg. Der klare Schleim, der nur auf stärkeren Reiz milchig wird, würde für den laevis passen, nicht jedoch die Anhangsdrüse des Penis, die dichotomisch gezeichnet ist, so zwar, dass die einzelnen Äste vielfach acinös anschwellen. Eine solche Drüse würde nur auf den agrestis deuten, für den ich ausdrücklich genau solche Formen beschrieb. Nun aber geben die Italiener für ihren laevis (und lacustris), d. h. für die Gruppe Hydrolimax, an, dass der Penis ohne Flagellum (wie ich es bei den jugendlichen zeichnete, Taf. IX, Fig. 20 F). Somit fehlt in ihren Beschreibungen die Hammer- gestalt des Penis unseres laevis mit dem blindsackartigen Flagellum völlig. Da aber der laevis sicherlich wohl in Oberitalien haust, bleibt kaum etwas Anderes übrig, als die acinösen Anschwellungen der Anhangsdrüse für eine Folge ungünstiger Konservirung zu nehmen, daher denn auch in dieser Fassung der pallidus zum laevis wird. 1 Nach Fertigstellung der Arbeit erhieltich zwei interessante Neuigkeiten, eine Abhandlung von IBErıng’s über die amerikanischen Limaces im Manuskript (die in den Jahrb..d. d. m. Gesellsch. erscheinen soll) und ein Exemplar des Limax hyper- boreus Westerlund von der Beringsinsel. Ersterer führt die amerikanischen Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 399 X. Agsriolimax Dymezewiezi Kalen. Die Art aus der Krim! hat dunkle Laevisfärbung, d. h. die Originaltracht, gerade wie der melanocephalus, nur dunkler. Einen individualisirten Ausdruck erhält das Thier durch das fast weiße Mittelfeld der Sohle, die nun wie beim Limax maximus-cinereoniger erscheint. Anatomisch darf die Art nicht an laevis, sondern sie muss an melanocephalus angeknüpft werden, ein melanocephalus, der, ohne Reizkörper, eine einzelne, knotig erweiterte Anhangsdrüse am Penis erworben hat. XII. Agsriolimax Maltzani n. sp. (Taf. VII, Fig. 18). Wiederum eine Form von Größe und Zeichnung des laevis, grau, in der Ori- ginaltracht der Gattung, oben durch feine schwarze Punkte gedunkelt. 41,5—2,2 cm in Alkohol. Die portugiesische Art, die Herr von MarLtzan in Algarve sammelte, schließt sich an die vorige an, indem sie einen langen Reizkörper neu ausbildet. XI. Agriolimax berytensis Bourg. Auch diese Art leitet sich am einfachsten vom Agriolimax Dymczewiczi ab, doch so, dass sie nicht einen Reizkörper im Penis, sondern einen Blinddarm an der letzten Darmschlinge erwirbt. Die Zeichnung ist ebenfalls das dunklere Kolorit des laevis, d.b. die Originaltracht. Meist ist das Kielende ein wenig scharf hervorge- zogen, als wenn man es zwischen Zeigefinger und Daumen zu einem geringen Kamm in die Höhe gedrückt hätte. VII. Agriolimax agrestis (Taf. VII, Fig. 14—16). Die gemeine Ackerschnecke ist die am weitesten verbreitete, und "wie siesich darin über die in ihrem Vorkommen beschränkteren Gattungs- genossen erhebt, so auch in der Färbung. Die einheimischen entfernen ‚sich von der Originaltracht ziemlich weit. Von dieser Art allein hatte 'L. campestris, stenurus, brasiliensis und argentinus auf unseren Agriolimax laevis zurück, wodurch meine oben ausgesprochene Vermuthung betreffs des campestris und brasiliensis bestätigt wird. Die Unterschiede sollen nur in der Radula liegen ‚und etwa im Mangel eines Penisretraktors. Auf die Radula ist auch nach unseren ‚europäischen Thieren nichts zu geben. So scheint es denn nach von IHERING, dass von den Gattungen Limax, Arion, Amalia und Agriolimax die ersteren in Amerika importirt seien (d. h. doch wohl historisch durch den Menschen?), wäh- rend Agriolimax in der Laevisform ein ursprünglicher Amerikaner wäre. Zur Ent- scheidung wird an die Alluvionen appellirt. Ich glaube, der hyperboreus kann die Antwort geben. Dieses Thier ist ebenfalls ein laevis, der in dem mangelnden Re- traktor dem amerikanischen Typus gleicht. Schwerlich wird man seine Verbreitung mach der Beringsinsel und nach ganz Nord- und Südamerika auf Schiffsverkehr zurückführen dürfen, sie ist viel älteren Datums. Noch mehr wird das bewiesen ‚dadurch, dass diese Amerikaner mit dem kurzen Reizkörper und dem mehr ge- streckten als hammerförmigen Penis viel weniger unserer normalen Form gleichen als jener jugendlichen Abweichung, deren Penis ich in Taf. IX, Fig. 21 VIII G ab- bildete und die nun von um so größerer Bedeutung wird. Denkt man sich hier den schwachen Reizkörper in den unteren Abschnitt, dann hat man die Gestalt des 'hyperboreus. Und so ergiebt sich das Resultat, dass bei uns der laevis in der Geni- 'talentwicklung ein wenig schwankt und dass seine seltenere Bildung in der neuen "Welt die Norm ist. 1 Der Nachweis vom Goktschasee in Russisch-Armenien durch Branpr und 'voN MARTENS ist vielleicht richtig, doch ohne Anatomie zu bezweifeln (54). 390 Heinrich Simroth, ich, um mit den hellen zu beginnen, einen echten Albino, ohne jede Spur von Pigment, auch in den sonst wohl ausgebildeten Augen. Natür- lich muss dieser Einzelbefund als eine individuelle Ausnahme betrachtet werden. Als regelmäßige Vorkommnisse, meist im Walde lebend, sind etwa nach WesterLunD aufzuzählen A) albidus, 3) filans (weißlich mit gelblichem Mantel), 8) succineus, 40) lilacinus, norvegicus Westerlund, sylvaticus Drap., wozu man den auratus Less. und Poll. fügen könnte, alle mehr oder weniger einfarbig weißlich, nach oben ein wenig farbig angehaucht, gelbroth, röthlich, lila. Auch den Heydeni Heynemann vom Engadin glaube ich hierher zählen zu müssen. Ein solcher auratus mag wohl mit einem jüngeren einfarbigen L. tenellus verwechselt werden, daher der Unterschied (auch ohne Sektion) wichtig. Er liegt in der Hautskulptur. Nie giebt es bei den Ackerschnecken gekielte Runzeln, kaum wirklich erhabene Warzen, ähnlich vielmehr den Amalien ist die Haut glatt und nur durch Furchen eingetheilt!. Diese Rinnen, im Ganzen wie bei allen unseren Schnecken geordnet, umschließen nament- lich deutlich am Rücken annähernd regelmäßig polygonale Felder; und diese müssen zur Unterscheidung von dem bei seinem weichen Körper | im Alkohol glatt erscheinenden tenellus dienen. An die Rinnen hält sich nun weiter der Farbstoff oder die Zeichnung. Ein dunkelbraun sch wärz- | liches Pigment ziert die Furchen der Länge und Quere nach auf eine | kurze Strecke, verzweigt sich mit der Furche, geht ein wenig auf die | Runzeln über und bildet einen unregelmäßig strahligen Fleck, meist | vorwiegend in der Längsrichtung. Es ist gerade, als wenn ein Farben- tröpfchen an beliebiger Stelle in die Rinne gebracht würde, das dann in | derselben weiter liefe und durch Kapillarattraktion sich ein wenig an ! den Bändern hinaufzöge. Auf dem Mantel sind die Flecke eben so will- | kürlich zerstreut, aber von mehr geschlossener, eckiger oder rundlicher Form. Vereinzelte Flecke geben, wie mir scheint, zunächst bei helleren | Waldthieren, ein hübsch buntes Ansehen; stärkere Häufung erzeugt | den gemeinen reticulatus; er kann durch völliges Verschmelzen des " Netzwerkes in die Zeichnung desLL. variegatus übergehen, er kann durch f noch stärkere Ausbreitung des Pigmentes zu ganz dunklen Formen wer- den, die dann wohl durch noch hervortretende Punkte eine Art Mantel- " binde erzeugen (tristis). So weit beiuns. Im Mittelmeergebiet kommen | andere, lehrreiche Färbungen. Herr von Marrzan brachte zunächst eine } Serie mit, die besondere Aufmerksamkeit verdient. | Vier Thiere von Brussa, groß (4,7 cm in Alkohol), hinten einfach zugespitzt, | ohne erhabenen Kamm, gleichmäßig grau, hier und da mit verwaschenem schwärz-| 1 Die in den verschiedenen Handbüchern der Zoologie kursirenden Zeichnungen leiden durchweg an dem naturwidrigen Fehler gewölbter Runzeln. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 331 }ichen Pigment. Auch trotz mäßiger Erhaltung der Haut ist der Mangel einer Zeich- nung deutlich. Enddrüsen des Penis viel verzweigt (4 Hauptschläuche mit 44 Blindendet.). Zwei Thiere von den Dardanellen (asiatische Seite), oben etwas dunkler grau als unten, doch nicht über eine mittelgraubraune Farbe hinausgehend;; ohne eigent- liche Zeichnung. Hinterende einfach zugespitzt (2,5 und 2,9 cm). Zwei von Magnesia gerade so; Stich ins Rothgraue (2,4 und 3 cm). Innen hell, das schwärzliche Mesenterium sehr spärlich. Penisdrüse klein, einfach gegabelt. Unter 47 Thieren von Sitia auf Kreta wurden zunächst vier ausgeschieden mit der Originaltracht. Zwischen 4,4 und 4 cm Länge wechselnd waren sie hellgrau, auf dem Rücken zart bräunlich grau getupft, nicht gestrichelt, an den Seiten unten hell weiß. Flagellum mit vier längeren Schläuchen, die beiden endständigen mit einer Reihe Seitensprossen oder Blindenden. Die übrigen 13, zwischen 4 und 2 cm Länge, haben alle einen schieferblauen Anflug oben, der zunimmt bis zu gleichmäßig dunklem Schieferblauschwarz. In letzterem Falle ist nur die Mittelsohle hell, und einige der kleineren haben die echte zweifarbige Sohle des L. maximus- cinereoniger. Auch die kleinen mit wohlentwickeltem Penis, woran die Enddrüsen groß, aber wenig verzweigt sind, mit zwei einseitig gesäg- ten Schläuchen. Bei allen 17 Thieren ist der Kiel kammförmig erhaben und hinten über die Sohle hinausreichend. 25 Exemplare von Canea aufKreta, zwischen 1,7 und 4,8 cm in Alkohol, weisen viele Farbennuancen auf. Vier etwa in dem Graubraun der deutschen mit schwacher Fleckung (nicht Strichelung), also in der Originaltracht. Die allergrößten sind matt hellgrau mit einem Stich ins Schieferbläuliche oben, hier und da letzte Spuren von Flecken, zumal auf demSchild. Einige sind über und über gleichmäßig hell schiefer- blau, nur oben wenig dunkler. Vier (von 3 bis 3,5 cm) stechen durch ihre Dunkel- heit ab, fast schwarz, nur vorn an den Seiten unter dem Schilde hellgrau (Fig. 15 B). Das Schwarz greift auf die Sohle über, doch nur am Rande und noch nicht bis zur Grenze der Mittelsohle. Haben wir hier das eine Pigmentextrem im Blauschwarz, so erreicht ein anderes fast eben so großes Thier das Extrem im Roth (Fig. 16 O), hellgrau mit einem Stich ins Rothe und von oben her, schwach gefleckt, zimmetroth übergossen, die Originalzeichnung ins lebhaft Rothe. Alle Thiere haben den charakteristischen Kielkamm. Die vielleicht gar zu ausführlich geschilderte Reihe lehrt, wie im Osten und Südosten lediglich die graue Form vorherrscht, mit den zar- ten Flecken der Originaltracht, wie diese Form auf Kreta sich einfarbig hält und entweder (seltener) in Zimmetroth oder in Blauschwarz um- schlägt und wie sie hier den Kielkamm besonders entwickelt. Wenn ' durch die Übergänge die Einheit der Art für alle diese Formen bewiesen ist, dann verliert auch der Agriolimax panormitanus Less. und Poll. von Sicilien und Gibraltar seinen specifischen Werth und gehört zu den kre- Zeitschrift f. wissensch, Zoologie, XLII. Bd. 323 a 332 Ä Heinrich Simroth, tensischen dunkei einfarbigen Thieren mit hohem Rückenkamm; die Farbe geht nur ins Bräunliche. Es entzieht sich meinem Urtheile, in wie weit der oberitalienische Agrio- limax veranyanus (als Varietät des agrestis) gerade hier sich anschließt. Die Beschreibung »L. cinereus, maculis nigris parvulis notatus« 44) deutet auf eine dunkle Originaltracht. Als eine besonders hohe Steigerung derselben mit völliger Zerlegung des gelbgrauen Pigmentes in Weißgelb und Schwarzgrau oder dunkel Graubraun muss wohl der florentinus Less. und Poll. gelien, ein schön helles Thier, auf der ganzen Oberseite mit dunkeln Punkten ge- ziert, die zwar auf dem Rücken etwas länglich werden, aber nie zur Reticulatusform verschmelzen. Und mir will es scheinen, als ob der reticulatus, die gemeinste Form von den Alpen an (Tirol, Deutschland, Norwegen, Siebenbürgen), sich nicht vom florentinus, einer gesteigerten Grundform, ableitete, sondern vielmehr von der einfarbig abgeblassten, die das dunkle Pigment zunächst in ganz vereinzelten Flecken neu er- wirbt und dann allmählich das neu erworbene steigert. Der hohe Kiel- kamm darf um so weniger systematischen Werth beanspruchen, als er hei dem südlichen panormitanus und bei dem nördlichen norvegicus vorkommt. So präsentirt sich denn der agrestis als eine Schnecke, die sich an den Mittelmeerküsten durchweg in der Originaltracht hält, an den süd- lichsten wärmsten Punkten das Pigment zur höchsten Intensität des Roth und Blauschwarz steigernd, im florentinus das Gelbgrau am stärk- sten zerlegend. In den nördlichen Theilen des Mittelmeergebietes, wenigstens Italiens, wiegt die abgeblasste Grundform vor (auratus, rufescens etc.), die dann von Neuem in den Alpenländern dunkles Pig- ment und Netzzeichnung erwirbt (reticulatus). Die letztgenannten Varietäten sind die Weltformen geworden. Übersicht der Agriolimaces. Die Berücksichtigung des agrestis allein könnte eben so gut, wie bei Arion und Limax, auf unsere großen Gebirgskämme, zunächst die Alpen, als den Weg der ursprünglichen Einwanderung hinweisen; dann leiteten sich aus einer einfarbigen helleren Gebirgsform in den Bergen und nach Norden der reticulatus, nach Süden der florentinus und namentlich die lebhaften einfarbigen Varietäten ab. Die übrigen Arten decken das Trügerische solcher Schlussfolgerung auf. Es ergiebt sich vielmehr deutlich eine Reihe in ihrer äußeren Originaltracht zum Verwechseln ähnlicher, im Inneren konstant verschiedener Arten, die an den Gesta- den des Mittelmeeres Posto gefasst haben. Die Südspitzen Europas sind | \ | Versuch einer Naturgeschiehte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 333 namentlich alle besetzt. Die Reihe beginnt im Kaukasus und geht durch die Krim, Kleinasien, Syrien, Kreta, Sicilien bis Portugal. Die Zwischen- stationen sind weiter zu untersuchen, wahrscheinlich liefern sie neue Formen und Arten. Die meisten Species, melanocephalus, Dymczewiczi, Maltzani, berytensis bleiben in der Originaltracht, wo, wie ich glaube, alle äußere Beschreibung zur Speciesunterscheidung unzulänglich sein muss. Alle diese Arten scheinen sich innerhalb des Urgebietes zu halten. Die beiden übrigen, laevis und agrestis, verbinden mit einer größeren Verbreitung ein reicheres Kleid. Ersterer befolgt mit seiner einfachen Tracht das allgemeine Gesetz, wonach das Pigment durch Kälte (Feuchtig- keit) dunkler, durch Wärme (Trockenheit) heller wird. Der agrestis andererseits zerlegt das einfarbige Pigment der Grundzeichnung in die beiden Komponenten Schwarz (Kastanienbraun) und Roth (Gelb), ohne dass das letztere in Farbdrüsen die Haut durchbräche. Wenn dasRoth an den südlichsten Punkten, auf Kreta, am lebhaftesten wird, wird es wohl eine Folge der Wärme sein. Viel auffallender aber ist es, dass auf den- selben südlichsten Posten, Kreta, Sicilien und Gibraltar, das Schwarz am intensivsten auftritt, dass überhaupt hier die hellen Auratus-albidus- formen und dgl. fehlen. Was hier beim agrestis am stärksten hervor- tritt, gilt eigentlich von der dunkel-düsteren Originaltracht aller Arten zusammen. Mit anderen Worten, hier scheint das Gesetz Geltung zu haben, wonach bei unseren Nacktschnecken durch Schwarz die Konsti- tution auch gegen Wärme gekräftigt wird, wie bei den Arionen. Nur die Formen, die im Warmen Schwarz zu entwickeln vermögen, können im wärmeren Klima gedeihen ; in der That sind unter den dunkelsten agrestis die größten zu finden. Die Originaltracht erscheint als ein gleichmäßiger Schutz gegen die Wärme des Aufenthaltes, unter der gleichen Tracht verbergen sich die verschiedenen Arten, nur die, welche die Tracht zu variiren vermögen, sind auch im Stande, das Bildungs- centrum zu verlassen und Weltbürger zu werden. Es ist leicht, einen Stammbaum zu konstruiren, der die anatomischen Verhältnisse zum Ausdruck bringt. laevis agrestis > Maltzani Di N berytensis a Dymezewiczi IN & meianocephalus Die Entscheidung, welches die jüngsten Glieder seien, fällt je nach ', dem Standpunkte verschieden aus. Nach der größeren Variationsweite 22% 334 Heinrich Simroth, und der geographischen Verbreitung müssten agrestis und laevis wohl als die ältesten, zuerst losgelösten Formen gelten, die doch für Abände- rung und Ausbreitung Zeit brauchten. Andererseits aber, wenn man diese Arten durch Neuerwerbung der ihnen eigenthümlichen Organe abzuleiten hat, müssten doch die Stammformen melanocephalus, Dym- czewiczi und berytensis früher dagewesen sein und sich in der ur- sprünglichen Form mehr oder weniger unverändert erhalten haben. So werden wir hier vor ein Dilemma gestellt, in das wir bei descendenz- theoretischer Vergleichung recenter Arten wohl immer gerathen. Amalia. Die Arten dieser Gattung sind anatomisch meist viel enger zu- sammengehörig, als die besprochenen Genera, Arion vielleicht aus- genommen. Da aber Färbung und Entwicklung viel weniger zur Unter- scheidung beitragen, wird hier der Begriff entschieden schwankend, was Art, was Varietät sei. Vier oder fünf kennzeichnen sich durch äußere und innere Merkmale ganz gut; doch sind diese Merkmale zum Theil so geringfügiger Natur, dass man den Farbenvarietäten anderer Species hier anatomische Varietäten gegenüber zu stellen versucht sein möchte. Keine Gattung ist in ihrem Bau innerhalb bestimmter Grenzen so flüssig als die Amalia. Daher lohnt es sich kaum, über die Berechtigung einer Reihe von Arten zu debattiren, während vielleicht noch der eine oder andere Limax, der bisher im strengen Sinne als selcher galt, hierher zu ziehen ist. | Das Färbungsgesetz ist auffallend ähnlich dem der Agriolima- ces, speciell des agrestis. Doch findet sich noch ein Rest von Stamm- ) zeichnung in den beiden dunkleren Mantelbinden der röthlichen Formen; / nur wird die Reinheit des Merkmals wesentlich dadurch getrübt, dass " die beiden Stufen bei manchen, gegen alle sonstige Regel, sich vorn zum | Hufeisen verbinden; wahrscheinlich haben wir es mit einer Stamm- | zeichnung zu thun, die sich in ihrem vorderen Zuflusse der Mantelrinne | angepasst hat. Von der deutschen Am. marginata ist es bekannt (46), " dass junge Thiere heller erscheinen als alte, dass sie die Stammzeich- | nung aus einzelnen Punkten und Fleckchen bilden, die erst allmählich Mi sich dichter drängen. Ähnlich verhält es sich mit der röthlich grauen, | wohl ins Fleischrothe gehenden Grundfarbe, auch sie dunkelt mit der Zeit. Von der geringen Stammzeichnung abgesehen, sind die Arten ur- | sprünglich einfarbig, dann treten dunklere Striche oder Punkte auf, | nicht in Längsbändern, sondern wie beim agrestis den Furchen folgend, | über den ganzen Rücken. Da aber die Längsfurchen nicht durch Quer-| rinnen verbunden werden, da es keine eigentlichen Runzeln giebt, | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 335 kommen auch weniger Verbindungen der dunkeln Längsstriche zu Stande, es fehlt die Reticulatusform der Ackerschnecken. Die dunkeln Chromatophoren sind beweglich, daher Farbenwechsel ins Trübe (46). Wie aber der Agr. agrestis auf den südlichen Gestaden des Mittelmeeres eine einfarbig schwärzliche oder schieferblaue Varietät erzeugt, gerade so hat Amalia an ähnlichen Lokalitäten dunkle einfarbige Arten ent- wickelt. Wie bei den Ackerschnecken, ist der Schleim niemals bunt, wird aber durch besonders zähe beigemischte Byssusfäden (46) firnis- artig klebrig und durch Kalk weiß. Auch sonst sind zwischen den Gattungen wesentliche Unterschiede. Die Amalien sind, nach dem wenigen Bekannten, echte Fleischfresser, mit Sicherheit die deutschen Arten, von denen man auf die anderen wird schließen dürfen. Dabei ist die Anzahl der Beutethiere äußerst beschränkt. Wie von Kınarowicz von seiner Amalia cibiniensis, d. h. unserer gracilis, mittheilt, verzehrt sie bloß einige wenige Helixarten und zieht Kartoffelstückchen nur dem Hungertode vor, die Nacktschnecken verschmäht sie wie alles Übrige. So wollte auch die marginata durch- aus keine Nahrung annehmen, bis Herr StruseLL beobachtete, dass eine zugleich eingepackte Helix arbustorum ausgefressen wurde. Die Lebensdauer ist schwer festzustellen, vermuthlich erstreckt sie sich über mehrere Jahre; die geringe Anzahl und der große Um- fang der Eier unserer Amalia marginata deutet auf einen spärlichen Nachwuchs; so fand ich auch zu verschiedenen Zeiten vom März bis in den Herbst alle Größen vereinigt, die erwachsenen aber bedeutend in der Überzahi; das wäre kaum möglich, wenn sie in einjährigem Alter abstürben. Von anderen Arten fehlen leider meines Wissens alle be- züglichen Angaben. XIII. Amalia marginata (Taf. VII, Fig. 49, Kopf). Das röthlich graue Thier mit schwarzen Pünktchen und Strichelchen, welche den Furchen folgen; zu beiden Seiten des Schildes ein größerer schwärzlicher Strich, vorn nicht verbunden, bei jungen aus einzelnen Punkten zusammengesetzt, Rest der Stammzeichnung. Sohle hell gelblichweiß, auch in der Mitte drüsenreich. ‚Keine wesentliche Verfärbung mit dem Wachsthum, außer allgemeiner Dunkelung. Die späte Geschlechtsreife gegenüber den außerdeutschen Südeuropäern dürfte mit " unserem wenig adäquaten Klima zusammenhängen. Wichtig dürften die Bedingungen des Aufenthaltes sein. Ich kenne die Schnecke in unserer Umgebung nur vom Muldenthal, wo sie auf 1 Da durch Herrn Cressiv in allerneuester Zeit in Dalmatien die erst noch zu be- schreibende Amalia Reuleauxi moosfressend gefunden wurde, sollen in Zukunft die 'Ernährungsverhältnisse der Amalien einer erneuten Prüfung unterzogen werden. 336 Heinrich Simroth, einem bewaldeten Porphyrabhang bei Grimma massenhaft sich hält, aber nur unterhalb des Schlosses Döben, so weit dasselbe den Berg mit Bauschutt und Kalkgerölle überdeckt hat. Man findet-sie zwischen den lockeren Steinen. Ganz eben so beschreibt Hazay den Fundort seiner Amalia budapestensis bei Pest; genau so dürfte es mit dem Vorkommen unserer Art bei Dresden sein, in Weinbergen, deren Gesteinsbrocken man kennt, oder im Heidelberger Schlosse, oder in Kalkgebirgen. Haben wir es mit einer kalkbedürftigen Art zu thun ? Nach den Untersuchungen von H. Jorpan (32) ist nicht der Kalk das Maßgebende, sondern die Zer- klüftung des Gesteins, welches bei stärkerer Durchsonnung sich wärmer erhält und südlichen Thieren die Existenz ermöglicht. Amalia marginata stammt aus dem Süden und zwar neben der Amalia gracilis als die ein- zige Art, dieins Binnenland gedrungen ist. Da aber die Anforderungen, die sie an die Örtlichkeit stellt, nicht überall zu finden sind, tritt um so leichter Vereinzelung ein. Dieselbe Bedingung wird wohl für die Ver- wandten die leicht verständliche Ursache zur Erzeugung besonderer Lokalformen. Der Weg, auf welchem unsere Art ins Binnenland ge- drungen, ist mir nicht ganz klar; vielleicht deutet die anatomische Ver- wandtschaft an, dass sie über die Alpen gekommen sein müsse, denn anatomisch steht ihr am nächsten XV. Amalia carinata Risso (Taf. VII, Fig. 20). Freilich muss da gleich betont werden, dass bei dieser der Art- begriff im höchsten Maße flüssig wird, wie ich es schon in der Ana- tomie, betreffend das Vorhandensein oder Fehlen des Hornes, an- deutete. Ich muss zunächst eine Reihe von Amalien, die Herr vos MALTzAn mitbrachte, hierher rechnen;; zwei von Athen, schlecht erhalten, hell ohne jedes dunklere Ab- zeichen, kretensische sieben von Sitia, sechs von Canea, wovon ich eine recht dunkle (A) und eine recht helle (B), letztere noch nicht geschlechtsreif, abgebildet habe. Eine der letzteren hatte die Eigenthümlichkeit, welche der Gattung gelegent- lich zukommt, dass das Mittelfeld der Sohle in der hinteren Hälfte schmutzig braun und beträchtlich dunkler war, als die Seitenfelder. Wenn die anatomischen Charaktere dieser Thiere, gegen die der marginata gehalten, durchweg nur relative sind und sich nur durch Komparative geben lassen (kürzerer, dickerer Blasenstiel, längeres Recenptaculum, kürzere Patronenstrecke, längerer Penis, stärkere Penisretractoren, Columellarmuskel stärker zerlegt), so liegt doch in der Zeichnung ein doppeltes Merkmal: die Stammzeichnung des Mantels schließ sich vorn zum Hufeisen, und die Strichelung des Rückens besteht nie aus eigent lichem Schwarz, sondern nur aus dunklem Roth- oder Purpurbraun. Oft wird das Schild recht dunkel, wobei das Hufeisen verschwindet, überhaupt wechselt die Gesammtfärbung stark von isabellgelb bi dunkelroth, die Seiten bleiben ziemlich hell, die Sohle hell. Die Größ Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 337 ist etwa dieselbe, wie bei der marginata. Etwas kleiner allerdings sind die Kretenser; und diesen wiederum besonders ähnlich ist die XVI. Amalia graeilis (Limax gracilis Leydig), die vereinzelt von Süddeutschland bis Siebenbürgen lebt, wo sie Herr von Kımarowıcz als Amalia cibiniensis beschrieben hat. Sie ist meist noch kleiner, gleicht aber an Gestalt und Farbe am meisten den letztgenannten Thieren, wie sich die Anatomie eben so gut hier anreiht, als ein Übergang zur marginata. Der Unterschied liegt in der Farbe, in so fern als die Strichelung mehrschwarzbraun wird, auch stehen die Striche und da- mit die Furchen etwas weiter von einander ab, sie sind spärlicher. Das Kolorit wechselt, indem die verschiedenen Thiere zwar ziemlich dunkel sind, manche aber besonders auf dem Rücken geradezu in Dunkelschwarzbraun über- gehen. Der Mantel ist so dunkel gesprenkelt, dass die Zeichnung absorbirt wird, die Binde ist nicht mehr zu erkennen. Auch die Sohle ist dunkler, mittelgrau etwa, und zwar so, dass bei diesem Individuum das Mittelfeld, bei jenem die Seiten heller sind. Die Jungen sind hier besonders dunkel. Mit derselben Form, vielleicht noch etwas mehr gedunkelt, haben wir es in der budapestensis Hazay (14) zu thun. Die Abbildungen deuten ganz darauf hin. Die Figur, wie sie der Autor von den Genitalien giebt, weist direkt in unseren Formenkreis; man kann sie am besten zur marginata beziehen (kurzer Penis, schlanke Patronenstrecke, schlanker Blasenstiel, länglich ovales, nicht zugespitztes Receptaculum)i, Dass wir es aber mit solch schwankender Übergangsform zu thun haben, zeigt Hazav gleich an der Zunge, der Mittelzahn war bei dem einen Thier einfach flaschenförmig, bei einem anderen von demselben Fundort mit den charakteristischen Spitzen der marginata. — In diese Reihe kleinerer Carinataformen, welche zur marginata hinüberneigenr, dürfte end- lich die Amalia cristata aus der Krim gehören, die ich von äußerem Ansehen kenne. Sie hat ganz die Gestalt der gracilis, noch etwas kleiner, die Furchen sind noch spärlicher und weiter abstehend, vor Allem aber ist sie gleichmäßig röthlich grau ohne jedes dunklere Abzeichen oder Fleckchen. Lessona und PoLLoneErA \44) geben die carinata von Italien und Sicilien an, sie soll jedoch am Nordgestade des adriatischen Meeres fehlen und eben so auf Corsica und Sardinien. Sie würde also eine mehr östliche Verbreitung in den wärmeren Theilen des Mittelmeeres haben, was sich aber in mehrfacher Hinsicht nicht auf- recht erhalten lässt. Die Italiener machen eine Reihe von Varietäten (oder Arten), die sich alle leicht aus der Zeichnung erklären. Zu solchen rechne ich ihre Amalia tyrrhena, die von Pauruccı bei Neapel gefunden wurde, etwas kleiner und mit dunklerem Sohlenmittelfelde, was schwerlich, nach den Befunden an der gracilis, eine Art begründen kann, so wie die Amalia etrusca Issel, ziemlich dunkel, Kiel schwärzlich, Seitenfelder der Sohle dunkler, sonst ohne bezeichnende Merkmale. Wie man sieht, gehören beide in das Bereich der Stammart. Die Dunke- ; lung der lokomotorischen Mittelsohle beruht sicherlich nicht auf Pigmentirung, sondern auf zufälligem Quellungszustand, der mit der physiologischen Bedeutung zu thun hat und eine abweichende Transparenz bewirkt. Viel wichtiger dürfte sein, dass die carinata Less. und Poll., die ich untersuchte, ! Inzwischen hat Herr Hazay die Zusammengehörigkeit von budapestensis und ' gracilis brieflich selbst bestätigt. 338 Heinrich Simroth, noch einen kleinen hornartigen Reizkörper ganz unten im Penis hatte, denn dadurch wird die Beschränkung der carinata auf das östliche Mittelmeer illusorisch, sie geht ohne Weiteres über in die XIV. Amalia Sowerbyi. Diese Engländerin, der Limax Sowerbyi der Autoren, hat ganz das Äußere der Amalia carinata, sie hat auch deren Genitalapparat (von ganz geringem Größen- unterschied des Penis abgesehen), mit einem Reizkörper. Der Mantel hat das Huf- eisen, die Körperzeichnung ist ohne Schwarz, ganz wie bei carinata, höchstens hält die dunklere Rückenfarbe gleichmäßiger an den Seiten aus. Die Sohle ist hell. Binnev’s Beschreibung (3) lässt vermuthen, dass der amerikanische Limax Hewstoni mit der englischen Amalia Sowerbyi identisch ist. Dann wären diese wollen Thiere nach Westen verschlagene carinaten!. Von der englischen Amalia aus lässt sich bei den südlichen Formen ein un- unterbrochener Übergang zur Amalia gagates nachweisen. Amalia insularis Less. und Poll. von Sardinien und Sicilien scheint ein reiner Sowerbyi, aber mehr braun einfarbig, ohne Strichelung, nur noch mit wolkigen Flecken; Amalia Doderleini derselben Autoren, von Palermo, noch einfarbiger braun, gerade so, nur noch schwärzlicher einfarbig, — und damit sind wir bei XVII. Amalia gagates angelangt. Diese Art, welche die algerische AmaliaRaymondiana umfasst (s. Erster Theil), ist schlanker (ähnlich der dunkeln gracilis und buda- pestensis von der carinata), einfarbig schwarz, doch noch ins Bleigraue oder Olivenfarbige, der Kiel selten hell. Schon die Schwankungen be- weisen, dass wir es mit keiner scharf umgrenzten Form zu thun haben, wenn auch die weiblichen Anhangsdrüsen gröbere Lappen bilden, das Receptaculum rundlicher wird und der Reizkörper mehr ins Atrium rückt. Hier müsste eine genauere Anatomie der Übergangsformen ein- treten. Dass bei den letzteren auf die Schalenmerkmale, die mit ange- geben werden, kaum Gewicht zu legen, ergiebt sich, abgesehen von der Unbeständigkeit der Schale überhaupt, aus der großen Variabilität der- selben bei der gagates. Die Amalia ichnusae wiederum kann wohl nur als eine kleinere Gagates- form gelten. So glaube ich, bekommen wir eine fortlaufende Reihe von der carinata bis zur gagates, überbrückt durch Sowerbyi (insularis, Doderleini, sicula). Alle Formen sind eng verwandt und gehören den Mittelmeerländern an, Amalia Sowerbyi ist, wahrscheinlich den Küsten entlang, weiter gewandertbis England (und Amerika?). Andere außereuropäische Arten müssen wohl noch besonders studirt werden. Das Schwarz in der Zeichnung unserer marginata, so gut wie ihr weniger ausgezogenes Receptaculum, deutet vielleicht an, dass sie nicht unmittelbar von den carinaten ! Hierbei verschlägt es nichts, ob HEYNENMANN neuestens, gestützt auf ein enor- mes Verbreitungsgebiet der Amalia gagates (bis zum Kap und Juan Fernandez), den Hewstoni zu dieser zieht. Im Gegentheil befinden wir uns bei dem Fluss der Formen in erfreuiicher Übereinstimmung. Wohl aber müsste es von Interesse sein, die Amalia gagates von den verschiedenen Provenienzen genauer innerlich und äußer- lich zu studiren, um ihre Variabilität und Anpassungsweite kennen zu lernen. EN E. einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 339 (gracilis), sondern mit diesen zusammen von der verbreitetsten und am Mittelmeer häufigsten, von der Gagatesgruppe abzuleiten sei. XVIII. Amalia Robici n. sp. (Taf. VII, Fig. 24). Herr Cressın erhielt fünf Stück dieser Krainer Schnecke von Herrn Roßpıc, dessen Namen sie künftig tragen soll. Als Fundorte werden das Suhadolnikthal und die Alpe Mokrica angegeben. Ihre Größe geht aus den Abbildungen hervor. A stellt das größte Thier dar, die übrigen hatten höchstens die Länge von B. Das Auffallendste ist die Beschränkung eines durch Färbung nicht aus- gezeichneten Kieles auf das Hinterende, etwa wie bei einem Agriolimax agrestis. Dabei bekunden die übrigen Merkmale auch äußerlich unverkennbar die Amalia, vor Allem die Mantelrinne, rings um den Mantel, mit kurzem Schenkel nach rechts hinten, beide in die Analrinne mündend. Sohle scharf dreifeldrig, mit der bezeichnenden Zickzacklinie im Mittelfelde. Die Färbung ist wechselnd, Sohle hell, Vordertheil ziemlich hell, Mantel, Rücken, Hinterende dunkelnd. Dieses Dunkeln wird bei vier reiner Melanismus, so dass sich aus dem Schwarz die Furchen ab- heben, bei dem einen Thier aber (B) zu mattem Rotbgrau. Es kann nach der ganzen Gestalt und dem gemeinsamen Vorkommen kein Zweifel sein, dass die hellere Schnecke zur selben Art gehört; und so muss der Mangel jedes Ab- zeichensundStriches mit verschwommenerRückendunkelungals charakteristisch gelten. Was die Größe betrifft, so macht das große Thier un- zweifelhaft den Eindruck, erwachsen zu sein, die anderen, vom Umfange der Fig. B, sind es nicht; der Unterschied liegt in der Körperform, die im ausgebildeten Zustande nach hinten gleichmäßig sich zuspitzt; die jüngeren Thiere dagegen sind vorn in der Mantelgegend verdickt, fallen aber hinter dem Schild plötzlich stark ab. Gleichwohl sind die kleineren Thiere geschlechtsreif. Eine ganz besondere Eigenthümlichkeit der Art liegt endlich in den Drüsen. Macht Leypıs geltend (46), dass der Schleim der Amalien byssusähnlichen Fäden seine firnisartige Zäbigkeit verdankt, so haben wir bier wirklichen Byssus. Ganz zerstreut am Körper, an den Seiten unter dem Mantel, häufiger an der Sohle, namentlich aber in der Rinne, welche das lokomotorische Mittelfeld abgrenzt, ragt eine Reihe weißlicher _ zugespitzter Fäden hervor, welche die Länge etwa dieses Mittelfeldes erreichen (Taf. X, Fig. 16). Die meisten Thiere haben sie, ein Paar besonders zahlreich in regelmäßigen - Längsreihen. Man ist Anfangs versucht, an Eingeweidewürmer zu denken, wie _ denn solche wohl beim Tödten in Alkohol entweichen; indess die Thatsache, dass _ gerade bei den Amalien die Sohle genügende Schleimdrüsen trägt, die Anordnung in der Rinne drängen den Gedanken an die Würmer wieder zurück. Unter dem Mikroskop sieht man in glasheller Hülle, wohl erhärtetem Schleim, einen mehrfach unregelmäßig gewundenen dichteren Faden, Dinge, die allerdings auch auf schlecht _ konservirte Nematoden passen könnten. Möchte die nähere Beschaffenheit und Be- _ deutung der Fäden, die der Art allein eigen zu sein scheinen, künftig ihren Unter- sucher finden ! XIX. Amalia cretica n. sp. (Taf. VII, Fig. 22). Die Abbildungen sind in natürlicher Größe gehalten. Das Thier unten hell gelblich weiß, von oben aber dunkel schieferblauschwarz übergossen. Sehr gleich- 340 Heinrich Simroth, mäßige, nach unten divergirende, hier und da gespaltene Längsfurchen, welche vereinzelt den dunkeln Farbstoff weiter in die helleren Seiten mit hinabnehmen. Die Doppelfurche auf dem Nacken scharf und tief. Die heller gesäumte Lungen- öffnung ist recht scharf von der davor liegenden Analrinne geschieden; die Mantel- furche scharf, mit einem rechten hinteren Ast. Fundort: Canea auf Kreta. Hier schließt sich wohl die aus der Krim stammende AmaliaKaleniczenkoi an, eine kleine Form, von der mir das Originalexemplar (?) vorlag. Auch hier er- reicht der Kiel den Mantel nicht. Am auffälligsten aber ist jedenfalls die völlig schwarze Färbung, die sogar die ganze Sohle mit überzieht und mir Anfangs die Konservirung verdächtig machte. Doch scheint sie von Natur So zu sein. Herrn HEynemAann danke ich den Hinweis, dass sich hier Amalia subsaxana Bourg,, sodann Amalia cyrniaca (Lim. cyrniacus Mab.) und Amalia melitensis (Lim. melitensis Less. und Poll., 44, p. 69 und 70) anschließen möchten. Letztere beiden muss man wohl wegen der Unvollständigkeit der Schilderung mit einem Fragezeichen versehen. Es ist selbst zu vermuthen, dass der syrische Limax eustrictus Böttger (4), wiewohl ihn der Autor ausdrücklich als Limax, nicht als Amalia nimmt, zu dieser Gruppe gehöre; denn der im Alter nur die hintere Rückenhälfte bedeckende Kiel will nichts sagen, noch dazu er in der Jugend bis an den Mantel reicht. Die Fär- bung und Zeichnung aber würde recht gut zu unseren gefleckten Amalien passen, zur marginata eiwa. Ein letztes Urtheil kann vor der anatomischen Kenntnis nicht gefällt werden. Aber wünschenswerth wäre es gewiss, dass eine genaue Unter- suchung wenigstens des einen oder anderen Exemplares dieser und so vieler nach ihrem inneren Bau unbekannten Nacktschneckenarten vorgenommen würde. Übersicht der Gattung Amalia. Lessona und PoLtLongzra haben die italienischen Amalien in zwei Untergattungen getheilt, Tandonia ohne und Piraenea mit Reizkörper. Die weitere Untersuchung indess, aus welcher einige Formen der cari- nata ohne, andere mit dem Horn bewaffnet hervorgehen, macht diese systematische Trennung unhaltbar, sie würde geradezu eine Species schneiden. Überhaupt will es mir durchaus nicht thunlich vorkommen, die Formen der apenninischen Halbinsel mit den deutschen zusammen in Gruppen aufzulösen, gehen doch die Arten verschwimmend in ein- ander über. Um so näher aber liegt es, die ungekielten Arten in eine Sektion zu vereinigen und dafür den Gruppennamen Malinastrum, den BourstisnAr für eine Sektion der Gattung Krynickillus, d. h. Limax oder Agriolimax, doch in Wahrheit für ein zu den ungekielten Amalien gehöriges Thier anwandte (XLIV, p. 70), zugebrauchen. Wie das Äußere übereinstimmt nach Relief und Neigung zu Melanismus, tragen auch im Inneren die weiblichen Geschlechtsendwege gemeinsame Kennzeichen. Immerhin ist selbst deren Eigenheit nicht so bedeutend, dass die Ablei- tung von den übrigen auf Schwierigkeiten stieße, man wird vermuth- lich an die dunklen Gagatesformen denken müssen. Ist desshalb Amalia | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 341 gagates die Urform? Bei oberflächlicher Betrachtung scheint es so, denn bei der Gattungsverwandtschaft mit den Ackerschnecken liegt es nahe, den männlichen Reizkörper direkt auf den der Agriolimaces zu beziehen. Der nähere Vergleich ergiebt aber die andere Anheftung des Reizkörpers dieser Amalia im Atrium. Daher wäre man zum Vergleich mehr an die- jenigen Formen der Amalia carinata gewiesen, die einen Reizkörper tragen ; hier sitzt er, wie bei den Ackerschnecken, im Penis. Immerhin verliert auch dieses Moment an Beweiskraft durch die Ackerschnecken selbst, die in den Arten, deren Ursprünglichkeit durch den Gesammt- habitus bezeugt wird, des Reizkörpers entbehren. Man kann daher schwerlich den Reizkörper selbst, höchstens die Anlage zu seiner Aus- bildung auf gemeinsame Vererbung der beiden Gattungen zurückführen (vielleicht eine Spekulation auf Glatteis). Aber auch in dieser Hinsicht hat die carinata das Gepräge ursprünglicher Entwicklung, in so fern als manche Formen desselben noch völlig entbehren, andere ihn in seinen Anfängen entstehen lassen. Was aber wichtiger ist, gagates hat die Stammzeichnung eingebüßt, die bei den helleren carinaten wenigstens deutlich. Nur wo das Pigment den Mantel dicht überzieht, wird die Binde überdunkelt. Die carinata kommt, in allerlei mehr angedeutete Lokalvarietäten gespalten, wie es scheint, als eine Küstenschnecke in den meisten Mittelmeerländern vor, im Osten von Kreta an, sie geht als Sowerbyi nach England (an der Küste entlang oder durch den Golf- strom?) und gedeiht im englischen Insel- oder Küstenklima weiter. Andererseits zerfällt die carinata in viele Lokalformen, welche die Brücke zur gagates hinüberschlagen, tyrrena und etrusca zunächst. Die Formen insularis, Doderleini und sicula aber mag man wohl eben so gut zur carınata, als zur gagates stellen, die Grenze ist hier, wie mir scheint, völlig verwischt. Die östlichen kleineren Formen der carinata, die der Sowerbyi mit Ausnahme des Reizkörpers völlig gleichen, gehen, wie diese, so entschieden in die italienische carinata nach der Definition von Lessona und PoLLonerA über, dass ich es vermeide, neue Namen einzu- - führen. Sie wechseln im Kolorit von Hellgelb bis zum ganz dunkeln Kleide, wo aber Tupfen und Striche auch nur purpurbraun, nicht schwarz sind. An diese Thiere schließt sich die kleine Amalia gracilis von Süddeutschland, Ungarn und Siebenbürgen. Durch die spärlichen Furchen, doch ohne dunkle Striche, reiht sich hier die kleine cristata ‚an, andererseits mit stärkerer Dunkelung der Tupfen die marginata, die wiederum in der offenen Mantelbinde ein höchst ursprüngliches Merkmal aufweist; sie ist als eigentliche Binnenlandform in das Herz Europas vorgedrungen, Hiernach haben die Amalien ihren Artenreichthum, ihr Variations- 342 Heinrich Simroth, centrum und wahrscheinlich ihren Schöpfungsherd in den Mittelmeer- ländern, ähnlich den Ackerschnecken. Wenn sie von Asien kamen, zogen sie von Halbinsel zu Halbinsel, von Insel zu Insel. Die anatomi- sche Variabilität weist auf die recente noch fortschreitende Artbildung hin, die hier im vollen Fluss ist; die Srammbinde des Mantels (zusammen mit der Patronenstrecke des Penis) scheint anzudeuten, dass die Gattung unter allen unseren Nacktschnecken beschalten Heliciden am nächsten steht. Im Kolorit ist es auffällig, wie dasselbe von Norden nach Süden mehr und mehr dunkelt, so dass an den wärmsten Ufern des Mittel- meeres echter Melanismus vorwiegt. Wenn wir wissen, dass unsere Amalia marginata unter dem Einflusse der Kälte schmutzig dunkelt (um dem Wärmebedürfnis zu genügen), so scheint die Gattung eben die doppelte Bedeutung des schwarzen Pigmentes auszunutzen und der südlichen Wärme ebenfalls durch Dunkelung zu widerstehen. Die ver- schiedenfarbige Amalia Robici aus den krainer Gebirgen mag besonders untersucht und gewürdigt werden. Von den Namen, die für die Species aufgestellt worden sind, — marginata, carinala, tyrrena, etrusca, insularis, Doderleini, sicula, gaga- tes, ichnusae, gracilis, budapestensis, eibiniensis, cristata, Sowerbyi, Hewstoni, Raymondiana, Robici, eretica, Retowskii —., dürften vielleicht höchstens ein halbes Dutzend wirkliche Berechtigung haben, während die übrigen sämmtlich Lokalformen der am weitesten verbreiteten gaga- tes und carinata vorstellen. Am besten abgeschlossen sind wohl cretica und Robici, ziemlich scharf auch marginata. Wer die übrigen Namen als Speciesbezeichnungen beibehalten will, muss sich wenigstens klar sein, dass sie nicht entfernt den specifischen Werth besitzen, wie bei unseren anderen Nacktschneckengattungen, denn die Amalien scheinen erst im Begriff, aus zahlreichen Lokalformen künftig Arten herauszu- bilden. Und so möchte etwa folgendes Schema dem natürlichen Zu- sammenhange am nächsten kommen: Amalia ichnusae Sectio Malinastrum gagates Kaleniczenkoi sicula ı Robiei Doderleini ( eretica insularis suhbsaxana etrusca eyrniaca? tyrrena melitensis ? carinata Sowerbyi gracilis budapestensis eristata marginata Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten, 343 XX, Paralimax. Wie sich der Paralimax, der Kaukasier, namentlich im Verlauf seines rechten Om- matophorenretraktors um den Penis an Limax anschließt, so auch in der Zeichnung. In Börtser's Abbildung hat er die Binde auf dem Mantel, innere und Stammbinde auf dem Rücken; die Mittelbinde des Mantels ist wohl nur der dunkle Mittelfleck, durch etwas breitere Säume der Stammbinde erzeugt; doch mag es auch eine besondere Pigmentkoncentration sein. In vorgeschrittener Zeichnung (ich erhielt ein solches Stück) bleibt die Stammbinde auf dem Mantel, die Rückenbinden verwischen sich, wie denn BöTTGEr das letzte Stadium mit dem Schwunde sämmtlicher Binden be- reits charakterisirt: »rarissime omnes taeniae evanescunt«, wobei das »rarissime« unter den allein bekannten sieben Stück wohl etwas nachdrucksvoll klingt. Mein Exemplar ist aber noch dadurch ausgezeichnet, dass es über und über auf Mantel und Rücken mit gleichmäßig scharfen schwarzen Pünktchen übersät ist, die in der Abbildung fehlen. Sie können allein an Amalia erinnern, sind aber auch dafür zu diffus und zu konstant rund. Die Ähnlichkeit mit gefleckten Limax arborum (5) ist demnach eine sehr oberflächliche, denn die Mittel, durch welche die ähnliche Zeichnung und Färbung zu Stande kommen, sind im Detail so verschieden, als der- selbe Gegenstand durch den Pinsel des Malers oder den Griffel des Kupferstechers wiedergegeben werden kann, da doch beide Bilder ganz verschiedenen Werkstätten entstammen. Wie ich es in der Anatomie angab, hat die Art so viele Besonder- heiten, dass ein Urtheil über die systematische Verwandtschaft verfrüht sein möchte. Am Ersten scheint sie als Seitenspross aus der alten Wurzel der Limaces gelten zu müssen, Schlusskapitel. Das allgemeinste und erfreulichste, weil naturgemäße Ergebnis der Nacktschneckenuntersuchung ist die Übereinstimmung der systemati- schen Anordnung, mag man sie auf die Anatomie, mag man sie auf die äußeren Merkmale, zumal die Färbung, selbst die Lebensweise, grün- den. Damit erhält man nicht nur einen Maßstab für die Werthschätzung der verschiedenen Merkmale, sondern es löst sich die starke Konvergenz der Formen, die bei Schnecken mit dem Verluste der äußeren Schale nothwendig verbunden ist, auf und wird zu einer scheinbaren, die einer auf Äußerlichkeiten sich stützenden Systematik verhängnisvoll werden muss. In letzterer Hinsicht wurde bisher die richtige Erkenntnis noch besonders dadurch erschwert, dass es gerade die größten und am meisten in die Augen fallenden, die bekanntesten Arten sind, welche am stärksten variiren und die generischen Unterschiede verwischen; die Konvergenz schreitet bei ihnen am weitesten vor, nicht wenn man die Varietätensumme der einen Art mit der einer anderen vergleicht, sondern es lassen sich in jeder Species einzelne Varietäten, meist als " Arten beschrieben, finden, die einer Varietät einer generisch getrennten 344 Heinrich Simroth, Art sehr ähneln, die Variationskreise tangiren und schneiden sich häufig. Das gilt für den größten Arion, den empiricorum, der mehr als die übrigen zwischen Hellgelb, Roth und Schwarz schwankt, — für den größten Agriolimax, den agrestis, der bald weißlich, bald röthlich, bald einfarbig schieferblauschwarz, bald braun geadert auftritt, für den größten Limax maximus, bei dem die Farbenabweichung den stärksten Umfang erreicht (die Amalien sind ein in jeder Hinsicht so eng um- grenztes Genus, dass sie sich solcher Diskussion entzieben). Aber noch mehr, es sind dieselben größten Arten, die durchweg das weiteste Standgebiet oder überhaupt kein beschränktes Standgebiet haben. Ein Vergleich der einheimischen Arten macht es deutlich !: Standgebiet: Wechselgebiet: Arion minimus: Moosschicht der Nadelwälder — hortensis: Gartenland —_ Bourguignati: Garten und Laubwald — subfuscus: Moosige Streu der Nadel- wälder Laubwälder, Garten empiricorum: Laubwald, Garten, Wiese Nadelwald Agriolimax laevis: Feuchte Stellen in Wald 2 und Feld es agrestis: überall Limax tenellus: Moosschicht der Nadelwälder Laubwald arborum : Baumrinde und Felsen _ variegatus: Keller — maximus: Moosschicht der Laub- und Nadelwälder, Keller, Gärten etc. Die geographische Verbreitung würde zu demselben Resultat führen, wiewohl da die Zukunft durch genauere Beobachtung manchen kleineren Formen das Gebiet vergrößern dürfte. So sind zweifelsohne die großen Arten diejenigen, welche den größten Umfang der Anpassung haben, welche am stärksten in der Neubildung begriffen sind, welche aber damit zugleich den ursprünglichen Gattungscharakter am meisten verwischen und trüben. Diesen am reinsten kennen zu lernen, muss man mit den kleinen Formen beginnen, die nicht nur ihre größere Ein- fachheit aus der vereinfachten Ökonomie ihres Organismus ableiten, 1 Etwas Ähnliches findet sich bei Locarn (47), nämlich eine Eintheilung nach Conditions physiques: Faunula arida, humida, riparia, rupestris, muralis, viarum. Conditions botaniques: Faunula sylvatica, nemoralis, hortensis, arborum, sepicola, mussicola. Doch kann ich mich nicht mit den Einzelheiten be- freunden, wie denn z. B. die irländische Gattung Geomalacus mit unter den süd- französischen Thieren figurirt. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 345 sondern innerhalb jeder Gattung so stark konvergiren und sich ähneln, dass man an ihrem nahen Verhältnis zur Stammform nicht zweifeln darf. Das Gesetz darf für unsere Thiere als ausgemacht gelten: Die Urformen sind die kleineren Arten, alle unsere Gattungen sind ursprüng- lich mäßig große Wesen etwa von der Größe des Agriolimax laevis, die kleinen sind keine Kümmerformen, sondern die großen sind über den ursprünglichen Gattungsumfang hinausgewachsen, nach Körperumfang, Zeichnung, Gebietsgröße, Nahrung, Lebensweise überhaupt (und viel- leicht zum Theil nach Lebensdauer), in ihnen stecken die Keime künf- tiger Weiterbildungen, Arten und vielleicht Gattungen. Das Gesetz dürfte auch für die übrigen Pulmonaten Geltung haben, wie denn die Heliciden in mehrfachen Kolonnen ihre Auswanderung aufs Land voll- zogen zu haben scheinen, deren jede mit kleinen Formen anhebt (68); in alter Karbonzeit die gestreckten Pupen-Clausilien mit freier hinterer Hirnkommissur, in jüngerer Jura-, Kreide- und Tertiärepoche etwa die echten Heliciden mit verkürzter hinterer Hirnkommissur, die an die kleinen Hyalinen- und Zonitoides-Formen anknüpfen. Es macht den Eindruck, als wäre das Gesetz, das den Ursprung jeder Gruppe in die kleinsten Arten verlegt, von allgemeiner Gültigkeit, und wir hätten es hier bloß mit einer besonderen Anwendung zu thun; gleichwohl wird die Erweiterung mit größter Vorsicht aufzunehmen und vielmehr in jedem Falle die Detailuntersuchung maßgebend sein, wie denn die Robben z. B. schwerlich von kleinsten Raubthieren ihren Ausgang ge- nommen haben. Nach diesem einfachen Gesetze, dass sich das Große aus dem Kleinen heraus entwickelt habe, bekommt man, von den kleineren Formen ausgehend, sehr gut umgrenzte Gattungscharaktere, der ana- tomischen Systematik entsprechend. Jedes Genus erhält ein besonderes Färbungsgesetz nicht nur, sondern eben so ein besonderes Gattungs- Stand- oder Urgebiet, eine Gattungsernährung. Das ursprüngliche Standgebiet der Limaces ist die pilzreiche Moosschicht der Haide- und ‚Bergwälder, zumal der Coniferen, die ursprüngliche Nahrung die Basidiomyceten, — von hier aus gehen sie weniger ins freie Land, als an Baumstämme und Felsen oder in die Keller und Speicher über, wer- ‘ den Fleisch-, Kraut- und Flechtenfresser oder ernähren sich von den Abfällen der menschlichen Tafel ; — dasselbe Ursprungsgebiet, dieselbe ' Urnahrung kommt den Arionen zu, sie strahlen dann aufs freie Land, in Laubwälder und Gärten aus und werden Krautfresser, — die Agrio- limaces bewohnen ursprünglich feuchtes Krautland, gleichgültig ob die Feuchtigkeit vom Waldesschatten oder vom Bache geliefert wird, sie ' bleiben im Allgemeinen diesen Bedingungen getreu, — die Amalien, 346 Heinrich Simroth, die auf bestimmte Gehäuselungenschnecken als Beutethiere angewiesen sind, haben dadurch ihren Aufenthalt an und für sich beschränkt, da denn zu dem Vorkommen der Beutethiere noch ein -bröckelig-felsiger Untergrund oder tiefe Laubschicht erforderlich erscheint; — Paralimax schließt sich selbstredend als kaum bekannt von der Erörterung hier noch aus. — Da die europäische Thierwelt zum großen Theile als ein Appendix der asiatischen zu gelten hat und was unsere Nacktschnecken anlangt, ohne Zweifel, so geben die Gattungsstandgebiete zugleich einigen Aufschluss über den Weg, den sie bei ihrer Verbreitung einschlugen. Leider wissen wir gar zu wenig von den asiatischen, in specie central- und nordasiatischen Nacktschnecken; denn was bis jetzt nach der äußeren Beschreibung bekannt ist, bedarf durchweg der anatomischen Bestätigung und Sichtung. Immerhin zeigt sich schon jetzt, dass die Agriolimaces, in ihren beiden deutschen Arten Kosmopoliten, ihren Ver- breitungsweg vom Kaukasus oder Kleinasien aus an den wärmeren Ge- staden und Inseln des Mittelmeeres genommen haben; und da in jenen Gegenden die anatomisch einfachsten Arten hausen, da selbst die vor- geschrittenste und größte Art, die Ackerschnecke, die bei weiterer Verbrei- tung ihr Kleid stark verfärbt, in jenem Ursprungsgebiet auch die Origi- naltracht bewahrt hat, so erscheint der Schluss wohl nicht übereilt, dass die Einwanderung in Zeiten erfolgte, wo in jenen Mittelmeergestaden im Wesentlichen dieselben Bedingungen herrschten wie jetzt, d. h. dass wir die Einwanderung der Gattung und damit die Ausbildung der ein- zelnen Arten in wenig zurückliegenden, ziemlich modernen geologischen Zeiten zu suchen haben. — Ganz ähnlich verhält sich’s mit den Ama- lien, die schon durch den Reichthum der Formen an denselben geo- graphischen Orten ihr Bildungscentrum verrathen, auch sie sind an den Mittelmeerküsten vorgedrungen. — In ein Dilemma dagegen kommt man bei den Arionen und Limaces. Da ist zunächst die muthmaßliche Ent- stehung der ersteren aus marinen Nacktschnecken ohne das Zwischen- glied echter beschalter Pulmonaten, eine Entstehung, die wahrscheinlich weit in die Vergangenheit hinaufreicht, da unter den recenten sich noch kein unmittelbarer Anknüpfungspunkt geboten hat (freilich ohne gesucht zu sein); hierdurch wird an und für sich das Urtheil erschwert. Bei den Limaces könnte das Vorkommen einer Art von sehr originellem Ge- präge, des nyctelius, in Algier den Gedanken erwecken, als hätten wir eine von Westen nach Osten vorgeschobene Kette, die sich allerdings durch das ganze gebirgige Rückgrat unseres Kontinents verfolgen ließe; der größere Artenreichthum dagegen im Osten spricht gewiss mehr für die umgekehrte Richtung. Aber abgesehen von diesen Schwierigkeiten im Einzelnen fällt in der Verbreitung beider Gattungen der starke Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 347 Parallelismus auf zwischen dem großen Gebirgsrückgrat und den nörd- lichen Haiden, Norddeutschland, Skandinavien etc. (Nordrussland leider noch unerschlossen). War der Gebirgszug der ursprüngliche Weg oder fand die Verbreitung mehr aus dem Norden statt? Dann wären die reichlichen Arten und Formen in den Gebirgen als Relikten zu betrach- ten, die während der Glacialzeit verschoben wurden und auf den sehr geeigneten Gebieten zurückblieben. Für beide Ansichten lassen sich Gründe geltend machen. Die kleinsten und ursprünglichsten Arionen finden sich im Norden und auf den Gebirgskämmen. Bei Limax ist die große Verbreitung des wohl recht ursprünglichen tenellus in Nord- deutschland, das Fehlen in den Östkarpathen bemerkenswerth und würde für die Glacialtheorie sprechen, umgekehrt ist im Allgemeinen der Arten- reichthum im Alpen- und Karpathengebiet viel größer, und namentlich tritt der ungarisch-montenegrinische L. coerulans als eine von Osten nachgeschobene Gebirgsform auf. Es ist zur Zeit unmöglich, eine Ent- scheidung zu treffen. Immerhin mag die Eruirung des ursprünglichen Standgebietes bei weiterer Verfolgung der interessanten Frage nach der wechselnden Beschaffenheit der Oberfläche unseres Kontinentes, — bald Steppe, bald Wald, und zwar bald Nadel-, bald Laubwald —, künftig weitere Aufschlüsse versprechen. Meiner Meinung nach würden sich die beiden Gattungen in die Gefolgschaft des Haidenadelwaldes stellen. Am Färbungsgesetz fällt es am meisten auf, dass dasselbe für jede Gattung verschieden ist. Die Ackerschnecken beginnen mit Ein- farbigkeit, die bei den Limaces oder Arionen erst als letztes Ziel auf Umwegen erreicht wird. Von der Einfarbigkeit schreiten die Agriolima- ces höchstens zu netzförmig geaderter Zeichnung vor in der größten Art, der gemeinen Ackerschnecke. Ihnen ähnlich verhalten sich die Amalien, die während des Lebens keine Veränderung erleiden, aber meist eine Mantelstammbinde besitzen, die bei vorgeschrittenen Arten verloren geht. Die Arionen haben ursprünglich eine Stammbinde auf Mantel und ' Rücken und gehen schließlich zur Einfarbigkeit über, wobei es auffällt, dass bei den kleinsten Formen, A. minimus und der Ariunculusgruppe , Lessona’s die Bindenzeichnung wenig scharf ist, so dass sie erst bei den mittelgroßen Formen sich zur vollen Deutlichkeit steigert, um häufig ‚ nachher wieder zu verschwinden. Das Färbungsgesetz der Limaces ist | ausgezeichnet dadurch, dass es mit der für viele Säugethiere und viel- / leicht überhaupt die meisten Thiergruppen gültigen Regel überein- ' stimmt. Aus einer längsgestreiften Form entsteht durch Auflösung der ' Streifen die gefleckte, durch Fleckenverbindung die quergestreifte, end- | lich die einfarbige. Doch muss betont werden, dass die Aufeinander- ' folge keineswegs immer die ganze Skala regelmäßig durchläuft, sondern Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. XLII. Ba. 23 348 Heinrich Simroth, oft — in abgekürzter Entwicklung — die gefleckte und quergestreifte Stufe überspringt, um an die Längsstreifung sogleich die Einfarbigkeit anzureihen. Immerhin ist die Gesetzmäßigkeit groß genug, dass sich mit Bestimmtheit an die einfache Stammbinde eine innere und äußere Rückenbinde anknüpft, die sich dann in Flecken auflösen ete., und dass namentlich bei den anatomisch komplieirteren Arten das junge Thier gleich auf einer höheren Färbungsstufe einsetzt. Schwierigkeit macht vor Allem der anatomisch einfache L. tenellus, indem er oft einfarbig beginnt, um erst allmählich und nur schwach die schlichte Stamm- zeichnung auszubilden, vielleicht ein Fingerzeig, dass wir es auch in dieser Gattung vor der Stammzeichnung mit ursprünglicher Einfarbig- keit, die den meisten Gliedern verloren gegangen, zu thun haben. Eine besondere Beurtheilung erforderte der merkwürdige L. coerulans, der, zeitlebens einfarbig, in mehrfacher Hinsicht betrefis seiner Abstammung, vermuthlich von Vitrinen unmittelbar, künftige Untersuchung heraus- fordert und viel eher eine generische Sonderstellung beansprucht, als die oft vom Limax abgetrennten Lehmannien. Es ist schon erwähnt, dass die größten Arten im Allgemeinen die meisten Umfärbungen aufweisen; das gilt am wenigsten wieder für die Amalien von geringer Variations- weite, der größte Agriolimax und Arion variiren stärker als alle Ama- lien zusammen und sind entsprechend ihrer Farbenabweichungen wegen von der Systematik je in eine Anzahl von Arten gespalten, der größte Limax aber übertrifft an Mannigfaltigkeit des äußeren Kleides alle unsere Nacktschnecken mit einander. Je mehr das Färbungsgesetz bei den einzelnen Gattungen ver- schieden ist, mit desto größerem Nachdruck hat man das Gemeinsame aufzusuchen. Kaum ein Zeichnungscharakter geht durch alle Genera gleichmäßig durch, von einigen allgemeinsten Grundzügen des Schnecken- leibes überhaupt abgesehen, die gleich erwähnt werden sollen. Nimmt man die wahrscheinlich stärker umgebildeten Ackerschnecken aus, dann ist allen Gattungen gemein die Stammbinde des Mantels, an welche sich sogleich bei Arion und Limax die des Rückens anschließt. In der That, in der Mantelstammbinde scheint ein uraltes Wahrzeichen der Pulmonaten, ja der Schnecken überhaupt vorzuliegen, und das Nackt- schneckengenus Amalia, das überhaupt weiter keine Zeichnung besitzt als diese Mantelstammbinde, scheint auch aus anderen Gründen zu den Gehäuseschnecken in nächste Beziehung gesetzt werden zu müssen, wie denn andererseits die dunkle Einfarbigkeit mancher Amalien die natür- liche Brücke bildet zum gleichen Grundkolorit der nächstverwandten Ackerschnecken. Die Mantelstammbinde aber tritt uns in den Bändern so vieler Schneckenhäuser entgegen, bei Pulmonaten wie Vorderkiemern, Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 349 um aus der einheimischen Fauna nur an Helixarten und Paludinen zu erinnern. Mit der Koncentration des Farbstoffes erhält die Doppelbinde jederseits einen hellen Rand, so dass noch ein dunkles Band dazwischen und je ein äußeres dazu sich ausprägt, wie bei den Tacheen Helix hor- tensis und nemoralis. Es ist aber höchst wahrscheinlich, dass auch die Fleckung des Gehäuses, etwa bei einem Conus millepunctatus, lediglich auf der Fleckenauflösung der Stamm- und Sekundärbinden beruht, wie bei unseren Limax, wobei darauf hingewiesen werden kann, dass der Vorderrand des Mantels, der bei den Gehäuseschnecken die Färbung der wachsenden Schale zuwege bringen muss, auch bei den Nacktschnecken, zumal Limax, die stärkste Neigung zu Fleckenbildung zeigt. Es ist hier nicht der Ort, die Anwendbarkeit dieses Färbungsgesetzes auf viele Ge- häuseschneckengattungen zu untersuchen, SEMPER hat (64) an mehreren Stellen ähnliche allgemeine Andeutungen gegeben, die erst zu einer weiteren Diskussion führen müssten; auf jeden Fall eröffnet sich eine günstige Aussicht, die natürliche Verwandtschaft wenigstens innerhalb der Gattungen und Familien herauszuklauben. Zu dieser so zu sagen atavistischen Erklärung der Färbung hat zu einem vollen Verständnis womöglich die individuelle zu treten, welche die Mittel des einzelnen Thieres im ihrer Wechselwirkung mit den äußeren Lebensbedingungen berücksichtigt. Diese individuellen Ur- sachen dürften von dreierlei Art sein: a) äußere physikalische, in so fern als die äußeren Einflüsse die Färbung unmittelbar erzeugen oder abändern, b) innere oder konstitutionelle, d. h. diejenige Beschaffenheit der Schnecke oder einzelner ihrer Gewebe, welche als Träger der Fär- bung überhaupt jenen äußeren Ursachen die Einwirkung ermöglicht als Substrat ihrer Angriffe, c) Zweckmäßigkeitsursachen, welche auf der Basis der natürlichen Auslese des best ausgerüsteten der einen oder anderen Färbung Dauer verschaffen. Aus a und b setzt sich das Kolorit zusammen, c entscheidet über seinen Werth für die Ökonomie des Indi- viduums und die Konservirung. a) Äußere Ursachen. Ursprünglich scheint jede Gattung nur einen einzigen Farbstoff besessen zu haben, dessen intensivere oder schwächere Vertheilung die Zeichnung erzeugte, die Amalien ein röth- liches Chokoladenbraun, die Agriolimaces ein mehr oder weniger buntes Grau, die Limaces das Rothbraun, das wir noch beim maximus, arbo- rum und nyctelius finden; beim Arion tritt uns der einfache Zustand des Pigmentes allerdings bei keiner Art mehr entgegen, sondern überall ist eine Differenzirung in zwei Farbstoffe eingetreten, einen dunkeln, . der die Zeichnung erzeugt, und einen hellen, rothbunten, der in Farb- drüsen die Haut durchbricht. Diese sekundäre Zerlegung kommt weiter- 23* 390 Heinrich Simroth, hin in schwächerem Maße den Ackerschnecken zu, hier nicht bis zu Farbdrüsenbildung fortschreitend, da Kalkdrüsen vorhanden sind, — in stärkerem den entwickelten Limaxformen, zumal maximus (und varie- gatus). Bei einer Anzahl von Arten, welche, zumeist in der Waldstreu, unter sehr gleichmäßigen und ursprünglichen Bedingungen leben, wie Arion minimus, subfuscus, Limax tenellus, variegatus, unterliegen die Pigmente so wenig natürlichen Abänderungen, dass der Züchter jetzt nicht mehr beträchtlich eingreifen kann, den variegatus vielleicht aus- genommen. Bei den Formen dagegen, welche ihr Ursprungsgebiet ver- lassen haben und unter dem fortwährenden Drange der Anpassung auch in den Pigmenten lebhaft variiren, wie in hervorragendstem Maße A. empiricorum und L. maximus, lässt sich der Einfluss der Außenwelt, der Meteore, leicht nachweisen ; Kälte begünstigt den dunkeln, Wärme den rothen Farbstoff. Melanismus und Erythrismus sind die Folgen der verschiedenen Temperatur. Ob die Nahrung etwas dazu thut, ist wenig- stens in Betreff des letzteren nicht völlig ausgeschlossen, da die auf die pilzreiche Waldstreu und Moosschicht sich beschränkenden Arten, wie L. tenellus, A. subfuscus, brunneus, minimus, sämmtlich reich an Farb- drüsen sind. Andere Faktoren scheinen ohne Einfluss. Die Einwirkung der Temperatur macht sich am stärksten und fast allein auf der ersten Hälfte des Wachsthums geltend, und da sich diese bei der einjährigen Lebensdauer meist auf die Übergangsjahreszeiten beschränkt, so liegt gerade hierin ein Grund zur Ausbildung reichlicher Lokal- und klima- tischen Rassen. b) Innere, konstitutionelle Ursachen. Der Ton des Pig- mentes, ob mehr blau, roth, braun oder grau, gehört zur Konstitution der Art; die Intensität der Farbe schwankt bei den einzelnen Individuen derselben Species. Für beide Erscheinungen sind die Ursachen vor der Hand noch nicht klar gelegt, höchtens könnte man auf die künstlich ge- züchteten Albinos von Arion empiricorum und Limax maximus hin- weisen, die indess, von derselben individuellen Anlage, wie ihre Ge- schwister, nur durch Wärme blass geblieben waren. Wo im Thierreich ist man schon im Stande, derartige Fragen auch nur annähernd zu beantworten? Wohl aber sind viele Momente vorhanden, welche die durch das dunkle Pigment erzeugte Zeichnung in unmittelbare Abhängig- keit vom Blute bringen, so dass es sich um nichts Anderes handelt, als um einen direkt auf die äußeren Einflüsse aus dem Blute auf die um- gebenden verzweigten, die Organe um- und durchspinnenden Binde- gewebszellen ausgeschiedenen Farbstoff. Nicht kann irgend eine be- sondere Gewebsform, nicht kann ein besonderes Organ an und für sich das Privileg der Farbenerzeugung beanspruchen ; sondern die Pigmen- Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 351 tirung steht im direkten Verhältnisse zur Blutmasse der Organe, so weit den äußeren Bedingungen die Einwirkung gestattet ist. Es wird Auf- gabe künftiger Detailforschung sein, durch Injektion das Einzelnste klar zu legen. Jetzt schon, glaube ich, kann das Urtheil nicht schwanken. Es ist bereits erwähnt, dass die mehr diffus im Integument verbreiteten Farbdrüsen hier nicht in Betracht kommen, sondern allein das dunkle Pig- ment. Zunächst springt da die Zusammengehörigkeit der Rückenstamm- binde aller Arten mit den lateralen Sinus in die Augen; und beim Arion empiricorum wurde angegeben, dass die Hautpulsationen in der Sohlen- leiste genau in der radiären Richtung der dunklen Linien erfolgen. Früher, gelegentlich der Parmacella, Konnte ich feststellen, dass die doppelte, longitudinale Nackenfurche einem von den Augenträgern zur Athemhöhle ziehenden Rückensinus der Haut ihre Existenz verdankt; jetzt weise ich hin auf die häufigen Angaben, wonach sich die Dunke- lung des Kopfes entlang der Nackenfurche nach hinten zum Mantel zieht. — Beim Limax maximus tragen mehr einfarbige Exemplare das dunkle Pigment oft vorwiegend in den erhabenen Runzeln, man braucht nur die schönen Figuren bei Pını nachzusehen, wo die Runzeln als dunklere Flecke auf hellerem Grunde dargestellt sind; das entspricht dem Blutreichthum der lebhaft und viel pulsirenden Runzeln, in denen das kräftig eirkulirende Blut der Atmosphäre möglichst offen sich dar- bietet. Nicht weniger wichtig ist das Zurücktreten des Pigmentes im Rückenkamme namentlich desselben größten Limax, wenn dieser durch Gewebsdichtung Blutreichthum und Pulsationsfähigkeit der übrigen Haut einbüßt, und es verschlägt sicherlich ‚nichts, dass gelegentlich auch dieser Kamm dunkel wird, da er wenigstens stets zuletzt von allen pigmentirten Stellen den Farbstoff entwickelt. Auf demselben Grunde beruht die Zeichnung der Amalien. Da sie keine locker schwellbaren Runzeln haben, sondern eine feste Haut, in welche die Furchen einge- graben sind, so bieten diese Furchen der Atmosphäre die einzigen oder nächstliegenden Angriffspunkte dar, wo sie auf die in den tieferen Haut- sinus cirkulirende Bilutmenge wirken kann, gleichgültig, ob diese genau mit den Furchen, denen sie zum mindesten parallel gehen, koincidiren oder nicht. In der That entwickeln sich die Pigmentstriche in den Furchen und steigen bei der cretica z. B. in ihnen weiter vom Rücken ' nach den Seiten hinunter. Eben so steht es sicherlich mit den Acker- schnecken, so weit sie überhaupt eine Zeichnung haben, d.h. allein ) beim Agriolimax agrestis reticulatus, dessen Netzwerk den deutlichsten Zusammenhang mit den polygonalen Rückenrunzeln verräth. — End- ‚lich glaube ich, dass auch die vorgeschrittenste Zeichnung bei den | Limaces, die schräge Querstreifung des L. arborum, direkt von ihren 352 : Heinrich Simroth, Blutverhältnissen abhängig ist. Die Eigenheit der Species beruht in einer über das Maß aller anderen Nacktschnecken weit hinausgehenden während der Entwicklung erworbenen Schwellfähigkeit des Hinterleibes (die Jungen sind schlank). In diesem Zustande ist die Haut gespannt und dünn, und eine große Blutmenge liegt darunter. Da kann die Atmosphäre am freiesten auf die schräg von unten und hinten in den der Stammbinde entsprechenden Hauptsinus einmündenden Nebensinus ein- wirken. Wahrscheinlich sogar sind diese Sinus jetzt besonders er- weitert, um die Flüssigkeitsmenge des geschwellten Hinterleibes zu be- wältigen. Nun beachte man, dass, wie in Taf. VII, Fig. 13, die schräge Querstreifung zuerst von unten bis zur Stammbinde, d. h. dem Haupt- sinus reicht, welche sie so gut wie die äußere in eine Zickzackform ab- biegt, um sie dann in Querstreifen aufzulösen, die erst weiterhin die einmal gewonnene Richtung auch bis zur inneren Binde ausdehnen. Auch hier ist die Parallele zwischen der höchsten Blutfülle, zwischen dem Sinusverlauf und zwischen der vorgeschrittenen äußeren Zeich- nung in die Augen springend. — Im Hinblick auf den gemeinsamen Ursprung und die gegenseitige Vertretung von Farbstoff und Kalk darf man weiter die reichliche Kalkablagerung in den Gefäßwänden mehrerer Arionen hierher rechnen, wie denn eben so häufig die Aorta von Lima- ces und Agriolimaces dunkel pigmentirt ist. Vielmehr aber sprechen für den Zusammenhang noch zwei Thatsachen, die Pigmentirung des wichtigsten Blutraumes im Körper, der von Übergangsgefäßen durch- setzten schwellbaren Leibeshöhle und die Zeichnung des Pul- monatenleibes überhaupt. — Die Leibeshöhle und die Organe des Intestinalsackes haben eine sehr wechselnde Pigmentirung, und wie- wohl ich mich viel mit den Farben beschäftigt habe, kam das Detail nicht ganz zur Klarheit. Nur an der Peripherie, so weit äußere Ein- flüsse reichen, liegt die gegenseitige Abhängigkeit zu Tage, während die tieferen Organe ihre Färbung auf andere Grundlagen zu stützen scheinen. Die heller graugelben, roth- bis kaffeebraunen Lebertöne haben mit Pigmentirung nichts zu thun, sie hängen wie das Heligelb oder Orange der Niere von der Funktion ab. Von den übrigen Organen ist im All- gemeinen die Zwitterdrüse am meisten und zwar durchweg pigmentirt, | öfter der Zwittergang, bei den Agriolimaces allein auch die Geschlechts- | endwege, wie auch die Genitalkloake bei Arion empiricorum einen zar- | ten Anflug hat, endlich die Leibeshöhle selbst hier und da. Die Zwitter- | drüse ist durchweg dunkel bei den Arionen (s. o.), die eine helle | Leibeshöhle haben; im Übrigen gilt die Regel, dass die Farbe der | Geschlechtsdrüse mit ‘der der Leibeshöhle korrespondirt, und zwar ist | ‚sie hellgrau, röthlichgrau, chokoladenfarben, lila ete., wenn der Leibes- | Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 353 raum nicht pigmentirt ist, bei den großen Limaces und den Amalien, — dunkel dagegen, wenn auch der Mesenterialraum gefärbt ist, bei den Ackerschnecken, Limax tenellus und arborum. Wie lose der innere Farbstoff mit dem der Haut zusammenhängt, lehrt die völlige innere Pigmentlosigkeit bei den dunkelsten maximus, umgekehrt das dunkle Mesenterium eines völlig gebleichten Agriolimax laevis pallidus. Wohl aber fällt es auf, dass der Leibesraum nur bei denjenigen Limaces pig- mentirt ist, die sich durch den hohen Wassergehalt, durch Blutreich- thum auszeichnen ; hat doch tenellus seinen Namen vom Blutreichthum der Organe und arborum trägt den Blutwasservorrath in der Leibeshöhle mit sich. Hier wird es besonders deutlich, dass das Pigment nur im hinteren Theile der Leibeshöhle sich ablagert, d.h. in der Wand des Blutraumes. Das wichtigste und wohl interessanteste Moment, die Beziehung zwischen Blut und Pigment betreffend, ist endlich die Zeichnung des Pulmonatenleibes überhaupt. Kaum eine Thiergruppe wird eine solche Uniformität des Kleides aufweisen als der Körper der beschalten Lungenschnecken, vom Gehäuse natürlich abgesehen. Im Grunde sind alle die Thierbeschreibungen, die wir in den bezüglichen Handbüchern bei jeder Species wiederholt finden, überflüssig, eine einzige genügt als Muster, wenn man im Einzelnen noch die Intensität des Kolorits, ob hell, mittel oder dunkel, und seinen Ton, ob mehr schwärzlich, bläu- lich, röthlich, chokoladenbraun, gelbgrau und dgl., hinzufügt. Im Übrigen ist durchweg der Kopf oder Vorderkörper dunkel und blasst gegen den Leib hin ganz allmählich ab, die Ommatophoren zumal sind lebhaft dunkel, namentlich scheinen ihre Retraktoren als zwei kräftig gefärbte Bänder durch die Haut hindurch. Dieses Kolorit ist überall dasselbe, es giebt keine Blässe, kein einziges besonderes Abzeichen, wofür man aus anderen Thiergruppen selbstverständlich ungezählte Beispiele namhaft machen könnte. So nahe es liegt, die Dunkelung der Fühler und ihrer Rückziehmuskeln als der exponirtesten und durchleuch- tetsten Körpertheile dem Lichte zuzuschreiben, so sehr verliert der Ge- danke bei näherem Zusehen an Halt, denn die Zeichnung ist dieselbe, mag die Schnecke in der Sonne leben, mag sie, wie Daudebardien, Vitrinen, Hyalinen, das Licht scheuen. Um so mehr tritt die Koincidenz hervor, dass die pigmentirten Theile zugleich die am häufigsten ins Haus zurück- ‘gezogenen und am häufigsten durch Blutdruck ausgestülpten Organe sind, die Koincidenz von Pigment und Blutreichthum und -bewegung; es giebt keinen Muskel, der so lebhaft in einem Blutraum hin- und her- - spielt und durch Blut beeinflusst wird, als den Ommatophorenretraktor, und er ist ausnahmslos das dunkelste Band. Ja, um das Tüpfelchen 354 Heinrich Simroth, auf dem i nicht zu vergessen, der hellere Theil des Fühlerknopfes neben dem Auge erklärt sich durch das an die Haut befestigte Ganglion, wel- ches die freie Nachbarschaft von Haut und Blutraum aufhebt. Bei den Kiemenschnecken und den Branchiopneusten, deren Fühler nur kon- traktil sind, fällt sofort das charakteristische Kolorit weg, und die Fühler pflegen nicht dunkler zu sein, als der gesammte übrige Leib. wofür Planorben, Limnaeen, Ancylus, Melanien, Paludinen und viele andere als Beispiele gelten können. Ein Theil der Pulmonatenhaut bildet eine wahre oder scheinbare Ausnahme von dem Gesetz der Ab- hängigkeit zwischen Blutreichthum und Pigment, die Sohle; die geringe Färbung der Schneckensohle, die doch durch Blut geschwellt wird, könnte andeuten, dass der Mangel bei dem der Unterlage meist dicht angeschmiegten Organ lediglich durch Lichtentziehung zu erklären sei. Solche Annahme aber wird zurückgewiesen durch die Sohle des dunk- leren Arion empiricorum, des Agriolimax agrestis creticus und noch mehr des Limax maximus cinereoniger, wo deutlich und intensiv das Pigment in die Seitenfelder eindringt, während die lokomotorische Mitte ungefärbt bleibt; man sieht, die physiologische Funktion und die damit verbundene Umwandlung, namentlich wohl die Verdickung des Epithels und die Verdickung der subepithelialen Muskulatur, ist die Ursache der Pigmentlosigkeit. Wo, bei den beschalten Pulmonaten, die ganze Ober- fläche, aber dann in etwas geringerer Intensität, lokomotorisch ist, zieht sich wohl auch ein leichter Pigmentschleier über das ganze Organ. Von dieser einzigen, physiologisch leicht erklärlichen Ausnahme abgesehen gilt durchweg ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Blutreich- thum und dunklem Farbstoff unter dem Einfluss der Atmosphäre. — Das andere, gelbe oder rothe Pigment, wie es schließlich überall in Farbdrüsen durchbricht, hat zur Unterlage nicht das Blut, wenigsiens nicht in erster Instanz, sondern die ganze Haut, es scheint durchweg an das Epithel und die subepithelialen Integumentschichten gleichmäßig gebunden und erlangt höchstens bei der Freilandform des Arion Bour- guignati in der gelben Seitenbinde eine gewisse Koncentration und Iso- lation. | | c) Zweckmäßigkeitsursachen. Die Blutvertheilung bildet die Handhabe, an welcher die klimatischen Einflüsse, vor Allem die Kälte, während des jugendlichen Wachsthums anfassen, um das dunkle Pigment zu erzeugen und die Zeichnung zu Stande zu bringen; die Wärme fördert, wo als unerlässliche Vorbedingung die Variabilität einer Species vorliegt, die Entwicklung der Farbdrüsen, um bunten Schleim hervorzurufen. Die sehr große Mannigfaltigkeit der Muster bei den Nacktschnecken legt es nahe, eine hohe biologische Bedeutung der Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 355 Farbstoffe im Kampf ums Dasein zu vermuthen. An und für sich er- scheint die Färbung der Thiere bei den Pulmonaten als ein sehr unter- geordneter Faktor, die allgemeine Düsternis des Körpers kann als ein Verbergungsmittel gelten, der Hauptschutz fällt dem Hause zu. Um so auffälliger das Kleid der Nacktschnecken, mag auch der Werth der Farben bei den Dämmerungsthieren abgeschwächt erscheinen. Bei den kleineren Arten, die sich den Tag über am Boden zwischen Erde und Laub aufhalten, ist das gleichmäßige Grau oder Schwarzgrau der meisten Agriolimaces eine natürliche Schutzfarbe, eben so bei den kleinen Arionarten, minimus, Bourguignati, hortensis; das Rothgrau der Ama- lien entspricht den Felsen, an denen sie bei Regenwetter umherkriechen, Limax arborum mit seinem Graubraun ist von der Baumrinde, auf der er lebt, nur durch ein geübtes Auge zu unterscheiden. Die Beispiele sind nicht gerade auffällig, immerhin aber sind die Differenzen be- trächtlich genug, um den Begriff der Schutzfarbe daraus abzuleiten. Viel bemerkenswerther schon sind die gelben und roth übergossenen L. tenellus und A. subfuscus, sie dürften dem faulenden Laube, noch mehr aber den Pilzen, Steinpilz oder Eierschwamm zum Beispiel, ent- sprechen, und das ist sicher, dass der L. tenellus sich den Sammlern nicht entfernt so lange hätte entziehen können, wenn er auf dem Felde, auf der Wiese, im Garten vorkäme. Vielleicht kann man das indifferente Grau des L. variegatus mit dem versteckten Aufenthalte zusammen- bringen, doch wäre hier jede Färbung gleich unschädlich, daher Kolorit und Zeichnung gleichgültig. Um so mehr muss gerade bei den größten Arten die hohe Veränderlichkeit und das zum Theil grellste Aussehen auffallen, A. empiricorum rufus oder L. maximus Perosinii sind durch wahre Leuchtfarben ausgezeichnet, sie verlangen geradezu Erklärung. Beim A. empiricorum glaubte ich nachweisen zu können, dass der rothe Schleim als Trutz- oder Ekelfarbe wirkt; es wäre interessant, durch Fütterungsversuche die rothen Limax maximus zu prüfen. — Noch aber zeigten dieselben Versuche, welche das Roth als Folge der Wärme, das - Schwarz als die der Kälte während der Entwicklung ergeben, eine an- dere Funktion des dunkeln Pigmentes, nicht nur als Kälte, sondern umgekehrt auch als Wärmeschutz. Und wenn die Dunkelung aus dem ‚Wärmebedürfnis sich leicht erklärt, fehlt für den Wärmeschutz vor der Hand das volle Verständnis, daber man nur in der Ausbildung von 'reichlichem Schwarz, d. h. in einer tüchtigen allseitigen Bethätigung der im Blute, dem allgemeinen Lebenssafte schlummernden Kräfte, eine Kräftigung der Konstitution erblicken kann. Wir finden aber die über- ‚ haupt variablen Arten vorwiegend an der Südgrenze am Mittelmeere (Agriolimax, Amalia und Arion), so wie an der Nordgrenze in Skandi- 356 Heinrich Simroth, navien (Limax maximus, Arion empiricorum) dunkel, gerade wie das Menschengeschlecht in der kalten und heißen Zone vorwiegend dunkel ist. In Summa haben wir also Zeichnung und Kolorit der Nacktschnecken bald aufzufassen als Schutzfarbe, hald als Trutzfarbe, bald als ein Kräftigungsmittel gegen Kälte und Wärme. In letzterer Hinsicht ist es beachtenswerth, dass mit der Dunkelung sehr häufig und meist eine derbere Beschaffenheit der Haut parallel geht, die sich durch kräftigere Runzeln kennzeichnet, hierher gehört der L. maximus cinereoniger gegenüber dem cinereus, der ecarinatus gegenüber dem gemeinen varie- gatus, der dunkle Agriolimax laevis gegenüber seiner schlankeren Varie- tät pallidus ete. — Noch mag eine vergleichende Bemerkung über das dunkle Pigment am Platz sein. Auf die Parallele zum Menschengeschlecht ist bereits verwiesen. Der Melanismus zahlreicher Thiere, Schmetter- linge, Käfer, Reptilien etc. in kälteren, namentlich alpinen Gegenden wird demselben Wärmebedürfnis seine Entstehung verdanken, wie bei unseren Schnecken. Auf die dunkle Oberseite früher im Jahre abgeleg- ter Froscheier gegenüber den farblosen Eiern später laichender Arten hat MarsHaLL hingewiesen ; auch hier ist Wärmebedürfnis die Ursache. Höchst auffallend musste die Übereinstimmung des Färbungsgesetzes bei Limax mit dem von Eimer für die Wirbelthiere behaupteten sein. Schon die Beschränkung des Gesetzes auf die einzige Nacktschnecken- gattung weist jeden tieferen ursächlichen Zusammenhang zurück. Es versteht sich von selbst, dass ich die Parallele als eine zufällige be- trachte, wie denn bei den Schnecken der Grund in den Kreislaufver- hältnissen liegt, da er bei Wirbelthieren höchstens sehr problematisch im monocotylen Pflanzenkleide früherer Erdepochen vermuthet wird. Auf den ersten Blick fällt der Unterschied zwischen Schnecken und Vertebraten als segmentirten und nicht segmentirten Thieren in die Augen, und man sollte ganz gewiss bei den letzteren zunächst Quer- streifung als Ausdruck der Gliederung erwarten vor der Längsstreifung und nicht, mit Eımer, das Gegentheil. Indess erkennt man anderer- seits, wie die innerliche centrale Metamerenbildung nach der Peripherie mehr und mehr sich verwischt. Man denke an die Nervenplexus der Extremitäten oder an die Platten des Schildkrots, die mit den unmittel- bar darunter liegenden Metameren, Wirbeln und Rippen kaum noch etwas zu thun haben. Bei den Insekten, wo die Segmentirung vor- wiegend eine peripherische ist, setzt auch die Zeichnung abgegliedert ein, der Querstreifung entsprechend. Es mögen diese Hinweise genügen, um nochmals zu betonen, auf wie ganz anderem Grunde die Zeichnung des Molluskenleibes beruht. Kaum bedarf es der Erwähnung, dass auf Grund der Färbungs- Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ, Verwandten. 357 gesetze zusammen mit der Anatomie eine größere Reihe von Nackt- schneckenarten zu kassiren, andere jedoch abzutrennen waren; wohl aber dünkt mich ein wichtiges Ergebnis die Schwierigkeit, eine positive gleichmäßige Grundlage für die Artbestimmung bei allen Gattungen aus- findig zu machen. So leicht es war, etwa die einheimischen Limaces nach anatomischen Merkmalen zu sondern und durch einen flüchtigen Blick ins Innere mit aller Sicherheit zu unterscheiden, so wenig möchte ich es unternehmen, das mir bekannte Gesammtmaterial in überzeugen- der und unabänderlicher Weise in einer festen Anzahl von Species unterzubringen, denn dem geübten Auge erscheint bei den meisten Arten Alles im Flusse, die Färbung wie die Anatomie, die eine wenigstens oder die andere, der wechselnden Zungenbewaffnung gar nicht zu ge- denken. Man kann nicht einmal unterscheiden , ob die äußeren oder die inneren Merkmale größere Konstanz besitzen. Und wenn man im Allgemeinen eine Abänderung in der Färbung für weniger schwer- wiegend halten wird, als eine Umformung innerer Organe, zumal der Genitalien, so sprechen die südeuropäischen Ackerschnecken oder die Amalien mit fast gleicher Färbung und inneren Unterschieden viel eher für das Gegentheil. Die Regel reicht kaum über die Gattung hinaus und bezeugt auch dadurch die wesentliche und meist entferntere Trennung der Genera von einander. Innerhalb der Gattung Limax sind die Arten anatomisch scharf gesondert, aber es lässt sich nicht leugnen, dass der L. maximus durch chorologische und klimatische Einflüsse in eine große Menge von Farbenvarietäten zerfällt, die in ihrer geographischen Ab- scheidung im südlichen Alpengebiete als werdende Arten erscheinen. Werden sich die Färbungen mit der Zeit fixiren? Werden anatomische Unterschiede nachfolgen? — Die Arten der Gattung Arion sind anato- misch so schwer zu unterscheiden, dass sich die Unterschiede nur mit Hilfe der Färbungen feststellen lassen. Auch diese sind wenig different. Gleichwohl sind beide sehr beständig, Färbung wie Anatomie, und man erhält den Eindruck, als ob die Arten seit lange gefestigt wären. Wird die Farbenschwankung des großen A. empiricorum doch noch einst so fest werden, dass zwei Arten daraus entstehen, eine nördliche schwarze und eine südliche rothe? Werden sich anatomische Differenzen noch einstellen, wenn auch der Gattungsanlage entsprechend geringe? Welchen Weg werden die dunkel kolorirten Gebirgsformen einschlagen? Die Agriolimaces, die sich vom Kaukasus die Mittelmeerküste entlang ziehen, sind gut getrennte, aber rein anatomische Arten. Die äußeren ' Merkmale würden schlechterdings keinen Unterschied ergeben, und die Determinationen der überhaupt bekannten Arten sind im Grunde nach ' derselben Beschreibung lediglich nach verschiedenem lokalen Ursprung 358 Heinrich Simroth, aufgestellt worden. Nur die größte Art, anatomisch nicht wesentlich variirend, geht in der Färbung stark aus einander; wird sich daraus ein mediterraner panormitanus und ein kosmopolitischer reticulatus mit Ausmärzung der Übergänge herausbilden? Bei den Amalien werden die Artcharaktere aus geringen Differenzen der Anatomie und der Fär- bung gewonnen, ähnlich wie bei den Arionen, nur dass bei diesen im Einzelnen große Beständigkeit herrscht, während es bei den Amalien unmöglich ist, manche Arten überhaupt scharf zu umgrenzen, sie bilden Übergangsreihen. Hier kann man von vorn herein eine rege Artbildung wahrnehmen. Wie weit ist sie bereits gediehen? Unter welchen Be- dingungen vollzieht sie sich ? Wenn die Ursachen der noch fort und fort wirkenden Artbildung bei dem jede Witterungsnuance wiederspiegelnden Nacktschnecken- körper hauptsächlich in metereologisch-klimatischen Einflüssen zu er- blicken waren, ist es doch nicht überflüssig, hier, von diesem Faktor abgesehen, lediglich auf die geographische Trennung verwandtester Arten unter sonst gleichen Bedingungen aufmerksam zu machen und unsere Thiere vom Standpunkte der Migrations-Isolationstheorie zu be- trachten. Da ist es allerdings klar, dass die Agriolimaces, als sie sich das Mittelmeer entlang verbreiteten, jedes Mal auf ihrer abgesonderten Insel oder Halbinsel ein besonderes anatomisches oder äußeres Gepräge annahmen, melanocephalus Kaukasus, Dymezewiezi Krim, berytensis Syrien, agrestis panormitanus Kreta, Sicilien, Maltzani Portugal; ja der panormitanus ist nach seinem Fundorte zu erkennen, dunkelbraun von Sicilien, bläulich schwarz oder lebhaft roth von Kreta; die Amalia cari- nata ist eine andere in England, in Italien, in Griechenland und Kreta, wahrscheinlich hat sie trotz der engen Umschränkung ihrer Variabilität noch auf den verschiedenen. Inseln und Mittelmeerländern überall ihr chorologisch specielles Gepräge, ähnlich wie die Amalia gracilis. Beim Limax maximus, der so sehr von äußeren Bedingungen abhängig ist, scheint doch die Isolirung allein schon durch Inzucht konstantere Varie- täten zu erzeugen, wie die grau gefleckten cinereoniger in der Harth bei Leipzig, wie vor Allem die verschiedenen Cinereusformen, die je nach dem Keller oder der Stadt, wo sie sich bildeten, einen besonderen Familientypus aufweisen. Dazu kommen die reichen Abänderungen in Ungarn, Oberitalien und Südfrankreich, Abänderungen, bei denen erst noch zu erweisen ist, wie außer dem Klima noch die trennende Wirkung abgeschiedener Gebirgsthäler sich äußert. Noch kann man endlich die Artbildung von einer neuen Seite ver- muthen, auf dem Wege der durch Proterogynie oder Proterandrie ein- Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten. 359 geleiteten Geschlechtstrennung, bei den Ackerschnecken, zumal bei Agriolimax laevis. Je mehr man in der Kenntnis unserer’ Thiere vordringt, je mehr das Gewirre sich klärt, desto bestimmter und mannigfacher tauchen neue Fragen auf, die zur Beantwortung und weiteren Untersuchung auf- fordern, eine genussreiche Aussicht eröffnend. Die Nacktschnecken haben den anregenden Reiz vielseitiger Probleme. Gohlis bei Leipzig, April 1885. Gitirte Schriften. 4) BıeLz, Fauna der Land- und Süßwassermollusken Siebenbürgens. Hermann- stadt 4863. Referat in Malak,. Bl. XI. p. 60—76. 29) —— Verzeichnis der Land- und Süßwassermollusken Siebenbürgens. Ver- handlungen und Mittheilungen des siebenbürgischen Vereins für Naturw. zu Hermannstadt. II. 1854. 3) Bınney, Terrestrial air-breathing mollusks of the U. St. and the adjacent terri- tories of N.-Amer. Bull, ofthe Mus. of comp. zool. at Harvard College. Cambridge. IV. 4) BöTtGEr, Malakozoologische und paläontologische Mittheilungen, 22. und 23. Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde. 5) —— Siebentes Verzeichnis von Mollusken der Kaukasusländer etc. Jahrb. d. d. malak. Gesellsch. 4883. 6) BorCHERDING, Molluskenfauna der norddeutschen Tiefebene. Abhandlungen des naturwissensch. Vereins zu Bremen. 1883. 7) —— Nachtrag dazu. Ibid. 1884. 8) BoursuıGnAT, Malacologie de ’Abyssinie. Ann. des sc. nat. XV. 4883. 9) Cressın, Exkursionsmolluskenfauna. 40) BircıtHE EsmARrk, Land and freshwater Mollusca in the arctic regions of Norway. Tromsg Museums Aarshefter. V. 44) Fischer, Malakologische Fauna von Cauterets. Journ. de Conchyl. XXV. Ber. in Malak. Bl. 24. p. 90. 42) Cr. Gears, Verzeichnis der in unmittelbarer Nähe und im größeren Umkreise der Stadt Hannover beobachteten Mollusken. Jahresber. der naturh. Ge- sellschaft in Hannover. 1880—82. 43) ©. GoLpruss, Verzeichnis der bis jetzt in der Bheinprosinz und Westfalen ebachtsten Land- und Süßwassermollusken. Verh. d. naturw. Vereins der pr. Rheinprovinz und Westf. 1856. p. 29—86. 44) '3. Hazay, Die Molluskenfauna von Budapest. Malak. Bl. N. F. III und IV. 45) —— Limax transsylvanicus Heynemann = L. Schwabi Frauenfeld. Malak. Bl. N. F. VI. p. 100—109. 46) —— Limax Schwabi Frfld. ist nicht identisch mit Limax transsylvanicus I Malak. Bl. N. F. VII. 360 Heinrich Simroth, 47) HEvnemann, Über Limax variegatus. Malak. Bl. VII. p. 165—170. 18) Die nackten Schnecken des Frankfurter Gebietes, vornehmlich aus der Gattung Limax. Ibid. VII. p. 85—105. 49) —— Exkursion in den Taunus, mit besonderer irn der Gattung Limax. Ibid. VII. p. 139—A45, 20) —— Über Amalia marginata. Ibid. VIII. p. 154—459, 34) —— Dieälteste Figur des Limax cinereus Lister. Ibid. VII. p. 468—167. 32) —— Die Nacktschnecken in Deutschland und ein neuer Limax. Ibid. IX. P- 33—57. 33) —— Einige Mittheilungen über Schneckenzungen mit besonderer Beachtung der Gattung Limax. Ibid. X. p. 200—246. 24) —— Neuer siebenbürgischer Limax. Ibid. X. p. 246—218. 25) —— Die Mundtheile einiger brasilianischer Land- und Süßwasserschnecken. Ibid. XV: p. 99 —443. 36} —— Noch ein Wort über Limacus und Amalia. Ibid. XVI. p. 4143—148. 37) —— Limax brunneus. Ibid. XIX. p. 148-149. 38) —— Studien über einige wenig gekannte Gattungen. Jahrb. d. d. malak. Ges. XI. 29) JEnTınck, Over Systematiek en ‚Generatie-Organen von naakte Pulmonaten. Leyden 1875 30) von Inerıng, Vergl. Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollus- ken. Leipzig 1877. 34) L. JoLıer, Sur les fonctions du sac r&nal chez les Heteropodes. C. r. XCVM. 1883. No. 20. 32) HERMANN JORDAN, Über das Vorkommen der Landschnecken. Ref. in Kosmos. 1883. 33) S. Journaın, Notes sur les organes genitaux et l’accouplement de quelques limaciens. 34) —— Sur le d&eveloppement du tube digestif des Limaciens. C. r. XCVIIl. 4884. No. 25. von KımAkowicz, Beitrag zur Molluskenfauna Siebenbürgens. Verb. und Mitth. des siebenbürgischen Vereins für Nat. XXXIII und XXXIV. 1883 und A884. [uU) [913 36) Lawson, On Limax maximus. Quart. Journ. of micr. Soc. London. 4863. 37) LEHMANN, Die lebenden Schnecken und Muscheln der Umgegend Stettins. 38) Zur Molluskenfauna von Karlsbad und Franzensbad in Böhmen. Malak. Bl. X1I. p. 91—460. 39) —— Neue Nacktschnecken aus Australien. Ibid. XI. p. 145—149. 40) —— Zur Anatomie von Amalia marginatfa. Ibid. XI. p. 4149—156. 44) —— Limacus Breckworthianus, L. bicolor, L. variegatus und L. marginatus. Ibid. XVI. p. 50—35. 42) Lessona, Sugli Arion del Piemonte. Torino 1881. 43) POLLONERA, Über einen Arion aus der Umgegend Bremens. Abhandlungen des nat. Vereins zu Bremen. 1884. 44) LESSONA e PoLLONERA, Monografia dei Limacidi italiani. Torino 1882. 45) LEUCKART, Zoologische Untersuchungen. Heft 3. 46) Levpis, Die Hautdecke und Schale der Gastropoden, nebst einer Übersicht der einheimischen Limaeinen. Archiv für Naturgesch. 1876. p. 209—292. 47) LocArp, Catalogue des Mollusques vivants terrestres et aquatiques du Deparite- A X Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktsehnecken u. ihrer europ, Verwandten. 361 ment de l’Ain. Mem. de l’acad. des sc. etc. deLyon. Classe des sc. XXV. 4884 und 82. 48) Moguın-Tanpon, Histoire naturelles des mollusques terrestres et fluviatiles de France. 49) MoRELET, Description des Moll. terr. et fluv. du Portugal. Paris 4845. 50) —— Revision der Land- und Süßwassermollusken von Portugal. Ref. in Malak. BIN.F.1. 54) NALEPA, Beiträge zur Anatomie der Stylommatophoren. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. Wien. Bd. LXXXVI. 52) NAPoLeone Pını, Molluschi terrestri e d’acqua dolce viventi nel territorio d’Esino 54 56 Bull. della Soc. malac. ital. 4876. 53) E. Purkyne, Die Begattung des Arion empiricorum, Archiv für Naturgesch. XXV. 4859, ) 0. Rerowskı, Die Molluskenfauna der Krim. Malak. Bl. N. F. VI. 55) Wu. Denıson RoEBUuck, Slugs in Co. Waterford. Zoologist 1883. p. 507. ) A. Scanıpr, Geschlechtsapparat der Stylommatophoren. 57) ScHrENk, Land- und Süßwassermollusken Livlands. 1848, 58) H. Seısert, Zur Kenntnis unserer Nacktschnecken. Malak. Bl. XXI. 1875, 59) —— Zur Kenntnis unserer Nacktschnecken. Nachrichtsbl. d. d. malak. Ges. IV. 1872. 60) Die kolorirten Tafeln des Lenmann’schen Werkes. Ibid. V, | 61) SELENkA, Zwei neue Nacktschnecken aus Australien. Malak. Bl. XII. p. 105— 440. ) Nachtrag zum Limax bicolor. Ibid. XII. p. 173. ) SEMPER, Reisen im Archipel der Philippinen. III. Bd. Landmollusken. 64) —— Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. 65) Sımkora, Anatomie der Parmacella Olivieri. Jahrb. d. d. malak. Ges. X. — und Geruchsorgan der Parmacella. Zool. Anz. 4882. Nr. 420. 66) —— Über die deutschen Nacktschnecken. — Über rein weibliche Exemplare von Limax laevis. — Über die Färbung der Arionarten. Sitzungsber. der naturf. Gesellsch. zu Leipzig. 1883 und 84, ' 67) —— Über die deutschen u. einige außerdeutsche europäische Nacktschnecken. Vorl. Mitth. Nachrichtsbl. d. d. malak. Ges. 4883. 68) —— Über das Nervensystem u. die Bewegung der deutschen Binnenschnecken. Progr. der Realschule zu Leipzig. 1882. 69) —— Anatomie der Elisa bella. Jahrb. d. d. malak. Gesellsch. X. 70) S. SPENCER PEARCE, The land and fresh water mollusca in the vicinity of Oxford. Zoologist. 1883. p. 362—363. 74) VERLOREN, Organorum generationis structura in molluscis quae Gastropoda etc. Lugdun. Bat. 4838. 72) WEISLAnD, Zur Weichthierfauna der schwäbischen Alp. Ref. in Malak. Bl. XXI. 73) WESTERLUND, Fauna europaea moll. extramarinorum. I. 362 Heinrich Simroth, Erklärung der Abbildungen. Gemeinsame Bezeichnungen. ad, weibliche Anhangsdrüsen bei-Amalia ; an, Anhangsorgan am Atrium des Limax coerulans (Pfeilsack ?); ao, Aortenanfang;; at, Atrium; bd, Biinddarm; col, Kopfretraktor (Spindelmuske]); d, Drüsenkranz um das Vas deferens des Limax coerulans; dı—de, Darmwindungen (Halbschlingen); ei, Eiweißdrüse ; fl, Anhangsdrüse des Penis; gl, Glans der Spermatophoren- oder Patronenstrecke (bei Arion); h, Herz; hk, Herzkammer; hl, nach vorn verlaufender Schenkel des Ureters (eigentlicher Harnleiter); hv, Herzvorkammer; !g, Lunge; !g, Copulationsorgan von Arion empiricorum (Ligula); l.Ib, linke Leber; m, Retraktor des Limax coerulans; n, Niere (Urinkammer); np, Nierenporus, zwischen Niere und rückläufigem Schenkel des Harn- leiters; ns, Nierenspritze, zwischen Niere und Perikard; oa, oberes Atrium (Arion); ov, Ovidukt; p, Penis; pat, Spermatophoren- oder Patronenstrecke; pc, Herzbeutel; ra, Retractor atrii; rec, Receptaculum; rf, weiblicher Genitalretraktor von Arion (für Ovidukt und Blasenstiel); rk, Reizkörper (im Penis oder Atrium); r.lb, rechte Leber; rp, Penisretraktor; 1,P,, zweiter Penisretraktor (Amalia); sd, Schleimdrüse am Ende des Harnleiters; st, Schalentasche; ua, unteres Atrium (Arion); uk, rückläufiger Schenkel des Harnleiters (Nebenniere); ut, Eisamenleiter oder Ovispermatodukt (Uterus); vd, Vas deferens; vs, Vesicula seminalis oder Samenblase ; z, Zunge im Penis von Limax arborum;; zd, Zwitterdrüse; 29, Zwittergang. Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten 363 Die angegebenen Längen der abgebildeten Thiere können bei den wechselnden Kontraktionszuständen nur von beschränktem Werthe sein, Die römischen Ziffern entsprechen denen im Text. Tafel VII. Il. Limax maximus. Fig. 4.1 A. Ganz junges Thier. Am deutlichsten die Stammbinde, nächstdem die innere, am wenigsten die äußere. Fig. 21 B. Ähnlich, etwas heller. Innere und Stammbinde sichtbar. A und B, Spätsommer- oder Herbstthiere. Fig. 31 C. Frübjahrsthier aus der Harth bei Leipzig. Stammbinde noch erhal- ten. Ihr Abblassen bei weiterem Wachsthum erzeugte den L. montanus. Fig. 4 1 D. Etwas größeres Exemplar aus Thüringen. Fig. 51 E. Erwachsenes Exemplar vom Erzgebirge bei Bienenmühle, unter der Rinde eines großen Rothbuchenstumpfes. Nat. Größe. Fig. 6 I F. Aus dem Biharer Gebirge (Herrn Hazav's Sammlung). Nat. Größe. Fig. 7IIA. Limax tenellus. Jüngere Schnecke. V. Limax variegatus. Fig. 8 V A. Erwachsene Schnecke. Nach dem Leben. Fig. 9 V B. Junges Thier von Kreta, mit einfarbigem Mantel. Fig. 10 V C. L. ecarinatus Böttger vom Kaukasus, erwachsen. VI. Limax arborum. Fig. 44 VIA. Junges Exemplar, nach dem Leben (Leipzig). Fig. 42 VI B. Oberitalienische Schnecke (Valle di Lanzo). Fig. 13 VI C. Erwachsenes gestreiftes Exemplar, nach dem Leben (Siebenbür- gen). Auf dem Mantel Stammbinde. Auf dem Rücken in der Mitte (in der abge- - bildeten Lage mehr nach rechts) der Kielstreifen, daneben beiderseits die innere ' Binde ; Stamm- und äußere Binde in der Umbildung zu schrägen Querstreifen. VI. Agriolimax agrestis. Fig. 44 VIIA. Zwei Thiere im Vorspiel zur Copula, ein reticulatus und ein ' blasser auratus. Nach dem Leben. Fig. 45 VII B. Panormitanus, von Kreta. Nat. Größe, Fig. 16 VII C. Eben so, rothes Exemplar. Fig. 47 VIIIA. Agriolimax laevis pallidus. Sommerform. Leipzig, Fig. 418 XII. Agriolimax Maltzani.n. sp. (Algarve), Fig. 49 XIII A. Amalia marginata. Kopf mit vorgestrecktem Kiefer. Nach , Tödtung in heißer Sublimatlösung. Fig. 20 XV. Amalia carinata. A, me von Kreta, nat. Größe; \ B, eben so, hell, von rechts und von oben. Fig. 24 XVII. Amalia Robicin. sp. (Krain). A, dunkles, B, helles Exem- \plar. Nat. Größe. Fig. 22 XIX A. Amalia cretica n. sp., von oben und rechts. Nat. Größe. XXI. Arion empiricorum. Fig. 23 XXI A. Ganz junges Thier, vor Kurzem im Zimmer ausgekrochen. Eier | vom Rosenthal. Nat. Größe. Fig. 24 XXI B. Junges Thier vom ersten Frühjahr (Rosenthal). Fig. 25 XXI C. Junges Thier, ebendaher, dunkler fasciatus. Frühjahr. Bund C eben abgestorben. Fig. 46 und 27 XXI D und E. Junge Thiere aus der Harth bei Heinsie. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 34 364 Heinrich Simroth, Fig, 28 XXI F und @. Junge Thiere von Vegesack. Frühjahr. Fig. 29 XXI H. Mindestens halbwüchsiges Thier aus der Wärmezucht. Unechter Albino, der im Alkohol den rothen Schleim eingebüßt hat. Fig. 30 XXI I. Halbwüchsiges rothes Thier von Thüringen (Eisenberg), breit angesaugt, in Schaukelstellung. Fig. 31 XXI K. Jüngerer fasciatus, ebendaher. XXIH. Arion brunneus (Dübener Haide). Nach dem Leben, Fig. 32 XXII A, erwachsene, Fig. 33 XXII B und (C, junge albolateralis. XXIHN. Arion subfuscus. Fig, 34 XXIII A, ziemlich erwachsen (Rosenthal), Fig. 35 XXIII B, jung. XXIV. Arion Bourguignati. Fig. 36 XXIV A. Halbwüchsiges Exemplar aus dem Rosenthal. Fig. 37 XXIV B. Erwachsenes Thier aus dem Garten, nicht eben groß. Fig. 38 XXIV C und Fig. 39 XXIV D. Junge; C, aus dem Garten, D, aus dem Fig. 40 XXIV E. Eben abgestorbenes Thier mit ausgestülptem Atrium (Sieben- Fig. 44 XXV A. Arion minimus, erwachsen. Harth. Fig, 42 XXVI A. Arion hortensis, erwachsen. Tafel VIII. I. Limax maximus. Fig. 4 1 G@, Darm der erwachsenen, Fig, 2 I H, Darm der jungen Schnecke (4,5cm in größter Streckung). Fig. 311. Genitalien eines etwas größeren jungen Thieres. Fig, 41 K. Genitalien der erwachsenen Schnecke. Fig. 5 I L. Penis und unterer flaschenförmiger Theil des Ovidukts, geöffnet. Fig. 6 1 M. Vorderkörper mit ausgestülptem Penis, dieser mit deutlichem Kamm bis zur Mündung des Blasenstiels (rec,). Fig. 7 IN. Die Verzweigung der Lungengefäße in natürlicher Lage, von oben, Prosobranch. Halbschematisch. Fig. 81 O. Querschnitt durch die Mantelorgane, in der vorderen Nierengegend, Fig. 9 und 40 IPundI O0. Niere .von unten und von oben. Fig. 44 IR. Niere von unten. Perikard und rückläufiger Schenkel des Harn- leiters (Nebenniere) durchsichtig gedacht. II. Limax tenellus. Fig. 12 II D. Darm. Fig. 43 II E. Leber. ‚ II. Limax nyctelius. Fig. 44 III A. Genitalien. Fig. 45 III B. Geöffneter Penis. Fig. 46 IV. Limax coerulans. Genitalien. V. Limax variegatus. Fig. 47 V D. Darm. Fig. 48 V E. Genitalien. Fig. 19 V F, Penis und unteres Ende des Ovidukts geöffnet. Tafel IX. II. Limax tenellus. Fig. 4 II B. Genitalien. Fig. 2 II C, Penis geöffnet. VI. Limax arborum. Fig. 3 VI D. Genitalien. Fig. 4 VI E. Penis geöffnet. Para Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken u. ihrer europ. Verwandten, 365 VI. Agriolimax agrestis. Fig. 5 VII D. Darm. Fig. 6 VII E. Leber. Fig. 7 VII F. Genitalien. Fig. 8 VII @. Vorderkörper mit völlig zur Copula ausgestülptem Penis. Fig. 9 VII H, Penis geöffnet. Fig. 40 VII /. Junger Penis in durchscheinendem Licht. = Fig. 44 VII K. Genitalien eines ganz jungen Thieres. Fig. 42 VII L. Penis eines unmittelbar nach der Copula getödteten Thieres. Fig. 43 VII M. Ein gleiches, aus einer anderen Copula, Fig. 44 VII N. Penis eines Thieres von Magnesia. Fig. 45 VII O. Geöffneter Penis eines Thieres von Kreta (Sitia), der Reizkörper mit tiefen Rinnen, die auf eine Verwachsung aus Falten deuten. VII. Agriolimax laevis. Fig. 46 VIII B. Darm. Fig. 47 VIII C. Genitalien. Fig. 48 VIII D. Penis geöffnet. Fig. 19 VIII E. Samenpatrone, während der Copula entleert und durch Störung nicht in das andere Thier gelangt. Das Dunkle das Sperma, darum die Schleim- hülle. Vergr. 12:4. Fig. 20 VIII F. Endwege der Genitalien eines ganz jungen Thieres, Der Penis ist gegen den Ovidukt im Rückstande. Fig. 24 VIII @. Endwege eines jungen Exemplares mit abnormem Penis. Fig. 22 VIII H. Genitalien eines ganz jungen rein weiblichen Exemplares. Penis nur als verkümmerte Knospe angedeutet. Fig. 23 IX. Agriolimax melanocephalus (Kaukasus). Genitalien eines großen Thieres, noch ziemlich schwach entwickelt. . X, Agriolimax Dymczewiczi (Krim). Fig. 24 X A. Vorderkörper mit dem zur Copula EN Penis, | Fig. 25 X B. Penis eines anderen Exemplares. Fig. 26 XI. Agriolimax berytensis mit ausgestülptem Penis. A, von unten, B, von oben. 7 je} Tafel X. XII. Amalia marginata. Fig, 4 XIII B. Genitalien. Fig. 2 XIII C. Niere von unten, Fig. 3 XIII D. Stück der Eischale (HArtnack, Oc,3, Obj.4). Fig. 4 XIIl E. Darm, XIV. Amalia Sowerbyi. Fig. 5 XIV A, Genitalien. ‚Fig. 6 XIV B. Deren Endwege, die weiblichen Theile nach vorn zurückge- schlagen, Fig. 7 XIV C. Penis geöffnet. Fig. 8 XIV D. Atrium, Blasenstie} und der untere Theil des Receptaculums, ge- öffnet. Blasenstiel mit dichten Längsfalten. Fig. 9 XIV E, Aus den weiblichen Anhangsdrüsen. Fig. 40 XIV F. Darm. XV. Amalia carinata (Kreta). Fig. 44 XV C. Spermatophore. Fig. 12 XV D. Einer der Conchiolinsperrhaken derselben, stärker vergrößert. Fig. 43XVI. Amalia gracilis. Endwege der Genitalien, Fig. 44 XVII. Amalia gagates (Portugal). Genitalien. Atrium geöffnet. XVII. Amalia Robici. Fig. 15 XVII C. Genitalien. Fig. 46 XVIII D. Mittelstück eines dunkeln Thieres von links mit (Byssus-)Fäden, 24* 366 Heinrich Simroth, Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken etc. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. XIX. Amalia cretica. 17 XIX B. Schale. Fig. 18 XIX C. Endwege der Genitalien. XXL Arion empiricorum. A9 XXIP. Genitalien. Fig. 20 XXI Q. Deren Erdwese von der Seite. 34 XXIR. Genitalien eines halbwüchsigen Thieres. 32 XXI S. Endwege eines noch jüngeren Exemplares. 33 XXI T. Das obere Atrium von R geöffnet. 34 XXI U. Ende des Zwitterganges mit der Samenblase. 35 XXI V. Copulationsorgan, ausgestülpt. Tafel XI. XXI. Arion empiricorum. A XX1L. Darm. 3 XXIM. Querschnitt durch Mantel und Niere, halbschematisch. 3 XXI N. Niere von oben. 4 XXI 0. Eben so, Niere und rückläufiger Ureterschenkel .(Nebenniere) durchsichtig gedacht. Fig. Fig. Fig. Fi Ta Fig. Fig. XXI. Arion brunneus. 5 XXI D. Genitalien. 6 XXII E. Endwege, zumal der Ovidukt, geöffnet. 7 XXIL F. Genitalien eines halbwüchsigen Thieres. XXIII. Arion subfuscus. .8 XXIII C. Darm. Fig. 9 XXIII D. Leber. Fig. 40 XXIII E. Der dem Embryo abgekehrte Eipol, vergr. Mit Schleimhülle. XXIV. Arion Bourguignati. 44 XXIV F. Genitalien. Fig. 42 XXIV G. Deren Endwege von unten. 13 XXIV H. Dieselben von oben, geöffnet, zumal der Blasenstiel. XXV. Arion minimus. . 44 XXV B. Darm. Fig. 15 XXV C. Genitalien. XXVI. Arion hortensis. . 46 XXVI B. Darm. g. 17 XXVI C.. Genitalien. .A8 XXVI D. Endwege geöffnet. Die Bewegung des Fulses der Lamellibranchiaten. Von Dr. A. Fleischmann aus Nürnberg. Mit 5 Holzschnitten. Die vorliegende Untersuchung wurde während des Jahres 1884 im zoologischen Institute der Universität Würzburg ausgeführt und ich er- achte es als meine angenehmste Pflicht, meinem-hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. G. Semper, öffentlich den innigsten Dank zu sagen für das aufmunternde Interesse, mit welchem er meine Arbeiten verfolgte, und die Anleitung zu einer scharfen kritischen Beobachtung. Gleich große Dankbarkeit beseelt mich gegen Herrn Privatdocenten Dr. J. Kennt, da er mir in freundschaftlicher Weise die schätzbarsten technischen Winke ertheilte, welchen ich manchen Erfolg verdanke. Bei der Redak- tion der Arbeit gab mir Herr Professor Dr. E. SELenka in liebenswürdiger Weise vortreffliche Rathschläge, für welche ich ihm auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank ausspreche. Die merkwürdige Fähigkeit der Muscheln, ihren Fuß in einen be- deutenden Zustand der Schwellung zu setzen und dann mit Hilfe dieses geschwellten Gebildes beträchtliche Ortsveränderungen zu vollführen, ist ein Problem, welches lange schon die gelehrte Welt zum Nachdenken und zur Erklärung der Erscheinung reizte. Seit Beginn des Jahr- hunderts hat sich eine Reihe der hervorragendsten Männer an der Lösung dieses Problems versucht ; allein die historische Übersicht über alle diesen Punkt betreffenden Arbeiten, welche von CArrIERE! in aus- gezeichneter Weise zusammengestellt wurden, lehrt, dass man in der ' Erkenntnis jener Vorgänge nicht viel weiter gekommen ist, als die ersten Untersucher. Die leidige Gewohnheit, leicht sichtbare Thatsachen ' durch zwar naheliegende Gründe zu erklären, ohne jedoch dieselben I Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXI. p, 427—451. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XL. Bd. 25 368 A, Fleischmann, vorher auf ihre Berechtigung zu prüfen, brachte in die vielen Abhand- lungen mehr Verworrenheit als eigentliche Aufklärung, so dass selbst in jüngster Zeit noch die unwahrscheinlichsten Verhältnisse zu beweisen versucht wurden. Zwar die alte, rohere Ansicht von der Existenz eines besonderen Gefäßsystemes, welches das zur Schwellung erforderliche Wasser in den Muschelleib einführen sollte, hat den besseren Unter- suchungsmitteln und den geklärten physiologischen Anschauungen den Platz räumen müssen; aber die alte Mythe hat sich in ein neues Gewand gekleidet und für Wasseröffnungen en miniature ihren Anhang gewor- ben. Scheinbar positive Behauptungen sowohl für wie gegen eine Wasseraufnahme stehen sich gegenüber, ohne dass es möglich geworden wäre, einen richtigen Entscheid zu treffen. Wenn man nun ein end- gültiges Urtheil über diese Frage sich bilden will, so wird es nöthig, dass man alle Beobachtungen und die im Laufe der Zeiten entwickelten Beweise für und gegen eine Wasseraufnahme zusammenstelle und nach- sehe, in wie weit ein unbefangener Blick die Folgerungen aus den beoh- achteten Erscheinungen als wahrscheinlich erfindet. Wir beginnen daher mit einer kurzen Schilderung der zunächst ins Auge springenden Verhältnisse. I. Der Fuß und seine Bewegung. Bei den zweischaligen Muscheln ist der Fuß ein muskulöses Ge- bilde, welches durch vordere und hintere Retraktoren im Schalenraume beweglich aufgehängt ist. Die an der Innenseite der beiden Schließ- muskeln neben diesen an der Schale befestigten Rückziehmuskeln lösen sich in ihrem Verlaufe gegen den Schalenrand in Fasern auf, welche sich in mannigfacher Weise verweben und die muskulöse Wandung des Fußes darstellen. Die Muskelwand ist an dem oberen Theile des Fußes, welcher gerade unter der Niere und der Leber liegt, von nicht besonders her- vortretender Stärke und man kann nur zwei dünnere, auf einander geschichtete Lagen, eine äußere Längsmuskelplatte, die in der Richtung vom Schlosse zum freien Schalenrande streicht und eine innere Lage von Muskeln unterscheiden, die parallel zur Medianebene vom hinteren zum vorderen Ende des Fußes verlaufen und eine direkte Verbindung der Rückziehmuskeln herstellen. Die Wirkung der erstgenannten Längsmuskeln ist leicht verständlich, da sie durch ihre Erschlaffung direkt auf die Ausdehnung des Fußes wirken, während ihre Kontrak- tion den Fuß in den Schalenraum zurückzieht. Die von vorn nach hin- ten verlaufende Muskulatur bewirkt durch ihre Zusammenziehung eine Verschmälerung des zwischen den Muskelwänden eingeschlossenen Die Bewesung des Fußes der Lamellibranchiaten. 369 Raumes. Dieser Raum ist mit den vegetativen Organen des Thieres, mit dem Darmkanale und ferner mit den Geschlechtsorganen erfüllt. Darum wird der jetzt geschilderte obere Theil des Fußes auch schlecht- hin als Eingeweidesack der Muschel bezeichnet. Je weiter man in der Richtung gegen den Schalenrand vorschreitet, um so mehr sieht man die beiden Muskellagen sich verstärken und den inneren von den Eingeweiden eingenommenen Raum immer mehr ab- nehmen, bis er endlich ganz zum Schwunde gebracht ist. Dann ver- weben und verfilzen sich die bisher streng gesonderten Muskellagen in der ungebundensten Weise; die schon im Eingeweidesacke zwischen den Muskelwänden ausgespannten Quermuskelspangen werden mäch- liger und es entsteht ein dichter Muskelfilz, dessen Fasern nach allen möglichen Richtungen hin verlaufen. Ich bezeichne diesen unteren, muskelreichen Theil des Fußes im Verlaufe der Darstellung kurzweg als Muskelhaube. So lange der Fuß zwischen den Schalen eingezogen bleibt, ist die Muskelhaube derartig zusammengezogen, dass man nur schwer schmale, blutführende Kanäle in derselben erkennen kann. Beim Ausstrecken des Fußes aber ist hauptsächlich die Auflösung dieser verfilzten Haube die Ursache, wesshalb die Veränderung des Volumens so auffallend zu Tage tritt. Vermöge ihres Muskelreichthums ist auch die Muskelhaube als specielles Bewegungsorgan zu betrachten, womit nicht gesagt sein soll, dass nicht auch die Muskelwand des Eingeweidesackes bei Bewegungen betheiligt sei. Betrachtet man eine Muschel, etwa eine Anodonta, welche sich ‚ eben anschickt, ihren Fuß herauszustrecken, so bemerkt man sofort, ‘ dass die Schalen, welche wenig geöffnet sind, so lange das Thier ruhig ' und ungestört im Wasser liegt, weiter zu klaffen anfangen. Darauf kommt der fleischige Fuß langsam aus dem Schalenraume durch den jetzt vergrößerten Spalt hervor; Anfangs von dunklerer bräunlicher Farbe wird er heller, je weiter sich seine Schneide vom Schalenrande entfernt. Es gleiten dabei Kontraktionswellen über die ganze Oberfläche des Fußes hin, hinten beginnend und nach vorn streichend, so dass ‘man den Eindruck erhält, als werde Flüssigkeit in einem hohlen Körper ‘ mit elastischer Wandung durch Zusammenpressen der Wand am hin- teren Ende in die vordere Spitze getrieben. Sehr gut lässt sich dieses ‚anscheinende Vorpressen der Flüssigkeit am Fuße von jungen Em- ‚bryonen aus den Bruttaschen von Cyclas unter dem Mikroskope verfol- gen. Das hintere Ende des Fußes kontrahirt sich stärker als der vordere ‚Theil und treibt durch den Druck der vordringenden Flüssigkeit diesen immer weiter hinaus in das umgebende Medium. In dem Grade, wie der Fuß aus der Schale herauskommt, ändert 257 370 A. Fleischmann, sich das Volum desselben : Anfangs erscheint er als eine dicke, keulige Masse, allmählich aber löst er sich zu einer verbreiterten Scheibe auf und dann schwillt diese stetig an, so dass schließlich der Fuß mehr einer mit Wasser erfüllten hellen Blase, als einem muskulösen Gebilde gleicht. Ist dieser Zustand eingetreten, d. h. hat der Fuß das Optimum seiner Füllung erreicht, dann hat er auch seine größte Beweglichkeit ge- wonnen, und sein Ausschlag ist so bedeutend, dass der Fuß sich bis zum Schlossrande der Schale umlegen kann. Zugleich mit dem Fuße dringt auch der muskulöse Randsaum des Mantels etwas aus dem Schalenraume und legt sich wulstförmig über den Schalenrand. Sein Aussehen ist dabei eben so durchscheinend hell, wie das des Fußes selbst. Reizt man hierauf den ausgestreckten Fuß durch leise Berührung mit einem Glasstab, so wird der Fuß in den schützenden Schalenraum zurückgezogen und man bemerkt wieder, dass sich der hintere Theil früher kontrahirt und schneller zwischen den Schalen verschwindet, als die vordere Spitze. Diese gebraucht viel längere Zeit, bis sie geborgen ist; ja bei heftigen Angriffen kann man sogar sehen, dass durch allzu schnellen Schluss der beiden Schalenhälften einem beträchtlichen Theil des Fußes die Thüre so zu sagen vor der Nase zugeschlagen wird, d.h. derselbe bleibt eingeklemmt zwischen den Schalen und wird erst bei fortgesetziem Reize durch behutsames Öffnen derselben in den sichern Raum zurückgezogen. An dem ausgestreckten Muschelfuße schienen zunächst zwei Punkte den früheren Untersuchern so klar, dass sie deren genauere Prüfung verabsäumten. Man hielt nämlich die bedeutende Schwellung des Fußes für ein sicheres Anzeichen, dass hierbei eine Vergrößerung des Gesammtvolumens des Thieres statifinde, da der Gegensatz zwischen der Ruhe und der Schwellung des Muschelkörpers ein ganz besonders in die Augen springender ist und andererseits sah man keine Möglich- keit ein, wie die zur Turgescenz nöthige Flüssigkeit schon vorher im Körper der Muschel, etwa als Blut aufgespeichert sein könne. Man musste daher nothgezwungen nach Wegen suchen, auf denen von auben | her das Wasser eindringe. Unterstützt wurde diese Hypothese einer Wassereinfuhr in den Muschelkörper durch eine leicht festzustellende Thatsache: Lässt man lebende Muscheln den Fuß weit aus der Schale herausstrecken und | nimmt sie dann aus dem Wasser, so erfolgt eine gewaltige Kontraktion der gesammten Körpermuskulatur und der Fuß wird zwischen die mehr als im Zustande der Ruhe genäherten Schalen zurückgezogen. Wasser |” fließt aus dem Schalenrauime ab und an verschiedenen Stellen spritzen | Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 371 Wasserstrahlen von mehr oder minder dickem Kaliber aus den Geweben des Thieres hervor. Ein starker Strahl wird am hinteren Ende der Schale aus dem Athemsipho ausgeworfen, der schon seit langer Zeit richtig als das Athemwasser des Thieres erkannt wurde; kleinere Strah- len sprühen aus dem Fuße und Mantelsaume. Die Wasserstrahlen vom Mantelsaume zeigen keinen bestimmten Ort ihres Austrittes, hingegen scheinen die Strahlen am Fuße besser lokalisirt. Doch die letzteren treten erst dann auf, wenn die Fußkante nur wenige Millimeter vom Schalenrande entfernt ist oder eben zwischen den Schalen verschwin- den will. Die Zahl der Wasserstrahlen, welche an der Fußkante her- vorsprühen, schwankt gewöhnlich zwischen zwei und drei, doch kann sie sich unter Umständen bis auf neun und mehr steigern. So scheint das Thier bei der Kontraktion sogar freiwillig das über- schüssige Wasser abzugeben und man deutete das sofort dahin, dass im Körper der Lamellibranchier während der Schwellung mehr Flüssigkeit vorhanden sein müsse, als derselbe während der Ruhe überhaupt zu fassen vermag. Da man nun den Muscheln den Besitz einer so reich- lichen Blutmenge nicht zutraute, so wurde nothwendigerweise geschlos- sen, die ausgeworfene Flüssigkeit sei reines Wasser. Auch diese Meinung konnte sich auf ein leicht anzustellendes Ex- periment stützen: Bringt man eine Muschel, welche eben unter den beschriebenen Erscheinungen ihr Wasser abgegeben hat und ihre Scha- len nunmehr fest geschlossen hält, ins Wasser zurück, so streckt die- selbe gar bald ihren Fuß wieder aus der Schale. Nach dem vorherge- gangenen Verluste der Flüssigkeit wäre das Ausstrecken, wie die Autoren meinen, vollkommen unmöglich, wenn nicht die Muschel unter- dessen neues Wasser in ihren Fuß einsaugen würde und man sah hierin einen deutlichen Beweis für die Anwesenheit eines von dem Cirku- lationsapparate gesonderten Wassergefäßsystems, welches allein dem Ausstrecken des Fußes und der Schwellung anderer Körpertheile vor- stehe. Allein die fortschreitende Forschung hat diese Hypothese von Barr’s längst unhaltbar erwiesen, so dass wir derselben keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken brauchen. Die umfassenden Arbeiten von MıLne- ' Epwarps über die Cirkulation der Mollusken brachten hier den Um- schwung herbei und als in Folge dessen endlich die ausgespritzte Flüssigkeit einer genaueren Prüfung unter dem Mikroskope unterzogen wurde, zeigte sich, dass in derselben Blutkörperchen vorhanden waren. ' Auf diese Thatsache wurde unter der stillschweigenden Voraussetzung, ‚dass die Stellen, wo Wasserstrahlen aus dem Fuße sprühten, zugleich ' die Einführöffnungen des Wassers bezeichneten, die alte Hypothese 12 A. Fleischmann, von Baer’s in einer mit Rücksicht auf die Entdeckungen von MıLnE- Epwarps veränderten Form neu aufgerichtet. Die Öffnungen am Fuße führen nicht in ein gesondertes Wasser- gefäßsystem, sondern direkt in die Blutlakunen und hier vollzieht sich die Mischung von Blut und Wasser, ohne dass vorher das Wasser irgend wie organisirt wurde. Es kreist also im Blutgefäßsystem der Muschel eine Flüssigkeit, welche eine Mischung zwischen Wasser und Blut dar- stellt und das Verhältnis beider Bestandtheile zu einander wechselt, je nach der Häufigkeit der Schwellung einzelner Körpertheile. II, Die Pori aquiferi. Die Existenz der Wasseröffnungen wurde sofort nach ihrer theore- tischen Entdeckung — denn gesehen hat sie bis zum heutigen Tage Niemand außer Grizssacn und Korımann — heftig bekämpft, allein ohne Erfolg; denn von SırsoLp, welcher den Stand der Frage über die Wasseraufnahme zusammenfasste!, sagt: »Man muss annehmen, dass sich an den genannten Stellen verschiedene Mündungen von Wasser enthaltenden Behältern befinden. Diese Öffnungen scheinen jedoch sehr klein zu sein und ziehen sich wahrscheinlich außerordentlich fest zu- sammen, da sie nur während des Wasserspritzens ihre Anwesenheit verrathen und sich weder vorher noch nachher auffinden lassen.« Trotzdem SıesoLp ausdrücklich bemerkt, dass er selbst die Wasser- öffnungen oder, um den neueren Ausdruck zu gebrauchen, die Pori aquiferi nie direkt konstatiren konnte, sondern nur ihre Anwesenheit erschloss, weil an jenen Stellen Wasserstrahlen ausgeworfen wurden, blieb diese Lehre dennoch ohne weitere Begründung die herrschende. Erst in neuester Zeit versuchen KoLLMAnNn und GrIsEsBAcH diese Beweise zu sammeln und zu befestigen; aber wir wollen im Nachstehenden untersuchen, ob wirklich ihr Bestreben die allgemeine Anerkennung verdiene? KoLmann giebt in seiner ersten Mittheilung? selbst zu: »er sei lange der Überzeugung gewesen, dass keine solche Öffnungen existi- ren und dass die Wasserstrahlen, welche man an dem weit hervorge- streckten Fuße während des Zurückziehens sieht, auf Zerreißungen beruhen«. . Erst nach langer Beobachtung sah er sechs bis acht Spalten auf der Fußkante von Anodonta, welche kaum 1 mm lang waren. Es wäre recht interessant gewesen, wenn Korzmann die Gründe namhaft 1 vos SırsoLp, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbellosen. I. p. 279. 2 J. KoLmann, Der Kreislauf des Blutes bei den Lamellibranchiern, den Aply- sien und den CGephalopoden. Diese Zeitschr. Bd. XXVI. p. 37. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 373 gemacht hätte, welche ihn zur entgegengesetzten Ansicht führten, allein leider hatte er vergessen, dass auch andere seiner Kollegen jene Zweifel mit ihm theilten und er verschweigt, auf welche Weise er zur Über- zeugung von der Existenz der Pori gekommen sei. Mit apodiktischer Sicherheit fährt er fort: »Alle entgegenstehenden Behauptungen müssen "sich beugen vor der Thatsache, dass man an dem ausgestreckten Fuße, ohne ihn einzuklemmen zwischen den Schalen, auf der Kanie solche spaltförmige Öffnungen bemerken kann.« Eine genauere Beschrei- bung der Pori gab erst Grıessacn in seiner größeren Arbeit!. An der Fußkante von Unio und Anodonta findet er schlitzförmige Spalten, »sie haben glatte, lippenartig gewulstete Ränder, was besonders deutlich an Querschnitten hervortritt und das Epithel zeigt sich unter dem Mikro- skope, wenn man vorsichtig gearbeitet hat, unlädirt« (Grıessacu, p. 36). »Das Epithel wird in der Tiefe der Spalten kleiner und hört schließlich auf, so dass die-strukturlose Membran frei liegt, auf welcher die Lakunen ausmünden.« An den Stellen, wo die Pori aquiferi liegen, ist das Epi- thel in so fern modificirt, als längere Wimpercilien schlagen, wie an an- deren Fußabschnitten. | Was die Zahl dieser Öffnungen anlangt, so scheint dieselbe einer großen ‘Variabilität unterworfen. Korımann hat bei Anodonta zuerst ‘sechs bis acht Spalten entdeckt, aber Griessacn findet nur drei Pori und - erklärt alle anderen Öffnungen an der Fußkante als Zerreißungen. In ' Übereinstimmung mit diesem Befunde lässt KoLLmann die von GRIESBACH als Rissstellen erklärten Spalten fallen, obwohl deren Existenz vorher für ibn unumstößlich war, und beschränkt die Pori ebenfalls auf die Dreizahl. Über die Lage der Pori auf der Fußkante, ihren gegenseitigen Ab- ‘stand und ihren Durchmesser, verdanken wir erst GRIESBACH genauere "Angaben (Grisssach, p. 26). Um die Pori aufzufinden, empfiehlt Griessach die lebenden Thiere aus dem Wasser zu nehmen und ihre Schalen gelinde zusammenzu- pressen, damit das Rückziehen des Fußes verhindert werde (Grizssacn, p- 27). Von den darauf aussprühenden Wasserstrahlen zeichnen sich drei durch ihre größere Dicke und geringere Kraft aus; dieselben kommen aus den drei Pori. Diese Methode zeigt so ungefähr die Lage ‚jener Wasseröffnungen. Lässt man ferner Muscheln, ohne sie in der Gefangenschaft jemals zu berühren, langsam in mit Essigsäure versetz- tem Wasser absierben,, so findet man an der Schneide des erschlafften, vorgestreckten Fußes die drei Öffnungen. I H. Griesbach, Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Naja- den und Mytiliden. Diese Zeitschrift. Bd. XXXVIIL. p. 1—44. 374 A. Fleischmann, Ich folgte diesen Angaben und fand bei der Untersuchung mit der Lupe verschiedene trichterförmige Einsenkungen auf der Fußschneide, welche den von Grisssacn beschriebenen Öffnungen zu entsprechen schienen. Auch CaArrıire ! erinnert sich, Spalten auf diese Art gesehen zu haben. Allein ein sicheres Urtheil, ob es sich um wahre Öffnungen oder bloße Falten handle, kann man am lebenden oder abgestorbenen Thiere durch einfache Lupenuntersuchung nicht erhalten und man wird allein auf mikroskopische Durchforschung des Fußes vermittels sorg- fältiger Schnittserien angewiesen. Obwohl nun gegen die Angaben Grisspgach’s schon die Resultate der Untersuchungen von drei Forschern, CARRIERE, BARROIS und CATTIE sprachen, unternahm ich es nochmals die Verhältnisse zu prüfen. Es wurden zunächst nur solche Thiere zur Untersuchung ausge- wählt, an welchen die Pori bei Lupenvergrößerung wirklich vorhanden zu sein schienen. Von einer Härtung in absolutem Alkohol stand ich bald ab, weil »dadurch die Schrumpfung so bedeutend wird, dass man schon nach wenigen Stunden die vorher schön sichtbaren Pori kaum noch zu erkennen im Stande ist« (GRIESBACH, p. 36) und man den so er- haltenen Präparaten mit Recht den Vorwurf machen könnte, dass sie nicht beweiskräftig seien. Auch die Härtung in schwacher Chromsäure- lösung gab ich auf, nachdem ich bemerkt hatte, wie Thiere, welche stundenlang in der Säure gelegen hatten, ihre Kontraktionsfähigkeit bei Berührung noch bewahrt hatten. Ich verwandte dann Pikrinsch wefel- säure und 'Quecksilbersublimat, um die Muskeln so schnell wie möglich zu lähmen und erzielte dadurch die besten Resultate; denn es traten keinerlei Kontraktionen oder Verkrümmungen des Thieres ein und die Schneide des Fußes verlief in einer einzigen Ebene, welche durch keine Falte, noch die geringste warzige Auftreibung unterbrochen war. Allein trotz der vorsichtigen Behandlung und ungeachtet zahlloser Schnittserien gelang es mir nicht, nur an einem einzigen Präparate eine von den Blutlakunen nach außen führende Öffnung wahrzunehmen. Auch an solchen Stellen, an welchen bei makroskopischer Untersuchung ein Porus fast unzweifelhaft vorhanden schien, zeigte sich, dass das Epithel eine festgefügte Überkleidung bildete, aber an keiner ‘Stelle durch- brochen war, oder gänzlich auslief, wie das GriessacH behauptet. Alle scheinbaren Pori ließen sich als einfache, etwas weiter als gewöhnlich eindringende Faltenbildungen nachweisen, in deren Tiefe eine Kom- munikation mit den Bluträumen unmöglich war. Dieses Ergebnis steht im schönsten Einklange mit den Angaben Carrtirr’s, der solche Pori ' 1 Zoologischer Anzeiger. Nr. 138. p. 252. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 375 gleichfalls nur als Falten mit vollständiger Epitheltapete erkannt hatte. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass. Griessacn eine Falte am Fuße als Porus gedeutet habe; denn solche grobe Täuschungen sind doch wohl unmöglich. Aber vielleicht dürfte eine Erinnerung an anatomische Verhältnisse den Umstand verständlicher machen, dass einzig und allein GRIESBACH solche Pori auffinden konnte. Unweit der Fußkante zieht sich im Innern die große Centrallakune oder, nach Langer’s Ausdruck, die Pedalarterie hin und sendet Aus- buchtungen und kleinere Lakunen nach allen Richtungen, besonders gegen die Schneide des Fußes. Diese Lakunen verlaufen in den meisten Fällen sehr nahe der äußeren Oberfläche und sind an manchen Stellen nur durch die auf einer dünnen stützenden Lamelle ruhende Epithellage gegen das äußere Medium abgegrenzt. Ge- rade an diesen Stellen scheinen, nach der makroskopischen Untersuchung zu urtheilen, die Pori vorhanden. Nimmt man nun an, dass bei der Konservirung des Thieres z. B. bei der Überführung aus schwachem Spiritus in Alkohol höheren Procentgehaltes allzu starke Diffusionsströme zwischen dem Alkohol und der in den Lakunen enthaltenen mehr oder weniger wässerigen Flüssigkeit auftreten, so ist es leicht möglich, dass dadurch einzelne Epithelzellen, welche eine direkte Grenzwand der Laku- nen bildeten, in ihrem Verbande gelockert und bei abermaligem Wechsel der Konservirungsflüssigkeit weggespült werden. Dann kann man eben solche Bilder erhalten, wie sie Griessacn als einen Schnitt durch den mittleren Porus aquiferus von Anodonta abbildet (Grıessacn, Taf. I, Fig. 5); denn dort hört das Epithel an den Rändern ohne Vermittelung auf und die Lakune ist frei geöffnet. Damit würde auch die Angabe Griss- BAcH’s stimmen, dass man oft zehn Füße in Serien von Querschnitten zer- legen kann, bis man einen einzigen Porus-Schnitt zu Gesicht bekommt. Die Art und Weise, wie Griessacn die Thiere vorbereitete (GriEsBAcH, p- 36), scheint ebenfalls wenig geeignet, solche dünne, über die Laku- nen ausgespannte Epithelbrücken unversehrt zu erhalten. Denn da das Absterben der Thiere im angesäuerten Wasser sehr lange Zeit dauert und die im oberen Theile des Schalenraumes befindliche Muskulatur weniger schnell gelähmt wird, als die Muskelfasern unten am Fuße, so 1 GRIESBACH Schreibt dagegen (Zoologischer Anzeiger. VI. p. 547): »Es wer- den CARRIERE die in toto vielleicht richtig beobachteten Längsspalten auf Quer- schnitten, wie dies leicht möglich ist, wohl entgangen sein.« Auf welche Weise das geschehen sollte, scheint mir nicht recht klar und es wäre gut, wenn GRIESBACH die \ Möglichkeit dieses Verlustes etwas eingehender diskutirte. 376 A. Fleischmann, ist eine Maceration des Fußepithels durch die Essigsäure nicht ausge- schlossen. Zu demselben negativen Resultate waren schon früher CArRrIERE und Barroıs gekommen und beide hatten auf Grund vieler, sorgfältiger Schnittserien ausgesprochen, dass es außer wohl erkennbaren Drüsen- mündungen keine anderen Öffnungen am Muschelfuße gebe; allein diesen Forschern wurde vorgeworfen, sie hätten wegen der geringen Größe der von ihnen untersuchten Füße die Pori übersehen. Dem Einwande wich Carrie aus, indem er den Fuß von Riesen- thieren ünter den Anodonten schnitt. Trotzdem war er nicht glücklicher als seine Vorgänger und meine Versuche, auf diesem Wege Griessacu’s Angaben zu bestätigen, blieben eben so erfolglos. Darauf erwiedert Griessach!, durch die bedeutende Kontraktion der Muskeln seien die Pori unsichtbar geworden und es ist schwer gegen dieses Argument etwas vorzubringen. Man musste also nach neuen Methoden suchen, um die Kontraktion der Muskulatur zu verhindern und gewissermaßen dem Thiere zuvor- kommen: dasselbe tödten, ehe es Zeit hatte, seinen Fuß einzuziehen und die Pori zu verschließen. Ich erzielte das auf folgende Weise. Wenn Muscheln im Wasser ihren Fuß weit hervorgestreckt hatten, packte ich schnell die beiden Schalenhälften und presste dieselben mit bedeutender Gewalt gegen einander. Dadurch wird es dem Thiere un- möglich gemacht, seinen Fuß zwischen die ‚Schalen zurückzuziehen. Nach kurzer Übung ist man leicht im Stande, so schnell zu arbeiten, dass auch die geringste Kontraktion der Muskeln unmöglich ist. Die fest an einander gedrückten Schalen heben die Wirkung der Rückzieh- muskeln vollkommen auf, denn sie können nicht über den Schalenraum hinaus wirken und der Fuß wird vom Eingeweidesack förmlich abge- zwickt, dass er nur noch durch die zu einem schmalen Bande zusam- mengequetschte Leibeswandung am Körper hängt. Jede Kommunikation der im Fuße befindlichen Flüssigkeit mit den Bluträumen des Einge- weidesackes ist aufgehoben, also eine Entleerung desselben unmöglich; der Fuß muss im geschwellten Zustande verweilen und sollten auch die Muskeln versuchen, sich zu kontrahiren, so hebt doch der Gegendruck der im Innern befindlichen Flüssigkeit ihre Wirkung auf. Auch die bekannten Wasserstrahlen treten, in so fern man sehr schnell und exakt gearbeitet hat, nicht auf und der Fuß bleibt im Zustande seiner großen Anschwellung. Nun kann man denselben rasch abtödten, am besten, indem man ihn einige Minuten in heiße Sublimatlösung taucht und ! Zoologischer Anzeiger Nr. 463. p. 169. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. tu später erst vom Eingeweidesacke abschneidet. Nach dieser Behandlung ist es, wenn man Grigssac#’s Ideengang als richtig annimmt, unmöglich, dass durch Muskelthätigkeit irgend welche Öffnungen verschlossen wür- den ; denn »die Öffnungen sind gerade am ausgestreckten Fuße sichtbar und vermitteln die Wasseraufnahme« (GrıessacH, p. 40). Sind also Pori vorhanden, dann müssen sie sich mittels Querschnittserien nachweisen lassen. Es war aber nicht möglich an diesen Füßen irgend eine Bildung zu konstatiren, welche mit den Pori zu vergleichen gewesen wäre; es verlief das Epithel als eine fest zusammenhängende Decke über den ganzen Fuß und zeigte nirgends eine Unterbrechung. Auch an den Füßen von marinen Lamellibranchiern fand KorLımann ähnliche Pori und behauptet mit großer Sicherheit: » Was bei Pecten, Spondylus und Mytilus bisher als Fuß, auch als rudimentärer Fuß be- zeichnet wurde, ist nichts Anderes als eine mit Streck- und Schließ- muskeln vortrefllich eingerichtete Röhre, welche die Zufuhr des Wassers vermittelt. Man wird also für die Zukunft diese Anhänge besser als Wasserröhren bezeichnen.« (Korımann, Kreislauf, p. 99.) CarrIıERE wies jedoch bald nach, dass diese vermeintlichen Wasserröhren der Wasser- einfuhr nicht vorstehen könnten, weil die Höhlungen und Spalten im Fuße dieser Muscheln nirgends mit Bluträumen in Verbindung ständen und allseitig mit Epithel belegt seien!. Trotzdem Barroıs in mehreren kleinen Abhandlungen diesen Befund vollkommen bestätigte, bleibt KorıLmann noch immer auf seiner Behauptung bestehen. Allein man braucht seinen Angaben nicht strenge Beweiskraft beizumessen, da, wie er selbst sagt?, er zwar die dunkle Drüsenmasse bei Mytilus und ' Pinna gesehen, aber nicht weiter beachtet habe, obwohl die ' Entscheidung des Streites einzig und allein von einer genauen kritischen Vergleichung der sogenannten Wasserkanäle und der Drüsengänge ab- hängt. Grisssach bringt trotz der erneuten Untersuchung von Mytilus und Dreissena kein neues Beweismaterial und bezeugt nur seine Über- einstimmung mit Korımann. Beide haben die Kanäle, welche das Wasser direkt in das Gebiet der Hämolymphe einführen sollen, groß und deutlich gesehen, während die Untersuchungen von ÜARRIERE, BArroISs, Carrie und mir auch in dieser Beziehung erfolglos blieben. Der Einwand, dass allzu kleine Thiere die Erkenntnis des Porus unmög- ‚lich gemacht haben, ist nicht mehr stichhaltig, seitdem Carrie und ich 1 J. CArRIERE, Die Drüsen im Fuße der Lamellibranchiaten. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg. Bd. V. p. 56—85. 2 J. Korımann, Pori aquiferi und Intercellulargänge im Fuße der Lamellibran- chiaten und Gasteropoden. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. VII. Thl. 2. Heft. p. 5. 378 A. Fleischmann, Riesenexemplare schnitten und ferner ist es unverständlich, wie auf Serienschnitten von 0,04 mm Dicke eine Öffnung oder ein Spalt hätte übersehen werden können. | { Ich muss daher in Übereinstimmung mit den früheren Untersuchern der Pori an der Thatsache festhalten, dass solche Öffnungen am norma- len Thiere nicht bestehen, sondern einfach Kunstprodukte sind; denn es wäre zu merkwürdig, dass vier Untersuchern, welche unabhängig von einander arbeiteten und dazu eine mehr und mehr vervollkommnete Technik anwenden konnten, Öffnungen am Fuße entgangen sein sollten, deren Auffindung für Griessacu keine unübersteigbare Schwierig- keit bot. Die Vertheidiger der Wasserröhren lassen sich, wie frühere Bei- spiele zeigten, durch dieses negative Resultat unserer Untersuchung nicht beirren ; daher muss man versuchen durch andere Methoden und neue Experimente der Entscheidung der Frage näher zu rücken. III. Die Injektionen. Als einen Beweis, dass die Peri aquiferi wirklich eine Kommunika- tion zwischen dem umgebenden Wasser und dem Blute herstellen, führen KorLLmann und GrIEsBAcH ihre Injektionen an und ziehen auch die älteren Versuche von HessLing’s dafür an. Carrıkre aber fand schon, dass man bei Unio margaritifera das Blutgefäßsystem zwar leicht durch den Porus am Fuße injiciren könne, doch er zeigte, dass dies nur durch eine Verletzung der Wandungen jener rudimentären Byssusdrüse zu Stande komme, welche mit wohl erkennbarer Öffnung an der Fußkante münde. Unio margaritifera ist aber die einzige von unseren einheimi- schen Muscheln, welche man, wie KorLımann angiebt!, ohne Zerreißung durch den Spalt am Fuße injieiren könne. Seitdem Carrıkre den Spalt als Ausführgang der Drüse erkannte und auf Schnitten ihre vollkommen geschlossene Wandung nachwies, haben diese Versuche ihre Beweis- kraft eingebüßt 2. KorLmann hat seitdem die Methode seiner Injektionen nicht verän- dert, noch an anderen Thieren versucht, darum bleiben seine darauf ge- bauten Schlüsse für uns eben so werthlos wie für CARRIERE. 1 Diese Zeitschr. Bd. XXVI. p. 97. 2 Zwar verwahrt sich KorLımann in seiner Abhandlung über Pori und Inter- cellulargänge entschieden gegen Zerreißungsfehler und meint, es sei nicht mehr i an der Zeit von Zerreißungen bei feinen Injektionen zu sprechen, nachdem man die Gefäße in der Keimhaut des bebrüteten Hühnereies injiciren könne. Doch er vergisst, dass es sich dort um wohl bekannte Gefäße handelt, während man hier in die Mündung eines Kanales injicirt, dessen mikroskopische Untersuchung gezeigt hat, dass er wirklich blind geschlossen sei. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 379 GriEsBacH dagegen erkannte den Einwurf vollkommen an, dass eine Füllung der Blutbahnen in Folge einer Injektion durch den Porus keinen Beweis für den Zusammenhang der betreffenden Öffnungen mit dem Ge- fäßsystem liefere (GriEssacHh p. 28), doch handelte er nicht danach. Denn er giebt selbst an (GrıEssacH p. 36) für die Fertigung der Injek- tionspräparate, dass man den Tubus vorsichtig in den mittle- ren Porus einführen solle, welcher deutlich erscheint, wenn man den ausgestreckten Fuß sanft zwischen Schalen und Finger einklemmt. Es ist wohl ohne weitere Auseinandersetzung klar, wie wenig eine solche Methode geeignet sei, feine Membranen und dünne Epitheldecken zu erhalten. Außerdem erfand er eine neue Methode der Injektion, welche den Vorzug für sich hat, dass ein direkter Eingriff in die Gewebe des Thieres nicht erfolgt. Seine eigenen Worte (GrıEsBACH p. 28) lauten: »Nimmt man den Glastubus mit Gummipression, schiebt ihn vorsichtig in den Mantelschlitz (der über den beiden Pori liegt) oder, wenn derselbe nicht vorhanden ist, einfach an dieser Stelle zwischen die Schalen und kom- primirt rasch den Ballon, so dringt ein Theil gefärbter Flüssigkeit, ohne dass Zerreißungen eintreten, da der Tubus die Fußschneide gar nicht zu berühren braucht, durch die hier befindlichen zwei Pori aquiferi in das Innere des Fußes und man sieht nach dem Öffnen und sorgfältigen Abwaschen denselben deutlich innerlich gefärbt.« Dieser Versuch erscheint viel unschuldiger, als eine direkte Injektion, bei der die Kanüle in den Porus eingeführt werden muss und sofort Zerreißun- - gen erzeugt; eine Wiederholung desselben zeigt unzweifelhaft, dass auf ' diese Weise Farbe wirklich in die Lakunen des Fußes eindringt. Aus einer Bemerkung Griespacn’s! geht jedoch hervor, dass nur - solche Farbstofle gegen die Fußkante gespritzt wurden, welche im Was- ser löslich sind?. Es erhebt sich daher gegen diese Versuche der Ein- wand, dass die löslichen Farbstoffe nicht durch die Pori in die Lakunen gelangten, sondern auf dem Wege der Endosmose die Gewebe des Fußes üngirten, folglich sind dieselben nicht vollkommen beweisend. Nimmt man nun einen in Wasser unlöslichen Farbstoff, z. B. Karmin oder Chromgelb und spritzt in der beschriebenen Weise Wasser, in welchem die fein vertheilte Farbe suspendirt ist, gegen die Fußkante, so zeigt sich in der That, dass dies Farbwasser wirklich in die Blutlakunen des Fußes eindringt. Eine wirkliche Entscheidung, ob nun die Farbe gerade durch die Pori ins Innere des Fußes gelange, wird durch diesen Versuch noch ı H. Griespach, Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Naja- den und Mytiliden. Biologisches Centralblatt. II. p. 309. 2 GRIESBACH gebrauchte Jodgrün, Silbernitrat und pikrinsaures Hämatoxylin. 380. A. Fleischmann, nicht geliefert; denn man musste zuvor ergründen, dass das Farbwasser nur an der Gegend, wo die Pori liegen, eindringt und sonst an keiner anderen Stelle des Körpers. Oftmalige Wiederholungen dieses Experi- mentes, wobei die Spitze des Tubus an die verschiedensten Stellen ge- richtet wurde, zeigten, dass dieselbe Erscheinung an jedem beliebigen Orte der Fußkante, des Eingeweidesackes und des Mantels hervorgerufen wurde. Deutlich zeigten sich innere Hohlräume mit Farbe gefüllt, so- bald man Karminwasser aus der Spritze gegen irgend eine Stelle an der Oberfläche des Leibes gespritzt hatte. Danach müsste man wohl annehmen, dass an allen Punkten sich Pori aquiferi befänden und an die Existenz einer ungeheuren Zahl von Wasser einführenden Löchern glauben, wenn nicht die direkte mikro- skopische Untersuchung die Unmöglichkeit dieses aus dem Experimente gezogenen Schlusses zur Evidenz ergäbe. So zeigt eine eingehendere Untersuchung, dass eine derartige In- jektion nicht so unschuldig ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint und die auf dem Wege erzielten Resultate stellen für die Wasserauf- nahme keinen Beweis dar. Der Fehler dieses Experimentes wird sich durch folgende Überlegung leicht verstehen lassen: Der Wasserstrahl, welcher aus dem Glastubus hervortritt, dadurch, dass der Gummiballon komprimirt wird, verlässt unter einem gewissen, wenn auch nicht sehr starken Drucke die Glasröhre. Hernach stößt er auf die Kante des Fußes und zerreißt das Epithel, da dasselbe dem Stoße des auffallenden Was- serstrahles jedenfalls wenig Widerstand leisten kann, an den Stellen, wo es sich direkt über die Lakunen spannt, oder spült dasselbe weg, wenn unter ihm Muskeln oder Bindesubstanz liegt. Die Farbe dringt also nicht durch wahre Pori ein, sondern durch Löcher und Rissstellen, welche durch die Gewalt des Injektionsstrahles am Fuße erzeugt wer- den. Den Beweis für diese Erklärung liefert eine Untersuchung der be- treffenden Abschnitte durch die Lupe, es erweisen sich die Ränder der Stellen, gegen welche der Wasserstrahl gerichtet war, ausgezackt und zerrissen, und Epithelfetzen kann man oft wahrnehmen. GriEssAcH giebt nicht an, dass er solche Prüfung zur Kritik dieses Experimentes ange- stellt habe. Zur weiteren Unterstützung seiner Ansicht führt Grizspacn (l. c. p. 29) an, dass man durch den Glastubus mit Gummipression auch diekflüssigere Substanzen injiciren könne, »wenn man das den Fuß aus- streckende Thier aus dem Wasser hebt und den Glastubus vorsichtig, aber schnell in den mittleren, Wasser entleerenden Porus schiebt«. In- dem er selbst die Bemerkung hinzufügt : »Zerreißungen können durch heftige Kontraktion vorkommen«, macht er eine Kritik dieses Versuches Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 381 überflüssig; derselbe ist eben nur eine veränderte Injektion, wobei an Stelle der Kanüle ein Glastubus verwandt wird. Die ungenügende Beweiskraft aller Injektionen hat GriEssachH recht wohl erkannt; darum sah er sich nach anderen Methoden um, die Hy- pothese eines Wassereintrittes zu stützen und erfand die Selbstinjek- tionen. Sie sind das einzige Mittel, die Wasseraufnahme ohne irgend welchen Eingriff in den Organismus zu konstatiren; denn der Schluss liegt sehr nahe, wenn das Thier Wasser in den Körper einführt, so muss es auch gefärbtes Wasser aufnehmen. Wirklich entsprachen die Ver- suche diesem Gedankengange: die Thiere waren, nachdem sie längere Zeit in der Farbflüssigkeit gelegen waren, deutlich innerlich gefärbt (Grressach p. 29—30). Allein es wurden hierbei Farbstoffe, d. h. far- bige Salze verwandt, deren Eigenschaften sie von vorn herein von der- ‚artigen Experimenten hätten ausschließen sollen und Fremnmine ! äußerte sofort den berechtigten Einwand, dass sowohl Jodgrün wie Silbernitrat aus dem Wasser nicht durch die Pori, sondern durch Diffusion in den ‚Muschelkörper dringen und nothwendig im Innern desselben Tinktionen hervorrufen. Die Autoinjektionen, welche deutlich den Wassereintritt am Fuße beweisen sollen, sind also nicht stichhaltig. Zudem betont Carrie sehr richtig, dass die Färbung des Fußes bei den Selbstinjektionen zwar den ' Eintritt der Farbe offenbare, allein dadurch sei noch nicht der Beweis geliefert, dass dies gerade durch die Pori geschehe. Als ich die Selbstinjektionen mit Jodgrün wiederholte, konnte ich nicht bemerken, dass gerade der Fuß sich leicht mit Farbe imbibire ; meist waren der Mantel und die Kiemen stärker violett gefärbt als der Fuß, so dass man eher auf einen Wassereintritt durch die erstgenann- ten Organe hätte schließen müssen. Übrigens werden die gesammiten Lebensverrichtungen im Muschelorganismus gänzlich verkehrt, wenn man die Thiere aus dem Wasser in eine Flüssigkeit legt, deren Gehalt an Salzen so sehr verschieden ist. Das Gleichgewicht, welches sonst zwischen dem Salzgehalte des Blutes und des umgebenden Wassers be- steht, wird aufgehoben und wenn im so verkehrten Zustande Salze oder Farbstoffe in die Leibeshöhlungen des Thieres eintreten, so darf man aus solchen Ergebnissen nicht den voreiligen Schluss ziehen, dass Ähnliches bei normalen Verhältnissen stattfinde. Sollte daher die Selbstinjektion wenigstens einige Bedeutung haben, so musste sie mit Wasser wiederholt werden, in welchem der Farbstoff nicht gelöst, sondern nur fein vertheilt war. Dabei ist die Endosmose ! W. Fremumg, Bemerkungen hinsichtlich der Blutbahnen und der Bindesub- stanz bei Najaden und Mytiliden. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. p. 443. 3832 A, Fleischmann, vollkommen ausgeschlossen, die chemische Beschaffenheit des Wassers wird nicht verändert und wird dann Wasser aufgenommen, so können die feinen Farbepartikelchen nur an wirklichen Öffnungen, an den Pori eindringen. Zu diesem Behufe stellte ich größere Versuchsreihen an, indem Muscheln in Wasser gelegt wurden, wo fein geriebenes Berliner Blau oder Karmin, das mit Essigsäure aus der ammoniakalischen Lösung gefällt, also im Zustande allerfeinster Vertheilung war, suspendirt wurde. Bei der großen Anzahl der zu den Versuchen verwandten Thiere konnte ich dieselben in allen Bewegungsformen beobachten: Die Mehrzahl der Muscheln hatte die Schalen entweder ganz geschlossen oder leicht ge- öffnet. Niemals ergab die anatomische Untersuchung im Blutgefäß- systeme irgend welche Fremdkörper. Die Farbekörnchen fanden sich entweder zu Klumpen zusammengeballt im Wasser schwimmend oder auf der Leibeswand und den Kiemen im Schleime festgehalten. Viele Muscheln blieben in dem gefärbten Wasser nicht nur einen, sondern auch mehrere Tage liegen, ohne dass sich der negative Befund geändert hätte. Manche Thiere streckten im Farbewasser ihren Fuß heraus und vollführten größere Ortisbewegungen; allein die bei solchen Muscheln natürlich sehr eingehende Prüfung des Inhaltes ihres Fußes ließ keine Spur eines Farbekörnchens erkennen. Also nicht einmal für die bedeutendste Volumvergrößerung ihres Körpers sogen die Thiere Wasser ein! Man hätte dagegen einwenden können, die Muschel habe das zur Ausdehnung des Fußes nöthige Wasser schon in ihren Körper eingeführt, ehe sie in die Farbflüssigkeit gelegt worden war und dieser Einwurf wäre vollkommen berechtigt gewesen. Um denselben jedoch unmöglich zu machen, stellte ich nachfolgendes Experiment an. | Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Muscheln — in so fern bei ihnen Wasser direkt ins Blutgefäßsystem eingenommen wird — erst dann eine nachweisbare Menge Wassers einsaugen werden, nachdem sie durch Verdunstung einen Theil ihrer Körperflüssigkeit verloren, legte ich Thiere aus dem Wasser und begünstigte durch künstliches Klaffen ihrer Schalen die Abtrocknung an der Oberfläche. Wie eine direkte Wägung zeigte, halten die Thiere dann einen ansehnlichen Theil ihres Gewichtes verloren, das Bedürfnis, die verlorene Flüssigkeit wieder zu ersetzen, war daher ein sehr großes und man musste erwarten, dass die Muscheln alle Einrichtungen, welche dem Körper zur Wassereinfuhr nützlich wären, dafür in ausgedehntem Maße verwendeten. Legte man aber solche Thiere in das Karminwasser und untersuchte darauf entweder nach mehreren Stunden oder nach einigen Tagen die we h Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 383 inneren Höhlungen des Körpers, so wurde man gar arg enttäuscht; eine Wasseraufnahme ließ sich hier nicht nachweisen, da in den Blutlakunen niemals eine Farbe zu finden war. Zur Kontrolle wurden mehrere Thiere, welche eben so abgetrocknet waren, wieder in fließendes Wasser zurückgebracht; dieselben lebten noch monatelang munter, so dass der Einwand, durch die starke Ver- dunstung seien die Funktionen des Thieres herabgesetzt und die Thätig- _ keit der Pori aquiferi aufgehoben worden, nicht stichhaltig ist. Andere Muscheln kamen, nachdem sie viel Wasser durch Verdun- stung abgegeben hatten, in einen ziemlich dicken Farbebrei; auch bei "ihnen zeigte sich nicht die geringste Spur der Farbe im Körper, obwohl die äußere Oberfläche des Fußes roth bemalt erschien und dadurch den "Nachweis lieferte, dass der Fuß im Breie ausgestreckt und bewegt wor- _ den war. h Die einzige Höhlung im Muschelkörper, an welcher sich jederzeit "Farbekörner und meistens in großer Masse nachweisen lassen, ist der "Darmkanal; derselbe ist gewöhnlich in seinem ganzen Verlaufe prall mit Farbe erfüllt, in höherem Grade bei Muscheln, welche vorher durch _ Verdunstung einen Theil ihres Wassers verloren hatten. Dieser Befund giebt einen Hinweis auf die Art, wie das Wasser von ‚den Muscheln wahrscheinlich aufgenommen wird. GRIESBACH konnte eben so wenig den Eintritt von Karminpulver in den Fuß großer Anodonten und von Cyclas cornea direkt sehen, dagegen will er das bei jungen Exemplaren von Anodonta wirklich beobachtet haben. Allein trotz oftmaliger Wiederholung dieser Versuche an kleinen Anodonten und den durchsichtigen Embryonen aus der Bruttasche von Cyelas cornea var. Sandbergeri und ausdauernder Beobachtung der- selben unter dem Mikroskope konnte ich nie einen Porus und das Ein- treten der Farbepartikelchen in denselben erkennen. Das feine Farbe- pulver wurde in der Nähe des Fußes von den schlagenden Wimpern zwar in Bewegung gesetzt, hin und her gewirbelt, aber der Hauptstrom lief längs der Fußkante zum Munde hin, ohne dass sich in der Gegend der Pori besondere Strömungsrichtungen beurkundet hätten. Einzelne Körnchen freilich wurden seitlich geschleudert und von den Wimpern längs der Wand des Eingeweidesackes fortgetrieben ; kamen sie dabei auf die dem Beobachter abgewandte Seite des Leibes, so hatte es wohl den Anschein, als seien die Farbekörnchen ins Innere des Körpers ge- rathen ; doch genaueres Zusehen zeigte sofort, dass dies nur optische Täuschung sei. _ Grisspacn hält für eine überzeugende Erscheinung des Wasserein- rittes am ausgestreckten Fuße die Strudelbewegungen (Grizspach, p. 40), Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIL. Bd. 26 TEN 384 A. Fleischmann, in welche fein vertheilte Substanzen in der Nähe der Fußschneide ge- rathen; allein er vergisst, dass durch die Wimperbewegung der Epithel- zellen auf dem ganzen Fuße kleine Strudel und Wirbel erzeugt werden müssen, in welche die im Wasser schwimmenden Farbekörnchen hin- eingezogen werden. Denn die Bewegungsrichtung der auf den Epithel- zellen stehenden Wimpern ist nicht durchgängig die gleiche, sondern ändert sich nach verschiedenen Achsen; folglich müssen die nach ver- schiedenen Richtungen fließenden Strömungen, sobald sie auf einander stoßen, kleine Wirbel erzeugen. Wollte man diese Strudelbewegungen der Farbe als Beweis für die Wasseraufnahme betrachten, so könnte man mit gleichem Rechte den meisten wimpertragenden Thieren eine direkte Wassereinnahme zuschreiben. : IV. Die Wasserstrahlen. Die Lehre von den Pori aquiferi und der durch dieselben besorgten Wassereinfuhr in das Blutgefäßsystem, welche wir im Vorhergehenden, theilweise durch die Angaben ihrer Vertheidiger selbst, wankend und zweifelhaft zu erweisen suchten, basirt auf der einzigen direkten Beob- achtung, dass Muscheln, welche ihren Fuß weit aus dem Schalenraume herausrecken und in höchster Turgescenz halten, Wasserstrahlen aus ihrem Fuße hervorsprühen lassen, sobald man sie aus dem Wasser nimmt. Es ist daher nothwendig, diese Beobachtung etwas näher zu ver- folgen und den wahren Charakter der Erscheinung festzustellen. - Zunächst erinnere man sich, dass das Herausnehmen aus dem Wasser für die Muscheln eine totale Veränderung der ihnen sonst ge wohnten Lebensverhältnisse bedeutet und dass unter normalen Ver- hältnissen dies nie eintritt. Eine solche zwangsweise Versetzung in eine neue Lebenslage erfahren eben nur Muscheln, welche in unsere Aquarien gebracht wurden, draußen im Seebecken oder im Flussbette { bleibt ihnen diese Erfahrung vollkommen unbekannt. Man darf daher den großen Wasserabfluss aus dem Schalenraume und die am Fuße und Mantel hervorsprühenden Strahlen nicht schlechthin als Ausdruck einer normalen Lebensäußerung der Thiere betrachten, bevor man nicht er- | forscht hat, ob die Muscheln dasselbe thun, wenn man sie im Wasser selbst durch Reizung zur Kontraktion nöthigt? Diese Frage liegt so nahe, dass es höchst auffallend ist, wie keiner von den Anhängern der Was- seraufnahme auf diese Weise die Grunderscheinung seiner Theorie einer | Kritik unterzog, >| Zur Beantwortung dieses Punktes legte ich große Anodonten in Wasser, in dem fein vertheiltes Karmin suspendirt war und wartete, bis Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 385 dieselben ihren Fuß weit aus dem Schalenraume hervorgestreckt hatten; dann berührte ich die Fußkante plötzlich mit einem Glasstabe. Es er- folgte die bekannte Kontraktion des Fußes, deren Schnelligkeit und Ge- walt man durch Verstärkung des Berührungsschlages bequem steigern kann. Würde nun aus irgend einem Porus oder einer anderen Öffnung am Körper Wasser entleert.werden, so müsste sich dasselbe im gefärb- ten Wasser durch eine Bewegung der Farbetheilchen kenntlich machen, wie sie z. B. eintritt, wenn man einen Wasserstrahl aus der Injektions- spritze in das Farbwasser richtet. Deutlich konnte ich den Auswurf des Athemwassers aus dem Sipho sehen, aber niemals gelang es trotz der peinlichsten Aufmerksamkeit, einen Wasserstrahl aus dem Fuße oder Mantelsaum hervorkommen zu sehen. Der Umstand, dass die Wasserstrahlen vom Thiere nicht ausgewor- fen werden, sobald es im Wasser durch einen Angriff gezwungen wird den Fuß innerhalb der Schalen zu bergen, macht eine nähere Prüfung der Bedingungen nöthig, nach welchen die Wasserstrahlen austreten, wenn man das Thier aus dem Wasser nimmt. Dazu machte ich folgendes Experiment: Nachdem wieder große Anodonten ihren Fuß be- trächtlich geschwellt hatten, führte ich zwischen die nun weit klaffen- den Schalen in der Nähe des hinteren Schließmuskels einen Holzkeil ein, um das schnelle Zusammenklappen der Schale zu verhindern. Dann konnte ich die Muscheln aus dem Wasser nehmen, und ruhig das Ein- ziehen des Fußes beobachten, ohne dass an irgend einer Stelle der Fub- kante ein Wasserauswurf erfolgte. Entfernte man jedoch den zwischen den Schalen eingekeilten Holz- span, so lange noch ein größeres Stück des Fußes aus dem Schalen- raume stand, so iraten sofort die bekannten Wasserstrahlen auf und es ist klar, dass der durch die zusammenklappenden Schalen auf den Fub ausgeübte Druck die Ursache derselben war. Aus diesen Experimenten geht unzweifelhaft hervor, dass beim Einziehen des Fußes in den Schalenraum unter normalen Verhältnissen, d. h. wenn die Thiere im Wasser liegen, kein Wasserauswurf erfolgt; derselbe findet nur statt, wenn man die Muscheln mit ausgestrecktem Fuße außerhalb des Wassers zur Kontraktion antreibt. Dabei wird ‚durch das allzu schnelle Schließen der Schale dem mit Flüssigkeit er- füllten Fuße der Raum zwischen den Schalenrändern entzogen, welchen ‘er für sein Volumen unbedingt brauchte. Die Flüssigkeit kann auf dem Wege der nunmehr zusammengepressten und verengten Lakunen nicht schnell genug aus der geschwellten Muskelhaube entweichen, während diese durch ihre Kontraktion dem Blute immer mehr den Raum ver- ‚kürzt und die Folge ist, dass die Flüssigkeit aus Fuß und Mantel durch 26* 386 | A. Fleischmann, Zerreißung der Wandung entweicht. Das geschieht an solchen Stellen, gegen welche der Wasserdruck direkt wirkt und deren Struktur im Allgemeinen weniger Widerstand dagegen bietet als diejenige anderer Theile. Es sprechen für die Natur der Wasserstrahlen als ein Kunst- produkt noch manche andere Beobachtungen; einmal zeichnet sich ihr Auftreten nicht durch eine besondere Regelmäßigkeit aus, da ein Wasserauswurf nicht jedes Mal sichtbar wird, wenn man die Muscheln aus dem Wasser nimmt, noch ist der Ort, wo sie ausgespritzt werden, ein streng bestimmbarer; ihre Zahl variirt in auffallender Weise und für die Behauptung ihrer Dreizahl wurde von GriEsgAcH kein zureichen- der Grund angeführt. Manchmal kommen aus einem Porus sogar zwei Wasserstrahlen hervor. Man kann ferner durch Einstich der Injektionsspritze in den Fuß eines lebenden Thieres, dessen Schalen durch einen eingeklemmten Holzkeil klaffend erhalten werden, denselben prall mit Karminwasser anfüllen und in das Optimum seiner Schwellung bringen; durch fort- wirkenden Injektionsdruck kann man die im Fuße befindliche Flüssig- keit noch in stärkere Spannung versetzen, ohne dass ein Austritt der Wasserstrahlen erfolgt, obwohl das Thier stets danach strebt, den Fuß einzuziehen. Es läuft nicht einmal aus der Wunde, welche durch den Einstich einer absichtlich sehr grob gewählten Kanüle entstand, nach deren Entfernung Flüssigkeit aus. Aber entfernt man den zwischen den | Schalen klemmenden Keil und klappt diese zusammen, dann tritt sofort h eine Menge Wassers in Form feiner Strahlen aus. Trotzdem also hier 3 für den Muschelorganismus die ungewöhnlichsten Verhältnisse herrsch- # ten und der hydrostatische Druck im Inneren des Fußes die normale Höhe weit überstieg, fand der Wasserauswurf doch nur dann statt, wenn der verengerte Schalenspalt einen weiteren Druck auf den Fuß herbeiführte. # Man kann daher aus den beschriebenen Experimenten wohl # schließen, dass der Wasserauswurf aus den Pori nicht in die Reihe der l normalen Lebensfunktionen gehöre. Vergleicht man auch Muscheln, n von welchen die einen innerhalb des Wassers, die anderen außer dem- selben ihren Fuß einziehen, so springt sofort in die Augen, dass das Thier im Wasser weniger schnell und mit geringerer Kraft die Schalen | zu schließen sucht, als es geschieht, wenn die Muschel, durch plötzliche Versetzung aus ihrem Aufenthaltsort in größter Erregung, dieselbe Hand- | lung vornimmt. Dann überhastet sie den Verschluss der Schalen und zieht sich dadurch Verletzungen des Fußes zu, deren Ursache die aus- sprühenden Wasserstrahlen sind. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranehiaten. 387 Als Grisssacn an kleinen Anodonten seine Beobachtungen über die Selbstinjektion derselben mit Karminpulver und Magnesia usta anstellte, hat er eben so wenig wie ich einen Wasserauswurf aus den Pori be- merkt (Grisssach, p. 32). Nimmt man eine Muschel aus dem Wasser und wartet, bis diese ihren Fuß auf dem trocknen Boden ausgestreckt hat, so zieht sie auf Reiz den Fuß in den Schalenraum zurück, ohne dass Wasserstrahlen aus der Fußkante hervorspritzen. Auch diese Beobachtung hat Griss- BACH Schon gemacht und daraus geschlossen : »wenn Wasserstrahlen an irgend einer anderen Stelle, als an dem Athem- und Kloakensipho her- vordringen, so ist die Ursache stetsin anormalen Verhältnissen zu suchen« (GrisssacH, p. 44). »Am normalen Organismus tritt durch die Pori aquiferi Wasser nur ein.« Weder anderen Untersuchern noch mir hat aber das Experiment bewiesen, dass die Wasseraufnahme durch Öffnungen am Fuße erfolgt und ich habe im Vorhergehenden den Schluss Grierssacn’s näher be- gründet, dass die Wasserstrahlen wirklich eine abnormale Erscheinung seien. Desshalb kann man mit den Worten ihres Entdeckers die Theorie der Wasseraufnahme durch Pori als unhaltbar bezeichnen ; denn zur Auffindung der Pori gebrauchte Grizssacn einzig und allein die Wasser- strahlen, welche aus dem Fuße austraten, nachdem er die Schalen »ge- linde« zusammengepresst hatte, um das Rückziehen des Fußes zu ver- hindern (Griessacn, p. 27) und dabei wählte er willkürlich Strahlen aus, welche sich »durch größere Dicke und geringere Kraft« auszeichnen. Der »gelinde Druck« auf die Schalen war aber die Ursache, wesshalb ' die Wasserstrahlen hervordrangen. Als ich schließlich durch lange Beschäftigung mit den Muscheln ‚geübt war, die ihren Fuß ausstreckenden Thiere aus dem Wasser zu ‘heben, ohne mit den Fingern einen Druck auf die Schale auszuüben, zeigte sich, dass die Wasserstrahlen nicht einmal zu den häufigen Er- scheinungen gehören. Oft konnte ich zwanzig Najaden, deren Fuß weit ‘aus der Schale stand, aus dem Wasser nehmen, ohne nur einmal zu sehen, wie ein Wasserstrahl die Fußkante zerriß, eine Beobachtung, die Keser schon bei seinen Untersuchungen auffiel und von ihm mitgetheilt wurde!. Ja es bedarf bei längerem Umgange mit den Muscheln einer ‚ganz besonderen Aufmerksamkeit und der ausdrücklichen Absicht, die 'Wasserstrahlen zu sehen, um das Phänomen hervorzurufen, welches ‚dem arglosen Beobachter so klar und regelmäßig in seinem Auf- treten erscheint, dass er die Möglichkeit einer Täuschung nicht im 1 KEsBEr, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Weichthiere. Königsberg 1851. p. 9. 388 A. Fleischmann, entferniesien ahnt. Gar manche von den früheren Untersuchern, z. B. MeckEL, KEBER, LANGER, von HessLing haben die Wasserstrahlen für Pro- dukte einer Zerreißung erklärt, allein diese Angaben wurden über- gangen, ohne dass ihre Berechtigung einmal kontrollirt worden wäre. Jetzt aber beweisen sie im Zusammenhange mit den von mir angestell- ten Experimenten unabweislich, dass die Grundlage, auf welcher Korı- MANN und GRIESBACH ihre Untersuchungen aufbauten, eine falsche war, daher sind auch die weiteren Folgerungen jener Autoren nicht mehr maßgebend. | Die Wasserstrahlen, welche man nur außerhalb des Wassers, also in einer den Muscheln wenig zusagenden Umgebung und dazu nicht ein- mal regelmäßig beobachtet, sind nicht die Anzeichen eines normalen Lebensprocesses der Muscheln, sondern sie sind pathologische Erschei- nungen, die Folge eines gewaltsamen Zerreißens der Leibeswandung. Desshalb dürfen sie nicht die Grundlage einer physiologischen Theorie bilden. V. Mechanische Betrachtungen. Ich habe nun thatsächlich nachgewiesen, dass am normalen Thiere Öffnungen für die Einnahme des Wassers nicht existiren; aber wenn Jemand diesen Beweis noch nicht für genügend erachtete, die Lehre von der Wasseraufnahme zu stürzen, so entsteht für ihn die neue Schwierig- keit, über die mechanische Wirkungsweise jener Pori klar zu werden. Ich stelle daher im Nachfolgenden die Aussprüche aller Autoren, welche die Pori vertheidigen, über die Thätigkeit der letzteren zusammen. Besonders deutlich treten die Pori nach KoLLmann und GRIESBACH am ausgestreckten Fuße hervor und es findet dann die Wasseraufnahme in größerem Maße statt. Da beide Autoren nur die Thatsache, nicht den Modus der Wasser- einfuhr unter solchen Verhältnissen betonen, so wollen wir die Möglich- keit derselben etwas eingehender diskutiren: Wie die roheste Beobachtung lehrt und auch allgemein zugegeben 3 wird (GRIESBACH p. 40), »beruht das Ausstrecken des Fußes auf einem Erschlaffen der Gesammtmuskulatur und einer stärkeren Anfüllung der ; | vergrößerten Lakunen durch Blut«. Es leuchtet Jedermann ein, dass die Erschlaffung der Fußmuskeln an und für sich nicht die Ursache sein kann, dass mit dem Fuße Bewegungen nach verschiedenen Richtungen des Raumes gemacht werden; denn durch das Aufhören der Muske- spannung wird der Fuß ein vollständig schlaffes Gebilde, welches eben so wenig, wie ein welker Laubspross, streng bestimmbare Bewegungs- richtungen einhält. Derselbe bleibt ruhig in der Lage verharren, img + F Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 389 welcher er gerade erschlaflt ist und wenn er zufällig diese verändert, so ist das nur die Folge eines äußeren Anstoßes, etwa der Schwerkraft oder eines Berührungsschlages. Diese Verhältnisse kann man sich leicht zur Anschauung bringen, wenn man den ausgestreckten Fuß einer langsam abgestorbenen Muschel näher betrachtet; dort sind die Muskeln zwar sämmitlich erschlafft, so dass man den Fuß in alle möglichen Lagen künst- lich bringen kann, allein es mangelt ihm das Vermögen, sich in irgend einer Lage zu behaupten, d. h., um einen technischen Ausdruck zu ge- brauchen, es fehlt ihm die Biegungsfestigkeit. Die erschlaflie Muskulatur hat dem Fuße zwar die Fähigkeit eröffnet, sich nach belie- biger Richtung zu biegen, allein es fehlt für die nothwendig werdende einseitige Kontraktion den Muskeln in der Leibeswand noch der Angrifls- punkt, gleichsam das innere Skelett, welches sie nach einer bestimmten Richtung beugen können. Die Biegungsfestigkeit wird aber dem Fuße gewonnen, indem die als Blutwasser oder Hämolymphe bezeichnete Flüssigkeit sich zu bedeu- tender Menge in den Lakunen desselben ansammelt, und auf diese Weise die Turgescenz dieses muskulösen Gebildes bedingt und erhält. Wir wollen zunächst absehen von den Gründen, warum eine solche Aufstau- ung des Blutes möglich sei; die einfache Thatsache, dass wirklich eine gewaltige Anfüllung des Fußes durch Flüssigkeit stattfinde, ist Jedem, ‘der den geschwellten Muschelfuß sah, in der Erinnerung. Wird doch durch die Ansammlung der Flüssigkeit — mag es nun Blut oder Wasser sein — die Muskelhaube des Fußes zu einer fast durchsichtigen Blase ‚aufgebläht! Damit nun der Fuß zur Wirksamkeit als Lokomotionsorgan befähigt ‚werde, müssen bestimmte Beziehungen zwischen der im Inneren stehen- den Flüssigkeit und seiner erschlafften Muskelwand stattfinden. Durch ‚die in den Lakunen des Fußes sich aufstauende Flüssigkeit, welche vom Herzen her immer neuen Zufluss erhält, wird ein merkbarer Druck gegen ‚die Muskelwand desselben ausgeübt und diese passiv gedehnt, während umgekehrt durch die Elastieität der Muskulatur, welche einer allzu- großen Ausdehnung entgegenwirkt, die Spannung der Blutflüssigkeit er- halten wird. Diese beiden Kräfte halten sich am geschwellten Fuße gegenseitig im Gleichgewichte; denn steigerte sich der hydrostatische Druck, so müsste unfehlbar die Leibeswand zerreißen, oder bekäme das Bestreben der Muskulatur sich zu kontrahiren das Übergewicht, so würde das Blut aus dem Fuße in andere Körpertheile gepresst werden. Der Turgor des Fußes bleibt daher so lange bestehen, als sich das Lokomotionsorgan der Muscheln im Zustande seiner Anschwellung be- findet und wenn es sich um eine einfache Blase handeln würde, wäre 390 A. Fleischmann, der gegenseitige Druck zwischen Blut und Leibeswand an allen Punkten der gleiche. Aber die anatomische Untersuchung des Fußes liefert uns verschiedene Befunde, welche dieses Gleichgewichtsverhältnis stören. Denn außer den senkrecht und den schräg vom Schlosse bis zum unte- ren Fußrand verlaufenden Längsmuskeln der Leibeswand ziehen sich ansehnlich starke Platten von Quermuskeln durch den Eingeweide- Be sack und die Muskelhaube in horizontaler Richtung (das Thier wird in 3 i aufrecht stehender Stellung gedacht, wie sie bei der Ortsbewegung ein- genommen wird). Ihre Bedeutung ist sofort klar: sie dienen lediglich als Antagonisten gegen eine allzu starke Ausdehnung des Fußes in die Breite und wirken durch die während der Schwellung eintretende Kon- traktion verschmälernd auf den Eingeweidesack, so dass sich in den La- kunen desselben wenig Blut ansammeln kann, sondern wird durch die ° vordere Pedalarterie direkt in die Muskelhaube getrieben. Während also am geschwellten Fuße die passiv gedehnte Längsmuskulatur in normale Verhältnisse zurückzukehren sucht und das Bestreben hat, die Blutflüs- ° sigkeit in andere Körpertheile, hier zunächst in den Eingeweidesack, zu treiben, widerstehen die kräftigen Quermuskeln, die im Eingeweidesacke ° und besonders an der Grenze desselben gegen die Muskelhaube sehr stark entwickelt sind, einer Bewegung des Blutes in dieser Richtung. Es kann daher der hydrostatische Druck, unter welchem das Blut im turgescirenden Fuße steht, nur noch nach einer Richtung ungehindert wirken, nämlich gegen die freie Fußkante, er ist die Ursache, warum dieselbe immer weiter hervorgetrieben wird. Die Wandung der Fuß- schneide ist nun so fest aus Muskelfasern zusammengefügt, dass der in gewöhnlichen Fällen herrschende Blutdruck nicht im Stande ist, sie zu zersprengen. Verstärkt man jedoch die Spannung »durch sanften Druck ° auf den angeschwellten Fuß« (Grizssaca p. 27), so tritt ein Riss der Fuß- wand ein und die bekannten Wasserstrahlen entweichen. Ihre Mächtig- keit und Dicke giebt zugleich ein annäherndes Maß für den hydrostati- schen Druck, der im Fuße herrscht. h Nach dieser Darlegung ist es geradezu unverständlich, in welcher F Weise die an der Fußschneide befindlichen Einfuhröffnungen (Griesgachn p. 43, These 8) eigentlich ihrer Aufgabe gerecht werden sollen. Der gegen die Fußkante gerichtete Blutdruck äußert seine Wirkung natürlich auch gegen die zunächst liegenden Seiten wände und versetzt den ganzen unteren Theil der Muskelhaube in eine hohe passive Ausdehnung und Spannung. Befinden sich also Spalten am Fuße, so müssen dieselben durch die ringsum liegende, sehr straff gedehnte Muskulatur vollkommen verschlossen werden. Denn die drei neuerdings beschriebenen Wasser- poren besitzen keine specielle Einrichtung, welche den Verschluss oder Sa % Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 391 das Klaflen der Öffnungen besorgen könnte (Griessacu p. 36). Ihr cha- rakteristischer Unterschied gegen andere Punkte der Fußschneide ist lediglich der, dass das Epithel sich gegen die Lakunen einsenkt und in der Tiefe des Spaltes verschwindet; ein besonderer Schließmuskel, welcher unabhängig von dem Kontraktionszustande der übrigen Fuß- muskulatur, die Wasseröffnungen erweitern oder unsichtbar machen könnte, existirt nicht und ein Verschluss ist nur möglich durch eine Kontraktion des Fußes selbst. Am ausgestreckten Fuße wird jedoch durch den gegen die Kante gerichteten Blutdruck die dort in sagittaler Richtung verlaufende Mus- kulatur so stark gedehnt, dass sie sich eng an einander schließt und die dazwischen liegenden Spalten vollkommen komprimirt und der Druck, welcher gegen die seitlichen Wandungen der turgescirenden Muskelhaube gerichtet ist, dient nur dazu, die Spannung der sagittalen Muskeln zu erhöhen und das Klaffen der Ränder von den Pori, wie man dasselbe nach Grisssacn am ausgestreckten Fuße bemerken soll, un- möglich zu machen. Die Pori aquiferi können daher am vollständig ge- -schwellten Fuße keine Thätigkeit leisten, da sie vermöge der sie allseitig umgebenden Muskulatur, die sich in der größten Dehnung befindet, so "zusammengedrückt werden, dass eine Wassereinfuhr in jeder Hinsicht -zu den Unmöglichkeiten gehört. Da wir mit der Frage nach der mechanischen Funktion der Pori einmal das Reich der Hypothesen betreten haben, so wollen wir die in voriger Diskussion als unrichtig abgewiesene Behauptung für kurze Zeit ‘als der Wahrheit entsprechend betrachten und uns klar darüber zu werden versuchen, wie Wasser durch die Pori in die Lakunen kommen könnte, wenn diese am ausgestreckten Fuße geöffnet ‘wären? Der Druck des in den Lakunen des Fußes aufgestauten Blutes ‘würde natürlich gegen die Fußkante wirken, wie oben beschrieben ‘wurde und müsste durch die Pori, welche zum Zwecke der Wasserein- fuhr weit geöfinet ständen, alles Blut nach außen treiben; denn der Gleichgewichtszustand zwischen dem hydrostatischen Drucke und der Elasticität der Muskeln würde sofort aufgehoben, wenn das Blut einen bequemen Ausweg fände, um dem auf ihm lastenden Drucke zu ent- sehen. Es müsste also das Blut in drei kräftigen Strahlen aus dem an- 3eschwellten Fuße entweichen und die Muschel dürfte nur zwei- oder dreimal auf diese Weise ihren Fuß ausstrecken, um sich ihrer gesamm- ‚en Blutmenge zu entledigen. Damit aber Wasser durch die einfachen \öcher, welche man als Pori aquiferi bezeichnet, aufgenommen werde, wäre eine Kraft nöthig, die stärker wäre als der gegen die Fußschneide wirkende Blutdruck. Denn das eindringende Wasser, welches in die 392 A. Fleischmann, Lakunen kommen soll, muss doch zuerst dem Drucke des im Fuß ge- stauten Blutes Widerstand leisten, das gern aus der geschwellten Mus- kelhaube entweichen möchte. Da aber eine solche große Druckkraft, welche Wasser in die Pori einpumpte, außerhalb des -Muschelkörpers nicht zu finden ist, und eben so wenig ein geeigneter Angriflspunkt für diese, so zeigt sich auch hier wieder die Schwäche dieser Theorie. Man könnte jetzt nur noch behaupten, dass das Wasser in die Pori durch eine Saugwirkung derselben gelange. Da diePorisselbst nicht mit einer eigenen Muskulatur ausgestattet sind und daher selbständig durch deren Arbeit kein Wasser in den Fuß saugen können, so wird man darauf angewie- sen, die Kraft, welche saugend wirken könnte, innerhalb des Leibes der Muschel zu suchen. Aber es bietet sich keine Einrichtung dar, welche unser Bestreben unterstützen könnte. Der gesammte Blutdruck strebt direkt gegen die Fußkante und eine saugende Wirkung des Her- zens, welche Wasser durch die Pori einführen würde, ist nicht wohl anzunehmen, da diese, wie wir weiter unten zeigen werden, ihren Ein- fluss nicht bis in die Lakunen des Fußes ausdehnen kann. Soll wirklich durch die Pori aquiferi Wasser eingesogen werden, dann muss bei dem unvollkommenen Kreislaufe der Lamellibranchier ein völlig von den Blutlakunen gesonderter Kanal nachgewiesen werden, der durch besonders eingerichtete Muskulatur befähigt wäre, die Rolle eines Pumpwerkes zu spielen. Eine derartige Beobachtung wurde bis jetzt nicht gemacht und Querschnittserien lehren, dass von einem geson- derten Wasserkanal keine Rede sein darf. Der Gedanke, dass das Wasser in den Poren aufsteige, wie etwa in einer Kapillarröhre, bleibt eben so hypoihetisch, da nach der Be- schreibung Grizssacn’s die Pori eine besondere Wandung gar nicht be- sitzen, sondern als einfache Spalten sofort in die Lakunen führen. »Dass Wasser selbst bei ausgestrecktem Fuße aufgenommen wird, davon kann sich Jeder selbst an den Strudelbewegungen überzeugen, in welche fein vertheilte Substanzen in der Nähe der Fußschneide ge- langen.« (GriEssAachH p. 40.) Wie wenig diese Beobachtung für eine Was- seraufnahme beweisend sei, habe ich schon oben erwähnt; jene Stiru- delbewegungen sind nur durch die Wimperzellen an der Fußoberfläche erzeugt. Denn die allereinfachste Überlegung zeigt, dass durch die in verschiedenen Ebenen stehenden und nach den mannigfachsten Rich- tungen schlagenden Wimpercilien eine Menge kleiner Strudel gebildet werden, welche den Ort und die Thatsache einer Wasseraufnahme nicht bezeichnen können. | Man mag also die Einfuhr des Wassers durch Pori während der Turgescenz des Fußes von jeder, irgend wie möglichen Seite aus be- Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 393 trachten, stets stößt man auf Schwierigkeiten, welche nicht leicht von der Hand zu weisen sind und welche eine Annahme jener Theorie nicht ohne Weiteres erlauben. Nun soll nicht nur am ausgestreckten Fuße, sondern noch unter anderen Umständen die Wasseraufnahme durch die Pori aquiferi mög- lich sein. Kormann! sagt: eine Wasseraufnahme findet am eingezogenen Fuße zwischen den Schalen statt, und Grizssacn glaubt ebenfalls annehmen zu dürfen (GriessacH p. 39), dass »zur Aufnahme von Wasser nicht etwa das Ausstrecken des Fußes unbedingt erforderlich seic. Nach ihm wird Wasser nicht nur temporär, sondern permanent aufgenommen. »Dafür sprechen seine Beobachtungen des unter strudelartiger Bewegung statt- findenden Einschlüpfens von gefärbten Substanzen durch die leicht ge- öffneten Schalen oder durch Mantelschlitze in der Nähe der Pori aquiferi oder, wenn hier die Schalen geschlossen, durch den Athemsipho, wobei alsdann eine Strömung über die Seitenfläche des Fußes zu den Pori aquiferi verläuft.« Griessacn’s direkte Beobachtungen geben aber für die angeführte Behauptung keinen Anhaltspunkt (Griessacn p. 28), da er zwar die Karminkörnchen in den Mantelschlitz oberhalb der Pori hin- einschlüpfen, jedoch nie in den Wasseröffnungen selbst ver- schwinden sah und eben so wenig die Farbe nachher im Fuße nachweisen konnte. Außerdem ist es selbstverständlich, dass das Wasser, welches hinten in den Sipho eingesogen wird, herumschwimmende Farbekörn- chen in seine Strömung zieht und in den Schalenraum hineinträgt. Der Beweis aber, dass die Farbe in die Pori eindrang, ist nicht geführt und es ist doch ein sehr merkwürdiger Schluss, dass Wasser durch Öffnun- gen aufgenommen werde, weil ein Wasserstrom an der Gegend vorbei- läuft, wo man dieselben vermuthet. Andererseits giebt Korımann? folgende Darstellung: »Die Spalte liegt im muskelreichsten Gebiete des Fußes und jedes Zurückziehen muss naturgemäß die Öffnungen verschließen. Nur dann, wenn die Muskelbündel der Kante erschlafft sind, öffnen sich die Ränder.« Aus ‘ dieser Erklärung darf man wohl schließen, dass im Widerspruche zu der vorher angeführten Meinung Korımann’s die Pori am eingezogenen Fuße nicht funktioniren können, weil sie durch Muskelkontraktion fest zusammengepresst sind. Zudem giebt Grıessac# anderen Untersuchern, welche ein negatives Resultat in Betreff der Existenz der Pori erhalten haben, zu bedenken, dass diese Öffnungen durch Zurückziehen 1 KoLıMAnn, Kreislauf bei Lamellibranchiern. p. 99. 2 Diese Zeitschr. Bd. XXVI. p. 97. 394 A, Fleischmann, des Fußes vollkommen unkenntlich gemacht und nicht mehr aufzufinden seien. Es ist klar, dass diese entgegengesetzten Angaben sich keinesfalls mit einander vereinen lassen und dass der Widerspruch, in welchen jeder dieser beiden Forscher mit sich selbst geräth, nicht leicht sich lösen lässt, aber sie liefern einen werthvollen Beitrag zu der Erkenntnis, dass die Lehre von der Wasseraufnahme der Muscheln nicht genügend befestigt sei. Wie diese inneren Widersprüche bei den Entdeckern der Wasser- aufnahme bezeugen, wächst die Schwierigkeit, eine Erklärung für die Funktion der Pori zu finden, wenn der Muschelfuß innerhalb der Scha- len geborgen ist, in bedeutendem Maße. Zwar fehlt unter diesen Ver- hältnissen der hohe Blutdruck auf die äußere Leibeswand, welcher der Einfuhr von Wasser direkt widersteht, eben so wenig sind die Muskeln des Fußes durch den hydrostatischen Druck derartig gedehnt, dass die Pori nicht klaffen können; daher könnte man vielleicht, allzu voreilig, schon frohlocken, dass die Wasseröfinungen schließlich doch Aussicht hätten, eine Anstellung im Organismus zu finden. Jedoch eine kurze Betrachtung der Erscheinungen, welche beim Rückziehen des Fußes auftreten, ergiebt, dass diese Hoffnung nicht erfüllt werden wird. So- bald die Muschel ihren Fuß zwischen die Schalen zurückbewegen will, wird der antagonistisch wirkende Blutdruck, weicher im geschwellten Fuße herrscht, aufgehoben, das Blut wird durch die jetzt wieder thätig gewordene Muskulatur aus dem Fuße in andere Körpertheile gepresst und große Bluträume und Kanäle verschwinden durch die ausnehmend starke Kontraktion der Muskelhaube. Die bedeutendste Abnahme des Volumens weist der untere Theil des Fußes auf und mikroskopische Querschnitte aus dieser Gegend zeigen nur Muskelfasern, die sich nach allen Richtungen kreuzend keinen Zwischenraum unter einander lassen und nach außen vom Epithel überkleidet sind. Man muss daher Korr- MANN und GRIESBACH in dieser Beziehung beistimmen: durch die Kon- traktion des Fußes wird auch die Fußkanie so sehr zusammengezogen, dass die Pori bis zur Unkenntlichkeit verschlossen werden. Eine Wasseraufnahme aber während dieses Zustandes ist absolut unmöglich. Denn wollte man auch annehmen, dass die Pori am eingezogenen Fuße offen ständen und klafften, so könnte eine Wasseraufnahme trotz- dem nicht statthaben, da die Muskelhaube in einiger Entfernung von der Kante durch ihre Kontraktion eine einheitliche, nur spärlich von Hohlräumen durchzogene Masse bildet. Durch die dicke Lage der Fuß- muskulatur wäre dann die Kommunikation der Wasseröffnung mit den viel höher gelegenen Blutlakunen gänzlich versperrt. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 395 Natürlich bleibt auch für diesen Fall als nothwendige Bedingung für die Wasseraufnahme die Forderung nach einer Saugevorrichtung bestehen, ohne dass eine Spur eines derartigen Pumpwerkes bei den Muscheln zu finden wäre. Wir gelangen zu den Schlusse, dass eine Wasseraufnahme durch die von Grisssach beschriebenen Pori aquiferi nach physikalischen Grundregeln weder am ausgestreckten noch am eingezogenen Fuße vor- kommen kann. In beiden Fällen werden durch mächtige Druckkräfte die Pori einfach zugesperrt, so dass sie dem Organismus der Muscheln keinen. Nutzen bringen, und andere anatomische Einrichtungen, welche die Wasseröffnungen erst zur Thätigkeit befähigten, sind nach Gries- BacH’s Untersuchungen nicht gegeben. Diese Schwierigkeit, das mechanische Problem der Wasserauf- nahme in wirklich befriedigender Weise zu lösen, haben alle Anhänger derselben bis jetzt klugerweise vermieden und sich begnügt, die ana- tomische Thatsache der Öffnungen zu behaupten. Nur Korınann fand in seiner ersten Mittheilung! die Erscheinung der direkten Aufnahme von Wasser ins Blut sehr überraschend, »doch dürfen wir nicht ver- gessen, dass von dieser Fähigkeit wahrscheinlich ein mäßiger Gebrauch gemacht wird«. Es geht hier wie bei den Problemen der thierischen Psychologie; sobald man eine exakte physikalische Erklärung nicht schnell zur Hand hat, nimmt man seine Zuflucht zu dem unbestimmten Begriffe der geistigen Kraft. Weil die Art und Weise der Wasserauf- nahme durch Poren nicht klar war, stellte man ihre Funktion unter die . Oberhoheit der Willkür des Thieres. Man braucht kaum zu erwähnen, dass solche Erklärungen das Verständnis der Vorgänge, welche die Wasseraufnahme verursachen, nicht im geringsten fördern. Die Beweise für eine Wasseraufnahme sind, wie wir bis jetzt ge- zeigt haben, nicht stichhaltig und die direkte Thatsache, dass Wasser in die Pori einströme, wurde von GRIESBACH nicht konstatirt. Dafür zieht Kerrmann mit besonderer Freude zur Unterstützung seiner Lehre die Beobachtungen von Sısarıer über die Miesmuschel herbei, » dessen bestimmte Angaben man nicht ohne Weiteres hinwegleugnen könne «. "Das Experiment3 ist folgendes: Man lässt das zwischen den Schalen einer Miesmuschel enthaltene Wasser ablaufen und legt das Thier seit- lich auf eine Schalenhälfte in ein Wasserbecken, wobei der Wasser- Spiegel nur ungefähr die halbe Masse des Thieres begrenzt und die I Kreislauf bei Lamellibranchiern etc. p. 99. ?2 KoLLMAnNN, Pori aquiferi. p. 48. 3 SABATIER, Anatomie de la Moule commune. Annales des sciences naturelles. =. ser. tom. V. p. 53. 396 A. Fleischmann, andere Schalenhälfte frei aus dem Wasser ragt. Man kann dann beob- achten, dass die Muscheln bald ihre Schalen öffnen, den Fuß her- ausstrecken und in die Flüssigkeit tauchen, pour aspirer le liquide par des mouvements vermiculaires de bas en haut. Man fragt erstaunt, wo liegt die unumstößliche Beweiskraft dieses Versuches? Denn wenn Muscheln in einer für sie ungewohnten Lage mit dem einzigen Organe, das ihnen eine Erforschung der nächsten Um- gebung möglich macht, mit dem Fuße Bewegungen nach mannigfachen Richtungen des Raumes ausführen, so kann man daraus doch nicht mit logischer Schärfe auf eine Wasseraufnahme schließen. Es ist lediglich eine Vermuthung SaBATıEr’s, dass Mytilus durch die schlangenartige Bewegung ihres Fußes Wasser einsauge und er sucht den mechanischen Vorgang eben dort näher zu erläutern, allein den thatsächlichen Beweis für seine Ansicht hat er nicht geführt. Ähnliche Beobachtungen kann man auch an unserer gewöhnlichen Anodonta anstellen, wenn man dieselbe in eine ungewohnte Stellung bringt, also z. B. auf den Rücken stellt oder frei in die Luft aufhängt, und man wird höchlichst verwundert auf die leichte Beweglichkeit und die merkwürdige Formveränderung ihres Fußes blicken, dessen plum- per Gestalt während der Ruhe man keine solche Freiheit der Bewegung zutraute. Muscheln wurden über gefärbte Flüssigkeiten in der Weise aufge- hangen, dass ihr geschwellter Fuß gerade noch in dieselbe tauchen konnte und der Erfolg bewies, dass die angeblichen Öffnungen ihre Exi- stenz durch das Einsaugen des farbigen Wassers nicht bekunden konnten. SABATIER ist übrigens der Einzige, welcher das Bedürfnis erkannte, auch die Mechanik der Wassereinfuhr näher ins Auge zu fassen. Es wird daher nothwendig, nachdem wir die Möglichkeit einer Funktion der Pori im Vorhergehenden abgewiesen haben, seine Ansichten einer näheren Betrachtung zu unterziehen. In wahrheitsgetreuer Weise schildert SısarıEr, dem nach seinen Untersuchungen der Wasserweg ins Blutgefäßsystem offen steht, die Vertheilung der Muskulatur an dem vorderen Theile des Fußes, wo sich der im Querschnitte dreieckige Wasserkanal befindet und er hebt be- sonders hervor, dass alle sich dort vertheilenden und an der Haut inse- rirenden Muskelfasern mit den großen hinteren Rückziehmuskeln des Fußes in Verbindung stehen und als direkte Verlängerung desselben der Achse des Fußes parallel nach vorn verlaufen. Durch diese Einrichtung ist es natürlich selbstverständlich und Sıarırırr hat das auch ausge- 1. Ann. sc. nat. 6. ser. tom V. p. 52—53. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 397 sprochen (l. c. p. 52), dass die Kommunikation des Wasserkanales mit den Bluträumen des Fußes aufgehoben wird, sobald sich der Fuß in den Schalenraum zurückzieht; in Folge der Kontraktion des Rückziehmus- kels wird der vordere, wurmförmige Theil des Fußes so stark zusam- mengezogen, dass sogar der vorher deutlich sichtbare Porus an der Spitze des Fußes vollkommen verschwindet und unkenntlich wird. Sasarızr erklärt desshalb eine Wasseraufnahme in diesem Zustande für absolut unmöglich und wir haben keinen Grund, gegen diesen Schluss irgend welchen Einwand zu machen; denn wir hatten früher nachgewiesen, dass auch bei Anodonta durch die Kontraktion des Fußes den drei Was- seröffnungen ihr Arbeitsfeld völlig verschlossen wird. Die Wasseraufnahme findet nur statt, »wenn die Muskeln am Fuße erschlaffen: dann verlängert sich der Fuß beträchtlich, die Wasseröff- nung kommt an seine Oberfläche und wird klaffend und das Wasser dringt in die unteren Lakunen. Dann folgen antiperistaltische Kontrak- tionen, welche vom freien Ende des Fußes zu dessen Basis fortschreiten, und wurmförmige Bewegungen des Fußes; diese treiben das Wasser in die Höhe, d. h. in die Blutlakunen, und ermöglichen zu gleicher Zeit einen erneuten Wassereintritt, indem sie an der Öffnung und in den unteren Lakunen eine saugende Wirkung äußern!.« Zunächst ist an dieser Erklärung der Punkt auszusetzen, dass eine Erschlaffung der Muskulatur allein das Ausstrecken des Fußes verur- sachen soll. Letztere ist natürlich nöthig, damit der Fuß aus dem Scha- lenraume hervorkomme, aber nicht die einzige Ursache der Ausdehnung. Denn wenn man Muscheln nach der von SasArTIEr angegebenen Weise in angesäuertem Wasser absterben lässt, so dass wirklich alle Muskeln er- schlafft sind, dann zeigt doch eine vergleichende Messung zwischen dem ausgestreckten Fuße des langsam getödteten Thieres und dem einer lebenden Muschel erhebliche Differenzen. Der ausgestreckte, gänzlich erschlaffte Fuß der todten Muschel ragt lange nicht so weit über den Schalenrand hinaus, als der Fuß eines lebenden Thieres und es ist plat- terdings unmöglich, jenen in der Art über die Schale zu beugen, dass _ er nur in die Nähe des Schlossrandes reichte. Der Grund davon ist folgender: Bei der langsam getödteten Muschel, deren Fuß aus dem Schalenraume hervorragt, sind die großen am obe- ren Theile der Schale sich inserirenden Rückziehmuskeln und die bis an die Spitze des Fußes als ihre direkte Verlängerung sich erstreckende "Längsmuskulatur zwar erschlafft, aber Querschnitte durch den Fuß zei- gen die Lakunen und Blutsinusse mehr oder weniger verkleinert und 1 SABATIER, 1. c. p. 53. 398 A. Fleischmann, verdeckt, während die Lakunen des Eingeweidesackes eine ansehnliche Ausdehnung besitzen. Eine Vergleichung dieses Fußes mit dem wirk- lich ausgestreckten und geschwellten Lokomotionsorgan eines lebenden Thieres beweist dann, dass an diesem hauptsächlich die untere Muskel- haube oder der muskulöse Spinnfinger in einem bedeutenden Grade ausgedehnt ist und dass gerade dessen Lakunen zu einer enormen Größe angeschwollen sind. Wird also der Fuß vom lebenden Thiere aus den Schalen heraus- gestreckt, so muss noch ein zweiter Faktor dazu mitspielen, um eine wirkliche Schwellung des Fußes herbeizuführen und das ist die im Körper enthaltene Flüssigkeit. Es ist, wie wir schon oben für Anodonta ausführten, eine starke Anfüllung der Lakunen im Fuße mit Blutflüssig- keit und die Wechselwirkung zwischen dem hydrostatischen Drucke der aufgestauten Flüssigkeit und der passiv gedehnten Muskelwand des Fußes der Grund, wesshalb der Muschelfuß so weit aus dem Schalenraume herausgetrieben wird. Durch den im Inneren herrschenden Turgor würden aber alle Öff- nungen, die zwischen den Muskelfasern in die Lakunen führen sollen, sofort verschlossen, da die nach allen Richtungen sich kreuzenden Mus- keln passiv gedehnt werden und sich nahe zusammenlagern. Wäre dennoch eine Öffnung vorhanden, so müsste die in den Lakunen unter einem gewissen Drucke stehende Flussigkeit eher durch sie en als dass neues Wasser in den Fuß eintreten könnte. Das Wasser kann also auf keinen Fall in der einfachen Weise in die unteren Lakunen des Fußes eintreten, wie dies SABATIEr für mög- lich hält. | Die peristaltischen Bewegungen, welche am ausgestreckten Fuße von der Spitze zur Basis ziehen, können aber nur unter der Bedingung einer Weiterbewegung des Wassers dienlich sein, wenn ein Klappen- apparat oder ein sphinkterartiger Ringmuskel am Wasserporus vorhan- den wäre, welcher mit Eintritt der peristaltischen Kontraktionen die Öffnung sofort verschließt und ein Entweichen des Wassers nach außen verhindert. Man kann diese Forderung vielleicht am einfachsten sich zur Anschauung bringen, indem man den sog. Spinnfinger von Mytilus mit einem Gummischlauche vergleicht, dessen eine Öffnung den Porus, dessen andere die Mündung des Wasserkanales in die Blutlakunen des Fußes darstellt. Hat man den Schlauch vorher mit Wasser angefüllt und wünscht dasselbe in der Richtung gegen die Lakunen zu treiben, so ist es selbstverständlich, dass man zuerst die vordere Öffnung verschließt und durch successives Zusammenpressen der Wandung das Wasser vor- wärts treibt. Allein an dem Fuße von Mytilus konnte bislang keiner Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 399 von den Forschern einen derartigen Verschlussmechanismus nachweisen und zudem ist die Muskulatur am Fuße nicht ringförmig angeordnet, son- dern verläuft vielmehr parallel der Achse des Spinnfingers, so dass eine wirkliche peristaltische Kontraktion desselben unmöglich ist. Noch bedenklicher steht es um die Lehre, es wirke die peristaltische und wurmförmige Bewegung desFußes zugleich saugend im Wasserkanale und führe dadurch neues Wasser durch den Porus in die vorn liegenden Lakunen, während durch die fortschreitende Peristaltik das vorher einge- pumpte Wasser in die höher gelegenen Bluträume gerathe. Denn eine Aspiration von Wasser in das Wasserrohr könnte nur dann entstehen, wenn der Hohlraum desselben nach seiner Entleerung gegen die Blut- lakunen aus dem Zustande der größten Kontraktion sofort wieder in das Stadium der Erweiterung einträte. Dazu müsste eine elastische Wan- dung des Wasserrohres selbst vorhanden sein, welche dem Drucke der umgebenden Muskulatur antagonistisch entgegenwirkte und diese nach ihrer Kontraktion, wenn sie eben zu erschlafien beginnt, durch ihr Be- streben sich auszudehnen überböte. Auch hierfür bieten sich keine ana- tomischen Anhaltspunkte; SAaBATIeEr beschreibt an seinem Wasserkanale keine elastischen Wandungen und die Vertheilung der Muskulatur im Spinnfinger macht einen Gegensatz von erschlafften und eben sich kon- trahirenden Muskelfasern an verschiedenen Theilen des Fußes unmög- lich; denn Sısarıer erklärt selbst, dass die Muskeln im Fuße parallel der Achse desselben verlaufen. Beginnt nun die Muskulatur am vor- deren Ende ihre Kontraktion, so schreitet diese vorwärts bis zu den Rückziehmuskeln und das vordere Ende des Fußes kann nicht eher wieder erschlaffen, bevor nicht die weiter innen im Leibe gelegenen Muskelpartien ihre Kontraktion auflösen. Sobald also die Wasseröffnung eingezogen wurde, bleibt sie geschlossen, bis der ganze Fuß wieder er- schlafft und dann ist ihre Funktion unmöglich, weil der in den Lakunen herrschende Blutdruck die Öffnung verschließen wird. So bietet sich für keine dieser nach mechanischen Principien abso- lut erforderlichen Beziehungen ein thatsächlicher Anhaltspunkt; im Fuße von Mytilus sind eben die Verhältnisse nicht gegeben, welche den von SABATIER aufgestellten Thesen entsprächen, daher müssen wir die- selben als der Wahrheit nicht gleich kommend verwerfen. Übrigens verdient die von Sısarıer als Porus aquiferus bezeichnete Öffnung am Spinnfinger von Mytilus nach den gleichlautenden Ergeb- ' nissen mehrerer Untersucher diesen Namen nicht mehr, da sie eben ' nicht in einen Wasserkanal und die Blutlakunen führt. Sie stellt viel- mehr nur die Öffnung einer allseitig blind geschlossenen Drüse dar, die ı niemals befähigt sein kann dem Blute Wasser beizumengen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 97 400 A, Rleischunann, Ferner ist der Wasserkanal, welcher nach Sasarızr an der Unter- seite des Spinnfingers verlaufen soll, keine Röhre, sondern eine einfache Einsenkung, eine Rinne, in welcher der Byssusfaden vorgeschoben wird. Wenn das Thier den Byssusfaden irgendwo fest- machi, so ist es gerade die vorderste Spitze des Fußes, welche den Faden anheftet und bis zu dieser wird der Faden in der Rinne geschoben. Es ist daher einleuchtend, dass weder der sog. Wasserporus noch der Wasserkanal der Einfuhr von Wasser in das Blutgefäßsystem vorstehen können. Schwere physikalische und anatomische Einwürfe ergaben sich uns, als wir der Wasseraufnahme bei Mytilus näher nachferschten, so dass wir die oben angeführte Theorie Sasarıer’s als vollkommen gescheitert be- zeichnen müssen. Für andere Lameliibranchier, z. B. Pecten und Spondylus, hat Korımann den Fuß direkt als Wasserröhre bezeichnet, weil er densel- ben einzig und allein als ein Organ zur Regulirung der Wasseraufnahme betrachtete (Korımann, Kreislauf, p. 99). Zur Motivirung seiner Be- hauptung brachte er weder mechanische noch anatomische Erklärungen und nach der obigen Diskussion dürfte es auch sehr schwierig werden, eine einigermaßen plausible Darstellung ihrer Funktion zu liefern. Es bestehen hier dieselben physikalischen Forderungen, die wir oben für Anodonta und Mytilus etwas weitläufiger erörtert haben und wir können um so leichter hierüber weggehen, da andere Forscher die Natur der an den Wasserröhren sichtbaren Spalten und Säcke als Drüsen und Drüsenöffnungen gekennzeichnet haben. Es stehen also der Lehre von der Wasseraufnahme bei den Lamelli- branchiern durch Öffnungen am Fuße nicht nur bedenkliche anato- mische Schwierigkeiten, sondern auch große mechanische Hindernisse im Wege, welche die Annahme jener Lehre in immer zweifelhafterem Lichte erscheinen lassen. Fragt man jetzt nach der physiologischen Rolle, wie sie das direkt in das Blutgefäßsystem eingeführte Wasser im Organismus spielt, so stößt man hinwiederum auf eine Menge der merk- würdigsten Ansichten, die wir hier folgen lassen wollen. VI. Physiologische Betrachtungen. Schon DeLLe Cnısse legie dem in das Wassergefäßsystem einge- führten Wasser eine Bedeutung für die Unterstützung des Athmungs- processes bei und diese Ansicht ist auch erhalten geblieben, nachdem die Existenz gesonderter Wassergefäße längst nicht mehr anerkannt | wird. Das durch die Pori in das Bluigefäßsystem eingeführte Wasser 1 MARION DE PRrock, Beobachtungen über die gemeine Miesmuschel. FRoRrıEP's Neue Notizen. 4843. Bd. XXVI. p. 7. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 401 dient nach den neuesten Arbeiten von GRIESBACH (GRIESBACH, p. 39) der Athmung, da das Respirationsorgan »unvollständig eingerichtet sei und außerdem getheilte Funktionen« habe. Es ist wohl verlockend, den endos- motischen Austausch der Gase und die chemischen Umsetzungen zwi- schen dem aufgenommenen Wasser und der Blutflüssigkeit des Näheren zu verfolgen, wie das LEUCKART ausführlicher gethan hat!; allein bevor man sich in Spekulationen über die Bedeutung des Wassers in dieser Hinsicht einlässt, muss man doch klar sein, ob denn wirklich die Kiemenathmung bei den Muscheln den Bedarf an Sauerstoff nicht decken kann ?. Diese Frage blieb freilich bis jetzt unbearbeitet, da man in dem Bedürfnisse, für die Wasseraufnahme einen positiven physiologischen Grund zu finden, ohne Weiteres die Kiemenathmung zu einer unge- nügenden Leistung des Muschelorganismus degradirt hatte. Es ist daher unsere Aufgabe zu prüfen, ob wirklich diese Ansicht den Thatsachen entspricht ? Unsere Süßwassermuscheln liegen tage-, ja selbst wochenlang im Wasser mit halbgeöffneter Schale, ohne sich von ihrem Lagerplatze zu entfernen und man wird wohl nicht behaupten, dass das mit schlechten Gasen vermengte Wasser, welches im Lieblingsaufenthalte vieler Muscheln, im Schlamme steht, besonders dazu angethan sei, viel Sauer- stoff den Thieren zuzuführen. Nun beträgt der Raum, welcher zwi- schen den Schalen noch übrig bleibt, nachdem das ganze Thier sich eingezogen hat und dieselben allseitig fest geschlossen hält, nach Korı- MANN’S und meinen übereinstimmenden Messungen ungefähr 25—35 ccm ; derselbe ist beim lebenden Thiere jederzeit mit Wasser gefüllt und bietet diesem jedenfalls für einige Zeit eine ausreichende Sauerstoff- menge. Bedenkt man ferner, dass die Thiere im Ruhezustande mit leicht geöffneten Schalen verharren, so darf man mit Recht die Menge des Wassers, welches das Thier umspült, auf 45—50 cem schätzen. Die in diesem Quantum enthaltene Portion an Sauerstoff wird aber von dem athmenden Thiere einmal verbraucht sein; es muss daher durch irgend welche Einrichtung ein Ersatz des unnütz gewordenen Wassers be- schafit werden und das geschieht durch die an der ganzen Oberfläche der Thieres, an den Kiemen sowohl, wie am Fuße verbreiteten Wimper- zellen. Die Wimpern schlagen in ungemein lebhafter Weise und er- zeugen dadurch im umgebenden Wasser Bewegung und Strömungen, welche an verschiedenen Regionen des Muschelkörpers verlaufen. So ‚streicht an der ganzen Oberfläche des Thieres ein Wasserstrom hin, dessen Gehalt an Sauerstoff sich fortwährend erneut und die Regel- ! BERGMANN und LEUCKART, Vergleichende anatomisch-physiologische Übersicht ‘ des Thierreiches. p. 279—285. 97* ' 402 A. Fleischmann, mäßigkeit und Stetigkeit, welche dieser Process stets erkennen lässt (GRIESBACH, p. 24), bezeugt, dass man hier eine Erscheinung vor sich habe, welche für das Leben der Muscheln die ErORe Bedeutung besitzt. Nimmt man noch hinzu, dass nicht allein die große Oberfläche der acht Kiemenblätter dem Athmungsprocesse dient, sondern dass auch die dünne Lamelle der inneren Mantelwand sehr geeignet erscheint, den. Gasaustausch zu unterstützen, so erhält man eine gewaltige Fläche am Körper der Muscheln, die vermöge ihrer dünnen Wandung dem durch- strömenden Wasser leicht den gesammten Gehalt an Sauerstoff entziehen kann und man darf wohl an den alten Ausspruch MEcker’s erinnern: »Wie das Insekt ganz Trachee, so ist das Thier der Bivalven ganz Kieme.« Es erscheint also klar, dass diese Einrichtung dem Athmungsbedürfnisse der Muscheln vollkommen entspricht. Andere Ursachen, welche den Bedarf an Sauerstoff steigern könnten, wären zunächst ein lebhafter Stoffwechsel und intensive Lebensprocesse im Muschelorganismus. Doch sind darüber die Forscher einig, dass die Trägheit der Lebensvorgänge bei unseren Muscheln in der übrigen Thierwelt vergebens ihres Gleichen sucht. Die Nahrungsaufnahme be- reitet ja den Muscheln keine große Schwierigkeit und Anstrengung, da der Nahrungsstrom ihnen direkt in den Mund geleitet wird und kräftige, anhaltende Bewegungen, welche das Bedürfnis nach Sauerstoff ver- mehren könnten, sind fast ausgeschlossen. Zudem bewirkt das Aus- strecken des Fußes und sein Fortkriechen zu gleicher Zeit eine Ver- größerung der athmenden Oberfläche und einen schnelleren Wasser- wechsel, so dass selbst hier keine Athemnoth entstehen kann. Schon diese Überlegungen machen es unwahrscheinlich, dass die Muscheln im steten Kampfe mit einer Dyspnoe verwickelt seien, aber um zu entscheiden, ob das Bedürfnis nach frischem Wasser ein so un- geheures sei, dass sogar eine direkte Einfuhr in das Blutgefäßsystem nöthig ind: entzog ich den Thieren das Wasser vollständig. Ich nahm viele lebenskräftige Anodonten aus dem Wasser und legte sie ins Trockene, jedoch immerhin in etwas feuchte Atmosphäre und ließ sie dort stunden-, sogar tagelang liegen. Alle Thiere hatten die Schalen fest geschlossen und, so weit ich sie beobachtete, dieselben während der Dauer des Versuches nicht geöffnet. Als man danach die Muscheln ins Wasser zurücklegte, wurden sie bald wieder lebhaft, d.h. öffneten ihre Schale und lebten, ohne dass eine Störung ihrer animalen Funktionen sich bemerkbar gemacht hätte. Dieser Versuch beweist, wie mir scheint, dass das Sauerstoffbe- dürfnis der Muschel nicht so bedeutend ist, als man gewöhnlich an- Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 403 nimmt und ich werde noch einige Angaben aus der Litteratur hier anführen, als Argument, dass die Muscheln lange Zeit ohne Wasser aus- halten können, wenn nur dafür gesorgt ist, dass die Kiemen und die Hautoberfläche nicht durch Verdunstung des Wassers abtrocknen. Denn es ist eine alte Erfahrung, dass trocken gelegte Muscheln sehr schnell absterben, wenn sie ihre Schalen von einander stehen lassen oder wenn man dieselben durch einen eingeklemmten Holzkeil künstlich klaffend "erhält. Eine stete Befeuchtung der Membranen, welche der Wasser- athmung dienen, ist ja auch bei anderen Wasserthieren, welche zeit- weilig ihren Aufenthaltsort verlassen und ans Land gehen, die erste Bedingung für die Erhaltung ihres Lebens, und ich erinnere nur an die Labyrinthfische, welche das zur Befeuchtung ihrer Kiemen nöthige Wasser in einem besonderen Reservoire, dem sogenannten Labyrinthe, auf das Land mitnehmen. Bei den Muscheln genügt der einfache Schluss der Schalen, dann sind die Weichtheile von einer feuchten Atmosphäre umgeben, welche die Abtrocknung derselben verhindert. MıLne Epwarps! berichtet, dass die Austern für eine längere Unter- brechung ihres Aufenthaltes im Wasser einer gewissen Erziehung fähig sind. Die Fischer in Gourseulles, welche diese Muscheln fangen, um sie auf den Markt nach Paris zu schicken, vermeiden einen Verlust der Thiere, welche auf dem Transporte ihre Schalen klaffen lassen und so zu Grunde gehen, dadurch, dass sie dieselben abrichten, ihr Athem- wasser für lange Zeit zu entbehren. Zu diesem Zwecke werden die Austern alle Tage ins Trockne gelegt, zum Beginn ihrer Lehrzeit nur eine kurze Spanne; aber allmählich steigert man ihren Aufenthalt außer- halb des Wassers bis auf mehrere Stunden. Dann gewöhnen sich die Muscheln ihre Schalen geschlossen zu halten, »behalten ihr Wasser «, um einen Kunstausdruck der Fischer zu gebrauchen, und kommen lebend in Paris an. Allein die Muscheln ertragen noch eine länger dauernde Entfernung aus dem Wasser. So fand Desuayzes? zwei Anodonten aus Cochinchina, die über acht Monate in Papier eingewickelt verpackt waren, noch lebend, als sie in Paris ankamen. Ferner erzählt Gassıes, dass eine Unio littoralis 31/, Monate ohne Wasser gelebt habe und Marrın® giebt Nachricht von Iridina rubens, 1 Lecons sur la physiologie et l’anatomie comparee de l’homme et des animaux. Tom II. p. 45. Anm. 2 Journal de Conchyliologie. XXI. p. 84. 3 Ibid. p. 194. 404 A. Fleischmann, welche vom Senegal nach Paris geschickt worden und einige Monate lebendig geblieben war. Diese Befunde sind um so auffallender, als von all den Muscheln, welche außerhalb des Wassers verweilen mussten, eine’'ganz bedeutende Arbeit geleistet wurde. Dieselben mussten ja fortwährend ihre Schalen fest geschlossen erhalten und hatten dazu eine langdauernde Kontrak- tion ihrer Schließmuskeln nöthig, wodurch der Bedarf nach frischem Sauerstoff wesentlich hätte vermehrt werden sollen. Trotzdem konnten diese Thiere ohne Schaden ihr Lebenswasser für eine merkwürdig lange Zeit entbehren. Bei den mit leicht geöffneter Schale im Wasser liegen- den Thieren fällt nun die Arbeitsleistung der beiden Schließmuskeln so ziemlich weg; das in den obigen Fällen künstlich gesteigerte Athembedürfnis sinkt hier auf ein geringeres Maß zurück und für dieses würde jedenfalls auch ein weniger lebhafter Wasserwechsel genügen, als wir ihn an unseren Süßwassermuscheln beobachten. Das Bedürfnis der Bivalven nach frischem Wasser ist daher kein so bedeutendes, als man gewöhnlich ohne direkte Untersuchung annimmt und kann keines- falls als ein zwingender Grund aufgefasst werden (GRIESBACH, p. 39), um eine permanente Wasseraufnahme für die Lamellibranchier zu behaupien. »Ferner trägt das aufgenommene Wasser zur Bildung des großen Schalenpaares wesentlich bei, indem Kalksalze auf diesem Wege eingeführt werden.« (GRIESBACH, p. 39.) Ist diese Behauptung richtig, so kann man doch mit Recht schließen, dass das Wachsthum und die Dickenzunahme der Schalen in einem direkten Verhältnisse zum Kalkgehalte des Wassers stehe, in welchem sich die Muscheln aufhalten. Denn je mehr Kalk im Wasser gelöst ist, welches durch die Pori permanent eingeführt würde, um so mehr gelangt in die Blutbahnen der Muschel; dadurch wird der Schalen- panzer schneller wachsen und in kalkreichen Wässern zu größerer Dicke heranreifen, als das in kalkarmen geschehen könnte. Aber im Gegentheile lehrt die Erfahrung, dass Anodonten mit ihren Schalen von relativ geringem Kalkgehalte vorzüglich in hartem kalkreichen Wasser leben, während die Unionen, speciell die Perlmuscheln, am besten ge- deihen und die dicksten Schalen ansetzen in -Gewässern, die durch- gängig sehr arm an anorganischen Bestandtheilen, namentlich arm an kohlensaurem Kalke sind. . Der Kalkgehalt der Wasser im bairischen Walde, in welchen Perlmuscheln zahlreich vorkommen, schwankt zwischen 0,00464 bis | 0,00920 gr, berechnet auf einen Liter Wasser, also findet sich durch- | 1 Voır, Anhaltspunkte für die Physiologie der Perlmuschel. Diese Zeitschr. Bd. X. p. 494—495. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 405 schnittlich in einem Liter etwa 0,00759 g kohlensauren Kalkes oder auf einen Theil Kalk kommen 132000 Theile Wasser. Aus dieser sehr verdünnten Lösung muss nun die Perlmuschel die anorganischen Salze herausziehen, welche zum Ausbau der Schale unumgänglich erforder- lich sind. Voır stellte Berechnungen an, wie viel Wasser von den Muscheln eingesogen werden müsste, um ihr die große Menge des in der Schale abgeschiedenen kohlensauren Kalkes zu liefern, und fand, dass für eine Unio, deren getrocknete Schalen 85,2 g wogen und 79,1 g reinen kohlensauren Kalkes enthielten, diese Menge Kalkes in ungefähr 5838 Liter Bachwasser enthalten sei. Es muss also mindestens diese ungeheure Wassermenge durch das Thier hindurchströmen, um ihr den Bildungsstoff der Schalen zu liefern. Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass der durch die Pori ein- geführten Quantität des kalkhaltigen Wassers, dessen Gehalt an kohlen- saurem Kalke im Verhältnis zum Bedarfe des Thieres verschwindend klein ist, bei der Cirkulation im Körper aller Kalk entzogen werde. Wenn nämlich innerhalb der Blutlakunen der Austausch von Sauerstoff und anorganischen Salzen zwischen dem Bachwasser und dem Blute stattfindet, so werden an das Wasser nach der Darstellung LEuckArT’s die stickstoffhaltigen Produkte des Stoffwechsels und die anderen Aus- wurfstoffe abgegeben und es ist nicht unmöglich, dass diese organischen Körper gerade mit dem kohlensauren Kalke sich zu Salzen vereinigen, welche im thierischen Körper einer weiteren Verwendung nicht fähig sind und desshalb wieder ausgeschieden werden, ohne dass der in die neue Verbindung eingegangene Kalk im Organismus ausgenützt worden wäre. Es wird also das Wasser nicht in chemisch reiner Weise innerhalb des Muschelkörpers vom Kalke getrennt, so dass nur diejenige Wasser- menge durch das Blutgefäßsystem der Muscheln laufen müsste, deren Gesammtgehalt an kohlensaurem Kalke der in dem Schalenpanzer ab- geschiedenen Menge gleich käme; denn durch chemische Umsetzungen im Körper würde sehr viel Kalk nicht rationell verwandt. Damit man der Wahrheit einigermaßen nahe käme, muss man daher die Menge des Wassers, welches durch den Muschelkörper streicht, um ihm den Kalk zu liefern, noch um eine ganz bedeutende Zahl erhöhen. Dann fragt man: sind denn die mikroskopisch kleinen Pori, deren Wirkung wir hier nur hypothetisch annehmen wollen, im Stande, diese ungeheure Wassermenge in das Blut zu schaffen? Zieht man die Klein- heit jener Öffnungen gegenüber der Größe ihrer Aufgabe in Betracht, so kann kein Zweifel bestehen, dass die Antwort verneinend ausfallen muss. 496 A. Fleischmann, Man sagt weiter: Wenn das im Körper kreisende Wasser keinen Kalk mehr enthielte, so würde es ausgeworfen und neues dafür einge- nommen. Da nun im Allgemeinen immer gleiche Quantitäten von Wasser eingenommen würden, so müsste auch die Absorption des kohlensauren Kalkes bei sonst gleichen Verhältnissen in annähernd gleicher Zeit voll- zogen sein und in so fern die Wasseraufnahme für das Schalenwachs- thum eine größere Bedeutung hätte, folgte daraus eine gewisse Perio- dicität der Wasseraufnahme, die bislang nicht beobachtet wurde. Dabei geht das Wachsthum der Schalen nicht etwa langsam vor- wärts, sondern in einem beschleunigten Tempo, so dass selbst eine permanente tropfenweise Aufnahme von Wasser durch die Pori nicht hinreichendes Bildungsmaterial zuführen könnte. Es sind ja andere Wege da, welche den Lamellibranchiern viel mehr Wasser und dazu in weniger umständlicher Weise als die Pori zuführen, nämlich der ganze Verdauungstractus. Durch diesen streicht fortwährend ein mächtiger Wasserstrom und man darf nur eine Muschel in gefärbte Flüssigkeit legen, um schon nach wenigen Stunden den gesammten Darmkanal prall mit Farbekörnchen erfüllt zu sehen. Die mannigfachen Windungen und Biegungen, welche der Darm gerade im Leibe der Lamellibranchier macht, scheinen direkt die Resorption des Kalkes aus dem durchlaufenden Wasser zu begünstigen, da doch für die Nahrungsstoffe der Muscheln keine komplicirten Verdauungsvor- gänge nöthig werden. Ferner kann der Kalk auch durch die Nahrung selbst dem Thiere geliefert werden. Es herrschen übrigens bei den Forschern, welche die Wasserauf- nahme ins Blut unterstützen wollen, höchst sonderbare Ansichten über die zeitliche Thätigkeit der Pori, d. h. über die Frage, ob die Pori fortwährend oder mit Unterbrechungen Wasser in den Körper ein- führen. Nach Korınann findet eine Wasseraufnahme in größerem Maße nur statt, wenn es sich um Ortsveränderungen der Thiere handelt oder wenn sich dieselben unter fremden Bedingungen befinden (Korımann, Kreislauf, p. 99). Diese Bewegungen finden aber nur in längeren Zwischenräumen statt, da die Muscheln »wochenlang mit leicht geöffneter Schale an ihren Wohnplätzen verharren, ohne dass der Fuß jemals anschwillt. GRIESBACH dagegen spricht von einer permanenten Wasserauf- nahme, ohne eigentliche Beweise dafür zu liefern und SABATıEr nimmt gleichfalls eine fast unaufhörliche, obwohl tropfenweise Aufnahme durch den Porus an (SABATIER, |. c. p. 56). Alle diese einander widersprechenden Angaben finden durch Be- Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 407 obachtungen am lebenden Thiere keine Unterstützung, nachdem wir schon oben nachwiesen, dass weder am ausgestreckten und geschwell- ten, noch weniger am eingezogenen Fuße eine Wasseraufnahme mög- lich sei. Gründe, welche für eine immerwährende Einsaugung von Wasser in den Fuß sprechen sollen, sind außer den vorhin erwähnten noch fol- gende und zwar wurden dieselben von SaBarıEr (l. c. p. 54—56) ange- führt: Heftige Angriffe auf das Thier zwingen die Muschel, ihren Fuß zwischen die Schalen zurückzuziehen; dadurch wird in Folge der plötzlichen Kontraktion Blutwasser aus dem Porus herausgetrieben und zugleich die Filtration an der Oberfläche bedeutend vergrößert. Diesen Verlust an Flüssigkeit muss die Bivalve durch eine andauernde Ein- saugung von Wasser wieder decken. Im Gegensatze zu dieser Beweis- führung haben wir schon oben nachgewiesen, dass der Wasserauswurf aus dem Porus keine normale Lebensäußerung, vielmehr eine patho- logische Erscheinung sei und andererseits ist nicht abzusehen, in wie fern gerade die Kontraktion des Fußes Wasser durch die als Filter ge- dachte Leibeswand nach außen treibe, da doch keine Öffnungen oder sonst wie durchlässige Membranen an den Muscheln beobachtet wurden. Auch im Ruhezustande bestehen nach SAsATIEr derartige Verluste, obwohl in mäßigerem Grade; Verdunstung und Harnabsonderung seien hiervon die Ursache. Doch ist nicht zu ergründen, auf welche Weise die vollkommenim Wasserliegende Muschel durch Verdun- stung irgend welche Flüssigkeit verlieren sollte. Die ausgeschiedene Harnmenge wurde zwar bisher für Muscheln noch nicht bestimmt, so dass man eben so wenig von einer großen, als von einer geringen Urin- abscheidung sprechen kann. Allein die Harnmenge steigert sich im All- gemeinen mit der gesammten Arbeitsleistung des Körpers und da diese bei den Muscheln nicht groß ist, so kann es auch nicht viele Auswurf- stoffe geben. Wird jedoch viel Wasser durch die Niere abgeschieden, so ist das die direkte Folge einer größeren Wasserresorption im Kör- per; die Niere ist ja nicht ein Organ, welches Wasser entziehend auf das Blut wirkt, sondern nur ein Regulator, um die Flüssigkeitsmenge der Körpersäfte auf dem normalen Stande zu halten. Der durch Nieren- sekretion entspringende Wasserverlust kann daher nie so groß werden, um eine direkte Aufnahme von Wasser ins Blutgefäßsystem nur als ent- ‚ fernte Möglichkeit erscheinen zu lassen und man darf nur an den mäch- tigen Strom, welcher durch den Darm unablässig streicht, denken, dann sieht man sofort ein, dass selbst bedeutendere Wasserverluste leicht in Folge einer Diffusion des Wassers durch die Darmwandung ausgeglichen 408 A, Fleischmann, werden können!. Ferner soll noch die Nothwendigkeit an das Thier der Bivalven herantreten, die Zusammensetzung seines Blutes in einem be- stimmten Zustande zu bewahren, der nicht allzu sehr verschieden sei von dem Salzgehalte des umgebenden Mediums, damit eine allzu große Exosmose des Blutes vermieden werde. Verfolgt man diese Behauptung in ihre letzten Konsequenzen, so müsste man eine Zusammensetzung des Muschelblutes als die richtige annehmen, welche sich nur durch einen verschwindenden Mehrgehalt an gelösten Stoffen von dem äußeren Wasser unterscheiden würde, und es bedarf kaum der Erwähnung, dass eine solche Mischung für die Ernährung des Thieres keinen Vortheil bieten dürfte. Da aus dem Blute der gesammte Kalk der Schale abge- lagert werden soll, muss dieses unzweifelhaft eine viel mehr koncen- trirte Lösung von anorganischen Salzen darstellen, als außen das Fluss- oder Seewasser hat und jede stärkere Verdünnung, wie sie z. B. die permanente Wasseraufnahme im Gefolge hätte, müsste eine Störung der Lebenserscheinungen und eine Verzögerung im Wachsthum der Schalen nach sich ziehen, während die Beobachtung gerade eine rasche Ver- srößerung derselben konstatirte. So fallen bei einer eingehenden Diskussion alle die scheinbaren Gründe, welche KoLLmann, SABATIER und GRIESBACH als ein Moment für die Aufnahme von Wasser durch einen oder mehrere Pori in die Schran- ken führten und es kann kein Zweifel mehr bestehen, dass wirklich die Verwässerung des Blutes in der früher allgemein angenommenen Weise nun in das Gebiet der zoologischen Fabeln zu verweisen sei. VII. Die Blutmenge der Muscheln. Die Wasseraufnahme hat bei den neuesten Bearbeitern derselben, bei Griesbach und SABATIER, die Bedeutung verloren, welche ihr die älte- ren Forscher beilegten; nämlich sie sollte die direkte Ursache des Aus- streckens und der Schwellung des Muschelfußes sein. GrizssacH äußert sich darüber wie folgt (GrıeEssaca, p. 40): »Was nun das Ausstrecken des Fußes anbelangt, so geschieht dies nicht etwa, um sich damit nun be- sonders vollzusaugen, sondern lediglich desswegen, um sich in unge- wohnten Verhältnissen über seine Umgebung zu orientiren und damit Ortsbewegungen vorzunehmen. « »Das Ausstrecken des Fußes beruht auf dem Erschlaffen der Gesammtmuskulatur und einer stärkeren An- füllung der Lakunen durch das Wasserblut.« Sasarıer (l. c. p. 5%) schließt aus der Einrichtung des wasserführenden Apparates, aus der Kleinheit seiner Mündungen und seinem Mechanismus, dass diese einer 1 ScHiMENnz, Über die Wasseraufnahme bei Lamellibranchiaten und Gastro- poden. Mittheilungen der Zoo]. Station zu Neapel. Bd. V. p. 515." Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 409 _ unmittelbaren und schnellen Einfuhr einer der Schwellung entsprechen- den Wassermasse nicht dienen können. Es bleibt nur noch Korımann, welcher sich den früheren Ansichten anschließt und diese Wirkung der Wasseraufnahme urgirt. Er sagt (KoLı- MANN, Kreislauf, p. 99): »Nur dann, wenn es sich um Ortsveränderungen handelt oder wenn die Thiere sich unter fremden Bedingungen befinden, tritt die Anschwellung ein und findet die Wasseraufnahme in größerem Maße statt.« KorLmann giebt zwar zu, dass unter ge- wöhnlichen Verhältnissen, d. h. wenn die Thiere mit leicht geöffneten Schalen im Wasser liegen, dieselben Wasser aufnehmen; allein dies ist für ihn die Vorbedingung, damit der Fuß ausgestreckt werden kann. Der Streit zwischen GRIESBACH und SABATIER, ob das Ausstrecken des Fußes allein die Bedingung und das Anzeichen einer Wasseraufnahme sind, oder ob dieselbe schon längere Zeit vor der Schwellung in äußer- lich nicht erkennbarer Weise stattgefunden habe, da die Schalen genug Raum zu einer ansehnlichen Ausdehnung des Körpers enthalten, kommt hier nicht in Betracht; denn es ist gleichgültig, ob die Aufnahme der größeren Wassermenge kürzere oder längere Zeit in Anspruch nimmt. Die Hauptsache ist hier, dass KoLımann eine Wasseraufnahme für die Schwellung des Fußes als absolut nöthig erachtet; damit geht er zurück auf die alte Anschauung, wie sie schon DELLE CHIaJE und von BAER ver- traten. | Nun haben alle Forscher, welche das Gefäßsystem unserer Süb- wassermuscheln mit Hilfe von Injektionen studirten, gefunden und auch Korımann (Kreislauf, p. 95) beschreibt es, dass der Fuß enorm an- schwoll und turgescirend die gerade Lage annahm, sobald die arteriel- len Gefäße gefüllt wurden. »Die Füllung der arteriellen Gefäße und Kapillaren allein genügt also, um die enorme Anschwellung des Fußes herbeizuführen.« »Im Fuße kann die Zunahme des Volumens durch eine stärkere Füllung der Arterien und arteriellen Kapillaren schon voll- kommen erreicht werden.« Dieselbe Beobachtung hatten schon Langer! und von Hessuıng ? gemacht und es handelte sich nur um die richtige Erklärung des Resul- tates, Die drei Forscher betrachteten das Ergebnis ihrer Versuche nicht als einen vollkommenen Ausdruck der thatsächlichen Verhältnisse, in so fern sie die Blutmenge der Muscheln als ungenügend ansahen, diese - Anfüllung der Bluträume allein zu bewirken. Desshalb glaubten sie zu 1 K. Langer, Das Gefäßsystem der Teichmuschel. Denkschr. d. k. Akademie Wien. Bd. XII. 2. Abth. p. 63. These 5. ? Ta. von Hessuing, Die Perlmuscheln und ihre Perlen. p. 240. 410 A. Fleischmann, einer Vergrößerung der Flüssigkeitsmenge immer noch eines Zuschusses zu bedürfen, der nur zum Zwecke der Schwellung des Fußes aus dem umgebenden Wasser entliehen und bei der Kontraktion desselben wie- der zurückgezahlt werde. Eine oberflächliche Schätzung der Blutmenge einer aus der Schale gelösten Muschel verführte sie, dieselbe viel zu gering anzuschlagen, als es der Wirklichkeit entsprach und genauere Bestimmungen lagen für Lamellibranchier damals nicht vor. Allein schon die Beobachtungen von Ernmann ! hätten einen Finger- zeig geben können, dass man auch hier, wie in vielen anderen Fragen, über die von uns verfolgte Wasseraufnahme Schlüsse aufbaute, ohne das Fundament derselben kritisch zu untersuchen. Ermann hatte näm- lich in zwei Versuchen das Verhältnis des Blutes einer Helix pomatia zu dem gesammten Körpergewichte inclusive der Schale auf 1/5,5 und 1/6 des ganzen Gewichtes bestimmt, eine Zahl, welche sich noch vergrößern würde, wenn man die Blutmenge zu dem Gewichte des Thieres ohne Schale in Beziehung setzte. Auch war bekannt, dass die wirbellosen Thiere im Allgemeinen verhältnismäßig mehr Blut besäßen, als die höher stehenden Wirbelthiere. Um also ein Urtheil über die wahre Be- deutung der oben erwähnten Injektionsversuche zu bekommen, wurde es für mich nöthig, die Blutmenge unserer Süßwassermuscheln in einer Reihe von Versuchen zu bestimmen. Zu diesem Behufe wurden nur Thiere genommen, welche im Ruhe- zustande mit leicht geöffneten Schalen im Wasser lagen und solche, die den Fuß ausgestreckt hatten, vollkommen von dem Versuche aus- geschlossen. Das im Schalenraume enthaltene Wasser ließ ich ablaufen; man beschleunigt dies in einfacher Weise, indem man einen Holz- keil zwischen die Schalen klemmt und die Thiere aufrecht stellt. Dabei läuft das außen an den Schalen hängende Wasser ebenfalls ab und diese werden in kurzer Zeit trocken. Hierauf durchschneidet man die beiden Schließmuskeln, klappt die Schalenhälften schnell aus ein- ander und zerstört durch Einschnitt die Mantellappen; die ablaufende Flüssigkeit wurde in einer Glasschale aufgefangen und gewogen. Dieser etwas rohe Eingriff in den Organismus der Muschel hat eine gewaltige Kontraktion des Fußes und der gesammten Muskulatur zur Folge ; da- durch wird ohne weitere Mühe das Blut fast vollkommen aus dem Kör- per herausgepresst, welcher in der Medianebene längs des Schloss- randes ganz zerrissen wurde. Es ist nothwendig, die Muscheln noch längere Zeit nach der Operation in der Glasschale stehen zu lassen, 1 ErmAann, Wahrnehmungen über das Blut einiger Mollusken. Abhandlungen der Akademie Berlin. 4846—17. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 411 damit. möglichst alles Blut ablaufe. Freilich bleiben immer noch Tropfen und kleine Flüssigkeitsmengen im Körper zurück, da der vollständige Ablauf des Blutes aus dem in verschiedenen Kontraktionszuständen ver- weilenden Lakunensystem geradezu zur technischen Unmöglichkeit zählt; allein den entstehenden Fehler kann man um so leichter vernach- lässigen, als es sich hier nur um eine beiläufige Messung der Blutmenge handelt. Ich stelle hier die Resultate mehrerer Versuche in übersichtlicher Weise zusammen. Gewicht des Gewicht Verhältnis Name der Muschel ee des Aalen ieh exclusive der Kor eehintes \ und Schale | | Körpergewicht Anodonta cellensis 103,3 g 40,08 1/2,58 Anodonta cellensis 60,0 » 26,8 » 1/2,27 Anodonta cellensis 58,43 » 24,5» 1/2,38 Anodonta cellensis 49,75 » 26,3 » 1/4,89 Anodonta cellensis 35,01 » 20,7» 1/4,69 Anodonta cellensis 32,0 » 17,4» 1/1,84 Anodonta cellensis 18,7» 40,4» 4/1,79 Unio batavus 16,8 » 8,5 » 1/1,98 Unio tumidus 16,3 » 6,3 » 1/2,58 Anodonta cellensis 5,4 » 3,0» 1/1,80 Anodonta cellensis 4,6 » 2,2» 1/2,09 Hieraus geht deutlich hervor, dass die Blutmenge der Lamelli- branchier ungefähr die Hälfte des Gewichtes beträgt, welches das ge- sammte Thier mit Ausschluss der Schalen hat. Es besitzt also die Muschel eine hinreichende Flüssigkeitsmenge, welche eine Wasseraufnahme zur Schwellung des Fußes voll- kommen überflüssig macht. Wie der künstliche Versuch, durch eine Injektion vom Herzen aus, den Fuß des Thieres mit gefärbter Leim- masse ganz erfüllt und in den Zustand der größten Schwellung versetzt, so kann die lebende Muschel durch erhöhten Zufluss ihres Körperblutes in den Fuß ganz dasselbe erreichen und der Gedanke, dass eine ab- wechselnde Aufnahme und Abgabe von Wasser für das An- und Ab- schwellen des Fußes die Ursache sei, verliert durch diese Messungen ‚jeden thatsächlichen Halt. Das Ausstrecken des Fußes ist bei den Muscheln nicht nur die Folge einer größeren Anfüllung der Lakunen durch Blut, also keine ein- fache Volumenvergrößerung, sondern hängt innig mit anderen Form- 412 A. Fleischmann, veränderungen dieses muskulösen Leibesanhanges zusammen, die wir jetzt näher betrachten wollen. Vergleicht man die Dickenverhältnisse des Fußes, wenn die Muschel denselben zwischen den Schalen zurückgezogen hält, mit den Maßen, die am ausgestreckten und geschwellten Fuße sich ergeben, so findet man einen auffallenden Unterschied der Größenverhältnisse ein- zelner Fußabschnitte. Diese vergleichende Untersuchung kann man leicht an lebenden Thieren anstellen, doch größere Anschaulichkeit und bessere Resultate werden gewonnen, wenn man kleine Muscheln sowohl im Ruhezustande, wie mit turgescentem Fuße abtödtet und auf Schnitt- serien untersucht. Eine solche Vergleichung ergiebt: Befindet sich die Muschel im Zustande der Ruhe, d.h. ist der Fuß in den Schalenraum zurück - gezogen, dann ist die Muskelhaube im Stadium der größten Kontrak- tion. Die sich nach allen Richtungen kreuzenden und überquerenden Muskeln haben die zwischen ihnen liegenden Lakunen so sehr kompri- mirt, dass dieselben schwierig als feine Kanäle zu erkennen und Blut kann natürlich nur in sehr geringer Menge in diesen Körpertheil ge- langen. Dagegen ist der darauf folgende Theil des Fußes, der eigeni- liche Eingeweidesack , weit ausgedehnt. Die quer durchziehenden Muskelplatten sind straff gespannt, während die Leibeswand nach den Seiten stark ausgebaucht erscheint. Am ausgestreckten Fuße hat sich dieses Verhältnis total verkehrt. Der Eingeweidesack hat seine Ausdehnung nach der Breite verloren und ist stark in die Länge ge- zogen und verschmälert. Die Muskelhaube hinwiederum, vom Banne befreit, hat sich zu einem blasenförmigen Gebilde aufgelöst, das vom Schalenrande weg in das Wasser hervorgetrieben wurde. Während also am eingezogenen Fuße die Muskelhaube nur wenig von Blut erfüllt und der Eingeweidesack übervoll davon ist, entleert der letztere, sobald der Fuß ausgestreckt werden soll, seinen gesamm- ten Blutvorrath in die Muskelhaube und begünstigt durch seine Ver- schmälerung den direkten Blutzufluss in den vorderen Fußabschnitt. Die Volumvergrößerung, welche wir am ausgestreckten Fuße beob- achten, erstreckt sich also nicht auf das ganze muskulöse Gebilde, son- dern nur auf einzelne Abschnitte desselben, während andere Theile des Fußes ihre Volumenausdehnung verringern ; was der Fuß außer- halb der Schalen an Umfang gewinnt, das verliert er im Schalenraume, dadurch, dass die Längsmuskeln des Eingeweidesackes sich ausdehnen und die Quermuskeln sich kontrabiren. So beruht die Schwellung des Fußes nicht allein auf der stärkeren Anfüllung der Lakunen durch Blut, sondern wesentlich auch auf Veränderungen des Volumens einzelner Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 413 Fußabschnitte und man darf daraus schließen, dass für die Turgescenz des Bewegungsorganes nicht so große Blutmassen nöthig sind, als man dies bei einer oberflächlichen Beobachtung vermuthete. Ich will damit nicht behaupten, dass die Lakunen des Eingeweidesackes all das zur Schwellung des Fußes nöthige Blut auch während der Ruhe in sich auf- speichern können. Im Gegentheil, es besteht ein großer Unterschied zwischen der Blutmenge, wenn der Fuß eingezogen ist oder wenn er sich im höchsten Zustande der Schwellung befindet und es ist klar, dass im eingezogenen Fuße, resp. in dessen Lakunen das Schwellungsblut nicht aufgespeichert sein kann. VIII. Die Blutreservoire. Wenn nun die der Schwellung dienende Hämolymphe innerhalb des Körpers bleibt, so fragt man, an welchem Orte befinden sich denn solch große Reservoire, in welche das Blut bei Kontraktion des Fußes zurückfließt und während der Ruhe aufbewahrt wird ? Ohne jeden manuellen Eingriff lässt sich diese Frage leicht beant- worten. Man eröffne sich nur einen Einblick in den Schalenraum eines lebenden Thieres und die Entdeckung ist gemacht. An großen Exem- plaren der Teichmuschel sieht man die nachher zu beschreibenden Ver- hältnisse, während die Muscheln in der gewöhnlichen seitlichen Lage sind, noch besser jedoch, indem man be- hutsam das Thier im Wasser auf den Rücken, d. h. auf die Schlossbuckel stellt. Eine vorsichtige Behandlung erregt die Muscheln selten zur Kontraktion der Schließmuskeln und Verschluss der Scha- len; tritt dies trotzdem ein, so warte man, bis nach einigen Minuten die Schalen von Neuem zu klaffen beginnen. Noch beque- mer wird die Beobachtung, sobald man einen Holzkeil zwischen die Schalen ein- schiebt und diese zum Auseinanderklaffen zwingt. Sy Dann erblickt man die beiden Mantel- E12 1 Dizchsehnibffdurch/eine & gefrorene Anodonta. _ lamellen, die am ausgelösten oder getödte- a, der Fuß; d, das Herz mit dem Darme; c, Niere; d, die Kiemen; e, die ten Thiere ebene Wandungen zeigen und Mantelreservoire. der Schalenwölbung parallel verlaufen, gegen den leeren Schalenraum bedeutend hervorgewölbt und wie ein Einschnitt in diesen Mantelbuckel beweist, ist die Hervortreibung der 414 A, Fleischmann, inneren Mantellamelle einzig und allein durch eine größere Ansamm- Jung von Flüssigkeit in den Lakunen des Mantels verursacht. Diese Beobachtung ist keine wesentlich neue, denn im Jahre 1841 hat schon Garner! bei verschiedenen Lamellibranchiern zwei Säcke des Mantels beschrieben, die manchmal ein nach seiner Auffassung »gaseous fluid« enthalten. Keger äußert sich darüber in ähnlicher Weise (l. c. p. 8): »Blickt man in die Mantelhöhle einer mit Gewalt ein wenig geöffneten Muschel hinein, so sieht man, sofern die Thiere noch frisch und lebenskräftig sind, alle dem Auge wahrnehmbaren Organe turgescirend. Insbe- sondere findet man oft den häutigen Theil des Manitels anscheinend blasig ausgedehnt und selbst wulstig her- vortretend.« Eben so erkannte von Hzssuine (l. c. p. 24% und 246) das Schwellgewebe des Mantels, welches »bei voilständiger Füllung seine starke Turgescenz hervorruft« und Desnayzs? fand an der lebenden Lucina jamaicensis den Mantel mehrere Millimeter dick. Als ich eben diese Beobachtungen vollendet hatte, erschien eine Mittheilung von LAnkester®, welcher ebenfalls die Ansammlung von Blut im Mantel bemerkt hatte. Es ist Jedem zu empfehlen, der den großen Blutsinus im Mantel auffinden will, zunächst recht große Thiere zu nehmen; denn an den- selben springt die Anschwellung sofort in die Augen. Ist man dann geübt, so findet man auch bei kleineren Thieren, z. B. den Unio-Arten, den Sinus ohne Mühe. Um jedoch die Anwesenheit der Blutreservoire in beiden Mantellappen un- zweifelhaft zu demonstriren, lege man die Mu- scheln in eine Kältemischung und mache durch die festgefrorenen Thiere Querschnitte mit der Fig. 2. Durchschnitt durch h. 5 5 5 : 2 cine veltorene Anodonta am age. „Da. die ‚Thiere auf die, ‚Emwirkuns\.des hinteren Schließmuskel. Kälte gewöhnlich ihren Fuß so stark als möglich a, Schließmuskel; b, Niere; . . 0, Darın; d,Kiemen; e, a. Fusammenziehen und so das Blut in den Mantel Mantelreservoire. treiben, unterstützen sie die Beobachtung in an- genehmer Weise und schon nach Betrachtung eines einzigen Querschnittes kann man nimmer im Zweifel sein, dass 1 R. GARNER, On the Anatomy of the Lamellibranchiate Conchifera. Transactions of the zoological Society of London. 4844. Vol. Il, p. 89 ff. 2 DesHAyEs , Etudes sur les Lucines, Extrait du Numero d’Octobre 4864 du Journal de CGonchyliologie p. 12. | 3 RAY LANKESTER, The supposed taking-in and shedding-out of water in relation to the vascular system of Molluscs. Zool. Anzeiger 1884. Nr. 170. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 415 der Mantel wirklich ein sehr bedeutendes Blutreservoir darstellt. Den Umfang und die Ausbreitung des Blutbehälters erforscht man auf Serien dünner Querschnitte durch große gefrorene Anschein, oder durch Ablösung einer Schalenhälfte von dem unterliegenden gefrorenen Mantelblatt. Da- durch erhält man eine Ansicht der Auftrei- bung des Mantels von der Oberfläche her und am schnellsten eine Vorstellung der bedeuten- den Größe des Blutreservoirs. Der vordere Theil des Mantels zwischen Er | dem vorderen Schließmuskel und der Leber EN Re an und der rothbraune Manteltheil ist dünn und a, Fuß; d, dessen Rückzieh- wenig von Flüssigkeit erfüllt, dahinter be- N a ee ginnt der dicke von Blut geschwellte Ab- schnitt, dessen Kaliber sich mehr und mehr steigert, je näher er dem hinteren Schalenschließer kommt. Die bedeutendste Turgescenz liegt unterhalb der knäuelförmigen Windungen der Niere und unter dem hinteren Schließmus- kel, da dort, wo nur die Kiemen in die Mantelhöhle herab- hängen, gerade am meisten Platz gebo- ten ist, damit der Mantel sich herein- wölbe. Die Grenze des Blutreservoirs ge- gen den vorderen a . Fig. 4. Innere Seite der rechten Schalenhälfte von Anodonta cel- dünnen Theil des lensis. Die schraffirten Flächen sind die Ansatzstellen der beiden Mantels verläuft, wie Schließmuskel. Die gestrichelte Linie bezeichnet die Ausdehnung die genau nach der des Blutreseryoirs, die kleinere Kurve dessen größte Ausbauchung. Natur gezeichnete Figur 4 zeigt, in einer gebogenen Linie, welche vom hinteren Drittel des Mantelrandes aufsteigt ungefähr gegen die Mitte der Umbonen; ihre Konvexität ist nach vorn gerichtet. | Messungen betrefis der Dicke des Blutsinus im Mantel ergaben, dass derselbe schon bei kleinen Thieren einen Durchmesser von 2,5 bis 3 mm hat, bei großen Teichmuscheln steigert er sich bis zu 5 mm. Um eine direkte Anschauung zu bekommen, welche Blutmenge der ' Mantelsinus fassen könne, stellte ich wieder Wägungen an. Nachdem das im Schalenraume befindliche Wasser abgelaufen war und die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 38 416 A. Fleischmann, Muschel durch einen zwischen die Schalen geklemmten Keil genügend klaffte, wurden die beiden Mantellappen hinten in der Gegend ihrer größten Turgescenz angeschnitten und das ablaufende Blut in einer Glasschale aufgefangen und gewogen. Danach wurde noch das übrige im Körper enthaltene Blut abgezapft und gleichfalls gewogen. So konnte man das Verhältnis der im Mantelreservoir aufgespeicherten Blutmenge zum gesammten Körperblut genügend scharf bestimmen. Ich gebe die Resultate derartiger Wägungen in übersichtlicher Weise zusammengestellt in einer Tabelle. | Gesammte Blut in den | Blut im | Biutmenge |Mantelreservoirs| Eingeweidesack Anodonta cellensis 39,9 8 20,6 g 19,3 8 Anodonta cellensis 30,3 » 16,4 » 13,9 » Anodonta cellensis 27.97 Aa 13,6 » Anodonta cellensis 20,7 » I 40,4» 10,3 » Anodonta cellensis A7,h » 3.92 8,5 » Unio pictorum 10,3 » 5,1 » 5,2 » Anodonta cellensis 44,3 » 5,2 » 6,1 » Anodonta cellensis 10,4 » 4,2» 6,2 » Unio batavus 8,5 » 4,4» 4A» Unio tumidus 6,3 » 3,5 » 2,8 » Anodonta cellensis 3,9 » 1,8» 2,1» Die beiden Mantellappen enthalten also ungefähr die Hälfte des gesammten Körperblutes aufgestapelt, so lange die Muschel ruhig in den Schalen verweilt und es leuchtet nun ohne weitere Auseinandersetzung ein, dass die Entleerung dieser Reservoire und der erhöhte Zufluss des Blutes in den Fuß ausreicht, um denselben mit Flüssigkeit zu erfüllen und in den höchsten Zustand der Erektion zu versetzen. Eine Untersuchung des Mantels am lebenden Thiere, welches seinen Fuß eben ausgestreckt hat, zeigt natürlich das Reservoir mehr oder weniger entleert; reizt man dann das Thier zur Kontraktion, so kann man direkt die Aufblähung der Mantelblätter durch das zurück- fließende Blut beobachten. Diese Thatsachen dürften den Versuchen, welche die Anhänger der Wasseraufnahme als letzte Hilfsmittel beibringen, ihre Beweiskraft voll- kommen rauben: Zunächst ist es das Experiment von Acassiz!, auf welches 1 L. Acassız, Über das Wassergefäßsystem der Mollusken. Diese Zeitschr. Bd, VII. p. 476. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 417 Korımann und GriEsBacH ihre Theorie zu stützen vermeinen. Eine Wiederholung desselben ergab die gleichen Resultate, die Acassız er- halten und bewies, dass man das Resultat von Acassız nicht als grobe Täuschung von vorn herein erklären dürfe, wie das ÜARRIERE gethan hatte: Anodonten in einem graduirten Glascylinder bewirkten, als sie ihren Fuß ausstreckten, keine Änderung des Wasserniveau im Glase. Der Erklärung jedoch, wie sie Asassız aus den beobachteten Thatsachen schloss, können wir um so weniger beistimmen, nachdem die im Mantel befindlichen großen Blutsinusse bekannt sind. Schon die Wassermenge, welche aus dem Schalenraume abläuft, sobald man Muscheln aus dem Wasser nimmt, hätte auf eine andere Deutung der von Asassız gefundenen Verhältnisse hinleiten sollen. Diese ist nämlich nicht gleich groß bei den verschiedenen Kontraktionszu- ständen des Fußes und ihr Volumen steigert sich beträchtlich, wenn man eine Muschel mit geschwelltem Fuße aus dem Wasser hebt und die dann ablaufende Flüssigkeit misst, im Verhältnisse zu der Wasser- menge, welche aus dem Schalenraume einer ruhenden Muschel abtropft. Dies weist darauf hin, dass Schwankungen in der Größe des Schalen- raumes bei den Bewegungen der lebenden Muscheln vorkommen. Sobald der Fuß sich zu verlängern beginnt, strömt, wie die direkte Beobachtung zeigt, das im Mantel aufgespeicherte Blut aus seinem Be- hälter in den Fuß und naturgemäß nimmt die mächtige Auftreibung der Mantellamellen in den Schalenraum hinein ab. Dadurch wird das. Volumen des hinteren Abschnittes vom Schalenraume vergrößert und nimmt man hinzu, dass mit der Ausdehnung des Fußes zugleich der Eingeweidesack sich stark verschmälert und in die Länge zieht, so be- kommt man eine Anschauung, wie die Volumvergrößerung des Fußes außerhalb der Schalen begleitet ist von einer Volumenabnahme der im Schalenraume befindlichen Weichtheile und in Folge dessen von einer Vergrößerung des Schalenraumes selbst. Da die im Körper enthaltene Blutflüssigkeit nach meinen Bestimmungen vollkommen zur Schwellung einzelner Körpertheile ausreicht, so bedeutet die Ansammlung des Blutes z. B. im Fuße keine absolute Änderung des Gesammtvolumens vom Thiere, sondern sie ist nur eine relative, eine Verlagerung des Blutes. Diese Translokation der Hämolymphe in den aus der Schale herausge- streckten Fuß hat natürlich eine Vergrößerung des Schalenraumes im Gefolge. Zudem lässt während der Fußschwellung die Kontraktion ‘ der Schließmuskeln nach, die beiden Schalen entfernen sich weiter von einander und tragen wesentlich zur Ausdehnung des Schalen- , raumes bei. Es ist nun selbstverständlich, dass, während der Fuß angeschwellt 28* 418 A, Fleischmann, und der Schalenraum beträchtlich vergrößert ist, das außen vom Fuße verdrängte Wasser in den Schalenraum fließen muss und da eine wechselseitige direkte Beziehung zwischen der Größe der Fußanschwel- lung und der Entleerung des Mantelreservoirs besteht, bleibt sich die vom schwellenden Fuße verdrängte Wassermenge gleich mit dem im Schalenraume durch Dislokation des Blutes und Verschmälerung der Weichtheile entstandenen Zuwachs an Volumen. Aus diesen Erörterungen folgt als unabweisbarer Schluss und ist zugleich als Beweis für ihre Richtigkeit aufzufassen, dass beim Aus- ‚strecken des Fußes eine Veränderung des Niveau der im Cylinder stehenden Wassersäule geradezu unmöglich ist. Bei der Vergrößerung des Fußes dringt das nach der Ansicht von Asassız gleichsam ver- schwundene Wasser nicht durch Poren in den Fuß ein, sondern erfüllt in einfacherer Weise den verbreiterten Schalenraum. So fällt auch die letzte Hypothese Korınann’s. Beim Aus- strecken des Fußes findet nicht eine Vergrößerung des Gesammtvolumens der Muscheln statt, sondern es geht nur eine Veränderung der Form vor sich!. Bedeutende Schwierigkeiten für die Erklärung bot ferner das von CARRIERE (l.c. p. 455) der Vergessenheit eent- rissene Experiment, so lange man die Wasseraufnahme für mög- lich hielt. Legt man Muscheln, aus deren Schalenraume das Wasser abge- laufen ist, auf feuchtes Fließpapier und umgiebt sie mit feuchter Luft, indem man eine Glasglocke darüber stellt, so vermögen die Thiere ihren Fuß weit auszustrecken und in Schwellung zu versetzen. Die Thiere thun dasselbe, wenn sie auch nicht mit der Glasglocke bedeckt sind, und ich habe gleich Carrızre bedeutende Ortsveränderungen beob- achtet. Mehrere Muscheln krochen sogar nicht einmal, sondern zwei- und dreimal in einer trockenen Porzellanschale umher. Dieser Versuch ist nach Griessacn’s (p. 43) Meinung absolut kein Beweis gegen die Wasseraufnahme und seine Deutung ist folgende: »Der Grund des Vorstreckens, welches durch die Erschlaffung der Musku- latur erfolgt, ist ein Unbehagen des Thieres, es möchte sich gern aus dieser Situation, die ihm über kurz oder lang zum Nachtheil gereicht, befreien und, wenn möglich, das heimische Element zu ge- winnen suchen.« | Solche Erklärungen geben für das Verständnis dieser Erscheinung keinen neuen Beitrag und ich will von einer Kritik derselben abstehen. 1 Diese richtige Deutung des Experimentes von Acassız hat schon CARRIERE (]. C. p. 440) mit kurzen Worten angegeben. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 419 Für uns natürlich bedarf dieses Experiment keiner Erklärung, da dasselbe eben selbst für sich spricht; es ist der einfachste und zu- gleichschlagendste Beweis für dieAnwesenheit der Blut- reservoire im Mantel und ich halte es für überflüssig noch des Näheren darauf einzugehen. Dass durch diese Versuche die Vertheidiger einer Wasseraufnahme behufs der Ortsveränderung der Lamellibranchier vollkommen aus dem Sattel gehoben werden, leuchtet von selbst ein. IX, Die Bluteirkulation während der Bewegung. Es erübrigt jetzt noch die Art und Weise zu erörtern, wie das Blut aus dem Mantelsinus in den Fuß geschafft und umgekehrt bei einer Kontraktion desselben aus den Lakunen des Fußes zurück in das Mantel- reservoir fließe. Wir sind dabei gezwungen auf ganz alte Beobachtun- gen zurückzugreifen, welche in den neuesten Arbeiten nicht mehr beachtet waren. Es ist eine theoretisch unabweisliche und desshalb von vielen For- schern betonte Nothwendigkeit, dass die starke Ansammlung von Blut- flüssigkeit im Fuße während dessen Turgescenz nur unter der Bedingung stattfinden könne, wenn irgend wo in den Blutbahnen eine mechanische Vorrichtung vorhanden wäre, welche die Bewegung des Blutes aus dem Eingeweidesack in andere Körpertheile aufhebe. Bei dem bedeutenden hydrostatischen Drucke, wie er im angeschwellten Fuße herrscht, darf man wohl eine sehr starke Klappeneinrichtung vermuthen, welche die Aufstauung des Blutes in den Lakunen des Lokomotionsorganes be- günstigt. Nun hat schon Keszr (l. c. p. 50) an der Stelle, wo die große Fuß- vene aus dem Eingeweidesacke in den großen Venenbehälter der Niere übertritt, einen kleinen Muskel nachgewiesen, welcher wie ein Vorhang die Verbindung beider Gefäße durch seine Kontraktion aufheben kann. Dieser Muskel ist durch Präparation leicht nachzuweisen und LAnGEr ‚hat denselben wenige Jahre später beschrieben und genauer abgebildet. Allein er verschweigt nicht die Bedenken, welche die Behauptung Keser’s ‚ ihm erregte, dass nämlich durch die Kontraktion dieser »Venen- | schleuse« dem im Fuße sich ansammelnden Blute die Rückkehr durch " Niere und Kiemen zum Herzen verwehrt werde. Denn die Zartheit und geringe Dicke sowohl des Muskel als der Membran, welche durch ihn | vor die Venenmündung gespannt wird, lässt die Resistenz derselben , gegen den Blutdruck im Fuße wenig wahrscheinlich erscheinen. Um so ‘ wichtiger ist die Beobachtung Langer’s (1. c. p. 38), dass bei der leben- 420- A, Fleischmann, den Muschel, auch wenn der Muskelfaden durchschnitten ist, auf Reiz die Öffnung der Fußvene sich verengt. Dies gab den Fingerzeig für die weitere Untersuchung und als ich an einer Querschnittserie durch eine ganze Anodonta diese Stelle näher 2 ins Auge fasste, erkannte ich [neo deutlich, dass an der Kom- : munikation zwischen Nieren- und Fußvene ein starker ringförmiger Muskel liegt, welcher durch seine Kontrak- tion dem Blute den Weg in die Niere abschneidet und stark genug erscheint, um auch größerem Drucke Widerstand zu leisten. . Ich bezeichne diesen Sphinkter fernerhin als Man. »Keger’sche Venenklap- d, Nierenspritze; b, Sphinkter der Keser'schen pe«, um dem Scharfblicke des Klappe; c, Nierenhöhle; d, untere Perikardialwand. Mannes, welcher schon vor langer Zeit einen richtigen Einblick in den Muschelleib sich verschafft hatte, ein ehrendes Denkmal zu setzen. Kontrahirt sich die Venenklappe, dann kann das Blut aus dem Fuße nicht mehr in die Niere zurückfließen, während vem Herzen durch die vordere Aorta stets neues Blut in den Fuß eingepresst wird. Die Blut- flüssigkeit staut sich in den Fußlakunen und treibt im Zusammenhange mit einer gleichzeitigen Erschlaffung der Längsmuskeln und Kontraktion der Quermuskulatur den Fuß aus dem Schalenraume hervor. Die Venenklappe ist also die wichtigste anatomische Vorrichtung im Körper der Muscheln, welche das An- und Abschwellen des Fußes bedingt. Aber nachdem die Venenklappe abgeschlossen wurde, fließt ja kein Blut mehr aus dem Fuße in die Nierenvene zurück, der Kiemenkreis- lauf wird nothwendigerweise aufhören und wenn der Verschluss der Klappe lange dauerte, so würde das Herz schließlich keine neue Blut- zufuhr erhalten und wegen des aufhörenden Gegendruckes das Blut aus ON > SI IIINT ZZ —; = = LIE, RER me EEE N 1 Nimmt man Thiere mit ausgestrecktem Fuße (es sind dazu Unionen eher zu empfehlen als Anodonten) aus dem Wasser und klemmt die Schalen zusammen, | ehe noch der Fuß Zeit hatte, gänzlich im Schalenspalte zu verschwinden, dann kann man durch abwechselndes Nachlassen und wiederum durch Steigerung des Druckes | auf die Schalen den Fuß weiter aus der Schale hervortreiben. Dieser Versuch be- | weist schlagend, dass das Ausstrecken des Muschelfußes wirklich durch eine Ver- | schmälerung des Gebildes und das Vorpressen des Blutes gegen die Schneide hervor- | gerufen wird. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 431 dem Fuße vielleicht sogar durch die Aorta zurücksteigen. Gegen diese das Leben der Muscheln gefährdende Möglichkeit hilft jedoch das im Mantelsinus angesammelte Blut und der dort entstehende Kreislauf. Sobald das Thier seinen Fuß ausstrecken will und desshalb die Venenklappe absperrt, beginnt das Herz mit größerer Volumenausdeh- nung zu pulsiren, um das Blut schnell in den Fuß zu schaffen und da der Blutstrom aus Niere und Kiemen spärlicher wird, setzt sich die Saugwirkung des Herzens stärker in die Gefäße des Mantels fort und führt die in den Mantelreservoirs aufgespeicherte Blutmasse aktiv in die Cirkulation ein. Es sind seit Langem die Wege bekannt, auf welchen das geschehen kann. Einmal mündet die hintere Mantelvene vor dem Schliehmuskel beiderseits in die knäuelförmigen Windungen des Bosanus’schen Organes und führt hier Blut für den Kiemenkreislauf ein. Anderntheils hat Langer nachgewiesen, dass die Venen des cen- tralen Manteltheiles direkt in die Vorhöfe des Herzens selbst einmün- den. Da nun, wie wir schon oben bemerkten, das Blutreservoir des Mantels gerade in diesen Gegenden seine Ausbreitung hat, so kann durch die Herzthätigkeit immer neues Blut aus dem Mantelsinus eingesaugt und in den Fuß gepresst werden. Auch ist die innere Lamelle des Mantelblattes längs der Linie, wo sie mit der äußeren Lamelle des äußeren Kiemenblattes verwachsen ist, von zahlreichen Lücken durchbrochen, durch welche das Mantelblut direkt in die Kiemenvene und so in den Vorhof gelangen kann. Trotzdem die Venenklappe jetzt verschlossen ist, findet doch eine Cirkulation auch in den Nieren- und Kiemengefäßen statt, indem das Blut aus den hinteren Mantelvenen in die Gefäße des gewundenen Nieren- abschnittes fällt. Die Herzthätigkeit kann daher unter keinen Umständen einen Still- stand erleiden, selbst wenn die Turgescenz des Fußes in infinitum wäh- ren sollte. Nachdem durch den Verschluss der Venenklappe die Blutcirkulation durch den Fuß gewissermaßen ausgeschaltet wurde, tritt ein anderer Kreislauf in Thätigkeit. Das Herz schickt durch die hintere Aorta Blut in die beiden hinteren Mantelarterien und an den hinteren Schließmuskel, in den dort gelegenen Mantellakunen sammelt sich das Blut an und wird ‚dann entweder auf dem Umwege durch die äußere Kiemenvene oder direkt in den Vorhof zurückgeleitet. Eben so gelangt ein Theil des in die vordere Aorta gepressten Blutes am vorderen Schließmuskel in die beiden Mantelarterien, welche sich in die Kranzgefäße des Mantelrandes 422... A. Fleischmann, fortsetzen und aus diesen direkt in den Vorhof zurück. Es bilden sich also zwei Kreise des Blutstromes, die vom Herzen in entgegengesetzier Richtung ausgehend am vorderen bezw. hinteren Schließmuskel um- biegen, um in das Herz zurückzukehren. Durch Injektion überzeugt man sich leicht, dass der Blutstrom aus dem Mantelreservoir wirklich in der eben beschriebenen Weise zum Herzen verläuft, wenn man an der lebenden Muschel, deren Schalen künstlich klaffend gemacht wurden, durch Einstich durch die innere gegen den Schalenraum vorgewölbte Lamelle in das Mantelreservoir selbst gefärbte Flüssigkeit, z. B. Karminwasser, einspritzt. Es ist übrigens zu bemerken, dass das Blut im Fuße nie sehr lange Zeit aufgestaut bleibt. In kürzeren oder längeren Zwischenräumen wird die Venenklappe geöffnet, die Muschel zieht ihren Fuß einigermaßen zusammen und treibt dadurch einen Theil des Blutes wieder in die _ Nierenvene zurück. Hierauf strömt durch eine stärkere Pulsation des Herzens das Blut in den Fuß ein und bewirkt seine Verlängerung. Große Anodonten lassen freilich den Fuß oft lange Zeit geschwellt, ohne dass eine Bewegung an ihm sichtbar würde, aber dann wird sich der noth- wendige Gasaustausch leicht durch das Epithel hindurch vollziehen, da die Blutlakunen auf große Strecken hin direkt unter diesem verlaufen. Wenn es sich um größere Ortsbewegungen handelt, so erkennt man leicht, wie jedes Mal, nachdem die Muschel um eine Fußlänge vorge- rückt ist, der Fuß sich zum größten Theil in den Schalenraum zurück- zieht und eine Abschwellung des Bewegungsorganes erfolgt. Erst all- mählich verlängert sich derselbe wieder und wird durch erneute Blut- zufuhr auf die frühere Turgescenz zurückgeführt. Zur Beobachtung dieser Verhältnisse sind vorzüglich die durchsichtigen Embryonen aus der Brutiasche von CGyclas zu empfehlen und die langsamen wurmför- migen Bewegungen des sich eben ausstreckenden Fußes werden Jeder- mann überzeugen, dass diese nur Folge eines Einpressens von Blut in das Lokomotionsorgan sind, aber nie und nimmermehr von einer Wasser- aufnahme durch Pori bedingen seien. Zieht nun die Muschel ihren Fuß vollständig in die Schale zurück, um ihn danach nicht mehr zu schwellen, so läuft das aufgestaute Blut durch die nunmehr weitgeöfinete Venenklappe in den Centralvenen- stamm des Körpers und von da in die Nierengefäße ab. Dieser Theil des Blutes fällt, nachdem die Niere passirt ist, in längst bekannter Weise in die Kiemenarterien, vollendet den Athmungskreislauf und gelangt ins Herz. Die größere Masse jedoch verläuft, da bei der schnellen Ent- leerung des Fußes die Nierengefäße bald erfüllt sind, durch den ganzen Venensinus, tritt durch die Spalte zwischen den beiden Rückziehmuskeln m. BREBER Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 423 des Fußes und fällt in einen großen Blutsinus, der an der vorderen und unteren Seite des hinteren Schließmuskels gelegen ist und weil er das hintere Kiemenganglion umfasst, als Blutsinus des hinteren Gan- glions bezeichnet werden soll. Dieser Blutsinus hat seitliche Öffnungen, welche direkt in die großen Blutreservoire des Maniels führen; er ver- mittelt also die direkte Verbindung des Venensinus der Niere mit dem Mantelblutraum und bietet dem rückströmenden Blut einen geraden Weg in das Reservoir. Langer (l. c. p. 35) hat schon diese Verlängerung der Nierenvene bis zum hinteren Schließmuskel gesehen, jedoch ihre Bedeutung nicht erkannt. Man kann sich aber durch den Versuch leicht überzeugen, dass der Weg des Blutes, welches aus dem sich kontrahirenden Fuße hinausgetrieben wird, wirklich in der angegebenen Weise verläuft. Nur ist es Bedingung zum Gelingen des Experimentes, dass man dem lebenden Thiere keine Verletzung zufüge, am wenigsten darf man das- selbe aus der Schale lösen, da hierbei trotz der größten Vorsicht ge- wöhnlich Zerreißungen der äußeren Mantellamelle, welche an der unteren Kante des Schließmuskels ansetzt, nicht vermieden werden können. Man lässt also das Thier ruhig in der Schale und bringt durch den eingeklemmten Holzkeil dieselben künstlich zum Klaffen. Der Fuß ist nun vollkommen entleert und die Hälfte des Körperblutes steht im Mantelbehälter. Um daher der Injektionsmasse den Weg zu öffnen, muss man die Mantelreservoire vorher durch Einschnitt entleeren; dann sticht man mit der Injektionsspritze in den Fuß ein. Je nachdem das Thier gelaunt ist, verschließt es entweder die Venenklappe und der Experi- mentator füllt zunächst nur den Fuß mit der Injektionsmasse! bis zur größten Turgescenz, oder die Klappe ist geöffnet und die Injektion geht durch die Nierenvene in den Gangliensinus und den Mantel. Auch im ersten Falle erzielt man das gleiche Resultat, indem man nach der Injek- tion durch Reiz den geschwellten Fuß zur Kontraktion und das Thier zur Erweiterung der Venenklappe zwingt. Während der Ruhe bleibt die Blutmasse im Mantel aufgespeichert und es lag der Gedanke nahe, an der Verbindungsstelle zwischen Gan- gliensinus und Mantelreservoir ebenfalls nach einer Verschlussvorrich- tung zu suchen, wie sie an der Nierenvene gefunden ward. Sowohl makroskopische Präparationen dieser Stelle als Querschnittserien er- gaben nur negatives Resultat. Wie Injektionsversuche in den gefüllten Manielsinus re eon. schlägt das Blut nie den umgekehrten Weg aus dem Mantel in den Gan- 1 Ich hatte zu den Versuchen am lebenden Thiere nur Wasser verwandt, in welchem unlösliche Farbstoffe in feinster Vertheilung suspendirt waren. 424. A, Fleischmann, gliensinus ein, sondern geht nur durch die Kiemenvene oder direkt durch den Vorhof in die Cirkulation zurück. Bei den mit Siphonen versehenen Muscheln, von welchen ich nur Cyclas eingehender studiren konnte, sind die Verhältnisse etwas andere. Die Verbindung zwischen dem Gangliensinus und dem Mantel ist deut- lich zu erkennen und weit geöffnet, sobald die Siphonen im Schalen- raume eingezogen sind. Der Verbindungskanal liegt vor dem hinteren Schließmuskel, dessen vordere Fläche die hintere Wand desselben be- grenzt; aber die vordere Wandung der die beiden Bluträume verbinden- den Öffnung wird durch einen Muskel gebildet, der sich an der Schale dicht vor dem hinteren Schließmuskel inserirt und dann in die Wandung des Sipho übergeht. Seine Fasern sind Längsfasern und er ist der eigent- liche Retractor siphonis. Von dem Kontraktionszustande dieses Muskels hängt der Verschluss oder das Offenstehen des Verbindungskanales ab. Ist der Muskel ausgedehnt, d. h. sind die Siphonen aus der Schale her- ausgestreckt, so ist die Verbindung zwischen Gangliensinus und Mantel- reservoir vollkommen aufgehoben, da diese geradezu zusammenge- quetscht wird. Eine besondere Bedeutung für die Bluteirkulation hat das nicht, dieser Verschluss dient eben dazu den Rücktritt des Blutes aus dem geschwellten Sipho in den Gangliensinus zu verhindern. Die Siphonen werden, wie die Beobachtung lehrt, jedes Mal früher eingezogen, als der Fuß, und die Öffnung des Gangliensinus in den Manielblutraum steht dann längst offen, bis das Blut aus dem Fuße in den Gangliensinus gelangt. Noch bleibt hervorzuheben, welche Bedeutung die Thatsache be- sitze, dass gerade an dem hinteren Ganglion der große Blutsinus liegt, welchen das rückströmende Blut passiren muss, um in den Mantel zu gelangen. Von dem Kiemenganglion gehen nämlich zwei Nervenfäden nach vorn ab, die als Nervi cardiaci bis zum Herzen zu verfolgen sind. Sie wirken lediglich beschleunigend auf die Herzthätigkeit und ihre Durchschneidung verringert die Zahl der Herzpulsationen!. Wenn nun das Blut aus dem Fuße durch den Gangliensinus in den Mantel fließt, so wird jedenfalls die Thätigkeit dieser Nerven ausgelöst und wie die direkte Beobachtung zeigt, schlägt dann das Herz viel schneller, wäh- rend dessen Pulsationen sieh verlangsamen, sobald die Venenklappe wieder verschlossen ist und kein Blutstrom in den Gangliensinus ge- langt. Das Ösophageal- und Fußganglion hat auf die Herzthätigkeit keinen Einfluss. 1 E. Yune, De l'innervation du coeur et de l’action des poisons chez les Mollus- ques Lamellibranches. Arch. zool. exper. 1881. Tom IX. p. 421. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 425 Das sorgfältige Studium der Organisation des Muschelleibes zeigt also, welch einfacher Natur die Vorrichtungen sind, welche die merk- würdige Fähigkeit des An- und Abschwellens einzelner Körpertheile den Lamellibranchiern verleihen. Zuvörderst spricht der kolossale Blut- reichthum jener Thiere gegen die Annahme, es solle von außen her Wasser behufs der Schwellung aufgenommen werden und die Beob- achtung, dass eine Höhlung des Körpers sich vom Blute entleert, wäh- rend die andere, z.B. der Fuß, sich prall damit anfüllt, lehrt unzweifel- haft: die Veränderung einzelner Theile des Muschel- körpers ist nicht die Folge einer Volumenänderung des ganzen Thieres, sondern folgt aus der Dislokation des Körperblutes, wodurch nach dem Willen der Muschel bald diese, bald jene Bezirke der Blutlakunen stärker erfüllt und die betreffenden Körpertheile in den Zustand der Erektion versetzt werden. Die reich ‚entwickelte Muskulatur, die sich in Muskelpartien von der verschieden- sten Verlaufsrichtung gliedert, die im Blutgefäßsystem angebrachten Klappen sind die mechanischen Ursachen dieser Erscheinung. Die Wasseraufnahme hat nach diesen Darlegungen alle Berechti- gung verloren, als dass man sie für einen wichtigen Lebensvorgang des Muschelorganismus bezeichnen dürfte. Sie ist ganz überflüssig gewor- den und wird hoffentlich bald aus der Diskussion verschwinden. X. Wasseraufnahme durch das Bojanus’sche Organ. Ältere Untersuchungen hatten früher zu der Behauptung Anlass gegeben, es möge auch das Bosanus’sche Organ die Wasseraufnahme in das Blut vermitteln!. Allein je weiter die Erforschung dieses Organes vorschritt und je genauer dessen Struktur bekannt wurde, um so weniger ergaben sich sichere Anhaltspunkte für eine solche Funktion ; die neueren Arbeiten sprechen einstimmig dagegen. Trotzdem ist es nicht möglich, schon jetzt eine allgemein plausible Darstellung der Be- deutung dieses Organes für den Muschelorganismus zu geben und man ist darauf angewiesen sich in Hypothesen zu versuchen. Ich will mich jedoch nicht auf solche einlassen, sondern nur einige Punkte hervor- heben, welche mir gegen eine Wasseraufnahme zu sprechen scheinen. Wenn Wasser in das Bosanus’sche Organ eindringen und durch den Wimpertrichter in den Herzbeutel gelangen soll, so muss jedenfalls irgend eine mechanische Einrichtung zu finden sein, welche gleich einer " Saugpumpe wirken könnte. Eine solche wurde bis jetzt nicht gesehen, auch fehlen in der Wandung des Bosanus’schen Organes Muskelfasern, 1 Vgl. ScHimenz, l. c. p. 523. 426 _ A. Fleischmann, welche den Hohlraum des Schlauches selbständig verengern oder er- weitern könnten, um durch peristaltische Bewegungen Wasser einzu- führen. ; Eine Saugkraft, um das Wasser bis ins Perikard zu treiben, müsste sehr groß sein, da die stark erweiterungsfähigen! Wandungen des Bosanus’schen Organes sich durch den Wassereintritt stark ausdehnen und durch gegenseitigen Druck auf die verzweigten Hohlräume die Fort- bewegung des Wassers ungemein schwierig gestalten würden. Das ein- fache Öffnen der Schale, wie Langer vermuthet, ist dafür unter keinen Umständen genügend. Das Vorkommen von Parasiten im Herzbeutel und rothbraunen Mantelorgan wurde ebenfalls als Beweis für die Wasseraufnahme ge- deutet. Die von Langer im rothbraunen Organe gefundenen Eier von Hydrochares sind aber unzweifelhaft aus den Gefäßen des Mantels dort- hin gekommen; denn sowohl Querschnitte durch die Mantellamellen, wie die Untersuchung des ganzen Mantellappens unter dem Mikroskope bezeugen, dass die Eier wirklich von der Mantelhöhle aus in den Mantel eingebettet werden und zwar findet man eine so große Anzahl von Eiern, dass es durchaus nicht unmöglich erscheint, wenn einige durch den Blutstrom an andere Theile des Körpers geführt werden. Die Anwesenheit des Aspidogaster im Herzbeutel braucht man nicht nothwendig so zu erklären, dass derselbe vom Wasserstrome durch die Niere ins Perikard getragen worden sei; er kann auch mit Hilfe seiner Saugnäpfe durch die Niere gewandert sein. Ferner kommt der Aspidogaster nicht allein in der Niere und im Herzbeutel, sondern häufig auch in der Leber und noch tiefer im Parenchyme der Muscheln vor2, so dass er auch auf anderem Wege als durch die Niere in den Herzbeutel gekommen sein kann. Die Frage, ob Wasser durch die Niere aufgenommen werde, wird nur dann ihrer endgültigen Lösung entgegengeführt, wenn man über die Bedeutung des Nierentrichters klar ward. Dieser ist uns bis jetzt nur nach seinem anatomischen Bau bekannt, während über seine Funk- tion bislang nur Hypothesen aufgestellt wurden. Die Annahme Carrıire's, dass das Herz schlechtes Blut ins Perikard ausschwitze, welches durch den Nierentrichter entfernt werde, ist nicht recht plausibel, da das Blut doch vorher durch die Niere strömte. Nur 1 GRIESBACH, Über den Bau des Bosanus’schen Organes der Teichmuschel. Arch. für Naturgesch. 1877. p. 76. Anm. 2 H. Ausert, Über das Wassergefäßsystem, die Geschlechtsverhältnisse , die Eibildung und Entwicklung des Aspidogaster conchicola. Diese Zeitschr. Bd. VI. p. 350—351. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 427 eine einzige Beobachtung liegt vor, woraus man auf einen Flüssigkeits- strom aus der Niere durch den Trichter in das Perikard schließen dürfte; Senper ! sah bei Pinna aufgelöste Konkretionen aus der Niere ins Peri- kard kommen. Allein bis jetzt wurden diese Thatsachen noch nicht näher untersucht, so dass ein Urtheil über diesen Process nicht mög- lich ist. Aber jedenfalls sind die hier zusammengestellten Beobachtungen nicht genügend, um die Wahrscheinlichkeit aufrecht zu erhalten, dass wirklich durch die Niere Wasser dem Blute beigemengt würde. Man spricht auch von einem Wasserauswurf aus der Niere, welcher eintritt, wenn das Thier rasch seinen Fuß zwischen den Schalen birgt und betrachtete ihn als die direkte Abgabe des Wassers, welches die Muschel bei der Schwellung des Fußes aufgenommen habe. Allein so weit ich die Litteratur durchforschte, als auch selbst das lebende Thier untersuchte, niemals gewann ich einen Anhaltspunkt, der sicher be- wiesen hätte, dass aus dem Bosanus’schen Organe Wasser in größerer Menge ausgeworfen sei. Die bekannten Wasserstrahlen aus dem Athem- und Kloakensipho sind jedenfalls nur auf das Wasser zurückzuführen, welches bei der Kontraktion des Fußes aus dem verminderten Schalenraum ausgestoßen wird. Denn wenn Muscheln im Trocknen ihren ausgestreckten Fuß auf Reiz kontrahiren, dann sieht man keinen Wasserauswurf an jenen Stellen. Eben so wenig geben die anatomischen Verhältnisse, die Anord- nung der rückführenden Venen, einen Fingerzeig, welcher uns den Weg, wie das Blut schnell in die Nierenhöhlung gelangt, wahrscheinlich machen könnte. XI, Die Intercellulargänge, Als ein dritter Weg für die Wasseraufnahme werden die von LEyDıc zuerst am Fuße von Gyclas cornea beschriebenen Intercellulargänge auf- gefasst. Wenn man den Fußrand einer jungen aus der Bruttasche ge- nommenen Muschel scharf ins Auge fasst, so sieht man zwar zwischen den Epithelzellen hellere Streifen verlaufen, welche wohl den Eindruck von Kanälen machen. Allein ich konnte mich bis jetzt nicht überzeugen, ob ich wirkliche Kanäle vor mir hatte oder ob diese hellen Bänder nicht vielleicht nur optische Täuschungen seien. KoLLMAnN, GRIESBACH und Nazzra plaidiren zwar für das Vorhandensein der Intercellulargänge im Epithel, während Carrıere und Schmenz (l. c. p. 528) das Gegentheil zu erweisen trachten. Ich will darum keinen Entscheid über diesen 1 Zoolog. Aphorismen. Diese Zeitschr. 4872. Bd. XXI. p. 317. 423 A. Fleischmann, Streitpunkt geben, und die Möglichkeit ihrer Existenz am Muschelfuße offen halten, um nur auf die Folgerungen einzugehen, welche man aus ihrem Vorhandensein gezogen hat. Auch hier glaubte man mit der Entdeckung eines Kanales, der zwischen dem äußeren Medium und den Bluträumen ausgespannt ist, zugleich den Nachweis geliefert, dass nothwendig das Wasser durch den Kanal laufe. Man vergaß, dass das Wasser in die engen Röhren zwar eindringen kann; aber unter keinen Umständen wird dasselbe an der inneren Mündung in die Bluträume überfluthen. Damit ein derartiges Resultat erzielt würde, müsste jedenfalis irgend welche Druck- oder Saugvorrichtung an den Intercellularräumen angebracht sein. Aber für diese Forderung finde ich in den thatsächlichen Verhältnissen keine Unterstützung. Nun könnte man freilich annehmen, dass durch die ab- sorbirende Thätigkeit der den Intercellularraum begrenzenden Epithel- zellen eine Bewegung des Wassers in den Gängen hervorgerufen werde und das Wasser erst auf dem Umwege durch die Epithelzellen in die Blutlakunen gelangte. Jedoch ist dann nicht einzusehen, warum nicht die freie im Wasser badende Fläche der Zellen direkt das Wasser ab- sorbire. Durch vorhergehende Betrachtungen habe ich gezeigt, dass das Wasserbedürfnis der Muscheln nicht so groß ist, als man gewöhnlich glaubt; der unaufhörlich durch den Darm streichende Wasserstrom reicht vollkommen aus, auch größere Flüssigkeitsverluste auszugleichen, so dass man nicht bei den Intercellulargängen seine Zuflucht zu suchen braucht. Ich komme also zu dem Schlusse: Bei den Lamellibranchia- ten findet eine Wasseraufnahme weder durch Pori aqui- feri,noch durch dasBosanus’sche Organ, noch durchInter- cellulargänge statt. Das einzige Organ, welches Wasser ‚aufnimmt, ist der Darmkanal dieser Thiere. XII. Über Wasseraufnahme bei anderen Abtheilungen der Mollusken. Bei den Gasteropoden zeigt sich dieselbe merkwürdige Erscheinung, dass die Thiere ihren Fuß aus dem Gehäuse weit hervorzustrecken und fast zur Durchsichtigkeit mit Flüssigkeit zu erfüllen vermögen, darauf aber denselben nach Reiz im Schalenraume bergen. Dabei sieht man Flüssigkeit aus der Niere abfließen und eine erhöhte Schleimsekretion. Wir finden also in dieser Abtheilung der Mollusken die gleichen Grund- phänomene hei der Bewegung des Fußes, wie bei den Muscheln und es darf nicht Wunder nehmen, dass man dafür analoge Erklärungsversuche anstellte. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 429 Das von Dee CntasE zuerst beschriebene Wassergefäßsystem der Schnecken, dessen Anfüllung den Grad der Fußschwellung direkt be- stimmen sollte, ist jedoch mit dem Fortschritte der Untersuchungen mehr und mehr zurückgedrängt worden und selbst die letzten Spuren der alten Lehre, die Wasserporen am Fuße der Schnecken haben durch die Untersuchungen CArRIERE’S!, von IHERING’S? und NALepa’s? einen gewal- tigen Stoß erhalten. Dagegen gab Scumexz die Nachricht, dass er am Fuße von Natica josephina Pori aquiferi aufgefunden habe, welche bei geringer Größe mit kräftigen Schließmuskeln versehen sind.4. Ich will mich nicht unterfangen, gegen die Versuche von ScHimEnz eine abfällige Kritik zu liefern, da ich die von ihm beschriebenen Ver- hältnisse noch nicht an lebenden Thieren untersuchen konnte, obwohl ich lebendes Material aus Neapel verschrieben hatte. Man darf auch nicht von vorn herein die bei den Muscheln beobach- teten Erscheinungen auf die Schnecken übertragen. Die Muscheln er- zielen die Schwellung des Fußes durch Formveränderung des Körpers und Dislokation der Blutmenge; aber die Schnecken scheinen zu dem Behufe wirklich ihr Volumen zu vergrößern. Denn lässt man eine ge- wöhnliche Helix pomatia längere Zeit der Verdunstung ausgesetzt, und giebt ihr nachher Wasser, so nehmen sie so viel Wasser auf, dass der mächtig geschwellte Fuß trotz sehr starken Reizes nicht mehr in die Schalen zurückgezogen werden kann. Ob jedoch bei den Pulmonaten das Wasser durch Poren am Fuße aufgenommen werde, scheint nach den Beobachtungen GEGEnBAUR’s® und NüsszLın’s6 wenig wahrscheinlich ; ich konnte sehr wasserarme Schnecken in starke Schwellung gerathen lassen, wenn ich sie für einen größeren Zeitabschnitt in einen Raum brachte, der mit Wasserdampf gesättigt war. Es bedarf also noch größerer Untersuchungen, welche auf alle Ab- theilungen der Gasteropoden ausgedehnt werden müssen, um die Wasseraufnahme durch Pori hier sicher zu stellen. Ein kurzer Blick auf die neuesten Untersuchungen über Ptero- poden und Heteropoden möge zeigen, dass die früher aufgestellte Behauptung von einer Wasseraufnahme dieser Thiere durch die Niere den genaueren Experimenten nicht mehr Stand halten kann. Die In- 1 Fußdrüsen der Prosobranchier. 2 Über Hautdrüsen und Hautporen der Gasteropoden. Zool. Anz. I. p. 274. | 3 Beiträge zur Anatomie der Stylommatophoren. Sitzungsber. der k. Akademie | "Wien. Bd. LXXXVII. A. Abth. 1883. | 4 ScHInEnz, 1. c. p. 538. 5 Grundriss der vergl. Anatomie. 2. Aufl. p. 544. 6 Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Pulmonaten. p. 41. 430 . A, Fleischmann, jektionsversuche von JoLiEr ! und ScHinEnz (]. c. p. 524—527) beweisen unwiderleglich, dass Niere und Herzbeutel nur die Ausscheidung einer Flüssigkeit aus dem Blute besorgen. : Schließlich bei den Gephalopoden waren zuerst von Kronn? Kanäle beschrieben worden, welche eine-direkte Kommunikation der Genitalkapseln mit dem Harnsacke vermitteln. Die Bedeutung dieser auf ihrem Verlaufe mit mannigfachen Erweiterungen (Zellen) und Abzwei- sungen versehenen »Wassergefäße« suchte Kroun in einer Wasserauf- nahme durch dieselben, welche durch Umspülung der inneren Organe »für die Unterhaltung der Lebensprocesse von höchst wichtigem, wenn- gleich nicht völlig ins Klare gestelltem Einflusse ist«. Durch die ausführlichen Untersuchungen von Brock und VieeLius wurde dann das anatomische Verhalten der Wasserkanäle vollkommen klar, aber ihre physiologische Funktion blieb fernerhin noch im Dunkeln. Der Einzige, welcher die Entscheidung über die problematische Wasser- aufnahme experimentell zu liefern suchte, ist Dr. L&on Fr£perieg 3 und da dessen Arbeit gänzlich unbekannt zu sein scheint, will ich ein kurzes Referat hierher setzen. Nach seinen Untersuchungen spricht die hohe Dichtigkeit des Blutes und sein enormer Reichthum an festen Bestandtheilen von vorn herein gegen die Möglichkeit, dass dasselbe mit Meerwasser verdünnt sei. Ferner beweist der hohe Blutdruck, welcher in der Aorta ungefähr 8 cm Quecksilber beträgt und die anatomische Untersuchung der Blutbahnen, dass nirgends die Blutgefäße nach außen geöffnet sind. Weder Injek- tionen der Blutgefäße, noch Erfüllung der Wasserkanäle mit gefärbter Flüssigkeit geben einen Hinweis auf die Verbindung beider Kanal- systeme. Die in den Wasserzellen enthaltene Flüssigkeit ist nicht Meerwasser; denn dasselbe kann niemals von außen her in die Zellen eindringen, da die Öffnung gewöhnlich fest verschlossen ist; die Flüssigkeit ist vielmehr ein Abscheidungsprodukt der Venenanhänge und ist dazu bestimmt, aus dem Körper entfernt zu werden. Freperıco beschreibt, dass er selbst den Auswurf der dem Urin zu vergleichenden Flüssigkeit öfters be- obachtet habe. | Die chemische Analyse dieser Flüssigkeit lieferte dann den deut- lichen Nachweis von Guanin. i Sur les fonctions du sac renal chez les Heteropodes. Comptes rendus 1883. Tom 97. No, 20. 2 MüLLer's Archiv. 1839. p. 353. 3 Recherches sur la physiologie du Poulpe commun (Octopus vulgaris). Arch. zool. exper. VII. 1878. p. 535—583. Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. 431 Nach diesen Ergebnissen dürfte es wohl keinem Zweifel mehr unter- liegen, dass eine Wasseraufnahme bei Gephalopoden eben so wenig exi- stirt, als bei den Lamellibranchiern. Resume. 1) Die Pori aquiferi am Fuße der Muscheln sind entweder Drüsen- mündungen oder Kunstprodukte. | 2) Folglich kann durch sie eine Kommunikation des Blutgefäß- systems mit dem Wasser nicht vermittelt werden. 3) Die Wasserstrahlen, welche bei der Kontraktion aus dem Muschel- fuße entweichen, sind nicht normale Lebensäußerungen, sondern patho- logische Erscheinungen. k) Selbst wenn Pori vorhanden wären, könnten sie aus mechani- schen Gründen nicht funktioniren. 5) Die Wasseraufnahme hat für die Unterhaltung des Athmungspro- cesses und für die Unterstützung der Schalenbildung keine Bedeutung. 6) Die den Muscheln eigene Blutmenge reicht hin, den Fuß in den Zustand der größten Schwellung zu versetzen. 7) Während der Ruhe ist das Schwellungsblut in den Mantelreser- voiren aufgespeichert. 8) Die Schwellung des Fußes erfolgt nach dem Verschlusse der starken Keser’schen Klappe durch Aufstauung des Blutes in den Fuß- lakunen und gleichzeitiger Erschlaffung der Muskulatur. 9) Bei der Erektion des Muschelfußes findet keine Volumenände- rung des ganzen Thieres, sondern nur eine Volumenänderung einzelner Körpertheile statt, durch Dislokation des Körperblutes. 10) Die Wasseraufnahme durch Niere und Intercellulargänge ist nicht sicher bewiesen. 44) Auch andere Klassen der Mollusken wurden durch neuere Untersuchungen von der Wasseraufnahme direkt in die Blutgefäße befreit. 12) Die Lamellibranchiaten bedürfen keiner Wasseraufnahme. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 39 Lat kn Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. Von | Dr. Richard Greeff, Professor in Marburg. Mit Tafel XI—XIV. Die im Folgenden mitgetheilten Beobachtungen über die pelagischee Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln bilden ein Ergebnis meines von Anfang Januar bis Mitte März 1880 währenden und zoologischen Studien gewidmeten Aufenthaltes auf der kleinen Guinea-Insel Rolas. Dieselbe liegt südlich von der größeren Insel S. Thom, von dieser durch einen 3—4 km breiten Meereskanal getrennt und wird in ihrer nördlichen Hälfte von der Linie geschnitten. Das kaum 4 qkm große, mit einer reichen Vegetation geschmückte Eiland trägt seinen | Namen Ilha dasRolas, Taubeninsel, von der sehr großen Menge wilder Tauben, die seine Wälder bevölkern. Überall sieht man sie in den Gipfeln der hohen Bäume üumherflattern und hört bald fern, bald nahe ihr rollendes Girren und Locken!. Wie alle Guinea-Inseln stellt auch Rolas eine vulkanische Er- hebung aus dem Meere dar, in seinen Hauptmassen aus Basalt und basaltischer Lava gebildet. Zwei mitten auf der Insel sich erhebende Waldhügel von ungefähr 120 m Höhe geben noch redendes Zeugnis von der einsiigen vulkanischen Thätigkeit. Sie umschließen, wie ich fand, beide einen wohl erhaltenen kesselförmigen Krater, deren Boden fast im Niveau des Meeres liegt?. Außerdem ist das Eiland umsäumt von mächtigen, vielfach zerklüfteten Felsmassen, Lavaströmen entstammend, die vormals aus jenen Kratern hervorbrachen. Bald stellen dieselben 1 Auf Rolas, so wie auf der Nachbarinsel S. Thome kommen drei verschiedene Arten von Tauben vor, nämlich: Columba Guinea L., Turtur semitorquatus Swains und Treron crassirosiris Fras. = ; 2 S. R. GREEFF, Die Insel Säo Thome. PETERMANN’S geogr. Mittheilungen. 1884. Heft 4. p. 125 und Derselbe, Die Insel Rolas. Globus XLI. Nr. 7. 1882. p. 440. Über die pelagische Fauna an den Küsten der wumea-ınsein. 433 mehr oder minder flache, weit ins Meer vordringende oder riffweise aus diesem aufragende Klippen dar, bald stürzen sie als Steilklippen in einer Höhe von oft 40 m fast senkrecht und wie abgebrochen gegen die an ihren Fuß brandende Fluth ab. Zwischen und auf diesem schwar- zen Felsgestade breitet sich hier und dort ein heller weicher Sandstrand aus, zum größten Theil aus den ausgeworfenen und zertrümmerten marinen Kalkbildungen — Mollusken, Korallen, Echinodermen, Kalk- algen etc. — bestehend. Fast das ganze Jahr hindurch weht an den Küsten der Inseln S. Thome und Rolas ein lauer Süd- und Südwestwind, in der langen von September bis in den Mai anhaltenden Regenzeit, der Estacäo das Aguas, zugleich der heißesten des Jahres, meist schwach und nur durch die zu dieser Zeit häufigen und starken Gewitter angefacht oder auch nach Westen und Nordwesten abgelenkt, in der kurzen trockenen Jahres- zeit, der Estacäo das ventanias oder der Gravana, frischer, häufig brisen- artig anschwellend aber konstanter in der Richtung aus Süden und Südwesten, als in der Regenzeit. Durch diese fast konstante Wind- richtung und wegen der vollkommen offenen Lage ist das Meer an der Südwest- und Ostseite des Eilandes mehr oder minder bewegt und bricht sich brandend an den Klippen, namentlich an den hoch auf- gerichteten Felsmauern der Süd- und Ostseite. Der gegen die Insel S. Thome& gerichtete Nordstrand aber und mit ihm der, Rolas und S. Thome trennende, Meereskanal, der Canal de Rolas, sind vollkommen geschützt. Jenseits des Kanales erhebt sich wie eine Riesenmauer das hohe Waldgebirge der Insel S. Thom& und gegen Süden schützen die Wälder und die beiden bewaldeten, die eben erwähnten Krater ein- schließenden, Hügel von Rolas. Der Kanal von Rolas so wie die an- srenzende Südwest- und Südostküste von S. Thome& bildeten desshalb auch das fast alleinige Feld für den pelagischen Fischfang während meines Aufenthaltes auf dem Eiland. Die Ausbeute war hier im Allge- ‚meinen eine sehr ergiebige und an besonders günstigen Tagen war das Wasser, insbesondere in den den Kanal durchziehenden Strömungen, dicht mit pelagischen Thierschwärmen aller Art belebt, so dass oft schon nach wenigen Zügen mit dem feinen Netze die Gefäße strotzend mit wimmelnder Thiergallerte erfüllt waren. Den Vorrang, ja zuweilen fast die alleinige Herrschaft, das Letztere namentlich an denjenigen Tagen, die im Allgemeinen für den pelagi- ‚schen Fischfang sich nicht günstig erwiesen, behauptete auch hier das Heer der Crustaceenlarven und der pelagischen Crustaceen, aus welchen fast jedes Mal eine Anzahl der schillernden Saphirinen hervor- . blitzten. Dann folgten die, ebenfalls zuweilen in ungeheuren Schwärmen 29* 434. Richard Greefl, auftretenden Molluskenlarven, mit ihnen auch pelagische Mol- lusken, am häufigsten Pterotrachea und Atlanta, ferner äußerst zahlreich Hyaleen, seltener Greseis und Cymbulia und ebenfalls nur vereinzelt Phyllirhoe und Janthina, deren Schalen auch hier und dort auf dem Strande sich fanden. Häufiger waren wiederum kleinere Salpen, Appendicularien und Doliolum. Fast nicht minder zahlreich als die Molluskenlarven erfüllten in der Regel Wurmlarven den pelagischen Auftrieb. Unter diesen nahm im Anschluss an frühere Untersuchungen eine ziemlich häufig vorkommende Echiuren-(Thalassema-)Larve mein besonderes Interesse in An- spruch. Im Folgenden sollen die über die Organisation und Metamor- phose dieser merkwürdigen Larve gewonnenen Beobachtungen als eine Ergänzung zu meiner Monographie über die Echiuren! mitgetheilt wer- den. Auch an eigentlichen pelagischen Würmern bot sich fast stets reiche Ausbeute. Am zahlreichsten erschienen auch hier die Sagitten, dann folsten die Alciopiden und Typhloscoleciden mit ihren Larven, endlich die Tomopteriden und vereinzelt einige andere, theils schon früher von mir beschriebene, theils neue pelagische Anne- lidenformen. Auf diese pelagischen Anneliden war in Rolas vor allen anderen pelagischen Thieren mein besonderes Augenmerk gerichtet und die Ergebnisse meiner Beobachtungen über diese merkwürdigen Thier- formen bilden desshalb auch, und ebenfalls im Anschluss an meine früheren Untersuchungen ?, den Hauptinhalt der folgenden Mittheilungen. Wenn gleich während der Zeit meines Aufenthaltes auf Rolas sel- ten auffallend zahlreich oder in Schwärmen auftretend, so fehlten doch auch selten die Echinodermenlarven im pelagischen Auftrieb. Am häufigsten sah ich Echiniden?, dann Ophiuren- und Asteriden- larven, endlich weniger häufig Holothurien- und ganz vereinzelt Grinoidenlarven. Unter den Hydromedusen behaupteten die kleinen craspeden Medusen, und unter diesen diejenigen mit Randbläschen die Herr- schaft, die oft in ungeheuren Schwärmen, alles Übrige mit ihrer Gallert- masse verdeckend, den pelagischen Auftrieb erfüllten, während die acraspeden Medusen fast völlig fehlten. Auf keiner meiner Fahr- ten an den Küsten der Guinea-Inseln S. Thome, Rolas und Principe 1 R. GREEFF, Die Echiuren. Halle (Nova Acta) 1879. ? R. GREEFF, Untersuchungen über die Alciopiden. Dresden (Nova Acta) 1876; ferner: Über die Alciopiden des Mittelmeeres u. insbesondere des Golfes von Neapel (Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. I. p. 448, Taf, XIV). 3 Während der Monate Februar und März fand ich die ziemlich häufig an den Küsten des Eilandes vorkommende Hippono& esculenta A. Ag. geschlechtsreif. (S.Zool. Anz. 1882. Nr, 407. p. 157.) | Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 435 habe ich jemals eine größere Scheibenqualle erblickt, eben so wenig trotz mehrfacher aufmerksamer Beobachtung auf offenem Meere während meiner Fahrt über den atlantischen Ocean von Lissabon bis S. Thome. Erst bei der Annäherung an die Küsten des Festlandes von Westafrika traten sie auf, wie an der Küste von Senegambien im Archipel der Bisagos-Inseln und vor den mächtigen Strommündungen des Rio Geba und Rio Grande plötzlich die merkwürdige Crambessa Tagi E. Haeckel in großen Schwärmen an unserem Schiffe vorbeizog!. Dieselbe Armuth an großen Scheibenquallen herrscht, wie an den Guinea-Inseln, auch, nach den bei einem früheren Aufenthalt dort gewonnenen Beob- achtungen, an den Küsten der kanarischen Inseln und auch an den Capverdischen Inseln sah ich keine derselben. An den für den pelagischen Fischfang besonders günstigen wind- stillen Tagen erschienen auch die Siphonophoren ziemlich zahlreich im Kanal von Rolas und in den meisten der aus dem Mittelmeer und den nördlicher gelegenen Theilen des atlantischen Oceans, nament- lich den Küsten der kanarischen Inseln, bekannten Formen, mit Aus- nahme der Physalia, die ich weder bei Rolas noch S. Thom& noch im äquatorialen Meere überhaupt jemals erblickte, während sie zwischen Madeira und den Gapverden mir ziemlich häufig auf offenem Meere be- gegnete. / Von Gtenophoren beobachtete ich nur kleinere Beroiden und Cydippiden, die größeren Euramphaeen und Euchariden fehlten. Eine nicht unbedeutende Rolle spielten im pelagischen Auftrieb die mannigfachen Anthozoenlarven. Unter ihnen fand ich auch nicht selten die von Semper beschriebene »tropische Larvenform«? die von ihm als Aktinienlarve gedeutet ward. Natürlich fehlten auch die pelagischen Vertreter der Protozoen, die Radiolarien, nicht, an günstigen Tagen in den mannigfachsten For- men und oft ansehnlichen Gallertmassen den Auftrieb erfüllend. Trotzdem, wie bereits oben bemerkt, die Insel Rolas gerade von ‚ der Linie geschnitten wird und mein Aufenthalt dort mitten in die von September bis Mai anhaltende Regenzeit, die Estacäo das Aguas, die heißeste Zeit des Jahres, fiel, in welcher das Thermometer bei Tage meist 250 R. zeigte, zuweilen bis auf 30° stieg und auch Nachts nur wenig sank, so habe ich doch in Rücksicht auf die Konservirung des so hinfälligen pelagischen Auftriebes im Allgemeinen keine ungünstigeren Erfahrungen gemacht, als an den Küsten nördlicher Meere. Die Unter- schiede zwischen der Temperatur des Oberflächenwassers des Meeres ‘ Siehe R. GREEFF, Über Crambessa Tagi E. Haeckel. Zool. Anzeiger 1881. | Nr. 96. p. 564. 2 Diese Zeitschr. Bd. VII. 1867. p. 407. Taf. XXII. » 436 . Richard Greeff, und derjenigen der Luft sind hier auf dem Äquator, an den Küsten der kleinen fern von den Einflüssen des Festlandes gelegenen Inseln und bei der fast konstanten Windrichtung, nicht größer, ja nach meiner Er- fahrung im Allgemeinen geringer als in den Sommermonaten an den Küsten der Nordsee. Als Regel gilt aber auch hier wie überall für die Studien der pelagischen Fauna, dass man beim Fang Maß halte und sich nicht durch den Reichthum der pelagischen Thierschätze zur Anhäufung derselben in den zur Aufbewahrung und zur Beob- achtung benutzten Gefäßen verlocken lasse, sondern diejenigen Thiere, die man lebend genauer zu beobachten wünscht, alsbald aus der bunten, sich gegenseitig bedrängenden pelagischen Thiermasse zu iso- liren und in besondere Gefäße mit reinem Wasser zu bringen suche, das nun entweder häufig gewechselt oder durch Aquarienapparate in Bewegung erhalten und durchlüftet wird. Weniger die hohe Tempera- tur des Wassers als die große Menge des in einem Behälter vereinigten pelagischen Mulders, führt, wie wohl Jeder, der dem Studium der pela- gischen Thierwelt obgelegen, erfahren hat, den sicheren und raschen Untergang Aller herbei. Auch in Rücksicht auf die Ausübung des pelagischen Fischfanges und meiner wissenschaftlichen Arbeit auf dem kleinen äquatorialen Ei- land war ich im’ Allgemeinen in einer eben so günstigen, ja zum Theil günstigeren und angenehmeren Lage, als an den Küsten der euro- päischen Meere. An der oben geschilderten geschützten Nordküste der Insel lag, hart am Strande, die kleine Ansiedelung (»Povoacao«), be- stehend aus einem sehr einfachen Wohnhause und einer Anzahl von niedrigen mit Palmen- und Bananenblättern gedeckten Negerhütten. In dem ersteren hatte ich mir bald, Dank der Fürsorge meines liebens- würdigen Wirthes, des Besitzers von Rolas, des Herrn Francisco Jost: DE Arıuso, nach Wunsch eine zoologische Arbeitsstätte eingerichtet und habe hier länger als zwei Monate Tag für Tag ungestört meiner wissen- schaftlichen Arbeit, ja anhaltenden mikroskopischen und embryologi- schen Studien obliegen können, ein Vorzug, der wohl wenigen Natur- forschern vor mir im äquatorialen Afrika zu Theil geworden ist. Während der ganzen Zeit meines Aufenthaltes auf Rolas standen mir stets einige der am meisten intelligenten und in Seefahrt und Fischfang erfahrenen Neger so wie die Boote meines Wirthes zu meinen zoo- logischen Exkursionen und Sammlungen zu Gebote. Nach einiger Unterweisung waren meine schwarzen Gehilfen im Stande, die mir in mancher Beziehung beschwerlichen und zeitraubenden Fahrten aufs Meer allein zu unternehmen und erwiesen sich in der Handhabung der Fangapparate, sowohl des Schleppnetzes, als des feinen Netzes, und in Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 437 der Auffindung der für den Fang günstigen Lokalitäten so geschickt und meinen Wünschen entsprechend, wie ich es bei den Fischern der euro- päischen Küsten sehr selten fand. Namentlich verstanden sie es, mit ihren leichten Kanoes den Kanal von Rolas durchkreuzend, die für den pelagischen Fischfang ergiebigen Correntes aufzufinden. Zur Vervollständigung meines kleinen zoologischen Laboratoriums auf dem Äquator konnte ich mir auf der gegen das Meer gelegenen und durch das weit überhängende Dach des Hauses vor Regen und Sonne geschützten Veranda einige der mitgebrachten Aquarienapparate auf- stellen, in denen das marine Thierleben sich über Erwarten erhielt und weiter entwickelte. Vor der Thür unseres Hauses bot sich in den von den Basaltklippen des Strandes umschlossenen Wasserbecken für meine Aquarien, so wie für sonstige Zwecke der zoologischen Untersuchung stets eine Fülle frischen und krystallhellen Seewassers. Durch diese ungewöhnliche Gunst der Umstände war ich im Stande sowohl dem marinen Thierleben des Strandes und der Tiefe, so weit die letztere meinen Schleppnetzen zugänglich war, als auch der pe- lagischen Fauna, so wie endlich der merkwürdigen Landfauna der Inseln meine Aufmerksamkeit zuzuwenden und habe fast an keinem Tage Mangel an reichem Materiale zu wissenschaftlicher Beobachtung und Untersuchung gehabt. Es möge mir gestattet sein hier nochmals meinem liebenswürdigen Wirthe und Freunde, Herrn DE ArıuJo auf Rolas, meinen aufrichtigen Dank für die mir erwiesene Gastfreund- schaft und das meinen Forschungen zugewandte Interesse auszu- sprechen. I. Pelagische Anneliden von Rolas. 1. Tomopteriden. (Fig. 1—24.) Die Tomopteriden waren im pelagischen Auftrieb von Rolas durch zwei neue Arten vertreten, über die ich schon früher kurze Mittheilung gemacht habe!, nämlich Tomopteris Rolasi und T. Mariana. Während ich die erstere (Fig. 1, 2 etc.) ziemlich häufig fand, war die zweite (Fig. 3, 4 etc.) eine seltene und fast stets nur vereinzelt in einem sonst noch so reichen Auftrieb sich findende Erscheinung. Beide boten mir ein günstiges Material zu einer erneuerten Prüfung der sehr merk- _ würdigen »roseitenförmigen Organe« in den Flossen der Fußstummel, ! Über die rosettenförmigen Leuchtorgane der Tomopteriden und zwei neue . Arten von Tomopteris. Zool. Anzeiger 4882. Nr. 146. p. 384. 438 Richard Greeff, die seit ihrer Entdeckung durch W. Buscn im Jahre 18471 schon mehr- fach das besondere Interesse der Forscher in Anspruch genommen haben, ohne dass bisher ihr Bau und ihre physiologische Bedeutung Selecindhe aufgeklärt worden wären. Auch einige andere Organe, wie insbesondere die Segmental- und Geschlechtsorgane, konnte ich genauer, als mir das bei meinen früheren Untersuchungen ? möglich gewesen war, beobachten. Beschreibung der beiden in Rolas beobachieien Arten von pteris. 4) Tomopteris Rolasi Greefl. (Fig. 4, 2, 5—A4, 47.) Der Körper ist gestreckt und zeigt selbst beim Schwimmen nur selten seitliche Krümmungen. Die Länge der ausgewachsenen Thiere beträgt circa 6 mm, die Zahl der Segmente exclusive des Kopfes 12, selten 13 oder 44 (vgl. Fig. 1). Vom Kopfe erhebt sich nach vorn der Kopflappen mit seinen beiden nach außen gerichteten horn- förmigen, hohlen und mit der Leibeshöhle kommunicirenden Kopf- fühlern (Fig. A und2 a, und 17). Von der Unterseite des Kopfes ent- springen zwei kurze peitschenförmige Fühlercirren, das erste Fühler- cirrenpaar (Fig. 4, 2b) mit je zwei endständigen Borsten, die so dicht zusammenliegen, dass sie bei schwacher Vergrößerung wie eine Borste erscheinen und erst bei genauerer Prüfung als zusammen- gesetzte erkannt werden. Das zweite große vom Kopfe beiderseits in einem Bogen austretende flügel- oder armartige Fühlercirren- paar (Fig. I, 2 b, 9) ist länger als die halbe Körperlänge mit eben so langer und starker Borste. Augen im gewöhnlichen Verhalten und bei schwacher Vergrößerung schwarz; unter Druck und stärkerer Ver- größerung erscheinen die Pigmentkörner schwarzbraun. Linse doppeit. Am hinteren Körperende werden die Fußstummel allmählich kürzer und die Flossen kleiner. Das letzte Segment trägt zwei endständige, kurze, zapfenförmige Analcirren (Fig. 1). Sämmtliche Fußstummel mit zwei Flossen und jede Flosse mit einem rosettenförmigen Organ (Fig. 1, 2a, 5, 7, 8), das dem Ende des. von der Flosse umsäumten Ruderastes aufliegt und aus einer hellgelben kleinen Rosette und einer sie umschließenden hellen, halbkugeligen Blase besteht (Fig. 2 d, 5 a, 6, 7). 1 Einiges über Tomopteris onisciformis. Arch, f. Anat. u. Phys. von J. MÜLLER. 4847. p. 480. Taf. VII, Fig. 5 2 Über pelagische Anneliden von der Küste der kanarischen Inseln. Diese Zeitschr. Bd. XXXII..p. 250. Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 439 Zwischen der gelben Rosette und der Innenwand der Blase, in der sie liegt, sind feine Stränge ausgespannt, die helle, mehr oder min- der keilförmige Räume umschließen. Außer den rosettenförmigen Or- ganen in den Flossen finden sich auch noch solche in den Rudern der beiden ersten Fußstummelpaare, die sich auch durch ihre Form von denen der Flossen unterscheiden (Fig. 1, 2e, 55, 40, AA). Die die gelbe Rosette enthaltende Blase ist hier kugelig und sitzt der vorderen Innenwand des hohlen Ruders an, in dieses hineinragend. In den hinteren Flossen des dritten Fußstummelpaares erscheint ein an- deres, scharf umschriebenes pyramidenförmiges Organ, mit seiner Basis gegen das Ruder, mit der Spitze gegen den Flossensaum gerichtet, die Flossendrüse (Fig. 2 /, 5 c). Sie liegt immer an der dem rosetten- förmigen Organ entgegengesetzten Seite des die Flosse aufnehmenden Ruderastendes und besteht aus einer Anzahl meridianartig nach außen gegen einander konvergirender, farbloser Schläuche (Fig.5 c). Die Flossendrüse steht mit den rosettenförmigen Organen in keiner Verbin- dung. Vom dritten Fußstummelpaare ab erscheint die Flossendrüse in jedem folgenden Fußstummel in der erwähnten Lage und Form beider- seits an der hinteren Flosse. Im sechsten Segmente und in jedem folgen- den bis zum elften inclusive findet sich nahe am Austritt der Fuß- stummel vom Körper beiderseits ein Segmentalorgan (Fig. 19 a, b, c, 20 a), bestehend aus einem kurzen, bogenförmig von vorn nach hinten verlaufenden und innen wimpernden Kanal (a) mit einer rosettenförmig umrandeten größeren inneren (b) und einer scharf umrandeten, etwas engeren und auf der Bauchseite mündenden äußeren Öffnung (c). Der _ inneren Öffnung sah ich häufigSpermatozoidenbündel aufsitzen (Fig. 19d). Die geschlechtsreifen Weibchen besitzen außerdem am vierten und fünften Segmente auf der Bauchseite beiderseits ein Paar quer- gerichteter, von wimpernden Leisten umgebener breiter Genital- spalten (vgl. Fig. 4 f)! zum Austritt der in den Rudern entstehenden und nach ihrer Lösung und Reifung in der Leibeshöhle eirkulirenden ‚ Eier. Außer dem gelben Pigment der rosettenförmigen Organe trägt T. Rolasi auf dem glashellen Körper zerstreute, lebhaft braunrothe oder violette Pigmentflecken (Fig. 1), die zuweilen mit einer gewissen Regel- mäßigkeit sowohl auf den Fußstummeln als auf dem Körper auftreten, namentlich auf der Bauchseite des letzteren in medianer Längsrichtung dem Verlaufe des Bauchnervenstranges folgend. Ziemlich häufig im pelagischen Auftriebe aus dem Kanal von Rolas und der Südwestküste von S. Thome. 1 Fig. 4 betrifft Tomopteris Mariana. Die hier dargestellten Genitalspalten stim- | _ men aber nach Form und Lage vollkommen mit denen von T. Rolasi überein. 440 . Richard Greeff, 2) Tomopteris Mariana Greefl. (Fig. 3, 4, 12—16.) Der Körper der ausgewachsenen Thiere ist 2—2,5 mm lang und besteht aus 12, selten 13 Segmenten excl. des Kopfes (Fig. 3). Kopf- fühler (Fig. 3, Aa) ähnlich, erstes Fühlercirrenpaar (Fig. kb) länger als bei T. Rolasi mit je einer Borste. Das zweite Fühler- cirrenpaar länger als die Hälfte des Körpers (Fig. 3, kc). Augen schwarzbraun mit doppelter Linse. In den Flossen der beiden ersten Fußstummelpaare fehlen die rosettenförmigen Organe. Erst in den Flossen des dritten Paares und von nun ab in allen folgenden finden sich hellgelbe rosettenförmige Organe, ähnlich wie bei T. Rolasi (Fig. «dj. Außerdem enthalten die Ruder der beiden ersten Fußstummelpaare sehr große rosettenförmige Organe, bestehend aus einer inneren orange- gelben Rosette, viel größer als die hellgelben Rosetten der Flossen und einer äußeren, ebenfalls rosettenförmigen und großen Blase (Fig. 3, ke, 12— 15). Das letzte Segment, in der Regel mit sehr kleinen Fußstummeln, endigt, ähnlich wie bei T. Rolasi mit zwei kurzen, zapfenförmigen Anal- cirren (Fig. 3). Bei den Männchen sind die Flossen der beiden letzten Fußstummelpaare zuweilen bedeutend vergrößert und mit Spermato- zoiden erfüllt (Fig. 3). In den drei letzten Segmenten der Männchen, sowohl dieser als der vorigen Species, findet sich je ein Paar Hoden (Fig. 205). Vom achten bis elften Segment, wie bei T. Rolasi, Seg- mentalorgane (Fig. A9 a, b, c, Fig. 20 a) und im vierten und fünf- ten Segment bei den geschlechtsreifen Weibchen, eben so wie dort, ein Paar querliegender Genitalspalten zur Ausführung der Eier (Fig. 4 f). Im Kanal von Rolas und an der Südwestküste von S. Thome& ziemlich selten. | Organisation. Die rosetienförmigen Organe der Tomopteriden. Die »rosettenförmigen Organe« in den Fußstummeln der Tomopte- riden wurden zuerst von W. Busen! im Jahre 1847 an T. onisciformis (T. helgolandica) in Helgoland beobachtet und haben seitdem das Inter- esse fast aller Forscher, die sich mit der Untersuchung der Tomopieriden 1 Einiges über Tomopteris onisciformis. Arch. f. Anat. u. Phys. v. Jow. MÜLLER. 1847. p. 180. Taf. VII, Fig. 5. ° Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 441 beschäftigt haben, in besonderem Maße erregt!. „VrpovskY2, der ihnen eine besonders genaue Untersuchung widmete, gab ihnen auch zuerst eine bestimmte Deutung, indem er sie für Augen erklärte. Ich glaubte mich dieser Auffassung auf Grund meiner Untersuchungen nicht an- schließen zu können, sondern sie als drüsenartige Organe deuten zu müssen ®. Durch meine abermalige genaue Prüfung der rosettenförmigen Or- sane an den oben charakterisirten beiden Arten, Tomopteris Rolasi und T. Mariana, auf Rolas bin ich wiederum zu der Überzeugung gekommen, dass diese Organe in Rücksicht auf ihren Bau als Augen nicht gedeutet werden können. Dahingegen hat mich eine Beobachtung dazu geführt dieselben für Leuchtorgane zu halten. Die nach dem Fange gleich isolirten Tomopteriden konnte ich in größeren Gefäßen, in denen das Wasser zeitweise gewechselt und durch einen Aquarien-Apparat durch- .lüftet wurde, zuweilen einige Tage lebend erhalten, während sie sonst sehr bald zu Grunde gingen. Ich hatte hierbei Gelegenheit einige Male Abends die besondere Leuchtkraft dieser Thiere wahrzunehmen und dass dieselbe hauptsächlich von den Fußstummeln ausstrahlte. Auch die morphologischen Verhältnisse widersprechen der Deutung, dass die rosettenförmigen Organe Leuchtorgane sind, nicht. Dieseiben kommen, wie oben bereits angeführt, an beiden der von mir auf Rolas gefundenen Arten, der T. Rolasi und T. Mariana, nicht bloß in den Flossen, sondern auch mitten im Ruder der beiden vorderen Fußstummelpaare vor (Fig. —4 u. f.), bei T. Mariana sogar an deren Bauchseite (Fig. 3, ke). Die- jenigen der Flossen stimmen bei beiden Arten nach Lage und Bau über- ein und bieten nur in so fern eine Verschiedenheit, als bei T. Rolasi jede Flosse sämmtlicher Fußstummel ein rosettenförmiges Organ trägt, wäh- rend dieselben bei T. Mariana in den Flossen der beiden ersten Fuß- stummel fehlen und erst in denjenigen des dritten Fußstummelpaares und von da ab in allen folgenden vorkommen. Die rosettenförmigen Organe in den Fußstummeln sind sowohl von denjenigen der Flossen in gewisser Hinsicht verschieden, als sie auch bei den beiden Arten unter einander nach Größe, Färbung ete. von einander abweichen. Was zunächst die rosettenförmigen Organe der Flossen betrifft, so liegen dieselben auf den Enden der beiden von den Flossen I Bezüglich des Geschichtlichen der Kenntnis der rosettenförmigen Organe und ‘ der Tomopteriden überhaupt siehe: R. GrEEFF, Über pelagische Würmer von der Küste der kanarischen Inseln. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. 1879. p. 256. ? Beiträge zur Kenntnis der Tomopteriden. Diese Zeitschr. Bd. XXXI. 4878. Ep. 84. Tat. VEund VII. 3a.a. 0. p. 272 ff. 442 Richard Greefl, umsäumten Fußstummeläste (Fig. 2d, 4d, 5a) und sind von dem Flossensaum vollständig eingeschlossen. Die eigentliche gelbe Rosette liegt im Inneren des ganzen Organs und unmittelbar auf dem Fuß- stummelast (Fig. 2, 4, 5d, 6a etc.). Dieselbe setzt sich zusammen aus einer Anzahl meridianartig gegen einander gebogener Schläuche, die eine hellgelbe ölartige Substanz enthalten, die bei starker Vergrößerung fein- körnig erscheint. Zuweilen, namentlich bei Druck, tritt aus dem einen Ende der gelben Rosette, meistens aus dem gegen den Ruderast gerich- teten, ein helles farb- und strukturloses Bläschen hervor (Fig. 6b), einem Sarkodetropfen ähnlich, das hei stärkerem Druck wohl noch weiter her- vorquillt (Fig. 7b) und schließlich sich abschnürt. Es ist das einzige Gebilde, das ich auf die von VErpovsky beschriebene »Linse« seines »Flossenauges« beziehen könnte, das aber in unserem Falle sicher nicht als solche zu deuten ist, einerseits aus den eben angeführten Erschei- nungen, andererseits wegen seiner Richtung nach innen gegen den Fuß- stummelast, dem die Rosette aufsitzt, während die »Linse« VE3novsky's nach außen gerichtet ist, so wie aus den übrigen morphologischen Ver- hältnissen des ganzen Organes. Die gelbe Rosette ist nun von einer halbkreisförmigen, ebenfalls dem Ende des Ruderastes aufliegenden Blase oder Kapsel umschlossen, die sowohl im frischen Zustande deutlich ist als auch nach Behandlung mit Reagentien, insbesondere mit Osmiumsäure und dann sehr scharf und hell aus der im Übrigen dunkeln Flosse her- vortritt (Fig. 5a, 6, 7). Zwischen der gelben Rosette und dem inneren Umfang der Kapsel sind Stränge ausgespannt, die mehr oder minder keilförmige Räume einschließen, nach außen sich auch verästeln und hier und dort, besonders an den Verästelungen selbst, kernartige Gebilde enthalten (Fig. 5a, 6). Das ist Alles, was ich mit Sicherheit über diese seltsamen Organe in den Flossen der Tomopteriden ermitteln konnte und man wird zugestehen müssen, dass hiernach kein Anlass vorliegt die- selben als Augen zu deuten, wie dieses von VEsJDovskY für die Flossen- organe seiner Tomopteris vitrina geschehen ist. Die Kapsel mit ihrem rosettenförmigen Organe, so wie das ganze Ende des Ruderastes, das die Flosse aufnimmt, ist nun zunächst umsäumt von einer ziemlich breiten Drüsenschicht (Fig. 5e, 9, 9a), bestehend aus einer körnigen Grund- substanz, in der sehr viele Kerne eingebettet sind. Aus dieser Drüsen- schicht erheben sich dann endlich die Drüsenschläuche, die nach dem äußeren Rande zu sich allmählich zuspitzen und hier mit einem feinen Porus sich nach außen öffnen. An den zarten und vollkommen durch- sichtigen Flossen der jungen Tomopteriden sieht man außerdem, dass die Drüsenschläuche auf ihrem Verlaufe gegen den Flossenrand sich theilen Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 443 und auch durch ein sehr zartes Kanalnetz seitlich mit einander in Ver- bindung stehen (Fig. 9 und 9a). Neben den rosettenförmigen Organen und den Drüsenschläuchen erscheint in der, bei der natürlichen Lage der Fußstummel nach hinten gerichteten, Flosse des dritten Fußstummelpaares und von da ab in gleicher Weise an allen folgenden Fußstummeln ein scharf umschriebenes hügel- oder hutförmiges Organ (Fig. 2f, 5c). Dasselbe besteht aus einer Anzahl meridianartig gegen den Flossenrand vereinigter Schläuche, die in ihrem Verhalten im Allgemeinen übereinstimmen mit den übrigen Drüsenschläuchen der Flosse, und liegt an der dem rosettenförmigen Organ entgegengesetzten Seite des die Flosse aufnehmenden Ruderastes. Dieses Organ steht mit den rosettenförmigen Organen in keiner direkten Verbindung. Ich habe dasselbe, das zuerst von GrusE gesehen worden ist, bereits früher als eine besondere »Flossendrüse« bezeichnet und wüsste demselben auch jetzt keine andere Deutung zu geben. Anders als die rosettenförmigen Organe in den Flossen verhalten sich nach ihrer Lage und zum Theil auch der Form diejenigen in den Ru- dernder Fußstummel von T. Rolasi und T. Mariana (Fig. I, 2e, 3, ke, 56, 8—15). Sie stimmen auch unter einander bei beiden Arten nicht vollkommen überein. Bei beiden aber finden sie sich nurin den beiden ersten Fußstummelpaaren und zwar in jedem Ruder ein rosettenförmiges Organ (Fig. I—4) und stellen kugelige, durch meri- dianartige Furchen rosettenförmig erscheinende Blasen dar, die der Innenfläche der Wand des Ruders anliegen und somit frei in die Höhlung des letzteren hineinragen. Innerhalb dieser Blase und zwar an deren hinterer Wand liegt bei T. Rolasi eine helle gelbe Rosette (Fig. 5f), die in ihren Erscheinungen ungefähr mit denen der Flossenorgane überein- stimmt. Von der Innenwand des Ruders tritt nun, wie man namentlich an den aufgeschnittenen und ausgebreiteten Fußstummeln bemerkt, ein faseriger Strang, der an der Blase zu einem kernhaltigen, körnigen Knoten anschwillt (Fig. 10a, 11a). Von diesem erhebt sich wiederum ein Fortsatz, der, in die Blase eindringend, unter der gelben Rosette noch einmal zu einem kleinen Knoten anschwillt, von welchem feine sich verästelnde Fäden strahlig in die Blase eintreten. Ich glaube kaum zu irren, wenn ich diese mit dem rosettenförmigen Organ in direkter und innigster Verbindung tretenden Stränge und Knoten als nervöse Gebilde, unter deren Einfluss die seltsamen Organe funktioniren, in An- spruch nehme. Die rosettenförmigen Organe in den Rudern von T. Mariana sind viel größer als die. von T. Rolasi. Sie nehmen fast die ganze Breite des Ruders ein und liegen nicht wie jene der vorderen, sondern der unteren 444 . Richard Greefl, Wand desselben an (Fig. 3, ke, 12—16). Die Blase ist ebenfalls wie dort rosettenförmig und umschließt eine große nicht hellgelb, sondern tief orange gefärbte Roseite. Auch bei den rosettenförmigen Organen von T. Mariana sah ich einen Nervenstrang an die Blasenwand heran- treten, um hier zu einem Ganglion anzuschwellen (Fig. I4 a, 15a, 16a). Von diesem geht dann, in die Blase eindringend, ein neuer zarter Faser- strang an die gelbe Rosette, der noch von einer besonderen hyalinen Scheide umgeben zu sein schien. Erwähnen muss ich noch, dass ich zuweilen den Ganglien zarte Stäbchenbündel aufsitzen sah, die ich Anfangs als für diesen zugehörige Gebilde glaubte halten zu müssen (Fig. 155, 165). Dieselben stimmen indessen mit denjenigen Stäbchen- bündeln überein, die, wie früher bemerkt, den Segmentalorganen an- haften (Fig. 18d) und die ich dort für Spermatozoidenbündel glaubte halten zu müssen. Sie werden desshalb auch hier wohl nichts Anderes darstellen. Eben so wenig, wie die roseitenförmigen Organe in den Flossen, kann ich diejenigen der Ruder nach den eben angeführten Beobachtungen als Augen betrachten, muss dieselben vielmehr vorläufig, wie oben be- reits erörtert, als Leuchtorgane ansehen, die mit dem Nervensystem in direkter Verbindung stehen und unter dem Einfluss desselben leuchten. Möglich freilich ist, dass sie auch Sinnesorgane sind, über deren be- sondere Qualität mir indessen jeder Anhalt zur sicheren Beurtheilung fehlt. Das Kopfsegment der Tomopteriden und seine Anhänge. Die beiden vordersten großen und hornförmigen Fortsätze des Kopfes, die eigentlichen Kopffühler (Fig. 1, 2a, 3, ka, 17), stellen seitliche Ausbreitungen der Kopflappen dar und zeigen bei allen bisher ' von mir beobachteten Tomopteriden im Wesentlichen dieselbe Bildung. Sie sind im Inneren hohl und stehen mit der Leibeshöhle in Kommuni- kation, so dass man die in dieser durch innere Wimperung cirkulirenden Geschlechtsprodukte etc. auch in jene ein- und austreten sieht. Von dem Gehirn aus geht ein Paar ziemlich starker Nerven in diese Kopf- lappen ein (Fig. 17a), um über der Höhlung durch die ganze Länge der Fühler beiderseits nach außen zu verlaufen. Über diesem Nerven und, wie es scheint, mit ihm zusammenhängend, liegt eine mit kernartigen - Körpern erfüllte granuläre Masse (Nervenschicht), von der sich, gegen die vordere Fühlerfläche gerichtet, sehr feine zum Theil sich verästelnde Fasern erheben (Fig. 17). Was das zweite Paar von tentakelartigen Anhängen des Kae das erste borstentragende (Fig. 1, 2b, 3, 4b), das ich in meinen früheren Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 445 Mittheilungen über die Tomopteriden'! als erstes Fühlereirrenpaar be- zeichnete, betrifft, so habe ich die damals von mir ausgesprochene und durch meine Beobachtungen begründete Ansicht, dass dieselben keines- wegs, wie von einigen Autoren angenommen worden war, nicht kon- stante Gebilde der Tomopteriden oder hinfällige Larvencharaktere der- selben darstellen, aufs Neue an den beiden Tomopteris-Arten von Rolas bestätigen können. Ich habe sie weder bei den jugendlichen noch bei den ausgewachsenen und geschlechtsreifen Thieren vermisst. Sie sind aber wegen ihrer etwas versteckten Lage leicht zu übersehen und können auch, wie ich ebenfalls früher schon hervorhob, beim Fang oder durch eine nicht vorsichtige anderweitige Behandlung leicht ab- reißen. Ein Unterschied besteht nur bei unseren beiden Arten darin, dass diese ersten Fühlereirren von T. Rolasi merkwürdigerweise zwei Borsten statt einer einschließen. Die am meisten in die Augen fallenden und für die Tomopteriden durchaus charakteristischen Anhänge des Kopfes sind die sehr langen armartigen und ebenfalls borstentragenden Fühlerecirren, die ich früher als das zweite Fühlercirrenpaar bezeichnete (Fig. 1, 2c, 3, kc, 18). Der innere Theil der sehr langen Borsten liegt in einer zelligen Scheide, von welcher sich namentlich die das Ende der Borste umhüllen- den Zellen durch ihre Größe auszeichnen (Fig. 18a). Es sind ungefähr drei oder vier Zellen, aus denen auch wahrscheinlich die erste Anlage der Borste erfolgt. Auch ein sehr starker Nerv tritt beiderseits vom Gehirn in den Bulbus der Borste und verläuft jenseits der zelligen Scheide an der unteren Seite der Borste, hier ähnlich wie an den Kopf- fühlern von kernhaltiger Körnerschicht bedeckt, aus welcher wiederum, wie dort, sehr feine Fasern, gegen die hintere und untere Fläche ver- laufend, austreten (Fig. 185). Die obere und seitlichen Flächen der Borsten werden jenseits der Borstenscheide von einem großzelligen nicht hohen Epithel bedeckt, einer direkten Fortsetzung des äußeren Körper- epithels (Fig. 18c). Diese Fühlereirren mit ihren Borsten werden durch ‚ starke Muskelbündel, die von dem inneren zelligen bulbösen Ende an ‚die innere Körperwand ireten, bewegt (Fig. 18d). Geschlechtsorgame der Tomopteriden. Auch rücksichilich der Geschlechtsorgane der Tomopteriden habe ich an den beiden Arten von Rolas einige meine früheren Mittheilungen ergänzende Beobachtungen gewonnen. Im sechsten Segmente und in jedem folgenden bis elftenincl. findet sich an der Basis der | i Über pelagische Anneliden von der Küste der kanarischen Inseln. Diese \ Zeitschr. Bd. XXXII. p. 265. AAG Richard Greeff, Fußstummel beiderseits ein Segmentalorgan (Fig. 19a, b, c, 20 a), bestehend aus einem kurzen kaum die Breite der Fußstummelbasis ein- nehmenden, etwas gebogenen und in der Längsrichtung des Körpers gelagerten Kanal (Fig. 19«), der innen mit feinen Wimpern bekleidet ist und mit einer rosettenförmig umrandeten größeren inneren gegen die Leibeshöhle gerichteten (Fig. 195) und einer kleineren scharf umrandeten, auf der Bauchseite liegenden äußeren Öffnung versehen ist (Fig. 19 c). Dem Rosettensaum der inneren Mündung sah ich zuweilen Spermato- zoidenbündel ansitzen (Fig. 19d). Bei den geschlechtsreifen Weibchen und zwar ebenfalls an beiden Arten fand ich jene merkwürdigen Genitalspalten, die zuerst von LEUCKART und PAGENSTECHER im Jahre 1858 an Tomopteris onisciformis (T. helgolandica) aufgefunden! und später nicht wieder beobachtet wurden. Sie kommen bei beiden Arten bloß am vierten und fünften Segment auf der Bauchseite, gerade vor dem Austritt der Fußstummel vom Körper vor und bestehen hier in jedem der beiden Segmente aus einem Paar quer gelagerter Spalten, die von wimpernden Leisten um- geben sind (Fig. 4 f). Beide Spalten sind auf der Mitte durch ein ein- faches, ebenfalls leistenförmiges Band verbunden. Diese Spalten öffnen sich innen in die Leibeshöhle und sind offenbar bestimmt für den Austritt der in den Rudern entstehenden und in der Leibeshöhle cirku- lirenden und reifenden Eier. Schon bei den jungen und nicht ge- schlechtsreifen weiblichen Tomopteriden sind die Genitalspalten als noch geschlossene Querleisten angelegt. Bei den Männchen beider Arten fand ich in den drei vorletzten Segmenten je ein Paar der zuerst von ÜARPENTER und ÜLAPAREDE? be- schriebenen Hoden, birnförmige Schläuche, die mit dunklen lebhaft sich bewegenden Spermatozoiden in verschiedenen Entwicklungsstadien erfüllt waren (Fig. 205). Außerdem fand ich bei den Männchen von Tomopteris Mariana die sonst sehr kleinen Flossen der beiden letzten Fußstummelpaare zuweilen sehr bedeutend vergrößert und mit Sper- matozoiden erfüllt (Fig. 3). Ob sie indessen hier auch entstehen oder aus der Leibeshöhle in diese Organe gelangt sind, vermag ich nicht zu entscheiden. Vergeblich habe ich mich auf Rolas bemüht über die erste Entwick- lung der Tomopteriden etwas zu ermitteln, obgleich ich häufig ge- schlechtsreife Weibchen von beiden Arten beobachtete, deren Leibes- 1 Untersuchungen über niedere Seethiere. Joa. MürLer’s Archiv für Anat. etc. 1858. pP; 588. 2 Further researches on Tomopteris onisciformis Eschscholtz. Transactions of the Linnean Soc. of London. V. XXIIH. p. 59. Taf. VII. Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 447 höhle mit Eiern in den verschiedensten Stadien der Reifung erfüllt war. Innerhalb der Leibeshöhle scheint indessen keine Weiterentwicklung der reifen Eier stattzufinden und außerhalb der Leibeshöhle habe ich, trotzdem ich einige Male geschlechtsreife Tomopteriden beiderlei Ge- schlechts ein paar Tage lebend erhalten konnte, keine Entwicklungs- stadien gefunden. 2. Alciopiden. (Fig. 22—44.) Wie die Mittheilungen über die Tomopteriden der Küste von Rolas und S. Thome, so schließen sich die hier folgenden über die Aleiopiden ebenfalls als Ergänzungen an meine früheren Unter- suchungen, namentlich an meine Monographie über diese Anneliden- gruppe ani. Ein besonderes Interesse dürften die früher von mir un- vollständig, nun genauer beobachteten Segmentalorgane, namentlich aber die merkwürdigen äußeren Geschlechtsorgane bieten, die ich bei den Männchen der unten ausführlich beschriebenen neuen Art, Rhyn- chonerella fulgens auffand. Mehrfach habe ich mich bemüht auch über die Entwicklung der Alciopiden weiteren Aufschluss zu gewinnen, namentlich über die ersten Entwicklungs- und Larvenstadien vor ihrem auf einer gewissen Stufe wahrscheinlich stets stattfindenden parasiti- schen Eindringen in andere pelagische Thiere (Gtenophoren etc.)2, aber vergeblich. Trotzdem ich einige Male trächtige weibliche Individuen, deren Leibeshöhle strotzend mit reifen Eiern erfüllt war und zu gleicher Zeit geschlechtsreife Männchen derselben Art auffand, so starben die- selben doch meistens sehr rasch ab, ohne dass es mir möglich gewesen wäre weiter sich entwickelnde Eier zu gewinnen. Auch in den von mir hierauf untersuchten kleineren Ctenophoren (die größeren, wie oben berichtet, fehlten im Auftrieb von Rolas) fand ich keine Alciopidenlarven. Von den unten aufgeführten Arten bildet die Rhynchonerella ful- gens den hauptsächlichen Repräsentanten der Alciopidenfauna von Rolas, die fast in keinem unter günstigen Bedingungen erlangten Auf- trieb fehlte. Die übrigen erschienen nur selten oder ganz vereinzelt. Im Folgenden werde ich mit der Charakterisirung der einzelnen Arten ! R. GrREEFF, Untersuchungen über die Alciopiden. Nova Acta d. kais. Leop.Car. Ak.d. Naturf. Bd. XXXIX. Nr. 2. p. 35. Ferner: Über das Auge der Alciopiden. Ein Beitrag zur Kenntnis des Baues der Retina. Sep.-Abdr. aus Sitzungsberichte d. Gesellsch. z. Bef. d. ges. Naturw. z. Marburg 1875. — Über die Alciopiden des N Mittelmeeres und insbesondere des Golfes von Neapel. Mitth. aus d. Zool. Station . z. Neapel. Bd. I. p. 448, ? a.a. O. R. GrEEFF, Untersuchungen etc. p. 417. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd, 30 448 . Richard Greefl, zu gleicher Zeit die Darstellung der an ihnen beobachteten, besonderes Interesse bietenden Form- und Lebenserscheinungen verbinden. A) Alciopa Gantrainii Delle Chiaje (Claparede). Alciopa Cantrainii war bisher bloß im Mittelmeer beobachtet wor- den, nämlich im Hafen und in der Straße von Messina und im Golf von Neapell!, Der Nachweis ihres Vorkommens im äquatorialen Theile des atlantischen Oceans erweitert'somit unsere Kenntnisse des Verbreitungs- gebietes dieser Alciopide sehr beträchtlich. Mit einiger Sicherheit kann wohl angenommen werden, dass die angeführten Fundorte im Mittel- meere und an den Küsten der Guinea-Inseln nur Endpunkte darstellen, zwischen denen sowohl im Mittelmeere als im atlantischen Ocean und im letzteren wahrscheinlich auch über die Guinea-Inseln hinaus unsere Alciopide heimisch sei. Ich habe in Rolas nur ein einziges Exemplar von Alciopa Cantrainii gefunden, aber lebend und vollkommen erhalten, so dass ich die Identität mit der Mittelmeerform zweifellos feststellen konnte. 2) Vanadis melanophthalmus nov. spec. (Fig. 22—25.) Bei einer Länge von ungefähr 4 cm sind durchschnittlich 50—60 Segmente vorhanden. Doch scheint Beides, die Länge und die Segmeni- zahl, starken Schwankungen unterworfen zu sein. Besonders auffallend ist diese Aleiopide durch den großen, fast quadratischen Kopf und die dunkeln beim Schwimmen des Thieres in einem Gefäße schwarz er- scheinenden Augen. Die letzteren sind außerdem, wie eine genauere Prüfung erweist, mit ihren vorspringenden Linsen stark nach vorn ge- richtet (Fig. 22), weit mehr als es bei den bisher bekannten Alciopiden- formen, mit, Ausnahme der später zu erwähnenden merkwürdigen Alciopide, deren Linsen mit ihren birnförmigen Pigmentkegeln ganz nach vorn sehen (s. p. 455), beobachtet worden ist. Dorsalwärts, mitten auf dem engen Zwischenraum der beiden Augen sitzt der unpaare kurze papillenförmige Kopffühler und um den etwas vorspringenden, aber kaum die Augen nach vorn überragenden Scheitel befinden sich, die beiden ebenfalls nicht langen, etwas gedrungenen und nach außen gebogenen Kopffühlerpaare (Fig. 22). Deutlich konnte ich an einem der lebend beob- achteten Thiere einen Theil der Gefäße des Kopfes verfolgen. Das Rücken- :gefäß geht ohne Theilung bis über den unpaaren Kopffühler, biegt dann schlingenförmig nach hinten, um bald darauf sich in zwei Äste zu 1 R. GrEEFF, Untersuchungen eic. p. 57 und: Über die Aleiopiden des Mittel- meeres etc. a.a. 0. p. 449. Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 449 theilen, die, den hinteren Umfang der Augen umgreifend, in die Tiefe des Kopfes eindringen (Fig. 22). Auf den Kopf folgen drei Paare dicht zusammengedrängter, fingerförmiger Fühlercirren, von denen der letzte der längste ist, dann das erste fußstummeltragende Segment, das gleich ausgezeichnet ist durch einen breiten blattförmigen Dorsaleirrus, den größten aller Fußstummel, der das Ruder, den Ventraleirrus und den größten Theil der Borsten von oben verdeckt (Fig. 22 a). Das Ruder dieses ersten Fußstummelpaares (Fig. 23) ist, ähnlich den gewöhnlichen, konisch (Fig. 23 a), an seiner Spitze in einen der Gattung Vanadis zu- kommenden, hier noch kurzen cirrenförmigen Anhang verlängert (b) und trägt drei verschiedene Formen von Borsten, nämlich die gewöhn- liche und keiner Alciopide fehlende in der Achse des Ruders verlaufende spitze Stachelborste, zweitens ungefähr sechs ebenfalls einfache aus dem Ruder divergirend hervortretende, an der Spitze gekrümmte Haken- borsten und endlich zwei oder drei längere über den ganzen Fußstummel nach außen hervorragende dünnere zusammengesetzte Borsten (Fig. 22). Nach hinten werden die Fußstummel, namentlich die Blattcirren, wie- der kleiner bis ungefähr zum siebenten oder achten Segment. Zu gleicher Zeit vermindert sich allmählich die Zahl der Hakenborsten unter Vermehrung der langen zusammengesetzten Borsten, bis unge- fähr am neunten Segment und an den nun folgenden die Ruder außer der einfachen Stachelborste nur ein Bündel langer, weit nach außen hervortretender zusammengesetzter Borsten besitzen (Fig. 24). Auch werden die Fußstummel, sowohl Ruder wie Cirren, nach der Mitte zu wieder etwas größer. Nach hinten werden sie dann wieder kleiner und die Segmente kürzer. Die letzten Segmente tragen statt der Fußstum- mel nur sehr kleine Höcker, die schließlich an dem breit abgestutzten Hinterende fast verschwinden (Fig. 24). 3) Vanadis setosa nov. spec. (Fig. 26.) Ein 'besonderes Interesse bietet diese Alciopide, die ich ein paar Mal im Auftrieb von Rolas fand, durch die eigenthümliche, gleich zu er- wähnende Form eines Theiles der zusammengesetzten Borsten der Ruder. Die Augen sind groß und wie bei der vorigen Art, sehr dunkel], fast schwarz, mit ihren Linsen etwas nach unten und vorn gerichtet. Der Scheitel des Kopfes tritt nicht über die Augen vor, sondern ist zwischen ihnen eingesunken und hier entspringen auch die kurzen paarigen Kopffühler, während der noch kürzere, fast knopfförmige un- paare Fühler dorsalwärts in dem sehr schmalen Zwischenraume der Augen liegt. Dann folgen vier Paare von Fühlereirren, das erste kurz, 30* 450 . ' Richard Greeff, unter den Augen liegend und von diesen verdeckt, das zweite, ebenfalls unter den Augen, ragt etwas nach außen hervor, die beiden folgenden längeren fingerförmigen Cirrenpaare liegen hinter dem Kopfe. Das letzte ist das längste. Die hierauf folgenden Fußstummel (Fig. 26) bestehen aus einem größeren dorsalen und kleineren ventralen Blatteirrus mit zwi- schen ihnen liegendem und sie etwas nach außen überragendem Ruder. Das mit einem meist kurzen cirrenförmigen Anhang versehene Ruder trägt erstens die mittlere nie fehlende Stachelborste, zweitens ein Bündel langer, feiner zusammengesetzter Borsten von gewöhnlicher Form (Fig. 26 a) und drittens ein kleineres Bündel von sehr starken zu- sammengesetzten Borsten, deren Endglieder schaufelförmig und nach außen gespitzt sind. Die Ränder der Schaufeln sind mit feinen Härchen besetzt (Fig. 26 b). Diejenigen Exemplare, die ich beobachtete, ermangelten des hin- teren Körperendes, das bei den Alciopiden sehr leicht abreißt oder ab- geworfen wird, so dass ich über die Form desselben so wie über die Länge und Gliederzahl keine bestimmten Angaben machen kann. 4) Rhynchonerella fulgens nov. spec. (Fig. 27—36.) Der schlanke, langgestreckte Körper hat bei einer Länge von circa 2 cm 70—80 Glieder und ist mit Ausnahme des Kopfes und der bräun- lichen Pigmentflecken und Streifen an den Segmenten vollkommen krystallbell. Der Kopf (siehe Fig. 27 und 28) ist mehr als doppelt so breit wie die darauf folgenden Segmente. Zu beiden Seiten desselben treten die großen rothbraunen Augen nach außen hervor, deren kugelige Linsen etwas nach unten und vorn gerichtet sind. Der Kopflappen erhebt sich, die Augen überragend, hügelförmig nach vorn. An seinem Scheitel sitzen beiderseits die zwei Paare der Kopffühler (Fig. 27a, 28) und hinter ihnen dorsalwärts zwischen den vorderen Abschnitten der Augen der kleine unpaare fünfte Fühler (Fig. 275). Gleich hinter dem Kopf folgen vier Paare dicht zusammengedrängter Fühlereirren, von denen ein Paar bedeutend länger ist, als die anderen und gleich einem etwas nach vorn geschwungenen Horn (Fig. 27c, 28) nach außen her- vorragt. Dasselbe sitzt auch auf einem größeren Basalgliede als die übrigen kleineren Fühlereirren (Fig. 28). Die auf den Kopf und die Fühlereirren folgenden Segmente tragen gleich je ein vollständig ent- wickeltes Fußhöckerpaar, bestehend aus einem mittleren konischen, borstentragenden Ruder und einem oberen und unteren Blatteirrhus. Die Ruder des ersten Fußhöckerpaares (Fig. 27d, 28a, 33a) enthalten die gewöhnliche, den Alciopiden eigenthümliche, mittlere, bis zur Spitze Re WE u en a Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 451 des Ruders verlaufende und diese in der Regel noch durchbohrende Stachelborste und außerdem zwei eben so kräftige einfache Borsten, die aus dem Ruder, und über dasselbe und die Cirren nach außen diver- girend, hervorragen. Außerdem enthält das Ruder eine oder zwei sehr feine und viel längere zusammengesetzte Borsten. Der Rückeneirrus ist breit blattförmig und bedeckt von oben das Ruder, während der Bauch- eirrus klein und weiter nach außen am Ruder inserirt ist. Das zweite Fußstummelpaar hat eine ähnliche Zusammensetzung als das erste, nur enthält das Ruder statt der zwei längeren Stachelborsten ein Bündel von vier oder fünf, die nach außen divergirend über das Ruder und den Rückeneirrus hervortreten (Fig. 27, 28, 309). Dieses Verhältnis bleibt bis ungefähr zum 12. Segment, von wo ab die Zahl der langen Stachel- borsten wieder abnimmt und schließlich auf eine reducirt wird (Fig. 27 e, 28, 33), die nun in den folgenden Segmenten neben der mittleren Ruderstachelborste bestehen bleibt. Die Zahl der langen feinen und zusammengesetzten Borsten (Fig. 34) mehrt sich von den ersten Seg- menten, in denen nur eine oder zwei vorhanden sind, allmählich nach hinten zu und wächst gegen die Mitte des Körpers zu einem ansehnlichen Bündel an (Fig. 27, 28). Nach hinten nehmen die Segmente und Fuß- stummel allmählich an Größe wieder ab und mit ihnen die Zahl der Borsten. Das letzte Segment ist nach hinten abgerundet und trägt zwei ziemlich lange Analecirren (Fig. 29). Ein besonderes Interesse gewinnt diese Alciopide durch ihre Seg- mentalorgane, die schon früher von Kroun, HERING, CLAPAREDE und mir bei anderen Alciopiden beobachtet worden sind! und die damit in Verbindung stehenden merkwürdigen äußeren Geschlechtsorgane. Bei den geschlechtsreifen Männchen finden sich im 1 0., 11., 42. und 13. Segmente je ein Paar wurmförmig gewundener mit Spermatozoiden erfüllter Schläuche (Fig. 27f, 28c, 30a, 33a). Ihr vorderes und inneres Ende hat eine, wie es scheint, sehr feine Öffnung, die ich nur undeutlich gesehen habe und vermittels welcher die Sper- matozoiden aus der Leibeshöhle aufgenommen werden. Diese Schläuche stehen nun mit sehr eigenthümlichen unter den Fußstummeln des A 0., 44.,12. und 43. Segmentes gelegenen zapfenförmigen nach außen über die Segmente hervortretenden und etwas nach hinten gekrümmten Organen (Fig. 28c, 30) in Verbindung. Die inneren Schläuche treten ‚mit einem feinen Kanal (Fig. 30c) in diese Zapfen ein und münden auf dem Ende derselben nach außen (Fig. 30. d). Wenn man einen mäßigen Deckglasdruck auf lebende, derartige i Siehe meine Untersuchungen über die Alciopiden. p. 447. A52 Richard Greeff, Segmentalorgane tragende Thiere anwendet, so sieht man, wie die Sper- matozoiden aus dem Schlauche in den den äußeren Zapfen durchlaufen- den Kanal treten und durch diesen nach außen geführt werden (vgl. Fig. 30.c, d). Der Kanal durchläuft im Inneren des Zapfens eine ziem- lich dicke drüsenartige Schicht, bestehend aus Zellen (Fig, 30.f) und dichtgedrängten Schläuchen, die mit körniger Masse erfüllt sind (Fig. 30e und 30’e). Die Spermatozoiden entstehen aus der Zellenschicht der inneren Leibeswand, die namentlich in den Segmenten, in welchen die beschriebenen Segmentalorgane sich befinden, zur Zeit der Geschlechts- reife eine große Mächtigkeit erlangt. Auf Querschnitten sieht man, wie diese Zellwülste in das Lumen der Leibeshöbhle hineinragen (Fig. 32c). Erwähnen will ich zum Schlusse noch einer sehr merkwürdigen im Darmkanal dieser Alciopide schmarotzenden Gregarine, die ich Gregarina annulata nennen will. Der Körper ist wurmförmig ge- streckt und ähnlich den Anneliden in regelmäßig auf einander folgende Ringe getheilt (Fig. 35). Das Innere besteht aus körniger Masse und enthält ungefähr in der Mitte des Körpers einen ziemlich großen ovalen Kern. Das vordere. etwas zugespitzte Ende zeigt außerdem eine deut- liche Längsstreifung. Die äußere Ähnlichkeit mit einem Wurme wird noch dadurch erhöht, dass die Bewegungen durch wurmförmige Krüm- mungen des Körpers erfolgen. An die Rhynchonerella fulgens will ich hier noch die Gharakteri- sirung einer Alciopidenform anschließen, die ich trotz mancher Verschie- denheiten mit jener, dennoch ihr zugehörig resp. für eine Larve der- selben halten'möchte. Es ist dieses die auf Taf. XIV, Fig. 36 abgebildete Alciopide. Der im Verhältnis zu der ausgewachsenen Rhynchonerella mehr gedrungene und gegen die Mitte mehr verbreiterte Körper hat eine Länge von 7—8 mm und circa 20 Segmente. Der Kopf ist breit und kurz und trägt an seinem nur sehr wenig vorspringenden Scheitel zwei Paare sehr kurzer Fühler, während der unpaare Kopffühler fehlt. Dieser Mangel bildet einen wesentlichen Larvencharakter der Alciopiden!. Von den vier Fühlereirrenpaaren treten zwei von gleicher Länge unter dem Kopfe nach außen hervor, die anderen sind sehr kurz und von oben nicht sichtbar. Die Segmente sind viel kürzer als bei der ausgebildeten Rhynchonerella und die blattförmigen Rückeneirren breiter und größer, so dass sie sich, von. oben gesehen, dachziegelartig decken, während sie sich bei der ausgebildeten Rhynchonerella nicht berühren: (vgl. Fig. 27 und 28). Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied im äußeren Habitus der beiden Formen begründet. Nach hinten zu werden die 1 Siehe meine Untersuchungen über die Alciopiden. p. 418. Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 453 Segmente im Verhältnis zur Breite etwas länger und die Cirren kleiner. Das letzte Segment endigt übereinstimmend mit unserer Rhynchonerella mit zwei fadenförmigen Analcirren. Abgesehen von der erwähnten Differenz der Rückencirren stimmen die Fußstummel, namentlich die Borsten der Ruder, im Allgemeinen durchaus mit denjenigen der aus- gebildeten Rhynchonerella fulgens überein und das bildet wieder einen wesentlichen Grund zur Zusammenstellung der beiden Formen. Ich fand diese Aleiopidenlarve nur ein paar Mal im Auftrieb von Rolas, also sehr selten im Verhältnis zu der häufig auftretenden reifen Form. 5)-Alciopa longirhynchanov. spec. (Fig. 37.) Die Alciopide, die ich mit dem obigen Namen bezeichne und die ich in einem Exemplar, und dieses nur in seinem vorderen Körpertheil woblerhalten, beobachtete, ist ausgezeichnet durch den weit hervor- streekbaren und auf seiner Spitze mit den beiden papillenförmigen Greiforganen versehenen Rüssel (Fig. 37 a), der auch bei anderen hier- her gehörigen Formen wie Asterope candida Claparede, Vanadis ornata Greeff, Nauphanta celox Greeff! in ähnlichen Formverhältnissen vor- kommt. ; Dieser Rüssel oder Pharynx besteht aus einer äußeren Zell- und einer inneren: Muskelschicht, welche den mit dem Darm resp. Ösophagus kommunicirenden Kanal des Rüssels umfasst.. Der. letztere öffnet) sich vorn mit einer weiten Mündung (Fig. 37c) von der beider- seits zwei lange nach außen ‚zugespitzte Fangarme (d) ausgehen. Der Kopf ist breit mit zwei großen rothbraunen Augen und kurzen an dem nicht vorspringenden Scheitel sitzenden paarigen und einem kurzen papillenförmigen unpaaren Fühler. , Sehr bemerkenswerth ist das erste auf den Kopf folgende Füblercirrenpaar, das in meinem Exemplar in, auf kurzen breiten Stielen sitzende, kugelförmige Organe umgewandelt war (Fig. 37e), die,ganz mit dunkelkörnigen und lebhaft sich bewegen- den Körperchen erfüllt waren.: Ich glaube wohl nicht zu irren, wenn ich die letzteren als Spermatozoiden deute, die. entweder hier, und in diesem Falle in den nach Lage und Form eigenthümlichen Hoden:ge- bildet sind, ‚oder. aus. der Körperhöhle, vielleicht in. Verbindung mit Segmentalorganen, aufgenommen und von hier zur Befruchtung über- tragen. werden. Auf diese Organe folgen noch vier Paare von kurzen Fühlereirren, je ein Paar einem Segment entsprechend und dann die borstentragenden Fußstummel, bestehend aus dem mittleren konischen, eine Stachelborste und ein Bündel feiner langer und einfacher Borsten 1 R. GREEFF, Untersuchungen über die Alciopiden. pP. 81. 454, Richard Greefi, tragenden Ruder und einem blattförmigen, von der Basis des Ruders austretenden Rückencirrus und kleinerem mehr nach außen am Ruder ansitzenden Baucheirrus. } Im Anschluss an die bei der obigen Alciopa longirhyncha vorkom- menden, zu Hoden oder Samenbehältern umgestalteten Fühlerecirren, möge hier noch die Beobachtung einer anderen in gewisser Richtung analogen Erscheinung Erwähnung finden. Sie betrifft ebenfalls eine Rhynchonerella-Art, die im Übrigen nicht viel Bemerkenswerthes zeigte, deren zweites und drittes Fußstummelpaar einen überzähligen, zwischen Rückencirrus und Ruder liegenden blattförmigen Cirrus besaßen, die alle dunkle rundliche Körperchen enthielten (Fig. 38—41), bald in einzelnen mehr oder minder abgegrenzten rundlichen Feldern (Fig. 40), bald in größerer Ausdehnung, so dass die fraglichen Organe strotzend mit jenen Körperchen erfüllt waren (Fig. 38 und 39). Bei genauerer Prüfung und Isolirung der Körperchen stellten sich dieselben als sper- matozoidenähnliche Gebilde dar, bestehend aus einem länglichen nach hinten zugespitzten Vordertheil oder Kopf und einem fadenförmigen Anhang (Fig. 44). Bemerkenswerth ist, dass ich diese mit Stäbchen erfüllten überzähligen Blatteirren bei weiblichen Individuen antraf, deren Leibeshöhle strotzend mit Eiern in den verschiedensten Entwick- lungsstadien erfüllt war. Ich war Anfangs geneigt jene Organe mit den merkwürdigen Stäbchen und Stäbchenbündeln in den Flosseneirren der Typhloscoleciden! in Verbindung zu bringen und sie demgemäß wie dort als Nessel- oder Haftorgane zu deuten, halte es indessen doch nun für wahrscheinlicher, dass sie Samenbehälter der weiblichen Individuen darstellen. Wie der Samen indessen in diesem Falle in die Cirren hin- eingelangt, müssen weitere Beobachtungen erweisen. Zum Schlusse muss ich hier noch einer eigenthümlichen Anneliden- form gedenken, die zwar in der Ausbildung der Augen sich an die Alciopiden anschließt, in der Stellung derselben aber und ihren übrigen Charakteren, so weit ich sie an den beiden nur in ihrem Vordertheil unverletzten Exemplaren, die mir zu Gesicht gekommen sind, beob- achten konnte, kaum mit jener Annelidengruppe zu vereinigen ist. Der im Vergleich mit den übrigen Aleiopiden nur kleine und wenig vom Körper abgesetzte Kopf trägt statt der Fühler zwei Paar kleine papillenförmige Höcker und an seinem hinteren Abschnitt ein Paar größerer ebenfalls papillen- oder knopfförmiger Fühlercirren. Die Augen bestehen aus zwei verhältnismäßig kleinen birnförmigen braunrotben i Siehe R. GrEEFF, Über pelagische Anneliden von der Küste der kanarischen Inseln. Diese Zeitschr. Bd. XXXil. p. 275. — Derselbe, Typhloscolex Mülleri. Ebenda. Bd. XXXII. p. 661. Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. 455 Bulbi mit aus ihnen hervortauchenden Linsen und sind völlig in der Längsrichtung des Körpers fast parallel neben einander nach vorn ge- richtet. Auf die beiden Fühlereirren am Kopfe folgen noch zwei ähn- liche Paare am Körper. Alle drei Paare enthalten in den nach außen gerichteten knopfförmigen Anschwellungen einen kleinen Haufen dunkler Körperchen, ähnlich denen, die in den Fühlereirren der oben beschrie- benen Alciopa longirhyncha vorkommen. Dann folgen noch 8—9 Paare von kleineren papillenförmigen Fühlercirren , je ein Paar einem kurzen Segment entsprechend, und dann erst die borstentragenden Fußstummel, Anfangs nur aus dem mittleren konischen Ruder mit einem schwachen Bündel feiner einfacher Borsten bestehend, dem sich allmählich auch die Rücken- und Bauchcirren anfügen. Marburg, im April 4885. Erklärung der Abbildungen. Tafel XII. Tomopteriden. Fig. 1—21. Fig. 1. TomopterisRolasi Greeff. Vergrößerung 20/1. Fig. 2. Vordertheil derselben bei stärkerer Vergrößerung. a, Kopflappen mit den beiden Fühlern; b, erstes Fühlercirrenpaar; c, zweites Fühlercirrenpaar ; d, rosettenförmige Organe der Flossen ; e, rosettenförmige Organe der Ruder; f, Flossendrüse; Fig. 3, Tomopteris Mariana Greeff. Vergrößerung circa 46,1. Fig. 4. Vordertheil derselben bei stärkerer Vergrößerung. a, Kopflappen mit den beiden Fühlern; b, erstes Fühlercirrenpaar; c, zweites Fühlereirrenpaar ; d, rosettenförmige Organe der Flossen; e, rosettenförmige Organe der Ruder; f, Genitalspalten des ©. Fig. 5. Ein Ruder der beiden ersten Segmente von Tomopteris Rolasi bei noch stärkerer Vergrößerung. a, das rosettenförmige Organ der Flosse ; b, das rosettenförmige Organ des Ruders; c, Flossendrüse ; d, die gelbe Rosette im rosettenförmigen Organ der Flosse ; e, Drüsenschicht der Flosse, von der die den Flossensaum durchlaufen- 456 . Richard Greeff, den und gegen die Peripherie: sich FRBRIPeIdeR Drüsenschläuche aus- gehen; f, gelbe Rosette im rosettenförmigen Organ des Ruders; g, Ovarium. ig. 6. Rosettenförmiges Organ der Flossen von Tomopteris Rolasi. a, gelbe Rosette; b, Saikerkäropien aus derselben Bere fzee Linse, VEIDovsKY (?). „ 7. Dasselbe, a, gelbe Rosette; b, der Sarkodetropfen ist weiter hervorgetreten und im Begriff sich abzu- schnüren. Fig, 8. Querschnitt ‘durch einen Fußstummel von’ Tomopteris Rolasi in der Gegend des rosettenförmigen Organes der Flossen. Fig. 9. Flosse einer ganz jungen Tomopteris.Rolasi. Von der die Ruderastenden umgebenden Drüsenschicht gehen sich verzweigende, mit einander anastomosirende und an dem Flossenrande mündende Schläuche. aus; Fig. 9a. Zwei solcher Drüsenschläuche der Flosse mit ihrem Anastomosennetz bei starker Vergrößerung. Fig. 40. Ein isolirtes rosettenförmiges Organ der Ruder von Tomopteris Rolasi. a, Ganglion (?). Fig. 41. Dasselbe ohne gelbe Rosette und in anderer Lage. a, Ganglion. g. 42. Rosettenförmiges Organ im Ruder von Tomopteris Mariana. ig. 13—16. Dasselbe in verschiedenen Lagen. a, Ganglion; b, demselben ansitzende Stäbchenbündel (Spermatozoiden?). = a = da Er 00 Tafel XIII. ig. 47. Die beiden Kopffühler von Tomopteris Rolasi. a, die vom Gehirn ausgehenden beiden Nerven, die in die Fühler ein- tretend bis an deren Ende verlaufen. Über diesen Nerven und, wie es scheint, mit ihnen in Verbindung, liegt eine mit kernartigen Kör- pern erfüllte granuläre Schicht, von der sich, nach vorn verlaufend, sehr feine Fasern erheben. Fig. 418. Der innere Theil eines Fühlercirrus vom zweiten, langen borsten- tragenden Fühlercirrenpaare, bei starker Vergrößerung. a, die großen das innere Ende der langen Borsten umhüllenden Zellen, nach außen in die Zellscheide der Borste übergehend; b, kernhaltige Körnerschicht, dicht den eintretenden Nerven anliegend, mit ausstrahlenden Fasern gegen die hintere Fläche der Fühlercirren gerichtet. Fig. 49. Segmentalorgane von Tomopteris Rolasi und’ Mariana. a, wimpernder innerer Kanal; db, innere rosettenförmige Öffnung; c, äußere Öffnung. Fig. 20. Das hintere Ende einer männlichen Tomopteris Mariana. a, Segmentalorgane; b, Hoden. Fig. 24. Stück des Darmes von Tomopteris Rolasi. S m | Über die pelagische Fauna. an den Küsten. der Guinea-Inseln. 457 a, Darmepithel; b, eingekapselte Gregarinen in der- Darmwandung,. Fig. 22. Vanadis melanophthalmus Greeff. Vorderkörper. a, Rückencirrus des ersten borstentragenden Fußstummels. Fig. 23. Erster borstentragender Fußstummel von Vanadis melanophthalmus. a, Ruder; b, cirrenförmiger, für die Gattung Vanadis charakteristischer, Anhang am Ruder; c, Rückencirrus; d, Bauchecirrus. Fig. 24. Fußstummel aus der mittleren Körperregion derselben Alciopide. a, Rückencirrus; b, Bauchcirrus; c, eirrenförmiger Anhang am Ruder. Fig. 25. Hinterende derselben. Fig. 26. Fußstummel der vorderen Segmente von Vanadis setosa Greeff. a, die langen und feinen zusammengesetzten Borsten; b, die kürzeren und starken zusammengesetzten Borsten, deren äußere Glieder rinnenförmig ausgehöhlt und an. den Rändern mit feinen steifen Härchen besetzt sind; c, Rückencirrus; d, Bauchcirrus, Fig. 27. Rhynchonerella fulgens Greeff. & Vordertheil des Körpers von oben. a, die paarigen Kopffühler; b, der unpaare Kopffühler; c, die Füblercirren ; d, erster borstentragender Fußstummel; e, Fußstummel des 12. Segmentes, in welchem das Bündel der langen Stachelborsten der vorderen Segmente auf eine reducirt ist; f, die Segmentalorgane im 40. bis 43. Segment. Fig. 28. Rhynchonerella fulgens 5. Vordertheil von unten. a, erster borstentragender Fußstummel; b, Segmentalorgane; c, äußere Geschlechtsorgane mit den Segmentalorganen in Verbindung. Fig. 29. Hinterende von Rhynchonerella fulgens. Fig. 30. Fußstummel und Segmentalorgane derselben aus einem der diese Or- gane tragenden i0. bis 43. Segmente. a, innerer Schlauch des Segmentalorganes ; b, äußerer Theil der Segmentalorgane resp. äußere Geschlechtsorgane, bestehend aus einem an der Bauchseite der betreffenden Segmente gelegenen nach außen hervorragenden Zapfen ; c, Samenkanal vom inneren Schlauch aus in den äußeren Zapfen tretend ; d, Mündung des Zapfens resp. äußere Mündung des Segmentalorganes ; e, die mit körniger Masse erfüllten Schläuche der Drüsenschicht desZapfens ; f, der zellige Theil der Drüsenschicht; 9, Fußstummel ; h, Rückencirrus desselben ; i, Baucheirrus. Fig. 30’ e. Die Schläuche der Drüsenschicht stark vergrößert. 458 . Richard Greeff, Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. Fig. 34. Paariger Kopffühler von Rhynchonerella fulgens. a, eintretende Nervenfasern ; b, gewundene bandförmige Fasern an der Oberfläche mit einem glänzen- den Knöpfchen endigend (Nervenendorgane?). i Fig. 32. Rückencirrus von Rhynchonerella fulgens bei stärkerer Vergrößerung. a, in denselben eintretender Faserstrang mit Zellen; b, die von dem Strang ausstrahlenden, zum äußeren Rand des Cirrus ver- laufenden und hier mit einem glänzenden Stäbchen über die Ober- fläche hervortretenden Fasern (Nervenfasern ?). ., Tafel XIV. Fig. 33. Querschnitt durch ein Segment in der Region der Segmentalorgane von Rhynchonerella fulgens. a, Ruder des Fußstummels mit der mittleren Stachelborste und einer der nach außen tretenden an der Spitze gekrümmten starken und ein- fachen Borsten ; a’, Rückencirrus; a”, Bauchcirrus; d, durchschnittene innere Samenschläuche der Segmentalorgane ; c, Zellwülste an der Innenwand der Segmente, in denen die Segmental- organe sich befinden und von denen die Samenzellen wahrscheinlich ihren Ursprung nehmen; d, Darmkanal ; £ e, Bauchganglion im Querschnitt; f, eirkuläre Muskelschicht; 9, Längsmuskelschicht. Fig. 34. Eine der langen feinen und zusammengesetzten Borsten. Fig. 34’. Gefäße im Kopfe derselben. a, Rückengefäß;; b, Bauchgefäß. Fig. 35. Gregarina annulata aus dem Darm von Rhynchonerella fulgens. Fig. 36. Larve von Rhynchonerella fulgens (?). Fig. 37. Alciopa longirhyncha Greef. - a, der ausgestreckte Rüssel oder Pharynx; d, die Muskelschicht desselben ; c, die vordere Öffnung; d, die beiden Fangarme; e, die beiden vorderen und zu knopfförmigen Samenbehältern umge- wandelten Fühlercirren. Fig. 383—40. Blattförmige Cirren von den Fußstummeln einer Rhynchonerella zwischen Rücken- und Baucheirrus liegend, erfüllt mit spermatozoidenähnlichen Körpern. Fig. 41. Ein isolirtes Körperchen aus diesen Cirren, bestehend aus einem zuge- | spitzten Stäbchen und einem diesem anhängenden Faden. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus (Lam.) und des Halicryptus spinulosus (v. Sieb.)'. Von Dr. W. Apel in Göttingen. Mit Tafel XV— XVII. Die ersten genaueren Kenntnisse von der inneren Organisation der beiden Gattungen der Familie der Priapulaceen, Priapulus und Halicry- ptus, haben wir erhalten durch die eingehenden Arbeiten von EnLers? aus dem Jahre 1861, deren Resultate bis auf den heutigen Tag als grund- legend für den anatomischen Bau der gesammten Familie der Priapula- ceen.zu Recht bestehen. Die Arbeiten, welche vor Eners Vertreter dieser Familie zum Gegenstand ihrer Untersuchung hatten, sind zum großen Theil rein systematischer Art; die wenigen, welche sich auch mit der inneren Organisation der Thiere befasst haben, wie die von J. Ratake®, En. Forses* und von Frey und LeuckArT5, sind in ihren Resul- taten theils sehr lückenhaft, tbeils, wie die zuletzt citirte Arbeit, durch eine Verwechslung von Mund und After falsch. Dieselben haben durch 1 Nachstehende Arbeit ist der Abdruck einer gleichnamigen Inaugural-Disser- tation, welche im Februar dieses Jahres der philosophischen Fakultät zu Göttingen gedruckt, jedoch ohne Tafeln, eingeliefert wurde. Zwischen dieser ersten Publikation derselben und ihrer Wiederveröffentlichung in dieser Zeitschrift erschien die Arbeit von SCHARFF, »On the skin and the nervous system of Priapulus and Halicryptus « in: The Quarterly Journal of Microscopical Science, April 4885, deren Resultate, beson- ders diejenigen, welche mit denen der nachstehenden Arbeit differiren, hier in Fuß- noten berücksichtigt sind. 2 Diese Zeitschr. Bd. XI. p. 205 und 404. 3 Zoologia Danica. Vol. IV. p. 19. * E. ForBEs, »A history of british Starfishes and other animals of the class Echinodermata«. London 4841. p. 257. 5 Frey und LEUCKART, »Beiträge zur Kenntnis wirbelloser Thiere, mit beson- derer Berücksichtigung der Fauna des norddeutschen Meeres«. 2 Kupfertafeln, - Braunschweig 1847. Nr. 1. p. A. 460 . W. Apel, Euters eine Berichtigung erfahren und sind daher nur noch von histo- rischem Interesse. Die Untersuchungen von Enters, deren Resultate in den beiden ceitirten Arbeiten niedergelegt sind, beschäftigen sich nur mit den groben anatomischen Verhältnissen des Körpers und berühren den mikroskopisch-anatomischen Bau der einzelnen Organe nur so weit, als mit der damaligen unvollkommenen Untersuchungsmethode Klarheit darüber zu erlangen war. Letzteres war nur in sehr wenigen Fällen möglich und musste Aufgabe einer späteren Untersuchung bleiben. Die Lücke in der anatomischen Kenntnis des Priapulaceenkörpers machte sich um so fühlbarer, da ein wichtiges Organsystem, das Ner- vensystem, dessen Kenntnis bei der Beurtheilung verwandtschaftlicher Beziehungen absolut nothwendig ist, sich durch seine Lage der Präpa- ration vollständig entzog. In den später erschienenen Arbeiten der schwedischen Forscher Koren und DanieLsen ! ist nichts enthalten, was diese Lücke ausfüllte. Die Angaben derselben beziehen sich nur auf die groben anatomischen Verhältnisse einer anderen Species, des Priapulus bicaudatus. Die Untersuchungen von V. Graser 2, »Über die Haut einiger Stern- würmer«, sind zwar zu dem Ende veröffentlicht, Angaben von Enuters zu verbessern und zu vervollkommnen, haben ihren Zweck jedoch nur sehr unvollkommen erreicht, indem sie wesentlich Neues nicht gebracht, dagegen richtig Erkanntes durch falsche Angaben verwirrt haben. Zur genaueren Kenntnisnahme der älteren Litieratur verweise ich auf den »Geschichtlichen Überblick « in der Arbeit von Entrrs?, Die erste und einzige Arbeit, welche in neuerer Zeit die Unter- suchung der einzelnen Organe des Priapulaceenkörpers, gestützt auf die neuesten Untersuchungsmethoden, vor allen der Schnittmethode, bezweckte, ist die Abhandlung von Horst, »Zur Anatomie und Histo- logie des Priapulus bicaudatus«. Als diese Arbeit erschien, waren meine Untersuchungen bereits bis zu einem gewissen Punkte gediehen und hatten Resultate ergeben, welche sich mit Horsr’s Angaben nicht in allen Punkten deckten. Dieses sowohl, wie auch der Umstand, dass Horst nur zwei auf der Expedition des » Barent« gesammelte Exemplare 1 Den Norske Nordhavs-Expedition 1876—78. III Gephyrea S. 413 und Fauna litt. Nord. Part. III. p. 446. 2 Sitzungsberichte der kaiserl. Akad. der Wissenschaften in Wien. Mathem.- naturw. Klasse. Bd. LXVII. p. 61. 3 Diese Zeitschr. Bd. XI. p. 206. * Horst, Niederländ. Archiv f. Zool. Supplementbd. I. Gephyrea II. »Zur Ana- tomie und Histologie des Priapulus bicaudatus«. - Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 461 zur ‘Verfügung gehabt hatte, während mir frisches Material in reich- licher Menge zu Gebote stand, haben mich bewogen meine Arbeit fort- zusetzen, in der Hoffnung die Beantwortung gewisser, von Horst offen gelassener Fragen zu einem bestimmten Abschluss zu bringen. Wenn diese Hoffnung sich auch nun zum Theil erfüllt hat, und ich in den Stand gesetzt bin, Angaben von Horst theils zu berichtigen, theils zu erweitern, so bleiben doch auch manche Punkte, deren Klar- stellung ich späteren Untersuchern überlassen muss. Zum Schlusse möge es mir an dieser Stelle noch gestattet sein, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. EnLers, unter dessen Leitung die Arbeit entstanden ist, sowohl für die Hilfe, welche er mir durch Rath und That zu Theil werden ließ, so wie für das lebhafte Inter- esse, welches er stets für meine Arbeit gezeigt hat, meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Die Untersuchungsobjekte zu vorliegender Arbeit wurden aus Kiel bezogen und in den Aquarien des Institutes bis zu ihrem Gebrauche lebend erhalten, | Bei Abtödtung der Thiere kam es darauf an, dieselben in möglichst ausgestrecktem Zustande zu erhalten, da eine starke Kontraktion des Körpers, wie sie bei gewaltsamer Tödtung fast immer eintritt, vielen Untersuchungsmethoden Schwierigkeiten bereitet. Nach mehreren ver- geblichen Versuchen erwies sich als einzig brauchbare Methode die Ab- tödtung in warmem Wasser, welche auf doppelte Weise ins Werk ge- setzt werden kann. Entweder stellt man die lebenden Tbhiere in einem Schälchen mit Seewasser auf ein Wasserbad und lässt dieselben mit dem sich erwärmenden Wasser absterben, wobei jedoch die Tempera- tur des Wassers 40° C. nicht überschreiten darf, oder man erfasst das Thier im Zustande möglichster Ausdehnung mit der Pincette und taucht dasselbe einen Moment in siedendes Wasser. ‘Hierdurch wird dasselbe nicht getödtet, sondern nur gelähmt und in einen Zustand völliger Er- schlaffung versetzt, in welchem es rasch aufgeschnitten und in die Kon- servirungsflüssigkeit übertragen werden muss. Beide Methoden haben den Nachtheil, dass das warme Wasser, wenn auch nur. in geringem Maße, verändernd auf das Nervensystem einwirkt, so dass dasselbe sich schlechter färbt und in Folge dessen unklare Bilder liefert. Zur Untersuchung des Schlundringes und der Nerven am Schlundkopf empfahl es sich, mit raschem Schnitte den ge- ‚ sammten Rüssel vom Thiere zu trennen und in die Konservirungsflüssig- \ keit fallen zu lassen, wohingegen zur Untersuchung des Bauchmarkes 462. W. Apel, das lebende Thier aufgeschnitten und aufgespannt gehärtet werden musste, was mit einigen Schwierigkeiten verknüpft war. Als Konservirungsflüssigkeiten sind 1/,0/,ige Ghromsäure, Pikrin- Schwefelsäure, doppeltehromsaure Kalilösung und reiner Alkohol in An- wendung gekommen. Die in Chromsäure gehärteten Objekte wurden zur Entfernung der Säure nach der Härtung so lange unter den Wasser- lauf gesetzt, bis sie nicht im geringsten mehr gelb gefärbt erschienen ; nur dann war auf eine gute Färbung zu rechnen. Osmiumsäure war nur in wenigen Fällen zu verwenden, da der starke cuticulare Überzug des Körpers ein rasches Eindringen derselben verhinderte. Unter den Tinktionsflüssigkeiten habe ich die besten Erfolge mit einer Essig-Karminlösung erzielt, deren Herstellungsweise ich leider nicht angeben kann, da dieselbe nicht publicirt ist. Ich verdanke die- selbe der Güte des Herrn Dr. Hamann, welcher mir dieselbe bereit- willigst und in genügendem Maße zur Verfügung stellte. Färbungen mit Borax- und Alaunkarmin leiden beide, namentlich aber die letztere, an allzu großer Verschwommenheit und waren zur Untersuchung der Haut und des Nervensystems nicht zu verwenden. Zur Färbung einzel- ner Schnitte wurden Grenacher’sches Essigkarmin, Dahlia, Hämatoxylin und Pikrokarmin verwendet. Bei Anführung der Untersuchungsmethoden muss das Anfertigen von Schnittreihen in erster Linie genannt werden. Das Verfahren hier- bei war folgendes: Das gehärtete, gefärbte oder ungefärbte Objekt wurde entwässert, mit Chloroform vollständig durchtränkt und auf dem Wasserbade bei höchstens 50°C. in Paraffin eingebettet. Das Über- tragen aus Chloroform in Paraffin musste, um Schrumpfungen in den Geweben möglichst zu vermeiden, allmählich geschehen, indem eine Lösung von Paraffin in Chloroform als Zwischenglied eingeschoben wurde. Die Schnitte selbst wurden mit einem kleinen Spenser’schen Mikrotome angefertigt, vermiltels einer Schellacklösung in Alkohol auf dem Objektträger befestigt, mit Terpentin entfettet und in Dammara oder in in Terpentin gelöstem Kolophonium eingeschlossen. Gegen Ende meiner Untersuchung bot sich die Gelegenheit, die von H. ScuäLızaun ! angegebene Befestigungsart der Schnitte auf dem Objektträger zu probiren ; dieselbe bewährte sich ausgezeichnet und ist der Anwendung einer Schellacklösung vorzuziehen, namentlich dann, wenn es sich darum handelt, Schnitte nach dem Entfetten auf dem Objektträger zu färben, in welchen Falle sich bei der Befestigung mit Schellack stets ein oder der andere Schnitt loslöste. 1 Archiv f. mikr. Anat, Bd. XXII. p. 689. \ | ' | i | Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 463 Die feine Kolophoniumschicht, welche nach dem Verdunsten des Nelkenöls auf dem Objektträger zurückblieb und die Anheftung bewirkte, beeinträchtigte das mikroskopische Bild nicht im mindesten. Außer Paraffin wurden Glycerinseife und Celloidin als Einbettungs- masse verwendet. Erstere ließ sich zwar sehr gut schneiden, beein- trächtigte. aber die Färbung der Präparate durch ihre alkalische Wirkung derart, dass nur geringe Resultate mit ihr erzielt wurden. Celloidinein- bettung ist für solche Objekte in Anwendung gebracht, bei denen es weniger darauf ankam ganze Schnittreihen zu erhalten, ‘als einzelne dünne Schnitte; zur Herstellung von Schnittreihen war dieselbe nicht zu verwenden, da die Masse zu weich war, um dem Messer beim Schneiden den genügenden Widerstand zu leisten, und durch ihr Aus- weichen öfters Schnitte misslingen ließ. Sie bot ein geeignetes Mittel, den Einfluss des Chloroform und Paraffin auf die Gewebe bei Anwen- dung der zuerst angegebenen Methode zu kontrolliren. Über die verschiedenen Macerationsverfahren, welche neben der Schnittmethode zur Anwendung gelangten, wird das Nöthige an Ort und Stelle in der Arbeit selbst gesagt werden. Beobachtungen am lebenden Thiere. Außer den Angaben über die Lebensweise des Priapulus caudatus, welche Euters nach den Beobachtungen von ©. Faprıcıus!, J. RATHkE 2, En. Forses 3 und vor Allen von PaızLirs® in seiner ersten Arbeit zusam- mengestellt hat, finden sich in der kurzen Beschreibung, welche v. Sır- B01D5 vom Halieryptus spinulosus veröffentlichte, einige auf diesen Wurm ’bezügliche biologische Bemerkungen. Bereichert wurden unsere Kenntnisse von der Lebensweise beider Gattungen in der neueren Zeit durch Angaben von v. WıLLEmors-Sunm ®, welcher längere Zeit lebende Exemplare des Priapulus und Halicryptus beobachtete. Durch die im 2 Orro Fasrıcıus, Fauna Groenlandica Hafniae et Lipsiae. 1780. p. 355. 2 J. RATakE, Zool. dan. Vol. IV. p. 47. 3 E, ForBeEs, A history of british Starfishes and other animals of the class Echino- dermata. London 4844. p. 257. * Joan PuırLirs, Report ofthe 23d meeting of the British Association for advance- ment of Science, hold at Hull in September 4853. London 4854. Transactions of the Sections. p. 70 und 7A. 5 Zuerst veröffentlicht in den neuen preußischen Provinzial-Blättern, Bd. VII, Heft 3. Königsberg 1849. p. 484. Später als Zusatz zu der 1864 erschienenen Ar- beit von Eurers über Halicryptus spinulosus abgedruckt. Diese Zeitschr. Bd. XI. El p. 513. Leipzig 1862. 6 R. v. WILLEMOEs-Sunm, Biologische Beobachtungen über niedere Meeresthiere. \ Diese Zeitschr. Bd. XXI. p. 385, 386, 387. Leipzig 1871. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XLII. Bd, 31 464. W, Apel, hiesigen Aquarium gemachten biologischen Beobachtungen können vor- liegende Angaben in einigen Punkten erweitert werden. Von den gleichzeitig in das Aquarium gebrachten Tbhieren erhielt sich der Halicryptus über fünf Monate am Leben, während die Exem- plare des Priapulus schon vor Ablauf des ersten Monats abzusterben begannen. Es zeigten sich hierbei dieselben Erscheinungen , wie sie von v. WILLEMOES-SuHM p. 386 der eben citirten Arbeit angegeben sind: Die Thiere lagen auf dem Schlamm mit völlig ausgestrecktem Schwanz- anhang und zeigten sich äußerst schlaff in ihren Bewegungen. Die frisch angekommenen Thiere hatten ein fleischfarbenes Aus- sehen und zeigten einen blauen, metallisch schillernden Glanz. Die kleineren, vielleicht jüngeren Thiere , zeichneten sich durch ihre weiß- liche Farbe und auffallende Durchsichtigkeit ihrer Körperwand aus, Eigenschaften, welche größere Exemplare ebenfalls, wenn auch in geringerem Maße zeigten, sobald sie längere Zeit im Aquarium ge- halten waren. Im letzten Falle ist dieser Zustand wohl auf eine mangelhafte Ernährung der in Gefangenschaft gehaltenen Thiere zurück- zuführen. In das Aquarium gebracht, fingen beide Thiere alsbald an, sich in den auf dem Boden des Gefäßes befindlichen Schlamm einzugraben und kamen nur selten wieder freiwillig an die Oberfläche des Schlammes. Ihre Grabbewegungen wurden durch Ein- und Ausstülpen des Rüssels zu Stande gebracht, wie dasselbe schon von Faprıcius ! angegeben ist. Die Lage im Schlamm war bei beiden Gattungen verschieden. Der Priapulus lag so, dass nur ein längerer oder kürzerer Theil des Schwanz- anhanges, oft nur die äußerste Spitze desselben, in das Wasser hinein- ragte, während der Halicryptus entweder mit dem Vorderende seines Körpers im Niveau des Schlammes lag oder gekrümmt, so dass Kopf und Hinterende zugleich das Wasser berührten. Die große Ausdehnungs- fähigkeit des Schwanzes gestattete dem Priapulus bei seiner angegebenen Lage sich tief in den Schlamm hineinzuwühlen, ohne die Kontinuität mit dem freien Wasser aufzugeben. . Denn während der kontrahirte Schwanz höchstens den vierten Theil der Körperlänge maß, wurden Thiere beobachtet, deren ausgestreckter Schwanz den im gleichen Zu- stande befindlichen Körper noch um ein Bedeutendes an Länge über- traf. Im ersten Falle waren die seitlichen Anhänge des Schwanzes auf einen Haufen zusammengedrängt, so dass von ihrer Anheftung an den Grundstock , so wie von der Form und dem Bau des Schwanzanhanges überhaupt nichts zu erkennen war. Im zweiten Falle inserirten sich 9’ 1 1. c.p. 356. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 465 die seitlichen Anhänge in Abständen von I—2 mm an den gerad nach hinten gerichteten Grundstock und die Verbindungslinie ihrer Inser- tionspunkte bildete eine unregelmäßige Spirale auf der Oberfläche des Schwanzes. Die Bewegungen der Thiere sind, wie schon SırsoL» für den Hali- cryptus angiebt, träge und wurmförmig und werden durch abwech- selndes Kontrahiren und Ausstrecken des Körpers, so wie durch Ein- und Ausstülpen des Rüssels zu Stande gebracht. Letzteres, so wie das Ausstrecken des Schwanzanhanges des Priapulus wird, wie EnLErs richtig vermuthet, dadurch bewirkt, dass das Thier durch Kontraktion seines übrigen Körpers die Leibesflüssigkeit in den betreffenden Kör- pertheil hineinpresst. Ein Aus- und Einstülpen des hinteren Körper- endes, wie es SırBoLD für den Halicryptus angegeben hat, ist hier nicht beobachtet. Der Körperhohlraum des Priapulus kann von dem Hohlraume des Schwanzanhanges durch die an dieser Stelle sphinkterartig wirkenden Ringmuskeln vollständig abgeschlossen werden. Die Thätigkeit dieser Muskeln ist am lebenden Thiere unter dem Mikroskope direkt zu beob- achten, sobald dasselbe seine Leibesflüssigkeit in das hintere Körper- ende presst, wobei das eine Mal der Schwanzanhang eine bedeutende Anschwellung erleidet, ein anderes Mal aber vollständig unberührt bleibt. Das Übertreten der Flüssigkeitswelle in den Schwanz ist bei durchsichtigen Thieren deutlich zu beobachten, indem man die Körper der Leibesflüssigkeit in ihrer Bewegung durch die Wand des Schwanzes verfolgen kann. Das Fehlen eines Porus am hinteren Ende des Schwanzes ist hier am lebenden Thiere mit Sicherheit zu konstatiren. Häutungen sind beim Halicryptus im Mai und September beobachtet, was in Betreff des ersten Datums mit der Angabe von v. WILLEMOES- Sunm übereinstimmt. Der Häutungsprocess ging dergestalt vor sich, dass die Cuticula zuerst am hinteren Körperende locker zu werden be- gann, und dieses Loslösen nach vorn zu fortschritt, bis sich das Thier frei in der losen Hülle bewegte. In diesem Zustande verblieb es meh- rere Tage; dann zerriss die Hülle an einer Stelle und wurde vollständig abgeworfen. Die Häutung erstreckte sich nicht nur auf die äußere Körperoberfläche, sondern auch auf den Schlundkopf bis zum Darme, ‚ auf den Enddarm und einen Theil der Ausführungsgänge der Geschlechts- ‚ drüsen,. wie deutlich an der abgeworfenen Hülle zu sehen war. Auch ‘ für den Priapulus ist eine Häutung, obwohl sie nicht direkt beobachtet, | ‚ dadurch mit Sicherheit konstatirt, dass auf Querschnitten durch die ‚ Haut eines Thieres unter der stark entwickelten alten Cuticula eine 3 466° W, Apel, schwächere, aber wohl ausgebildete, neue QGuticula sich vorfand. Das Thier war offenbar kurz vor der Häutung getödtet (cf. Fig. 7). Ein Vorstülpen des ganzen Schlundkopfes, so dass die Zahnbewafl- nung frei zu Tage liegt, wie solches von Fasrıcıus und RATHkE ange- geben ist, wurde hier nicht beobachtet, dagegen ein Vorstülpen des Enddarmes, derart, dass derselbe als eine mit Leibesflüssigkeit gefüllte Blase vor den After zu liegen kam. Derartige Zustände sind jedoch, wie auch RAtake für den ersten richtig bemerkt hat, nicht als normale Lebenserscheinungen aufzufassen, sondern als die unbeabsichtigten Folgen einer zu starken Kontraktion, welche durch irgend welchen äußeren Einfluss herbeigeführt ist. Durch den Widerstand, welchen die Leibesflüssigkeit einer allseitigen Kontraktion des Körpers ent- gegensetzt, wird an Mund oder After, den Stellen der geringsten Widerstandsfähigkeit der Körperwand, der Darmtractus in Form einer Blase vorgestülpt, welche dann einen Theil der Leibesflüssigkeit, auf- nimmt. Die Angabe von v. WILLEMOES-Sunn über die Ende Mai eintretende Geschlechtsreife des Halicryptus kann ich bestätigen und auf den Pria- pulus ausdehnen, muss jedoch hinzufügen, dass auch in der Ende Oktober eingetroffenen Sendung sowohl männliche wie weibliche Exem- plare beider Gattungen mit stark turgescirenden Geschlechtsdrüsen gefun- den wurden. Ein Austreten der Geschlechtsstoffe, so wie abgelegte oder in Entwicklung begriffene Eier sind auch hier nicht beobachtet. Da der Priapulus caudatus sowohl wie der Halieryptus sich im Bau ihrer Organe dem Priapulus bicaudatus unmittelbar anschließen , wird in der folgenden Beschreibung der einzelnen Organe, um unnöthige Breite zu vermeiden, da wo gleiche Resultate erzielt wurden, mehrfach auf die Arbeit von Horst »Zur Anatomie und Histologie des Priapulus bicaudatus« Bezug genommen werden. Die folgenden Angaben und Beschreibungen, wofern sie nicht ausdrücklich auf eine Gattung be- schränkt werden, haben für Halicryptus spinulosus Sieb. und Priapulus caudatus Lam. gleiche Gültigkeit. Ä Hautmuskelschlauch. Die Körperwand setzt sich zusammen aus drei Theilen, der Haut, der darunter liegenden Muskulatur und dem Peritoneum. Von diesen besteht die erstere aus zwei Schichten, der Cuticula und der zuge- hörigen Matrix, der Hypodermis; eine dritte Schicht, wie sie von Horst als Gutis beim Priapulus bieaudatus beobachtet wurde, ist hier Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 467 nicht vorhanden!. Die Muskulatur besteht aus einer äußeren Ring- und einer inneren Längsmuskelschicht. Das Peritoneum ist eine feine strukturlose Membran, welche die Muskulatur nach dem Körperinneren zu überzieht. Cuticula. In Bezug auf ihre äußere Oberfläche ist die Cuticula in der Arbeit von Enters genau beschrieben, so dass hier nur von der Struktur der- selben die Rede zu sein braucht. In den mittleren Regionen des Körpers war die durchschnittliche Dicke des cuticularen Überzuges 0,04 mm, am Rüssel nahm dieselbe bis auf 0,02 mm ab und erreichte im hinteren Körperende ihr Maximum in 0,06 mm. Gleich dem, was Horst für Priapulus bicaudatus ange- geben, besteht hier die Quticula aus zwei Schichten, einer inneren und einer äußeren, deren Grenze überall scharf hervortritt. Die äußere Schicht hat eine fast überall gleiche Dicke von 0,008 mm und bildet auf ihrer äußeren Fläche jene feinen Leistchen und Riffe, welche das Relief der Körperoberfläche darstellen. Auf Querschnitten zeigte diese Schicht ein völlig homogenes Aussehen ohne jede Struktur. Die innere Schicht übertrifft die eben beschriebene in der Körpermitte um das Siebenfache an Dicke und bestimmt durch ihr Abnehmen nach vorn und ihr Zu- nehmen nach hinten die gesammte Dicke der Cuticula in den einzelnen Körpertheilen. Der Hauptunterschied zwischen beiden Schichten besteht jedoch darin, dass die innere deutliche Strukturverhältnisse erkennen lässt. Zuerst zeigt dieselbe, wie schon von Enrers angegeben ist, parallel zur Oberfläche eine deutliche feine Schichtung, was beim Maceriren der Cuticula direkt zu beobachten und aus den feinen, der Körperoberfläche parallel verlaufenden Streifen zu schließen ist. In der Fläche ausgebreitet ließ sie auf beiden Seiten zwei Systeme von sich fast unter 90° kreuzenden Linien sehen, welche gleichmäßig unter einem Winkel von fast 25° zur Längsachse des Körpers geneigt waren. Durch dieselben erhält die Cuticula das Aussehen von einzelnen rautenförmig 1 ScHARFF unterscheidet p. 494 seiner Arbeit drei Theile der Haut: Guti- cula, Hypodermis und eine bindegewebige Cutis, letztere im Rüssel ‚nicht halb so dick als die Cuticula und am Stamm noch dünner und nur an wenigen Stellen deut- lich nachzuweisen. Dem entgegen muss ich hervorheben, dass bei den vielen von ‚mir untersuchten Thieren von einer Cutis als selbständiger bindegewebiger Schicht nur in der Nachbarschaft: des Bauchmarkes zu reden ist. Ein Unterschied von Be- deutung ist, dies jedoch nicht, da auch von mir Bindegewebe zwischen den Ring- muskeln überall nachgewiesen ist. Ob die Möglichkeit einer lokalen Rassenbildung vorliegt, ist nicht anzugeben, da die Fundorte der von ScHarrr untersuchten Thiere nicht genannt sind. ! 468. W. Apel, neben einander stehenden Feldern. Da die Begrenzung dieser Felder nicht nur oberflächlich ist, sondern in die Tiefe durch die ganze Schicht verfolgt werden kann, erscheint dieselbe aus lauter neben einander stehenden Prismen von rautenförmigem Querschnitt zusammengesetzt, welche durch feine Lamellen einer das Licht etwas stärker brechenden Substanz mit einander verbunden sind. Die Durchschnitte dieser feinen Lamellen sind auf Querschnitten als feine senkrecht zur Körperoberfläche in Abständen von circa 0,004 bis 0,005 mm verlaufende Linien in der unteren Schicht zu erkennen. Ein Auflösen dieser feinen Linien in einzelne Punkte, wie es von Horst für Priapulus bicaudatus beobachtet und als faserige Struktur der Lamellen gedeutet ist, war hier selbst bei starker Vergrößerung nicht zu erkennen. Die parallel zur Körperober- fläche verlaufende Schichtung zerlegt die neben einander stehenden cuti- cularen Prismen wieder in eine Menge kleiner: Prismen. In stark gefärbten Präparaten erschien die innere Schicht stets heller als die äußere; bei schwacher Färbung blieben beide ziemlich farblos. Spärliche Einlagerungen von kleinen das Licht stärker brechenden Körn- chen fanden sich nur in der inneren Schicht und traten hier ganz un- regelmäßig bald vereinzelt, bald etwas zahlreicher auf. Es ist an dieser Stelle noch einer Beobachtung zu gedenken, welche nur bei einem Exemplare vom Halicryptus gemacht ist. Auf.der dorsalen Seite gegen das Stammende zu fand ich eingeschlossen in die innere Schicht der Cuticula eine etwa 4 mm lange und 2 mm breite Schicht irgend einer fremden Masse von hellem der Cuticula ähnlichen Aussehen, in welcher zahlreiche runde, ganz dunkel gefärbte, 0,004 mm große Körper lagen, die Zellkernen nicht unähnlich sahen. In der Grundmasse selbst waren Strukturverhältnisse nicht zu erkennen. Die Schicht hatte an ihrer dicksten Stelle einen Durchmesser von 0,09 mm und lief nach den Rändern zu, namentlich nach vorn, in eine ganz dünne Schicht aus, in der nur eine Reihe Kerne neben einander gelagert war. In der dünnen Schicht war nach vorn zu eine kurze Unterbrechung zu bemerken. Ge- trennt war die ganze Masse durch eine 0,006 mm dicke cuticulare Schicht von der Hypodermis. Über die Natur dieser Einlagerung lässt sich nur die Vermuthung aussprechen, , dass dieselbe fremden Ursprungs ist und von außen her in die Guticula aufgenommen wurde. Die Angaben von Horst! über den Bau der Cuticula des Priapulus bicaudatus stimmen mit den hier gemachten Beobachtungen überein, nur dass in der dort gegebenen Abbildung die einzelnen Lamellen der inneren Schicht stärker hervortreten, als dies für die Guticula des 1 Horst, Gephyrea. II. »Zur Anatomie und Histologie des Priapulus bicaudatus.« p. 10. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halicryptus spinulosus. 469 Priapulus caudatus und des Halieryptus zutreffend ist. Die feinen Linien, welche das Flächenpräparat der inneren cuticularen Schicht zeigt, gleichen vollständig den Zeichnungen, welche auf einem gleichen Präparate von der Cuticula des Lumbricus und des Sipunculus zu sehen sind. Die Cuticula der Priapulaceen stimmt in ihrem Bau, wenigstens was ihre innere Schicht betrifft, mit dem überein, was J. Anprzrar! für den Sipunculus nudus beschrieben hat, unterscheidet sich jedoch, wie schon Horst bemerkt hat, von der faserig gebauten Cuticula, wie sie von oligochaeten Anneliden beschrieben ist. Hypodermis, Die durchschnittliche Dicke der Subeuticularis oder Hypodermis, wie sie im Bereich der Körperoberfläche meist genannt wird, betrug bei einem 43 mm langen Thiere 0,02 mm. Gegen beide Körperpole zu war eine allmähliche Zunahme derselben zu bemerken, welche im Vorder- ende des Rüssels mit 0,03 mm und am Schwanzende, ungefähr in der Zone der terminalen Anschwellung des Bauchmarkes, mit 0,05 mm ihr Maximum erreicht. Auf dem Querschnitt zeigt die Hypodermis ein unregelmäßig gitter- förmiges Aussehen, dadurch hervorgerufen, dass gefärbte und ungefärbte Partien in derselben mit einander abwechseln (Fig. 4). Erstere, die Bal- ken des Gitters, haben in ihrer Mitte eine Breite von 0,01 bis 0,02 mm, welche nach den Enden zu bald mehr bald weniger zunimmt, wodurch meistens eine Berührung der benachbarten Balken an der Cuticula oder an der der Muskulatur zugekehrten Seite bewirkt wird. Die Stellung der einzelnen Balken ist gewöhnlich nicht senkrecht zu ihren Begren- zungsflächen, sondern weicht bald nach der einen, bald nach der an- deren Seite, wenn auch nur unbedeutend, von derselben ab. In ihrer Länge bestimmen die Balken die Dicke der Hypodermis und sind dem- nach in der mittleren Körperregion, wo die Hypodermis die Durch- schnittsdicke nicht übertrifft, nur wenig länger als breit. Im hinteren Körperende haben die Balken nur eine Dicke von ungefähr 0,005 mm, sind aber wohl zehnmal so lang als breit. Das Bild der Hypodermis erscheint hier auf dem Querschnitt weit unregelmäßiger als in der Kör- permitte, besonders dadurch, dass öfters Spaltungen in den einzelnen Balken auftreten. Die ungefärbten Räume zwischen den Balken, welche durch letztere in ihrer Form bedingt werden, sind in der Mitte des Stammes an ihren breitesten Stellen wenig breiter als die Balken selbst. 1 Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. p. 207. 470° W. Apel, Je mehr sich die Hypodermis jedoch nach dem Körperende zu verdickt, um so mehr ändert sich dieses Verhältnis zu Ungunsten der Balken. In der hinteren Körperregion übertrafen die Zwischenräume die Balken um mehr als das Doppelte an Breite (Fig. 7). Eingelagert in den Balken sieht man in ungleicher Höhe ovale, sich dunkel färbende Kerne, mit einem Kernkörperchen und feinen körnigen Einlagerungen. Der Längsdurch- messer der Kerne ist 0,008 mm, der Breitendurchmesser 0,004 mm, von denen ersterer der Längsachse der Balken parallel läuft. Wie in den Kernen, so zeigen sich auch in den Balken körnige Einlagerungen in wechselnder Menge, bald nur spärlich, bald ziemlich zahlreich. Auf die Frage, als was wir diese verschiedenen auf dem Quer- schnitt erscheinenden Elemente der Hypodermis zu deuten haben, giebt uns ein Flächenbild die Antwort. Dasselbe zeigt uns ein unregelmäßiges Netz, gebildet aus polygonalen Zellen, welche mit ihren Ausläufern unter einander zusammenhängen (Fig. 3). Die Form dieser Zellen ist unregel- mäßig, ihre Größe 0,042 bis 0,006 mm, die Zahl ihrer Ausläufer fünf bis sechs. Die einzelnen Ausläufer haben eine Breite von 0,0003 mm. Der Kern dieser Zellen ist central gelagert. Die zwischen. den: Zellen liegenden hellen Räume haben eine unregelmäßige Gestalt, in einzelnen Fällen von der Größe der Zellen, oft aber um das Doppelte. größer.. Die dunkel gefärbten Balken des Querschnittes sind hiernach ‘die Durch- schnitte der Zellen, und die ungefärbten Zwischenräume die Durch- schnitte der Intercellularräume. Über den Inhalt der. letzteren. lässt sich weder nach: den Querschnitten noch. nach den Flächenbildern ir- gend etwas angeben ; dieselben bleiben immer farblos und ohne jede Struktur. Ein derartig netzförmiger Bau der Hypodermis findet sich in allen Regionen der äußeren Körperoberfläche, mit Ausnahme der nächsten Nachbarschaft des centralen Nervensystems. Hier tritt eine Differenzi- rung in so fern ein, ‚als die Zellen lang gestreckt, faserförmig werden und in unmittelbare Beziehung zu dem Nervensystem selbst treten. Ihre nähere Beschreibung wird demnach beim Nervensystem erfolgen. :Getrennt wird die Hypodermis von der Ringmuskelschicht durch eine 0,004 mm dicke, strukturlose Membran. Priapulus bieaudatus stimmt in der Struktur. seiner Hypodermis mit dem eben Beschriebenen überein!, nur dass letztere bei einem gleich langen Thiere nur eine durchschnittliche Dicke von 0,003 mm erreichte. Die mannigfachen Hervorragungen und Spitzen auf der äußeren 1 cf. Horst, 1.c.p. 48. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 471 Körperoberfläche des Priapulus und mehr noch auf der des Halieryptus sind Hautbildungen und müssen daher an dieser Stelle ihre Berück- sichtigung finden. Nach Esters unterscheiden wir auf der Haut des Priapulus drei Arten von Hervorragungen, von denen die ersten auf den Rüsselrippen in linearer Anordnung, die zweiten am Stamme unregelmäßig zerstreut stehen und die letzten in ihrem Vorkommen auf die hinteren Ringe des Stammes beschränkt sind. Der Beschreibung, welche EaLers von ihrer äußeren Form gegeben hat, ist nichts hinzuzufügen. Dem mikroskopischen Bau nach gehören die beiden ersten Arten eng zusammen und sind nur durch ihre äußere Form unterschieden. Wie die Längsschnitte zeigen, werden sie gebildet durch die vorgewölbte Cutieula, deren innerer Raum ausgefüllt ist durch langgestreckte Zellen, welche vom Mittelpunkte der Basis gegen die Wand hin ausstrahlen. Die nach der Spitze zu gerichteten Zellen sind die längsten, die nach dem basalen Rande verlaufenden die kürzesten. Die Breite der Zellen schwankt zwischen 0,005 bis 0,009: mm; an der Spitze findet eine ge- ringe Verdickung statt. An der inneren ‘Wand der Hervorragungen bilden die Zellen eine zusammenhängende Schicht, während sie im Inneren durch 'Intercellularräume mehrfach getrennt sind. Das ganze Gebilde erhält hierdurch ein netzartiges Aussehen. In dem Zellleib finden ‚sich dieselben 'körnigen Einlagerungen wie in den Zellen der Hypodermis; eben so stimmen die Zellkerne in Form und Größe mit denen der Hypodermis überein, ihre Lage ist jedoch mehr nach der Spitze der Zellen zu. In Tinktionspräparaten erscheinen alle Zeilen gleichmäßig gefärbt. Dieses Gewebe, welches den inneren Raum der Hervorragungen ausfüllt, haben wir demnach als ein nur räumlich differenzirtes Hypo- dermisgewebe aufzufassen, dessen Übergang zu der eigentlichen Hypo- dermis allmählich stattfindet, indem die Zellen der letzteren sich an. den basalen Rändern der Spitzen strecken und mit ihren hinteren Enden nach der Mitte der Basis zu konvergiren.- Der naheliegenden Vermuthung, dass wir es in diesen Gebilden mit Tastapparaten zu thun haben, ist von Horst! für die an Form, Bau und Anordnung gleichen Gebilde des Priapulus bicaudatus Ausdruck gegeben; es.ist jedoch hier so wenig; wie dort gelungen, den Zusammenhang des- ‚selben mit Nerven nachzuweisen 2. b 1260, P9:97; ?2 Nach ScHARFF .p. 498 schließen die auf den Rüsselrippen des Priapulus stehenden Spitzen eben so wie die auf der Haut des Stammes zerstreut stehenden 472: W. Apel, Die Angaben von Graser!, dass diese Hautspitzen eine Öffnung nach außen besitzen, und die Ringmuskulatur sich an der Bildung der- selben betheiligt, sind vollständig falsch. Verschieden von den eben beschriebenen sind die warzenförmigen Erhebungen, welche wir im Bereich der letzten Stammringe auftreten sehen. Die Zahl derselben ist bedeutenden individuellen Schwankungen unterworfen, oft nur fünf bis sechs, oft so groß, dass die ganze Ober- fläche dieses Körpertheiles dicht bedeckt ist, und nur die ventrale Medianlinie, in der das Bauchmark verläuft, frei bleibt. An solchen Thieren wurden über 70 derartige Körper gezählt. Die Form derselben ist unregelmäßig und wird am besten durch die Bezeichnung » warzen- förmig« charakterisirt (Fig. 6@). Ihre Erhebung über die Körperoberfläche schwankte zwischen 0,4 bis 4,1 mm. Einzelne der Körper waren an ihrer Basis mehr oder weniger gegen ihre Unterlage eingeschnürt. Die Cuticula zieht sich in einer gleichmäßigen Schicht von 0,003 mm Dicke über die Gebilde hin und zeigt auf ihrer Oberfläche kleine kegelförmige Erhebungen von 0,0042 bis 0,0067 mm Höhe, welche das rauhe Aus- sehen ihrer Oberfläche bedingen. Auf Längsschnitten erwiesen sich diese Erhebungen als kleine Hohlkegel mit circa 0,005 mm breiter Basis und einer ganz feinen Öffnung an der Spitze (Fig. 6 5). Die letztere nachzu- Papillen vorn mit einer feinen Membran ab, welche von feinen Härchen durchbohrt wird. Letztere stehen mit den subcuticularen Zellen in Verbindung. Dieäußere Schicht der Cuticula hört auf halber Höhe der Spitze auf und umgiebt dieselbe wie eine Scheide. Die feine Schlussmembran.so wie die Härchen sind von mir nicht gesehen, auch ist ein Aufhören der äußeren cuticularen Schicht auf halber Höhe an keiner der Spitzen beobachtet. Die Vermuthung ScHARFF's (p. 498), dass der vordere Theil der Spitze in den hinteren Theil, die eben genannte Scheide, zurückzuziehen sei, kann ich nicht bestätigen. Die Spitzen sind einheitliche, starre Gebilde; die Rippen- muskeln dienen dazu, die Spitzen als Ganzes zu bewegen, nicht den vorderen Theil in den hinteren zurückzuziehen. Für die unregelmäßig auf der Oberfläche des Pria- pulus zerstreut stehenden Spitzen giebt ScHARFF eine Einsenkung der Cuticula an der Spilze an. Schlussmembran und Härchen sollen in derselben Weise wie bei den Rüsselpapillen vorhanden sein. Eine feine terminale Membran, von Härchen durchbohri, habe ich auch hier nicht gesehen, eben so wenig die Einsenkung der Cuticula. Alle diese Gebilde hatten mehr oder weniger die Form, wie sie Fig. 7 im Längsschnitt gezeichnet ist. SCHARFF hält beide Arten von Hervorragungen in Übereinstimmung mit Horst für Sinnesapparate, ebenfalls jedoch ohne einen Zusammenhang mit den Nerven nachgewiesen zu haben. Bei dem hier nachgewiesenen Verlauf der peripheren Nerven innerhalb der Subeuticularis gewinnt diese Ansicht sehr an Wahrscheinlich- keit; dennoch bedarf es einer nochmaligen ganz genauen Untersuchung dieses Gegenstandes, um zu einem definitiven Resultate zu gelangen. loc. P»62; Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 473 weisen bedarf es sehr guter Schnitte, die den Kegel genau in der Längs- richtung getroffen haben. Der an der Basis 0,0037 mm breite innere Raum dieser Hohlkegel kommunicirt mit dem inneren Raum des ganzen Gebildes. Die Kegelwand nimmt gegen die Spitze zu bedeutend an Dicke ab und misst schließlich nur 0,0005 mm; eine Trennung in zwei Schichten ist hier nicht mehr zu erkennen. Auf der inneren Seite zeigt die Cuticula, welche die warzenförmigen Körper überzieht, mannigfache zapfenartige Vorsprünge und Unebenheiten (cf. Enters, 1. c. p. 226). Der innere Raum der Warzen zeigt sich auf dem Längsschnitte er- füllt durch eine helle, sich nicht färbende Masse von feiner retikulärer Struktur, welche von dunkel gefärbten, vielfach gekrümmten Fasern von 0,04 mm Dicke durchzogen ist. Die Hauptrichtung der Fasern ist auf einem senkrecht zur Körperoberfläche durch das Gebilde geführten Längsschnitt von der Basis zur äußeren Wand in Abständen von unge- fähr 0,04 bis 0,02 mm. Nach der Spitze zu ist eine geringe Konvergenz der Fasern zu beobachten. Zwischen den dunkeln Fasern innerhalb der retikulären Substanz sind zahlreiche Kerne eingelagert. Der Quer- schnitt durch eine dieser warzenförmigen Erhebungen zeigt ein un- . regelmäßiges großmaschiges Netz von dunklen Fasern. Durch die Kom- bination beider Bilder wird es wohl außer Zweifel gestellt, dass wir es hier mit Zellen zu thun haben, deren Plasma jene feine retikuläre Struk- tur angenommen hat und deren periphere Schichten sich dunkel färben und so auf den Durchschnittsbildern jene dunkeln Fasern darstellen. Die Kerne sind zum großen Theil, besonders im Centrum der Hervor- ragung, in die Spitzen der Zellen verschoben, fehlen jedoch auch in den basalen Theilen derselben nicht. Ihre Größe und ihre Form ist verschieden. Am Rande der Erhebung gleichen sie vollständig den Hypodermiskernen, weiter nach innen zu zeigen sie eine unregelmäßig geschrumpfte Gestalt und nur eine Größe von 0,005 mm im Durch- messer. An den basalen Rändern der warzenförmigen Erhebungen steht das ihren inneren Raum ausfüllende Gewebe mit den Zellen der Hypodermis in Verbindung und dokumentirt sich somit ebenfalls als umgewandeltes Hypodermisgewebe. Der Übergang von einem zum anderen ist ein ziemlich schroffer. Die meisten der warzenförmigen Hervorragungen am hinteren Körperende des Priapulus zeigten den eben beschriebenen Bau, und nur vereinzelt wurden unter ihnen solche gefunden, deren inneres Ge- webe keine so weitgehenden Differenzirungen zeigte. Bei letzteren hatte sich um den Kern ein Hof feinkörnigen, sich dunkel färbenden Protoplasmas erhalten. Die Kerne aller dieser Zellen stimmten an Form. und Größe mit denjenigen der Hypodermiszellen überein. 274.26 W. Apel, Das ganze Aussehen des Gewebes im Inneren der warzenförmigen Erhabenheiten, namentlich seine feine retikuläre Struktur, in Verbin- dung mit den feinen Öffnungen an der Spitze der kleinen Hohlkegel sprechen dafür, dass wir es hier mit drüsig gewordenen Zellen zu thun haben, wie es auch schon von EnLers ! angenommen ist. Die Resultate der GraBer’'schen ® Untersuchungen über denselben Gegenstand erwiesen sich als vollständig falsch. Nach seinen Angaben sind die am hinteren Körperende des Priapulus auftretenden warzen- föormigen Hervorragungen » räumlich differenzirte Theile einer am Stamm- ende ungemein mächtig entwickelten Cutis«. Da eine Gutis überhaupt nicht vorhanden ist, liegt die Möglichkeit vor, dass: GragErR die am hin- teren Stammende mächtig entwickelte Hypodermis' für Cutis gehalten hat; seine Fig. 2 lässt sich wohl als einen allerdings sehr unklaren und durch seine Dicke beeinträchtigten Querschnitt durch die Haut des hin- teren Körpertheiles deuten. Abweichend von den hier gemachten Beobachtungen sind eben- falls die Angaben, welche Horst? über die an gleicher Stelle und in gleicher Form beim Priapulus bicaudatus vorkommenden Hautgebilde gemacht hat. Derselbe beschreibt die Guticula über den Papillen als ganz glatt, bei starker Vergrößerung ein Netzwerk von feinen Punkten zeigend. Die Ursache dieser netzförmigen Zeichnung sieht er in einem zwischen die verdünnten Schichten der Outicula’eingeschobenen Balken- netz aus verzweigiten Fäserchen, welche aus der unteren Öuticular- schicht entspringen und sich mit ihren oberen Enden an die innere Fläche der oberen Schicht anheften. »Die Vermuthung, « sagt er, »lag nahe, dass: dieses Fasernetz vielleicht im Zusammenhang stehe mit einem im Inneren der Papille liegenden Protoplasmanetze, und dass hierdurch ein Organ gebildet werde, das mit einer Sinnesfunktion be- trautiist.« Pag. 18 sagt Horst über denselben Gegenstand: »Was das im Inneren liegende Hypodermisgewebe angeht, so bildet dieses ein weitmaschiges Netzwerk von äußerst feinen Fädchen, in dessen Knoten- punkten runde Kerne gelagert sind.« Die große ‘Übereinstimmung, welche der Priapulus bicaudatus im Bau aller seiner Organe mit dem Priapulus caudatus zur Schau trägt, berechtigt wohl zu der Vermuthung, 11. c. p. 226. 2 In Betreff der warzenförmigen Erhebungen stimmen SchARrrFF’s Resultate im Wesentlichen mit den meinigen überein (p. 202);: namentlich sind auch von ihm die feinen Öffnungen gefunden und somit wohl die sekretorische Bedeutung dieser Gebilde außer Frage gestellt. ScHArrr's.Fig. 5 und 40 scheinen sehr schematisirt; Fig. 10 meiner Arbeit dagegen giebt ein genaues mikroskopisches Bild des Quer- schnittes. 371.1C.P- 63. *].c.p. 47 und 48. er EEE LATE LEERE ER ) | | | | + | i “ I a Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 475 dass Horsr’s Resultate durch den schlechten Erhaltungszustand seiner Untersuchungsobjekte beeinträchtigt sind. Es ist möglich, dass die feine retikuläre Struktur der Zellen durch die lange Einwirkung des Alkohols zerstört ist und nur die sich dunkel färbenden peripheren Theile der Zellen zu sehen waren, welche allerdings auf einem nicht ganz senkrecht zur Körperoberfläche geführten Längsschnitt als ein weitmaschiges Netz- werk von feinen Fädchen erscheinen. Auch die Kerne können bei einem derartigen Schnitte in die Knotenpunkte der Fasern zu liegen kommen. Die eigenthümliche Struktur ‚der Guticula lässt sich jedoch aus den: hier gemachten Beobachtungen nicht erklären. Die Hervorragungen und Spitzen, welche wir auf der Körperober- fläche des Halicryptus finden, sind nach Enzers! zweierlei Art: kegel- förmige Erhebungen mit lang ausgezogener Spitze, wie; sie in unregel- mäßiger Vertheilung die Haut des Stammes bedecken, und Hervor- ragungen, welche, wie beim Priapulus, linear auf den Rippen des Rüssels angeordnet sind. Der Beschreibung der äußeren Form beider Arten, wie sie von EuLers gegeben wurde, ist nichts hinzuzufügen. Die Grundgestalt der Rüsselpapillen wird gebildet von einem cuti- cularen Kegelstumpf, welcher von einem zweiten ebenfalls abgestumpf- ten, aus einem Fortsatz des Hypodermisgewebes gebildeten Kegel durch- setzt wird. Dieser zweite Kegel überragt den ersteren und bildet die aus der Mitte der Papille hervorragende Spitze (Fig. 8). Umgeben ist der Hypodermiskagel von einem gelblichbraun aussehenden cuticularen Mantel von 0,005 mm Dicke, welcher sich innerhalb des cuticularen Kegels von der. inneren Seite der unteren cuticularen Schicht scharf absetzt. Der helle, den cuticularen Kegelstumpf der Papille überziehende, un- regelmäßig ausgezackte Saum wird durch eine Verdickung der äußeren Schicht der Cuticula gebildet, welche ringförmig um den Kegel ver- laufende Einschnürungen zeigt und hierdurch das von Euzers hervor- gehobene palissadenartige, Aussehen hervorruft. An der abgestumpften Spitze des ersten Kegels bildet diese Schicht der Cuticula eine Ein- senkung und geht dann auf den cuticularen Mantel der in der Mitte der Einsenkung sich erhebenden Spitze als feiner Saum über. Die auf dem vorderen Theile des Rüssels stehenden »backzahnähnlichen « Gebilde unterscheiden sich in ihrem Bau von den eben beschriebenen nur da- durch, dass sich der hypodermale Kegel an seiner Spitze theilt und so jene zweizinkigen Gebilde darstellt, welche aus der Mitte dieser: Papillen hervorragen. Was das Hypodermisgewebe anbelangt, welches den inneren Kegel 1 ].c.p. 404, 476° W. Apel, bildet, so stimmt es in seinem Bau vollständig mit dem überein, was wir für das Innere der am Rüssel des Priapulus auftretenden Papillen be- schrieben haben. ; Den gleichen Bau wie die Rüsselpapillen zeigen die hin und wieder am Stamm zwischen den scharfen Spitzen vorkommenden Erhebungen !, welche sich von der an gleichem Orte gewöhnlichen Papillenart äußer- lich dadurch unterscheiden, dass die aus ihrer Mitte hervorragende Spitze nur kurz und stumpf und nicht fein ausgezogen ist. Diese Art weicht von den Rüsselpapillen nur in der Form ab und zwar dadurch, dass die äußere cuticulare Schicht nicht verdickt ist und nicht jene ring- förmigen Einschnürungen zeigt. Die Einstülpungen am vorderen Ende des Kegels, aus deren Mitte der zweite Kegel hervorragt, wird von bei- den Schichten der Cuticula gleichmäßig gebildet und ist gewöhnlich etwas tiefer als bei den Rüsselpapillen. Die scharfen Spitzen, welche in großer Anzahl und ohne regelmäßige Anordnung auf der Oberfläche des Stammes zerstreut stehen, haben ebenfalls als Grundgestalt einen abgestumpften eutieularen Hohlkegel, an dessen vorderes Ende sich eine lange, haarförmig ausgezogene Spitze an- schließt (Fig. 9). Die Oberfläche des Grundkegels zeigt mannigfache Unebenheiten. Seine Wand wird gebildet durch beide Schichten der Cuticula, von denen sich die äußere nach vorn zu mehr und mehr ver- dünnt und als feiner Überzug auf die Spitze übergeht. Der Hohlraum des Kegels wird ausgefüllt von einem Zapfen der Hypodermis, der eben- falls ungefähr kegelförmige Gestalt besitzt. Dieser Zapfen ist hier nur in seiner vorderen Hälfte umschlossen von einem gelblichbraun aus- sehenden, 0,004 mm breiten Mantel, welcher sich über den Grundkegel hinaus fortsetzt und die feine Spitze bildet. In der Mitte der Spitze verläuft, wie Eurers richtig angegeben, ein Kanal, der an der Basis mit dem Hohlraum des Grundkegels kommuniecirt und sich nach vorn zu mehr und mehr verengt. Eine Durchbrechung der Spitze findet jedoch nicht statt. Die Wand der Spitze zeigt eine feine Längs- streifung. Das hypodermale Gewebe im Inneren der Papillen zeigt eine große Übereinstimmung mit dem, was für die warzenförmigen Erhabenheiten am hinteren Körpertheile des Priapulus beschrieben ist. Was dort je- doch Ausnahme war, ist hier Regel, nämlich die Lagerung der Kerne in einem auf dem Längsschnitte spindelförmig erscheinenden Hof von fein- körnigem, sich dunkel färbendem Plasma. Die Zellen hatten einen Durchmesser von 0,04 bis 0,03 mm; nach der Spitze zu fand ebenfalls ı Vgl. Euren, 1. c. p. 405. Taf. XXXIV, Fig, 6. | Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 477 eine Verjüngung derselben statt. Ob das hypodermale Gewebe sich in den Kanal der Spitze fortsetzte, konnte nicht mit Sicherheit konstatirt werden. Die Kerne sind unregelmäßig durch das ganze Gewebe ver- theilt und gleichen denen der Hypodermiszellen. Der Übergang der letzteren zu dem Papillengewebe ist hier ein allmählicher, so dass wir in dem basalen Theile des Kegels noch eine Randschicht von langge- streckten, aber gleichmäßig dunkel gefärbten Zellen finden. Über die Funktion, mit welcher die auf der Körperoberfläche des Halieryptus vorkommenden Spitzen betraut sind, lässt sich nach den hier gemachten Untersuchungen kein sicheres Urtheil abgeben; nur so viel lässt sich mit Sicherheit sagen, dass die zuerst beschriebenen bei- den Papillenarten des Priapulus und die Rüsselpapillen des Halicryptus zusammen mit den vereinzelt am Stamme auftretenden Erhebungen ho- mologe Gebilde sind. Die warzenförmigen Erhabenheiten der hinteren Stammesringe des Priapulus und die lang ausgezogenen Spitzen, welche wir am Stamme des Halicryptus auftreten sehen , zeigen in den sie bil- denden Geweben eine große Übereinstimmung. Ein Unterschied zwi- schen beiden besteht jedoch darin, dass erstere durch ihre Öffnung nach außen als Drüsen charakterisirt sind, während für die letzteren eine äußere Öffnung nicht nachgewiesen werden konnte, ihre Funktion als Drüsen desshalb zweifelhaft erscheint !. Muskulatur. Das, was Horst? in Betreff der Anordnung der Muskulatur des Stammes und des Rüssels gefunden und beschrieben hat, gilt in gleicher Weise für Priapulus caudatus und Haliceryptus, und ist desshalb die be- treffiende Stelle der Horsr’schen Arbeit zur Vervollständigung des im Folgenden Gesagten heranzuziehen. Die Ringmuskulatur des Stammes ist in völlig gesonderte Bündel 1 ScHARFF unterscheidet p. 205 im Inneren der lang ausgezogenen Spitzen des Halieryptus von außen nach innen drei Arten von Zellen: »The hypodermice cells for- ming the circumference of the spike elongate. Internally to these we nowfind large pear-shaped cells, containing a protoplasmic network and nucleus, and tapering , above into a fine filament which suddenly swells up again into a cuks -shaped por- tion. This set of cells again surrounds another set, which I have not been able to trace clearly, but which are probably filamentous from base to apex and end in ‚long hairs.« ScHARFF hat hier nach meiner Meinung die in Tinktionspräparaten stärker hervortretenden Zellgrenzen als feine Fasern angesehen, während ihm das ‚ feine retikulare Gewebe zwischen diesen entgangen ist. Dass die eben ausge- sprochene Meinung die richtige ist, ergiebt sich aus der Betrachtung eines Quer- 'schnittes durch ein derartiges Gebilde ; derselbe weicht nur unbedeutend von dem in Fig. 7 der vorliegenden Arbeit ab. 2 Horst, I. c. p. 20. | 478: W. Apel, angeordnet, welche dicht neben einander liegen und ihrer ganzen Aus- dehnung nach mit der Hypodermis in Verbindung stehen. ‘Zwischen die Fasern dieser Muskelschicht ist Bindegewebe in großer Menge 'einge- lagert. Dasselbe besteht aus einer sich nicht färbenden homogenen Grundsubstanz, in welcher zahlreiche, feine, sich dunkel färbende Fasern regellos verlaufen. Diese Fasern sind die Ausläufer kleiner, un- regelmäßiger, meist dreieckiger Zellen, welche mit kleinen, runden, sich dunkel färbenden Kernen versehen sind. In Bezug auf die Längsmuskulatur des Stammes ist von Enters! für Priapulus und Halieryptus ein verschiedenes Verhalten angegeben. Bei ersterem sollen ‘die Längsmuskeln mehr oder weniger gesonderte Bündel bilden, während sie beim Halieryptus zu einer Schicht ver- schmolzen sind. Beiden hier untersuchten Exemplaren beider Gattun- gen stellte sich die Längsmuskulatur immer als eine zusammenhängende Schicht dar, welche nur in der ventralen Medianlinie über dem Bauch- mark unterbrochen war. Bei Kontraktionen der Ringmuskeln bildet das Längsmuskelstratum jedoch schmale, 0,7 mm breite Längswülste, welche wohl den Eindruck gesonderter Längsmuskelstränge hervorrufen können. , Der von Enters hervorgehobene Unterschied dürfte demnach wohl auf verschiedene Kontraktionszustände der untersuchten Thiere zurückzuführen sein. Nach dem hinteren, Körperende zu trat jedoch eine Sonderung in Längsstränge in so fern ein, als die Wulstbildung nicht mehr von dem Kontraktionszustande abhängig war, sondern dau- ernd auftrat und sich nach dem After zu immer mehr verstärkte. Die einzelnen Wülste. hingen jedoch immer: durch eine Schicht Längs- muskeln an der der Ringmuskulatur zugekehrten Seite zusammen, welche mit der Höhenzunahme der Wülste an Dicke abnahm. Im hin- teren Körperende hatten die Wülste eine Höhe von 0,5 mm und eine Breite von 0,03 bis 0,05 mm. Einzelne: derselben legten sich dem Darm und den Ausführungsgängen des Geschlechtsapparates an und dienten denselben als Stütze. Das Verhalten der Muskulatur im Rüssel weicht von dem eben be- schriebenen wesentlich ab. Die Ringmuskelstränge stehen nur in den Einsenkungen zwischen den Rüsselrippen mit der Hypodermis in Ver- bindung und ziehen sich unter den Rippen, welche durch eine Vor- wölbung der Guticula und Hypodermis nach außen gebildet werden, glatt weg, so dass hier zwischen letzterer und der Ringmuskulatur in den Rüsselrippen längsverlaufende Kanäle gebildet werden. Dieselben gleichen vollständig denjenigen, welche von AnprEAE ? beim Sipunculus 1 Eutess, l.c.p. 407, 21. c.p. 241. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus eaudatus und Halieryptus spinulosus. 479 beschrieben und dort »Integumentalkanäle« genannt sind. Zwischen den Ringmuskelbündeln hindurch kommuniciren diese Kanäle mit der Leibes- höhle, finden sich desshalb stets mit Leibesflüssigkeit angefüllt. Die Längsmuskeln verlaufen im Rüssel in gesonderten Bündeln nach innen von den Einsenkungen zwischen den Rippen, so dass durch sie die Kommunikation der Leibeshöhle und der Integumentalkanäle nicht ge- hindert wird. Beim Priapulus bicaudatus fehlt nach Horst! in den In- tegumentalkanälen das Peritoneum, indem dieselben von einer binde- gewebigen Membran ausgekleidet sind. Dagegen muss hier hervorge- hoben werden, dass die die Kanäle auskleidende Membran strukturlos war und mit dem Peritoneum vollständig übereinstimmte. Es liegt hier somit in dem anatomischen Verhalten kein Grund vor, dieselbe für etwas vom Peritoneum Verschiedenes zu halten, trotzdem der Zusammenhang beider nicht direkt beobachtet ist. Die Integumentalkanäle werden auf beiden Seiten begleitet von längsverlaufenden Muskelbündeln »Rippen- muskeln«, welche zwischen der Hypodermis und der Ringmuskulatur innerhalb der Rüsselrippen verlaufen. Die einzelnen Fasern der Rippen- muskeln sind durch Bindegewebe, derart wie es zwischen den Ring- muskeln beschrieben ist, mit einander verbunden. Muskeln der letztbeschriebenen Art fehlen dem Stamme nicht voll- ständig, da sich zu beiden Seiten des Bauchmarkes während seines Verlaufes im letzten Viertel des Stammes längsverlaufende Muskelfasern finden, welche der Lage und dem Aussehen nach in ihrer Gesammtheit einem Rippenmuskelpaar gleichzusetzen sind. Die Muskulatur der Körperwand ist somit an dieser Stelle dreischichtig. Die einzelnen Muskelfasern liegen eingebettet in die bindegewebige Masse, welche sich beiderseits vom Bauchmark befindet (cf. p. 496) und unterscheiden Sich gleich den Rippenmuskeln von den übrigen Längsmuskeln dadurch, dass die einzelnen Fasern nicht fest zusammenliegen und ein kompaktes Bündel bilden, sondern durch Bindegewebe verbunden sind. Bindege- webe findet sich sonst nur zwischen Ringmuskeln. Die Zahl der Muskel- fasern auf jeder Seite des Bauchmarkes schwankte bei den einzelnen Individuen zwischen 6 und 30. Was den mikroskopischen Bau der Muskeln der Körperwand anbe- trifft, so sind dieselben gebaut nach dem Typus der röhrenförmigen ' Muskeln, übereinstimmend mit denen von Sipunculus, Phascolosoma , und Priapulus bicaudatus. Die Form der Fasern erscheint auf dem Querschnitt im Zusammenhang mit den benachbarten Fasern je nach dem Kontraktionszustande des Gewebes polygonal oder platt bandförmig, 2 19e.,nx 94. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 32 480: W. Apel, im isolirten Zustande dagegen rund. Die Fasern der Längsmuskulatur haben eine spindelförmige Gestalt und eine Länge von 15 bis 20 mm, während die der Ringmuskelschicht sich nicht isoliren lassen, sondern durch zahlreiche Anastomosen unter einander verknüpft sind. Für die Ringmuskelschicht von Phascolosoma und Priapulus bicaudatus ist letz- teres in gleicher Weise nachgewiesen. Die einzelne Faser besteht aus einer peripheren, sich dunkel färbenden, kontraktilen Schicht und einer hellen, central gelagerten Marksubstanz. Die erstere setzt sich zusam- men aus einzelnen, in einer Schicht neben einander verlaufenden Fi- brillen von rundem oder ovalem Querschnitt und einem Durchmesser von 0,004 mm. Die Fibrillen verleihen der ganzen Faser eine deutliche Längsstreifung, ihre Zahl schwankte je nach der Dicke der Faser zwi- schen 12 und 24. Innerhalb der Marksubstanz sind körnige Einlage- rungen sichtbar, welche sich in vielen Fällen zwischen die einzelnen Fibrillen erstrecken und hierdurch die Längsstreifung der ganzen Faser noch deutlicher hervortreten lassen. Die Fasern waren mehrkernig; es wurden bis zu 12 Kerne in einer einzigen Faser gezählt, welche central innerhalb der Marksubstanz in ungleichen Abständen oft dicht zusammen, oft in größeren Zwischenräumen gelagert waren (Fig. 44). Die Form der Kerne war im Querschnitt rund, im Längsschnitt oval (0,03 mm lang, 0,02 mm breit). In den meisten Fällen war ein einziges Kernkörperchen vorhanden, welches central gelagert war, nur in seltenen Fällen zeigten sich deren zwei an den beiden Enden der Kerne. In der Umgebung der Kerne war die körnige Einlagerung in der Marksubstanz besonders stark. Die einzelnen Fasern waren umgeben von einem feinen Sarkolemma, welches an den mit Salpetersäure oder Kalilauge behandelten Fasern als heller Saum gegen die Fibrillen hervortrat. Kerne, wie sie Horst! im Sarkolemma der Muskeln des Priapulus bicaudatus beschrieben und gezeichnet hat, waren hier nicht vorhanden. Die Fasern hatten eine große Neigung, in die vorhin erwähnten Fibrillen zu zersplittern. Die einzelne Fibrille zeigte eine deutliche Querstreifung, indem helle und dunklere Streifen von ungefähr gleicher Dicke mit einander abwechselten; bei starker Vergrößerung lösten sich letztere in neben einander stehende, rechteckige Felder auf. Es ist hier noch einer Eigenthümlichkeit der Längsmuskeln zu ge- denken, welche schon von Enters betont ist: Das leichte Brechen und Knicken der Fasern in der Quere. Derartige Querrisse in den Fasern können zu Irrthümern Veranlassung geben, indem sie auf dem Längs- schnitt Bilder erzeugen, welche an die Krause’sche Querlinie der glatten Muskelfasern der Vertebraten erinnern. 1'Horsz, 1. c. p. 21. Taf Big, 7, Beitrag zur Anatomie und Histologie, des Priapulns caudatus und Halieryptus spinulosus. 481 Eine zweite Art von Muskelfasern, mit einer hellen Rindenschicht und einer körnigen oder krümeligen Achsensubstanz, wie sie von Enrers! beschrieben ist, wurde an gut konservirten Exemplaren nie gefunden und ist desshalb wohl, wie auch Enzers schon vermuthet, auf Maceration zurückzuführen. Nach dem Körperinneren zu ist die Längsmuskelschicht überzogen vom Peritoneum, welches sich als eine feine, farblose, völlig struktur- lose Membran eng an die Muskeln anlegt und oft zwischen die einzelnen Fasern einschiebt. Enrers, welcher die gleiche Beobachtung gemacht hatte, deutete diese Fetzen als Stücke einer Membran, welche die Längs- muskelfasern zu gesonderten Bündeln zusammenfasste. Da die Retraktoren des Rüssels in enger Beziehung zu den Muskeln der Körperwand stehen, mag das, was über dieselben zu berichten ist, an dieser Stelle gesagt werden. Ein Unterschied zwischen Priapulus und Halicryptus ist nach Enrers darin gegeben, dass der erstere kurze und lange Rüsselretraktoren besitzt, während dem Halieryptus nur eine Art derselben zukommt, welche sich zwischen dem ersten und zweiten Drittel der Körperlänge an die Längsmuskeln der Körperwand inserirt. Ein Längsschnitt durch den ganzen vorderen Körpertheil des Halieryptus zeigt jedoch, dass dieser Unterschied hinfällig ist, indem der Halieryptus noch ein System ganz kurzer Retraktoren besitzt, welche im schlaffen Zustande sich vollstän- dig an die Körperwand anlegen und so der Präparation entgangen sind (Fig. 2). Die Insertionsstelle dieser kurzen Retraktoren befindet sich auf der Grenze zwischen Rüssel und Stamm, zwischen den Längsmuskeln der Körperwand. Die Form derselben ist gleich der ersten Art platt band- förmig, ihre Breite 1 mm und ihre Zahl 10 bis 42. Wir haben es hier demnach mit Retraktoren zu thun, welche dem System der kurzen Rüsselretraktoren des Priapulus homolog sind. Die vordere Insertionsstelle sämmtlicher Retraktoren ist an der hinteren Seite des Schlundringes, wo dieseiben mit den Längsmuskeln des Schlundkopfes und mit den Längs- muskeln der Körperwand in Verbindung treten. Ihrem mikroskopischen Bau nach sind die Retraktoren Längsmuskelbündel, welche nach außen vom Peritoneum umgeben sind. Die einzelnen Fasern der Muskelstränge sind röhrenförmig, gleich denen der Körperwand, ihre Fibrillen zeigen die vorhin beschriebene Querstreifung in ausgezeichneter Weise (Fig. 2). Schwanzanhang des Priapulus, ' Die Wand des Schwanzanhanges stimmt im Bau mit der des Kör- pers überein, nur dass die Ringmuskeln hier eine zusammenhängende 1 EuLers, ].c. p. 221. 32% 482° W, Apel, Schicht bilden und die Längsmuskein in 15 Bündel gesondert sind (cf. Enters, l. c. p. 257). Die Hypodermis ist im Verhältnis zur Dicke der Wand stärker entwickelt als am Stamme; sie hat im vorderen Theile des Schwanzes eine Dicke von 0,05 mm, welche nach hinten zu allmäh- lich etwas abnimmt. Der cuticulare Überzug ist im Verhältnis zu seiner Matrix dünn; derselbe misst auf dem Querschnitt durch den vorderen Theil des Schwanzes 0,006 mm, nimmt aber nach hinten zu ebenfalls an Dicke ab. | Über den mikroskopischen Bau der einzelnen Elemente, welche die Wand des Schwanzanhanges zusammensetzen, lässt sich Folgendes sagen. Die Ringmuskelschicht zeigt gegenüber derjenigen der Körper- wand eine Veränderung, indem sie nicht aus Röhrenmuskeln, sondern aus 0,003 mm dicken Fasern besteht, welche dicht neben einander liegen und eine deutliche Querstreifung zeigen. Die Kerne dieser Fasern liegen an der inneren Seite und zwar in einem protoplasmatischen Hofe, welcher schmaler und schmaler werdend sich zu beiden Seiten des Kernes längs der Faser eine Strecke weit verfolgen lässt. Dieselben haben eine ovale Gestalt von 0,009 mm Länge und 0,007 mm Breite, ein einziges centrales oder zwei in den entgegengesetzten Enden des Kernes gelagerten Kernkörperchen. Wir haben es hier demnach mit Muskeln zu thun, welche nach dem Typus der nematoiden Muskelfasern ! gebaut sind, wenn gleich derselbe auch dadurch undeutlich wird, dass die einzelnen Fasern dicht zusammenliegen und die Marksubstanz nur in der Nachbarschaft der Kerne zu erkennen ist. Die oben erwähnten 15 gesonderten Längsmuskelbündel bestehen aus röhrenförmig gebauten, fest zusammengelagerten Muskelfasern, welche im Bau von den Längsmuskelfasern der Körperwand keinerlei Abweichung zeigen. Horst? beschreibt die Ringmuskelschicht in den Schwanzanhängen von Priapulus bicaudatus als eine dünne Schicht von Fibrillen. Der- selbe hat ohne Zweifel nur den kontraktilen Theil der Fasern gesehen, während ihm die Marksubstanz mit den Kernen entgangen ist. In den Intervallen der Längsmuskelbündel befinden sich die Mün- dungen der dem Schwanzanhang seitlich ansitzenden Papillen, deren Bau in so fern von dem des Grundstockes abweicht, als röhrenförmige Muskeln ihnen vollständig abgehen. Die Zusammensetzung ihrer Wand ist folgende: Guticula und Hypodermis gehen ohne Unterbrechung auf die Papillen über und zeigen in ihrem Bau keinerlei Abweichungen. Die Dicke der Guticula betrug 0,002 mm, die der Hypodermis stimmte 1 cf. ScunEiDEr, Monographie der Nematoden. Berlin 1866. p. 199. 2 ].c.p.26. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 483 an der Basis der Papille mit der des Grundstockes überein und nahm gegen die Spitze hin etwas ab. An die Hypodermis schließt sich nach innen eine zusammenhängende Ringmuskelschicht von der Dicke einer Faser, deren einzelne Fasern im Bau mit den Ringfasern des Grund- stockes übereinstimmen, deren Breite jedoch nur 0,002 mm ist und welche keine Querstreifung zeigen. Die Kerne dieser Fasern waren 0,04 mm lang und 0,008 mm breit. Der innere Raum der Papille wird durchsetzt von längsverlaufenden Muskeln, welche aus der Ringmuskel- schicht des Grundstockes entspringen .und ebenfalls im Bau mit den Fasern derselben übereinstimmen. Diese Muskeln bilden keine zu- sammenhängende Schicht, wie dies von Horst! für Priapulus bicau- datus angegeben ist, sondern verlaufen in Strängen von vier bis acht Fasern in einem Abstande von ungefähr 0,04 mm von der Wand der Papille, in deren vorderen Ende sie sich an die Ringmuskelschicht inse- riren. Durch Anastomosen innerhalb der protoplasmatischen Marksub- stanz hängen diese Stränge in ziemlich gleichen Zwischenräumen mit der Ringmuskelschicht zusammen. Nach Horsr’s? Beschreibung steht beim Priapulus bicaudatus die aus Fibrillen bestehende Längsmuskel- schicht der Papillen ebenfalls in regelmäßigen Zwischenräumen mit der Ringmuskelschicht in Verbindung. Ringförmige Blindsäcke um den centralen Theil der Papillenhöhle, derart wie sie von Horst beschrieben ‚und gezeichnet sind, treten hier jedoch niemals auf. Etwas Ähnliches zeigte sich jedoch bei kontrahirten Längsmuskelfasern auf dem Längs- schnitt durch die Papille, indem dann die Haut zwischen den einzelnen Ansatzstellen der protoplasmatischen Substanz der Längsmuskeln an die Ringmuskelschicht sich nach außen wölbte; an dieser Wölbung nahmen jedoch Cuticula, Hypodermis und Ringmuskelschicht immer gleichmäßig Antheil. Auch die netzartig verbundenen Faserzüge im centralen Raume der Papillen des Priapulus bicaudatus fehlten hier vollständig. Nach der von Horst gegebenen Zeichnung zu urtheilen, kommt dieses Fasernetz durch mannigfache Anastomosenbildung der ‚dort stärker entwickelten Marksubstanz der Muskelfasern zu Stande. Die auf der Oberfläche der Haut im Bereiche des Schwanzanhanges auftretenden Spitzen sind gebildet wie die Rüsselpapillen; ihre äußere Form ist von Enzers (l. c. p. 227) und in gleicher Weise für Priapulus bicaudatus von Horst (]. c. p. 27) genau beschrieben. Ein Porus ist, wie schon früher bemerkt, am hinteren Ende des Schwanzanhanges nicht vorhanden. Es ist hier schließlich noch auf die Frage einzugehen, als was wir den eben beschriebenen Theil des Körpers auffassen sollen, als Fort- ı1.c.p. 26. 2 1.c.p. 26. A484 W. Apel, setzung des Stammes oder als Körperanhang. Von Eures! ist die Frage in der ersten Weise beantwortet worden, weil die Höhle dieses Ab- schnittes nur ein Theil der gesammten Leibeshöhle ist, auch dessen Körperwand von der gemeinsamen nicht zu trennen ist. Die Beob- achtungen am lebenden Thiere zeigen jedoch, dass der erste Grund hin- fällig ist, da der Hohlraum des Körpers und der des Schwanzanhanges durch einen sphinkterartig wirkenden Muskel von einander getrennt sind. Entscheidend in dieser Sache ist jedoch der Umstand, dass sich das Bauchmark nicht auf den Schwanz fortsetzt, sondern vor dem After endigt. Der Schwanzanhang des Priapulus ist somit als ein Anhang des Körpers zu betrachten. Von diesem Gesichtspunkte aus verstehen wir auch das Vorkommen zweier derartiger Anhänge, wie sie beim Priapu- lus bicaudatus beschrieben sind. Horsr? hat sich über diese Frage in ähnlicher Weise ausgesprochen. Im Anschluss an die Beschreibung der Körperwand mögen hier einige Bemerkungen über die Leibesflüssigkeit folgen, welche im frischen Zustande untersucht wurde. Der Leibeshohlraum beider Thiere ist angefüllt mit einer etwas dickflüssigen, weißlich aussehenden Flüssigkeit, welche beim Anschnei- den der Körperwand hervorquillt. Auf den Objektträger gebracht, zeigte sich unter dem Mikroskope das Gesichtsfeld dicht angefüllt mit 0,008 mm großen, kugelförmigen Körpern vom Werthe einer Zelle. Dieselben be- stehen aus hellem, farblosem Plasma, in welchem das Licht stärker brechende Körperchen in wechselnder Menge unregelmäßig eingelagert sind. Fast alle diese Zellen sind ausgezeichnet durch den Besitz einer großen Vacuole. Auf Zusatz von Essigsäure wird ein 0,003 mm großer Kern sichtbar, welcher kugelförmig gestaltet und excentrisch gelagert ist. Zwischen den eben beschriebenen Körperchen finden sich solche, welche durch bedeutendere Größe ausgezeichnet sind und einen Durchmesser von 0,046 mm erreichen (Fig. 40 1—6). Der Hauptunterschied zwischen diesen Körperchen der Leibesflüssigkeit und den zuerst beschriebenen bestehtdarin, dass dieselben in ihrer Form nicht konstant sind, sondern veränderlich; sie senden Pseudopodien aus und bewegen sich nach Art der Amöben. Das Plasma, welches die großen beweglichen Körper der Leibesflüssigkeit bildet, unterscheidet sich im Aussehen durch nichts von dem der kleineren. Eingeschlossen in dasselbe finden sich ein bis zwei 0,003 mm große Vacuolen, welche mit der Bewegung des ganzen Körperchens ihre Lage im Plasma änderten. Wie bei den kleineren 171.20;:p. 21%. 2.1.2e.,p.26, Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 485 Körpern der Leibesflüssigkeit sind in das Plasma zahlreiche, das Licht stärker brechende Körperchen eingelagert, wie-die Vacuolen durch die Bewegung des Plasmas in ihrer Lage in dem letzteren veränderlich. Ein Kern ist auch hier erst auf Zusatz von Essigsäure zu bemerken, zeigt eine runde Gestalt von 0,0045 mm Durchmesser und liegt ebenfalls meist excentrisch. Das numerische Verhältnis der großen Körper der Leibesflüssigkeit zu den kleinen ist ungefähr wie 1:400. Suspendirt sind die Körperchen in einer farblosen Flüssigkeit, in welcher sie, wie schon p. 465 bemerkt ist, im Körper des lebenden Thieres lebhaft flot- tiren. Ein Zusammenbhallen der Körperchen, wie es beim Sipunculus bekannt ist, findet nicht statt. Verdauungstractus. Der Verdauungstractus besteht aus drei Theilen: dem Schlundkopf, dem Mitteldarm und dem Enddarm. Der Schlundkopf besitzt in den meisten Fällen eine asymmetrische Gestalt, dadurch hervorgebracht, dass auf seiner dorsalen Seite eine stetige Dickenzunahme der muskulösen Wand von vorn nach hinten stattfindet, während die Dicke seiner ventralen Wand sich ziemlich gleich bleibt oder nur in der Mitte eine unbedeutende Anschwellung erleidet. Bei denjenigen Individuen, bei welchen äußerlich diese Asymmetrie des Schlundkopfes nicht erkannt wird, ist dieselbe dennoch vorhanden und auf einem in dorsoventraler Richtung durch denselben gelegten Längsschnitt stets deutlich sichtbar (Fig. 2). Der Nahrungskanal durchsetzt den Schlundkopf in gerader Rich- tung von vorn nach hinten. Abgesehen von einer am hinteren Ende auftretenden seitlichen Aussackung bleibt sich die Weite seines Lumens in diesem Abschnitte gleich und ist je nach dem Kontraktionszustand der Wandmuskeln bald durch die Spitzen der Zähne vollständig ge- schlossen, bald ein ganz geräumiger Kanal. Die am Ende des Schlund- kopfes gelegene Aussackung verläuft fast genau in einer Ebene, welche senkrecht steht zur Längsachse des Schlundkopfes, und erweitert das Lumen des Kanales etwa auf das Vierfache. Da der Übergang des eigentlichen Schlundes in diese seitliche Aussackung nicht allmählich, sondern plötzlich stattfindet, bildet die Wand des Schlundkopfes hier eine scharf nach innen vorspringende Kante, welche mit Zähnen besetzt ist. Die Form der Aussackung selbst ist von dem Kontraktionszustande der verschiedenen Muskeln der Schlundkopfwand abhängig und dess- ‚halb sehr veränderlich, Oft läuft dieselbe, sich stetig verjüngend, an ‚ihrem Ende keilförmig aus, oft ist dieselbe überall gleichmäßig und an 486° W. Apel, ihrem seitlichen Ende schön abgerundet. Da die Erweiterung des Schlundes durch diese Aussackung nur auf eine kurze Strecke stait hat, findet man bei Längskontraktionen des Schlundkopfes die vordere und hintere Wand der Aussackung fest auf einander gepresst. Bei einem Exemplare des Priapulus war in so fern eine Ab- weichung von dem eben Beschriebenen vorhanden, als sich die Aus- sackung allein auf der dorsalen Seite fand und nicht seitlich, sondern nach hinten gerichtet war. Außerdem theilte sich dieselbe hier in einen kürzeren inneren und einen. längeren nach außen gelegenen Ast. Da dieses Verhalten nur bei einem einzigen Individuum beobachtet wurde, und alle übrigen untersuchten Thiere beider Gattungen in dem zuerst Beschriebenen übereinstimmten, ist hier wohl eine abnorme Bildung anzunehmen. Die mächtig entwickelte Muskulatur des Schlundkopfes (Fig. 2) besteht, wie schon von Enrers angegeben ist, aus Ringmuskeln, welche von radiär gestellten Muskelsträngen durchzogen werden. Hierzu kommt jedoch noch eine äußere etwa 0,05 mm dicke Längsmuskelschicht, welche das Gebilde wie ein Mantel umgiebt und nach außen vom Peritoneum überzogen ist. Auf der äußeren Oberfläche derselben verlaufen ge- sonderte platte Längsmuskelbänder (cf. Enters, 1. c. p. 231). Die in Schichten von ungefähr 0,07 bis 0,05 mm Dicke gesonder- ten Radiärmuskeln setzen sich an die abaxiale Seite der Grenzmembran zwischen Subecuticularis und Muskulatur an, durchsetzen die Ring- muskeln und gehen an der Peripherie des Schlundkopfes in die Längs- muskeln über. In den meisten Fällen weichen die radiären Muskelstra- ten, von ihrem Insertionspunkte an die Grenzmembran aus gerechnet, in ihrem Verlaufe von der senkrecht zur Längsachse des Schlund- kopfes stehenden Ebene nach hinten ab, ändern ihre Richtung jedoch mit dem jedesmaligen Kontraktionszustande der Längsmuskulatur. Zwei Drittel ihrer ganzen Länge, von der Grenzmembran aus gerechnet, sind diese Muskelschichten kompakt, während in dem letzten Drittel fast immer mehrfache Spaltungen in denselben auftreten. Das numerische Verhältnis dieser radiär gestellten Muskelfasern zu den Ringmuskeln, welche zwischen ihnen verlaufen, ist nicht in allen Regionen des Schlundkopfes das gleiche. In der vorderen Hälfte überwiegt entschie- den die Ringmuskulatur, während im hinteren Theil die radiären Muskelstraten so dicht stehen, dass die Ringmuskeln oft nur Schichten von der Dicke einer Faser oder weniger Fasern zwischen ihnen bilden. Der Übergang zwischen beiden Theilen findet allmählich statt. Die beiden vordersten Schichten der radiären Muskeln erleiden an ihren äußeren Enden eine Kreuzung dadurch, dass die zweite ungefähr Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus, 487 unter 45° zur Längsachse des Schlundkopfes schräg nach vorn läuft, und die erste dem entgegengesetzt einen etwas nach hinten gerichteten Verlauf hat (cf. Fig. 2). Vorn an der äußeren Seite des Schlund- kopfes entsteht durch diese Kreuzung der Muskelschichten eine Rinne, in welcher der Schlundring verläuft. Jenseits des Kreuzungspunktes, von innen aus gerechnet, zieht sich die zweite Schicht dicht an der inneren Wand des Schlundringes entlang und endigt, nach vorn zu stetig an Dicke abnehmend, an der Stelle, wo sich die Hypodermis an den Schlundring ansetzt. Die erste Schicht bildet, vereint mit den Fasern der Längsmuskelschicht des Schlundkopfes und den auf der Ober- fläche des letzteren gesondert verlaufenden, platten Längsmuskelbän- dern, die innere und äußere Begrenzung des Schlundringes. Dass sich an der hinteren Seite des letzteren die Retraktoren des Rüssels ebenfalls an diese Muskelschicht inseriren, ist schon früher bemerkt. Die ver- schiedenen sich im Umfange des Schlundringes vereinigenden Muskeln haben vielleicht die Funktion, sich gegenseitig in ihren Wirkungen auf- zuheben und so den Schlundring vor zu großem Drucke zu schützen. Würden z. B. die radiären Muskeln des Schlundkopfes sich kontrahiren bei Abwesenheit der Längsmuskeln, d. bh. platten Muskelbändern und Retraktoren, so würde der Nervenring selbst stark gepresst werden. Dem wirken die übrigen Muskeln entgegen und vice versa. Im Inneren ist der Ösophagus ausgekleidet von einer Cuticula, welche die unmittelbare Fortsetzung der äußeren cuticularen Körper- decke bildet. Dieselbe hat im vorderen Theile des Schlundkopfes eine Dicke von etwa 0,04 mm, welche im hinteren Ende desselben bis auf 0,02 mm abnimmt. Die Strukturverhältnisse derselben stimmen genau mit denjenigen überein, welche für die äußere Cuticula beschrieben sind und treten hier besonders deutlich hervor. Auf ihrer inneren Oberfläche zeigt dieselbe eine feine, regulär sechseckige Zeichnung, welche von feinen, vorspringenden Leisten gebildet wird. Unter der Cuticula findet sich eine 0,03 mm dicke Subeuticularis in Form eines hohen Cylinderepithels. Wie die Guticula des Schlundes mit der Cuticula der Körperwand, so steht auch diese Schicht in Konti- nuität mit der Hypodermis der Körperwand, deren Zellen allmählich den Charakter dieses Epithels annehmen. Der Hauptunierschied zwi- schen der Hypodermis der Körperwand und der Subecuticularis des , Schlundes besteht darin, dass die Intercellularräume im Schlundepithel vollständig fehlen. Die Breite der einzelnen Zellen ist 0,01 mm, ihre ‚ Form sechsseitig und an der Spitze abgerundet. Durch letzteres werden feine Vertiefungen zwischen den einzelnen Zellen erzeugt, in welche die . erwähnten feinen Leisten auf der inneren Seite der Cuticula vorspringen. 488° W. Apel, Im Plasma des Zellleibes finden sich körnige Einlagerungen in großer Menge. Die Kerne gleichen an Form und Größe den Hypodermiskernen ; ihre Lage ist unregelmäßig, meist nach der Spitze zu verschoben. Die Dicke der Subeuticularis beträgt in den vorderen Regionen des Schlund- kopfes 0,03 mm und nimmt nach hinten zu bis auf 0,04 mm ab. Be- grenzt wird dieselbe nach der Muskulatur hin durch eine feine, struktur- lose Membran, der unmittelbaren Fortsetzung jener Membran, welche wir als Grenze zwischen Hypodermis und Ringmuskelschicht der Körper- wand haben auftreten sehen. Charakteristisch für Guticula und Hypodermis des Schlundes sind die mannigfachen Zahnbildungen, welche wir auf der Oberfläche der Cuticula wahrnehmen. Der Darstellung, welche Eurers! von der Form und der Anordnung derselben gegeben hat, sind nur wenige Worte hin- zuzufügen. Bei der Gattung Halicryptus fanden sich bei fast allen hier unter- suchten Exemplaren die Zähne erster Ordnung mit jederseits 3—A Nebenspitzen, während Enters die Zahl derselben nur auf 2 angiebt?. Die Nebenspitzen nahmen von der Hauptspitze nach dem Rande der Basis zu an Größe ab, so dass die auf der Basis zu äußerst stehende Spitze bei Weitem die kleinste war. Nach Angabe von Enters ist beim Priapulus die der Hauptspitze zunächst stehende Nebenspitze die kleinste. Mannigfache Abweichungen und Unregelmäßigkeiten in der Form der Zähne, derart, wie sie p. 232 der Enters’schen Arbeit erwähnt werden, kamen auch hier zur Beobachtung; so fanden sich z. B. die Nebenspitzen auf der einen Seite bis auf eine reducirt, während auf der anderen Seite sieben eniwickelt waren. Die Zähne sind Ausstülpungen der Cuticula, in welche die Subeuti- cularis mit einem Fortsatz hineinwuchert, Homologa der mannigfachen Erhebungen, welche wir auf der äußeren Körperoberfläche beschrieben haben. An der Bildung derselben betheiligen sich beide Schichten nicht in der gleichen Weise. Die dunkeln, verhornt aussehenden Zahntheile, die eigentlichen Spitzen der Zähne, werden gebildet von der inneren euticularen Schicht, über welche sich die äußere als ganz feiner Überzug 2 1.C, P- 234. 2 Nach SAENGER, cf. WIEGMANN, Archiv für Naturgesch. 1869, Bd. II, p. 281, haben die Zähne der im Schlamme der Kieler Bucht lebenden Halicrypten acht bis zwölf Nebenspitzen, der im Sande der Danziger Bucht lebenden nur vier bis acht Nebenspitzen. Alle hier untersuchten Thiere waren aus dem Schlamme der Kieler Bucht und hatten an den Zähnen erster Ordnung sechs bis acht Nebenspitzen ; der von SAENGER gemachte Unterschied ist somit wohl ohne besondere Bedeutung, und es steht die Entscheidung noch aus, ob es sich um Altersdifferenzen oder lokale Rassen- bildung handelt. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 489 hinzieht. An der Basis der Zähne, so wie bei den Papillen im hinteren Ende des Schlundes, bei denen es zu einer Spitzenbildung nicht mehr kommt, stehen beide cuticulare Schichten in ihrem gewöhnlichen Dicken- verhältnis zu einander. In der Längsachse sämmtlicher Spitzen verläuft ein Kanal, welcher, sich nach vorn zu stetig verjüngend, bis in das äußerste Ende der Spitze zu verfolgen war und an seinem hinteren Ende mit dem unter der Basis gelegenen Hohlraum kommunieirte. Das Lumen eines solchen Kanals hatte an seiner Mündungsstelle für die Hauptspitze eines Zahnes erster Ordnung eine Weite von 0,02 bis 0,07 mm, für die Nebenspitzen desselben Zahnes an gleicher Stelle nur 0,006 mm. Die Wand der Spitzen zeigt eine deutliche, feine, radiäre Streifung, lässt aber von einer Schichtung nichts mehr erkennen. Der ganze innere Hohlraum der Zähne wird ausgefüllt durch jenen schon erwähnten Fortsatz der Subeuticularis, deren Zellen eine bedeu- tende Streckung in die Länge erfahren, sich sonst aber durch nichts von der gewöhnlich im Schlunde vorkommenden Art subecuticularer Zellen unterscheiden. Die Kerne waren in ihrer Lage meist nach der Spitze der Zellen zu verschoben. Die unter den Spitzen gelegenen Zellen traten in die Kanäle derselben ein und waren in denselben weit nach vorn hin zu verfolgen. Eine Eigenthümlichkeit des circumscripten Theiles der Subcuti- eularis, welcher unterhalb der Basis eines Zahnes sich befindet, besteht darin, dass er immer halbkugelförmig gegen die Muskulatur hin vorge- wölbt ist. Die im Centrum des Bezirkes stehenden Zellen bekommen hierdurch eine ganz bedeutende Länge (Zahn erster Ordnung 0,3 mm). Diese Eigenthümlichkeit beschränkt sich nicht nur auf die eigent- lichen Zähne, sondern findet sich auch bei den Papillen der hinteren Schlundregion. Der Übergang vom Schlundkopf zum Mitteldarm wird vermittelt durch einen kurzen, etwa ein Drittel der Schlundkopflänge messenden Abschnitt des Verdauungstractus, der sich durch seinen Bau sowohl vom Schlundkopf wie vom Mitteldarm unterscheidet, und desshalb wohl am besten als ein Übergangsstück zu bezeichnen ist. Die vordere Grenze desselben ist von außen her nicht zu bestimmen, während sein hinteres Ende mit der Insertionszone der schmalen, platten, dicht neben ein- ; ander stehenden Muskeln! auf der Außenfläche des Mitteldarmes zu- mn [ sammenfällt. Die letztgenannten Muskelbänder, welche aus der Längsmuskulatur des hinteren Schlundkopfes entspringen und sich an die Längsmuskulatur ! Enrers, ].c. p. 234, 490 W. Apel, des Darmes wieder ansetzen, dienen nach Enters dazu, das Ausgleichen der Falte, welche durch Invagination des Schlundkopfes in den Darm gebildet wird, zu verhindern. In den meisten Fällen war eine derartige Invaginationsfalte in der That vorhanden und lag die Umschlagsstelle "ungefähr in der Mitte des Übergangsstückes. Es gelangten jedoch Thiere in völlig ausgestrecktem Zustande zur Untersuchung, bei denen jene Muskeln so gestreckt waren, dass von einer Faltenbildung nichts mehr zu sehen war. Die Funktion dieser Muskeln ist dennoch die nämliche, wie sie von EnLers angegeben ist: Bei Längskontraktionen des Thieres den Mitteldarm aus einander zu ziehen, um die Invagination des Schlund- kopfes in denselben zu ermöglichen. Dass diese Invagination oft und in ausgedehntestem Maße stattfindet, beweisen Längsschnitte, welche durch den vorderen Körpertheil stark in der Längsrichtung kontrahirter Thiere gemacht sind. Auf denselben erschien der Schlundkopf voll- ständig in den Darm eingestülpt, dessen Wand der Körperwand des vorderen Stammendes unmittelbar anlag. Die Muskulatur des Übergangsstückes erscheint im Zusammenhang mit der des Schlundkopfes, ist von letzterer jedoch dadurch unter- schieden, dass radiär gestellte Muskelstränge nur in ihrem vordersten Abschnitte und auch hier nur spärlich vorkommen, nach hinten zu aber bald ganz aufhören. Die Wand ist demnach, mit Ausnahme dieses vordersten Theiles, gebildet aus einer inneren Ringmuskelschicht und einer äußeren 0,04 mm dicken Längsmuskelschicht. Letztere nimmt nach hinten zu nur unbedeutend an Dicke ab, während die erstere an ihrem vordersten Ende den Ringmuskelschichten des angrenzenden Schlundkopftheiles an Dicke gleichkommt und im hinteren Theile wenig dicker ist als die Ringmuskelschicht, welche wir am Darm treffen. Das, was diesen Abschnitt des Verdauungstractus besonders . charakterisirt, ist das Auftreten von Längswülsten auf seiner inneren Oberfläche, welche durch eine eigenartige Ausbildung der Subcuticularis hervorgebracht werden. Diese Längswülste sind schon mit Hilfe der groben Präparation, durch Aufschneiden und Ausbreiten des Schlund- kopfes sichtbar zu machen, und sind auch von EnLers, wenn auch nur an der Umschlagsstelle, als eine Anzahl niedriger, abgerundeter Vor- sprünge am hinteren freien Ende des Ösophagus beschrieben. Die Wülste hatten eine durchschnitiliche Breite von 0,06 bis 0,14 mm, welche sie während ihres ganzen Verlaufes beibehielten ; die Höhe derselben war im vorderen Theile 0,2 bis 0,49 mm, nahm ‚von hier aus nach der Mitte hin etwas zu und von da aus bis zu ihrem Ende hin ab. nn ie z nn neeiias ee ER Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caydatus und Halieryptus spinulosus. 491 Die einzelnen Wülste waren nicht vollständig von einander getrennt, sondern hingen an ihrer Basis alle zusammen. Die Subeuticularis, welche diese Wulstbildung hervorbringt, be- steht wie im Schlunde aus hohem Cylinderepithel von regelmäßig sechs- seitigen Zellen, deren Breite so wie Größe und Form ihrer Kerne die- selben sind wie im Schlunde. Die Lage der Kerne ist gewöhnlich in den nach dem Inneren des Schlundes zu gerichteten Spitzen der Zellen. Körnige Einlagerungen sind in den meisten Fällen hier ebenfalls in größerer Menge vorhanden, können jedoch auch, wie bei mehreren In- dividuen beobachtet wurde, nur sehr spärlich auftreten. Die Länge der Zellen ist ungleich und ihre Anordnung so, dass die Wülste auf dem Querschnitt eine blattförmige Gestalt erhalten. Die längsten Zellen stehen in der Mitte, gewissermaßen die Mittelrippe des Blattes bildend, senkrecht zu ihrer Unterlage. An dieselbe schließen sich zu beiden Seiten die Zellen in abnehmender Größe und erhalten dadurch, dass sie sich gegen die Spitze hin verdicken, in ihren vorderen Theilen eine von der Mittelrippe nach außen gebogene Richtung. Die Cuticula, welche sich über die Wülste hinzieht, steht mit der des Schlundes im Zusammenhang, ist aber hier nur noch als eine gleichmäßig dicke Schicht von 0,003 mm zu erkennen, an welcher Schichtung oder sonstige Strukturverhältnisse nicht mehr zu sehen sind. Die Oberfläche derselben ist glatt. Bei der Häutung wird dieselbe im Zusammenhang mit der Guticula abgeworfen. An dieses Übergangsstück schließt sich der Mitteldarm unmittelbar an. Was die Struktur seiner Darmwand anbelangt, so sehen wir sie nach außen begrenzt vom Peritoneum, unter welchem die Muskulatur in zwei zusammenhängenden Schichten verläuft, einer äußeren Längs- muskelschicht und einer inneren Ringmuskelschicht. Die Dicke der letzteren ist ungefähr doppelt so groß wie die der ersteren. Nach innen zu schließt sich an die Ringmuskulatur ein hohes Epithel, getrennt von derselben durch eine Grenzmembran, eine Fortsetzung jener Membran, welche wir an gleicher Stelle in dem vorigen Abschnitte des Verdauungs- tractus gefunden haben. Die Längsmuskeln des Mitteldarmes bilden die Fortsetzung der Längsmuskulatur des Übergangsstückes und des Schlundkopfes und stimmen in ihrem mikroskopischen Bau mit jenen überein. Es sind röhrenförmig gebaute Fasern, welche der Längsachse des Darmes parallel ‚laufen. Die Dicke dieser Schicht betrug bei einem 37 mm langen Thiere 0,02 mm. Die Fasern der Ringmuskelschicht verlaufen ihrer Hauptrichtung ‚nach in einer Ebene senkrecht zur Längsachse des Darmes, jedoch 492 W. Apel, wellenförmig und zwar in der Richtung der letzteren. Durch diese Eigenthümlichkeit wird die große Ausdehnungsfähigkeit des Darmes in Bezug auf sein Lumen bedingt, was daraus zu ersehen ist, dass an Prä- paraten, welche an Stellen aus der Darmwand genommen waren, wo dieselbe durch irgend welche Ursachen (z. B. in einem Falle, wie er p. 466 beschrieben ist) stark gespannt war, die Wellenform der Fasern vollständig fehlte. Was jedoch diese Ringmuskeln von den Ringmuskeln der Körperwand und des Schlundkopfes unterscheidet, ist der ab- weichende Bau der einzelnen Fasern. Derselbe stimmt überein mit dem der nematoiden Muskelfaser, wie er zuerst von ScHNEIDER beschrieben ist. Man unterscheidet an ihnen eine sich mit Hämatoxylin oder Karmin dunkel färbende Substanz, welche deutlich eine Längsstreifung zeigt, die sog. kontraktile Substanz des Muskels, und eine protoplasmatische oder Marksubstanz, wie sie von SCHNEIDER genannt ist, welche in ge- färbten Präparaten hell und ungefärbt erscheint (Fig. 27). Die kontraktile Substanz stellt sich auf dem Querschnitt als eine Schicht von 0,001 mm Dicke dar, welche rinnenförmig zusamımenge- bogen ist, an den Enden der Fasern bis zu einem fast geschlossenen Kreise, in der Mitte selten mehr als halbkreisförmig. Die konkave Seite der Rinne ist fast immer dem Körperhoblraum zugekehrt. Ihr Durch- messer schwankte zwischen 0,004 bis 0,008 mm und nahm gegen die Enden der Fasern ab. In der Höhlung der Rinne liegt die Marksubstanz und ragt bald mehr bald weniger aus der oflenen Seite derselben her- vor, welches sich auf dem Flächenbilde als ein unregelmäßig begrenzter, heller Saum der dunkeln Faser darstellt. In den meisten Fällen stand der hervorragende Theil der Marksubstanz hinter der übrigen Muskel- faser (kontraktilen Rinne mit der in ihr eingeschlossenen Marksubstanz) an Dicke zurück und nahm besonders gegen das Ende hin ganz be- deutend an Umfang ab. | In der Marksubstanz liegt der Kern der’Faser und zwar meist außer- halb der Höhlung der Rinne, indem das Mark an dieser Stelle weit aus derselben hervortritt. Es sind jedoch auch Fälle beobachtet, bei denen der Kern innerhalb der Rinne lag und die Hervorwölbung des Proto- plasmas unterblieb, doch war dies das bei Weitem seltenere Vor- kommen. Gestalt und Größe der Kerne stimmte mit denen der übrigen Muskeln überein, es war jedoch stets nur ein meist etwas excentrisch liegendes Körperchen vorhanden. Die Lage der Kerne war so, dass ihre Längsachse der Längsachse der Faser parallel lief, von welcher Richtung zuweilen eine geringe Abweichung stattfand. Die Fasern sind durch zahl- reiche Anastomosen unter einander verbunden und umspannen in ihrer Gesammtheit den Darm in Form eines großen Netzes, die Länge der ein- Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulas caudatus und Halieryptus spinulosus. 493 zelnen Fasern ist desshalb nicht zu bestimmen. Das Bild eines Netzes wird noch vervollständigt dadurch, dass die Fasern nicht immer parallel zu einander verlaufen, sondern sich vielfach kreuzen. Außer den schon erwähnten Anastomosen, welche immer von der ganzen Faser gebildet werden und stets unter spitzem Winkel zu Stande kommen, sind noch zahlreiche derselben vorhanden, an deren Bildung nur die Marksubstanz betheiligt ist. Diese werden zum Unterschiede von den ersten unter einem rechten oder doch einem diesen nahestehenden Winkel gebildet. Ihre Breite war sehr verschieden, 0,002 bis 0,008 mm, eben so ihre Länge, da sie nicht immer die nächstliegenden Fasern verbanden. Begrenzt wurde die ganze Faser durch ein Sarkolemma, welches sich gegen die Marksubstanz als dunklerer, und gegen die kontraktile als hellerer Saum deutlich abhob. Nach den Untersuchungen von R. und O. Herrwıc! über die nema- toide Muskelfaser sind die röhrenförmigen und die zuletzt beschriebenen Muskeln nur verschiedene Entwicklungsstufen ein und derselben Muskel- art. Dadurch nämlich, dass die ursprünglich Sach ausgebreitete, kon- traktile Substanz an Masse zunimmt und sich muldenförmig zusammen- biegt, entsteht schließlich durch Verwachsung der freien Ränder eine Röhre, in deren Inneren die Marksubstanz eingeschlossen ist. Der kon- traktile Mantel zerfällt darauf in einzelne Fibrillen. Dies Endresultat ist das Stadium, welches wir in den röhrenförmigen Muskeln der Gephyreen vor uns haben, während uns die Ringmuskeln des Darmes eine niedrigere , Entwicklungsstufe derselben Muskelart vorführte. In den Ringmuskeln, welche am Schwanzanhang des Priapulus beschrieben sind (cf. p. 482), \ haben wir demnach das Anfangsstadium dieser Muskelentwicklung vor | uns, indem dort die kontraktile Substanz noch flach ausgebreitet erscheint. Diese Herrwıg’sche Theorie über die Entstehung der röhrenförmigen h ‚ Muskeln resultirt aus den anatomischen Befunden, welche uns über die , Muskeln mehrerer Nematodenarten vorliegen. Der ai wistk nneseeschiähre \ liche Beweis für die Richtigkeit derselben ist noch nicht geliefert. An ‚ Wahrscheinlichkeit gewinnt dieselbe durch die Beobachtungen , welche Tımm 2 über die Muskulatur von Phreoryctes Menkeanus veröffentlicht | ‚ hat. Derselbe fand nämlich in ein und derselben Muskelschicht Röhren- , muskeln und solche, deren Röhren im mittleren Theile nicht vollständig ‚ geschlossen waren , welche sonst aber den ersteren vollständig glichen. Da für ein und didselkke Muskelschicht der gemeinsame Ursprung ihrer Fasern wohl außer Frage steht, ist zu vermuthen, dass wir auch da, wo !' Studien zur Blättertheorie. Bd. IV. »Coelomtheorie.« p. 53. ? »Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus und Nais.« Separatabdr. aus den ‚»Arbeiten des zool.-zoot. Instituts in Würzburg«. Bd. VI. p. 9. nen men 494 W. Apel, beide Muskelarten getrennt vorkommen, es mit homogenen Gebilden zu thun haben. Timm stellt die nicht zur Röhre geschlossenen Muskeln als Übergangsform dar zwischen den typischen Röhrenmuskeln und solchen, welche er »Bandmuskeln« nennt und welche an verschiedenen Stellen des Körpers, so auch in der Darmwand auftreten. Die specielle Beschrei- bung dieser Bandmuskeln fehlt leider. Es ist möglich, dass dort ein ganz ähnliches Verhalten vorliegt wie hier, und dass dem Beobachter die Marksubstanz der Fasern entgangen ist. Zwischen die Ringmuskeln des Darmes ist Bindegewebe in großer Menge eingelagert von derselben Art, wie es zwischen den Ringmuskeln der Körperwand beschrieben ist. Dasselbe erstreckt sich in die später beschriebenen, in das Innere des Darmes vorspringenden Falten , wäh- rend die Ringmuskulatur glatt über dieselben hinwegzieht. Die Längs- muskelschicht und Ringmuskelschicht sind nur locker mit einander verbunden und lassen sich durch Maceration in Schichten von einander lösen. Nach Enurers! ist die innere Oberfläche des Darmes in ziemlich gleichen Abständen von 0,1 mm besetzt mit ringförmig verlaufenden Falten, welche auf dem Querschnitt eine blattförmige Gestalt zeigen. Die einzelne Falte ist ein einheitliches Gebilde; die Einschnitte vom Rande her, welche Enrzrs beobachtete, sind durch Maceration verursacht und wurden bei gut konservirtem Material nicht gefunden. An der Bildung der Falten ist das Epithel und, wie schon oben bemerkt, das zwischen den Ringmuskeln liegende Bindegewebe betheiligt. Letzteres bildet mit einem 0,07 mm hohen und an der Basis 0,03 mm breiten Wall den inneren Theil der Falte, über welchen sich die Grenzmembran zwischen Muskulatur und Epithel hinzieht. Auf dieser Grenzmembran stehen die Zellen und zwar senkrecht zu ihrer Unterlage. Die Dicke des Epi- thels war eine ungleiche und betrug auf der Höhe der Falten etwa 0,072 mm, in den Thälern zwischen den Falten nur etwa die Hälfte hiervon. Das Darmepithel setzt sich scharf gegen die Subeuticularis des Über- gangsstückes ab. Um über die Gestalt der einzelnen Zellen ins Klare zu kommen, wurden dieselben durch Maceration in einem Gemisch von 2%, doppeltchromsaurer Kalilösung und Leibesflüssigkeit im Verhältnis von 1:4 isolirt. Die isolirten Zellen zeigten eine basale und eine an der Spitze gelegene Verdickung, zwischen welchen sich der Zellleib bis auf den sechsten Theil seiner Dicke reducirte. Die basale Verdickung er- streckte sich auf etwa 0,17 bis 0,28 der ganzen Zelllänge, hatte einen 17102 p.:2 35% Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus candatus und Nalieryptus spinulosus. 495 Durchmesser von 0,0042 mm und eine undeutlich sechsseitige Gestalt. An dem hinteren, basalen Ende ist dieselbe meist schief abgeschnitten. Die an der Spitze gelegene Anschwellung ist an ihrer dicksten Stelle, welche fast ganz terminal gelegen ist, von gleichem Durchmesser wie die basale. Bei einer Reihe von Zellen fand sich ungefähr in der Mitte zwischen beiden Verdickungen noch eine spindelförmige Erweiterung des Zellleibes auf einer Strecke von 0,008 mm, deren Breite in einzelnen Fällen der-der beiden anderen Verdickungen gleich kam, meist aber hinter derselben zurückblieb (Fig. 29). In dem basalen Theile der Zelle lag in tingirten Präparaten ein dunkel gefärbter Kern und zwar meist in dem vorderen Theile dieses Abschnittes. Derselbe hat eine fast stabförmige Gestalt von 0,007 mm Länge und 0,002 mm Breite. Seine Längsachse lag der Zelle parallel. Außerdem war dieser Theil angefüllt mit körnigen Einlagerungen, welche in der mittleren Anschwellung, wenn solche vorhanden, in gleicher Stärke auftraten, in den übrigen Theilen der Zelle aber nur spärlich vorhanden waren. Ein Querschnitt durch den Darm zeigt, dass die Epithelzellen in ihrer Basis und ihrer Spitze eine zusammenhängende Schicht bilden, während zwischen ihren mittleren Theilen Intercellular- räume auftreten, wie dieses ja auch durch die Form bedingt ist. Die Intercellularräume sind angefüllt mit einer völlig homogenen Masse; von einem Kerne, welcher diese hellen Räume zwischen den Epithelzellen als Zellen dokumentirte, ist nirgend auch nur das Geringste wahrzu- nehmen. Die lockere Verbindung der Epithelzellen erklärt auch leicht das Entstehen der Spaltungen, welche Euters am Rande der Falten be- obachtet hat. Nach dem Darminneren zu werden die Zellen von einem feinen hellen Saume begrenzt, von dem es nicht zu entscheiden war, 0) er eine zusammenhängende Schicht bildete, oder jeder Zelle allein an- gehörte. Derselbe bildete bei OÖsmiumfärbungen einen schwarzgefärbten, zusammenhängenden Kontour, ließ sich aber nie als zusammenhängende Schicht von den Zellen trennen. Die Dicke des Saumes war ungefähr 0,0006 mm. Der Enddarm setzt sich durch eine Einschnürung scharf von dem , Mitteldarm ab und unterscheidet sich von letzerem durch seine weißliche Farbe und seine geringere Dicke (vgl. Enters 1. c. p. 236) (Fig. 1). Die Struktur seiner Wand ist im Wesentlichen dieselbe wie im Mitteldarm, dessen Muskulatur und Epithel unverändert auf den Enddarm übergehen. ' Ein Unterschied in der ersteren besteht darin, dass die Längsmuskulatur ‚nicht als zusammenhängende Schicht erscheint, sondern in einzelne \ Bündel gesondert auftritt. Die Ringmuskelschicht ist hier nur 0,03 mm dick, was eine Dickenabnahme der gesammten Darmwand gegenüber Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, XLII. Bd. 33 496 W. Apel, dem "Mitteldarm zur Folge hat; sonst ist über dieselbe dem beim Mittel- darm Gesagten nichts ee Auf der inneren Oberfläche des Enddarmes ist eine Veränderung in so fern zu verzeichnen, als die in gleicher Weise wie früher auftretenden Ringfalten von längslaufenden, in Zwischenräumen von Ä bis 1,5 mm auftretenden Falten gekreuzt wer- den. Die Höhe dieser hängsfälten betrug 0,02 mm, ihr Bau war derselbe wie der der Ringfalten. Kurz vor dem After erreicht die Faltenbildung und mit ihr das Darmepithel ihr Ende und macht einer Längswulstbil- dung Platz, genau der Art, wie sie im Übergangsstück vom Schlundkopf zum Darme beschrieben ist. Die Wülste haben eine Höhe von 0,009 bis 0,003 mm und an ihrer Basis eine Breite von 0,004 mm. Nach dem Darminneren zu sind sie überzogen von einer 0,0041 mm dicken cuticu- laren Schicht, welche mit der äußeren Quticula in Verbindung steht und bei der Häuiung im Zusammenhang mit dieser abgeworfen wird. Die Zellen, welche die Wülste bilden, gehen am After in die Hypodermis der Körperwand über. An dieser Stelle ist noch der von Enzers! p. 235 beschriebenen, an in Spiritus konservirten Thieren weiß aussehenden und an lebend ge- öffneten Thieren die Farbe des Darmes zeigenden Muskelfäden zu ge- denken, welche den Darm des Priapulus seiner ganzen Ausdehnung nach auf der ventralen und dorsalen Seite begleiten. Dieselben bestehen nur aus einem Längsmuskelbündel; sie liegen in einer Falte des Peri- toneums und sind auf diese Art ihrer ganzen Länge nach an den Darm gebunden. Dain den Muskelfäden weder Gefäße, wie nach Angaben von Frey und LEuckarT 2, oder Nerven und Gefäße, wie nach Forses 3, enthal- ten sind, ist man wohl dazu berechtigt, sie als Überreste eines dorsoven- tral in der Längsrichtung des Körpers verlaufenden Mesenteriums anzu- sehen. Ein Analogon des hier Beobachteten findet sich vielleicht in dem Muskelfaden, welcher längs dem Darme bei Sipunculus nudus zuerst von KEFERSTEIN und EHLERS und später von AnDREAE beschrieben ist. Am Schluss der Darstellung des Verdauungstractus kommen wir zu der Frage, ob derselbe seiner Entstehung nach als ein einheitliches Ge- bilde aufzufassen ist oder ob seine einzelnen Abschnitte verschiedenen Ursprung haben. Nach den anatomischen Befunden ist letzteres wohl mit Sicherheit zu behaupten. Der Schlundkopf sammt dem Übergangs- 1 1,262.9,,235% 2 H. Frey und R. Leuckarr, »Beiträge zur Kenntnis wirbelloser Thiere, mit be- sonderer Berücksichtigung der Fauna des norddeutschen Meeres«. Braunschweig 1847. 40, p. 43. 3 E. ForBEs, »A history of ne Starfishes and other animals of the class Echinodermata«. London 4844. 80. p. 257. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 497 stück charakterisirt sich durch seine cuticulare Auskleidung als eine Bildung des Ektoderms, als eine Stoomodaeumbildung. Eine Proctodaeum- bildung ist in gleicher Weise keinenfalls anzunehmen und beschränkt sich, wenn überhaupt vorhanden, auf das letzte Stück des Enddarmes, in welchem wir die Längsmuskelwülste auftreten sahen und welches ebenfalls von der Cuticula ausgekleidet wird. Mitteldarm und Enddarm sind ihrem Bau nach gleichen Ursprunges, demnach wohl beide Gebilde des Entoderms. An Parasiten im Darme der lebenden Thiere wurden nur jene, schon von EnHLers ! beschriebenen, linsenförmigen Körper, von grünlich-brauner Farbe gefunden. Die Anzahl derselben wechselte, doch fehlten sie fast nie vollständig, waren dagegen oft in großer Menge vorhanden. Sie lagen nicht nur im Inhalte des Darmes, sondern oft zwischen den Epi- thelzellen. Etwas Näheres über die Natur dieser parasitären Körper konnte jedoch nicht in Erfahrung gebracht werden. Nervensystem. Das Nervensystem zerfällt in zwei Theile, einen centralen, be- stehend in Bauchmark und Schlundring, und einen peripheren Theil, welcher die zur Körperwand und zum Schlundkopf abtretenden Nerven umfasst. Von diesen beiden Theilen ist nur der centrale Theil bis jetzt bekannt; derselbe ist von Enzers? beim Priapulus caudatus und Hali- eryptus spinulosus zuerst als Nervensystem erkannt und beschrieben, während Horsr ® Näheres über den histologischen Bau des Nervensystems von Priapulus bicaudatus mitgetheilt hat. Die Resultate, zu denen Enrers vermittels der damaligen Präpa- rationsmethode gelangte, sind in Kurzem folgende: Das centrale Nerven- system besteht aus einem Bauchmark und einem Ringe. Ersteres ver- läuft auf der ventralen Fläche des Thieres außerhalb der Ringmuskulatur vom Mund bis zum After und ist schon am lebenden Thiere von außen als weißer Faden zu erkennen. Seine Dicke ist gleichmäßig bis auf den hinieren Theil, in welchem es eine kolbenförmige Anschwellung erleidet. Vorn mündet das Bauchmark in den Ring, welcher den vordersten Theil des Schlundkopfes eng umfasst, in welchem aber keinerlei Anschwellung zu erkennen ist. Beim Priapulus bicaudatus sind diese Verhältnisse nach vorliegenden Angaben in ganz der gleichen Weise gestaltet. Der Zweck der erneuten Untersuchung des Nervensystems war es, » die Angaben von Enzers sicher zu stellen, den feineren Bau des Nerven- t]l.c.p. 238. 2 ]. ce. p. 239 und 440, s2].€c..p. 29. 33* 498 W. Apel, systems kennen zu lernen und vor Allem über das periphere Nerven- system Klarheit zu erlangen. Die Resultate dieser Untersuchung sind folgende: Centralnervensystem. Für die topographischen Verhältnisse des Centralnervensystems, welche hier zunächst behandelt werden sollen, ist der Zusammenhang desselben mit der Hypodermis vo& großer Bedeutung. Derselbe lässt das Bauchmark nicht als isolirten Strang erscheinen, sondern als eine Leiste, welche der Hypodermis aufsitzt und nach dem Körperinnern zu vorspringt. Die freie Seite der Leiste ist abgerundet und erscheint auf dem Querschnitt halbkreisförmig (Fig. 16). Man kann das Bauchmark hinsichtlich seiner Form wohl einem in der Längsrichtung halbirten Cylinder vergleichen, welcher mit der Schnittfläche der Hypo- dermis fest ansitzt, während seine Mantelfläche frei nach der Muskulatur hin vorspringt. Die Dicke der eigentlichen Bauchmarekleiste ist demnach überall gleich. Im Bereich der terminalen Verdickung des Bauchmarkes ändern sich die Verhältnisse in so fern, als die Leiste weniger weit vor- springt, dagegen fast doppelt so breit ist wie im übrigen Theile des Bauchmarkes (Fig. 15). Die terminale Verdickung findet statt innerhalb der letzten drei Körperringe und zwar allmählich von vorn nach hinten an Dicke zunehmend. Im letzten Körperringe erreicht sie ihr Maximum und behält diese Dicke mit geringer Abnahme bis zu ihrem Ende bei, welches sie unmittelbar vor dem After erreicht. Von einer »intersegmentalen Hauteinstülpung« zwischen After und Ende des Bauchmarkes, wie sie von Horsr! für Priapulus bicaudatus beschrieben ist, war hier nichts zu bemerken. Die beiden Hautschichten, Cuticula und Hypodermis, sind auf der Strecke, wo sie die äußere Decke des Bauchmarkes bilden, nach außen vorgewölbt und zwar 'so, dass diese Vorwölbung im hinteren Theile des Körpers über der terminalen Anschwellung des Bauchmarkes be- sonders stark ist. Die Ringmuskulatur zeigt nach innen vom Bauchmark eine mit der eben erwähnten Hervorwölbung korrespondirende Ein- senkung nach innen, welche im hinteren Körperende, namentlich nach innen von der terminalen Verdickung, nur seicht ist, nach vorn zu aber an Tiefe zunimmt in demselben Verhältnis, wie die äußere Hervorwöl- bung abnimmt. Zu beiden Seiten wird das Bauchmark während seines ganzen Ver- iaufes von Bindegewebe begleitet, welches, wenn auch nur in einer ganz dünnen Schicht, ebenfalls zwischen Bauchmark und Muskulatur zu er- kennen ist (Fig. 16 Bd). Die Art des Bindegewebes ist dieselbe, wie wir lc. pP, 31, FE EINS Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 499 sie zwischen den Ringmuskeln der Körperwand gefunden haben; zu be- merken ist, dass wir hier die einzige Stelle am Körper der beiden unter- suchten Thiere haben, wo Bindegewebe zwischen Hypodermis und Ring- muskeln nach Art einer Cutis als selbständige Schicht auftritt. Neben der terminalen Verdickung des Bauchmarkes ist dies Bindegewebe nur etwa den dritten Theil so stark entwickelt wie zu Seiten des Bauch- markes (Fig. 15 Bd). Der Länge nach durchsetzt wird das Bindegewebe im letzten Drittel des Körpers jederseits von einem Längsmuskelbündel, welches schon bei Beschreibung der Muskulatur erwähnt wurde(cf.p.497) (ef. Fig. 15 und 16 Mn). Das Bauchmark wird gegen das Bindegewebe hin begrenzt von einer feinen Membran, der Fortsetzung jener Membran, welche wir überall als Trennung zwischen Hypodermis und Muskulatur haben auftreten sehen. Der am meisten nach innen zu gelegene Theil der Bauchmarkleiste wird fast vollständig eingenommen durch einen Faserstrang, welcher sich gegen das übrige Gewebe des Bauchmarkes scharf absetzt. Die Form dieses Stranges ist im Querschnitt oval — Längsdurchmesser eines Querschnittes senkrecht zur Längsachse des Stranges 0,089 mm, Breiten- durchmesser 0,072 mm —, seine Lage so, dass der längere Durchmesser seines Querschnittes der Körperoberfläche parallel läuft. Die Dicke des Faserstranges ist bei ein und demselben Thiere überall gleich, nur inner- halb der terminalen Anschwellung wenig beträchtlicher, Eingebettet liest der Faserstrang in ein maschiges, aus anastomosirenden Fasern be- stehendes Gewebe, welches ohne Unterbrechung in das Gewebe der Hypodermis übergeht. Dasselbe wird im Laufe der Beschreibung als Zwischengewebe bezeichnet werden. Seitlich und dorsalwärts vom Faserstrange ist die Schicht dieses Zwischengewebes, welche den Faser- strang von der Begrenzungsmembran trennt, nur äußerst dünn, so dass es den Anschein hat, als ob der Fasersirang der Begrenzungsmembran des gesammten Bauchmarkes an den genannten Stellen unmittelbar an- läge. In der terminalen Verdickung des Bauchmarkes ändert sich dieses Verhältnis, indem zu beiden Seiten des Faserstranges das Zwischenge- webe bedeutend an Mächtigkeit zunimmt und hierdurch die Verbreite- rung des gesammten Bauchmarkes an dieser Stelle bewirkt. An der nach ' dem Körperinnern zu gerichteten Seite des Faserstranges erhält sich hier das Zwischengewebe in gleicher Dicke wie beim Bauchmark. Ganglienzellen begleiten den Faserstrang seiner ganzen Ausdehnung nach; sie liegen in den Maschen desZwischengewebes und zwar ventral von dem Faserstrange seitlich in zwei gesonderten Haufen (Fig. 16G). Kleinere . Ganglienzellen zwischen den beiden seitlichen Haufen, wie sie von Horst ! ep. 32. 500 | W, Apel, für Priapulus bicaudatus beschrieben sind, existiren hier nicht. In der Endänschwellung des Bauchmarkes findet sich diese charakteristische Lage der Ganglienzellen nicht mehr; dort sind dieselben in großer An- zahl unregelmäßig vor und neben dem Faserstrange im ganzen Zwischen- gewebe vertheilt und verleihen somit der terminalen Anschwellung einen ganglionären Charakter !. : Unmittelbar an der ventralen Peripherie des Faserstranges finden sich während seines ganzen Verlaufes, besonders gut sichtbar aber im hin- teren Theile des Bauchmarkes, Zellen, welche von den seitlich gelager- ten Ganglienzellen abweichen und von denen es unsicher ist, ob wir sie als Ganglienzellen in Anspruch nehmen dürfen. Dieselben treten in kurzen Abständen hinter einander auf, bilden jedoch nur eine Schicht, welche nie mehr als drei auf der ventralen Peripherie des Faserstranges neben einander liegende Zellen zeigt. Oft ist auf einem Querschnitt nicht mehr als eine einzige dieser Zellen sichtbar. Die Anzahl der Ganglienzellen im Bauchmarke ist jedoch nicht überall die gleiche. Am besten ist dieses an einem Flächenpräparat aus der Rüsselwand des Priapulus zu beobachten. Entfernt man nach schwachem Maceriren in Essigsäure vorsichtig die Längsmuskulatur, so gelingt es, das Hautstück so durchsichtig zu machen, dass man mit starker Vergrößerung deutlich die Regionen erkennen kann, bis zu welchen seitlich sich die Ganglienzellen vor dem Faserstrang erstrecken. Der darunter liegende und scharf begrenzt durchscheinende Faserstrang gestattet eine genaue Messung, welche ergab, dass in den Interstitien der Ringmuskelbänder die Region der Ganglienzellen jederseits von dem Faserstrange um 0,029 mm weniger weit in die Hypodermis hineinreichte, als auf der Höhe der Ringmuskelbänder. Gleiches ist auf guten Quer- schittserien für das ganze Bauchmark nachzuweisen, mit Ausnahme der terminalen Anschwellung, welche uns als ein einheitliches Gebilde ent- gegentritt. Wir haben demnach wenn auch nur schwache, so doch regelmäßig wiederkehrende und mit den Ringmuskelbändern korrespon- dirende Anschwellungen des Bauchmarkes zu konstatiren. 1 Ein Fehlen der eigentlichen Fasersubstanz neben den Ganglienzellen inner- halb der terminalen Anschwellung des Bauchmarkes, wie soiches nach Fig. 14 der Hossr'schen Arbeit bei Priapulus bicaudatus vorhanden ist, findet hier nicht statt. Von einer vollständig guten Querschnittserie wies jeder Schnitt Fasermasse und Gan- glienzellen und zwar getrennt von einander auf. Die Lagerung der beiden nervösen Elemente war immer so, wie es Fig. 15 der vorliegenden Arbeit abgebildet ist. Auch was SCHARFF in seiner Arbeit p. 240 sagt: »The hypodermic cells send their branches to the interior from the peripheral part, while the central portion is taken up by smaller ganglionic cells, which are surrounded by larger ones« und sich dabei auf Fig. 14 der Horsr’schen Arbeit bezieht, kann ich nicht bestätigen. \ Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 504 Für Priapulus bicaudatus! liegen in Bezug auf die eben beschrie- benen Verhältnisse des Bauchmarkes abweichende Angaben von Horsr vor. Derselbe beschreibt und zeichnet (Taf. II, Fig. 10) die terminale Verdickung ganz in der Cuticula liegend und sich auf der inneren Seite bis auf eine ganz schmale Verbindung von der Hypodermis abschnürend. Die Hypodermis liegt dort also nach innen von der ganglionären An- schwellung des Bauchmarkes, während hier letztere wie das Bauchmark nach innen von der Hypodermis liegt. Das Bauchmark ist nach der Horsr'schen Darstellung ganz in eine bindegewebige Gutis eingebettet und nur durch einen schmalen, ziemlich langen Strang mit der Hypo- dermis verbunden. Nach vorn zu setzt sich das Bauchmark an den Schlundring? an, welcher, wie schon bemerkt ist, den vordersten Theil des Schlund- kopfes eng umgiebt. Auch für den Ring besteht ein enger Zusammen- hang mit der Hypodermis, wenn auch nicht in demselben Maße wie beim Bauchmark ; eine Leiste ist der Ring nicht mehr zu nennen, dazu ist die Strecke, auf welcher derselbe mit der Hypodermis in Verbindung steht, in Bezug auf den Umfang des den Ring bildenden Nervenstranges zu gering (cf. Fig. 2 SR). Die Hypodermis tritt auf folgende Weise mit dem Ringe in Verbindung: Vor dem Schlundring erleidet die Cuticula eine Einsenkung, welche mit ihrem Scheitel fast die vordere Seite des Ringes berührt (Fig. 2 I). Diese Einsenkung ist schon von Enrers beschrieben, wenn auch nicht im Zusammenhang mit dem Schlundring, sondern nur als Trennungsfurche zwischen der Mundöffnung mit ihrer wallartigen Erhabenheit und dem übrigen Rüssel. Vereint mit der Guticula ist die Hypodermis in die Tiefe gerückt und setzt sich in zwei gesonderten Straten an die vordere Seite des Schlundringes an. Diese Straten haben die Dicke der gewöhnlichen Hypodermis. An einzelnen Stellen kommt es vor, dass diese beiden Theile der Hypodermis sich unmittelbar vor dem Ringe vereinigen und so vereint an denselben treten. RR ep. 31: 2 Der gesammte Strang, welcher den Schlundring bildet, bestehend aus Gan- glienzellen, Faserstrang und Zwischengewebe, umschlossen von der Grenzmembran, wird im Folgenden Nervenstrang genannt werden, und ist nicht mit dem Faser- strang zu verwechseln. — Der Schlundring wird durch eine rechtwinklig zur Längs- achse des Schlundkopfes verlaufende Ebene in eine vordere und eine hintere Hälfte getheilt gedacht; der dem Bauchmark zugekehrte Theil des Ringes wird ventral, der entgegengesetzte dorsal und die Zwischenstücke lateral genannt. In Bezug auf den Nervenstrang ist ein »vorn« und ein »hinten« in gleicher Weise wie beim ganzen Ringe verstanden, außerdem aber von einer »axialen«, d. h. nach der Längsachse ‚des Thieres zu gelegenen und einer »abaxialen«, entgegengeseizt gelegenen Seite die Rede. Se ep. 34 502 Apel, Beim Priapulus bicaudatus ist nach Horst! die Verbindung des Schlundringes mit der Hypodermis eine etwas abweichende. Die Cuti- cula erleidet keine Einsenkung, sondern an der betreffenden Stelle nur eine geringe keilförmige Verdickung nach innen, hinter welcher sich die beiden Schichten der Hypodermis vereinigen und so als eine Schicht an den Ring hinantreten. Auf dem Querschnitt stellt sich diese Verbindung als ein schmaler Strang dar, welcher über halbmal so lang ist als der längste Durchmesser des den Ring bildenden Nervenstranges (cf. Horst, Gephyrea Taf. Ili, Fig. 46). Die Grenzmembran zwischen Hypodermis und Muskulatur der Körperwand setzt sich auch auf den Ring fort und bildet seine Grenze gegen die Muskelischeide hin, in gleicher Weise wie beim Bauchmark, nur dass im Umfange des den Ring bildenden Nervenstranges die Mus- keln der Grenzmembran unmittelbar anliegen, während beim Bauch- mark noch eine ganz feine Schicht Bindegewebe zwischen beiden zu erkennen war. | Die Form des Nervenstranges ist in den einzelnen Regionen des Ringes verschieden, aber symmetrisch in Beziehung auf eine in der Längs- achse des Körpers verlaufende, dorsoventrale Theilungsebene. An der Mündunssstelle des Bauchmarkes war der Nervenstrang des Ringes fast drehrund und bei einem 43 mm langen Thiere 0,0745 mm dick, nahm dann kurz neben der Mündung des Bauchmarkes auf beiden Seiten bis auf 0,0684 mm ab; seine Form blieb jedoch drehrund. In dieser Dicke und Form erhielt sich derselbe ungefähr !/,, seiner ganzen Länge auf jeder Seite, um dann allmählich bis zur Mitte der dorsalen Seite des Ringes anzuschwellen. Hierbei ändert sich die Form des Nervenstranges, sie wird im Querschnitt oval und zwar so, dass der längste Durchmesser eines senkrecht durch den Strang gelegten Querschnittes der Längsachse des Körpers ungefähr parallel läuft. In dieser Richtung erreichte der Nervenstrang auf der dorsalen Seite des Ringes einen Durchmesser von 0,1244 mm, während er in der hierauf senkrechten Richtung, bezogen auf ein und denselben Querschnitt, bis auf 0,0839 mm zugenommen hatte. Die angegebenen Resultate der Messung lassen sich folgender- maßen zusammenfassen: In seinem ventralen Theile wird der Ring aus einem überall drehrunden Strange gebildet (Fig. 12), dessen Dicke kon- stant ist, abgesehen von einer geringen Anschwellung bei Einmündung des Bauchmarkes. Von den lateralen Regionen aus schwillt der Ring gegen die dorsale Medianlinie allmählich an (Fig. 43), jedoch nicht gleich- mäßig, sondern so, dass in der dorsalen Region die Dicke des den Ring 1 1. c. p: 30. Tat. IT, Fig. 16, Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus eaudatus und Halieryptus spinulosus. 503 ' bildenden Stranges in der Richtung parallel der Längsachse des Körpers um das Doppelte, in der hierauf senkrechten Richtung, bezogen auf den- selben Querschnitt, nur um !/, der Dicke des ventralen Nervenstranges gewachsen war (Fig. 14). Der Grund, dass diese ziemlich bedeutende dorsale Anschwellung nicht schon von außen wahrgenommen werden kann, liegt in dem ganz allmählichen Anschwellen, welches das Ver- gleichen der einzelnen Querschnitte einer vollständigen Serie nöthig machte, um zu einem sicheren Resultate zu gelangen!, Der hintere Theil des Ringes wird eingenommen durch einen Faser- strang, gleich demjenigen, welchen wir im Bauchmark getroffen haben (Fig. 12, 13, 14 Fs). Die Dicke dieses Faserstranges betrug bei Eintritt des Bauchmarkes 0,0314 mm, nahm dann allmählich zu, bis sie in der dorsalen Region ihr Maximum mit einem Durchmesser von 0,0466 mm erreichte. Die Form des Faserstranges schließt sich in den einzelnen Theilen des Ringes der Gestalt des den Ring bildenden Nervenstranges an, so dass da, wo wir einen ovalen Querschnitt vom Nervenstrang be- kommen, auch der Faserstrang im Querschnitt oval erscheint, und rund, wo der Nervenstrang diese Form besitzt. Die Lage des Faserstranges im hinteren Theile des Ringes ist jedoch nicht völlig symmetrisch zu der axialen und abaxialen Begrenzungsmem- bran des Nervenstranges. Derselbe schließt sich der letzteren mehr an. Auf Querschnitten erscheint desshalb der Winkel, welcher von dem axialen Umfange des Faserstranges mit der axialen Begrenzungsmembran des ganzen Nervenstranges gebildet wird, bedeutend größer als der- jenige, welcher von der abaxialen Begrenzung beider Gebilde hervor- gebracht wird. Dieses tritt besonders auf den Querschnitten aus der lateralen Region des Ringes hervor (Fig. 43), während es auf Schnitten durch die ventrale und dorsale Region weniger leicht zu bemerken ist. Eben so wie beim Bauchmark liegt der Faserstrang eingebettet in ein Zwischengewebe, welches dem beim Bauchmark erwähnten voll- ständig gleich ist. Im vorderen Theile des Ringes geht dasselbe ohne Absatz in das Gewebe der Hypodermis über. An der hinteren Seite des Ringes ist die Schicht des Zwischengewebes, welche den Faser- strang von der Umgrenzungsmembran trennt, eben so wie beim Bauch- mark nur sehr dünn und nur mit starker Vergrößerung wahrzunehmer. Die Grenze zwischen Faserstrang und Zwischengewebe ist scharf, aus- genommen in der dorsalen Region des Ringes, wo das Zwischengewebe vielfach in die Fasersubstanz eindringt und so den Kontour des Faser- stranges zerrissen erscheinen lässt. Eine dorsale Verdickung des Schilundringes soil nach SchArrr's Angabe schon von SAENGER erwähnt sein und ist von Ersterem bestätigt. 904 W, Apel, Das Bauchmark setzt sich, dem ventralen Stratum der Hypodermis folgend, an den Ring an, indem Zwischengewebe und Faserstrang bei- der in einander übergehen. Der Faserstrang des Bauchmarkes läuft, in den Ring eingetreten, dessen abaxialer Begrenzungsmembran parallel bis zum Faserstrange des Ringes, an welchen er rechtwinklig hinantritt. Erst unmittelbar an der Peripherie des Faserstranges des Ringes weichen die Fasern des Bauchmark-Faserstranges nach beiden Seiten aus ein- ander und verschmelzen mit den Fasern des ersteren. In den Maschen des Zwischengewebes liegen auch hier die Ganglien- zellen. Was die Lagerung und Anzahl derselben anbetrifft, so ergab die Vergleichung der einzelnen Querschnitte folgendes Resultat : Strecken, auf denen Ganglienzellen neben dem Faserstrange im Ringe vollständig fehlen, sind nicht vorhanden. Die Anzahl derselben ist in den einzelnen Regionen des Ringes eine sehr verschiedene. An der Einmündunsgsstelle des Bauchmarkes in den Ring findet sich eine geringe Anhäufung von Ganglienzellen und zwar so, dass dieselben an dieser Stelle, wenn auch nur spärlich, im ganzen Zwischengewebe des Nervenstranges vorkom- men. Von hier aus nimmt nach beiden Seiten die Zahl der Ganglien- zellen gleichmäßig ab, bis in dem dünnsten, lateralen Theil des Ringes sie in ihrem Vorkommen fast ganz auf den von dem Faserstrange und der axialen Begrenzungsmembran des Nervenstranges gebildeten Winkel beschränkt sind. Ihre Zahl ist hier sehr gering, so dass man auf einem Querschnitt oft nur eine oder zwei Zellen sieht. Ganz vereinzelt treten jedoch auch in dieser Region des Ringes Ganglienzellen in dem vor dem Faserstrang gelegenen Zwischengewebe auf, doch ist dies Vorkommen fast nur auf die Austrittsstellen der peripheren Nerven beschränkt, und die Lage auch dieser Zellen in nächster Nähe des Faserstranges. In der vorderen Hälfte des Ringes bleibt hier das Zwischengewebe von Ganglien- zellen vollständig frei. Sobald der Nervenstrang anzuschwellen beginnt, nimmt auch die Zahl der Ganglienzellen zu, und ihr Auftreten in der Zwischensubstanz vor dem Faserstrange wird häufiger, namentlich beim Austritt peripherer Nerven, doch immer noch sind dieselben in der Nach- barschaft des Faserstranges gelagert. Im dorsalen Theil des Ringes schließ- lich finden wir Ganglienzellen in bedeutender Anzahl durch den ganzen Ring verbreitet bis unmittelbar an die Ansatzstellen der Hypodermis. Außer diesen mit Sicherheit als nervös zu bezeichnenden Zellen kommen im ganzen Bereiche des Schlundringes jene, schon bei Beschrei- bung des Bauchmarkes erwähnten, ihrem Charakter nach zweifelhafte Zellen vor. Die Lage derselben ist genau wie beim Bauchmark, nämlich unmittelbar an der vorderen Peripherie des Faserstranges. Ihre Zahl ist hier eben so beschränkt wie dort. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus,. 505 Der histologische Bau der einzelnen Elemente des Centralner- vensystems ist für Bauchmark und Schlundring der gleiche. Das Zwischengewebe besteht aus 0,0012 mm breiten Fasern, welche stets unter spitzem Winkel anastomosiren und so längliche Maschen bilden, ungefähr doppelt so breit als die Fasern selbst. In den Fasern finden sich runde oder ovale Kerne von 0,006 bis 0,008 mm Durchmesser unregelmäßig in größerer Menge eingelagert. Dieselben erschienen in Tinktionspräparaten stets dunkel gefärbt, während sich die Fasern selbst nur schwach färbten. Die Substanz, welche die Maschen des Gewebes ausfüllte, war völlig homogen und nicht zu färben. Der Übergang von der sich an das Centralnervensystem anschlie- ßenden Hypodermis zu diesem Zwischengewebe war ein allmählicher, indem die Zellen der ersteren nach und nach in die der letzteren über- singen. Die Kerne beider waren fast dieselben, nur dass die des Zwischen- gewebes sich etwas intensiver färbten. Im Bauchmark war das Über- gehen der Hypodermis in das Zwischengewebe des Nervensystems besser zu verfolgen als im Schlundring und fand in folgender Weise statt: Da, wo die Cuticula über dem Bauchmark beginnt sich nach außen zu wölben, nimmt die Hypodermis an Dicke zu, dadurch, dass ihre Zellen anfangen, sich in der Richtung senkrecht zur Körperoberfläche zu strecken (Fig. 16). Zugleich ändern sie ihre Stellung zu der letzteren, indem sie beginnen, sich mit der Spitze gegen die ventrale Medianlinie zu neigen. Dadurch, dass dieses von beiden Seiten gleichmäßig vor sich geht, stoßen die Zellen schließlich in der Medianlinie zusammen und schieben sich zwischen einander, wodurch die das Bauchmark auf der ventralen Seite bedeckende Hypodermis von der Fläche aus gesehen wie ein Strang erscheint, welcher von in einander verschränkten Zellen gebildet wird. Bis dahin unterscheiden sich die Zellen von denjenigen der eigentlichen Hypodermis nur durch ihre Länge. Erst die dorsal- wärts nach dem Inneren des Bauchmarkes zu an diese sich anschließen- den Zellen werden mehr und mehr faserartig und anastomosiren viel- fach unter einander. Sie gehen auf diese Weise unmerklich in das Zwischengewebe des Bauchmarkes über. Im Schlundring findet der Übergang der Hypodermis zum Zwischengewebe in ganz der gleichen Weise statt, wenn auch nicht ganz so allmählich. Letzteres bewirkte, dass derselbe nicht so leicht als beim Bauchmark zu erkennen war, wie schon vorher bemerkt ist. In Beziehung auf den successiven Übergang des einen Gewebes in ; das andere verhalten sich die einzelnen Regionen des Ringes nicht voll- ständig gleich, in so fern als derselbe sich in den ventralen und lateralen 506 W. Apel, Regionen weit langsamer vollzieht als in den dorsalen. Beide Theile des Ringes gehen in dieser Hinsicht jedoch allmählich in einander über, in- dem mit der Zunahme der Ganglienzellen in dem Zwischengewebe vor dem Faserstrange der Übergang von der Hypodermis zum Zwischen- gewebe schrofier wird. Im dorsalen Theile des Ringes selbst ist der- selbe nur mit Mühe zu erkennen. = Der eben beschriebene Zusammenhang der Hypodermis mit dem Zwischengewebe des Geniralnervensystems macht es wahrscheinlich, dass wir im letzteren umgewandeltes Hypodermisgewebe vor uns haben : die Maschen desselben sind dann den Intercellularräumen der Hypoder- mis gleichbedeutend. Ob dieses in der That der Fall ist, muss die Ent- wicklungsgeschichte entscheiden. Die im Gentralnervensystem vorkommenden Ganglienzellen sind, abgesehen von den ihrem Charakter nach zweifelhaften multipolaren Zellen, sämmtlich unipolar. Ihre Form ist keulen- oder birnförmig, in- dem im ersteren Falle der Zellleib ohne Absatz in den Fortsatz übergeht, im zweiten Falle sich schärfer gegen den letzteren absetzt (Fig. 13). Der Durchmesser der Zellen betrug 0,009 bis 0,022 mm; die größten Zellen wurden in der dorsalen Region des Ringes beobachtet, hinter denen jedoch einzelne Zellen der terminalen Anschwellung des Bauchmarkes nur wenig an Größe zurückstanden !. Die Lagerung der Ganglienzellen im ganzen Gentralnervensystem ist derart, dass sie mit ihren Fortsätzen immer mehr oder weniger nach dem Faserstrange gerichtet sind, nie wurden solche beobachtet, deren Stiele nach der Peripherie des den Ring bildenden Nervenstranges oder des Bauchmarkes gerichtet waren. Die Fortsätze der im vorderen Theile des Ringes gelagerten Zellen erreichen eine bedeutende Länge, sind aber nur äußerst schwer zu verfolgen, da sie meist nicht rechtwinklig zum Faserstrange verlaufen, sondern einen spitzen Winkel mit demselben bilden. Umgeben sind die Zellen von einer deutlichen Membran, welche auf Querschnitten deutlich doppelt kontourirt erscheint und auf den Fort- satz übergeht. Eine Membran ist von H. Schutze ? für die birnförmigen 1 Die Entstehung des Zwischengewebes aus der Hypodermis ist von SCHARFF p. 244 zweifelhaft gelassen, dagegen die Bildung der Ganglienzellen aus Zellen der Hypodermis als sicher angenommen (p. 210): »the ganglionic cells being simpiy modi- fied hypodermic cells and the fibrils their processes«. Diese Behauptung stützt sich lediglich auf die Lagerung der Ganglienzellen in den Maschen des Hypodermis- resp. Zwischengewebes, da ein Übergang von einer Zellart zur anderen, wie z.B. vom Hypodermis- zum Zwischengewebe, nicht vorhanden ist. Nach den anato- mischen Befunden ist hierüber kein Urtheil zu fällen, sondern die Ergebnisse der Entwicklungsgeschichte abzuwarten. 2 H. ScauLTzE, »Die fibrilläre Struktur der Nervenelemente bei Wirbellosen«. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XVI. 1879. p. 104. | Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 507 Ganglienzellen von Hirudo beschrieben, mit der Abweichung jedoch, dass dieselbe dort mit kleinsten Kernen versehen ist, von denen hier nichts zu bemerken war. Herwann ! hatte Membranen der Ganglienzellen im Centralnervensystem von Hirudo vollständig in Abrede gestellt. DerZellleib der Ganglienzellen besteht aus verschiedenen Substanzen, von denen die eine homogen, die andere körnig erscheint; erstere färbt sich mit Karmin nur ganz schwach, letztere dagegen dunkel (Fig. 19). Die Vertheilung der beiden Substanzen ist derart, dass die körnige in die homogene eingelagert ist und zwar so, dass die periphere Schicht der Zellen von der homogenen Grundsubstanz gebildet wird, und eben- falls um den Kern eine schmale Zone der letzteren zu erkennen ist. Zwischen beiden liegt die körnige Substanz. Die Dicke der peripheren hellen Schicht betrug ungefähr den sechsten Theil des ganzen Durch- messers der Zellen, während die um den Kern gelagerte Schicht nur bei stärkerer Vergrößerung zu erkennen war. Die körnige Substanz setzt sich in den Fortsatz der Zelle fort und füllt denselben auf eine Strecke, welche ungefähr dem Durchmesser der Zellen gleich kommt, vollständig an; eine homogene Randschicht, wie im Zellleibe, war nur am Ursprunge des Fortsatzes auf eine kurze Entfernung sichtbar. Im weiteren Verlaufe des Fortsatzes nahm die körnige Einlagerung rasch an Menge ab, so dass sehr bald die den Fortsatz ausfüllende Sub- stanz vollständig homogen erschien. Die Beschreibung, welche wir durch Hermann 2 von den unipolaren Ganglienzellen von Hirudo haben, stimmt mit der vorliegenden überein, abgesehen davon, dass die homogene Grundsubstanz in einzelnen Fällen dort als feinkörnig angegeben ist, und die eingelagerte körnige Substanz sich nicht in den Stiel der Zellen fortsetzt. H. Schulze ? dagegen erklärt das Auftreten zweier sich gegen Färbungsmittell verschieden verhaltender Substanzen in eben denselben Zellen für Artefacte der Borsäure und plaidirt für die fibrilläre Struktur obiger Zellen. Ob die hier vorliegenden Bilder Kunstprodukte sind, welche durch die Behandlungsweise des untersuchten Materiales hervor- gerufen wurden, kann hier nicht entschieden werden, da frische isolirte Zellen nicht zur Untersuchung kamen. Das jedoch muss betont werden, dass jene Resultate in gleicher Weise, wenn auch mit geringen Diffe- renzenin der Färbung, bei Schnitten von in Chromsäure, Pikrinsch wefel- säure und Alkohol gehärtetem Material zum Vorschein kamen. Der 0,008 bis 0,01 mm große Kern der Ganglienzellen ist kugelförmig, mit einem 0,002 mm großen Kernkörperchen versehen und einer deutlich sicht- baren Membran. Um das Kernkörperchen, welches sich tief dunkel ! E. HERMANN, »Das Centralnervensystem von Hirudo medicinalis«. München 1875. p. 30. Zel.ic- P.30. le P 102. 5 N) 8 4 ; W. Ap el, färbt, lagert sich eine feinkörnige Masse — weit feinkörniger als die im Zellleib eingelagerte — jedoch nur in geringer Menge. Dieselbe erschien in Tinktionspräparaten schwach gefärbt und strahlte gegen die Peripherie hin in feine Fäden aus, welche sich an der Peripherie selbst meist ver- einigten und in ihrem Verlaufe unter einander anastomosirten. In den größeren Zellen war ein derartiges Kernnetz fast immer vorhanden. Eine Eigenthümlichkeit der Kerne bleibt noch zu erwähnen, welche in gleicher Weise bei den Kernen der birnförmigen Ganglienzellen von Hirudo med. und Lumbricus vorkommt und dort von Herrmann ! und H. Scaurtze? verschieden gedeutet ist. Ersterer beschreibt eine halbkuge- lige Hervorragung an der Innenseite der ziemlich dicken Membran dieser Zellkerne und giebt an, dass ein eigentliches Kernkörperchen meist fehlt. SchuLtze fand dagegen, dass diese Kerne eine mehr oder weniger tiefe Einsenkung besitzen, an der aber die ganze Membran des Kernes gleich- mäßig theilnimmt. Dieses letzte Verhalten stimmt mit den Beobachtungen an den unipolaren Ganglienzellen im Centralnervensystem von Priapulus und Halicryptus überein (Fig. 19c). Die Einsenkung der Membran war an allen Zellkernen deutlich sichtbar und erreichte bei den größten beinahe Halbkugelform. Ein Kernkörperchen war hier immer zu erkennen. Im Anschluss an die unipolaren Ganglienzellen mag hier die Be- schreibung der schon mehrfach erwähnten multipolaren Zellen des Gen- tralnervensystems ihren Platz finden 3. DieForm dieser Zellen ist unregel- mäßig, in der Richtung senkrecht zum Faserstrange abgeplattet (Fig. 20). Der Zellleib zieht sich in vier bis sechs Ausläufer aus, welche jedoch sehr fein werden und nicht zu verfolgen sind. Er erscheint in gefärbten Präparaten fast ungefärbt und vollständig homogen und ist desshalb nur sehr schwer zu erkennen. Körnige Einlagerungen im Plasma desselben fehlen ganz. Eine Zellmembran ist zu sehen, besitzt jedoch bei Weitem nicht die Dicke, wie die der unipolaren Zellen. Auffallend sind diese Zellen durch die Größe, Form und das Aussehen ihrer Kerne. Die Form der letzteren erscheint auf dem Querschnitt oval mit 0,0424 bis 0,016mm Längsdurchmesser und einer Breite von 0,0099 mm. In Tinktionspräpa- raten sind sie ungefärbt und fallen durch ihren hellen, opaken Glanz auf. Sie besitzen ein rundes Kernkörperchen, welches sich dunkel färbt und auffallend klein ist im Verhältnis zum Kern — 0,0007 mm —. Ein 1. 1.0: Pa 28, 21. €;,p.,403, 3 HERMANN hat (l. c. p. 35 u. 90) in dem Bauchmark und Unterschlundganglion von Hirudo unter dem Namen »mediane Zellen« eine Art Ganglienzellen beschrie- ben, welche sich von den übrigen multipolaren Zellen durch ihre konstante Lage und Form unterscheiden und vielleicht etwas den oben beschriebenen Zellen Ver- wandtes darstellen. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 509 Kernnetz ist hier nicht vorhanden, wohl aber hin und wieder eine schwache Einstülpung der Kernwand, der Art, wie sie bei den Kernen der unipolaren Zellen beschrieben wurde. Das zweite nervöse Element des CGentralnervensystems, die Faser- substanz, stellt sich uns auf den Querschnitten als ein engmaschiges Netz feinster Fibrillen dar, in welche in den Kreuzungspunkten feine, das Licht stark brechende Körnchen eingelagert sind. Betrachtet man einen Längsschnitt durch den Faserstrang, so zeigt sich zwar auch eine netzarlige Struktur, jedoch so, dass Fibrillen einer bestimmten Richtung, parallel der Längsachse des Stranges, vorherrschen und dass die Maschen des Netzes in die Länge gezogen sind, während sie auf dem Querschnitt ziemlich regelmäßig erscheinen (Fig. 22). Der Faserstrang zeigt sich demnach auf dem Längsschnitt als ein Bündel feinster, längsverlaufen- der Fibrillen, welche mit einander anastomosiren. Körncheneinlage- rungen innerhalb der Maschen waren zwar hin und wieder sichtbar, doch nur sehr spärlich. Die Fasersubstanz zeichnet sich aus durch ihre große Resistenz gegen jegliches Tinktionsmittel und erscheint in allen gefärbten Präparaten farblos. Sie unterscheidet sich hierdurch, so wie durch die Feinheit der Fasern und die Dichte des Netzes auf Quer- und Längsschnitten von dem Fasergewebe, welches als Zwischengewebe be- schrieben ist. Für den Faserstrang des Bauchmarkes ist noch zu be- merken, dass derselbe in seinem hinteren Theile von den Fasern des Zwischengewebes in der Richtung seines kürzesten Durchmessers viel- fach durchsetzt wird. Der Faserstrang ist das Ziel der Fortsätze sämmtlicher unipolarer Ganglienzellen. Die Einmündung der Fortsätze ist nicht auf eine be- stimmte Region beschränkt, sondern findet auf dem ganzen vorderen und seitlichen Umfange des Faserstranges im Ringe und auf dem ven- iralen Umfange des Faserstranges im Bauchmark stait je nach der Lage- rung der einzelnen Zellen. Über die Art und Weise der Einmündung ließ sich Folgendes mit Sicherheit feststellen : Beim Eintritt in die Faser- substanz verbreitert sich der Zellfortsatz, und seine Hülle, die auf eine kurze Strecke noch als solche innerhalb der Fasersubstanz zu verfolgen war, geht in die Fibrillen des Netzes der Fasersubstanz über. Das Innere der Fortsätze, welches hier von einer vollständig homogenen, farblosen Substanz erfüllt war, kommunicirte mit den Maschen des Fasergewebes. Es mag an dieser Stelle im Voraus bemerkt werden, dass die Hülle des austretenden Nerven ebenfalls eine kurze Strecke vor seinem Austritt zu erkennen war und durch eine Verdickung der Fibrillen der Faser- . substanz gebildet wurde. Außerdem zeigte sich hier noch ein Zusam- menhang der letzteren mit den feinen Längslinien im Inneren der peri- m 510 W, Apel, pheren Nerven. Es liegt nach diesen Beobachtungen die Vermuthung nahe, dass das, was wir auf Quer- und Längsschnitten als die Maschen des Netzes der Fasersubstanz kennen gelernt haben, Durchschnitte von Nervenfasern sind, deren Inhalt homogen erscheint und in welche die Fortsätze der Ganglienzellen übergehen, während die Fasern oder Fibril- len des Netzes Durchschnitte durch die Hüllen der einzelnen Nervenfasern sind. Letztere würden ihrer Hauptrichtung nach der Längsachse des gesammten Faserstranges parallel laufen, wie solches aus den Bildern, welche uns Längsschnitte durch den Faserstrang geben, ersichtlich ist. Perivheres Nervensystem. Der Grund, dass der periphere Theil des Nervensystems der Pria- pulaceen den meisten! der früheren Forscher unbekannt geblieben ist, liegt einerseits in der großen Zartheit und Feinheit der Nerven überhaupt, so dass man starke Vergrößerungen anwenden muss, um sie zu er- kennen, andererseits hauptsächlich darin, dass keiner dieser Forscher seine Untersuchungen an genügend konservirtem Material gemacht hat. Die untersuchten Thiere waren fast alle auf Expeditionen gesammelt und in Alkohol aufbewahrt. Wie sehr aber zu diesen Untersuchungen gut konservirtes Material nothwendig ist, ergiebt sich aus dem Vergleich der Präparate, welche angefertigt sind von in 60 bis 70°/, Alkohol aufbe- wahrten Thieren und solche von in Chromsäure oder Pikrinsch wefel- säure gehärtetem Material. Erstere sind für Untersuchungen des Nerven- systerns nicht zu gebrauchen. Das Vorhandensein vom Bauchmark abgehender und peripher verlaufender Nerven zu konstatiren, ist von keiner großen Schwierigkeit, die Zahl und Anordnung derselben festzustellen, ist dagegen sehr schwer und leider nur unvollkommen gelungen. Am meisten hinderlich ist hier der kontrahirte Zustand fast aller Thiere, welcher verhindert, reine Querschnittserien oder brauchbare Flächenschnitte zu erhalten. Die ab- tretenden Nerven sind nämlich sa zart, dass sie nur auf gut orientirten - Sehnitten zu sehen sind. Mit Sicherheit nachgewiesen ist das Abtreten eines Nerven in der Mitte einer jeden Anschwellung, also korrespondirend mit der Mitte eines 1 Erwähnungen peripherer Nerven finden sich in der Arbeit von KorEn und DANIELSEn, Den Norske Nordhavs-Expedition 4876—78. III. Zoologie. p. 48. »The central nervous cord sends off a great many branches to the skin and the muskels«, und sollen sich außerdem in der Arbeit von SarnGer, »Über Halicryptus spinulosus und Priapulus caudatus«. Verh. des zweiten Naturforscher-Kongresses zu Moskau 1869, finden. Letztere istjedoch russisch geschrieben und konnte aus diesem Grunde leider hier nicht weiter berücksichtigt werden. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 511 jeden Ringmuskelfeldes, und zwar nach jeder Seite hin. Diese Nerven entsprangen gleichzeitig und verliefen zwischen den Hypodermiszellen, wo sie jedoch richt weiter verfolgt werden konnten. Dass außer diesem Nervenpaare noch seitlich vom Bauchmark abtretende Nerven vorhanden sind, ist sicher. So zeigte sich z. B. auf einem Präparate aus der Mitte des Körpers an dem hinteren linken Rande eines Ringmuskelfeldes ein Nerv entspringend, während an einem anderen Präparate aus derselben Körpergegend und von demselben Thiere ein solcher am vorderen rech- ten Rande des Muskelfeldes beobachtet wurde. Ob dieses jedoch bei jedem Ringmuskelfelde regelmäßig wiederkehrt, und ob nicht auch in den letzten Fällen zwei symmetrisch nach rechts und links abtretende - Nerven vorhanden waren, konnte durchaus nicht festgestellt werden !. Die Dicke der vom Bauchmark aus peripher verlaufenden Nerven ist gleich und beträgt 0,002 mm bei einer Gesammtlänge des Thieres von 43 mm. Nur im Bereich der hinteren Anschwellung, für welche in Betreff der peripheren Nerven das vom Bauchmark Gesagte in ganz der gleichen Weise gilt, zeichnete sich beim Priapulus das zu hinterst ab- tretende Nervenpaar vor allen übrigen durch seine Dicke aus. Dasselbe erreichte einen Durchmesser von 0,0212 mm und ist das einzige Nerven- paar, welches auf seinem ferneren Verlauf zu verfolgen war. Nach seinem Ursprunge aus dem Bauchmark biegt dasselbe seitlich vom After etwas nach hinten und verläuft auf der Grenze zwischen Körper und Schwanzanhang, nach Art der Nerven des Sipunculus einen geschlosse- nen Ring bildend. Die Hypodermiszellen, zwischen denen auch hier der Nerv unmittelbar an der Grenzmembran zwischen Subcuticularis und Muskulatur verläuft, haben, wie früher bemerkt ist, an dieser Stelle ihre mächtigste Entwicklung (Fig. 17). Es ist wahrscheinlich, dass von diesem Nervenringe aus der Schwanzanhang des Priapulus innervirt wird, doch ist es nicht gelungen, die von diesem abtretenden Nerven selbst zu sehen, noch überhaupt Nerven am Schwanzanhange zu konstatiren. Die Thatsache, dass dem Halieryptus an dieser Stelle ein Nervenring, wenigstens in dieser Mächtigkeit, abgeht, spricht für das eben Gesagte. Die Schwanznerven werden somit wohl in so feiner Vertheilung vor- kommen, dass sie zwischen den Hypodermiszellen nicht mehr nachzu- ' weisen sind. Beim Halieryptus ist das letzte periphere Nervenpaar nicht stärker entwickelt als alle anderen, und in Folge dessen nicht weit zu ! Eine Verschiebung der Ringmuskelringe gegen den Nervenstrang ist nicht anzunehmen, da die Ringmuskeln fest mit der Grenzmembran gegen die Hypodermis hin verbunden sind, und außerdem die Ringmuskelringe durch die in den Inter- stitien der letzteren bis auf die Längsmuskulatur reichende Hypodermis vollständig von einander getrennt sind. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 34 \ 12 W. Apel, verfolgen. Ob demnach hier ein Ring existirt, muss dahin gestellt bleiben, wie es ja überhaupt denkbar ist, dass sämmtliche peripher vom Bauch- mark abgehende Nerven geschlossene Ringe bilden, wie dies vom Sipun- culus durch KereErstein, Euters und AnDrEAE bekannt geworden ist. Die vom Bauchmark abtretenden Nerven entspringen in der Faser- substanz des Bauchmarkes (cf. Fig. 16 N); ihr Austritt aus der letzteren erfolgt links und rechts an der ventralen Seite des Faserstranges, von wo aus sie das Zwischengewebe in gerader Richtung durchsetzen und jeder- seits in die Hypodermis umbiegen. Der weitere Verlauf derselben ist, wie schon gesagt wurde, zwischen den Hypodermiszellen. Über den Ur- sprung.der Nerven in der Fasersubstanz ließ sich nichts Näheres feststellen. Die Nerven selbst bestanden aus feinen, in ihrer Längsrichtung verlaufen- den Fasern, welche unter einander anastomosirten. Ihre äußere Be- grenzung zeigte sich auf den Längsschnitten als ein heller, feiner Kontour von ungefähr doppelter Dicke der feineren, im Inner en sichibaren Fasern, sonst von genau demselben Aussehen. Die vom Schlundring abtretenden Nerven gehen sowohl zur Körperwand wie zum Schlundkopfe (cf. Fig.13). Erstere treten symme- trisch zu der Mündungsstelle des Bauchmarkes auf beiden Seiten des Schlundringes in ungefähr gleichen Abständen aus dem Ringe aus, eine Bevorzugung irgend eines Theiles des Ringes durch zahlreichere von ihm abgehende Nerven ist nicht vorhanden. Was die Zahl dieser Nerven anbetrifft, so wurden 13 auf jedem Schlundringschenkel gezählt, welche alle gleich stark entwickelt waren. Die Zahl der in die Wand des Schlundkopfes abgehenden Nerven ist auf vier beschränkt, welche zusammen mit den zweiten und zehnten zur Körperwand abgehenden Nerven, von der ventralen Medianlinie aus gerechnet, im Ringe entspringen. Ihre Dicke ist der der ersteren gleich. Wie die sich vom Bauchmark abzweigenden Nerven haben auch diese ihren Ursprung in der Fasersubstanz; ihr Austritt aus der letzteren erfolgt für den zur Körperwand gehenden Nerven auf der abaxialen Seite, für den sich zum Schlunde wendenden auf der vorderen Seite des Faserstranges. Ersterer verläuft dann der abaxialen, letzterer der axia- len Begrenzungsmembran des Ringes parallel nach vorn, wo sie in die sich an den Ring ansetzenden Hypodermisstraten eintreten. Der Ur- sprung der den Schlund innervirenden Nerven erfolgt gleichzeitig mit dem entsprechenden zur Körperwand abtretenden Nerven (Fig. 43); durch ein Abweichen von der senkrecht zur Längsachse des Ringes liegenden Schnittrichtung wird jedoch leicht das gesonderte Auftreten ihrer Wurzeln auf zwei auf einander folgenden Schnitten verursacht. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinnlosus, 513 Über den weiteren Verlauf der zur Körperwand gehenden Nerven ist nur noch Weniges zu bemerken, da es leider nicht gelungen ist, sie weiter zu verfolgen. Die einzelnen Nerven verlaufen zwischen den Hypodermiszellen dicht über der Grenzmembran, wahrscheinlich auf den Kämmen der Rüsselrippen unter den Integumentalkanälen, doch ist Letzteres nicht sicher. Glücklicher waren die Untersuchungen über den Verlauf der den Schlund invervirenden Nerven. Dieselben verlaufen ebenfalls zwischen den Zellen der Subcuticularis unmittelbar an der Trennungsmembran der letzteren von der Muskulatur in gerader Richtung von vorn nach hinten und waren bis zum Darme zu verfolgen. Ob sie auf letzteren selbst übergehen, ließ sich nicht feststellen. Ihre Dicke nahm allmäh- lich von vorn nach hinten von 0,003 mm auf 0,0009 mm ab; letzteres war der Durchmesser der Nerven im Übergangsstück vom Schlundkopf zum Darme. Die Form der Nerven war auf dem Querschnitt im Bereich des Schlundes meist rund, zuweilen oval (cf. Fig. 18); letztere Form kann jedoch auch durch einen etwas schräg gefallenen Schnitt hervorgebracht sein. Im Übergangsstück dagegen zeigte sich der Querschnitt der Nerven immer stark oval, und zwar so, dass der längste Durchmesser des Nervenquerschnittes der Trennungsmembran zwischen Muskulatur und Epithel parallel lief. Die längslaufenden Nerven des Schlundkopfes sind durch ring- förmige, in einer Ebene senkrecht zur Längsachse des Schlundes und in derselben Weise in der Subcuticularis verlaufende Nerven verbunden. Die Zahl der Ringnerven mit Sicherheit festzustellen ist nicht gelungen, doch war sie größer als fünf; wahrscheinlich ist es, dass diese Zahl durch die Anzahl der in Wirklichkeit vorkommenden Ringnerven weit überschritten wird, da die Komplieirtheit der Längsschnitte in dem hin- teren Theile des Schlundkopfes die Sicherheit des Untersuchungsresul- tates sehr beeinträchtigte. Die Anordnung der Ringnerven in dem vor- deren Theile des Schlundkopfes war so, dass dieselben mit den Reihen der Zähne korrespondirten. In den Knotenpunkten gehen Nerven zu der Muskulatur des Schlundkopfes ab, welche die Grenzmembran zwi- schen Muskulatur und Subcuticularis durchbrechen. Dieselben theilen sich dann entweder sofort und verlaufen zwischen die einzelnen Muskeln, oder ziehen ungetheilt unmittelbar an der abaxialen Seite der Grenz- membran eine Strecke weit nach vorn, jedoch nie weiter als die Basis des Zahnes reicht, in welchem der Enienpunks liegt, aus dem sie eni- sprungen (Fig. 23). Sie biegen dann ebenfalls in die Muskulatur um, verästeln sich und treten an die einzelnen Muskelfasern hinan. Der feinere Bau der vom Schlundring abgehenden Nerven ist der- 34% 514 W, Apel, selbe, wie der sich vom Bauchmark abzweigenden. Über ihren Ursprung in der Fasersubstanz des Ringes ist schon p. 509 gesprochen worden, wo ebenfalls schon erwähnt wurde, dass die feinen längsverlaufenden Linien im Inneren der Nerven mit den feinen Fasern der Fasersubstanz in Verbindung stehen. Dicht hinter ihrem Austritt aus der Fasersubstanz haben die Nerven ihre schmalste Stelle und zeichnen sich hier aus durch ihr kompakteres Aussehen; die feinen Längsstreifen sind an dieser Stelle meist nicht sicht- bar. Weiter nach der Peripherie des Ringes zu nimmt der Nerv etwas an Breite zu und zeigt ein etwas helleres Aussehen ; die Längsstreifung ist hier sehr deutlich sichtbar. Begrenzt wird der Nerv durch einen Kontour von demselben Aussehen wie die feinen Längslinien im Inneren, jedoch von ungefähr der dreifachen Dicke, in ähnlicher Weise, wie dies beim Bau der peripheren Bauchmarknerven bemerkt ist. Weiteren Auf- schluss über den Bau der Nerven giebt uns ihr Querschnitt (Fig. 18u.23). Derselbe zeigt uns eingeschlossen in den stärker hervortretenden, ungefähr kreisförmigen Kontour ein feineres Fasernetz mit polygonalen Maschen, deren Inhalt farblos und ohne jede Einlagerung, völlig homogen erscheint. Fassen wir, bei Deutung dieses Bildes, den äußeren stärkeren Kontour als Durchschnitt durch die primäre Nervenscheide, d. h. Scheide des ganzen Nerven, und das Fasernetz im Inneren als den Querschnitt der Sekundärscheiden, d. h. der Scheiden der einzelnen Nervenfasern, so geben uns die Maschen des Fasernetzes die Durchschnitte durch die eigentlichen Nervenfasern, welche bei den hier angewendeten Unter- suchungsmethoden völlig homogen erscheinen. In Begleitung der Schlundnerven sehen wir an bestimmten Orten Zellen auftreten, deren Zusammenhang mit den ersteren sie als Gan- glienzellen dokumentirt (Fig. 18). Dieselben sind in den Knotenpunkten der längsverlaufenden und der Ringnerven nach innen zwischen die Zellen der Subecuticularis gelagert. Die Anzahl derselben in je einem Knotenpunkte war vier bis sechs; im hinteren Theile des Schlundes waren jedoch oft nur zwei Zellen vorhanden. Ihre Form ist unregel- mäßig, oft quadripolar. Die größte Anzahl der beobachteten Fortsätze war sechs. Die Zellen wurden begrenzt von einer feinen Zellmembran. Der Zellleib selbst erschien homogen, in Tinktionspräparaten fast unge- färbt, ohne jede Einlagerung und zeigte überall mit den als multipolar beschriebenen Zellen im Centralnervensystem große Übereinstimmung. Die Größe der Zellen schwankte zwischen 0,009 bis 0,04 mm (Breiten- durchmesser). Der Kern ist central gelagert und oval gestaltet; seine Größe betrug 0,008 mm. Versehen ist derselbe immer mit einem etwas excentrisch gelagerten, runden, in Tinktionspräparaten dunkel er- Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 515 scheinenden Kernkörperchen von 0,0024 mm Durchmesser; die größe- ven Kerne zeigten außerdem noch ein Kernneiz. Charakteristisch für diese Zellen ist es, dass sie mit einem Theil ihrer Fortsätze unter ein- ander zusammenhängen, während die anderen direkt in den Nerven einmünden!. Die Einmündung findet entweder in die Knotenpunkte der Nerven statt oder in die Längsstämme; in die Ringnerven ist das Einmünden derselben nicht beobachtet. Besonders ausgezeichnet durch das Vorhandensein nervöser Elemente ist das Übergangsstück zwischen Darm und Schlundkopf (cf. Fig. 24). In der Mitte desselben, dort wo sich dasselbe in den meisten Fällen nach außen umschlägt, zeigt sich ein mächtig entwickelter Ringnerv, welcher nach Art der im Schlundkopf beobachteten Ringnerven die Längsnerven verbindet (cf. Fig. 25). Derselbe übertraf die letzteren fast um das Drei- fache an Stärke. Zwischen den hohen Zellen der Subeuticularis liegen im Übergangssiücke zahlreiche Zellen, von denen für einzelne der Zu- sammenhang mit den Ringnerven nachgewiesen werden konnte. Da die Zusammengehörigkeit aller an eben bezeichnetem Orte in die Subeuti- cularis eingelagerter Zellen durch Übereinstimmung in Form und Lage wohl außer Frage steht, sind sie sämmtlich als Ganglienzellen in An- spruch zu nehmen. Alle hier beobachteten Zellen waren unipolar, multipolare, nach " Art der im Schlunde beschriebenen, waren nicht vorhanden. Die Form der Zellen war mannigfaltig. Von der Kugelform an kamen alle Über- gangsstadien bis zur langgestreckten keulenförmigen Zelle vor. Ihre Lage war derart, dass ihre Längsachse der der subcuticularen Zellen parallel lief. Die Anordnung der Ganglienzellen im Übergangsstück war ohne jede Regelmäßigkeit. Oft einzeln, oft in größeren Haufen sind sie in allen Theilen desselben beobachtet. Gegen den Ringnerven zu war jedoch von vorn und hinten ein Zunehmen ihrer Zahl zu beobachten. Das Vorhandensein der zahlreichen Ganglienzellen in der Subeuti- cularis des Übergangsstückes lässt die Vermuthung aufkommen, dass letztere mit irgend einer Sinnesfunktion betraut ist. Ein ähnliches Vor- kommen ist von Tınmm? bei Phreoryctes Menkeanus am Eingange des | 1 Ein Zusammenhängen multipolarer Ganglienzellen durch ihre Fortsätze ist im sympathischen Nervensystem von Hirudo von FAIvRE, Annal.d.sc.nat. zool. Tom. VI, 1856, p.42, beobachtet und von HERMANN, »Das Centralnervensyst. v. Hirudo«, p. 94, ' bestätigt, und zwar in so weitgehender Form, dass zwei Zellen vollständig mit ein- ‚ ander verschmolzen waren. Ähnliche Bilder sind auch hier beobachtet, ließen bei starker Vergrößerung jedoch immer eine doppelte, von einander getrennte Be- grenzungsmembran der beiden Zellen erkennen, 2 »Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus Hoffmr, und Nais.« (Separatabdr. aus den»Arb. des zool.-Zoot. Instituts in Würzburg«. Bd. VI.) Wiesbaden 1883. p. 13. 516 | W. Apel, Schlundes beschrieben : ein Papillenkranz bestehend aus hohen cylinder- förmigen Zellen. Unter diesem Epithel zeichnet er einen Kern, lässt uns aber über die Bedeutung desselben im Unklaren. Er vermuthet den Zusammenhang der Nerven mit diesem Epithel. Die Beschreibung Tımw’s ist nicht genau genug, um die Übereinstimmung mit ge hier Beschrie- benen erkennen zu lassen. Geschlechtsapparat. Der Geschlechtsapparat der Priapulaceen ist bis jetzt fast eben so unbekannt wie das Nervensystem und wird leider auch durch die Resul- tate der vorliegenden Untersuchung in seinem Bau nicht völlig klar ge- stellt. Zur Vervollständigung der nachfolgenden Beschreibung wird auf das von EnL£rs in seiner mehrfach citirten Arbeit p. 240 und 411 über denselben Gegenstand Gesagte hingewiesen. Der weibliche Geschlechtsapparat setzt sich zusammen aus einem Ausführungsgange! und einem ventral von diesem gelagerten, lamellösen Drüsenkörper (cf. Fig. 1). Ersterer ist während seines ganzen Verlaufes sichtbar und nimmt von vorn nach hinten allmählich an Umfang zu. Kurz vor seiner Mündung verengt er sich jedoch und führt mit einer feinen Öffnung nach außen, welche auf der äußeren Körperoberfläche nur mit der Lupe wahrgenommen werden kann. Nach vorn zu ist der eigentliche Ausführungsgang nur so weit zu rechnen, als er äußerlich sichtbar ist, das ist ungefähr auf der Grenze des zweiten und dritten Drüsenblattes. Hier theilt sich derselbe in vier Äste, von denen zwei in das vorletzte und zwei in das letzte Drüsenblatt eintreten, aber nur den Werth von den später erwähnten, seitlich abtretenden Kanälen besitzen. Das Lumen des Ausführungsganges war bei den verschiedenen zur Untersuchung gelangten Thieren ein ganz verschiedenes, jedoch derart, dass dasselbe mit der Geschlechtsreife des Thieres an Größe zunahm. Bei Exemplaren der Gattung Halicryptus, welche dem Reifestadium nicht mehr fern waren, kam dasselbe in seinem hinteren, freien Theile dem des Mitteldarmes gleich. Bei den von der Gattung Priapulus untersuchten Thieren erreichte der Ausführungsgang nur in einem Falle die Dicke des Enddarmes, war demnach bedeutend enger als beim Hali- cryptus. Nach der Leibeshöhle zu wird der gesammte Ausführungsgang von dem Peritoneum begrenzt, welches in der ventralen Medianlinie desselben ein Mesenterium bildet und sich in das Peritoneum der Körper- wand fortsetzt. Der Ausführungsgang liegt somit in einer Falte des Peritoneums, welches die Körperwand nach innen begrenzt, genau so 1 Die Bezeichnungen »Ausführungsgang« und » Drüsenkörper« sind hier in der- selben Weise gebraucht, in der sie von EHLERS zuerst angewandt sind. j v Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 517 wie die den Darm begleitenden Muskelfäden in den Falten des Peri- toneums, welches den Darm begrenzt. Das Mesenterium ist jedoch nur so weit vorhanden, als der Drüsenkörper reicht; in seinem Endstücke ist der Ausführungsgang frei mit Ausnahme einer kurzen Strecke, wo er meist mit der Wand des Enddarmes verwachsen ist. In vielen Fällen überragt sogar der Drüsenkörper das Mesenterium noch in der Richtung nach hinten, so dass man auf Schnitten, welche senkrecht zur Längs- achse durch diesen Theil der Drüse geführt sind, die beiden Hälften des Drüsenkörpers ohne die mesenteriale Scheidewand an einander gelagert findet, jedoch ohne mit einander verwachsen zu sein (cf. Fig. 30). Die Breite des Mesenteriums vom Ausführungsgange bis zur Anheftung an die Körperwand betrug 3 bis 5 mm. Ventral vom Ausführungsgange liegt zu beiden Seiten des Mesen- teriums der Drüsenkörper und zerfällt somit in zwei vollständig getrennte Hälften. Der Drüsenkörper zeigt, wie schon bemerkt, einen lamellösen Bau und zwar so, dass er dem Beobachter äußerlich als einheitliches Gebilde entgegentritt. Letzteres wird dadurch bewirkt, dass in beiden Hälften des Drüsenkörpers die Lamellenbildung gleichmäßig vor sich geht, und sich dieselben fest an das Mesenterium anlegen, so dass letz- teres in der ventralen Medianlinie des gesammten Drüsenkörpers be- festigt zu sein scheint, wie dieses ja auch von den früheren Untersuchern beschrieben ist. Die Trennung der 1 bis 1,5 mm dicken Lamellen ist jedoch nur äußerlich; in der Tiefe sind sie vollständig mit einander verwachsen. Diese auf der äußeren Oberfläche sichtbare Gliederung wird dadurch vervollständigt, dass sich im Bereich jeder Lamelle vom Ausführungsgange ab seitlich zwei Kanäle abzweigen, von denen der eine in die linke, der andere in die rechte Hälfte des Drüsenkörpers geht. Das Abtreten dieser seitlichen Kanäle erfolgt jedoch nicht gleich- zeitig, sondern unmittelbar nach einander. Schon in geringer Entfernung von dem Ausführungsgange beginnen dieselben sich zu verästeln und bilden, dadurch dass diese Verästelung in der Entfernung vom Aus- führungsgange zunimmt und die einzelnen Kanäle wieder unter einander anastomosiren, in ihrer Gesammtheit das, was wir als Drüsenkörper beschrieben haben. Das Vorkommen der seitlich vom Ausführungsgange abtretenden Kanäle, d: h. die Entwicklung des Drüsenkörpers neben dem Ausführungsgange, reichte hei den einzelnen untersuchten Exen- plaren verschieden weit nach hinten; das Gewöhnliche war bis zur Mitte des Enddarmes. Die Wand des Ausführungsganges besteht aus einer inneren Epi- ‚thelschicht und einer äußeren Muskelschicht, beide getrennt durch eine strukturlose Membran (Fig. 31). Nach außen wird das Ganze, wie schon 518 | W. Apel, erwähnt, vom Peritoneum umgeben. Das Epithel bestand aus ziemlich‘ regelmäßig sechsseitigen Cylinderepithelzellen von 0,06 mm Länge und 0,0055 mm Breite. Die 0,00% mm großen, ovalen, sich dunkel färben- den Kerne lagen meist in der Mitte der Zelle, oft jedoch auch etwas nach der Spitze der Zelle zu verschoben. Die Epithelschicht ist in unregel- mäßig blatiförmige Falten gelegi, in welche das Bindegewebe der dar- unter liegenden Muskelschicht hineinwuchert. Die durchschnittliche Höhe dieser Falten war ungefähr 0,24 mm. Die einzelnen Zellen des Epithels waren nach dem Inneren des Ausführungsganges zu abgerundet und begrenzt von einem feinen, hellen Saume, ähnlich dem, welcher bei dem Epithel im Mittel- und Enddarm erwähnt wurde. Ob dieser helle Saum eine zusammenhängende Schicht bildete, oder jeder Zelle besonders angehörte, konnte nicht festgestellt werden. Ein derartiges Epithel befindet sich im ganzen Ausführungsgange mit Ausnahme einer Strecke von ungefähr 2 mm vor seiner Mündung nach außen, wo das- selbe durch eine solche Wulstbildung ersetzt wird, wie sie bei der Aus- mündung des Enddarmes, dem After, und beim Übergang vom Schlund- kopf zum Mitteldarm beschrieben ist. Auf dieser Strecke ist eine feine cuticulare, innere Begrenzungsschicht von 0,004 mm deutlich zu erkennen. Die nach außen vom Epithel liegende Muskelschicht erscheint auf den ersten Blick dem Beobachter als ein Netz wirr durch einander laufen- der Fasern. Bei schwächerer Vergrößerung, bei der es möglich ist, ein größeres Stück der Muskelschicht zu übersehen, sieht man jedoch deut- lich, dass die Fasern in ihrem Verlaufe zwei verschiedene Richtungen verfolgen, nämlich in zwei entgegengesetzten, schwachen Spiralen den Ausführungsgang umziehen. Die Fasern ein und derselben Richtung bilden jedoch keine zusammenhängende Schicht, sondern sind in wenn auch nur locker zusammenhängende Bänder von 0,05 bis 0,04 mm Breite gesondert. Das Bild eines Netzes, welches die Muskelschicht bei starker Vergrößerung gewährt, wird dadurch hervorgebracht, dass die Fasern der Bänder sich vielfach kreuzen und Anastomosen unter einander bil- den. Häufig sogar anastomosiren Fasern, welche verschiedenen Rich- tungen angehören, und machen es dadurch unmöglich, die Muskeln der beiden Richtungen als Schichten von einander zu lösen. — In der ven- tralen Medianlinie sind etwa 20 bis 40 Muskelfasern zu einem Bündel vereinigt, welches, von vorn nach hinten verlaufend, den Ausführungs- gang begleitet, jedoch nur so weit wie der Drüsenkörper entwickelt isi; mit dem letzteren und dem Mesenterium zugleich verschwindet dieser Muskel. — Zwischen den beiden das Mesenterium bildenden Platten des Peritoneums sind ebenfalls einzelne längsverlaufende Muskeln sicht- bar. Ihrem histologischen Bau nach, so wie in Beziehung auf ihre Maßb- Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 519 verhältnisse stimmen alle die hier erwähnten Muskeln mit den Ring- muskeln des Darmes überein. Die seitlich vom Ausführungsgange abtretenden Kanäle stimmen in unmittelbarer Nähe des ersteren in Bezug auf die Struktur ihrer Wand mit dem Hauptkanal überein. Die Epithel- und Muskelschicht sind überall leicht zu erkennen, während es besonders guter Schnitte bedarf, um auch das Peritoneum nachzuweisen. Mit der Entfernung vom Aus- führungsgange nehmen Epithel- und Muskelschicht schnell an Dicke ab: 0,5 bis 1 mm vom Ausführungsgange erreicht letztere ihr Ende, wäh- rend das Epithel zu einem regelmäßig sechsseitigen Plattenepithel um- gestaltet ist und in dieser Gestalt die Wand der sich verzweigenden Kanäle bildet. Das Peritoneum in seinem weiteren Verlauf zu verfolgen, ist nicht gelungen, was vielleicht in der Komplikation der Schnitte, der Feinheit des Peritoneums selbst oder auch in der unzureichenden Unter- suchungsmethode seinen Grund hat. Letzteres ist um so wahrschein- licher, da es geglückt ist, an Schnitten, welche mit Hilfe der Einbettungs- methode in Gelloidin dargestellt waren, nach außen vom Epithel eine feine, glashelle Membran nachzuweisen. Eine Verfolgung derselben auf größere Strecken, so wie auch der Nachweis ihres Zusammenhanges mit dem Peritoneum des Ausführungsganges war an den Präparaten nicht möglich. Das sechsseitige Plattenepithel führt uns das eigentliche Keimepithel der weiblichen Geschlechtsdrüse vor. Die ersten Anfänge zur Eibildung finden wir in den Epithelzellen, welche sich durch ihre Größe vor den übrigen auszeichnen (Fig. 33). Das Auftreten dieser Zellen in der Epi- thelschicht ist ohne Regelmäßigkeit, ihre Lage vollständig innerhalb dieser Schicht oder ganz unbedeutend in das Lumen des Kanales vorspringend. Kern und Zellleib dieser bevorzugten Zellen unterscheiden sich durch nichts von denen der übrigen Zellen. In einem etwas vorgerückteren Stadium zeigt sich das Plasma des Zellleibes verändert, indem es zahl- reiche körnige Einlagerungen deutlich erkennen lässt. Die Lage zu den benachbarten Zellen ist noch die nämliche wie im ersten Stadium. Mit dem ferneren Wachsthum der Eier nimmt die körnige Einlagerung im Plasma des Zellleibes zu, während sich der Zellkern, an Größe zuneh- mend, allmählich zum Keimbläschen umbildet. Zugleich aber ändert sich die Lage der Zellen zu den Nachbarzellen dadurch, dass die ersteren mit zunehmender Größe nach außen vorspringen. Das ausgebildete Ei liegt schließlich nur mit einem verhältnismäßig kleinen Theile seines Um- fanges mit den Epithelzellen in einer Linie, während seine Hauptmasse nach außen von denselben zu liegen kommt. Mit den Eiern wächst die helle Begrenzungsmembran des Keimepithels und bildet die Begrenzung 520 W. Apel, der ersteren nach dem Körperhohlraum zu. Das Wachsthum der Eier scheint auf Kosten der benachbarten Zellen vor sich zu gehen, indem letztere bei Zunahme der Eier mehr und mehr reducirt werden und in der Umgebung der größten Eier nur noch eine feine Membran bilden, der die Zellkerne nach innen zu aufsitzen (cf. Fig. 34). Eine Follikel- bildung ist nicht vorhanden. Auf welche Weise die gereiften Eier in den Ausführungsgang gelangen, konnte nicht festgestellt werden; über- haupt sind freie Eier in den ausführenden Kanälen bei keinem einzigen Individuum beobachtet. Über das ausgebildete Ei ist noch Folgendes hinzuzufügen: Das Ei in dem entwickeltsten Zustande, in dem es zur Beobachtung gelangte, zeigte auf allen gefärbten Schnittpräparaten eine dunkel gefärbte, 0,0012 mm dicke, scharf begrenzte Membran (Fig. 35). Nach innen von dieser folgte eine 0,0018 mm breite Zone homogenen Plasmas, weit schwächer gefärbt als die Membran, aber dunkler wie das zwischen den Parablastiden sichtbare Protoplasma des Eies. Letzteres war nur ganz schwach gefärbt, aber dicht angefüllt mit kugelförmigen, 0,001 mm großen Parablastiden, welche sich aus den körnigen Einlagerungen in dem Plasma der Epithelzellen entwickelt hatten. Im Inneren des Eies, meist excentrisch, lag ein 0,027 mm großes, rundes oder schwach ovales Keim- bläschen, scharf abgegrenzt gegen das umgebende Plasma des Dotters. In Tinktionspräparaten erschien dasselbe vollständig hell, bis auf zahl- reiche, ganz dunkel gefärbte, körnige Einlagerungen, welche meist auf einer Seite des Keimbläschens zusammengedrängt waren und in deren Mitte der Keimfleck immer deutlich zu sehen war. Letzterer war rund, hatte eine Größe von 0,01 mm und erschien in gefärbten Präparaten ganz dunkel. In der Lage stimmt der männliche Geschlechtsapparat mit dem weiblichen überein (Fig. 36). Derselbe besteht ebenfalls aus einem Aus- führungsgange und einem Drüsenkörper, von denen ersterer in gleicher Weise wie der des Ovariums an die Körperwand befestigt ist. Letzteres ist hervorzuheben, da nach Enrers! der männlichen Geschlechtsdrüse ein Mesenterium fehlt, eine Angabe, die vielleicht durch den schlechten Er- haltungszustand der untersuchten Thiere hervorgerufen ist. Ein Unterschied beider Drüsen liegt darin, dass sich die Drüsen- substanz des männlichen Geschlechtsapparates auf allen Seiten des Aus- führungsganges findet, letzterer somit nur in seinem hinteren, freien Theile dem Auge des Beobachters sichtbar wird. . Der Durchmesser des Ausführungsganges beträgt bei den geschlechtsreifsten Thieren, welche 1 cf. ERLErs, 1. c. p. 243 und 41. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 521 untersucht wurden, im Durchschnitt 0,5 bis 1,5 mm; er verringert sich nach der Spitze zu und läuft schließlich gabelförmig in zwei feine Kanäle aus. Eine Differenz in der Weite des Ausführungsganges zwischen Hali- eryptus und Priapulus ist nicht vorhanden. Am seitlichen Umfange, etwas nach der dorsalen Seite zu, treten in Zwischenräumen von 0,5 bis I mm je zwei seitliche Kanäle ab, genau in der Weise, wie dies beim weiblichen Geschlechtsapparat beschrieben ist, also nicht gleichzeitig, sondern unmittelbar nach einander. Auch die beiden terminalen Ausläufer des Ausführungsganges haben ihrem Bau nach den Werth solcher Kanäle. Die vom Ausführungsgange ab- tretenden Kanäle verzweigen sich unregelmäßig und sind in ihrem ver- zweigten Theile seitlich in zweizeiliger Anordnung mit kleinen, 0,8 bis 0,23 mm dicken, birnförmigen Schläuchen besetzt, welche den keim- bereitenden Theil der männlichen Geschlechtsdrüse darstellen. Am Ende eines jeden Kanales steht ein unpaarer Schlauch, von der gleichen Form und Größe. Diese Anordnung der sog. Drüsenschläuche ist schon von EHLers in ganz derselben Weise beschrieben worden. Dadurch, dass die vom Ausführungsgange seitlich sich abzweigenden Kanäle sich auch nach der dorsalen Seite zu vielfach verästeln und sich der durch die Ver- ästelung gebildete Drüsenkörper in der dorsalen Medianlinie der ganzen Drüse fest zusammenlegt und sogar verwächst, wird der Ausführungs- sang vollständig eingeschlossen und so die vorher erwähnte, von der weiblichen Geschlechtsdrüse abweichende Form hervorgebracht. Was die äußere Gestalt des Drüsenkörpers der männlichen Geschlechtsdrüse anbetrifft, so sind hier sehr verschiedene Formen beobachtet. In einigen Fällen zeigte sich eine Lamellenbildung, welche der bei den weiblichen Thieren beschriebenen zum Verwechseln ähnlich sah, während in an- deren Fällen die Geschlechtsdrüse ein traubenförmiges Aussehen hatte, dadurch hervorgebracht, dass sich die kleinen, birnförmigen Schläuche in nicht zu großer Anzahl und weniger dicht entwickelt hatten und hier- durch den dendritischen Bau des sog. Drüsenkörpers klar hervortreten ließen. Endlich bildet der Drüsenkörper zuweilen eine vollständig kom- pakte Masse ohne jede äußere Gliederung. Im letzten Falle ist von dem Baue der Drüse äußerlich nichts zu erkennen. Dass die Form der Ge- schlechtsdrüsen mehr oder weniger von dem Kontraktionszustande des untersuchten Thieres abhängig ist, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden. In der ventralen Medianlinie legt sich der Drüsenkörper eng an das Mesenterium an wie beim weiblichen Geschlechtsapparat. Was den histologischen Bau des Organes anbetrifft, so ist in Betreff ‚des Ausführungsganges dem bei der Beschreibung des weiblichen Ge- schlechtsapparates über dasselbe Gebilde Gesagten nichts hinzuzufügen. 522 | W. Apel, Derselbe stimmt in allen Theilen mit jenem überein. Auch die seitlich abtretenden Kanäle zeigen dieselbe Struktur wie bei der weiblichen Geschlechtsdrüse, nur dass in der Wand dieser Gebilde die Muskel- schicht etwas weiter reicht als bei jenen. Das Peritoneum ist hier zu verfolgen und bildet die Begrenzung der ganzen Drüse gegen die Leibes- höhle hin. In einer Entfernung von 0,7 bis I mm von ihrer Ursprungs- stelle bestehen die seitlichen Kanäle ebenfalls nur aus dem Peritoneum und einem sechsseitigen Plattenepithel von der Form und den Größen- verhältnissen des Keimepithels im Ovarium. Dieses Epithel setzt sich in unveränderter Form bis zu der breitesten Stelle der seitlichen birn- förmigen Schläuche fort, welche ungefähr in der Mitte liegt und den Schlauch in einen vorderen, blind geschlossenen, und einen basalen, hinteren, mit dem Kanal in Verbindung stehenden Theil trennt (Fig. 37). Der Name »Schlauch« passt eigentlich nur für den hinteren Theil, da der vordere Theil vollständig solid ist. Dieser solide, vordere Theil des Schlauches springt in dem basalen, schlauchförmigen Theile mit einem kegelförmigen Zapfen vor, dessen Spitze mit der Anheftungsstelle des Drüsenschlauches an die Wand des Ausführungskanales in einer Ebene liegt. In Bezug auf die genauere Form schließt sich der Zapfen der Wand des basalen Schlauchtheiles an, liegt jedoch mit seiner Mantel- fläche dem Epithel der Schlauckwand nicht unmittelbar an, sondern ist durch einen ungefähr 0,041 mm breiten Zwischenraum von demselben getrennt und nur von Zeit zu Zeit durch feine Fäden an dasselbe be- festigt. Das Gewebe, welches den vorderen, soliden Theil des Drüsen- schlauches bildet, besteht aus einem sich nicht färbenden Protoplasma, in welches Kerne in ganz bedeutender Menge und von ganz verschie- dener Größe eingelagert sind. Bis zu einer Entfernung von 0,2 mm von der äußeren Wand ist diese protoplasmatische Grundsubstanz vollstän- dig homogen, zerfiel dann aber in eine ganz feinfaserige Masse, welche in Farbe und sonstigen Eigenschaften der ersteren vollständig gleich war. Die Vertheilung der Kerne in der Grundsubstanz nach ihrer Größe war folgende: An der Peripherie der vorderen, soliden Schlauchhälfte, unmittelbar an der dem Schlauchinneren zu gerichteten Seite des Peri- toneums finden wir eine Schicht Kerne, welche sich in tingirten Präpa- raten nur durch ihre etwas dunklere Färbung von den eigentlichen Epithelkernen der basalen Schlauchhälfte unterscheidet. Die Lage dieser Kerne und ihre Abstände von einander ist genau wie im Epithel; Zell- grenzen waren jedoch nirgends zu erkennen. Von dieser Randschicht aus nimmt die Größe der Kerne nach dem inneren und hinteren Theile des Zapfens zu allmählich bis auf 0,0004 mm ab. In dem frei in den Beitrag; zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 523 basalen Theil des Drüsenschlauches hineinragenden Zapfen finden sich nur Kerne der kleinsten Art. Letztere waren kugelförmig und färbten sich intensiv dunkel. Bis zu einer Entfernung von 0,2 mm von der äußeren Wand der vorderen Schlauchhälfte war die Lage der Kerne vollständig regellos, begann jedoch von hier aus, nach innen und hinten zu fortschreitend, eine ganz charakteristische zu werden, so dass in dem Zapfen die Kerne in feine, circa 0,008 mm breite, längsverlaufende Stränge gesondert waren, welche gegen die Spitze des Zapfens zu jedoch an Dicke abnahmen. Diese Sonderung der Kerne geht Hand in Hand mit dem Zerfall der Grundsubstanz in feine Fasern. Ganz strikt ist diese Lagerung der Kerne in der Fasersubstanz nicht durchgeführt, da man auch innerhalb der letzteren zwischen den Kernsträngen hin und wie- der einzelne Kerne findet. Unmittelbar an der Spitze des Zapfens ist die beschriebene Lage der Kerne innerhalb der Fasermasse nicht mehr zu erkennen. Die feinen Fasern, welche den Zapfen an die Wand des Drüsenschlauches befestigen, lösen sich aus der Gesammtmasse des Zapfens los; sie bestehen ebenfalls aus Fasermasse, in der einzelne Kerne zu finden sind (ef. Fig. 38). Es ist wohl kaum in Zweifel zu ziehen, dass wir in dem eben Be- schriebenen die Bildung der Spermatozoen vor uns haben, wenn freie Spermatozoen in den Ausführungsgängen auch nicht zur Beobachtung gelangten. Die Bildung der Spermatozoen würde dann folgende sein: Das Epithel des Ausführungsganges geht in den Drüsenschläuchen in das eigentliche Keimepithel über, welches im vorderen Theile des Schlauches ein Syneytium bildet, aus dessen Kernen durch fortgesetzte Theilung die Spermatozoen entstehen. Ob die feinen Fasern, in welche die Grund- 'substanz zerfällt, mit den kleinsten Kernen in Verbindung stehen und dann die Schwänze der freien Spermatozoen bilden, war nicht nachzu- weisen. Die definitive Form der Spermatozoen ist vollständig unbekannt. In Betreff der Art und Weise, wie die Spermatozoen in den Aus- führungsgang gelangen, ist zu vermuthen, dass dieses durch Loslösen von dem frei in den basalen Theil des Drüsenschlauches hineinragenden Zapfen aus geschehen wird. Direkte Beobachtungen hierüber liegen nicht vor. LEucKArT ! sagt in seinem Bericht über die Sarneer'sche Arbeit über den Geschlechtsapparat des Halicryptus Folgendes: »Eigentliche Geschlechtsdrüsen fehlen, indem die Produkte an der Außenfläche der zur Anheftung der Leitungsröhren dienenden Peritonealfalten hervor- knospen und später frei in der Leibeshöhle gefunden werden.« Die An- heftung des Ausführungsganges durch das Peritoneum an die Körperwand 1 WIEGMANN’s Archiv für Naturgesch. Jahrg. 35. Bd. II. 4869. p. 282. 524 ; W. Apel, ist durch meine Resultate bestätigt. Dass die Geschlechtsprodukte nicht auf der äußeren, sondern auf der der Muskulatur zugekehrten Seite des Peritoneums sitzen, ist SaEnGER entgangen. In der Leibeshöhle habe ich nie frei umherschwimmende Geschlechtsprodukte gefunden und muss diese Angabe bestreiten. Die Beobachtungen von Horst! über den Geschlechtsapparat von Priapulus bicaudatus sind in Bezug auf das Ovarium an zu schlecht kon- servirten Exemplaren gemacht, als dass sich über etwaige Differenzen der drei Species in dieser Hinsicht etwas sagen ließe. Nach der Zeich- nung zu urtheilen, welche Horst nach einem Schnitt durch das Ovarium angefertigt, hat derselbe die Blutkörper, welche die Räume zwischen den verästelten Kanälen ausfüllen, für Eier angesehen; Bilder gleich dem von Horst abgebildeten sind unter meinen Präparaten vielfach vor- handen. In dem Ausführungsgange des Ovariums befinden sich beim Priapulus bicaudatus nach Horst Flimmerhaare. Über die männliche Geschlechtsdrüse stimmen seine Angaben im Wesentlichen mit den meinigen überein. Als äußere Begrenzungsmem- hran giebt derselbe jedoch eine bindegewebige Tunica propria an, welche hier nicht vorhanden ist. Die Tunica propria wird hier durch das Peritoneum gebildet. Außerdem bestehen seiner Angabe gemäß die hellen Streifen im Inneren seiner »Marksubstanz « der Drüsenschläuche aus bindegewebigen Fasern ; nach seiner Zeichnung ist zu vermuthen, dass diese Verhältnisse den hier beschriebenen vollständig gleich sind, dass somit auch der Zusammenhang der »Marksubstanz« mit der »Rinden- substanz« in ganz der gleichen Weise besteht, wie vorhin für Priapulus caudatus und Halieryptus beschrieben ist. Am Schlusse muss noch einer Angabe von v. WILLEMOES-Sunm ? über den Geschlechtsapparat von Halieryptus und Priapulus gedacht werden. Derselbe beschreibt bei einem 8 mm langen Halicryptus, dessen Ge- schlechtsdrüse noch nicht differenzirt war, eine Anhangsdrüse, welche auch bei Erwachsenen der Mitte der Genitaldrüse aufliegen soll. Diese Anhangsdrüse besteht nach seinen Angaben aus »sehr kleinen, trauben- förmig angeordneten Bläschen mit körnigem Inhalt, welche durch einen sehr kurzen Ausführungsgang ihr Sekret in die Genitalschläuche er- gießen«. Eine derartige Drüse ist bei erwachsenen Thieren nicht vor- handen. Es kam jedoch vereinzelt bei weiblichen Thieren zur Beob- achtung, dass an dem freien Theile des Ausführungsganges an einer Stelle, wo der Drüsenkörper längst sein Ende erreicht hatte, seitlich ein ganz kurzer Kanal entwickelt war, in welchem sich Eier entwickelt UT SC23P.85; 271.6: P385. Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus eaudatus und Halieryptus spinulosus. 525 hatten. In einem einzigen Falle wurde eine derartige Bildung auch an der dorsalen Seite des Ausführungsganges in der Region des Drüsen- körpers beobachtet, ein Vorkommen, welches wohl zu einer Angabe, wie sie v. WILLEMOES-SuHm gemacht hat, Veranlassung hat geben können. Junge Thiere mit undifferenzirten Geschlechtsdrüsen lagen zur Beob- achtung nicht vor. Es ist jedoch zu vermuthen, dass v. WILLEMOES-SUHNM bei der Beschreibung seiner Anhangsdrüse den Anfang der Bildung eines Drüsenkörpers für ein derartiges Gebilde gehalten hat. Göttingen, im Mai 1885. Erklärung der Abbildungen. Tafel XV—XVIL. Fig. 4. Vergr. eirca 4/3. Halieryptus spinulosus Sieb. Das Thier ist vom Rücken her geöfinet, indem ein Streifen der Körperhaut herausgeschnitten ist. RI, lange Retraktoren — die kurzen sind im Präparate nicht sichtbar —; M, platte Muskelbänder auf der Oberfläche des Schlundkopfes; S, Längsmuskeln zwischen Mitteldarm und Schlundkopf, welche durch ihre Thätigkeit die Invagination des Schlundkopfes in den Mitteldarm ermöglichen; a, Insertionsstelle derselben an den Darm, hier wulstförmig; MD, Mitteldarm; ED, Enddarm; Ov, © Geschlechtsdrüse ; Ovd, Ausführungsgang derselben; Ms, vorderes Ende der mesenterialen Falte, welche die Geschlechtsdrüse an die Körperwand heftet. Fig. 2. Vergr. 4/9. Dorsoventraler Längsschnitt durch den vor- deren Körpertheil von Haliceryptus. Mr, Radiärmuskeln des Schlund- kopfes; Mc, Ringmuskeln des Schlundkopfes ; Ml, Längsmuskeln des Schlundkopfes;; SR, Schlundring; Cu, Cuticula; Sc, Subcuticularis; 7, ringförmige Einsenkung der Haut vor dem Schlundring; Gm, Grenzmembran zwischen Muskeln und Subcuticu- laris; Bm, Bauchmark; RI, lange Retraktoren; Rk, kurze Retraktoren; S, Muskeln zwischen Mitteldarm und Schlundkopf; W, Längswülste der Subcuticularis im Übergangsstück zwischen Schlundkopf und Darm, in der zweiten Hälfte schief ge- schnitten, daher die blattförmige Gestalt auf dem Längsschnitt; MD, Mitteldarm; hf, Ringfalten desselben; L, seitliche, terminale Aussackung des Schlundes.. Fig. 3. Vergr. 4/00. Flächenansicht der Hypodermis. Das Präparat stammt aus dem Rüssel des Priapulus. a, Zellen; ce, Zellkerne;; b,Intercellularräume. Fig. 4. Vergr. 4/425. Querschnitt durch die Hypodermis der mittle- ren Region des Stammes. Präparat von einem 43 mm langen Halicryptus. Mc, Ring- muskeln; H, Hypodermis: a, Intercellularräume; Db, Zellen; c, Kerne derselben ; Cu, Cuticula. Fig. 5. Vergr. 41/225. Längsschnitt durch eine Rüsselpapille des Priapulus (Länge des Thieres 30 mm ohne Schwanz). H, Hypodermis; Hı, ver- ändertes hypodermales Gewebe im Inneren der Papille; Cu, Cuticula. Fig. 6a. Vergr. 41/200. Längsschnitt durch eine warzenförmige 'Papille vom hinteren Stammende des Priapulus (Länge des Thieres 30 mm). 526 W. Apel, Cu, Cuticula; a, kegelförmige Erhebungen auf derselben; 7, Hypodermis; Hı, um- sewandeltes Hypodermisgewebe im Inneren der Papille. Fig. 6b. Vergr. 41/4200. Längsschnitt durch eine der kegelförmi- gen Erhebungen auf der Oberfläche der warzenförmigen Papillen. o, Öffnung; a, bypodermales Gewebe. Fig. 7. Vergr. 14/200 (Länge des Thieres 30 mm). Längsschnitt durch eine der unregelmäßig auf der Stammoberfläche des Priapulus zerstreuten Papillen. Das Thier wurde unmittelbar vor der Häutung getödtet, so dass man unter der alten eine neue Cuticula vollständig ausgebildet findet. Cu,, alte Cuticula; Cus, neue Cuticula, der äußere Saum derselben erscheint fein gezackt; H, Hypodermis; Hı, verändertes hypodermales Gewebe im Inneren der Papille. Fig. 8. Vergr. 41/430. Querschnitt durch die Rüsselwand des Hali- cryptus; eine der auf den Rüsselrippen stehenden Papillen im Längsschnitt. Me, Ringmuskeln; RM, längsverlaufende Rüsselmuskeln; /c, Integumentalkanal; H, Hypodermis; H,, umgewandeltes hypodermales Gewebe im Inneren der Papille; Cu, Cuticula;, c, brauner Mantel, der den hypodermalen Fortsatz umgiebt; b, innere Schicht; a, äußere Schicht. Fig. 9. Vergr. 41/250 (Länge des Thieres 43 mm). Längsschnitt durch eine Papille mit lang ausgezogener Spitze von der Körperoberfläche des Hali- eryptus. H, Hypodermis; H}, umgewandeltes hypodermales Gewebe im Inneren der Papille; d, dunkel gefärbter, körniger Plasmahof um die Kerne; r, Plasma, welches eine fein retikuläre Struktur angenommen hat; Cu, Cuticula: a, äußere Schicht, db, innere Schicht, c, brauner Mantel, welcher hier nur den vorderen Theil des hypodermalen Fortsatzes umgiebt; Sp,lang ausgezogene Spitze; e,axialer Kanal derselben. Fig. 40. Vergr. 1/300 (Länge des Thieres 30 mm). Querschnitt durch eine warzenförmige Papille vom hinteren Stammende des Priapulus. a, Zellen; b, Zellkerne; c, Zellen, deren Plasma sich noch dunkel färbt und körnig erscheint; Cu, Cuticula. Fig. 44. Durch Maceration isolirte Muskelfaser aus den Retraktoren des Priapulus, bei scharfer Einstellung auf die Kerne gezeichnet. $, Sarkolemma; f, kontraktile Fibrillen, quer gestreift; m, centrale Marksubstanz, in der die Kerne liegen; k, Kerne mit Kernkörperchen. Fig. 12, 43 u. 44. Vergr. 4/400 (Halicryptus, Länge des Thieres 45 mm). Quer- 'schnitte durch den Nervenstrang, welcher den Schlundring bil- det; Fig. 42 aus der dünnsten ventralen Region, Fig. 13 aus der lateralen und Fig, 14 aus der dorsalen Region desselben. Cw, Cuticula; Hk, Hypodermis der Körper- wand; Hs, Hypodermis, welche in die Subcuticularis des Schlundkopfes übergeht; M, Muskelscheide; Ax, axiale Seite des Nervenstranges; Zw, Zwischengewebe ; G, Ganglienzellen; Fs, Faserstrang; Nk (Fig. 43), peripherer, zur Körperwand gehender-Nerv; Ns (Fig. 43), peripherer, zum Schlundkopf verlaufender Nerv; Gı, Ganglienzellen, welche inmitten des Faserstranges liegen. Fig. 15. Vergr. 1/350. Querschnitt durch die terminale Verdickung des Bauchmarkesan ihrer dicksten Stelle. Cu, Cuticula; H, Hypodermis; Zw, Zwischengewebe; Fs, Faserstrang; G, Ganglienzellen, deren Zusammenhang mit dem Faserstrange deutlich sichtbar; a, Kerne multipolarer Zellen; Mc, Ring- muskelschicht der Körperwand; Bd, Bindegewebe zu Seiten des Bauchmarks; | Mn, die in dem Bindegewebe (Bd) verlaufenden Längsmuskeln, welche das Bauch- | Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 527 mark in seinem hinteren Theile begleiten ; 5, Trennungsmembran zwischen Musku- latur und Hypodermis. Fig. 46. Vergr. 1/350. Querschnitt durch das Bauchmark bei Beginn des hinteren Drittels. N, periphere Nerven; die übrigen Benennungen wie in Fig. 15. Fig. 17. Vergr. 41/420. Querschnitt durchdieKörperwand des hin- teren Stammendes von Priapulus; das letzte von der terminalen Verdickung des Bauchmarkes ausgehende, ringförmig auf der Grenze zwischen Stamm und Schwanz verlaufende Nervenpaar ist längs geschnitten. Cw, Cuticula; H, Hypodermis; N, Nerv; Mc, Ringmuskeln der Körperwand. Fig. 48. Vergr. 41/906. Längsschnitt durch die Subcuticularis aus der vorderen Hälfte des Schlundes, parallel zur Längsachse des Thieres. Nn, Kno- ten eines Längs- und Ringnerven; der Schnitt hat den ersten ungefähr unter einem Winkel von 450 getroffen, daher derselbe auf dem Schnitt nicht zu verfolgen. Dicke der Sekundärscheiden im Nerven 0,0009 mm; G, multipolare, durch einen Theil ihrer Fortsätze zusammenhängende Ganglienzellen ;, das Einmünden eines Tbeiles der Zellfortsätze in den Nerven ist in dem Präparate deutlich sichtbar. Durchmesser der Zellkerne 0,0082 mm, der Kernkörperchen 0,0016 mm; Breite des Forisatzes einer multipolaren Zelle 0,00066 mm; S, Subcuticularis des Zahnes. Durchmesser der Kerne derselben 0,004 mm, Breite der Zahnepithelzelle an der Spitze 0,02 mm, an der Basis etwas bedeutender; Dicke der im Zahnepithel eingelagerten Körnchen 0,0008 mm; 5b, Trennungsmembran zwischen Muskulatur und Subcuticularis. Fig. 19. Vergr. 41/900. Längsschnitte durch unipolare Ganglienzel- len aus der dorsalen Partie des Schlundringes. Dicke des Zellfortsatzes 0,0037, der im Zellleib eingelagerten Körnchen 0,0002 mm. c, Zelle, deren Kern die Ein- buchtung der Kernwand zeigt. Fig. 20. Vergr. 4/840. Querschnitt durch multipolare Zellen im Centralnervensystem. Fig. 24. Vergr. 1/4060. Querschnitt durch das Zwischengewebe des Schlund- ringes. Fig. 22, Vergr. 1/1250. Längsschnitt durch den Faserstrang des Schlundringes. Fig. 23. Vergr. 4/750. Längsschnitt aus der Wand der vorderen HälftedesSchlundkopfes. Nn, Schnitt durch den Nervenknoten eines Längs- und Ringnerven, schief zum Längsnerven, wesshalb derselbe auch in diesem Prä- parate in der Subcuticularis nicht zu verfolgen ; Np, vom Nervenknoten zur Musku- latur abgehender Nerv, der sich in die Äste N und Nyr theilt; Sd, Subcuticularis (Zahnepithel); b, Grenzmembran zwischen Epithel und Muskulatur; Cu, Cuticula: a, innere, b, äußere Schicht. (Der Nervenknoten liegt hier nicht unmittelbar unter dem Zahn, sondern etwas nach hinten verschoben.) Fig. 24. Vergr. 4/400. Querschnittdurch die Mitte des Übergangs- stückes (Umschlagsstelle) vom Schlundkopf zum Mitteldarm. Sb, die Längswülste der Subeuticularis; Cu, Cuticula;; G, Ganglienzellen ; Nr, Ringnerv, so weit er vom Schnitte getroffen, Mc, Ringmuskulatur. Fig. 25. Schematische Darstellung des Nervensystems. Die Ner- ven sind im Verhältnis zum Schlundkopf zu dick gezeichnet. R, Schlundring; B, Bauchmark; Ndb, vom Bauchmark seitlich abtretende Nerven; einige dersel- ben sind willkürlich zu geschlossenen Ringen ergänzt; N%k, vom Schlundring zur Körperwand abtretende Nerven; auf der dem Beschauer zugekehrten Seite des Ringes sind dieselben nur an ihren Ursprungsstellen gezeichnet; Ns, vom Schlund- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIE. Bd. 35 528 | W. Apel, ring zum Schiundkopf abtretende Nerven; 7, Ringnerven in der Subeuticularis des Schlundes; s, in den Knotenpunkten der Längs- und Ringnerven des Schlundes ent- springende und zu den Muskeln des Schlundkopfes laufende Nerven. Fig. 26. Querschnitt durch das Übergangsstück vom Schlund- kopfezumDarme; Vervollständigung des Schnittes Fig. 24. Sb, Wülste der Sub- euticularis; Mc, Ringmuskeln; Mi, Längsmuskeln; P, Peritoneum. Fig. 27. Vergr. 41/900. Flächenpräparat der Ringmuskulatur der Darmwand (Mitteldarm), durch Maceration erhalten. c, kontraktiler Theil der Muskelfaser; m, Marksubstanz; k, Kerne; Bd, Bindegewebe; x, Zellen desselben ; am, Anastomosen der Marksubstanz; a, Anastomosen der gesammten Faser unter spitzem Winkel. Fig. 28. Vergr. 41/220. Querschnitt durch die Wand des Mitteldar- mes. E,Epithel, a, Zellen; b, Intercellularräunie,; Mc, Ringmuskulatur; MI, Längs- muskulatur; P, Peritoneum. Fig. 39. Isolirte Epithelzellen des Mitteldarmes. Fig. 30. Querschnitt durch die Q Geschlechtsdrüse. Der Schnitt ist durch den hintersten Theil der Drüse geführt; Mesenterium und der den Aus- führungsgang in der ventralen Medianlinie begleitende Längsmuskel (cf. Fig. 36) haben bereits ihr Ende erreicht, werden aber nach hinten vom Drüsenkörper über- ragt. Ovd, Ausführungsgang; E, Epithel; M, Muskulatur; A, seitlicher, vom Haupt- ausführungsgange abtretender Kanal; a, Durchschnitte durch die vielfachen Ver- zweigungen desselben (Drüsenkörper). Die feinen, dunklen Punkte stellen die Kerne des Epithels (Keimepithel) dar; Ov, Eier nach außen vom Keimepithel gelagert; MI, Längsmuskeln der Körperwand; Mc, Ringmuskeln der Körperwand; H, Hypoder- mis; Cu, Guticula. Fig. 31. Vergr. 14/300. Querschnitt durch den Ausführungsgang der @ Geschlechtsdrüse. E, Epithel, in Falten gelegt; M, Muskulatur, P Peritoneum. Fig. 32. Vergr. 4/1400. Flächenansicht des Keimepithels. Fig. 33. Querschnitt durch das Keimepithel. a, Anfangsstadium eines Eies. Fig. 34. Querschnitt durch Keimepithel mit ausgebildeten Eiern. a, Lumen des Ausführungsganges; e, Epithel; c und d, Eier in Entwick- lung; db, ausgebildete Eier, von den 7 und 2 zu dem Epithel dieses Kanales (a) ge- hören. Fig. 35. Vergr. 4/4300. Schnitt durch ein ausgebildetes Ei. a, helle Membran, welche das Keimepithel und die Eier nach dem Körperinneren zu umgiebt; b, Membran des Eies; c, homogene Plasmaschicht (frei von Parablastiden); d, Para- blastiden (geformte Elemente des Dotters). Fig. 36. Querschnitt durch die 5 Geschlechtsdrüse. Vs, Ausfüh- rungsgang; Ep, Epithel; M, Muskulatur; A, vom Ausführungsgang seitlich ab- tretender Kanal; bl, Drüsenschläuche, welche seitlich den Ästen dieses Kanales an- sitzen; Ms, Mesenterium; m, Längsmuskel, welcher den Ausführungsgang in der ventralen Medianlinie begleitet. Fig. 37. Vergr. 4/4380. Längsschnitt durch einen Keimschlauch. P, Peritoneum; a, Epithel, welches sich von den Ausführungsgängen aus in den Schlauch fortsetzt; 5, Syneytium; c, Kernstreifen; f, Fasermasse; B, Basis des Schlauches (Anheftungsstelle). ’ Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus und Halieryptus spinulosus. 529 Fig. 38. Vergr. 4/400. Querschnitt durch den basalen Theil des Keimschlauches (Fig. 37). P, Peritoneum; a, Epithel; c, Zapfen, durch feine Fäden an die Schlauchwand befestigt; gesonderte Lage der feinen Kerne inner- halb der Fasermasse hier nicht mehr vorhanden. Fig. 39. Vergr. 4/4000. Stark vergrößerter Längsschnitt durchden inneren Zapfen einesKeimschlauches (Fig. 37). c, Kernstreifen; f, Faser- masse. Fig. 40. Körperchen der Leibesflüssigkeit. v, Vacuole; k, Kern; 4—6, die großen, amöboidbeweglichen Körperchen in verschiedenen Formen, 7 und 8, dieselben nach Zusatz von Essigsäure; 9 und 70, kleine, unbewegliche Körperchen; 9, vor, 10, nach Zusatz von Essigsäure. 35* Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. Dr. Franz Grofse in Straßburg. KHMit Tafel XVII. Die Mallophagen sind flügellose Insekten mit unvollkommener Ver- wandlung, vollkommenen beißenden Mundtheilen, mit zwei- oder drei- gliedrigem Thorax und acht bis zehn Segmente enthaltendem Abdomen, welche auf der Haut (und deren Gebilden) von Säugethieren und Vögeln sich aufhalten und sich von Hautschüppchen, Haaren oder Federn nähren. Die Gattungen, deren Wirthe Säugethiere sind, kommen nie auf Vögeln vor und umgekehrt. Bevor man die Organisation der Mallophagen genauer kannte, rechnete man dieselben einfach zu den Läusen, und zwar zu den Thier- läusen im Gegensatz zu den auf dem Menschen schmarotzenden Pedi- eulinen. Repı erkannte im Jahre 1688, dass man Läuse mit saugen- den und mit beißenden Mundtheilen unterscheiden müsse. Trotzdem theilten Linn& und Fasrıcıus die Pediculinen ein in solche, die auf Menschen und auf Thieren schmarotzen, ohne sich näher auf ihren Unterschied und eine Charakteristik einzulassen. Erst DE GEER spricht sich genauer über die Mallophagen aus in seinem Werke: Memoires sur Vhisteire des insects. Vol. VII. 1778. Er nennt sie lateinisch Ricinus, deutsch Zangenlaus (der zangenförmigen Mandibeln wegen), und be- merkt, dass ihre Wirthe nicht allein ‚Vögel, sondern auch Säugethiere seien; er unterscheidet bereits sieben Arten. In die Fußtapfen pe Geer’s treten OLIVIER, LAMARK, LATREILLE und Hermann. Letzterer schlug in- dessen, da schon eine Acarine den Namen Ricinus führte, dafür Nirmus vor. Später führte Leıca (Edinburgh Encyclopaedia) den Namen Ano- plura ein. Die erste gründliche Aufklärung haben wir Nirzsch zu ver- danken. Seine Untersuchungen erschienen jedoch zu seinen Lebzeiten Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 531 nur theilweise, da die damaligen ungünsiigen Verhältnisse ihn daran verhinderten, ein umfassendes Werk herauszugeben. Das von ihm au!- gestellte System, auf jahrelange Untersuchungen gegründet, ist im Großen und Ganzen trotz einiger Unrichtigkeiten noch jetzt maßgebend. Im Jahre 14842 erschien das Werk: Monographia Anoplurorum Bri- tanniae von Denny, das, mit Ausnahme der Beschreibung einiger neuer Arten und zahlreicher Abbildungen, nichts vor den bis dahin er- schienenen Abhandlungen von Nirzsch voraus hat. Kurze Zeit darauf veröffentlichte GIEBEL einige Auszüge aus Nırzscn’s Nachlasse und eine sehr übersichtliche Zusammenstellung der Mallophagen nach ihren Wirthen. Zu erwähnen sind noch ferner die Untersuchungen Ruvow’s, auf die wir später noch zurückkommen werden, das kleine Buch von GisseL: Die im zoologischen Museum der Universität Halle aufgestellten Epizoen nebst Beobachtungen über dieselben, die embryologischen Arbeiten von MeLnıkow und die Arbeit über Lipeurus jejunus Nitzsch von Kramer. Im Jahre 187% erschien zum ersten Mal eine Monographie der Mallophagen unter dem Titel: Insecta Epizoa, von GiEseL nach dem Nachlasse von Nirzsen bearbeitet. Dieses epochemachende Werk giebt eine zusammenhängende Übersicht über die damals bekannten Mallo- ' phagen und Thierläuse und enthält sehr getreue Abbildungen der Thiere nebst zwei Tafeln anatomischer Abbildungen. Die Mallophagen repräsentiren sich nach Nırzscn als ein vollständig einheitlicher Typus und zerfallen nach ihm in zwei große Gruppen: die Philopteridae und Liotheidae. Erstere werden charakterisirt durch fadenförmige Antennen und den Mangel an Maxillartastern. Sie zer- fallen in zwei Familien, deren erste die einzige Gattung Trichodectes (mit dreigliedrigen Antennen und einklauigen Füßen) enthält, während zur zweiten Familie: Philopteridae i. s. str. (mit fünfgliedrigen Fühlern und zweiklauigen Füßen) zahlreiche Gattungen gehören. Die Liotheidae besitzen nach Nırzscn Maxillartaster und keulen- förmige viergliedrige Antennen; sie zerfallen gleichfalls in zwei Fami- lien. Die erste umfasst die einzige Gattung Gyropus (mit einklauigen Füßen), während die zweite: Liotheidae i. s. str. (mit zweiklauigen Füßen) zahlreiche Gattungen aufzuweisen hat. Trichodectes und Gyropus kommen nur auf Säugethieren vor, Philopteridae und Liotheidae i. s. str. dagegen nur auf Vögeln. Die ' Systematik der Philopteriden und Liotheiden i. s. str. begründet Nirzsch auf das Vorhandensein oder Fehlen von Anhängen des Kopfes (Trabekeln) und. deren Beweglichkeit, auf den geschlechtlichen Unter- x schied der Fühler, deren Lage, die Form des Kopfes, die Beschaffenheit 532 | Franz Große, der Thorakalsegmente und die Form des letzien Abdominalsegmentes in folgender Weise: Philopteridae ii. s. str. 1) Trabekeln beweglich, Fühler in beiden Ge- schlechtern allermeist ohne Unterschied . . . . Docophorus. 2) Trabekeln unbeweglich: a) Fühler fadenförmig, ohne geschlechtlichen Unterschied : a) Hinterkopf abgerundet, männliches End- sesment abgerundet, .. 2... oe Nirmus. ß) Hinterkopf scharfeckig, Abdominalseg- mente in der Mitte verschmolzen . . . . Goniocotes. b) Männliche Fühler zangenförmig durch Fort- setzung am dritten Gliede: «&) Hinterkopf eckig, weibliches Endsegment | warzig, männliches Endsegment abge- Tundet.!. 2. Le we Goniodes. ß Hinterkopf abgerundet, männliches End- segment ausgeschnitten. ........ Lipeurus. Liotheidaei. s. str. 1) Ohne Mesothorax, Fühler stets versteckt: a) Kopf sehr breit, ohne Orbitalbucht . .. . . Eureum. b) Kopf gestreckt, mit nach hinten gerichteten Schläfenecken : «@) Mit scharf abgesetztem Clypeus und seich- ter Orbitälbucht ie be IE Laemobothrium. £) Mit nur geschwungenen Kopfseiten und langen Seitenlappen der Oberlippe . . . Physostomum. 2) Mit Mesothorax: a) Mesothorax groß, scharf abgesetzt, Kopf drei- seitig, Fühler versteckt ..... ı. Hacker» Trinotum. b) Mesothorax klein, nur angedeutet: «@) Orbitalbucht tief, Fühler meist vorge- streekt, sichtbar . : 2. a ENTE Golpocephalum. ß) Orbitalbucht sehr schwach oder fehlend, Fühleriversteckt : 0 Magen ce Menopon. In der Monographie (Insecta Epizoa) ist von den Gebilden des Schlundes, die den Mallophagen möglicherweise zum Saugen dienen könnten, nichts gesagt. Es scheint, als ob sowohl Nırzscn als GIEBEL Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 5933 deren Erwähnung vermieden, da in der That nicht anzunehmen ist, dass ein so genauer Beobachter wie Nırzsch dieselben übersehen haben sollte. Er hat sie einfach bei Seite gelassen, da es sehr schwierig ist, dieselben (namentlich bei den Philopteriden) ihrem Bau nach zu er- kennen. Nur Serien von Querschnitten und Längsschnitten können dar- über genaue Auskunft geben. Meınıkow stellt die Mallophagen in Folge dieser Schlundbildungen zu den Rhynchoten. Es ist durchaus nicht zu billigen, ein Chitin- gebilde der Schlundintima mit den saugenden Mundtheilen von Pedi- culinen homolog zu setzen. Übrigens werden wir auf MeLnıkow’s Resultate im Laufe der Untersuchung später zurückkommen. Kramer, der den Lipeurus jejunus unseres Haushuhns genauer studirte, geht sehr leicht über die Mundwerkzeuge hinweg und schweigt vollständig über den sogenannten »Saugrüssel«. Die neuesten Werke, die über unseren Gegenstand erschienen, sind PıaGET, Les Pedicu- lines, essai monographique und die Mallophagen von TascHEnBErgG, 1. Thl. Philopteriden !. TAscHENBERG Schreibt in Bezug auf Mundtheile nichts Neues. Die Oberlippe, welche gerade bei den Philopteriden ein so äußerst wich- tiges und charakteristisches Organ ist, erwähnt er gar nicht. Ich komme nun zu den Resultaten meiner eigenen Unter- suchungen. Das Hauptobjekt ist ein Liotheide, der von Dr. Reıss in Chili auf einem Pelikan, dessen Bestimmung damals nicht erfolgte, gesammelt wurde. Ich erhielt ihn in zahlreichen Exemplaren durch die Güte des Herrn Professor Dr. O. Scumipt. Dieser Mallophage wurde noch nie beobachtet und würde, nach dem von Nırzsen aufgestellten System zur Gattung Menopon gehören. Allein gewisse Verschiedenheiten in seinem 1 Erst kurz vor dem Druck dieser Arbeit wurde mir durch die Güte des Herrn Professor Dr. EuLers das große Werk Pıicer's, Les Pediculines, zugänglich. PıAgErT schließt sich hinsichtlich der Systematik im Wesentlichen Nıtzsch an und beschreibt eine Anzahl neuer Species. Die Anatomie ist in diesem Buche sehr wenig berücksichtigt. Ich hebe nur hervor, dass er die Liotheiden-Mundtheile auf folgende Weise charakterisirt: La bouche reportee en avant est composee: des mandibules assez semblables a celles des philopterides, — de la levre superieure echaneree, — des maxillae presque cach&es, portant des palpes quadri-articulees, qui depassent le bord de la tete; tandisque les palpes labiales biarticulees sont difficilement visibles etc. Pıacer lässt also gleich den übrigen Autoren bei den ‚ Liotheiden die viergliedrigen Taster den Unterkiefern und nicht der Unterlippe zu- kommen. Die einzigen Tastorgane an der Unterlippe sind seiner Meinung nach die von ihm als zweigliedrige Palpen bezeichneten Paraglossen. 534 Franz Große, Bau mit dem der Vertreter der Gattung Menopon, veranlassten mich, denselben als den Vertreter einer neuen Gattung zu betrachten. Er war der Erste, bei dem ich mehr als die bis jetzt immer angegebenen zwei Augen beobachtete. Ich nannte ihn desshalb und seiner Heimat wegen: Tetrophtihalmus chilensis. Das Männchen besitzt eine: Länge von 4—4,5 mm. Das Weibchen ist ein wenig kleiner und heller ge- färbt. Kopf. Da der Kopf der bekannten Species von den früheren Autoren schon ausführlich beschrieben ist, werde ich nur denjenigen von Tetrophihal- mus genauer besprechen. Der vorn etwas abgesiutzte Kopf ist breiter als lang, oben ein wenig konvex, auf der Unterseite konkav, und gewinnt eine nierenför- mige Gestalt dadurch, dass die Occipitalecken nach hinten ausgezogen und abgerundet sind. Von hinten nach vorn nimmt er wie ein Keil etwas an Dicke ab. Das Hinterhaupt erscheint ausgebuchtet und sitzt hutförmig auf dem vorderen Theile des Prothorax auf (Fig. 1). Die hintere Grenze des Clypeus bezeichnet jederseits eine schmale Randeinkerbung und zwar ist letztere ungefähr um ein Drittiheil der ganzen Körperlänge vom Vorderrand entfernt. Auf der unteren Seite des Kopfes, nach oben aber durchscheinend, liegt neben jeder Randein- kerbung ein dunkler, kastanienbrauner Fleck mit verwaschenen Gren- zen. Eine gleiche Färbung zeigt der Oceipitalrand. Von oben sieht man die letzten Glieder der viergliederigen Unterlippentaster hervor- ragen. Die Fühler, von denen Weiteres unten gesagt werden wird, liegen vollständig in einer seitlichen Bucht der Unterseite des Kopfes verborgen. Zwei Augen, deren Pigmentirung nach oben durchschim- mert, liegen jederseits unten am hinteren Ende der seitlichen Fühler- bucht. Bis jetzt war bei den Mallophagen nur ein Paar Augen bekannt. Über die Haare des Kopfes, besonders des vorderen Thbeiles, ist Folgendes zu sagen: Auf dem Vorderrand des Kopfes steht, von der Medianlinie aus gerechnet, jederseits eine Gruppe von sieben Borsten. Von diesen ist Borste eins und vier dreimal so lang als drei, fünf, sechs sieben und doppelt so lang als Borste zwei. Außerdem entfernen sich sechs und sieben etwas vom Rande und stehen näher bei einander. Am Seitenrande bis zur Randeinkerbung befinden sich sechs Borsten, von denen zwei, drei und vier länger als eins, fünf und sechs. Hinter der Randeinkerbung, den Augen gegenüber, befindet sich eine randständige Borste. Betrachten wir nun den Kopf von unten, so sehen wir auf dem Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 535 inneren Rande der seitlichen Fühlerbucht eine kurz vor den Augen beginnende, nach hinten und dem Seitenrande des Kopfes zustrebende Reihe allmählich sich verkleinernder Borsten. Auf der unteren Seiie des Kopfes, dem Rande parallel, folgen zwei Reihen unregelmäßiger Borsten. Am Schläfenrande selbst stehen zehn, theils durch ihre dornen- förmige Gestalt, theils durch ihre Länge hervorragende Borsten; Letz- teres ist bei zwei, drei, sechs, neun und zehn der Fall. Am Oceipital- rande stehen sechs, auf jeder Hinterhauptsecke eine und auf der Ober- fläche des Kopfes in beinahe ellipiischer Anordnung zehn Borsten. Auf der unteren Kopfseite liegt die trichterförmige Mundöffnung, umgeben von den beißenden, vollständigen Mundtheilen. Die Mund- theile der Mallophagen verlangen eine ausführliche Darstellung, da sich in der vorliegenden Litteraiur mannigfache Irrthümer finden. Oberlippe. Die Oberlippe der Mallophagen zeichnet sich, wie schon Nirzsch bemerkt, durch ihre eigenihümliche Form vor derjenigen anderer Insek- ten aus. Sie bildet nicht wie bei vielen der letzteren ein einfach platten- förmiges Organ, das dem vorderen Kopfrande eingelenkt ist und nach vorn oder unten absteht, sondern sitzt bei sämmtlichen Mallophagen an der Unterseite des Kopfes. Die Oberlippe der Liotheiden zeigt fast durchgängig einen gleich- mäßigen Bau. Sie bildet einen dünnhäutigen, schwach gebogenen, queren Wulst, dessen Ränder außen und innen eine Chitinleiste tragen, auf welcher je eine Reihe von Borsten oder Härchen aufsitzt (Fig. 2 ol). Von den zur Bewegung der Oberlippe dienenden Muskeln ragen beson- ders zwei median herantretende Bündel durch ihre Stärke hervor. ‘Dass die Lioiheiden gleich den Philopteriden im Stande sind, sich mittels ihrer Oberlippe an glatten Gegenständen festzuhalten, möchte ich bezweifeln. Denn erstens ist diejenige Fläche, die zum Anheften dienen könnte, nämlich die zwischen ‚den beiden Chitinleisten gelegene Oberfläche des Wulstes, zu gering im Verhältnis zum Körpergewicht, ‚und zweitens waren sämmiliche Thiere, denen ich die Tarsen mit ihren ‚Haftlappen abschnitt, außer Stande, auf dem Öbjektträger haften zu bleiben. Die Gattung Physostomum konnte ich lebend nicht beobach- ten; die Oberlippe dieser Thiere ist seitlich hornartig verlängert und rinnenartig ausgehöhlt; diesen Hörnern wird von Nirzsch die Funktion von Saugnäpfen zugeschrieben. ‚Die Oberlippe der Philopteriden sitzt mit ihrer breiten Basis schei- "benförmig auf der Unterseite des Kopfes auf. Sie wird durch einige dem Vorderrande parallele Furcben mehrfach getheilt; die Mundöffnung wird 536 Franz Große, nach vorn begrenzt durch eine ziemlich hohe und stark chitinisirte Platte, deren Rand mit Härchen besetzt und manchmal median einge- kerbt ist (Fig. 3, 4 und 14 «); dann folgt eine breite Rinne, welche nach vorn durch eine dünnhäutige hohe Falte begrenzt wird (#). Eine tiefe und engere Einsenkung trennt die letztere von dem vordersten Theil der Oberlippe, der einen breiten mit scharfem Rande gekrönten Wulst oder Lappen darstellt. Der letztere ist bei manchen Arten seitlich stärker entwickelt als in der Mitte, so dass er zweilappig erscheint. Die Oberlippe ist im Ganzen nur schwach chitinisirt und beim lebenden Thier in steter Bewegung. Bringt man einen noch lebenskräftigen Philopteriden auf den Objekitträger und wendet den letzteren um, so bemerkt man, dass das Thier ruhig haften bleibt. Beobachtet man das- selbe unter dem Mikroskop, so zeigt sich, dass die Oberlippe mit ihren \ülsten und mit ihren Seitenrändern am Glase anliegt, während die rinnenförmigen Einsenkungen derselben vom Glase abgehoben und tief eingezogen sind; so erzeugen die letzteren einen luftverdünnten Raum. Die Oberlippe dient außer zum Anheften, auch zum Festhalten der ab- zubeißenden Haar- und Federtheilchen. Mandibeln, Als Typus der Mandibeln der Liotheiden betrachten wir diejenigen von Tetrophthalmus chil. (Fig. 8a und 5b). Dieselben sind mit zwei starken und sehr langen, spitzen Zähnen versehen, weichen aber etwas in ihrem Bau von einander ab, wie wir dies vielfach bei den Insekten, z. B. den Orthopteren antreffen. So trägt der untere Zahn des linken Oberkiefers eine Hervorragung mit gebogener Spitze und gewulsteter Oberfläche. Der obere Zahn besitzt zwei Spitzen. Der rechte Ober- kiefer ist mit zwei starken einspitzigen Zähnen versehen, von denen der obere eine stumpfe Erhebung nahe seiner Basis trägt, die beim Schließen der Kiefer zwischen den beiden Spitzen des oberen Zahnes des linken Oberkiefers eingreift; diese Vorrichtung scheint besonders zum Ab- beißen der von der Oberlippe und den Unterkiefern festgehaltenen Federtheilchen zu dienen. Denn nur hier fand ich bei einigen Exem- plaren eingeklemmte Federn. Die großen spitzen Zähne scheinen sehr | geeignet zum Ablösen von Hautschüppchen zu sein. Die Mandibeln der Philopteriden sind gestreckter gebaut. Ihre Form ist eine ausgesprochen dreieckige. Sie haben gleichfalls zwei 7 Zähne. Doch sind dieselben kurz, dick und wenig spitz. Besonders ist dies bei den Mandibeln der Vertreter der Gattung Docophorus der Fall. | Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 537 Maxillen. Zwischen den Mandibeln und der Unterlippe, nur wenig bemerkbar, liegen die Maxillen. Ihre Gestalt ist eine kegelförmige. Besonders bei jungen und frischgehäuteten Thieren kann man an ihnen einen Basal- theil und einen oberen oder Ladentheil unterscheiden ; schon MELNIKOW beobachtete diese Differenzirung bei einigen Philopteriden. Bei unvor- sichtiger Präparation trennen sich Basal- und Ladentheil sehr leicht von einander. Die Innenseite des Ladentheils ist mit nach unten gerichteten Häkchen besetzt, welche ich nur bei der Philopteridengattung Docophorus vermisste. Der ganze Habitus der Maxillen lässt vermuthen, dass sie beim Zerkleinern der Nahrung sich passiv verhalten, nur das Festhalten während des Zerkleinerns, und später das Befördern der Nahrung in die Mundhöhle besorgen. Die Maxillen der Liotheiden unterscheiden sich im Bau von denjenigen der Philopteriden wenig. Sie sind etwas stärker angelegt, der Hakenbesatz an der inneren Fläche des Ladentheils ist dichter. Bei der Gattung Laemobothrium besonders fallen die starken, sehr gekrümmten Haken auf. Obgleich eine große Anzahl von Liotheiden, z.B. Vertreter der Gat- tungen: Menopon, CGolpocephalum, Laemobothrium und Trinotum von mir auf ihre Mundwerkzeuge untersucht wurde, ist es mir trotz aller Sorgfalt nie geglückt, die Maxillen im Zusammenhang mit den bei den Liotheiden nach Nırzscu vorkommenden Tastern zu isoliren. Auch das Kochen der Mundtheile mit Kalilauge, das bekanntlich beim Präpariren der Mund- werkzeuge der Pediculinen und Acarinen gute Resultate liefert, führte nicht zum Ziel. Dieses sowohl, als die ganze Lage und der Bau der Maxillen erregten in mir den Verdacht, dass die Taster gar nicht zu den- selben gehören möchten. Auch konnte ich nirgends eine Abbildung von Maxillen mit ihren Tastern finden, ausgenommen in den Insecta Epizoa; hier bildet sie Nırzsca von Trinotum conspurcatum ab; ein solcher Unterkiefer kann aber schwerlich existiren ; in dieser Abbildung sitzt nämlich der viergliederige Taster dem Ladentheile beinahe an seinem vorderen Rande auf. Nach vielen Bemühungen gelang es mir endlich, von Tetrophthalmus chilensis Präparate zu erhalten, aus denen deutlich der Zusammenhang der Taster nicht mit den Unterkiefern, son- dern mit der Unterlippe erhellt. Ein gleiches Resultat erhielt ich bei . Menopon pallidum, Colpocephalum zebra, einem Laemobothrium von Gypogeranus serpentarius und einem noch unbekannten Trinotum von Cypselus apus. Die Schwierigkeit der Präparation liegt einerseits in der ‘großen Härte des Kopfinteguments und andererseits in der Zartheit der Taster und der Unterlippe. Diese Zartheit macht ein Resultat durch 538 ; Franz Große, bloßes Beobachten unter dem Mikroskop, sei das Thier lebend oder ein- gebeitet, zur reinen Unmöglichkeit. Denn die dunkelbraune Färbung der darunter und dicht daneben liegenden Chitingebilde verwischt die Grenzen vollständig. Wie weit man durch bloßes Beobachten ohne Prä- paration kommt, zeigen Rupow’s Arbeiten, der an den ersten Unterkiefer- paaren sowohl bei Liotheiden, als auch bei Philopteriden mehrgliederige Taster sieht, die mit Haaren »verziert« sind. Auf p. 388 der Zeitschrift für 'gesammte Naturwissenschaften, Jahrgang i869, erwähnt er bei der Beschreibung der Mundtheile der Liotheiden Folgendes: »Maxillen schwach, manchmal verschwindend, mit fünfgliederigen, verschieden gestalteten Tastern, faden- oder keulen- iörmig.« Man möchte beinahe versucht sein, zu glauben, Rupow habe die, bei den Liotheiden übrigens viergliederigen Antennen mit den Unter- lippentastern verwechselt. Unterlippe. Die Mundöffnung wird von unten her durch das zweite zu einer Platte verschmolzene Unterkieferpaar begrenzt. Dasselbe besteht bei Tetrophthalmus chilensis sowohl wie bei allen übrigen Liotheiden aus zwei Theilen, die einander durch eine quere Falte eingelenkt sind (Fig. 6). Der erste basale Theil oder das Kinn (Mentum) entspricht morphologisch den verwachsenen Siipites und Squamae und trägt die viergliederigen Palpi labiales. Bei Tetrophthalmus sitzt auf jeder Seite des Mentums eine Gruppe von drei ziemlich großen Borsten. Das Grundglied des viergliederigen Tasters wird von einem seitlichen Ausläufer des Mentum theilweise umfasst und trägt ein Haar. Die beiden nächsten Glieder unierscheiden sich nur wenig vom ersten und tragen je zwei Haare, während das letzte bedeutend länger, schlanker und an der Spitze mit einer Gruppe von Tasthaaren versehen ist. Dem Mentum ist, wie schon oben erwähnt wurde, ein oberer Theil durch eine Falte eingelenkt, die Zunge oder Glossa; dieselbe entspricht den inneren Laden; seitlich sitzen auf der Zunge die Nebenzungen oder Paraglossen auf, entsprechend den äußeren Laden. Die Paraglossen haben die Form eines kleinen Zapfens und an der Spitze eine Gruppe feiner Haare. Der seitliche Theil der Glossa, welcher die Paraglossen trägt, ist durch eine Chitinleiste abge- grenzt, so dass man versucht‘ist anzunehmen, derselbe sei ein mit der Glossa verwachsener Theil der Nebenzunge. Bei anderen Liotheiden - sitzen die Paraglossen in gleicher Weise der Glossa auf, aber die Chitin- leisten fehlen. Die Zunge ist bei allen Liotheiden auf ihrer Außenfläche ziemlich stark beborstet. Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 539 Rupow erwähnt die Unterlippe bei Beschreibung der Mundtheile der Liotheiden in folgender Weise: »Unterlippe gezackt, Taster vier- gliederig, faden- oder keulenförmig und zwar so, dass manchmal ein- zelne Glieder scheinbar mit einander verwachsen.« Diese Beschreibung passt aber durchaus nicht ‚auf die Unterlippentaster, sondern auf die Antennen, bei denen in der That bei vielen Liotheiden das letzte Glied, sleichsam wie die Eichel in der Cupula, in dem vorhergehenden sitzt. Nach Rupow haben also die Unterkiefer fünfgliederige, die Unterlippe viergliederige Taster. Meınıkow behauptet, gestützt auf seine embryologischen Untersu- chungen, welche übrigens in Bezug auf ihre Richtigkeit von verschie- denen Seiten angezweifelt werden, Folgendes: »Das zweite Maxillen- paar: der Mallophagen fließt, wie bei allen übrigen Insekten, zu einer Unterlippe zusammen. Diese stellt sich als eine fast eben so breite wie lange Platte dar, die auf ihrem oberen Rande zwei Anhänge trägt und alsprovisorisches Gebilde, welches mit der Häutungab- fällt, bemerkenswerth ist.« Diese Häutung, bei welcher nach Mezrnı- kow die Unterlippe abgeworfen wird, kann doch nur ein embryologischer Vorgang sein. Da aber bei keinem Mallophagen jemals der Mangel einer Unterlippe nachgewiesen werden kann, so ist denn auch der Beweis vorhanden, dass Meınıkow das besonders bei jungen und frisch gehäu- teten Thieren sehr zarte und dünnhäutige Organ übersehen hat. Zum Schluss seiner Arbeit bespricht er die systematische Stellung der Mallophagen. Es ‚heißt dort: »Da man bis jetzt nur die beißenden Mundwerkzeuge der Mallophagen kannte, so war die Ansicht, sie als Orthopteren in Anspruch zu nehmen, vollständig begründet. Unter den Orthopteren verstehen wir ja Insekten mit unvollständiger Verwand- lung und beißenden Mundtheilen. Nachdem aber die Existenz eines Rüssels! bei den Mallophagen konstatirt ist, liegt es auf der Hand, dass sie als Rhynchoten oder Wanzen anzusehen sind.« Einige Zeilen weiter unten fährt er fort: » Wir sind dadurch (nämlich durch seine embryo- logischen Studien) zu der Überzeugung gelangt, dass bei den Läusen so gut wie bei den Mallophagen im ausgebildeten Zustande keine Unter- lippe existirt, Mandibeln und Unterkiefer aber vorhanden sind.« Nun ist aber durch die Untersuchungen Graser’s an Phthirius inguinalis erwiesen, dass bei den Pediculinen sehr wohl eine Unterlippe vorhanden ist. Aus dieser Unterlippe kann ein Saugrohr, möglicherweise hervorgegangen durch Verschmelzung von Mandibeln und Maxillen, hervorgestülpt wer- 1 So bezeichnet er ein allerdings etwas schwer zu erklärendes Chitingebilde im Schlunde von Trichodectes und giebteine unklare und unvollständige Zeichnung des-. selben. Das gleiche Gebilde werde ich für Goniodes ausführlich beschreiben (p. 544). 540 Franz Große, den. Da nun aber bei den Mallophagen erwiesenermaßen alle drei Paare von Mundwerkzeugen und ein Gebilde, welches von sämmtlichen Auto- ren als Saug- oder Pumpapparat bezeichnet wird, vorhanden sind, so kann das letztere nur als eine chitinöse Bildung der Schlundintima an- gesehen werden, was auch eine genaue Untersuchung ergiebt. MELNI- kow vergleicht also, nachdem er die Mallophagenunterlippe übersehen, ein Gebilde der Schlundintima mit der zu einem wirklichen Rüssel ver- wachsenen Unterlippe der Pediculinen. Die Unterlippe sämmtlicher Philopteriden ist tasterlos (Fig. 40). Ihre Form ist im Allgemeinen die eines Dreiecks mit abgerundeten Ecken. Bei den Vertretern der Gattung Lipeurus ist sie äußerst klein und bei frisch gehäuteten Exemplaren kaum zu bemerken. Das Mentum steht der Zunge an Größe nach. Die letztere ist bisweilen vorn ausgerandet wie bei den Gattungen Docophorus und Lipeurus. Die Paraglossen zeigen wie bei den Liotheiden die Gestalt von Tastorganen, deren Länge bei den Vertretern der Gattung Goniodes bemerkenswerth ist. Diese Tast- organe zeigen eine starke Behaarung. Bei allen Liotheiden bildet die untere Intima der Mundhöhle nach vorn eine faltenförmige Duplikatur, ähnlich wie bei den Philopteriden {Fig. 3 hy). Dieselbe ragt bei den Gattungen Laemobothrium und Tetroph- thalmus über die Unterlippe hervor und ihre Seitenränder sind stark nach oben aufgebogen (Fig. 2 und 6 hy). Ich bezeichne diese Falte als Hypopharynx. Um sich über den Bau des Mallophagenorganismus klar zu werden, ist es unumgänglich nöthig, Schnittserien anzuferligen. Für die Er- kenntnis der Mundwerkzeuge und des Schlundskeletts sind Frontal- und Sagitialschnitte von großem Vortheil. Möglichst frisch gehäutete Exem- plare wurden angeschnitten und in Chromsäure oder Pikrinsch wefelsäure auf bekannte Weise gehärtet. Aus absolutem Alkohol kamen sie in Chloroform und nach zweistündigem Verweilenin ein Paraffinbad. Um sie völlig mit Paraffin zu imbibiren, wurden sie in geschmolzenem Paraffin unter die Luftipumpe gebracht. Die Schnitte wurden mit Hilfe der Eiweiß- methode oder Nelkenöl-Kollodiummethode auf dem Objektträger be- festigt, mit alkoholischer Karminsolution gefärbt, mit angesäueriem Alkohol behandelt, um die Kerne deutlicher zu machen und dann in der üblichen Weise in Kanadahalsam eingeschlossen. Thorax. Wie bei den drei Gattungen von Liotheiden, Trinotum, Colpocepha- lum und Menopon, sind auch bei Tetrophthalmus die drei Thorakalseg- mente vorhanden. Am deutlichsten sind sie bei jungen hell gefärbten Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 541 Exemplaren zu sehen; da bei den älteren das Durchschimmern der dunkel gefärbten Hüften und Gelenkpfannen die Grenzen der einzelnen Segmente undeutlich macht. Der Prothorax von Tetrophthalmus zeigt oben eine runde Wölbung und ist seitlich nach vorn unten in eine Spitze ausgezogen wie Fig. I zeigt. Auf diesen Spitzen stehen dornenförmige Borsten. An der Innenseite der dorsalen Prothorakalplatte zieht sich, von außen deutlich sichtbar, eine quere Chitinleiste wie bei Menopon hin, der starken Muskulatur zum Ansatz dienend. Die Bauart des Pro- thorax ist eine außerordentlich feste; seine Ränder zeigen eine dunkel- braune Färbung. Die ventrale Platte hat eine rundliche Form. Was den Mesothorax betrifft, so tritt derselbe an Ausdehnung sehr vor den beiden anderen Brustsegmenten zurück. Er bildet einen schmalen, vorn sich etwas verjüngenden Ring, der dem Pro- und Metathorax sich eng anschließt. Der Metathorax hat eine trapezoidale Form und ist bedeutend breiter und kürzer als der Prothorax. Die Metathorakalränder sind stark chitinisirt und zeigen eine dunkelbraune Färbung. Auf der ventralen Fläche der Thorakalsegmente befindet sich im Chitin je ein brauner Fleck, der beim ersten Segment am kleinsten und hellsten, beim letzten am größten und dunkelsten ist. Sämmtliche drei Flecke sind mit Borsten ‘ besetzt. Von den gewöhnlichen Thorakalanhängen sind bei den Mallophagen nur die drei Paar Beine vorhanden. Flügel oder deren Rudimente kommen ' bei den bis jetzt bekannten Gattungen nicht vor. Das vorderste von den drei Beinpaaren ist das kleinste. Es dient ‚ dem Thiere während des Fressens nicht zum Anklammern, sondern, wie ich an lebenden Exemplaren von Menopon pallidum Gelegenheit fand zu beobachten, zum Heranziehen von Federtheilchen in den Bereich der Mundwerkzeuge. Die Bauart der Beine des Männchens ist bei Teiroph- thalmus chilensis im Vergleich zu der des Weibchens eine theilweis kräf- tigere und der Begattung angepasst. Die Gelenkpfannen sind weniger, die Hüften beider Geschlechter dagegen stark ausgebildet, am Rande braun gefärbt und spärlich beborstet. Der Trochanter ist nicht ver- wachsen und hat ungefähr die Gestalt eines Siegelringes. Der Femur ‚ ıst kräftig gebaut, seitlich zusammengedrückt und besonders am kon- ‚, vexen Rande mit Borsten versehen (Fig. 16). Die Tibia besitzt ungefähr ‚ die Gestalt einer Rasirmesserklinge, ist am unteren Ende mit Borsten | ni nn mn ‚ und Dornen versehen. Die Tibien an allen drei Beinpaaren des Männ- chens weichen in ihrem Bau in der Art von denen des Weibchens ab, dass ihr unteres Ende hinten in einen Kolben sich auszieht, der mit scharfen Hervorragungen besetzt ist und dadurch die Gestalt eines Morgensterns erhält. Der Tarsus besteht nur aus zwei Gliedern. Das 542 ; | Franz Große, erste desselben ist klein und trägt einen mit Längsfalten versehenen dünnhäutigen Haftlappen,, während bei anderen Liotheiden deren zwei vorkommen. Das zweite Tarsalglied ist von besonderer Länge und mit zwei stark gebogenen Klauen bewehrt. Zwischen letzteren, welche ein- geschlagen werden können, befindet sich ein sehr zartes Läppchen, das wohl kaum als Haftorgan angesehen werden dürfte. Nirzsc# bildet das- selbe bei einem Menopon ab. Die Haftlappen am Tarsus, die dornenförmigen Borsten am Ende der Tibia, besonders aber die morgensternförmigen Gebilde ebenda- selbst befähigen das Männchen, sehr fest sich bei der Begattung auf dem Weibchen anzuklammern, was sehr nöthig ist, da bei den Lio- theiden das Weibchen während des Coitus sehr häufig in den Federn des Wirthes herumklettert und ihr Begleiter, ohne diese Mittel, abge- streift würde. Die morgensternförmigen Gebilde werden dabei dem Weibchen gleich Sporen fest in die seitlichen Gelenkhäute eingedrückt. Noch zu bemerken ist, dass bei beiden Geschlechtern auf der Unterseite des Femurs des letzten Beinpaares vier Reihen allmählich kleiner wer- dender und dem Fußende zu gerichteter Borsten sich befinden, denen eine in zwei Reihen gestellte ähnliche Borstengruppe auf der ventralen Seite des dritten und vierten Abdominalsegmentes zu entsprechen scheint. Abdomen. Das Abdomen von Tetrophthalmus hat eine lanzettlich eiförmige Gestalt und zeigt wie bei sehr vielen Mallophagen Verschiedenheiten nach dem Geschlecht. Das Weibchen besitzt zehn Segmente, von denen das letzte weichhäutig und abgerundet erscheint. Das Abdomen des Männchens dagegen zeigt äußerlich nur neun Segmente, da das letzte eingestülpt ist und eine Art Führung für den bei Tetrophthalmus sehr ausgebildeten Penis abgiebt. Der Hinterleib des Männchens ist spitzer, das Endsegment stärker chitinisirt und kegelförmig. Der Hinterrand des letzten Segmentes vom Weibchen zeigt eine kontinuirliche, mäßig lange Beborstung, das Endsegment des Männchens dagegen nur seitlich je eine Gruppe langer Borsten. Die Färbung, welche beim Männchen eine viel dunklere als beim Weibchen ist, besteht in einer dunkel- braunen Querbinde auf jedem Segment und hört in der Nähe der Stig- mata auf. Außerdem ist jedes Thorakal- wie Abdominalsegment ventral und dorsal mit einer queren Borstenreihe versehen (Fig. 1). Darmtractus. Der Erste, welcher den äußeren Bau des Mallophagendarmes er- | kannte und Abbildungen: davon gab, war Nırzscn. Der Darm zeigt | « Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 543 bezüglich der Lage des Kropfes zwei Grundtypen. Bei den Philopteriden bildet letzterer eine seitliche Aussackung des Ösophagus ‚ bei den Liotheiden eine keulenförmige symmetrisch gelegene Anschwellung des- selben. In histologischer Beziehung wurde der Mallophagendarm einzig und allein von Kramer (Nr. 4 d. L.-V.) untersucht, dem als Objekt Lipeurus jejunus von Anser domesticus diente. In folgenden Zeilen sind seine Resultate in Kurzem wiedergegeben. Nach ihm zerfällt der Darm von Lipeurus in eine Mundhöhle, einen Ösophagus, einen Kropf, einen Chylus- magen und einen Enddarm. Der Ösophagus erstreckt sich von der trichter- förmigen Mundöffnung aus durch den Thorax hindurch bis in das Abdo- men. Der inneren chitinösen homogenen Membran des Ösophagus liegen die muskulösen Elemente auf. Am Kropf erkennt Kraner deutlich die Intima mit ihren stacheligen Gebilden. Die sich über die Intima von Kropf und Ösophagus ausbreitende Muskelschicht besteht aus großen kern- haltigen Zellen. Am Kropf laufen diese stumpf rhombischen Zellen flach spiralig herum. Mit Goldchlorid behandelt, erhalten diese Zellen eine täuschende Ähnlichkeit mit quergestreiften Muskelfasern. Der Kropf ent- hält eine mit Goldchlorid sich roth färbende Flüssigkeit, die nach Kramer möglicherweise von den Belagzellen abgesondert worden ist. Der Chylus- magen reicht vom Kropf bis zur Einmündung der Marpicur' schen Gefäße. Die Struktur dieses Darmabschnittes ist nach Kramer gegen das Ende hin eine undeutliche. Als äußerste Schicht bemerkt er ein System kleiner, nach außen gewölbter Zellen mit deutlichem Kern, darunter eine nur schwer in Zellen aufzulösende Schicht, der er die Fähigkeit zu- schreibt, Magensäfte zuzubereiten, und darunter die sehr zart gewordene Intima. Die lebhaften Bewegungen des Enddarmes werden nur durch » auf Zellenform reducirte Muskelelemente« bedingt. Die untere Zellen- lage ist nach Kramer am Darm ungleich dünner als am Chylusmagen. Mit Ausnahme der Rectaldrüsen ist der Enddarm völlig frei von Tracheen. Wir sehen, dass auch Kraner bei seinen Untersuchungen am Darmtrac- tus jede Bemerkung über den sogenannten Saugrüssel MEnıkow’s (Nr. 5 G. L.-V.), Pump- oder Saugapparat anderer Autoren, völlig vermeidet. Ein Übersehen desselben ist wohl nicht anzunehmen. Bei meinen Untersuchungen sowohl lebender als wie in Alkohol . konservirter Vertreter der Gattungen Goniodes, Goniocotes, Lipeurus, Nirmus, Docophorus, Trichodectes und Menopon, Trinotum, Laemobo- thriam, Tetrophthalmus kam ich zu wesentlich anderen Resultaten als KRAMER. Bei Tetrophthalmus und Trinotum liegt die ovale Mundöffnung aur der Unterseite nach vorn gerichtet im ersten Drittel des Kopfes und wird Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 35 544 2 Franz Große, in der Ruhe beinahe vollständig von der Unterlippe bedeckt. Klappt man | letztere zurück, so bemerkt man den oben schon (p. 540) erwähnten Hypopharynx. Zur Orientirung über seine Form und Lage kann der für Goniodes gültige Medianschnitt (Fig. 3) dienen. Bei einigen Species von Liotheiden ist sein vorderer Rand wie zerschlissen oder mit feinen zarten Fäden besetzt. Bei Tetrophthalmus findet man in der Mundhöhle hinter dem Hypopharynx eine durch Verdickung der Intima entstandene Chitin- spange. Sie besteht aus einem rinnenförmig ausgehöhlten Mittelstück und läuft nach vorn und nach hinten gabelförmig in zwei divergirende Leisten aus. An den hinteren, den längeren Gabelästen, setzen sich Muskeln an, die nach dem Oceipitalrande gehen. Dass diese Chitin- spange auch nur im eniferntesten als Saugvorrichtung fungiren könnte, will mir nicht einleuchten. Dagegen dient sie offenbar der Mund- höhlenintima zur Stütze. In ihrem rinnenförmigen Theile gleiten die abgebissenen Federtheilchen entlang, erfasst von den rückwärts ge- richteten Stacheln und Zähnchen des dorsalen Theiles der Intima. Hier- durch wird ein Querstellen der Federtheilchen im Ösophagus vermieden. Durch die Erhöhungen und Zähnchen sieht die obere Intima oft wie die Oberfläche einer Feile aus. Eine eigenthümliche Form hat der Hypopharynx und das Schlund- skelett bei dem größten Theil der übrigen Mallophagen und zeigt sein Bau durchgängig dasselbe Princip. Als Hauptobjekt der Untersuchung diente mir Goniodes dissimilis. Hier ist die untere Fläche des Hypopha- rynx jederseits vorgewölbt; indem sich das Chitin an diesen Siellen ver- dickt, entstehen zwei schalenförmige Gebilde. Das Schlundskelett setzt sich zusammen aus zwei über einander liegenden Theilen, einem dorsalen und einem ventralen. Das letztere besteht aus einem sehr dickwandigen, dunkelbraunen Gebilde von der Form eines halben Mohnkopfes, welches oben eine tiefe nach hinten verschlossene Rinne besitzt. Sein nach hin- ten gehender stielförmiger Fortsatz dient zum Ansatz von Muskeln, die nach dem Occipitalrande hingehen. Bei einigen Gattungen verschwindet dieser Stiel vollständig oder bis auf eine geringe Andeutung. Die Rinne £ dieses Gebildes setzt sich bei einigen Gattungen, z. B. Golpocephalum, nach vorn auf die eigentliche Intima fort. Der dorsale Theil des Schlund- skelettes ist gleichfalls durch Verdickung der Intima entstanden und bildet eine mediane vorn nach unten sich krümmende Chitinleiste, welche genau über der oben genannten dickwandigen Rinne liegt und ungefähr eine gleiche Länge besitzt; am vorderen Ende setzt sich ein Muskelbündel an, das sich nach kurzem Verlauf gabelt und am vorderen Kopfrand inserirt. Die, die beiden Schlundskeletttheile seitlich ver- bindende Intima ist wie bei Tetrophthalmus und Trinotium mit stacheligen, | | | \ | Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 545 rück wäris gerichteten Gebilden besetzt. In jedem der beiden obenge- nannten schalenförmigen Gebilden des Hypopharynx läuft eine feine ring- förmig gestreifte Chitinröhre nach vorn. Diese beiden Röhren biegen sich nach hinten um und vereinigen sich zu einer einzigen, die unten in den ventralen Theil des Schlundskelettes einmündet. Über die Bedeu- tung der Röhren kann ich nur die Vermuthung aussprechen, dass sie die Endigung der Ausführungsgänge von Speichelgefäßen sind. Da es mir nie glückte die Bewegungen des Schlundskelettes am lebenden Thiere zu beobachten oder wenigstens Federtheilchen in dem- selben zu finden, kann ich über seine Funktionen keine bestimmten An- gaben machen. Ich schließe aus seinem Bau, dass derselbe nicht zum Saugen, sondern zur Ergreifung und zur Führung der aufgenommenen Federtheilchen dient. Die Mundhöhle zeigt in histologischer Beziehung dieselben Verhält- nisse, wie das Integument überhaupt. Unter der dünnen Intima liegt die Hypodermis, bestehend aus cylinderförmigen Zellen mit deutlichem Kern und Kernkörperchen. Bei frisch gehäuteten Thieren sind diese Hypodermiszellen beinahe doppelt so hoch als unter gewöhnlichen Ver- hältnissen. An die Mundhöhle schließt sich der Ösophagus oder Schlund und zieht bis in das Abdomen hinein. Im letzten Drittitheil des Kopfes treten an ihn von der Seite her Muskelbündel heran, die der Form nach den Flügelmuskeln des Insektenherzens gleichen und zum Dilatiren dienen. Die zarte Intiima des Ösophagus ist ausgeschieden von einer feinen homogenen Membran, in der man bei Zupfpräparaten deutliche un- regelmäßig eingestreute Kerne wahrnimmt. Darauf folgen zwei Lagen: die Längs- und die Ringmuskulatur. Häufig findet man zwischen der Intima und dem chitinogenen Epithel eine zweite Lamelle. In diesem Falle steht das Thier vor einer Häutung und es ist bereits eine neue Intima unter der alten ausgeschieden, wie mit Kalilauge leicht nachgewiesen werden kann. Derjenige Abschnitt des Ösophagus, in dem die mit Speichel ge- mischte Nahrung theilweise aufgelöst wird, ist der Kropf. Er zeigt sich bei geringem Speiseinhalt längsgefaltet und dickwandig. Bei starker Füllung dagegen hat er die Form eines im Längsschnitt ovalen Sackes mit sehr dünner durchsichtiger Wandung. Im Lumen des Kropfes, beim Übergang in den Chylusmagen, findet man bei den Gattungen Menopon, Trinotum und Tetrophthalmus — kreisförmig angeordnet — eine Gruppe von langen, platten, dicht gestellten, rückwärts gekrümmten Zähnen. Durch diesen Apparat wird bei einer Kontraktion der Eingang in den Ghylusmagen gesperrt und so ein Entweichen der Federtheilchen aus dem Kropf in den Magen verhindert, che dieselben gehörig erweicht und 36* 546 Franz Große, gelöst sind, und auch ein Rücktritt von Mageninhalt in den Kropf un- möglich gemacht. Bei der Gattung Laemobothrium finden wir eine Sperr- einrichtung von der Form mehrerer Klappen, deren Rand in das Lumen des Kropfes hinein fingerförmige Fortsätze aussendet. Am Kropf der Mallophagen unterscheiden wir folgende Schichten : Die Intima trägt sehr häufig rückwärts gerichtete‘ Anhänge von Zähnchen- oder Stachelform, die verschiedene Gruppirungen zeigen können. Darauf folgt eine feine chitinogene Schicht mit zerstreuten Kernen, darüber findet man eine Lage großer bläschenförmiger Zellen mit deutlichem Kern und Kernkörperchen; ich vermuthe, dass dieselben Drüsenzellen sind, vermochte aber Ausführungsgänge nicht nachzu- weisen. Dieser letzten Schicht liegt noch ein weitmaschiges Netzwerk von Längs- und Ringmuskulatur auf, dessen Bänder aus je fünf bis sechs quergestreiften Muskelfasern bestehen. Als nächster Abschnitt folgt der Ghylusmagen. Er reicht bis zum Eintritt der Marrıicnrschen Gefäße und erscheint an seinem vorderen Ende herzförmig ausgeschnitten durch das Vorhandensein zweier Blind- säcke, die seitlich den Eintritt des Ösophagus überragen. Gegen das Ende zu nimmt der Chylusmagen nach und nach an Dicke ab. Während bei geringem Speiseinhalt die Blindsäcke die halbe Länge des ganzen Magens erreichen können, verschwinden sie bei großem Inhalt und gutem Ernährungszustande beinahe vollständig. Was die Struktur des Chylusmagens betrifft, so möchte ich zunächst die Behauptung Kranuer’s widerlegen, dass eine chitinöse Intima existire. Bei Behandlung mit Kalilauge nämlich bleibt die Intima des Ösophagus und Enddarmes vollständig erhalten, während der Chylusmagen gänz- lich verschwindet und auch nicht die feinste Membran zurückbleibt. Dies kann man durch nachträgliches Färben mit Pikrinsäure oder alko- holischer Kochenillelösung nachweisen, welche letztere bekanntlich mit Kalilauge behandeltes Chitin sehr stark färbt. Wohl aber löst sich nach Behandlung mit Alkohol als innerste Lage eine feine homogene Schicht ab, die sich mit Hämatoxylin und Karmin färbt. Es scheint dies eine durch die Behandlung mit Alkohol gehärtete Schicht von Schleim zu sein. Über dieser Schleimschicht liegt das Darmepithel, bestehend aus dicht gedrängten cylinderförmigen Zellen mit großem ovalen Kern und Kernkörperchen. Die dritte Schicht besteht aus ziemlich gleich großen bläschenförmigen Zellen, die am lebenden Thier bei schlechtem Er- nährungszustande einen deutlichen Kern und Kernkörperchen wahr- nehmen lassen. Bei gutem Ernährungszustande enthalten sie nämlich eine Menge von Fetttröpfchen, welche nach längerem Hungern vollständig verschwinden. Die Muscularis besteht aus einem Netzwerk. äußerst Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 547 feiner Ring- und Längsmuskeln; letztere liegen über den ersteren. Die letzte äußerste, den ganzen Magen einhüllende Schicht ist eine feine Membran, welche sich durch die in ihr enthaltenen Kerne kennzeichnet, die letzteren sind besonders am Rande des Magens zu beobachten und werden sehr schön am frischen Thier mit Fuchsinlösung demonstrirt. Dem Chylusmagen folgt, als letzter Abschnitt des Tractus, der ge- bogene Enddarm, der ungefähr in seiner Mitte eine kugelige, mit sechs Längsfurchen versehene Anschwellung, die Rectaldrüsen, zeigt, bei der die — im Vergleich zum übrigen Darmtractus — starke Verzweigung von Tracheen bemerkenswerth ist. Die Anschwellung wird, wie der Quer- schnitt zeigt, dadurch hervorgebracht, dass das Epithel zu sechs Längs- wülsten erhoben ist. Die Wandung des Enddarmes besteht aus einer homogenen chiti- nösen Intima, einer darauf liegenden Chitinogenschicht, aus hellen durch- sichtigen Zellen mit Kernen bestehend und einer stellenweise sehr starken Muscularis, die das Verhalten und Aussehen derjenigen des übrigen Tractus hat. Die äußerste (oben erwähnte) Membran des Chylusmagen setzt sich auch über den Enddarm fort. Die Ernährungsweise der Mallophagen ist bis jetzt noch immer ein Streitpunkt. DE GEER war der Erste, welcher behauptet, im Magen der Federlinge Blut gefunden zu haben. Nirzsc#, der sich sein ganzes Leben hindurch mit der Untersuchung und Beobachtung derselben beschäftigte, stellte zuerst fest, dass die Mallophagen sich von Epidermoidalgebilden der Vögel und Säugethiere ernähren, giebt aber zu, dass manchmal Blut aufgenommen wird, wenn auch in höchst seltenen Fällen. Obgleich zahlreiche Thiere der Gattungen Goniodes, Goniocotes, Lipeurus, Tricho- dectes, Nirmus, Trinotum, Laemobothrium, Colpocephalum und Menopon von mir untersucht wurden, fand ich nur in sehr wenigen Fällen Blut. Ich bestreite entschieden, dass von den Federlingen Blut gesaugt wird. In einem Falle entdeckte ich Blut im Kropfe von Menopon pallidum. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass das Huhn außer- ordentlich stark mit dem Parasiten behaftet war und mit blutigem Grind in der Gegend unter den Flügeln, an dem Hals und an den Beinen ganz bedeckt war. Dieser Grind bestand oberflächlich nur aus geronnenem Blut, Hautschüppchen und Federtheilchen. Es ist höchst wahrschein- lich, dass das im Kropfe vorgefundene Blut durch Verzehren dieses Grindes in denselben hineingekommen. Auf einen gleichen oder doch ähnlichen Fall dürfte wohl die Bemerkung von LevuerAarr über das Blut- saugen der Federlinge zurückzuführen sein. Er giebt nämlich an, dass durch den Blutverlust, hervorgebracht von Trichodectes canis, ein Hund stark geschwächt worden sei. Hier ist jedenfalls Haematopinus piliferus 548 Franz Große, die Ursache und Trichodectes unschuldig, wenigstens am Blutverlust. Durch außergewöhnlich zahlreiches Auftreten können Federlinge ihren Wirth schädigen und gefährden. Es sind dies besonders die Liotheiden, welche durch ihr fortwährendes Herumkriechen im Gefieder die Nerven ihres Wirthes reizen und dadurch krankhafte Zustände hervorrufen können. Dies zu beobachten, hatte ich mehrere Male die Gelegenheit. In einem sehr unreinlich gehaltenen Hühnerstall waren die Bewohner desselben so mit Menopon pallidum behaftet, dass man nicht nur auf ihrem Körper selbst, sondern sogar auf ihren Nestern und Eiern eine reichliche Menge der Parasiten fand. Die Hühner rupften sich die Federn aus, bissen sich blutig, ließen die Eier im Stich, verloren die Fresslust und waren durch den konstanten Reiz der Hautnerven und den Mangel an Nahrung zuletzt so geschwächt, dass sie sich kaum noch zu bewegen vermochten; erst durch fortgesetztes Bestäuben mit verdünnter Karbol- säuresolution wurden sie von ihren Plagegeistern befreit und erholten sich nur sehr langsam. Ein ähnlicher Fall passirte mir selbst mit einem Pityopsittacus. Der Parasit war eine noch unbeschriebene Species von Menopon. Während 21/, Jahren habe ich viele Federlinge gesammelt und sorgfältig die Wirthe abgesucht, um Mallophagen mit Blut im Darmtractus zu finden. Aber in den seltenen Fällen, in denen mir dies gelang, waren jedes Mal die Wirthe durch Schusswunden oder auf andere Weise ver- letzt. Ich muss hieraus schließen, dass das Blut zufällig mit der Nahrung in den Verdauungstractus gelangte. Einen merkwürdigen Fall möchte ich hier noch erwähnen. Bei der Untersuchung des Darmtractus eines Laemobothrium fand ich unzweifel- haft von einem Exemplar derselben Species herrührende Schenkel und Tibien. Es scheint also, dass die Federlinge, gleich vielen anderen Insekten, ihre bei der Häutung abgeworfene Körperbedeckung ver- zehren. Malpighi’sche Gefäße. Die Marpicnr’schen Gefäße der Mallophagen haben eine fadenförmige Gestalt, kommen stets in der Vierzahl vor und sind nie verzweigt. Bei einigen Gattungen treten in der Mitte der Schläuche cylinderförmige Verdiekungen auf, die eine besonders dunkle Färbung zeigen. Ein Querschnitt durch die Marrienrschen Gefäße zeigt denselben Bau wie bei den übrigen Insekten. Über der homogenen Tunica propria legt eine peritoneale Hüllhaut, unter ihr die großen Drüsenzellen mit deutlichen Kernen. Eine Membran , welche die Drüsenzellen vom Lumen trennt, war nicht zu bemerken. Beim lebenden Thier ist das Lumen völlig ceylindrisch. Bei der Konservirung erhält es eine auf dem Querschnitt Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 549 dreistrahlige Form. Die Drüse ist auf ?/; der Länge vom Insertions- punkte aus gerechnet, mit, unter dem Mikroskope schwarz erscheinen- den, Körnchen gefüllt. Speichelorgane. Bei sämmtlichen Mallophagen treten 2 Paar Speichelorgane auf. Außerdem findet man noch bei einigen Philopteridengattungen eine Anzahl einzelliger Drüsen, die Kramer zuerst am Kropf von Lipeurus jejunus entdeckte und für Speicheldrüsen hielt. Ich beobachtete sie wieder bei Nirmus, Trichodectes, Lipeurus versicolor und Lip. hetero- sraphus; und zwar nicht allein am Kropf, sondern auch an verschie- denen Stellen des Körpers in Gruppen von zwei, sechs und acht Stück dem Fettkörper aufsitzend. Beim Präpariren fand ich eine dieser Zellen in der Theilung begriffen; sie war biskuitförmig und ein Kern in jeder Hälfte vorhanden (Fig. 22). Da auch ich gleich Krauer einen Ausführungs- sang bei diesen eigenthümlichen Zellen nicht zu finden vermochte, und sie am Kropf nicht allein vorkommen, so scheint ihre Speicheldrüsennatur sehr zweifelhaft zu sein. Die Speichelorgane bestehen aus Speicheldrüse und Speichelbehäl- ter. Beide zeigen eine kugelförmige, bohnen-, nieren- oder schlauch- artige Gestalt. Die Drüsen liegen fast regelmäßig dem Kropf oder Magen an und zeigen eine deutliche Zellschicht mit Kernen, welche außen und innen von einer feinen homogenen Haut bedeckt ist; diese letztere _ setzt sich kontinuirlich über das Epithel des Ausführungsganges fort. Die Speichelbehälter sind mit einer zähflüssigen Substanz gefüllt. Es gelang mir nur bei der Gattung Nirmus Kerne in der Wandung nachzu- weisen. Vor der Einmündung der Organe in den Schlund vereinigen sich jederseits eine Drüse und ein Behälter zu einem gemeinsamen Aus- führungsgang. Bei Tetrophthalmus zeigen die Behälter eine lang keulen- förmige Gestalt (Fig. 13 b). Die Drüsen sind länglich oval und besitzen auf der dem Darm zugekehrten Seite eine Furche, auf der anderen Seite eine gewölbte Oberfläche (Fig. 13«). Der Ausführungsgang setzt in der Mitte an. Eine eigenthümliche Gestalt besitzen die Speicheldrüsen von einem Laemobothrium von Gypogeranus serpentarius. Jede besteht aus 20 kleinen Schläuchen, die dem Ausführungsgange kammartig auf- sitzen. Geschlechtsorgane. Die männlichen Geschlechtsorgane der Mallophagen bestehen aus _ den stets paarig vorhandenen Hoden, deren Ausführungsgängen,, einer »accessorischen Sekretionsdrüse«, dem Ductus ejaculatorius und dem 550 : Franz Große, Penis. Sehr häufig sind noch äußere und innere Hilfsbegattungsorgane vorhanden. Die Hoden der Philopteriden sind in zwei Paaren vorhanden, zwiebel-, birnen- oder radieschenförmig und sitzen stets, die Basis ein- ander zugekehrt, dem Vas deferens auf. Bei den Liotheiden liegen die Hoden in Zwischenräumen und gleich gerichtet je drei dem Ausführungs- gang an. Bei jungen, noch nicht vollständig entwickelten Thieren von Tetrophthalmus sind sie eiförmig, bei alten Individuen haben sie eine gestreckte wurstförmige Gestalt (Fig. 45). Sie sind von einer durch- sichtigen strukturlosen Membran umhüllt, welche an der Spitze in einen manchmal zweigespaitenen Faden übergeht, mit dem die Hoden im Leibesraum aufgehängt sind. Nie konnte eine Verbindung derselben mit dem Rückengefäß wahrgenommen werden, wie Kramer es bei Lipeurus jejunus gesehen zu haben glaubt. Die Hodenhüllhaut geht an der Basis ohne Unterbrechung in die Tunica propria des Ausführungs- ganges über. Bei noch jungen Thieren sind die Hoden mit runden Zellen gefüllt, welche eine Flüssigkeit umgiebt. Im weiteren Verlaufe der Ent- wicklung treten in diesen Zellen kleinere auf, aus denen die Sper- matozoen entstehen. Letztere liegen Anfangs aufgerollt in ihrer Mutter- zelle. Sie zeigen einen Kopf nebst Schwanz, in ersterem einen großen glänzenden Kern. Nachdem die Spermatozoen die Mutterzellen ver- lassen haben, ordnen sie sich mit den Köpfen dem peripherischen, mit den Schwänzen dem centralen Theile zu gerichtet, im Hoden an. Gegen das Hodenende zu bleibt ein, der Hüllhaut aufliegender Belag von Mutter- zellen erhalten. Die Vasa deferentia sind bei Tetrophthalmus von be- trächtlicher Länge und treten im siebenten oder achten Segment unter die starke Ringmuskulatur des Begattungsorgans, aus der sie wieder nach deren Aufhören im sechsten Segment heraustreten, um nach kurzem Verlauf in die sogenannte accessorische Sekretionsdrüse zu münden (Fig. 15). Dieses Organ besitzt bei Tetrophthalmus eine lang ovale, von oben nach unten etwas komprimirte Gestalt, und geht am einen Ende in zwei Zipfel, am anderen in den Ductus ejaculatorius aus. Auf Querschnitten sieht man deutlich, dass dies Organ eigentlich aus zwei fest an einander liegenden Behältern besteht, die einen gemein- samen Ausführungsgang besitzen. Kramer untersuchte die Verhältnisse von Drüse, Ausführungsgängen der Hoden und Ductus ejaculatorius bei Lipeurus jejunus und kam zu folgendem Resultat: »Die Ausführungs- gänge treten in dieDrüse und verlaufen eine lange Strecke als integrirende Theile derselben, um dann gewissermaßen als Ausführungsgang der Drüse selbst sich in die Penistasche fortzusetzen.« Diese Ansicht Krı- mer’s kann ich nicht theilen, sondern betrachte das Organ als aus zwei blasenartigen Erweiterungen des Ductus ejaculatorius bestehend. Es Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 9951 dient als Aufspeicherungsort für Spermatozoen, als Samenblase. Im oberen Theile derselben findet man beim geschlechtsreifen Männchen An- häufungen von unregelmäßig durch einander liegenden Spermatozoen, welche bei Kontraktion des Organs durch den Ductus ejaculatorius nach außen treten. Es soll jedoch ein Sekretionsvermögen der die Wandung bildenden Zellen nicht in Abrede gestellt werden. Über die Struktur von Behälter und Ductus ejaculatorius kann ich nur mittheilen, dass die äußere Membran und die Intima des letzteren ununterbrochen in die des Samenbehälters übergehen und sich zwischen beiden Membranen eine mehrfache Zellenlage befindet, deren oberste Schicht mit den auf dem Ösophagus und Kropf vorkommenden Muskelelementen große Ähnlich- keit zu haben scheint. An den Ductus ejaculatorius und Samenbehälter treten starke Nervenäste vom letzten Ganglion des Bauchstranges. Ehe der Ductus ejaculatorius in den Begattungsapparat tritt, macht derselbe zahlreiche Windungen und nimmt stark an Umfang ab. Der Begattungsapparat von Tetrophthalmus ist ein höchst kompli- eirter. Wir haben schon gesehen, dass dem Männchen scheinbar ein Segment fehlt. Hier finden wir dasselbe wieder, und zwar vollkommen nach innen eingestülpt. Es läuft nach innen als eine feine Ghitinmem- bran bis an die Grenze des letzten und zweitletzien Segmentes, geht dann wieder rückwärts, um sich von Neuem bis in das sechste Segment röhrenartig fortzusetzen (Fig. 15). Um die Wandung des eingestülpten Segmentes ist eine außerordentlich starke, aus fünf bis sechs Lagen be- stehende Ringmuskulatur gelagert. Am oberen Ende findet man ein kräftiges Bündel von Längsmuskulatur, welches ohne Zweifel dazu be- stimmt ist, die ganze Röhre in das Innere des Körpers hineinzuziehen. Innerhalb des eingestülpten Segmentes liegt ein eigenihümliches Chitin- gebilde. Und zwar besteht dasselbe aus einer an beiden Enden offenen Röhre, die nach dem Kopf zu in einen langen, allmählich sich verjüngenden Chitinstab übergeht, der bis in das dritte Abdominalsegment reicht. In dieser ersten Röhre liegt eine zweite dünnhäutige. Sie geht nach vorn zu in eine, mit vielen Stacheln oder Borsten besetzte Geißel über. Nach hinten zu ist sie rinnenförmig vertieft und nimmt an dieser Stelle den Ductus ejaculatorius auf. Sie wird bei der Begattung vollständig aus- gestülpt. Weibliche Geschlechtsorgane. Die weiblichen Geschlechtsorgane der Mallophagen im Allgemeinen bestehen aus den paarigen Ovarien, den zwei Eileitern, dem Eiergang und ' einemOrgan, das von Nırzscn als Kittdrüse bezeichnet wird (Nr. Ad.L.-V.), nach Kramer aber ein Receptaculum seminis ist. Schon Nırzson giebt an, 552 Franz Große, dass bei den Liotheiden drei Paar, bei den Philopteriden fünf Paar Ei- röhren vorhanden sind. Von jedem Ovarium geht ein Faden aus, wie bei den Hoden. Diese Fäden vereinigen sich und dienen zur Befestigung der Ovarien in der Leibeshöhle. In den einzelnen Ovarien findet man von unten nach oben an Größe abnehmend drei bis vier Keimfächer. Die kleineren derselben zeigen unter der Hüllhaut eine Anzahl großer, mit deutlichen Kernen versehener gleichartiger Zellen. Der Inhalt der größeren Keimfächer zeigt folgende Zusammensetzung. Unter der Hüll- haut liegt ein einfaches und um die Mitte des Eies zweischichtiges Epithel, bestehend aus sehr regelmäßigen polygonalen, mit großen Kernen versehenen Zellen. Im unteren Theil des Keimfaches finden wir die Eizelle, im oberen drei bis fünf Nährzellen,, welche das Epithel von dem obersten Ende des Keimfaches verdrängen. Die Eizelle enthält einen großen wandständigen Kern mit Kernkörperchen. Da die vier mir zu Gebote stehenden Weibchen von Tetrophthalmus ausgewachsene Eier noch nicht zeigten, kann ich hierüber nichts mittheilen. Bei den übrigen Mallophagen kommen vielfach Eier mit Mikropylen vor, z.B. bei Lipeurus, Liotheum, CGolpocephalum und Nirmus. Das reife Ei einiger Mallophagen besitzt einen eingefalzten Deckel, welcher beim Auskriechen des jungen Federlings aus dem Ei entweder vollständig abspringt oder an einer Stelle mit der Eihülle verbunden bleibt und zurückklappt. Bei manchen Liotheiden ist der Deckel in eine faden- föormige Spitze ausgezogen und fällt beim Ausschlüpfen des Thieres ab. Der Eiergang von Tetrophthalmus hat eine bedeutende Länge. Er besteht aus einer homogenen Hüllmembran, einer nach der Mündung an Stärke zunehmenden Ringmuskulatur, einer darunter liegenden Zellen- schicht und einer, das Lumen aüskleidenden Intima. Ungefähr in der Mitte zeigt der Eiergang eine kolbige Anschwellung. Die beiderseits am Eiergang sich ansetzenden Receptacula seminis haben eine kolbige Form. Sie bestehen aus einer Hüllhaut mit darunter liegendem, aus flachen, polygonalen kernhaltigen Zellen zusammengesetztem Epithel. In den Receptacula seminis konnte ich bei den Liotheiden nie Spermatophoren entdecken, sondern nur unregelmäßig gelagerte Spermatozoen. Den weiblichen Genitalapparat von Liotheiden und Philopteriden hat Nrrzsch abgebildet. Athmungsorgan. Der Athmungsapparat besteht aus Stigmen und Tracheen. Von den ersteren sind bei Tetrophthalmus sieben Paar vorhanden. Das eine liegt im Prothorax, die anderen sechs im dritten bis achten Abdominalseg- ment. Mit Ausnahme derjenigen im Prothorax liegen sämmtliche Stig- Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 553 men am Rande der dorsalen Oberfläche. Sie haben eine ovale Gestalt und sind mit einem Chitinring umgeben. Im inneren Rande des Stigma sitzt ein Kranz sehr feiner, in das Lumen der Trachee hineinragender Härchen, welcher die Trachee vor Verunreinigung schützt. An jedem Stigma steht eine Borste. Der zu einem Stigma gehende Tracheenast ist kurz vor seinem Ende etwas eingeschnürt und setzt sich dann mohn- kopfförmig an das Stigma an. Die von den Stigmen ausgehenden Tra- cheen vereinigen sich mit einem an jeder Seite liegenden starken Längs- stamm. Diese beiden Längsstämme sind bei Tetrophthalmus im vierten Abdominalsegment durch einen gleich starken Querast, im Kopf und Thorax durch feinere Kanäle verbunden. Sie verjüngen sich nach vorn und hinten und treten als ein feines verzweigtes Geäst an die verschie- denen Organe. Außerdem senden noch die Längsstämme und deren Verbindungen mit den Stigmen zahlreiche quere Äste ab. Fettkörper. Der Fettkörper der Mallophagen stellt im frischen Zustande wurst- förmige, unregelmäßig verzweigte Gebilde dar, die aus einem Konglo- merat von Tröpfchen oder Körnchen zu bestehen scheinen. Bei frischen Präparaten nimmt man deutlich zwei verschiedene Arten von Tröpfchen wahr. Die einen liegen unregelmäßig zerstreut, die anderen dagegen, stärker lichtbrechend als erstere, sind zu rundlichen Klumpen vereint. Behandelt man den Fettkörper mit Alkohol und nach den gebräuchlichen Tinktionsmethoden, so verschwinden die Tröpfchen oder Körnchen und die kernhaltigen Zellen, in welche dieselben eingelagert waren, treten deutlich hervor. Außer diesem wurstförmigen vielzelligen Feitkörper kommen noch sruppenförmig gestellte Einzelzellen vor (Fig. 20 a, db, c, d). Sie haben eine biskuit-, flaschen- oder birnenförmige Gestalt und gehen allmählich in einen dünnen, ziemlich langen Stiel aus. GrABEr beschreibt eine ähn- liche Form bei der Filzlaus (Nr. 2 d. L.-V.). Diese Zellen zeigen zwei, selten einen oder drei Kerne, welche manchmal ein Kernkörperchen ent- halten. Ihr Inhalt ist eine etwas zähe Flüssigkeit, in der hin und wieder Körnchen wahrgenommen werden können. Beim lebenden Thiere schimmern sie mit grünlicher Farbe durch die Gelenkhäute, an denen sie hauptsächlich liegen. Nie vermochte ich eine Verbindung mit der Tunica externa der Tracheen wahrzunehmen. Rückengefäß. Das Rückengefäß der Mallophagen zu präpariren, ist mir nie ge- lungen. Dies ist bei der geringen Größe der Thiere außerordentlich 554 Franz Große, schwierig. Doch kann man seine Bewegungen bei frisch gehäuteten lebenden Exemplaren deutlich wahrnehmen. Das Beobachten des Pul- siren wird durch fortwährende starke Bewegungen des Enddarmes sehr erschwert. Kramer giebt eine sehr genaue Beschreibung des Rückenge- fäßes bei Lipeurus jejunus. Auf Querschnitten durch ganze Thiere er- hält man es sehr leicht. Es liegt dorsal vom Darm, seitlich von starken Fettkörperwülsten begrenzt. Nervensystem. Nıtzsc# giebt eine vollständige Zeichnung des Nervensystems eines Philopteriden und eine Anweisung, dasselbe auf einfachste Weise beim frischen Thiere zu präpariren. Es besteht aus den beiden Kopfganglien und drei Ganglien im Thorax. Das obere Schlundganglion überwiegt das untere an Größe bedeutend, und sind beide durch zwei starke Kom- missuren verbunden. Die Knoten des Thorakalstranges nehmen nach hinten an Größe zu. Vom letzten im Metathorax liegenden Knoten gehen zwei starke Nervenstränge ab, die mit ihren Verzweigungen fast aus- schließlich das Abdomen mit seinen Organen innerviren. Außerdem sind noch viele kleinere seitliche Ausläufer der drei Thorakalganglien vorhanden, die den Thorax und seine Anhänge versorgen. An Quer- schnitten sieht man deutlich an der Form der Punkt- oder Fasersubstanz, dass die Thorakalknoten eigentlich aus zwei mit einander verschmolzenen Ganglien bestehen. Antennen. Die Antennen von Tetrophthalmus haben, wie fast bei sämmtlichen Liotheiden eine keulenförmige oder geknöpfte Gestalt und sind vierglie- derig. Das erste Glied ist das größte und besitzt eine trapezoidale Form. Das folgende ist bedeutend kleiner, mit fünf bis sechs Borsten versehen und trägt auf einem Stiel das näpfchenförmige dritte Glied. Die einge- bogene Fläche des letzteren ist stärker chitinisirt und in ihr liegt, gleich- falls gestielt, das letzte kugelige Fühlerglied, dessen Oberfläche mit feinen Hervorragungen versehen ist. Bei einem quergeschnittenen Fühler von Laemobothrium konnte ich im letzten Antennengliede runde Zellen mit Kern wahrnehmen, die jedenfalls einer ganglionösen Anschwellung des Nerven angehören. Während bei den Liotheiden die Fühler der Männchen und Weib- chen vollständig gleich gebaut sind, treffen wir bei einzelnen Gattungen der Philopteriden auf sehr merkwürdige geschlechtliche Verschieden- heiten in Bezug auf den Bau der Antennen. Das dritte Glied der An- | tenne des Männchens zeigt einen seitlichen Ausläufer, der an Größe so | Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 555 zunehmen kann, dass er dem Fühler eine Ähnlichkeit mit einer Krebs- schere verleiht. Nırzsca giebt an, dass dieses scherenförmige Gebilde bei der Begattung zum Festhalten am Weibchen diene; ich konnte dies bei sich begattenden Thieren niemals beobachten. Augen. Die Augen liegen am Rande der unteren Fläche des Kopfes hinter den Fühlern. Die Linse aller mir bekannten Philopteridengattungen trägt am medianen Rande ein ziemlich langes, starkes und nach unten gebogenes Haar. Bisher hatte man bei den Philopteriden sowohl, als bei den Liotheiden nur ein Paar Augen gesehen; bei allen mir bekannten Philopteridengattungen (Goniodes, Docophorus, Lipeurus und Nirmus) fand ich ein Paar, bei allen mir bekannten Liotheidengattungen (Tetroph- thalmus, Laemobothrium, Menopon, Trinotum und Colpocephalum) aber zwei Paar Stemmata. Träfe dieses Verhältnis auch bei den wenigen übrigen Gattungen zu, was ich für sehr wahrscheinlich halte, so wäre hiermit ein neuer, auch für den Charakter von Liotheiden und Philopte- riden sehr bezeichnender Unterschied gefunden. Bei Menopon, Trinotum und Colpocephalum liegen die zwei Augen jederseits neben einander; bei Tetrophthalmus chilensis und einem Laemobothrium von Gypogeranus serpentarius fand ich sie schräg über einander. Die Augen der Mallophagen sind einfache Stemmata. Bei den frü- heren Autoren findet man lediglich die Angabe, dass sie den Spinnen- augen gleich gebaut seien. Eine Linse ist immer vorhanden. Bei der Gattung Trichodectes fand ich zwar eine deutliche linsenförmige Ver- dickung des Chitins, bemerkte aber unter demselben kein Pigment. Es | kam dies höchst wahrscheinlich daher, dass mir nur sehr junge Exem- plare vorlagen. Denn bei jungen Exemplaren von Docophorus platystomus ‚ und Lipeurus (von Phoenicopterus antiquorum) fand ich dasselbe. Bei , alten Exemplaren dieser Species dagegen waren die pigmentirten Retina- | zellen sehr deutlich zu sehen. | Eine genauere Untersuchung der Augen habe ich vorgenommen bei ‚ Docophorus incompletus und einer Species von Laemobothrium (von ' Gypogeranus serpentärius). Die Köpfe möglichst junger, frisch gehäu- tetier Exemplare wurden theils in Alkohol, theils in Chromsäure gehärtet, mit Paraffin imbibirt und in Quer- und Frontalschnitte zerlegt. Letztere ', wurden mit Hilfe einer Eiweiß-Glycerinmischung auf dem Objektträger befestigt, das Pigment nach der Methode von GrRENACHER entfernt (Nr. 3 d. L.-V.), darauf die Schnitte gefärbt und eingebettet. Schon beim lebenden Thiere sieht man unter der linsenförmigen Chitinverdickung 556 i Franz Große, deutlich die siark pigmentirten Retinazellen. Bei Laemobothrium (Fig. 14) fand ich deren 24. Sie sind von keulenförmiger Gestalt und besitzen einen großen Kern mit deutlichem Kernkörperchen. Die Retinazellen gehen allmählich in den — bei einigen Species schwach — pigmentirten Nervus opticus über. Jedes Stemma für sich wird direkt vom oberen Schlundganglion innervirt. Bei alten Thieren zieht sich die Eypodermis in Form kubischer Zellen zwischen Retinazellen und Linse hin. Bei jungen und kei frisch gehäuteten Thieren ist der sogenannte Glaskörper aus denselben hohen cylinderförmigen Zellen gebildet, wie die Hypodermis sie aufweist. Die Basalmembran der letzteren erstreckt sich über die Peripherie des Retinazellenkomplexes und hüllt denselben vollständig ein. Stäbchen konnten in den Retinazellen, selbst auf Querschnitten durch das Auge, nicht aufgefunden werden. Seinem Bau nach zeigt das Stemma der Mallophagen große Ähnlichkeit mit dem von Phryganea grandis, wie es von GRENACHER beschrieben wurde. Straßburg, 45. Juni 4885. Verzeichnis der durch Nummern citirten Litteratur. 4) Insecta Epizoa. »Die auf Säugethieren u. Vögeln schmarotzenden Insekten nach Car. L. NırzscH’s Nachlass bearbeitet von Professor Dr. GIEBEL. 2) V. GrABER, Anatomisch-physiologische Studien über Phthirius inguinalis. Diese Zeitschr. Bd. XXII. 1872. | 3) GRENACHER, Untersuchungen über das Sehorgan der Arthropoden. 4) KRAMER, Lipeurus jejunus N. Diese Zeitschr. Bd. XIX. 1869. 5) MELNIKow, Beitr. zur Embryonalentwicklung d. Insekten. Archiv f. Naturgesch. Bd. XXXV. 1869. 7) PıAGET, Les Pediculines. 7) Rupow, Zeitschr. für die ges. Naturw. XXVII, 4866; XXXIV, 1869; XXXV, XXXVI, 41870. Denny, Monographia Anoplurorum Britanniae. GIEBEL, Die im zoologischen Museum der Universität Halle aufgestellten Epizoen, nebst Beobachtungen über dieselben. ) 9) LeAca, Edinburgh Encyclopaedia. ) ) Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. 55' —1 Erklärung der Abbildungen. Tafel XVIII. Fig. 4. Tetrophthalmus chilensis 5. Vergr. 27. Fig. 2. Kopf eines Laemobothrium von Gypogeranus serpentarius von unten ge- sehen. Vergr. 50. ol, Oberlippe; md, Mandibeln; mx, Maxillen; «, Unterlippe; ti, die vier- gliederigen, den Fortsätzen des Mentums aufsitzenden Unterlippen- taster; p, Nebenzungen; g, Zunge; hy, Hypopharynx; a, Antennen in der Fühlergrube verborgen; o, Stemmata. Fig..3. Medianschnitt durch den Kopf von Goniodes dissimilis. Vergr, 90. ol, Oberlippe;; ul, Unterlippe; hy, Hypopharynx; sch, Schlund; ds, dorsa- ler, vs, ventraler Theil des Schlundskelettes. Fig. 4. Oberlippe von Goniodes dissimilis. Vergr. 90. ch, Chitinleiste. Fig. 5. Unterlippe eines Menopon von Loxia pityopsittacus. Vergr. 440. Fig. 6. Unterlippe von Tetrophthalmus chilensis. Vergr. 90. m, Mentum ; pl, Unterlippentaster; g, Zunge; pg, Nebenzungen; hy, Hypo- pharynx. Fig. 7. Unterlippe eines Laemobothrium, dessen Wirth nicht bestimmt worden war, Vergr. 90. m, Mentum ; it, viergliederige Taster, die auf den hornförmigen Fortsätzen f des Mentum aufsitzen; p, Nebenzungen; hy, Hypopharynx; gl, | Zunge. | Fig, 8. a,rechter, b, linker Oberkiefer von Tetrophthalmus chilensis. Vergr. 90. | Fig. 9. Unterkiefer von Tetrophthalmus chilensis. Vergr. 440. a, äußere, b, innere Seite; m, die sich ansetzenden Muskeln, Fig. 40. Unterlippe eines Nirmus. Vergr. 90. m, Mentum; pg, Nebenzungen;; g, Zunge. Fig. 44. Kopf von Lipeurus heterographus von unten gesehen. Vergr. 90. - ol, Oberlippe mit zwei saugnapfartig wirkenden Vertiefungen ; md, Man- dibeln ; mx, Maxillen; vl, Unterlippe. Fig. 12. Antenne von Tetrophtihalmus chilensis. Vergr. 440. Fig. 43. a, Speicheldrüse von Tetrophthalmus chilensis; db, Speichelbehälter desselben Thieres. Vergr. 60. Fig. 14, Auge eines Laemobothrium von Gypogeranus serpentarius. Durch einen Querschnitt durch den Kopf erhalten. Vergr. 280, | l, linsenförmige Verdickung des Chitins; g, Glaskörper; hy, Hypodermis; r, Retinazellen; n, Nervus opticus. Fig. 45. Männlicher Geschlechtsapparat von Tetrophthalmus chilensis. Ver- größerung 40. ti, Hoden; vd, Vasa deferentia; sb, Samenblase (accessorische Sekretions- drüse KrAueEr’s); de, Ductus ejaculatorius; p, röhrenförmiger Penis mit der Ausführungsöffnung mde; s, letztes Segment (aufgeschnitten), welches eingestülpt ist und dem Begattungsorgan zur Führung dient; 90, geißelförmiges Organ ; rm, Ringmuskulatur ; Im, Längsmuskulatur. ‚ | i 558 Franz Große, Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen, | . Fig. 16. Bein eines männlichen Tetrophthalmus chilensis. Vergr. 60. { p, Gelenkpfanne am Metathorax; c, Coxa; tr, Trochanter; f, Femur; t, Tibia mit einem dornartigen Fortsatz d; h, Haftlappen, das erste Tarsalglied umschließend ; ia, zweites Tarsalglied mit den beiden Klauen und einem feinen Läppchen !. Fig. 47. Antennen von a, Lipeurus versicolor ©, db, Docophorus platystomus, c, Lipeurus versicolor 5, d, Goniodes stylifer; e, Lipeurus von Anser magellanicus. Vergr. 60. Fig. 48. Hinterleibsende von Tetrophthalmus chilensis. Vergr. 60 ©. st, Stigma. Fig. 19. Hinterleibsende von Tetrophthalmus chilensis $. Vergr. 60. Fig. 20. Verschiedene Zellen des einzelligen Fettkörpers von Tetrophthalmus chilensis. Vergr. 140. Fig. 24. Speicheldrüse eines Laemobothrium von n Gypogeranus Serpentarius. Vergr. 30. e, Ausführungsgang. Fig. 22. Eine Krauzr’fche Drüsenzelle in der Theilung begriffen. Vergr. 275. Über den Geschlechtsapparat von Nematois metallicus Pod. Von N, Cholodkovsky, St. Petersburg. Mit Tafel XIX, Die Lepidopteren bilden eine Insektenordnung, deren Organi- sationsverhältnisse in einem hohen Grade einförmig sind. Indessen fällt es nicht schwer zu zeigen, dass diese Einförmigkeit der Organisation der Schmetterlinge von den Forschern etwas zu viel übertrieben wird, indem man die auf der Untersuchung einer äußerst geringen Anzahl der Ordnungsrepräsentanten beruhenden Resultate ohne Weiteres auf alle Vertreter der gegebenen Ordnung zu übertragen pflegt. Es kommt bis- weilen bei der Untersuchung eines reicheren anatomischen Materials vor, dass man ganz unerwartete Organisationstypen antrifft, welche uns auf die überzeugendste Art und Weise die Unvollständigkeit der in jetziger Zeit bestehenden entomotomischen Kenntnisse beweisen. Ich erlaube mir, zur Unterstützung des eben Gesagten einige von mir neu- lich gefundene Thatsachen aus der Microlepidopterenanatomie anzu- führen. Es hat sich nämlich erwiesen, dass drei Arten der Linnt’schen Gattung Tinea nur zwei Marricntsche Gefäße besitzen !, eine ganz un- erwartete Erscheinung, welche bis jetzt in der Insektenanatomie fast ganz vereinzelt steht, wenn man von einigen Cocciden abstrahirt, die den Untersuchungen von Lrypıe und Mark zufolge ebenfalls zwei Marpisur’sche Gefäße besitzen. Andererseits wurde von mir bei Galleria _ mellonella L. eine ganz eigenthümliche Form der Marpıcurschen Gefäße gefunden, welche bis auf den heutigen Tag bei keinem anderen Insekte beschrieben worden ist und welche nur unter den Arachnoideen ihre Parallele findet. Ich glaube, dass schon diese Beispiele hinreichen, um die äußerste Unvollständigkeit der jetzigen entomotomischen Kenntnisse ‚zu illustriren. ! Comptes rendus Acad. Paris. T. 99. 1884. No. 19. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. [Ib} 1 r 560 N. Cholodkovsky, Im Verlaufe des vorliegenden Artikels werde ich im Stande sein, noch einige ziemlich interessante Thatsachen aus dem leider zu wenig erforschten Gebiete der Microlepidopterenanatomie mitzutheilen. Während einer entomologischen Exkursion in der Umgebung von St. Petersburg (im Sommer 1884) kam mir eine Anzahl von Exemplaren von Nematois metallicus Pod. in die Hände (die Gattung Nema- tois steht der Gattung Adela dem Systeme nach sehr nahe) - Die Mehr- zahl der von mir gefangenen Exemplare waren Weibchen und lenkten durch die eigenthümliche Form ihres Abdomens meine Aufmerksamkeit auf sich. Das verhältnismäßig lange Abdomen war in der Nähe seiner Basis bedeutend verdickt, nach hinten aber verengte sich dasselbe regelmäßig zu einer schwarzen chitinigen Spitze, welche einem Dorne sehr ähnlich sah. Beim Aufschneiden des Abdomens, was ich eigent- lich zu den Zwecken der Untersuchung der Marrısenrschen Gefäße unternahm, fiel mir eine interessante Eigenthümlichkeit der weiblichen Geschlechtsorgane in die Augen: jeder Eierstock bestand nämlich aus einer großen Anzahl von Eiröhren (nicht weniger als zwölf). Diese Entwicklung der Eierstöcke machte die oben erwähnte auffallende Ver- dickung des Abdomens erklärlich. Die Zahl der Eiröhren ist bei den Lepidopteren, wie bekannt, sehr beständig, nämlich vier in einem jeden Eierstocke. Wir haben, so viel mir bekannt ist, in der Litteratur nur eine einzige Ausnahme von dieser Regel. Dr. Arrx. Branpr erwähnt nämlich 2, dass Psyche helix beider- seits je sechs Eiröhren besitze. Außerdem weiß ich aus einer münd- lichen Mittheilung unseres russischen L. Durour’s, Herrn Professor Ep. BranDt, dass Sesia scoliiformis Bkh. in den Eierstöcken je 14 Ei- röhren besitzt. Ich habe nicht weniger als zehn Exemplare von Weibchen der Nema- tois metallicus untersucht, wobei ich individuelle Schwankungen in der Anzahl der Eiröhren wahrnahm; die Mehrzahl besaß je 20 Eiröhren, bei einem Exemplare waren derselben je 12, bei einem anderen je 46; zwei Exemplare besaßen je 18 Eiröhrchen in einem jeden Eierstocke. Ein solches Verhalten der Eierstöcke machte mich auf die übrigen Theile des weiblichen Geschlechtsapparates aufmerksam (s. die Fig. 1), wobei es sich erwies, dass dieser Apparat auf einer niederern Entwick- lungsstufe stehen geblieben ist, als der entsprechende Apparat anderer i Die MaLrisarschen Gefäße boten gar nichts Besonderes dar. 2 ALzx. BRANDT, ÜpapHurensHsIa uscatroBania Halb AUUeBEIMU TPYOoyKamu u AUNOMB HachKomsIxE. Maztcria Hmo. Odm. 13006. ecreerzosuauia;, T. XXI, zer. 1. Mockpa 4876. crp..5. Über den Geschlechtsapparat von Nematois metallicus Pod. 561 Lepidopteren. So war z. B. die Bursa copulatrix sehr schwach ent- wickelt und entbehrte sowohl einer besonderen Ausführöffnung als eines die Bursa mit der Vagina verbindenden Kanales. Diese Einrichtung ent- spricht vollständig einigen Phasen der Chrysalidenentwicklung, mit welchen uns schon HrroLp und Suckow bekannt gemacht haben. Fig. 2, welche nach einer meiner nach der Natur gemachten entomotomischen Zeichnung abgebildet ist, und welche das Verhalten der weiblichen Ge- schlechtsorgane der Zerene grossulariata im zweiten Tage des Puppen- stadiums darstellt, macht die Ähnlichkeit derselben mit dem weiblichen Geschlechtsapparate von Nematois metallicus anschaulich. Was die äußeren weiblichen Geschlechistheile von Nematois mietallicus anbetrifft, so bieten auch diese einige Besonderheiten, wie es schon die eigenthümliche äußere Beschaffenheit des Hinterleibes er- warien ließ. Im Abdomen des Weibchens (Fig. 3) kann man leicht sieben Seg- mente unterscheiden, von denen das erste unvollständig ist (dasselbe entbehrt seiner ventralen Hälfte), das letzte aber eine konisch ver- längerte Gestalt besitzt und das oben erwähnte dornenartig zugespitzte hintere Ende des Abdomens darstellt. Wenn man das Abdomen leicht zusammendrückt, so tritt aus dem erwähnten siebenten Segmente ein weißlicher membranöser Konus hervor, welcher aus einem kompakten chitinösen Häutchen besteht und auf seiner Spitze die weibliche Ge- schlechtsöffnung trägt. Die Vagina besteht gleichfalls aus einem weiß- lichen chitinösen Röhrchen (Fig. 4), welches in den so eben erwähnten Konus eingeschaltet und mit seinen Wandungen zum Theile verwachsen ist, wobei an den Stellen der Verwachsung zarte bräunliche chitinöse Plätichen (Fig. 4 a) sich befinden. An der ventralen Seite des membra- nösen Konus liegen, mit diesem verbunden, paarweise vier chitinige Borsten, deren Spitzen nach hinten gekehrt sind. An diese Borsten sind Muskeln befestigt, deren entgegengesetzte Enden ihre Befestigungspunkte an der Innenfläche des siebenten Abdominalsegmentes haben. Durch die Kontraktion dieser Muskeln wird der membranöse Konus mit seinen Borsten nach außen geschoben und stellt auf diese Weise augenscheinlich einen Ovipositor dar, wobei die Borsten zum Anbohren von Öffnungen in verschiedenen Substanzen, in welche die Eier abgelegt werden, zu dienen scheinen. Eine jede Borste des Ovipositors ragt im eingezogenen Zu- stande des membranösen Konus tief ins Innere des Bauches hinein; ihre innere (vordere) Spitze trägt einen kleinen durchsichtigen feinpunk- tirten chitinösen Discus (Fig. A). Das äußere (hintere) Ende der Borste “ist zugespitzt; fast unmittelbar vor dem letzteren Ende trägt jede der zwei lateralen Borsten eine plattenförmige laterale Erweiterung (Fig. Ih), 37% 562 N, Cholodkovsky, welche mit den oben erwähnten chitinösen Plättchen der Vagina theil- weise verwachsen ist. Wir sehen also, dass Nematois sich von der Mehrzahl der Schmetter- linge dadurch unterscheidet, dass derselbe eine deutlich ausgeprägte Legeröhre besitzt, deren wesentlichen Bestandtheil, wie das auch bei anderen Insekten der Fall ist, paarige Borsten bilden, welche höchst wahrscheinlich als Anhänge der letzten Bauchsegmente anzusehen sind. Übrigens kann ich nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, dass überhaupt die ganze Frage über die äußeren weiblichen Geschlechts- organe der Lepidopteren einer erneuten Untersuchung an einer möglichst großen Speciesanzahl bedarf, wobei namentlich die Untersuchung der Microlepidopteren viele interessante Resultate liefern kann. So z.B. finden wir bei der gemeinen Hausmotte (Tineola Biselliella Humm.) einen dem eben beschriebenen ähnlichen, dabei jedoch höher organi- sirten Ovipositor. Die Thatsache, dass Nematois metallicus eine beträchtliche Anzahl von Eiröhren besitzt, erweckte in mir ein lebhaftes Interesse hinsichtlich der Frage über den Bau des Hodens bei diesem Schmetterlinge. Was die Hoden der Lepidopteren überhaupt anbelangt, so gelang es mir nach- zuweisen, dass alle Schmetterlinge zwei zusammengesetzte Hoden be- sitzen, welche bei der Mehrzahl durch ein komplicirtes Hüllensystem zu einem unpaaren Organe verbunden sind, und dass ein jeder Hode aus _ vier Samenfollikeln besteht, die in jeder Beziehung den Eiröhren des Weibchens homolog sind!. Auf diese Weise stellte sich anatomisch eine völlige und klare Homologie der weiblichen und männlichen Geschlechts- drüse der Lepidopteren heraus. Schon damals, als ich aus der Mitthei- lung des Herrn Ev. Branpr in Erfahrung gebracht habe, dass Sesia scoliiformis 14 Eiröhren in einem jeden Eierstocke besitzt, interessirte mich der bis jetzt noch unbekannte Bau des Hodens dieses Schmetter- linges in hohem Grade. Leider sind die Sesien in unserer Gegend nur sehr selten, und es wollte mir nicht gelingen, ein Männchen von Sesia scoliiformis für die Untersuchung zu bekommen. Erst im vorigen Jahre fiel mir ein Exemplar von Sesia hylaeiformis in die Hände, dessen Hode als aus acht Follikeln bestehend sich erwies (wie bei allen anderen von mir in der Anzahl von mehr als 450 Arten untersuchten Schmetterlingen). Es blieb aber das Weibchen von Sesia hylaeiformis ununtersucht, wel- ches wie andere Schmetterlinge je vier Eiröhren in den Eierstöcken haben konnte, und dies um so mehr, als Sesia hylaeiformis jetzt zu einer anderen Gattung (Bembecia hylaeiformis Lasp.) gerechnet wird. Ande- 1 Zool. Anzeiger 1884, Nr. 479. Über den Geschlechtsapparat von Nematois metallicus Pod. 563 rerseits zeigen uns allgemein bekannte anatomische Thatsachen zur Genüge, dass die Anzahl der Eiröhren ! an und für sich von keiner absoluten morphologischen Bedeutung ist, dass dieselbe in weiten Schranken differiren und selbst individuell schwanken kann, wie wir es bei Nematois schon gesehen haben. In einem noch größeren Maße betrifft dies andere Insekten; so habe ich z. B. mehrmals bedeutende individuelle Schwankungen in der Anzahl der Eiröhren bei verschie- denen Arten der Gattung Carabus gefunden. Selbst in der Gattung Bombus # welche sehr beständig in ihren Eierstöcken je vier Eiröhren trägt, habe ich einmal bei Bombus lapidarius in einem Eierstocke vier, in einem anderen fünf Eiröhren gefunden. Aus Allem diesen folgt, dass wenn auch nachgewiesen würde, dass Sesia scoliiformis acht Samen- follikel besitze, man der Homologie der Follikel und der Eiröhren den- noch nichts anhaben könnte. Für die Feststellung dieser Homologie ist die schon längst bewiesene Thatsache vom größten Belange, dass in allen bisher untersuchten Fällen die Geschlechtsorgane beider Geschlechter im Embryo und in frühen Larvenstadien aus einer gleichen Anzahl anato- misch gleichartiger Schläuche bestehen (Bzsseıs); bei weiterer Entwick- lung können die Eiröhren durch longitudinale Zerklüftung oder durch laterale Sprossung verdoppelt und verdreifacht werden, ohne dass die . Homologie dadurch etwas einbüßen würde. Auf Grundlage der eben angeführten Erwägungen wurde mir die interessante Aufgabe zu Theil, die Zahl der Samenfollikel bei Nematois zu bestimmen und festzustellen, ob dieselbe der Anzahl der Eiröhren bei diesem Insekte entspreche oder nicht. Wenn es sich erweisen würde, dass Nematois metallicus eine gewöhnliche Anzahl von Samen- follikeln (acht) besitze, so könnte dies gar nicht gegen die von mir ver- tretene Homologie sprechen ; wenn man jedoch zahlreiche Samenfollikel vorfinden sollte, — in einem solchen Falle würde dies unserer Homolo- gisirung zu einer neuen wesentlichen Stütze gereichen. Denn ich muss bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass schon in Folge des ana- tomischen Baues der Schmetterlings - Samenfollikel ihre numerische Entwicklung von einem ganz anderen und weit wichtigeren morphologi- schen Werthe ist, als die Anzahl der Eiröhren. Der Samenfollikel stellt ein aus einer strukturlosen Membrana propria bestehendes Schläuchchen dar, welches von einer serösen Flüssigkeit und darin flottirenden Sper- matozoenbüscheln (resp. Spermazellengruppen) erfüllt ist?. Ein solches 1 Vgl. Auex. BRAnDT, l.c.p. 409. 2 Ich stimme gänzlich mit Tıcuonmırorr überein, wenn er schreibt (l. c. p. 46), ‚dass der Hode keine selbständige 'Epithelbekleidung besitzt, wie es BürscaLı be- hauptete. ‘Um so weniger bin ich aber im Stande, diejenige sonderbare Homologie 564 5 N. Cholodkovsky, Schläuchchen, welches, von sehr frühen Entwicklungsstadien ange- | fangen, einer Epithelwandung entbehrt und folglich von einer im pro- duktiven Sinne ganz passiven Membran gebildet wird, ist in keiner Weise fähig, sich zu zerklüften oder sich durch laterale Sprossung zu verzweigen, wie dies bei den Eiröhren leicht statifinden kann. Wenn es also erwiesen sein würde, dass Nematois metallicus viel Samenfollikel besitze, so müssten wir nothwendigerweise die Vorstellung bekommen, dass dieselben schon in großer Anzahl angelegt waren, d.h. dass die Trennung der embryonalen Anlage in einzelne Follikel (resp. wahr- scheinlich auch in Eiröhren) schon vor der Differenzirung der diese Anlage zusammensetzenden Zellen und vor der Abscheidung der Mem- brana propria stattgefunden habe. Wiewohl mir nur drei Exemplare von Männchen von Nematois metallicus für die Untersuchung vorlagen, ist es mir dennoch gelungen, die Frage über den Bau ihrer Geschlechtsorgane in befriedigender Weise zu lösen. Bei der Autopsie habe ich einen unpaarigen, weißlich durch- sichtigen Hoden aufgefunden, welcher von feinen Tracheen und körnigem Fettkörper dicht umwickelt war. Sowohl die Vasa deferentia, als Glan- dulae appendiculares und Ductus ejaculatorius fielen durch ihre außer- . ordentliche Kürze und Breite in die Augen (Fig. 5). Die letzterwähnte Besonderheit ist der Gattung Nematois wie der nahestehenden Gattung Adela eigen, welche ebenfalls sehr kurze und breite Ausführungsgänge der männlichen Geschlechtsorgane besitzt. Am meisten interessirte mich der Bau des Hodens selbst. Nachdem die denselben umgebende lockere Hülle, welche nur aus einem dichten Geflechte feinster Tracheen und aus Fettkörper bestand, durch vorsichtige Präparirung mit Nadeln entfernt wurde, erwies es sich, dass eine ‚jede Hälfte des pseudounpaaren Hodens aus einer großen Anzahl von Samenfollikeln bestand (Fig. 6). Eine ge- naue Zählung der Follikel wollte mir wegen der äußersten Kleinheit des Objektes und wegen der Beschränktheit des Materials nicht gelingen; es schien mir aber, dass derselben ungefähr 20 waren, —d.h., eine der Zahl der Eiröhren ganz entsprechende Anzahl. Ein jeder Follikel besaß die Gestalt eines länglichen Säckchens, weiches aus einer strukturlosen Membrana propria bestand und vorräthige Samenelemente enthielt. Die Thatsache, dass Nematois metallicus eine beträchtliche Anzahl von Samenfollikeln besitzt, ist wohl die wichtigste in der Anatomie dieses kleinen Falters, — des einzigen, welchem ein so bemerkenswerther Bau anzunehmen, welche er zwischen den Samenballen und den Eikammern durchzu- führen sucht (als ob die sogenannte Eikammer eine einigermaßen bestimmte morphologische Einheit wäre!) und auf Grund welcher er beim Männchen das Vor- handensein wahrer Homologa der Eiröhren gänzlieh in Abrede stellt (l. c. p. 18). nn mn nn a a a Te a 2 Über den Geschlechtsapparat von Nematois metallieus Pod. 565 des Hodens eigen ist. Indem diese Thatsache die von mir vertretene Hombologie der Eiröhren und der Samenfollikel in überzeugendster Weise bestätigt, ist dieselbe auch außerdem für die Morphologie der Lepi- dopteren nicht ohne Bedeutung. In einem gewissen Grade kann diese Thatsache als ein neues, die Lepidopteren mit den Phryganiden verbin- dendes Kettenglied betrachtet werden, denn nur von den den Phryga- niden verwandten Formen ist die phylogenetische Herleitung der Lepi- dopteren überhaupt denkbar. Nachdem ich den inneren männlichen Geschlechtsapparat von Nematois metallicus untersucht habe, übertrug ich meine Beobachtungen auf die äußeren männlichen Geschlechtstheile. Hier war für mich in erster Linie die Entscheidung der Frage über die Zahl der das Abdomen zusammensetzenden Segmente von Wichtigkeit, um weiter, die Unter- suchungen von KrAEPELIN, Drewirz u. A. nicht aus dem Auge lassend, mit möglichster Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, welche von den Ge- schlechtstheilen für umgestaltete Bauchsegmente und welche für Bauch- anhänge gehalten werden sollten. Ich muss gestehen, dass, obgleich wir in der Litteratur hier und da einzelnen Beschreibungen und Abbildungen der äußeren männlichen Geschlechtstheile der Lepidopteren begegnen, die allgemein verbreiteten Vorstellungen über den Bau dieser Organe nichtsdestoweniger sehr ver- wirrt sind und eine einigermaßen natürliche Terminologie gänzlich fehlt. Dies ist auch begreiflich, denn für die Aufstellung einer wissenschaft- lichen Terminologie sind vergleichend-anatomische und embryologische Untersuchungen, welche in dieser Beziehung fast gar nicht existiren, unentbehrlich. Eine noch am meisten wissenschaftliche Beschreibung ist von Burszss! für Danais Archippus gegeben. Indem wir also eine Untersuchung der äußeren männlichen Geschlechtstheile irgend eines Lepidopteren unternehmen , müssen wir selbst eine möglichst wissen- schaftliche Terminologie aufstellen. Bei der Betrachtung eines männlichen Abdomens von Nematois metallicus (Fig. 7) kann man von außen acht Segmente leicht unter- scheiden, von denen das erste unvollständig ist, d. h. seiner ventralen Hälfte entbehrt. Das achte Segment ist von konischer Gestalt, seine Spitze nach hinten gerichtet und aus dieser Spitze ragen die übrigen äußeren Geschlechtstheile hervor, welche innerhalb des hinteren Bauch- endes sich befinden. Wenn man die dünne chitinöse, die Bauchhälfte des achten Segmentes mit der Rückenhälfte desselben verbindende Haut durchschneidet und die Rückenhälfte zur Seite schiebt, so lässt sich das 1! Anniversary Memoirs of the Boston Society of natural history. Boston 1880. p- 12—A4. Pl. 2. 566 | N. Cholodkovsky, neunte Segment in seiner natürlichen Lage sehen (Fig. 8). Das letztge- nannte Segment besitzt die deutliche Gestalt eines Ringes, dessen beide Hälften ungleich sind und in verschiedenen Horizontalebenen liegen. Die dorsale Hälfte ist im Vergleiche mit der ventralen sehr klein; sie besitzt eine Halbmondform und liegt dicht an das Hinterende der dor- salen Hälfte des achten Abdominalsegmentes angeschlossen. Die ventrale Hälfte des neunten Segmentes ist von der Gestalt einer länglichen Platte (das Lumen des Ringes ist von einer chitinigen Haut überspannt), welche größtentheils an der oberen Seite der ventralen Hälfte des achten und siebenten Bauchringes aufliegt und folglich tief ins Innere des Abdomens hineingeht. Auf dieser etwas eingewölbten Platte liegt, wie in einer Rinne (Fig. 9), das männliche Begattungsglied, welches höchst wahr- scheinlich das chitinisirte Ende des Vas ejaculatorium darstellt. Der Penis besteht aus einer feinen Chitinröhre, welche von einem dünn- häutigen »Praeputium« umgeben ist und an seiner Spitze ein weiches Polsterchen trägt (Fig. 10); das letztere kann man eine »Peniseichel« nennen. Wenn man die hinteren Bauchringe von der ventralen Seite ansieht (Fig. 11) bemerkt man, dass an den hinteren Rand des neunten Segmentes zwei klappenförmige Anhänge befestigt sind, welche ich »Klappen« nennen will. Auf der Rückseite ist mit diesen Klappen durch eine dünne Haut ein kleiner chitiniger Ring (Fig. 12) verbunden, welcher überdies an die innere Oberfläche der dorsalen Hälfte des neunten Seg- mentes vermittels eines Häutchens befestigt ist. Innerhalb dieses Ringes liegt die Analöffnung. Welche morphologische Bedeutung haben also die eben beschrie- | benen Theile ? | Obgleich für die Feststellung einer morphologischen Deutung eigent- | lich eine Untersuchung der Entwicklungsgeschichte von Nematois nöthig | wäre, sind doch im vorliegenden Falle die anatomischen Beziehungen so | klar und scheinen den primitiven Charakter in so hohem Maße bewahrt " zu haben, dass man sich schon auf Grund der vorhandenen Thatsachen | einige morphologische Schlüsse zu ziehen erlauben kann. Was den zu- | letzt erwähnten chitinigen kleinen Ring anbelangt, so kann man wohl | daran nicht zweifeln, dass dieser Ring ein Rudiment des zehnten em- ' bryonalen Bauchsegmentes darstellt. Die Klappen scheinen dem letzien Fußpaare der Raupe zu entsprechen, oder, was fast dasselbe ist, den ' embryonalen »Schwanzlappen«, welche TicHonirorr ! in seiner inter- | essanten Arbeit über die Entwicklung des Bombyx mori beschrie- | ben hat. 1].c.p.40 und 42. j j Über den Geschlechtsapparat von Nematois metallieus Pod. 567 So hat uns die Untersuchung unseres kleinen Lepidopterons zu einigen Resultaten geführt, welche überhaupt für die Morphologie der Insekten nicht ohne Wichtigkeit sind. Es hat sich gezeigt, dass die Lepi- dopteren, diese scheinbar so sehr specialisirte Insektenordnung, in ihrer Organisation bisweilen sehr primitive Charaktere zeigen. So besitzen sie in einigen Fällen zehn Abdominalsegmente — eine Anzahl, welche man sonst nur bei Orthopteren und bei einigen Neuropteren antrifft. Die große Anzahl der Samenfollikel bei Nematois metallicus kann eben- falls den Beispielen primitiver Beziehungen beigezählt werden, da eine große Anzahl der gleichartigen Homologa unstreitig ein Kennzeichen der niedrigen Entwicklungsstufe ist. Andere Schmetterlinge bieten uns gleichfalls Beispiele von primi- tiven Charakteren. Sehr bemerkenswerth ist die Anzahl der MaLricHI- schen Gefäße (nur zwei) bei einigen Schmetterlingen; diese Thatsache hat mich zur Idee des periodischen Atavismus geführt, welche ich in allgemeinen Zügen im vorigen Jahre in zwei Notizen ! ausgesprochen habe und welche ich mir in einer meiner nachfolgenden Arbeit etwas aus- führlicher zu entwickeln vorbehalte. Hier will ich nur bemerken, dass die Lepidopteren in ihrer Organisation eine merkwürdige Neigung zu verschiedensten Entwicklungshemmungen zeigen und bisweilen einen atavistischen Rückgang zu den primitivsten Formen des anatomischen Baues bekunden. | Zum Schlusse halte ich es für nicht überflüssig darauf hinzuweisen, dass es sehr nützlich sein werde, die so oft prakticirte embryologische Untersuchung der Lepidopteren (von der vergleichend-anatomischen Forschung abgesehen) hauptsächlich auf die fast gänzlich unerforschte Gruppe der Microlepidopteren zu richten. Auch im systematischen Sinne bedarf die höchst unnatürliche Gruppe der Kleinfalter einer neuen Bearbeitung. Selbst sein Name zeigt uns die Unvollständigkeit aller hierher gehörenden Kenntnisse zur Genüge. Keiner wird die Gruppen Microanthozoa, Micrornithes u. dgl. annehmen, und doch existirt bis ‘jetzt die Gruppe »Microlepidoptera«, für welche nur die geringe Dimen- sion der gesammten ihr angehörenden Thiere charakteristisch ist. St. Petersburg, 20 Mai|1. Juni 1885. i Comptes rendus Acad. Paris. 4884. 568 N. Cholodkovsky, Über den Geschlechtsapparat von Nematois metallicus Pod. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX. Fig. 4. Der weibliche Geschlechtsapparat von Nematois metallicus. a, die Ei- röhren; b, Bursa copulatrix ; c, Receptaculum seminis; d, Glandulae appendiculares; f, die Vagina; 9, die Borsten; i, der chitinöse Discus der Borste; h, plattenförmige laterale Erweiterung einer Borste; k, der membranöse Konus. Fig. 2. Der weibliche Geschiechtsapparat von Zerene grossulariata, in den ersten Tagen des Puppenstadiums. Fig. 3. Das Abdomen eines Weibchens von Nematois metallicus, schematisch. 4—7, die Segmente; a, der hervorragende membranöse Konus mit seinen Borsten. Fig. 4. Das Endstück der Vagina mit ihren chitinösen Plättchen ae. Fig. 5. Der männliche Geschlechtsapparat von Nematois metallicus. a, derHode; bb, Vasa deferentia; cc, Glandulae appendiculares; d, Ductus ejaculatorius. Fig. 6. Eine Hälfte des pseudounpaaren Hodens von Nematois metallicus. a, Vas deferens; b, Samenfollikel; c, Tracheen. Fig. 7. Das männliche Abdomen von Nematois metallicus. 7—8, Segmente. Fig. 8. Das hintere Ende des männlichen Abdomens. a, ventrale Hälften des siebenten und achten Segmentes; d, ihre dorsalen Hälften, zur Seite geschoben; bb, die Klappen; c, der Penis; f, das neunte Segment. Fig. 9. Das neunte Abdominalsegment. «a, seine ventrale, b, seine dorsale Hälfte. Fig. 40. Der Penis. a, das Präputium; b, das Eichelpolsterchen. Fig. 41. Das hintere Ende des Abdomens & von unten. 8 und 9, das achte und neunte Bauchsegment; %, die Klappen; p, der Penis. Fig. 412. k, die Klappen; a, das zehnte Bauchsegment. m — Die Anatomie der Psylliden. Von Dr. Emanuel Witlaezil in Wien. Mit Tafel XX—XXIl. Seitdem sich durch Darwın’s Lehre für die biologischen Wissen- schaften eine Fülle neuer Gesichtspunkte eröffnet hat, geht das Bestreben vieler Zoologen dahin, die phylogenetischen Verhältnisse innerhalb des Gebietes ihrer Wissenschaft aufzudecken. Auch in der Klasse der In- sekten sind über diese Verhältnisse schon mehrfach Untersuchungen angestellt worden. Ihr theilweiser Misserfolg dürfte aber nicht bloß darauf zurückzuführen sein, dass die höheren Insektenordnungen so scharf umrissen dastehen, sondern auch mit darin seine Erklärung ‘ finden, dass die Anatomie der Insekten, welche bereits zu einer Zeit ‚ untersucht wurde, da die methodischen Hilfsmittel noch ungenügende waren, später, als die Forschung sich mehr den marinen Thierformen zuwandte, verhältnismäßig weniger bebaut wurde, als sie es bei ihrer ' Mannigfaltigkeit verdient hätte. Es ist heute thatsächlich unsere Kennt- nis der Anatomie mancher anderen Gruppe eine genauere, als jene der so leicht zugänglichen Insekten, so dass man auch darum mit mehr Er- folge in jenem Gebiete den Verwandtschaftsverhältnissen nachgehen konnte. Auch die Entwicklungsgeschichte der Insekten ist trotz viel- facher diesbezüglicher Arbeiten noch nicht so genau verfolgt, um ge- bührend verwerthet werden zu können. Zu diesen Betrachtungen wurde ich angeregt beim Studium der Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Insekten anlässlich meiner Untersuchungen über die Aphiden. Bei diesen fand ich Gruppen, welche Unterschiede aufwiesen, die darauf hinzudeuten schienen, dass | sie nicht gleich weit von ihren Stammformen abgewichen waren. Ich suchte nun diese Verhältnisse bei den anderen zwei Familien der Gruppe Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. Bd. XL. 38 570 Emanuel Witlaczil, der Phytophthires zu verfolgen. Zu diesem Zwecke musste aber die Anatomie der CGocciden noch in einigen Punkten ergänzt und die der bis jeizt fast ganz vernachlässigten Psylliden erst untersucht werden. Bei- träge zur Anatomie der ersteren, welche eigentlich in der Publieirung hätten vorangehen sollen, werde ich alsbald geben, während hier eine Darstellung der Anatomie der Psylliden folgt, nach welcher ich ver- suchen will, einige phylogenetische Schlussfolgerungen, freilich nur in diesem beschränkten Kreise zu ziehen. Ich hoffe übrigens, dass die dargestellten anatomischen und histologischen Verhältnisse und auch einzelne entwicklungsgeschichtliche Daten an sich Interesse zu erregen im Stande sein werden, indem sie zugleich zeigen, dass noch Manches auf dem scheinbar so bekannten Gebiete der Insektenanatomie zu fin- den ist. Einzelheiten über die Psylliden habe ich schon während meiner ersten Aphidenuntersuchungen beobachtet. Eingehend beschäftigte ich mich mit den diesbezüglichen Forschungen im Laufe des Jahres 1833, während welchen ich vorwiegend frisches Material untersuchte, so wie im Jahre 1884, wo ich Schnitte durch die Thiere zum Vergleiche her- anzog. Was das Material anbelangt, so konnte ich leider nicht Vertreter sämmtlicher wichtigerer Gattungen erhalten!. Ich untersuchte Psyl- lopsis fraxinicola Fsir. (Fraxinus excelsior),, Rhinocola spe- ciosa Fl. (Populus nigra), Psylla buxi L. (Buxus sempervirens), Psylla alni L. (Alnus glutinosa), Psylla Foersteri Fl. (Alnus glutinosa), Psylla erataegi Schrk. (Grataegus oxyacantha), Homo- toma ficus L. (Ficus Carica), Trioza rhamni Schrk. (Rhamnus cathartica), Trioza urticae L. (Urtica dioica), von welchen ich die dritte Art im Belvederegarten, die vierte und fünfte im Wienflussthale, " die siebente im botanischen Garten, und die anderen an verschiedenen | Stellen im Prater auf den in den Klammern erwähnten Pflanzen gefun- den habe. | Meine Untersuchungsmeihoden waren die gewöhnlichen. Neben Zerzupfungspräparaten in Salzlösung, eventuell nach Behandlung mit h verdünnter Essigsäure untersuchte ich auch theils frische, theils gefärbte | ganze Thiere. Die Schnitte fertigte ich nach der Neapler Methode mit einem Jung’schen Mikrotome an, dessen Gebrauch mir Herr Hofrath Pro- fessor Craus gestattete, welchem ich auch für Benutzung der Bibliothek | des zoologischen Institutes hiesiger Universität zu Danke verpflichtet bin, \ 1 Vel. F. Löw, Katalog der Psylliden d. paläarktischen Faunengebietes. Wiener I entomol., Zeitung. I. 4882. p. 209. - Die Anatomie der Psylliden. 971 Herrn Dr. F. Löw schulde ich für die Bestimmung der von mir unter- suchten Arten Dank. I. Äußere Formverhältnisse. Segmentirung. In der Körpergestalt erinnern die Imagines der Psylliden im Allge- meinen sehr an die Cicadelliden, mit welchen sich auch in speciellen äußeren Merkmalen viel Übereinstimmung zeigt. Der Körper wird charak- terisirt durch einen wohl ausgebildeten Kopf, einen starken, die Flug- und Sprungmuskulatur enthaltenden Thorax und ein verhältnismäßig schwaches, ziemlich langgestrecktes Abdomen. Wie bei den Kleinzirpen sind Männchen und Weibchen, abgesehen von gewissen Geschlechts- charakteren, gleich gebaut (Fig. 1—5). Der Kopf erscheint breit und ist mit einem sagittalen Einschnitte versehen, welcher die vorn unten befindlichen, mit ziemlich langen und starken Haaren besetzten beiden Kopfkegel sondert. Der Vorderkopf erscheint auf der Unterseite weit nach hinten gerückt und tritt wenig hervor (Fig. 5). Seitlich am Kopfe befinden sich die großen zusammen- gesetzten Augen, nach innen von denselben je ein kleines einfaches Auge, während ein drittes mehr nach vorn in dem erwähnten Ein- schnitte liegt. Die Antennen setzen sich vorn neben den zusammen- gesetzten Augen an und sind allgemein zehpgliederig. Ähnlich wie bei den Aphiden haben wir zwei kurze dicke Basalglieder, während die längeren dünnen und cylindrischen Mittelglieder wenig von einander abgesetzt sind, die letzten Glieder aber am Ende etwas kolbig ange- schwollen und daher leichter zu unterscheiden sind. Bei Homotoma ficus fand ich die folgenden Antennenglieder fast eben so dick, wie die beiden basalen, und das zehnte, wie auch bei manchen anderen Arten, sehr kurz. Dieses trägt am Ende zwei Spürhaare, während Geruchsgruben auch bei den Imagines nur in geringer Anzahl am Ende einzelner Antennensegmente vorkommen, wie es scheint allgemein am vierten, sechsten, achten und neunten Segmente. Bei gehenden Thieren fand ich die Antennen in zitternder Bewegung. Der Thorax ist sehr wohl entwickelt und nimmt mit dem Kopfe zusammen beiläufig die Hälfte der Länge des ganzen Körpers in An- spruch. Er zeigt von oben zahlreiche Vorwulstungen, welche durch den Ansatz der Muskulatur gebildet werden und meist intensiver als der übrige Körper, z. B. bräunlich gefärbt erscheinen. Die Flügel sind nicht sehr groß, der vordere gelblich, der hintere wasserklar, oder beide gelblich und mit kleinen dunklen Punkten versehen. Ihre Felderung durch die Adern kann auf der Abbildung (Fig. 1) eingesehen werden. Am Vorderrande des Hinterflügels fand ich in der Nähe der Basis einige 38* 972 2 | Emanuel Witlaczil, ziemlich starke Härchen, welche vielleicht als Retinaculum zu betrach- ten sind. Wie ich beobachten konnte, geschieht das Fliegen durch Schlagen der in der Ruhe dachförmig am Körper liegenden Flügel, eben so wie bei den Blattläusen. Darauf deutet auch die kräftige Flugmuskula- tur hin; ich betone dies gegenüber Angaben, dass diesen Thieren, speciell den Blattläusen die großen Flügel gewissermaßen nur als Fall- schirm dienen. Die Beine (Fig. 2 und 5) sind nicht besonders kräftig, besitzen eine sich an den Thorax anschließende Coxa, einen deutlichen Trochanter, einen kurzen Femur und eine etwas längere Tibia, so wie einen Zwei- gliederigen Fuß, an dessen Ende zwei Krallen sowie, wenigstens bei den Larven (Fig. 6—8), ein langes Haar und ein Haftlappen sich befindet, wie schon DE Geer! ausführlich beschreibt. Die Tibia ist am zweiten Beinpaar etwas länger als am ersten, und noch länger am dritten, das sich aber nicht wesentlich von den anderen zwei Beinpaaren unter- scheidet. Von der Ansaizstelle des dritten Beinpaares verlaufen nach rückwärts Chitinbogen über den Metathorax und das zur Verstärkung des Sprungapparates dazugetretene erste Abdominalsegment, an welchen Bogen je ein spornartiger Fortsatz zu bemerken ist, der bei den ein- zelnen Arten wenig verschieden ist und kaum eine besondere Bedeutung haben dürfte. Dass das erste Abdominalsegment mit dem Thorax in Verbindung getreten ist, kann aus dem Verhalten des Tracheen- und Muskelsystems mit Sicherheit nachgewiesen werden. £ Das Abdomen ist bei den beiden Geschlechtern ein wenig ver- schieden geformt. Bei den Männchen erscheint es etwas seitlich zu- sammengedrückt, während es bei den Weibchen mehr rund aufgetrieben ist, so dass es von oben gesehen: beiläufig so breit aussieht, wie von der Seite betrachtet. In. der Seitenansicht des Männchens (Fig. 2) findet man ein undeutliches Abdominalsegment (das zweite), gewissermaßen den Stiel des Abdomens bildend, und sechs weitere sich nach rückwärts verjüngende und die Seitenlinie des Körpers deutlich aufweisende Seg- mente (Fig. 3—8), hinter welchen der Körper sich gewissermaßen spaltet, indem an dem neunten Segmente nur die langgestreckte walzenförmige, am Ende, die Genitalzange tragende ventrale Partie entwickelt ist, so dass das ebenfalls langgestreckte dachförmige zehnte Segment scheinbar unmittelbar am achten Segmente sitzt. : Die Spitze des Abdomens wird durch das erstere bezeichnet, indem das letztere dorsalwärts verschoben erscheint. Es trägt an der Spitze den After und umfasst mit seinen seit- lichen Flügeln den meist mit einem, bei Psyllopsis fraxinicola ! K. DE GEER, Abhandlungen zur Geschichte der Insekten. Deutsch von GÖTZE, Nürnberg 4780. T. III. Vierte Abhandlung: Von den Afterblattläusen, Die Anatomie der Psylliden. 875 mit zwei Gelenken versehenen, nach oben eingeknickten, und zwischen ihm und dem neunten Segmente hervortretenden langgestreckten Penis. F. Löw! giebt für die Männchen der Psylliden nur acht Abdominalseg- mente an und bezeichnet das neunte (nach ihm siebente) Segment als trogförmiges Genitalsegment und das letzte als Genitalplatte. Da diesem Beobachter die Anatomie unserer Thiere unbekannt war, so musste ihm die richtige Deutung fremd bleiben. Betrachtet man das Abdomen des Weibchens von der Seite (Fig. A), so findet man auch zunächst ein undeutliches den Stiel des Abdomens bildendes Segment (Fig. 2), hierauf fünf deutliche Segmente (Fig. 3—7), von welchen das vierte, aber noch mehr das fünfte, auf der ventralen Seite besonders stark entwickelt ist, so dass letzteres mit dieser Partie weit nach hinten vorspringt, und endlich ein über diesem liegendes Endsegment (Fig. 10), welches auf der Rückseite den After inmitten eines Kreises von Wachsdrüsen enthält. Die ventral weit vorspringende Partie des siebenten Segmentes wurde von Löw als besonderes siebentes Seg- ment mit dem Namen untere Genitalplatte belegt, während er das letzte, nach ihm achte Segment als obere Genitalplatte bezeichnet. Zwischen diesen beiden Theilen ragt aber eine aus drei Paaren von Stücken be- stehende Legeröhre hervor. Diese Körperanhänge charakterisiren offen- bar besondere Segmente, welche freilich nur mehr durch diese Anhänge zum Ausdruck kommen, und zwar gehört das innere untere Paar dem achten, das innere obere aber und das äußere Paar dem neunten Seg- mente an. Dafür spricht ihre noch zu besprechende Entstehungsweise, indem ersteres Paar durch einen tiefen Einschnitt von den beiden an- deren zusammenhängenden Paaren getrennt ist, in welchen der Eiergang mündet. Wir haben daher Löw’s obere Genitalplatte als zehntes Abdo- minalsegment zu betrachten. Nach dem Durchgeführten haben wir also bei den Psylliden die typische Anzahl von zehn Abdominalsegmenten, von welchen eines, wie bei vielen anderen Insekten, zur Verstärkung in den Thorax einbe- zogen erscheint. Wir haben hier weiter, wie bei vielen anderen In- sekten, am vorletzten und beim Weibchen auch am drittletzten Segmente Anhänge, welche in Zahl und Form jenen anderer mit solchen versehenen Insekten entsprechen. Die Genitalzange des Männchens sitzt wie dort am vorletzten Segmente und entspricht der Zange der Bienen- und Schlupfwespenmännchen und den griffelartigen Fortsätzen am ventralen Theile des vorletzten Segmentes beim Heuschreckenmännchen. Beim Weibchen haben wir am vorletzten Segmente zwei Anhangspaare, von ! F. Löw, Zur Biologie und Charakteristik der Psylliden. Verhandlungen der zool.-bot. Ges. in Wien. T. 26. 4876. 574 Emmanuel Witlaezil, » welchen das obere äußere den eben so gelegenen oberen Scheiden der Heuschrecken und den Stachelscheiden der Hymenopteren, das obere innere dem Stachelstabe der Heuschrecken und der Stachelrinne der Hymenopteren entspricht. Das Anhangspaar des achten Segmentes aber entspricht den unteren Scheiden der Heuschrecken und den Stechborsten der Hymenopteren. | DE GEER hat schon die äußeren Geschlechtsanhänge der Psylliden recht genau abgebildet und beschrieben, worin ihm namentlich F. Löw gefolgt ist. Ersterer unterscheidet bei den Weibchen einen doppelten Bohrer, welcher von zwei hornartigen abgesonderten Theilen, als den Scheiden des eigentlichen Bohrers, umgeben wird. Das Ganze ist wieder von zwei seitlichen häutigen Tbeilen eingeschlossen, die demseiben zum Futteral dienen. Diese äußeren Stücke, welche offenbar die oberen An- hänge des neunten Segmentes sind, will ich obere oder äußere Scheiden nennen, während ich für die Anhänge des achten Segmentes die von DE GEEr angewendete Bezeichnung acceptire und sie untere oder innere Scheiden nenne. Dass die mittleren kurzen und zwi- schen den beiden Scheidenpaaren befindlichen Stücke aber die Funktion eines Bohrers hätten, ist nicht wahrscheinlich und entspricht auch nicht der Art des Ablegens der Eier seitens unserer Thiere; da auch die bei Heuschrecken und Hymenopteren für die entsprechenden Stücke ange- wandte Bezeichnung hier nicht passend erscheint, so könnte man sie vielleicht Leitstäbe nennen. Bei den so nahe verwandten Kleinzirpen fand ich speciell bei TyphlocybarosaeL.am Abdomen des Weibchens eben so drei Paare von Anhängen, von welchen das letzte, breiter als die anderen, diese bauchig umgiebt und dem oberen Scheidenpaar der Psylliden entspricht, während die anderen zwei Paare, schmale chitinisirte Anhänge, dem unteren Scheidenpaar und den Leitstäben zu homologisiren sind. Bei den Männchen dieser Thiere fand ich die Anhangsorgane etwas abwei- chend, indem zwei Zangenpaare auf der Unterseite vor dem letzten Seg- mente vorhanden sind, ein äußeres und ein innerhalb dieses liegendes, aus zwei klauenförmigen Stücken bestehendes. Der kurze konische, am Ende eine sternförmige Chitinbildung zeigende Penis ist ziemlich kurz und weiter hinten angewachsen. Die bei den zwei Geschlechtern der Psylliden so verschiedenen äu- ßeren Geschlechtsorgane ändern auch bei den einzelnen Gattungen in der Form ziemlich ab und werden gegenwärtig mit viel Vortheil nebst einigen anderen Merkmalen in der Systematik derselben verwerthet, während ! hier früher die unzuverlässige Färbung eine wichtige Rolle spielte. Unter den von mir untersuchten Gattungen zeichnen sich Psylla und | ee EEE EEE EEE Die Anatomie der Psylliden. 575 Trioza, die auch sonst einander sehr nahe stehen, dadurch aus, dass im weiblichen Geschlecht die letzten Abdominalsegmente und auch die be- treffenden Anhänge lange ausgezogen erscheinen. Es äußert dies einen gewissen Einfluss auf die Körpergestalt des ganzen Thieres, obwohl diese im Allgemeinen von derjenigen der von mir abgebildeten Psyllopsis wenig abweicht. Bedeutendere Formverschiedenheiten finden wir bei den Larven unserer Thiere, welche der parasitischen Lebensweise vielmehr ange- passt sind, als die Imagines. Der allgemeinste Typus scheint der in Fig. 6 abgebildete zu sein, welcher nicht nur Psyllopsis fraxini- cola, sondern auch den meisten anderen von mir untersuchten Arten zukommt. Der Körper erscheint dorsoventral komprimirt und breit, aber auch nicht unbedeutend dick (Fig. 57) und allseits wohl abge- rundet. An den Seiten des Thorax sitzen wulstförmig die Anlagen der Flügel. Es scheinen bei den Psylliden allgemein vier Larvenstadien vor- handen zu sein 1, welche von einander, so wie vom Embryo und Imago- . stadium durch Häutungen getrennt sind. Da mir manche Veränderungen von allgemeinem Interesse zu sein schienen, habe ich die einzelnen Larvenstadien, besonders bei Psyllopsis fraxinicola verfolgt. Die kleinsten, wohl erst geborenen Larven (1. Stadium) zeigen im All- gemeinen schon die gezeichnete Form. Die Antennen haben zwei kurze Basalglieder und ein langes konisches Endglied, welches an der Spitze zwei verhältnismäßig lange Spürhaare trägt. Die Augen weisen wenige ausgebildete, um diese aber sich neubildende Kegel auf. Die Neben- augen konnte ich noch nicht finden. Am Meso- und Metathorax sind die Flügelanlagen bereits jetzt als kleine, nicht die ganze Breite derselben einnehmende Höcker zu erkennen, welche besonders später durch ihre grauliche Färbung sich von dem meist gelblichgrün gefärbten übrigen Körper unterscheiden. Die Beine weisen noch keine gesonderten Tarsal- glieder, aber am Ende schon zwei Krallen, eine Haftscheibe und ein langes Haar auf. Das Abdomen weist entsprechend den sieben abdomi- nalen Stigmenpaaren bereits jetzt sieben Segmente auf, wovon das erste schon dem Thorax genähert erscheint, so wie ein größeres Endstück, in welchem auf der Unterseite, umgeben von Wachsdrüsen ‚ der After liegt. i Größere Larven (2. Stad.) zeigen das frühere Antennenendglied deut- lich in zwei ziemlich lange Glieder zerfallen, die beide eine weitere Theilung andeuten. Die Flügelanlagen nehmen jetzt die ganze Breite 1 Vgl. E. Wırraczır, Der Polymorphismus v. Chaetophorus populiL. Denkschr. d. math.-naturw. Klasse d. Akad. Wien. T. 48. 1884. 576 | Emanuel Witlaczil, der betreffenden Segmente ein, so dass die von Meso- und Metathorax® an einander stoßen. Noch größere Larven (3. Stad.) zeigen an den An- tennen nach den Basalgliedern ein langes und zwei kurze Mittelglieder und ein langes Endglied, welches eine Einschnürung aufweist. Die Coxa erscheint groß, ein Trochanter ist nicht wahrzunehmen. Flügelanlagen größer. Das folgende bedeutend größere und letzte Larvenstadium (k), welches aus einer, der eben gegebenen Beschreibung entspre- chenden Larvenhaut schlüpft, weist an den Antennen in der Regel acht Glieder auf: zwei basale, ein langes Mittelglied mit Einschnürung, vier kurze Mittelglieder und endlich das längere Endglied mit auch einer an- gedeuteten Einschnürung. Die Augen größer als früher, die Nebenaugen in Ausbildung begriffen und daher als gelbe Flecken zu erkennen. Ein Tarsalglied bereits vorhanden und das zweite durch eine zarte Einschnü- rung an der Tibia angedeutet. Die Flügelanlagen sind groß und zeigen die Form nach hinten gerichteter dicker Stäbchen. Das Abdomen zeigt dieselbe Anzahl von Segmenten, wie am Anfang, das erste ist aber mit dem Thorax in enge Verbindung getreten. Aus so gestalteten Larven- häuten schlüpft das vollkommene Insekt. BeiRhinocolaspeciosa und Psylla crataegi fand ich kleine Abänderungen des beschriebenen Verhaltens namentlich in der gerin- geren Zahl der Antennensegmente bei den einzelnen Larvenstadien. Erscheint schon der Körper der besprochenen Psyllidenlarven breit- gedrückt und so der Unterlage, auf welcher sie sitzen und saugen, ange- passt, so ist dies noch viel mehr der Fall bei jenen der Gattung Trioza (Fig. 56) und einiger anderer Arten, z. B. Homotoma ficus. Bei diesen erscheint der Körper sehr breit, so dass er bei der letzt er- wähnten Art fast die Form eines-Kreises annimmt und dabei sehr dünn, so dass er sich ganz an die Unterseite der Blätter, mit welcher er auch übereinstimmende Färbung zeigt, anschmiegt. Außerdem ist die Flächenausdehnung dieser Thiere noch dadurch vergrößert, dass auch bei anderen Larven vorkommende, aus einer wachsartigen Substanz ge- bildete Haare hier flachgedrückt und in eine Ebene an der Peripherie des Körpers zusammengedrängt erscheinen, so eine Art Spitzenbesatz um denselben bildend. Den beschriebenen Eigenthümlichkeiten kommt wohl der Charakter von Schutzmitteln zu, welche bei den Imagines, die dem Begattungsgeschäft nachzugehen haben, desshalb nicht zur Ausbil- dung gekommen sind, dafür aber während des so lange währenden Larvenlebens in Wirksamkeit treten. Interessant ist, dass aus diesen so flachgedrückten Larven Imagines entstehen, welche einen verhältnis- mäßig dicken runden Körper besitzen. Auch die eben erwähnten Larven stimmen in der Entwicklung ihrer Die Anatomie der Psylliden, - 577 äußeren Organe mit Psyllopsis im Wesentlichen überein und nur die sehr geringe Anzahl von Antennensegmenten (entsprechend der voll- kommeneren Anpassung an die schmarotzende Lebensweise) tritt beson- ders hervor. Bei Trioza rhamni zeigen die jüngsten, aus den auf der Unterseite der Blätter von Rhamnusarten in kleinen Vertiefungen sich vorfindenden Eiern geschlüpften Larven (1. Stad.) an den Antennen nur ein kurzes Basalglied und ein konisches Endglied. Die Augen scheinen nur aus drei Kegeln zu bestehen. Meso- und Metathorax er- scheinen mit seitlichen Wülsten. Am Abdomen sieben schmale und ein breites Endsegment. Das folgende Stadium (2) zeigt nur Größenunter- schiede. Das nächste bedeutend größere Stadium (3) weist an den Antennen endlich zwei Basalglieder und ein langes Endglied auf, wel- ches den späteren Zerfall in mehrere Glieder angedeutet zeigt. Die Flügelanlagen sind größer, deutlich von einander und vom Körper ab- gesetzt. Das folgende große (4.) Larvenstadium hat an den Antennen außer den zwei Basalgliedern und einem mit mehreren Einschnitten versehenen Endgliede bereits drei Mittelglieder. Die Flügelscheiden sind lang und breit: die vorderen reichen vorn bis an die Augen, die hinteren rückwärts fast bis zum dritten Abdominalstigmenpaar. Die Flügel liegen in diesen aber nur von der Ansatzstelle nach rück wärts und reichen auch nicht bis an den äußeren und hinteren Rand. Die Zahl der Abdominalsegmente ist wie früher. Das erste ist sehr breit, so wie der Metathorax und deutlich mit diesem in Verbindung getreten, obwohl an seinem Vorderende sich die schmalste Stelle des Körpers be- findet. Das zweite ist vom Rücken gesehen sehr schmal, die folgenden . fünf breiter und das Endstück groß. Von unten ist vom ersten Ab- dorminalsegment schon hier, wie beim reifen Thier, nichts zu sehen, während das zweite eben so breit, wie von oben, das Endstück aber etwas schmaler erscheint. Homotoma ficus zeigt noch im letzten Larvenstadium an den Antennen außer den zwei Basalsegmenten nur ein langes dickes zuge- spitztes Endsegment mit mehreren Einschnitten, während das ausgebil- dete Insekt die typische Anzahl von Antennensegmenten besitzt. II. Haut, Fettkörper, Muskulatur. Bezüglich dieser Organe gilt im Allgemeinen das von mir ! darüber bei den Aphiden Gesagte. Die Haut zeigt den typischen Bau, indem sie aus einer kleinzelligen Hypodermis besteht, welche eine nicht überall gleich dieke Chitincuticula absondert. Diese ist meist hell, in den 1 E, Wirraczir, Zur Anatomie der Aphiden. Arb.a.d.zool. Inst. d. Univ. Wien. T, IV. 1882, Auch separat. 578 Emanuel Witlaezil, stärkeren Partien aber gelblich, so die entsprechende Färbung der An- tehnen, Beine, der Adern der Vorderflügel, der Wülste am Thorax, der Genitalarmatur bedingend. An manchen Stellen erscheint die Cuticula aber rauchgrau, wodurch die dunkle Färbung gewisser Theile, namentlich der Spitzen der Antennen und Extremitäten erzeugt wird. Auch weist die Cuticula meist Unebenheiten auf, namentlich in Form kleiner Schüpp- chen, welche z. B. an der Vorderseite‘ des Kopfes, an den Stirnkegeln, an den zwei basalen Antennensegmenten auftreten, während sie bei den folgenden Antennengliedern quere Riefen bilden, wodurch diese meist wie fein geringelt erscheinen. Die Haare sind hier nicht so groß und regelmäßig angeordnet, wie bei den Aphiden;; größere Haare stehen zahl- reich an den Stirnkegeln und äußeren Geschlechtsorganen. Gleich hier möchte ich Erwähnung thun einer bräunlichen Färbung, die mit einem körnigen Aussehen verbunden ist, und sowohl im fri- schen Zustande als auf Schnittpräparaten der Hypodermis oft zukommt, außerdem aber bei vielen anderen Organen anzutreffen ist, z. B. an der Mündung des Enddarmes, an den Kegeln der zusammengesetzten und an den einfachen Augen, an den Ansatzstellen der Muskeln an der Haut, an der Peripherie des Pseudovitellus, an fast sämmtlichen inneren Thei- len der Geschlechtsorgane der Männchen wie der Weibchen. Dieses häufig auftretende Aussehen hängt wohl mit einem bestimmten Zustande des Zellgewebes zusammen. Der Fettkörper, welchen Durour! nicht finden konnte, ist reich- lich genug, namentlich unter der Haut vorhanden, großzellig und oft, z. B. bei Trioza urticae, in Lappen angeordnet. Er verleiht durch seine meist grünliche, durch die Cuticula schimmernde Farbe, dem Thiere die Färbung. Die Larven erscheinen meist mehr oder weniger srün. Die Imagines, Anfangs grün, werden später oft, so z. B. beiPsyl- lopsis fraxinicola, mit Veränderung des Fettkörpers gelblich, während sich hier und da grüne Partien erhalten, bis die alten Imagines sogar lichtbräunlich erscheinen. Bei manchen Arten, z. B. Rhinocola speciosa, finden sich bei Larven und auch bei den Imagines an Kopf, Thorax und Flügeln dunkle Flecken. Auf Schnitten findet man im Fettkörper häufig helle glänzende, oft röthlich gefärbte, runde, manchmal auch gelbliche bis bräunliche, halb- mond- bis ringförmige Körperchen von geringerer oder bedeutenderer Größe. Erstere finden sich namentlich auf Schnitten durch Larven zahl- reich und erschweren die Untersuchung, indem sie den Fettkörper ziem- ! L. Durour, Rech. anat. et physiol. sur les H&mipteres. (Auch in den Mem. de IInstit. de France. Sciences math. et physiques. T. IV.) 1833. p. 273: Die Anatomie der Psylliden. 579 lich undurchsichtig machen, sind aber nicht mit den Bläschen identisch, die sich manchmal bei mit Schellack aufgepickten Schnitten so unlieb- sam einstellen. Ganz ähnliche Körperchen fand ich auf Schnitten im Fettkörper der Larven von Gecidomyiden so wie bei Larven und Puppen von Ameisen und Puppen von Musca erythrocephala, bei welchen sie oft roth gefärbt und von ähnlichem Aussehen wie Dotter- körnchen waren, und auch in den Körnchenkugeln sich vorfanden. Zwischen diesen Körperchen sieht man manchmal (Fig. 28) den roth tingirten Zellkern so wie Blasen, welche durch Extraktion der Fett- tröpfehen entstanden sind. Die betreffenden Zellen scheinen aber hier und da gar keine Fetttröpfchen zur Ausbildung gebracht zu haben, indem die Vacuolen ganz fehlen. Einzelne kleinere Zellen, welche noch keine Fetttröpfchen ausgebildet haben, finden sich allgemein zwischen den älteren Fettkörperzellen; sie sind aber mit jenen Zellen nicht identisch. Den zuletzt erwähnten ähnliche Zellen kommen bei den Psylliden ganz allgemein in verstreuten größeren und kleineren Massen in der Höhlung des Fettkörpers um das Herz, namentlich auf der Unterseite desselben, vor (Fig.10). Sie unterscheiden sich ziemlich stark von dem weiterhin in kompakteren Massen gelegenen Fettkörper; sie sind heller und kleiner als die Zellen desselben und zeigen meist einen homogenen Zellinhalt. Hier und da findet man aber neben dem Kerne eine oder mehrere kleine Blasen, so wie manche dieser Zellen auch größer sind als die übrigen. Wir haben daher diese Zellmassen wohl als unausgebilde- tes Fettgewebe anzusehen. Ganz ähnliche Zellmassen fand ich um das Herz der Puppen von Ameisen und von Musca erythrocephala. Der hier zu besprechenden, mit dem Integument in Verbindung stehenden Muskulatur ist eine etwas ausführlichere Erörterung zu widmen. Am kürzesten kann die Bewegung des Abdomens behandelt werden. Sie erfolgt durch mehrere Reihen von motorischen Muskeln, welche am Rücken wie am Bauch der Länge nach verlaufen und sich an den Intersegmentalwülsten ansetzen. Nur am Anfang und am Ende des Abdomens weichen diese Muskeln bezüglich der Ansatzstelle von dieser Regel ab, wie man sich auf meiner Zeichnung (Fig. 9) überzeugen kann. Neben diesen sind mehrere Reihen dorsoventral verlaufender respirato- rischer Muskeln vorhanden, welche sich auch an den Intersegmental- wülsten ansetzen und durch deren Kontraktion die Ausathmung erfolgt. Bei den Imagines befinden sich am Ende des Abdomens noch zahlreiche Muskeln zur Bewegung der äußeren Genitalorgane (Fig. 9 und A). Der Thorax enthält die ganze lokomotorische Muskulatur. Die ', Flugmuskulatur scheint mir mit der nach sorgfältigen Untersuchungen 580 Emanuel Witlaezil, von GRABER ! gegebenen Darstellung in Bezug auf Anordnung und Wirk- samkeit übereinzustimmen. Meine Darstellung dieser Verhältnisse bei den Aphiden war abweichend. Der größere Theil der Bewegung wird nicht durch die seitlich liegenden und von der Ansatzstelle der Flügel nach ab- wärts verlaufenden Elevatoren und Depressoren bewirkt, sondern durch dorsoventral und longitudinal den Thorax durchziehende Pfeilermuskeln, welche durch Kompression des Thorax in dorsoventraler resp. longitudi- naler Richtung die Hebung und Senkung der Flügel bewirken. Diese Muskeln sind besonders im Mesothorax ausgebildet, wo erstere von der Seite gesehen in der Zahl von zwei starken und dahinter einem dünneren Muskel vom Rücken zur Brust, letztere auch in mehrfacher Anzahl vom Vorderrande desselben zu einer stark chitinisirten Hauteinstülpung an seinem Hinterrande sich hinziehen und außerdem von oben zu ähnlichen seitlichen Einstülpungen. Im Metathorax erkennt man von der Seite auch einen dorsoventralen Muskel, während der longitudinale nur wenig ent- wickelt erscheint. Diese beiden Arten von Pfeilermuskeln dürften wohl den die Abdominalsegmente durchziehenden respiratorischen und motori- schen Muskeln, welchen auch ähnliche Muskeln im Prothorax entsprechen, im Allgemeinen als homolog anzusehen sein, und sich aus denselben her- ausgebildet haben. Auch die Muskulatur und Bewegung der Beine entspricht GRABER'S Darstellung. Die Goxa, welche kegelförmig vom Körper absteht und da- durch eine freiere Beweglichkeit der daran eingelenkten Beine bewirkt 2, zeigt sich schief ansetzende Muskeln, welche wohl zu einer geringen Drehung der Beine dienen. In ihnen liegen als kurze Muskeln die Strecker und Beuger des Schenkels (Fig. 9). Der im Metathorax und dem damit verschmolzenen ersten Abdomi- nalsegmente gelegene Sprungapparat bedingt einige Verschiedenheit am dritten Beinpaare. Während der Trochanter mit dem Femur eng verbunden ist, ist die Coxa mit den ventralen Partien der erwähnten zwei Segmente zu einer Chitinkapsel verschmolzen, welche von Einstül- ' pungen der Körperwand nach vorn, rückwärts und oben begrenzt ist. | Die betreffenden Einstülpungen der unteren und seitlichen Partien der ' Körperwand sind besonders stark chitinisirt und dienen theils als An- | satzstellen für die Muskulatur, theils zur Stütze des ganzen Apparates. | Strecker und Beuger des Femur, welche wegen Übernahme der Sprung- | funktion mächtig entwickelt sind, füllen diese nach oben natürlich nicht | ! V. GrABER, Die Insekten. I. Theil: Der Organismus der Insekten. — Natur- | kräfte. Bd. XXI. München 4877. ? E. Wiırraczır, Entwicklungsgeschichte der Aphiden. Diese Zeitschr. Bd. XL. ' 1884. p. 592. Die Anatomie der Psylliden. 581 ganz abgeschlossene Kapsel aus. Das dritte Beinpaar ist beim lebenden Thiere schief nach außen und rückwärts gewendet, wie bei den aller- meisten Insekten. Zum Aufrichten desselben dient ein verhältnismäßig schwacher Muskel, welcher mit dem einen Ende hinten am Femur be- festigt, mit dem anderen viel breiteren Ende sich seitlich unten an der Kapsel fesisetzt. Den größten Theil der Kapsel nimmt aber eine Muskel- masse ein, welche sich mit einer durch Einstülpung entstandenen Chitin- sehne vorn am Femur ansetzt und in ihrer Wirkung jenem Heber des Beines offenbar entgegengesetzt ist. An einem aus Wachs angefertigten Beine kann man sich durch Versuche von dieser Bewegungsweise über- zeugen. Indem beim Absterben der Thiere im Salzwasser oder bei der Färbung die Muskeln sich kontrahiren, überwiegt natürlich die Wirkung dieser großen vorderen Muskelmasse und das dritte Beinpaar erscheint in Folge dessen beim todten Thier nicht in der natürlichen Lage, sondern nach vorn gewendet, sich der Unterseite des Thoraxanlegend (Fig. 5). Diese - Verhältnisse weisen uns auf die Art hin, wie das Springen bewirkt wird. Indem nämlich das durch den rückwärtigen schwachen Muskel aufge- richtete Bein durch die starke vordere Muskelmasse gegen die Brust zu schnellen versucht wird. Da der festsitzende Fuß dieser Bewegung nicht folgen kann, so wird durch den Rückstoß bei der so erfolgenden Auf- richtung des Beines der Körper emporgeschnellt. Ich versuchte es die ' Thiere selbst beim Abspringen zu beobachten ; es geschieht dies aber so - schnell, dass meine Versuche vergebene blieben. Wenn die Thiere vom ' Sprunge herabstürzen, fallen sie auf den vorderen Theil des Körpers, | oft auf den Kopf, und meist schlagen sie dann heftig mit den Flügeln, ‚ wobei sie sich auf dem Kopfe wie ein Kreisel herumdrehen. | Das histologische Aussehen des größten Theiles der beschriebenen ' Muskulatur ist das gewöhnliche (Fig. 293—31 A). Die Muskeln weisen Längsfasern auf, welche feinkörnige Querstreifen besitzen. Nach Be- handlung mit Essigsäure, so wie auf Schnitten, wo um dieselben hier und da Zellkerne hervortreten, wird dieses Verhalten deutlicher. Die Ansatizstellen der Muskeln des Flugapparates erscheinen mehrköpfig auf Schnitten (Fig. 30 A), welches Bild aber vielleicht auf Veränderung in \ Folge der Behandlung mit Reagentien zurückzuführen sein dürfte. ‚Die zum Emporschnellen des Körpers dienende Muskulatur zeigt ein von dem Beschriebenen abweichendes Verhalten (Fig. 29—31 B). Sie besteht aus verhältnismäßig dünnen Strängen, welche fast parallel neben einander verlaufend zwischen sich hier und da Zwischenräume frei lassen, die vom Fettkörper ausgefüllt werden und durch ziemlich weit "| von einander abstehende quere körnige Streifen gegliedert erscheinen, so dass sie wie aus Quadersteinen aufgebaut aussehen. In dem helleren 582 h Emanuel Witlaezil, Inhalt findet man ganz feine Körnchen. Die Behandlung mit Essigsäure ruft keine nennenswerthe Veränderung hervor. Auf Schnitten erscheinen sie ganz zart längsgestreift. Manchmal findet man dann die quere Gliede- rung gar nicht, während sie in den meisten Fällen scharf hervortritt. Um die betreffenden, gezackt verlaufenden Querstreifen erscheint das Protoplasma heller. — Die Muskulatur zur Bewegung der äußeren Ge- schlechtsanhänge, besonders der Weibchen, scheint in ihrem histologi- schen Verhalten ein Mittelglied zu sein zwischen dem bei der querge- streiften Muskulatur gewöhnlichen und dem eben beschriebenen. Die Querstreifen fehlen nämlich auch hier manchmal, treten aber gewöhn- lich, wenn auch dichter als bei jenen Muskelsträngen, doch viel spär- licher und deutlicher auf, als bei gewöhnlichen Muskeln. Ein ganz ähn- liches Verhalten zeigen die rückwärts im Abdomen befindlichen Muskeln bei entwickelten Puppen von Musca eryihrocephala. Die Flug- und Sprungmuskulatur bildet sich erst während des Larvenlebens aus Mesodermsträngen und erscheint bei den ersten Larven- stadien lange nicht so umfangreich, wie bei den ausgebildeten Thieren. Bei ersteren kann man auch sehr leicht durch Behandlung mit Essig- säure oder durch Färbung zahlreiche Zelikerne an denselben zum Vor- schein bringen. Sie liegen in langen Strängen an der Peripherie und bei den dicken Pfeilermuskeln auch mitten drin, in eine heller er- scheinende feinkörnige Masse eingebettet, welche wohl als Überrest der die Muskeln ausbildenden Zellen zu betrachten ist. III. Wachsdrüsen und Wachshaare. Einzellige Wachsdrüsen finden sich ganz allgemein bei den Psylli- den in einer Reihe angeordnet um den After der Larven und des weib- lichen Imagos. Wie schon erwähnt, liegt der After bei den Larven auf der Unterseite des letzten großen Abdominalsegmentes. In einiger Ent- fernung umgiebt denselben ein Chitinstreifen, welcher den Umriss einer nierenförmigen Bohne mit nach vorn gewendeter Konkavseite nachahmt (Fig. 7), und innerhalb dieses in größerer Nähe des Afters ein zweiter ähnlicher aber zarterer Streifen, zwischen welchen beiden Streifen die Cuticula punktirt erscheint. Das größere Chitinband zeigt eng neben einander liegende quere elliptische Verdickungen, welche die darin ge- legene Mündung je einer Wachsdrüse umgeben. Diese einzelligen, kurz schlauchförmigen Drüsen sind nämlich längs des erwähnten Chitinbandes angeordnet und liegen, da sie sich gegen das freie Ende zu ziemlich stark verdicken, in der Regel zu zweien bis dreien in dem so gebildeten Wulste | neben einander (Fig. 21), durch quere Einschnitte desselben oft wieder | in kleine rundliche Gruppen von sechs bis acht gesondert. Die Anatomie der Psylliden. 983 Diese Wachsdrüsen mit dem ihre Mündungen zusammenfassenden Chitinbande finden sich auch um den After des weiblichen Imagos, welcher auf der Rückenseite des zehnten Abdominalsegmentes liegt (Fig. 3, 4). Der Umriss des Chitinbandes erscheint hier aber in Rich- tung der Längsachse des Körpers ausgezogen. Bei den männlichen Imagines, deren After an der Spitze des zehnten Abdominalsegmentes mündet, fehlt das besprochene Chitinband, während die betreffenden Wachsdrüsen rückgebildet zu werden scheinen. Nur auf Schnitien durch Männchen von Rhinocola speciosa fand ich Überreste derselben im siebenten und achten Abdominalsegmente. Die erwähnten Drüsenzellen besitzen an ihrem dickeren freien Ende einen hellen Kern mit deutlichem Kernkörperchen (Fig. 22). Von dem- selben aus kann man an frischen Präparaten bis zur Mündung einen hellen Streifen ziehen sehen, welcher von dem feinkörnigen Protoplasma des Zellkörpers umgeben wird. Auf Schnitien erscheinen die Zellkerne intensiv roth gefärbt, während der Zellinhalt homogen feinkörnig röth- lich oder bräunlich erscheint (Fig. 21). Diese Drüsen sondern dünne Wachsfäden ab, welche bei Entleerung der flüssigen Exkremente hervortreten und dieselben mit einer zusam- menhängenden und sie zusammenhaltenden dünnen Wachsschicht be- ; decken. Die Exkremente werden nicht plötzlich, sondern ganz allmäh- ' lich entleert; man findet bei den meisten Larven am hinteren Körperende eine längliche Exkrementmasse hängend, die sich während der Beob- achtung nicht merklich vergrößert (Fig. 6). Diese ist meist wurstförmig, ' hier und da eingeschnürt (Fig. 23), manchmal spiralig zusammengerollt “ und legt sich dann und wann auf den Rücken der flachen Larven. An der Oberfläche derselben kann man die einzelnen Wachsfäden oft wahr- . nehmen, welche hier und da auch davon abtreten. Im optischen Durch- | Schnitt erscheint diese Wachsschicht oft gelblich und innerhalb derselben ‚ die breit schwarz geränderte Flüssigkeitsmasse. Diese wird durch die ‚ sie bedeckende Wachsschicht zusammengehalten und so der Körper davor | bewahrt, dass er mit den zuckerhaltigen und klebrigen Exkrementen ‚ beschmutzt werde, was sonst wegen der Lage des Afters bei Larven und \ Weibchen schier unvermeidlich wäre. Bei den Männchen ist diese Ein- ‚ tichtung wegen der Lage des Afters überflüssig und sie ist daher rückge- ‚ bildet. Diese Wachsdrüsen haben also eine ganz ähnliche Aufgabe, wie | jene der in Gallen lebenden Blattläuse! und sie sind auch wie dort auf umgewandelte Zellen der Hypodermis zurückzuführen. | ! E. Wırraczır, Zur Anatomie d. Aphiden. Arb. a. d. zool. Inst. d. Univ. Wien. | 1V..1882. p. 18. i 2 C. CrAus, Über die wachsbereitenden Hautdrüsen der Insekten. Marburger ‚| Sitzungsberichte 4857, Juni. Nr. 8, p. 72. 584 Emanuel Witlaezil, Den aus den Afterdrüsen tretenden ganz ähnliche sehr dünne Wachs- fäden finden sich übrigens verstreut zwischen den anderen noch zu be- sprechenden Wachshaaren, auf der Rückenseite namentlich des Abdomens bei den Larven vieler Psylliden, ohne dass man ihre Drüsenzellen nach- weisen könnte. Diese Fäden sind meist stark gekräuselt, von wolligem Aussehen und bilden, theilweise zerrieben, einen Wachsüberzug, beson- ders an den seitlichen Partien von Abdomen und Thorax (Fig. 6), so dass das Thier wie bestäubt erscheint. In Alkohol lösen sich diese Wachs- fäden sehr leicht und rasch. Die Imagines sind kurz nach der Häutung immer nackt, erscheinen aber später bei manchen Arten auch mit Wachs- flaum ‚bedeckt. Ich fand dies z. B. bei Trioza rhamni. Ähnliche Angaben finden sich in der Litteratur, z. B. für Psylla mali vonF. Löw. Öfter sehen die Imagines wie mit Wachs bestäubt aus. Ich fand dies z. B. beiPsyllaalni, bei Psylla Foersteri auf der Unterseite des Thorax etwas, bei Psyllabuxi an den Kopfkegeln und am Thorax bei Trioza urticae. Ähnliches findet man bei den Imagines mancher Aphidenarten. Eine sehr weite Verbreitung bei den Larven der Psylliden haben eigenthümliche, verschieden gestaltete Haargebilde, welche ich Wachs- haare nennen will, da sie aus einer wachsartigen, in Alkohol sich mehr oder minder lösenden Substanz bestehen. Sie sitzen, wie die gewöhn- lichen Haare, an Vorragungen der Körperhaut, werden aber nicht von Fortsätzen, wenn auch besonders geformter Hypodermiszellen, sondern von Drüsenzellen abgesondert: sie werden bei den Häutungen abgeworfen und wachsen unten nach, während sie an der Spitze oft abbrechen. Bei dem gewöhnlichen Larventypus, z. B. bei den Larven von Psyllopsis fraxinicola (Fig. 6) und Rhinocola speciosa fand ich verhältnismäßig dicke, gerade spießförmige oder etwas gebogene Haare auf der Rückenseite, namentlich an der Peripherie des Körpers: an den Flügelanlagen eben so wie um das Abdomen, am zahlreichsten am hinteren Körperende. Man kann sie an derselben Larve von sehr verschiedener Länge antreffen, von sehr kurzen bis zu solchen, die selbst die Körperlänge übertreffen. Wir können bei Psyllopsis zwei Arten davon unterscheiden: die einen haben ein sehr weites Lumen und sind dünnwandig, die anderen haben ein sehr enges, nur an der Basis etwas erweitertes Lumen in Form eines dunklen Striches in der Mitte und sind sehr dickwandig, wobei diese dicken Massen wellenförmige Längsstreifen aufweisen. Jene sind meist unregelmäßig abgebrochen, diese öfter intakt erhalten, am Ende zugespitzt. Diese starken Wachshaare lösen sich nur langsam in Alkohol. Bei Larven von Rhinocola speciosa fand ich zwischen den klaren dickwandigen Wachshaaren übrigens auch kurze Die Anatomie der Psylliden. 585 dünne etwas gebogene Chitinhaare von gelblichem Aussehen (Fig. 32). Auch bei Homostoma ficus finden sich zwischen den geraden, fast massiven und sehr blass aussehenden Wachshaaren ziemlich große, gebogene und gelblich gefärbte Chitinhaare (Fig. 35). Erstere zeigen hier keine Längsstreifung und sitzen an kurzen Vorragungen der Körper- wand, letztere an verhältnismäßig langen Stielen. Ganz besonders sind die Wachshaare geformt bei Trioza. Ich unter- suchte sie näher von Trioza rhamni. Sie kommen hier nur in einer Reihe an der Peripherie des Körpers vor, etwas oberhalb des äußeren Randes eingefügt. Bei dem ersten Larvenstadium erscheinen sie blatt- artig breit (Fig. 7), bei den folgenden, nachdem jene abgeworfen wur- den, parallelseitig, aber auch dorsoventral zusammengedrückt (Fig. 8). Ihre Zahl nimmt bei den folgenden Larvenstadien immer zu und scheint einer gewissen Gesetzmäßigkeit zu folgen. Bei mehreren ganz jungen Larven (4. Stadium) fand ich dieselbe Anzahl und zwar jederseits am Kopfe 10, an Pro-, Meso- und Metathorax je ein besonders großes und am Abdomen 12. Bei einem späteren, wahrscheinlich dem zweiten Sta- dium, war an verschiedenen Individuen die Anzahl etwas schwankend, jederseits am Kopfe 14—-16—17, am Thorax 20—21—22, am Abdomen bei den beobachteten Individuen konstant 22. Bei einem noch späteren Stadium (wohl 3.) zählte ich 31 + 72 + 64. — An den blattartigen ‘ Wachshaaren des ersten Larvenstadiums kann man zwei seitliche Strei- fen und eine hellere, mehr oder weniger elliptische ‚centrale Partie unterscheiden. Es scheint fast, dass diese centrale Partie die kompri- mirteste ist, indem in den beiden seitlichen Streifen, oder wenigstens in einem derselben sich bei Untersuchung in Wasser oft Luft vorfindet, während dies im mittleren Raume seltener der Fall ist (Fig. 34). Auch bei den späteren parallelseitigen Haaren sieht man in der Mitte oft einen Längsstreifen und manchmal ist nur in der einen Hälfte Luft erhalten, während meist das ganze Haar mit Luft gefüllt ist. Diese klaren Wachs- haare sind sehr zart und daher am Ende meist abgebrochen, bei manchen Thieren daher ganz kurz, besonders an den Seiten des Körpers. Sie lösen sich bei Behandlung zur Färbung fast immer auf, so dass nur ihr solider gelblicher Basaltheil erhalten bleibt. Nur auf einem Schnitt- ‚ präparat fand ich einige benachbarte Wachshaare erhalten, wo sie eine röthlich gefärbte mit einander verschmolzene Masse bildeten (Fig. 34 B). Ähnlich, wie die gewöhnlichen Haare, werden die Wachshaare von ‚größeren Hypodermiszellen abgesondert, welche bei dem gewöhnlichen ‚| Larventypus unregelmäßig einzeln oder in Gruppen zu mehreren am -\ Rücken vertheilt sind (Fig. 33). BeiHomotoma ficus kommen nur einzelne am Rücken vor, während bei Weitem die meisten in eine Zeitschrift £, wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 39 986 Emanuel Witlaczil, Schicht an der Peripherie des Körpers zusammengedrängt erscheinen (Fig. 35), und bei Trioza ist ausschließlich eine periphere Reihe vor- handen (Fig. 34). Dieselben bilden einen bräunlichen Streifen, der von dem grünlich gefärbten, weiter nach innen zu durchscheinenden Fett- körper meist ziemlich stark absticht. Die betreffenden Zellen weisen, ähnlich wie ich dies für die die Haare der Aphiden bildenden Zellen nachgewiesen habe, im frischen Zustande einen verhältnismäßig großen Hohlraum auf, welcher vielleicht mit Sekretionsflüssigkeit gefüllt ist und blass graulich ohne schwarzen Rand erscheint. Im Zellinhalte zeigen sich häufig sowohl an frischen als gefärbten Präparaten radiäre, gegen die Münduns zu gerichiete Streifen (Fig. 32, 33). Der Zellinhalt erscheint oft gelblich oder bräunlich gefärbt, im frischen Zustande hell und fein- körnig, auf Schnitten röthlichbraun und noch feinkörniger. Der Zellkern tritt am frischen Objekte nicht hervor, lässt sich aber an Schnittpräpa- raten leicht nachweisen; er erscheint nach innen zu gelegen von rother Farbe mit noch intensiver gefärbten Kernkörperchen. IV. Tracheensystem. Während sich das Tracheensystem bei den Imagines nur schwer untersuchen lässt, ist dies bei den Larven, besonders den flachgedrück- ten, verhältnismäßig leicht (Fig. 8). Die Stigmen liegen bei diesen, z.B. den von mir untersuchten Larven von Trioza rhamni, ganz am Rande auf der Unterseite des Körpers. Ihre Anzahl beträgt jederseits neun : je ein weit nach vorn verschobenes in Meso- und Metathorax und sieben in den ersten sieben Abdominalsegmenten. Die Tracheen selbst erscheinen ähnlich wie bei den Aphiden an jungen Larven von gewundenem Ver- iauf und wenig verästelt, später gestreckter und stärker verzweigt. Die Stigmen führen in kurze Stämme, welche aber nicht viel dicker sind, als die Äste, in welche sie sich bald auflösen. Der Stamm des Mesothorax zerfällt besonders in drei wichtige Äste, welche sich weiterhin wieder theilen. Der erste verläuft nach innen und vorn und löst sich in Tracheen auf, welche in die Antenne, zum Vorderkopf und zum Auge ireten. Früher zweigt sich aber noch von ihm ein Ast ab, welcher mit einem ähnlichen der anderen Seite durch Verschmelzung eine quere Verbindung herstellt, und von dem sich noch ein anderer, das erste Bein versorgender, absondert. Der zweite selbständige Ast theilt sich wieder; ein Zweig desselben bildet mit einem ähnlichen der anderen Seite eine etwas hinter der ersten gelegene Querkommissur, der andere versorgt das zweite Bein und stellt durch einen kleineren Zweig eine Verbindung mit dem zweiten Tracheenstamme her. Der dritte Ast verläuft am Rücken in einem Bogen nach innen und hinten und bildet, indem er | Die Anatomie der Psylliden. 587 sich mit einem Aste des zweiten Tracheenstammes verbindet, den An- fang des am Rücken liegenden Tracheenlängsstammes. Vom Metathorakalstamm gehen zwei wichtige Äste aus. Der obere verläuft am Rücken ein ziemliches Stück gegen die Mittellinie des Kör- pers, wo er sich gabelt und nach vorn mit dem schon erwähnten Aste des ersten Stammes, nach rückwärts aber mit einem solchen des ersten Abdominalstammes in Verbindung tritt, so seinen Theil zur Bildung des Längsstammes beitragend. Der zweite Ast versorgt das dritte Bein und stellt durch einen Zweig eine der oben erwähnten ähnliche, am Rande des Körpers verlaufende Längskommissur mit dem ersten Abdominal- stamme her. Diese beiden Längskommissuren versorgen die Flügelan- lagen mit Tracheen. Gleich an der Basis des zweiten Asies geht ein Zweig ab, welcher mit einem ähnlichen der anderen Seite eine dritte Querkom- missur bildet. Diese Querkommissuren erscheinen von oben gesehen tief im Körper liegend und die ersten zwei sind mit einander in der Mittel- linie des Körpers verschmolzen, so dass ihre Lumina kommuniciren. Die abdominalen Tracheenstämme theilen sich je in einen dünnen Ast, welcher ventralwärts verlaufend sich in noch dünnere Ästchen auf- " löst, und in einen stärkeren Ast, der am Rücken ziemlich weit gegen ‘ ‚die Mittellinie verläuft, wo er sich gabelt und mit den entsprechenden Ästen des vorhergehenden und folgenden Stammes verbindet. Indem der rückwärtige dieser beiden Äste des siebenten abdominalen Tracheen- stammes sich mit dem der anderen Seite vereinigt, stellt er die vierte Querkommissur her, welche die beiden am Rücken liegenden, durchaus nicht ganz gerade verlaufenden Tracheenlängsstämme verbindet. Zu | erwähnen bleibt noch, dass sich vom ersten und vierten abdominalen Tracheenstamm Äste sondern, welche unter den dorsalen gegen die ' Mittellinie zu verlaufen, um sich endlich gegen einander zu wenden und so auf jeder Seite zu einer kleinen Längskommissur zwischen den be- trefienden zwei Stämmen zu verschmelzen. Die dargestellten bei Larven von Trioza rhamni beobachteten Verhältnisse fand ich auch bei Larven von Psyllopsis fraxinicola und Rhinocola speciosa. Bei den Imagines ist der Bau des Tracheen- systems ein damit übereinstimmender. An auf der Seite in Glycerin liegenden Exemplaren von Psyllopsis fraxinicola konnte ich das | letzte Stigma an dem von mir als siebentes angesprochenen Abdominal- segmente finden. Keinen Irrthum dürfen die von diesem Stamme aus- gehenden zahlreichen, die Genitalien versorgenden Tracheen verursachen. Das zweite Abdominalstigma fand ich bei einem Weibchen am ersten \ frei am Abdomen hervortretenden Segmente und das ersie scheint un- | weit davon im Thorax zu liegen. 39* 388 Emanuel Witlaczil, Die Tracheen bestehen, wie ich dies auch für die Aphiden nach- ; gewiesen habe, lediglich aus einer Schicht verschmolzener Zellen, welche die spiralig verdickte Chitincuticula absondern. Nach einem Tracheenverschluss habe ich eifrig gesucht. Eine von der Beschreibung Lannoıs’ abweichende Vorrichtung fand ich aufSchnitten durch ihre Größe ausgezeichneter Psylla-Arten, so von Psylla buxi, Foersteri. Es ist dies ein kurzer quergestreifter Muskel, welcher namentlich an den beiden Thorakalstämmen gut nachweisbar ist, an deren Stigma er sich auf der Bauchseite mit dem einen Ende ansetzt, während das andere Ende sich unterhalb an der Körperwand festheftet (Fig. 14). Das Stigma erscheint enger als der Tracheenstamm und weist in der Mündung kleine Chitinfortsätze auf. Es wird von einem verdickten Chitinstreifen gebildet, der aus zwei Hälften zu bestehen scheint, welche durch ihre Elastieität gegen einander federn, so dass in der Ruhe das Stigma geschlossen bloß als wagrechte Spalte erscheint. An der ventralen Hälfte setztsich aber jener Muskel an, durch dessen, vielleicht zugleich mit jener der respiratorischen dorsoventralen Muskeln erfolgende Kontraktion das Stigma ganz geöfinet wird. Die Öffnung mag für das Ausathmen erfolgen, da die Einathmung in die durch die Elastieität ihrer Chitin-- wandung sich wieder ausdehnenden, fast luftleeren Tracheen auch durch die beim Schließen übrig bleibende Spalte erfolgen kann. Die be- sprochene Einrichtung fand ich weniger ausgebildet auch an den Ab- dominalstämmen. Die beschriebene Vorrichtung stimmt nicht mit den von den Brüdern Lannoıs und TueLen beschriebenen Tracheenverschlussapparaten über- ein 1-2, mit Ausnahme ihrer ursprünglichen Angaben für die Lepidop- teren’. Der von mir oben beschriebene, übrigens auch bei den Goc- ciden vorkommende Apparat scheint eine unwillkürlich beim Athmen | fungirende Vorrichtung zu sein, welche nothwendig geworden ist mit der zum Schutze der Tracheen erfolgenden Verengerung der Stigmen. | ı H. Laxnois und W. TBELEN, Der Tracheenverschluss bei den Insekten. Diese | Zeitschr. Bd. XVII. 1867, | Fi 2 L. Lannoıs, Untersuchungen über die auf Menschen schmarotzenden Pedieu- | linen. IV, Über die eigenthümliche Verschlussvorrichtung an den Tracheen der | Läuse. Diese Zeitschr. Bd. XV. 1865. p. 499. 3 H. Lannoıs und W. TezLen, Der Tracheenverschluss bei Tenebrio molitor, Arch f. Anat. u. Physiol. 1866. p. 39. * L. Lannoıs, Anatomie der Bettwanze mit Berücksichtigung verwandter Hemipe terengeschlechter. IV. Respirationsorgane. Diese Zeitschr. Bd. XIX. 1869. p. 207. | 5 H. Lannoıs, Der Stigmenverschluss bei den Lepidopteren. Arch. f. Anat. und | Physiol. 4866, p. 43. “| | ‘ hinten die beiden Kommissuren zu dem Unterschlundganglion bildet. \ v \ Die Anatomie der Psylliden. 589 Dass übrigens der von Lanpoıs und ähnlich bereits von BurmEIsTer ! be- schriebene Apparat dazu dienen sollte, in besonderen Fällen die Tracheen willkürlich zu verschließen, scheint mir unwahrscheinlich. Auch bei höheren Thieren kommen keine solchen Vorrichtungen vor, da der Körper der Thiere überhaupt nicht für ganz ausnahmsweise Fälle eingerichtet ist. Und selbst die von Lanpoıs beschriebenen Vorrichtungen erscheinen durchaus nicht geeignet, die Tracheen vor feinem Staub oder gar Gasen zu verschließen. Den von Laxnoıs? angestellten physiologischen Ver- suchen scheint aber die Beweiskraft zu fehlen. V, Nervensystem und Sinnesorgane. Der äußere Bau des Nervensystems der Psylliden ist derselbe, wie ich ihn für die Aphiden in meiner Arbeit zur Anatomie dieser Thiere beschrieben habe (Fig. 36 u. 38). Ich will hier nur kurz erwähnen, dass das Gehirn ziemlich umfangreich ist und eine centrale Masse auf- weist, von welcher durch Einschnürungen zwei seitliche Lappen ge- trennt sind, die den Opticus der großen zusammengesetzten Augen ent- senden. Die bilateral-symmetrische centrale Masse, welche man als Mittellappen bezeichnen kann, verlängert sich nach unten in die hier kurzen, in den Vorderkopf reichenden Vorderlappen, während sie nach Dieses ist eine flachgedrückte, länglich abgerundete Masse, die durch eine Einschnürung von dem ähnlich geformten, aber längeren und über- haupt viel umfangreicheren Bauchmark getrennt ist, und an dieser Stelle auch in der Mittellinie einen Einschnitt zeigt, der durch den Stech- borstensack verursacht wird (Fig. 36 u. 37). Das Unterschlundganglion entspricht den drei Ganglien der Mundgliedmaßen. Im Bauchmark aber können wir vier Ganglien unterscheiden, wovon die ersten drei den ur- sprünglichen drei Thorakalganglien entsprechen und abgesehen von an- deren Nerven die entsprechenden Beinpaare mit Nerven versehen, wäh- rend das vierte aus sämmtlichen zusammengezogenen Abdominalganglien gebildet erscheint? und nach hinten einen unpaaren aber symmetrisch gebauten Bauchnervenstrang entsendet, von dem in kurzen Distanzen die das Abdomen versorgenden Nerven entspringen. Die Zusammensetzung des Centralnervensystems der Psylliden ent- ', spricht derjenigen anderer Insekten. Es besteht aus einer centralen Marksubstanz und einem peripherischen Ganglienzellenbelag, welcher 1 Vide H. Burmeister, Handbuch der Entomologie. I. Berlin 1832. p. 470, 2 H. Lanpoıs und W, TuELEN, Der Tracheenverschluss etc. 3 Vgl. darüber das in meiner Entwicklungsgeschichte der Aphiden, diese Zeit- schrift, Bd. XL, 1884, p. 598, Gesagte. 590 Emanuel Witlaczil, nur am Hinterende der Mittellappen in der Nähe der Kommissur mit dem Unterschlundganglion und an diesem selbst fehlt. Die Zellen des Rin- denbelages sind vieleckig oder rundlich und schwanken in ihrer Größe. Die größten fand ich auf der Rückenseite des Bauchmarkes der Psylla- Arten. Sie zeigen einen körnigen Kern und sind gefärbt, während die Marksubstanz ungefärbt bleibt. An der Peripherie ist es umgeben von einer peritonealen Tunica, deren Zellen sich hier und da ganz deutlich konstatiren lassen (Fig. 39). Die dicke Zellschicht, welche Michzıs als innere Tunica unterschied, konnte ich nicht wahrnehmen. Über den Faserverlauf im Gebirn der Hemipteren existiren bis jetzt, so viel mir bekannt ist, keine ausführlicheren Beschreibungen oder Ab- bildungen. Ich verfolgte denselben daher auf meinen Schnitten, die keine schlechten Bilder darüber boten und glaube durch meine Beob- achtungen einen Beitrag zur Erkenntnis des feineren Baues des Insekten- gehirns geben zu können. Der innere Bau des Gehirns der Psylliden ist recht komplieirt und, wie zu erwarten stand, mit jenem der anderen Insekten im Wesentlichen übereinstimmend!. Ich will bei Beschreibung desselben von dem abge- 1 Im Folgenden führe ich die Litteratur über den feineren Bau des Central- nervensystems der Insekten und die wichtigsten Arbeiten über die Sinnesorgane derselben, auf welche im Texte vielfach Bezug genommen wird, an: 4) F. Dusarnın, Sur le system nerveux des insects. Annal d. sc.nat. Ser. III. T.XIV. 1850. 2) F.Levpıc, Vom Bau des thierischen Körpers. I, 4. 4864. — Tafeln mit Erklärung auch selbständig: Tafeln zur vergl. Anatomie. Heft A. 3) RagL-RückHArn, Studien über Insektengehirne. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1875. ) Craccıo, Über das Auge der Dipteren! Compt. rend. Acad. Bologna. 1875. Über- setzt in: GErvAıs Journal de Zoologie. V. 4876. 5) M. J. DıetL, Die Organisation des Arthropodengehirns. Diese Zeitschrift Bd. XXVlI. 1876. 6) J. H. L. Fröcer, Über den einheitlichen Bau des Gehirns in den verschiedenen Insektenordnungen, Diese Zeitschr. Bd. XXX. Suppl. 1878. 7) E. BERGER, Untersuchungen über den Bau des Gehirns u. der Retina der Arthro- poden. Arb. zool. Inst. Univ. Wien. I. 1878. 8) E.T. Newton, On the Brain of the Cockroach (Blatta orientalis). Quart. Journ. of the micer. science. T. LXXV. 1879. 9) GRENACHER, Unters. über das Sehorgan der Arthropoden. 40. Göttingen 1879. 10) Hauser, Physiol. und histol. Untersuchungen über d. Geruchsorgan der Insek- ten. Diese Zeitschr. Bd. XXXIV, 1880. 41) A. S. PackArn, The brain of the locust. Extracted from the Second Report ofthe U. S. Entomological Commission 1880. 412) H. MıcneLs, Beschreibung des Nervensystems von Oryctes nasicornis. Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. 4880. DS \ Die Anatomie der Psyiliden. 591 bildeten Transversalschnitte (Fig. 38) ausgehen und von außen mit den zusammengesetzten Augen beginnen. Diese sind groß, fast den Raum einer Halbkugel einnehmend. Während der Durchschnitt dersel- ben auf Transversalschnitten durch das Thier einen Halbkreis nicht er- reicht, übertrifft er denselben häufig auf Querschnitten (Fig. 40). Die zahlreichen einzelnen Linsen der ziemlich dicken, blassgelblichen Gornea sind schwach bikonvex, erscheinen auf der Innenseite aber vielfach plan oder selbst konkav. Darunter befindet sich die Krystallkegelschicht, welche oft bräun- lich erscheint. Auf Schnitten durch große Larven findet man diese Schicht aus zweierlei Elementen bestehend (Fig. 42), nämlich aus hel- len mit roth tingirtem Kern versehenen Zellen, welche zu mehreren unter jeder Linse eine mit der Spitze nach innen gewendete kegelförmige Masse bilden und aus mehr nach innen gelegenen zwischen jene sich einschiebenden spindelförmigen Körpern von lichtbräunlichem, körni- gem Aussehen, in welchen manchmal auch Zellkerne bemerkbar wur- den. Die kegelförmigen Massen wiesen auf Querschnitten drei Zellen auf, schienen aber auch manchmal aus vieren zu bestehen; sie repräsentiren die eigentlichen Krystallkegel, während jene anderen isolirende Körper zu sein scheinen. Es folgt die breite dunkelroth gefärbte Sehstabschicht. Die einzelnen Sehstäbe haben auch die Form einer mit dem schmaleren Ende nach innen gewendeten abgestutzten Pyramide, und konvergiren gegen die Mitte des Auges zu, wo sie in die an ihrem Ursprunge auch mit rothbraunem Pigment versehene »Nervenbündelschicht« übergehen. Die äußeren Sehstäbe erscheinen auf den Präparaten häufig gegen die übrigen eingebogen, was vielleicht durch Schrumpfen des Objektes bei der Prä- parirung erklärt werden darf. Manchmal sieht man auf Schnitten in jedem Sehstab zwei neben einander liegende Stäbchen, welche durch Zwischenräume von den benachbarten Sehstäben getrennt sind. Auf Querschnitten erscheinen die Sehstäbe als helle von rothbraunem Pig- ment umgebene ganz kleine Kreise. GRENACHER und VIALLANES fassen die Summe der Sehstäbe unter der Bezeichnung Retina zusammen, und ich will den erwähnten Ausdruck in demselben Umfange gebrauchen. Anders BErGEr, welcher außer der Sehstabschicht noch vier andere Schichten, die weiter nach innen folgen, zur Retina zählt. Zunächst die Nervenbündelschicht, welche die Nerven- fasern vom Auge zum Gehirn leitet; Craccıo kennt diese Schicht nicht, 13) H. VIALLANESs, Rech. sur l’histol. des insecis et sur les ph&nom, histol., qui accomp. le devel. post-embr. de ces animaux. Annal, d. sc. nat. Ser, VI. T. XIV, 1882, — Devel. de l’appareil visue! p. 269. 592 Emanuel Witlaczil, Vrarzangs aber nennt sie Schicht postretinärer Fasern. Endlich drei auch von Nervenfasern durchzogene Schichten, welche in dem von BerGzr als Augenganglion bezeichneten Seitenlappen des Gehirns liegen und die er desshalb unter der Bezeichnung: ganglionärer Theil der Retina zusammenfasst. Die erste davon, hauptsächlich aus sich stark färbenden Kernen gebildete, nennt er Körnerschicht. GiaceIo und VIALLANES nennen sie Ganglienzellschicht; schon der Erste giebt eine regelmäßige Anord- nung der sie zusammensetzenden multipolaren Nervenzellen an und VıuaLLanes bemerkt, dass in derselben die Nervenfasern je vier bipolare Ganglienzellen durchlaufen, ohne mit einander in Beziehung zu treten. Auf diese folgt BEerger’s granuläre oder Molekularschicht, die aus Mark- substanz besteht, für deren Fasern aber schon Craccıo und neuerdings VIALLANES eine regelmäßige Vertheilung angeben, wesshalb sie dieselbe auch Schicht von palissadenförmigen Fibern nennen. Endlich kommen wir zu BErGEr’s aus Kernen und Ganglienzellen bestehenden Ganglien- zellschicht, nach welcher die äußere Kreuzung der diese Schichten durchziehenden, vom Auge kommenden Fasern erfolgt. Die letzte Schicht kennt CGraccıo nicht, beschreibt aber hier eine Grenzschicht, während VıaLLangs mehrere solche Schichten (limitantes) und außerdem andere, von den Nervenfasern gebildete Schichten beschreibt, von denen die Schicht von Zellen in Form eines Rosenkranzes (cellules en chapelets) vielleicht der obigen Schicht Berger’s entsprechen dürfte. BERGER selbst hebt speciell für Dytiscus, Hydrophilus und Apis hervor, dass seine dritte und fünfte Schicht in den Rindenbelag des Augenganglions und dadurch in einander übergehen. Bei den Psylliden treten die Fasern der »Nervenbündelschicht« zum Ganglienzellbelag der Seitenlappen und in eine Anschwellung von Marksubstanz, welche ich Augenanschwellung nennen will. Diese An- schwellung tritt auch auf Querschnitten durch das Thier, wenn auch in etwas anderem Bilde, hervor (Fig. 20). Sie erscheint meist deutlich punktirt, man kann aber auch gut sie durchlaufende Fasern wahrnehmen, welche nach ihrem Austritte aus derselben die äußere Kreuzung bilden. Jene Punkte sind wohl sicher Durchschnitte von Fasern, welche hier zum Theil sich durch einander winden und dadurch eben die Anschwel- lung verursachen. Dieselbe entspricht der Molekularschicht Berger’s. Der Ganglienzellbelag bildet vor derselben die »Körnerschicht« BERGER’S, die von Anderen wohl besser als Ganglienzellschicht bezeichnet wurde. Man findet hier die sie bildenden Zellen zu mehreren hinter einander in Reihen, zwischen welchen aber auch Fasern durchzutreten scheinen. Die äußere Kreuzung ist ringförmig von dem sich hier einbuchtenden Ganglienzellbelage umgeben. Einzelne Zellen sind auch in die Kreuzung \ Die Anatomie der Psylliden. 593 eingestreut und entsprechen Berezr’s » Ganglienzellschicht«. Diese Zel- len erkennt man bei großen Larven (Fig. 39) am besten, bei welchen man auch im Inneren des Gehirns einzelne verstreute Zellen findet. Man kann sich übrigens durch meine Zeichnung des Nervensystems einer Larve überzeugen, dass in den Jugendstadien die Zellmasse viel um- fangreicher ist als später, da sie zum Theil zur Ausbildung von Fasern in Verwendung gekommen ist. ‚Es entsteht die Frage, was der Ganglienzellbelag seitwärts von der Augenanschwellung an der Hinterseite des Gehirns für eine Bedeutung hat, Auf einem Transversalschnitte durch Trioza urticae fand ich, dass auch dieser Theil des Rindenbelages nicht isolirt ist, sondern dass sich zu ihm eine Partie von Nervenfasern begiebt, welche sich von der Nervenbündelschicht sondert und schief nach hinten tritt. BERGER fand, dass die aus der besprochenen Anschwellung treten- den Nervenfasern eine Kreuzung bilden, welche er die äußere genannt hat. Nach derselben treten die äußeren Fasern zu den ihnen zunächst gelegenen Partien des Rindenbelages, während die inneren in ein keil- förmiges Ganglion und aus diesem in ein äußeres Marklager eintreten, in dem die Marksubstanz in mehreren koncentrischen Schichten ange- ordnet ist. In den Spalten zwischen diesen verlaufen Fasern, welche er bis in den Rindenbelag verfolgen konnte. VIALLANES giebt an, dass die aus der Schicht rosenkranzförmig angeordneter Zellen tretenden Fasern in einen Kern von einer weißen Masse eingehen, welcher das Centrum des Augenganglions anfüllt und aus zwei Theilen besteht, dem »Halbmond« und dem »Fächer«. Ersterer umfasst den letzteren und besteht aus anastomosirenden, letzterer aus gegen einen Punkt konver- girenden Nervenfasern. Vıarzanes’ Halbmond sammt Fächer entsprechen wohl sicher dem äußeren Marklager, dessen zwei äußere Schichten ich auf Schnitten durch Psylliden auch häufig die inneren beiden halbmond- förmig umfassend fand (Fig. 38). Ich konnte das keilförmige Ganglion Berger’s nicht finden, sondern höchstens ganz vereinzelte Zellen an dessen Stelle, auf welche diese Be- zeichnung nicht passt. Die äußeren aus der Kreuzung kommenden Fasern treten zum Rindenbelag und zwar theils in die an der Grenze von Augenanschwellung und äußerem Marklager gelegene Partie, theils in den Belag des letzteren, indem sie an der Peripherie desselben ein . Stück weit verlaufen. Die inneren Fasern konnte ich manchmal durch das ganze äußere Marklager hindurch verfolgen, welches sie verließen, um die innere Kreuzung zu bilden. An anderen Präparaten erschien das äußere Marklager fein punktirt mit scharfem Hervortreten der Zwischenräume zwischen den einzelnen Schichten, ohne dass ich die “ 594 Emanuel Witlaczil, Nervenfasern durch dasselbe verfolgen konnte. In den Zwischenräumen zwischen den Schichten des äußeren Marklagers konnte ich keine Fasern zum Rindenbelag verlaufen sehen. Hinter dem äußeren Marklager kommt nach Berger eine Schicht von kleinzelligen Elementen, ähnlich jenen des Rindenbelages am Augen- ganglion. Es folgt die innere Kreuzung (der Opticusfasern), nach wel- cher, speciell bei der Libellulidenlarve, ein Theil der Fasern mit einem an der Unterseite des Augenganglions befindlichen Zelllager des Rinden- belages in Verbindung tritt, während ein zweiter Theil in das innere Marklager eingeht, welches aber auch Fasern vom erwähnten Zelllager erhält. Von den dieses innere Marklager verlassenden Fasern tritt ein Theil auf die andere Seite des Genirns hinüber, mit den entsprechenden Fasern derselben eine kommissurenartige Verbindung bildend, während ein anderer Theil zum oberen Rindenbelag des Gehirns tritt. Bei Musca fand BERGER, dass die aus dem äußeren Marklager zum vorderen (oberen) Rindenbelag des Gehirns tretenden Fasern das innere Marklager bloß durchschneiden, ohne in dasselbe eigentlich einzugehen. Das innere Marklager erhält hier seine Fasern theils vom äußeren Marklager, theils vom Rindenbelag des Augenganglions und giebt dieselben theils an den benachbarten Rindenbelag des Gehirns, theils an die Kommissur mit der anderen Seite ab. | Jene nach Berger auf das äußere Marklager folgende Schicht von Ganglienzellen konnte ich bei ausgebildeten Thieren nicht finden; es bildet hier der Rindenbelag bloß eine ringförmige Einbuchtung. Die innere Kreuzung und das innere Marklager besitzen schon nach der Beschreibung von Berger bei den verschiedenen Insektengruppen etwas Schwankendes. Sie sind auch bei den Psylliden vorhanden. Die innere Kreuzung ist aber nicht so koncentrirt wie die äußere. Oft sieht man auf Transversalschnitten einen Theil der Nervenfasern am Vorderrande, den anderen am Hinterrande das äußere Marklager verlassen, während sonst die Kreuzung doch etwas mehr zusammengedrängt ist (Fig.38u.40). Größere Schwierigkeiten bot das innere Marklager. Ich fand auf Trans- versalschnitten durch Psylliden am Vorderrande eine auf entsprechen- den Querschnitten die ganze Breite des Gehirns einnehmende Mark- masse, in welche ein Theil, und zwar größtentheils die vom Hinterrande des äußeren Marklagers kommenden Fasern eintreten, welche dann in einem Strange zum vorderen Rindenbelag des Gehirns ziehen: diese Masse dürfte theilweise dem inneren Marklager Bercer’s entsprechen. Centrale und vordere Fasern des äußeren Marklagers schienen zum Theil zum Rindenbelag des Hinterrandes gerade an der Stelle zu treten, wo ein Einschnitt die Grenze von Seiten- und Mittellappen bezeichnet. Die Anatomie der Psylliden. 595 Der größte Theil der aus dem äußeren Marklager kommenden Fasern geht aber (nachdem er sich früher zu Strängen vereinigt hat), in eine Markmasse ein, welche hauptsächlich die Mittellappen des Gehirns bildet und in weiche auch zahlreiche Fasern vom vorderen Rindenbelage ein- treten. Von dieser an der Grenze vom äußeren und inneren Marklager be- findlichen Stelle des Rindenbelages sah ich übrigens Nervenfasern in einem Bogen durch die innere Markmasse zu einer weiter gegen die Mittellinie zu gelegenen Partie des vorderen Rindenbelages ziehen (Fig. 37). Jene centrale Markmasse zerfällt in mehrere Partien, welche man auf Trans- versalschnitten schief neben einander liegen sehen kann. Die aus diesen Lappen tretenden Fasern vereinigen sich größtentheils zu Strängen, welche auf die andere Seite des Gehirns hinüberziehen. Besonders tritt ein von den drei mittelsten Lappen aus gebildeter kommissurenartiger Strang hervor, welcher hinter dem noch zu besprechenden Central- körper sich befindet. Durch diese Kommissuren mögen die Nervenfasern der einen Seite sich mittelbar zum Rindenbelag der anderen Seite be- geben, da man doch wohl nicht annehmen kann, dass die Opticusfasern, welche den größeren Theil derselben bilden, aus dem einen Auge hin- über in das andere führen. Es könnte vielleicht diese Einrichtung mit dem Chiasma nervi optici verglichen werden. Es wären noch zu erwähnen Marklappen, welche auf Transversal- schnitten gegen den Vorderrand zu sich befinden und deren Kommissuren mit der anderen Seite vor dem Centralkörper liegen. Zwischen diesen liegt fast in der Mediane noch eine mit jener der anderen Seite eng verbun- dene Markanschwellung (Fig. 39). Die zahlreichen erwähnten Marklappen bilden eine sehr komplicirte Masse, so dass es fast unmöglich wird, das auf Transversalschnitten Erhaltene mit jenem auf Quer- und Sagittalschnit- ten zu einem einheitlichen Bilde zu vereinigen. Auf letzteren (Fig. 36) erhält man neben noch zu besprechenden Faserzügen fein punktirt er- scheinende Marklappen, so wie scharf punktirte kleine runde Partien, offenbar Durchschnitte der besprochenen Kommissuren. — Soll BERGER’S Bezeichnung: inneres Marklager, beibehalten werden, so ist sie wohl auf die Gesammtheit der besprochenen Marklappen auszudehnen, welche den größten Theil der Mittellappen des Gehirns bilden. So wie in den Seitenlappen außer dem äußeren Marklager noch die Augenanschwellung ist hier außer dem inneren Marklager noch die zu besprechende An- tennenanschwellung vorhanden. In ähnliche Lappen zerfällt die Mark- substanz der Mittelpartien des Gehirns bei anderen Insekten. Schon Lryvie beschrieb im Gehirn der Insekten ein centrales Kom- missurensystem. Dıerı beschrieb als fächerförmiges Organ einen centra- ' len Körper, welcher gewisse punktirte Massen in Form eines Fächers 596 Emanuel Witlaezil, angeordnet zeigt. Diese Massen hält er für die Durchschnitte von Nerven- faserbündeln und das ganze Organ auch für ein centrales Kommissuren- system. FröseL spricht davon als von dem Centralkörper. BERreER acceptirte die freilich nicht immer passende Bezeichnung Disrr’s. Er untersuchte das fächerförmige Gebilde am genauesten und fand es bei der Libellenlarve von einer Menge von Nervenfasern umschlossen, welche mit der Begrenzungslinie desselben parallel verlaufen und hier und da in dasselbe eintreten. Bei Dytiscus und Hydrophilus fand er es von linsen- förmiger Gestalt. Er konnte hier aus einem in der vorderen Median- ebene gelegenen Theile des Rindenbelages so wie von der Antennen- anschwellung entspringende Fasern in dieses Gebilde ziehen sehen. Bei Musca so wie bei der Biene, Grille und bei den Schmeiterlingen ist hinter dem fächerförmigen Gebilde noch ein schon Diet bekannter Ringwulst vorhanden, welcher mit jenem durch Fasern verbunden und wohl nur als Theil desselben zu betrachten ist. Hier sah er ein Faser- bündel vom pilzhutförmigen Körper sich zu unserem Gebilde begeben. BERGER betrachtet das fächerförmige Gebilde als einen Ort, in welchem eintretende Faserzüge sich auflösen, um denselben in verschiedenster Richtung zu verlassen. NEwron und PıckarD nennen dies Gebilde wie- der Centralkörper, und beschreiben es, Ersterer bei Blatta, Letzterer bei den Locustiden, sehr übereinstimmend. Es erscheint nach Packaro als halbmondförmiger Körper mit nach hinten gewendeter Konkavität, wel- cher durch ein Netzwerk von Fasern sich vom übrigen Gehirn absetzt. In der Punktmasse desselben liegen zwei Reihen von länglichen Körpern, welche dem ganzen Gebilde auch hier ein fächerförmiges Aussehen geben, die er aber nicht, wie seine Vorgänger, für Durchschnitte von Fibermassen, sondern für veränderte Zellen hält. Desshalb kann er auch die Auffassung des ganzen Gebildes als Kommissurensystem nur in einem modificirten Sinne annehmen. | Ich glaube, dass PackarpD mit Unrecht jene verhältnismäßig großen Massen im Centralkörper, in denen er keine Zellkerne finden konnte und die eine so große Ähnlichkeit mit Durchschnitten durch Faserzüge haben, für Zellen ansieht. Bei den Psylliden sind dieselben übrigens nicht zu finden. Hier erscheint der Centralkörper auf Transversalschnitien | ganz ähnlich wie ihn PackarD abgebildet hat, als quere bohnenförmige Masse, deren Einbuchtung sich auf der Hinterseite befindet. Er ist ganz von Faserzügen umgeben und besteht selbst aus Punktsubstanz, in wel- cher ich aber jene fächerförmige Anordnung nicht finden konnte. Ich gebrauche desshalb die allgemeinere und bessere Bezeichnung Cen- tralkörper. Das Eintreten von Fasern in diesen Körper konnte ich nicht an vielen Stellen konstatiren. Ich fand aber solche vom vorderen Rinden- Die Anatomie der Psylliden. 597 belage in der Medianebene so wie von zwei weiter seitlich gelegenen Partien desselben, welche den pilzhutförmigen Körpern entsprechen dürften, zum Centralkörper hinziehend. Auf Querschnitten ist dieser Körper dem oberen Rande mehr genähert und auf Sagittalschnitten er- schien die Stelle, welche er einnahm, gar nicht von den umgebenden Markmassenr gesondert. Es spricht dies für seinen engen Zusammenhang mit denselben: ein isolirter Körper inmitten des Gehirns kann ja keine Bedeutung haben. Der Gentralkörper ist daher nichts Anderes, als wo- für er schon von seinen ersten Beschreibern erklärt wurde, ein centrales Kommissurensystem. Von Leypis und änderen Forschern wurden schon am vorderen oberen Rande, namentlich des Gehirns der Hymenopteren, jederseits zwei Körper gefunden, welche wegen einer Ähnlichkeit der Form pilzhut- förmige Körper benannt wurden. Berser untersuchte diese Gebilde aus- führlicher. Bei Dytiscus und Hydrophilus fand er sie aus zwei an der hinteren Oberfläche des Gehirns liegenden kleinzelligen, sich intensiv färbenden Partien des Rindenbelages gebildet, von welchen Stiele aus- gehen, die sich mit einander vereinigen, aber weiterhin wieder theilen. Der äußere davon zieht nach vorn und oben und endet an der Hirn- oberfläche schwach kolbig angeschwollen, während der innere winklig umbiegt und unterhalb des Gentralkörpers mit dem entsprechenden Bündel der anderen Hirnhälfte zusammentrifft, ohne sich mit demselben zu vereinigen, wie dies schon Leypıc beschrieben hat. BERGER wendet sich dabei wohl mit Recht gegen Dırrz, der bei Garabus den pilzhut- föormigen Körper im Augenganglion gefunden zu haben glaubte und das äußere Marklager dafür gehalten zu haben scheint.. Bei Musca fand BERGER die beiden jederseitigen pilzhutförmigen Körper in einen ver- schmolzen, als ovalen nach oben und außen vom Centralkörper gelegenen, aus Marksubstanz bestehenden und von einer dünnen Schicht des Rinden- . belages überzogenen Körper. Indem seine Fasern zusammenstrahlen, vereinigen sie sich zu zwei Stielen, die weiterhin zusammentreten, sich aber dann wieder iheilen. Der äußere davon scheint an der unteren Hirnfläche mit abgerundetem Ende aufzuhören, während der innere in einem Bogen hinter dem Centralkörper verläuft und mit jenem der an- deren Seite in Berührung tritt. Auch bei den Schmetterlingen fand er nur einen pilzhutförmigen Körper, dessen Stiele den schon beschrie- benen Verlauf haben. Bei der Grille fand schon Dırrr die beiden pilzhutförmigen Körper verschmolzen. Bei der Libellenlarve hält Berger eine nach hinten unten und außen gelegene, durch Kleinheit der sie zusammensetzenden Ele- - mente und intensive Färbung ausgezeichnete Partie des Rindenbelages, 598 | Emanuel Witlaezil, so wie eine zweite hinten oben und nahe der Medianebene gelegene Stelle desselben für Homologa der pilzhutförmigen Körper. Von diesen Stellen entspringen Bündel von Nervenfaserrn, welche nach vorn ziehend sich vereinigen und vorn oben nahe der Medianebene zu enden scheinen. Für die Locustiden beschreibt PıckArD jederseits einen größtentheils aus Punktsubstanz bestehenden pilzhutförmigen Körper an der Vorderseite des Gehirns, an welchem man aber eine äußere und eine innere Hälfte unterscheiden kann. Der aus demselben entspringende Stiel theilt sich sogleich in zwei Theile, von welchen der aus der inneren Hälfte kommende sich nach innen wendet und vor dem Gentralkörper verläuft, während der äußere sich mehr nach rückwärts wendet und zu den Trabeculis geht, welche hinter dem Centralkörper ziemlich weit von einander liegen, aber durch Kommissuren verbunden sind. Ähnlich ist die Be- schreibung Newron’s für Blatta. Bei den Neuropteren sind nach Fröcer die pilzhutförmigen Körper wenig entwickelt und bei den Hemipteren (er untersuchte Syromastes) rudimentär. Er bemerkt, dass bei diesen das Gehirn nach einem ande- ren Typus angelegt zu sein scheint, als bei den übrigen Insekten. Letztere Angabe erscheint nach meinen eingehenderen Untersuchun- gen hinfällig. Den pilzhutförmigen Körpern der anderen Insekten dürf- ten die dicken Massen von Ganglienzellen entsprechen, welche am vor- deren oberen Rande des Gehirns der Psylliden unweit der Mittellinie sich finden. Auf Transversal- und Querschnitten schlecht erkennbar, treten sie an Sagittalschnitten besser hervor. Aus dieser Ganglienzell- masse treten zusammenstrahlende Fasern, zu mehreren Bündeln vereinigt, aus (Fig. 36 und 38). Eines dieser Bündel, und zwar das enifernter von der Medianebene und höher entspringende (Z,), verläuft gegen innen und hinten und tritt in gewisse Partien des inneren Marklagers ein, welche unten im Gehirn in der Nähe der Mittellinie liegen. Das andere, näher der Medianebene und etwas mehr nach vorn und unten entspringende Bündel (Z,) ist bedeutend länger, verläuft nach innen unten und hinten und geht mit einem Theil seiner Fasern auch in eine unten vor dem An- tennenlappen befindliche Partie des inneren Marklagers ein, während ein anderer Theil in den Antennenlappen selbst und ein dritter Theil in die Schlundkommissur einzutreten scheint. Zu der betreffenden Stelle des Rindenbelages führen auch die aus dem seitlichen vorderen Lappen des inneren Marklagers, so wie aus dem Rindenbelag an der Grenze ven Seiten- und Mittellappen stammende Nervenfaserstränge. BERGER spricht die Vermuthung aus, dass die pilzhutförmigen Kör- per in ihrem Bau modificirte Theile des Rindenbelages sind, was durch meine Beobachtungen nur bestätigt wird. Da diese Körper aus Ganglien- \ Die Anatomie der Psylliden. 99 zelllagern und aus dem Augenganglion, mitnin aus Gebilden, welche ein Projektionscentrum vorstellen, Fasern empfangen, so betrachtet er sie als Projektionscentra erster Ordnung, im Sinne Meynerrt's, jene aber als Projektionscentra zweiter Ordnung. Über die einfachen Augen giebt Bercer für Apis an, dass ihre Ner- ven von unten kommen und auf der Hinterseite des Gehirns zu densel- ben ziehen. Ich habe ihren Verlauf bei den Psylliden auf Querschnitien (Fig. 40), aber auch auf Sagittal- und Transversalschnitten studirt. Die Nerven der beiden seitlichen Nebenaugen verlaufen an der vorderen oberen Seite des Gehirns gegen die Mediane, wobei sie bald hinter der die Mittellappen begrenzenden Einschnürung in das Gehirn selbst ein- treten, in diesem aber sich unabhängig in derselben Richtung bis zu ihrer gegenseitigen Berührung fortsetzen. Der vom unpaaren medianen Auge kommende Nerv verläuft, indem er auch bald in das Gehirn ein- tritt, an der vorderen oberen Seite desselben nach hinten bis zur Ver- einigungsstelle der beiden seitlichen Nerven, mit denen zusammen er in den Centralkörper einzutreten scheint. Der Bau der einfachen Augen ist bei den Psylliden so, wie er für andere Insekten von BERGER und GRENACHER beschrieben wurde (Fig. 36). Unter der ziemlich großen bi- konvexen Cornealinse liegen die angeschwollenen und zu Stäbchen um- gestalteten Enden der Nervenfasern. Diese konvergiren unmittelbar unter der Cornea etwas und zeigen die Enden klar und homogen, während sie weiterhin auf Schnittpräparaten feinkörnig und bräunlich gefärbt er- scheinen. Noch etwas weiter erkennt man die röthlich gefärbten Zell- kerne, worauf die Fasern sich verjüngend den zarten blassen Nerv dieser Augen bilden. Von den Antennennerven an der unteren hinteren Seite des Gehirns gebildete Antennenlappen sind schon von vielen Seiten beschrieben wor- den. Berser fand bei Musca beide große Antennenanschwellungen, welche zwischen Fasermassen Ballen von Marksubstanz enthalten, durch eine breite Kommissur verbunden. Einzelne Fasern des Antennennervs entspringen hier aus Ganglienzellen des an der äußeren Seite der An- tennenanschwellung befindlichen Rindenbelages. Der größere Theil der Fasern des Antennennervs löst sich aber in der Marksubstanz der An- tennenanschwellung auf, während ein anderer Theil nach vorn zum Rindenbelag zieht, in welchem er entspringt. Packarn giebt für die Locustiden an, dass Fasern von einer zur anderen Aniennenanschwel- lung, so wie von diesen zu den Augen- und Kommissurenanschwel- lungen verlaufen, durch welch letztere eine Verbindung mit der Gan- glienkette hergestellt wird. Bei den Psylliden bilden die Antennenanschwellungen die untere 600 Emanuel Witlaczil, hintere Partie der Mittellappen. Der Antennennerv lässt sich in seinem Verlaufe am besten auf Transversalschnitten verfolgen (Fig. 38) und wendet sich von den Anschwellungen aus an der Unterseite des Gehirns schief nach vorn und außen zu den Antennen, in welche er eintritt. Die von Hauser für Geruchsgruben erklärten Organe sind, wie ich schon aus einander gesetzt habe, hier spärlich vorhanden. Gegen die Deutung Hauser’s lässt sich nur einwenden, dass diese Organe mit einer Haut überzogen sind. Die beiden Antennenanschwellungen sind durch eine am Vorderrande derselben befindliche Kommissur mit einander ver- bunden. Ein Theil ihrer Fasern zieht in einem Strange zum pilzhut- förmigen Körper und andere Fasern treten am Hinterrande des Gehirns empor und in die Mittellappen. Andererseits fand ich wie PaıckArD die Fasern in die Schlundkommissur eintreten. Einen Zusammenhang von Fasern der Antennenanschwellung mit dem Rindenbelage derselben konnte ich nicht sicherstellen, ist aber sehr wahrscheinlich, da der dicke Rindenbelag an der Unterseite dieser Anschwellungen nicht isolirt sein kann. Unter und hinter den Antennenanschwellungen (Fig. 36 und 38) befinden sich die beiden in die Basis des Vorderkopfes hineinreichenden Vorderlappen (vl). Sie bestehen aus einer nicht unbedeutenden Mark- masse, die auch einen starken Rindenbelag aufweist. Eng neben einan- der liegend und nur durch eine unbedeutende Einschnürung in der Mittellinie von einander gesondert, sind sie durch eine zu unterst am Gehirn gelegene Kommissur verbunden. Sie geben Fasern nach vorn \ oben in die Mittellappen, so wie andererseits in die Schlundkommissur ab. Unter und vor diesen Lappen liegen im Vorderkopf zwei kugelige Ganglienzellmassen, welche mit ihnen durch Fasern verbunden sind. Außerdem entsenden jene Lappen an ihrer untersten Spitze je einen ' Nerven, welcher in eine längliche Ganglienzellmasse an der Spitze des Vorderkopfes über dem Pharynx führt, wie ich es ähnlich schon für die | Aphiden beschrieben habe. Von den Fasern dieser Nerven sah ich | mehrere im Rindenbelag der Vorderlappen ihren Ursprung nehmen. Die \ eben beschriebenen Ganglien repräsentiren wohl den wichtigsten Theil | des vegetativen Nervenapparates unserer Thiere. | | Packarn beschreibt besondere Kommissurallappen, in welche die zum Gehirn tretenden Stränge der Schlundkommissur zunächst eingehen. | Ich konnte keine solche finden; vielleicht hat Packırn die Vorderlappen | oder Theile des inneren Marklagers dafür angesehen. Berser beschreibt | bei der Libellenlarve zwei Bündel von Nervenfasern, welche sich über dem Centralkörper kreuzen und (wenigstens zum Theil) in die Schlund- | kommissur eingehen. Er erwähnt weiter, dass aus dem Gehirn Fasern | 3 2 Die Anatomie der Psylliden. 601 sowohl in das Bauchmark als in das Unterschlundganglion ziehen, welch’ letztere sich größtentheils mit den diesbezüglichen Fasern der anderen Hälfte kreuzen. Diese Kreuzung habe ich nicht beobachtet, wohl aber jene von zwei Faserbündeln an der oberen hinteren Seite des Gehirns, welche vom Rindenbelage an der oberen vorderen Seite des Gehirns, wie es scheint aus den pilzhutförmigen Körpern selbst in die Schlundkommis- sur ziehen. Auf Transversalschnitten durch den oberen Theil des Gehirns kann man diese Fasern unschwer finden. Auf Sagittalschnitten erkennt man, dass die durch die Schlundkommissur ins Gehirn tretenden Faser- massen sich hier überall hin vertheilen. Es begeben sich solche in fast alle Theile des inneren Marklagers, als auch in die Antennenanschwel- lungen und Vorderlappen. Über den Bau von Unterschlundganglion und Bauchmark hat schon Leyvie schöne Untersuchungen angestellt. Bedeutend erweitert wurde unsere Kenntnis davon durch die Forschungen Mic#ELs’ an Oryctes nasi- .cornis. Er wies einen recht komplicirten Bau dieser Organe nach. Jede Bauchmarkhälfte durchziehen drei aus dem Gehirn kommende Längs- faserzüge, welche auch die Kommissuren bilden und sich nach rück wärts verjüngen, indem sie Faserbündel für die peripheren Nerven abgeben. Zu diesen kommen noch Querfaserbündel, die aus den Ganglienzellen der einen Seite des Bauchmarkes entstanden, zum Theil den peripheren Nerven der anderen Seite bilden. Querkommissuren, welche die beiden Hälften eines jeden Ganglienknotens mit einander in Verbindung setzen, scheinen nach ihm zu fehlen. Meine leider nicht sehr ausführlichen diesbezüglichen Beobachtun- gen stimmen mit den Angaben von Micners überein. Die von mir an- gefertigten Querschnitte zeigen ähnliche Bilder, wie sie MicHes giebt. Zwischen den Längssträngen verlaufen in verschiedener Richtung Querkommissuren, welche Mark- und Rindenbelagsmassen verbinden. Auf Transversal- und Sagittalschnitten (Fig. 36, 37) erkennt man mehrere in der Nähe der Mittellinie der Länge nach Unterschlundgan- glion und Bauchmark durchziehende Faserstränge, die aus dem Gehirn stammend, sich nach rückwärts verjüngen, indem sie Faserbündel in die Anschwellungen des Unterschlundganglions und Bauchmarkes ab- geben, und im weiteren Verlaufe als Bauchnervenstrang die von dem- selben abtretenden peripheren Nerven bilden. Auch hier treten im Unterschlundganglion zahlreiche Querkommissuren auf, welche, wenig- stens scheinbar, die beiderseitigen Mark- und Ganglienzellmassen ver- binden. Im Bauchmark bilden die eintretenden starken Fußnerven große Anschwellungen, während das aus Verschmelzung sämmtlicher "Abdominalganglien hervorgegangene vierte Bauchmarkganglion mehr Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 40 re ‚602 Emanuel Witlaczil, langgestreckt erscheint. Die ersten drei Ganglien weisen nur wenige, das letzte zahlreiche Querkommissuren auf. Auch zwischen den auf einander folgenden Bauchmarkganglien treten periphere Nerven aus, welche zum Theil aus dem Rindenbelage der anderen Hälfte, zum Theil aber aus den Längsfasersträngen entspringen. Wenn nun versucht werden soll, das Wichtigste von dem Dar- gestellten herauszuheben, so muss betont werden, dass das Innere des Centralnervensystems von Fasermassen gebildet wird, welche einen vielfach komplicirten Verlauf zeigen, schließlich aber einerseits in ein Sinnesorgan oder einen peripherischen Nerven, andererseits in den Rindenbelag eingehen, in dessen Zellen sie enden. Dieser fungirt daher als Projektionscentrum, welche Funktion aber in ganz besonderem Maße einem differenzirten Theile desselben, den pilzhutförmigen Körpern, zukommt. Freilich kann man nicht allzu häufig den Eintritt der einzel- nen Fasern in bestimmte Zellen beobachten: am besten war ich dies im Stande am Vorderrande des Einschnittes am Gehirn, welcher Seiten- und Mittellappen von einander sondert und an manchen Stellen des Bauch- markes. Die Benennung von Theilen des Gehirns äls Ganglien habe ich nicht angewendet. Die von Berger beschriebenen Zellanhäufungen im Inneren des Gehirns konnte ich nicht finden: einzelne vorhandene Zel- len scheinen mir Überreste jener Zellmassen des Embryo und der Larve zu Sein, welche die Nervenfasern auszubilden haben. Darüber wäre auch meine Darstellung der Entwicklung des CGentralnervensystems in der »Entwicklungsgeschichte der Aphiden« nachzusehen. Die Existenz einer besonderen Punktsubstanz hat schon Miıcseıs bestritten! und ich stimme ihm hierin vollkommen bei. Als Punktsubstanz erscheinen die durchschnittenen Fasern. Es ist hervorzuheben, dass die wichtigeren in das Gentralnervensystem eintretenden Nerven in demselben Anschwel- lungen der Marksubstanz verursachen. Es gilt dies für die Augen- und Antennen-, wie für die Fußnerven. In diesen Anschwellungen scheinen sich die Fasern allgemein zu durchflechten, wie dies ja schon mehrfach für die Antennenanschwellungen beschrieben worden ist. Es werden daher hier so wie in der mittelsten Markmasse des Gehirns auf jedem | Schnitte beliebiger Richtung Fasern getroffen, welche die »Punktsub- stanz« bilden. Übrigens sind in vielen Massen von Punktsubstanz der früheren Forscher von den späteren Fasern nachgewiesen worden, und ich selbst konnte vielfach in demselben Lappen bei manchen Individuen mit Mühe wenige Fasern auffinden, in welchen ich bei anderen sehr zahlreiche Fasern nachzuweisen im Stande war. 1 Ähnliche Ausführungen finden sich auch bereits in: CrAus, Der Organismus | der Phronimiden. Arb. a. d. zool. Inst. d. Univ. Wien. II. 1879. F Die Anatomie der Psylliden. 603 VI. Verdauungsapparat. Der Darmkanal der Psylliden zeigt einen etwas komplicirteren Bau, als bei den so nahe verwandten Aphiden, indem er eine außerdem noch bei den Cocceiden und einigen Cicadiden beschriebene Verschlingung bildet, die schon Durour ! bekannt war. Der Saugapparat, welcher sich in dem ziemlich weit nach hinten gelegenen und kaum über die Körperoberfläche hervortretenden Vorder- kopfe befindet, ist bei den Psylliden ganz so gebaut, wie ich für die Aphiden angegeben habe, wesshalb ich es nicht für nothwendig halte, ihn ausführlich zu beschreiben. Der oberflächliche quere Chitinstreif, welcher den Vorderkopf vom übrigen Körper absetzt, tritt hier meist sehr wenig hervor, so wie auch die übrigen Chitinleisten nicht so bemerkbar werden, wie bei den Aphiden und Cocciden (Fig. 13). Die Muskulatur zur Ausdehnung des chitinösen Pharynx fand ich an einem frischen Ob- jekte einmal in lebhafter Bewegung, welche abwechselnd die einzelnen Partien derselben ergriff. Auf Schnitten kann man sich überzeugen, dass die Stechborsten mehrere Pro- und Retraktoren besitzen (Fig. 12). Mandibeln und I. Maxillen verwandeln sich auch hier in die sogenannten »retortenförmigen Organe«, während die Il. Maxillen die kurze Unter- lippe bilden, welche bis in den Prothorax hineingeschoben ist und meist senkrecht vom Körper absteht. Sie scheint hier auch allgemein aus drei Gliedern zu bestehen, von welchen das kurze basale in den Körper eingesenkt ist, während nur das längste mittlere, z. B. bei Psylla, besser hervortritt. Die Stechborsten, welche in einer Rinne der Unter- jippe liegen, und am Ende derselben heraustreten, sind hier aber so lang, dass sie an der Basis der Unterlippe eine Schlinge bilden, welche in einem Hautsacke liegt, der durch eine Einstülpung der Hypodermis gebildet wird und das Centralnervensystem an der Grenze von Unter- schlundganglion und Bauchmark durchbohrt. Ein ähnliches Gebilde haben schon Dusarpın und Mark, welcher es Grumena nennt, für die Coceiden beschrieben ?. Wie Letzterer konnte ich keine Muskeln daran finden ; es besitzt aber chitinisirte Wandungen. Über dem wagerechten, in der Tiefe des Vorderkopfes befindlichen Chitinstab umbiegend, setzt sich der Pharynx in den Ösophagus fort (Fig. 7). Dieser ist dünn und sehr lang, indem er bis in das Abdomen reicht, dünnwandig und klar. Hier geht er in eine aufgetriebene Partie ein, welche durch Verwachsung des dem Magen der Aphiden ent- 1 L. Durour, Rech. anat. et physiol. sur les Hemipteres. 4833, p. 234. 2 E.L. Mark, Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse, insbe- sondere der Coceiden. Arch. f. mikr. Anatomie. XIII. 1877. 40* vu4 r - Emanuei Witlaezil, sprechenden Anfangsstückes des Mitteldarmes mit dem Anfange des Enddarmes entstanden ist (Fig. 15 und 16). Der aus dieser Verwach- sungsstelle austretende Mitteldarm schwillt sehr bedeutend an, verjüngt sich dann aber wieder allmählich und geht in den Enddarm über, wel- cher in jene Verwachsungsstelle eingeht, die er knapp neben dem Ösophagus verlässt, um gerade nach rückwärts bis zum After zu ver- laufen. Der dickwandige Mitteldarm ist dunkel; der Enddarm ist dünn- wandig und hell, wie der Ösophagus, und erscheint gewöhnlich nur wenig dicker als derselbe. Er scheint nämlich meist beim Präpariren zusammenzufallen. Bei je einem frischen Präparate von Trioza rhamni und urticae erhielt ich ihn aufgeblasen und nur das letzie Stückchen verengt. Die großen Exkrementmassen der Psylliden machen einen weiten Enddarm nothwendig. Die von dem Mitteldarm gebildete große Schlinge reicht mit ihren vorderen Partien, wie man sich auf Schnitten überzeugen kann, bis in den Thorax, zwischen die beiden mehr seitlich gelegenen Massen des Sprungapparates, rückwärts aber bis zu den Genitalsegmenten. An der dünneren Partie des Mitteldarmes, mehr rückwärts, befin- den sich die kurzen, wegen des Hervortretens der großen sie bildenden Zeilen geschlängelte Begrenzungslinien aufweisenden Mar pıcar'schen Gefäße. Ein feines geschlängeltes Lumen tritt meist deutlich hervor. Sie sind an verschiedenen Stellen eingesetzt. Bei Psylla buxi z. B. fand ich die Distanz zwischen den beiden mittleren Gefäßen etwa so groß wie den Durchmesser des hier auch recht dicken Darmes, zwischen diesen und den beiden äußeren Gefäßen aber die Distanz fast doppelt so groß. Ähnlich sind diese Verhältnisse auf meiner Zeichnung von Psyllopsis fraxinicola (Fig. 15). Es wird bei dieser Sachlage schwer die Grenze von Mittel- und Enddarm festzustellen, für welche bei den Insekten die Einmündungsstelle der Marprenr’schen Gefäße angesehen wird. Übrigens scheint nach meiner Untersuchung über die Entwicklungsgeschichte der Aphiden dieser Stelle nicht die ihr zugeschriebene Bedeutung zuzu- kommen. ‘Die Marpıiearschen Gefäße sind gelb oder grün; so fand ich sie z. B. bei Psylia buxi orangegelb, bei Psylla Foersteri grün- lich ; bei Trioza urticae dunkelgrün. Die Spitze erscheint aber wasser- hell und geht merkwürdigerweise in ein Ligamentum suspensorium über. Ähnliche Endfäden dieser Gefäße fand ich auch bei Cecidomyialarven, während bei Typhlocyba rosae von den zwei am Darme über einander sitzenden Paaren die zwei über einander befindlichen Gefäße jeder Seite mit ihren freien Enden verwachsen sind. | Die erwähnte Darmverschlingung weist mehrere Windungen auf und ist von einer zelligen Haut umgeben. Sie erklärt sich so, Die Anatomie der Psylliden. h 605 _ dass eine nach hinten verlaufende Partie des Darmes mit einer zurück- laufenden verwachsen ist, worauf sich dieser ganze Theil nach einer Seite eingedreht hat. Man kann sich dies veranschaulichen, wenn man zwei Schnuren neben einander legt und sie mit dem Finger in der Mitte eindreht. Man findet dann in der Mitte der zusammengedrehten Stelle eine Umkehr der Drehungsrichtung, wie man sie auch bei den Psylliden nachweisen kann. Die Verwachsungsstelle ist meist, namentlich bei den Larven, ziemlich lang und weist jederseits jenes Umkehrpunktes mehrere Windungen auf. Die Zahl derselben scheint zu schwanken. Ich fand meist bei Psyllopsis fraxinicola und Trioza rhamni jederseits drei, bei Trioza urticae und Psylla buxi aber zwei. Innen liest hierbei der Mitteldarm, außen der Enddarm, und beide verfolgen die beschriebenen Windungen. Beim Präpariren wird aber leicht die ver- wachsene Partie etwas gezerrt; dann erscheint sie länger gestreckt und die Partie des Mitteldarmes gerade gezogen und von den Windungen des Enddarmes umgeben, wie dies Mark für die Cocciden angiebt. Jene von Durour Magen genannte aufgetriebene, sammt der zurücklaufenden Partie des Mitteldarmes bei Psylla ist die stark gezerrte verwachsene Partie. DieSpeicheldrüsen liegen im Prothorax zu beiden Seiten der Unter- lippe in der Zahl von je einer (Fig. 24 u. 25). Sie sind kugelig; sie weisen nämlich sowohl auf Transversal- als auf Sagittalschnitten einen kreisför- migen Umriss auf. Ihre Ausführungsgänge scheinen sehr kurz zu sein und ähnlich wie bei den Aphiden an der Spitze des Vorderkopfes in den Schlund zu münden; ich konnte sie trotz eifrigen Suchens nicht finden. Der histologische Bau des Darmapparates ist ganz ähnlich wie bei den Aphiden. Das Darmepithel bildet eine ununterbrochene Schicht, welche im Ösophagus und Enddarm aus abgeplatteten (Fig. 19 und 21), im Mitteldarm aus größeren (Fig. 20), und in der aufgetriebenen Partie desselben so wie in den Marrıcnr'schen Gefäßen aus verhältnismäßig sehr großen Zellen besteht. Der Zellinhalt erscheint feinkörnig, im Mitteldarm oft gröber granulirt und graulich gefärbt. Die Kerne treten nach Behandlung mit Essigsäure hervor. Auf gefärbten Schnitten er- scheinen die Epithelzellen meist bräunlich-roth und sehr fein granulirt, der Kern hellröthlich und gröber granulirt, das Kernkörperchen am intensivsten roth gefärbt. Die meist sehr wenig scharf begrenzten Zellen der Marpieurschen Gefäße enthalten im frischen Zustande ziemlich große, grünlich oder gelblich gefärbte Körnchen, welche besonders um den Zell- kern hervortreten und diesen Gefäßen die Färbung verleihen (Fig. 17). Der helle grauliche Kern ist oft schon am frischen Objekte zu erkennen. Merkwürdig sind einige Zellen, welche ganz regelmäßig an der Spitze der Marrisur’schen Gefäße liegen. Sie besitzen einen verschmolzenen 606 | Emanuel Witlaczil, Zellinhalt, der wasserhell und fein punktirt erscheint und in welchem wenige verhältnismäßig sehr große gelbe und stark lichibrechende Körn- chen liegen, die wohl als Fetttröpfehen zu betrachten sind. Das Lumen des Gefäßes reicht zwischen diese scharf abgesetzten modificirten Zellen hinein. Auf Schnitten zeichnen sich diese Zellen durch ihre heller rothe Färbung von den übrigen bräunlich rothen und ziemlich grobkörniger Zellen aus, in welchen daher der Kern nicht immer hervortritt. An jenen an der Spitze gelegenen Zellen, so wie an vielen Mitteldarmzellen erkennt man aber sehr deutlich, dass der Kern von unregelmäßiger Ge- stalt ist und Fasern zwischen den übrigen Zellinhalt entsendet. Besondere Körperchen fand ich im Zellinhalt der Zellen des Mittel- darmes und der Marrieurschen Gefäße auf meinen Schnitten durch Psyllaalni. In den Zellen des Mitteldarmes (Fig. 20) zeigten sich hier längliche, scharf umrissene, gelb gefärbte und glänzende Körperchen, welche vielleicht als Krystallnadeln zu betrachten wären. Da ich die betreffenden Thiere genau wie die anderen behandelte, können diese Körperchen kaum durch die Präparirung hineingekommen, sie dürften vielmehr durch die Nahrungssäfte eingeführt worden sein. In den Kern- körperchen der betrefienden Zellen fand ich meist, so wie auch bei an- deren Arten, z. B. Rhinocola speciosa, einen kleinen schwarzen, in der Mitte hellen Fleck, welcher ganz wie ein Luftbläschen aussieht. Ähnliche Bläschen fand ich auch hier und da in den Kernen der Fett- zellen oder von »Körnchenkugeln« bei Puppen von Musca erythro- cephala. Die Zellen der Marrıcar'schen Gefäße zeigten aber in ihrem Inhalt auf Schnitten durch Psyllaalni (Fig. 18) sehr zahlreiche kleine schwarze Körnchen und Ringelchen, welche in den Zellen unterhalb der Spitze in geringerer Menge verstreut, in den anderen so massenhaft vorkamen, dass sie die Zelle mit Ausnahme der davon freien Peripherie im durch- fallenden Lichte ganz schwarz färbten. Diese Körnchen hatten viel Ähn- lichkeit mit jenen braunen, die im Fettkörper einiger Psylliden, nament- lich im Larvenzustand, sich vorfinden. Eine Chitinintiima als Abscheidung des Epithels findet sich im Pharynx und auch im Ösophagus und Enddarm. Das Epithel des Mittel- darmes zeigt auf der Innenseite schon am frischen Objekte, namentlich aber auf Schnitten, eine hellere rindenartige Schicht, welche die Aus- buchtung seiner Zellen gegen das Lumen zu umgiebt und auch oft | zwischen diese Zellen hineinreicht (Fig. 20). Die Muskulatur des Darmapparates ist auch derjenigen der Aphiden | ähnlich, aber nicht so leicht nachweisbar. Die Ringmuskeln sind am Öso- | phagus (Fig. 19), manchen Partien des Mitteldarmes und am Enddarm | Im Die Anatomie der Psylliden. 607 leichter aufzufinden. Eine Längsstreifung fand ich am Ösophagus und Enddarm, doch mag dieselbe von einer Faltung der Intima herrühren, da ich keine Längsmuskelfasern konstatiren konnte. Die äußerste Schicht des Darmkanales bildet eine überall deutlich hervortretende Haut, in welcher sich an mehreren Stellen Zellkerne nachweisen ließen, und die als peritoneale Tunica zu betrachten ist. Dafür spricht namentlich der Umstand, dass sie die oben beschriebene verwachsene und gewundene Partie des Darmes in Form eines Sackes überzieht, in welchem man deutlich an frischen Präparaten und auf Schnitten Zellkerne finden kann (Fig. 16). Am übrigen Mitteldarm ge- lingt dies sehr schwer; ich fand sie am frischen Darme so wie auf Quer- schnitten durch denselben bei Trioza rhamni. Um den Enddarm, namentlich an der Mündung desselben, kann man auf Schnitten eine deutliche Schicht verschmolzener Zellen mit hellem körnigen Inhalt und deutlichen gefärbten Zellkernen wahrnehmen (Fig. 21). An der die MarpichHr’schen Gefäße umgebenden Haut konnte ich keine Zellkerne fin- den, aber der am Ende derselben befindliche Faden scheint von Zellen gebildet zu werden. Schließlich muss noch erwähnt werden, dass ich bei den großen Arten, z. B. bei Psylla buxi, eben so wie um Eileiter, Eiergang und Samenblasen auch um den Mitteldarm Nervenfasern fand, welche an manchen Stellen ein förmliches Geflecht bilden und stellenweise Auf- treibungen zeigen, die wohl von Ganglienzellen herrühren. Die Speicheldrüsen erscheinen im frischen Zustande grau und fein- körnig. Nach Behandlung mit Essigsäure treten die Kerne besser hervor. Ich fand hierbei in einigen großen Zellen dieser Drüsen von Psylla buxi zwei Kerne, von welchen der eine etwas tiefer lag (Fig. 24). Es mögen diese Zellen unvollständige Theilungsstadien repräsentiren, wie ich sie ja auch an den männlichen Genitalien dieser Thiere nachgewiesen habe. Auf Schnitten fand ich die Zellen der Speicheldrüsen in radialer Anordnung um das in der Mitte befindliche enge Lumen, welches mit einer Intima ausgekleidet zu sein scheint (Fig. 25). Es zeigen aber nicht alle diese Zellen dasselbe Aussehen. Die meisten sind blassrötklich, fein _ punktirt, während andere fast hyalin und noch feiner granulirt er- scheinen. Manche Zellen endlich sind gelblich und etwas grobkörniger. Der Zellkern ist meist intensiv roth gefärbt, so dass das Kernkörperchen kaum mehr hervortritt. VII. Rückengefäß, Das Rückengefäß der Psylliden besteht wie dasjenige der Aphiden aus dem im Abdomen liegenden Herz und der dünneren als Fortsetzung A 608 Emanuel Witlaezil, desselben den Thorax durchziehenden Aorta. Bei den flachen hellen Larven der Trioza-Arten kann man oft vom Rücken aus das Herz durch- schimmern sehen. Man erkennt einen in der Mittellinie die Abdominal- segmente mit Ausnahme des Endsegmentes durchlaufenden hellen Schlauch, der sich an mehreren Stellen (wo sich die Flügelmuskeln an- setzen) seitlich etwas erweitert (Fig. 8). Bei ausgebildeten Thieren kann man das Herz auf Schnitten nachweisen (Fig. 9). Man findet, dasses vom siebenten bis in das zweite Abdominalsegment reicht, wo es in die Aorta übergeht, die in etwas größerer Tiefe den Thorax durchzieht. Eine An- zahl von höchstens fünf Spaltpaaren ist vorhanden. Auf meiner Zeich- nung (Fig. 40) ist das erste zwischen dem Fettkörper verborgen, wäh- rend es sich in anderen Fällen nachweisen ließ. Ob die Spaltöffnungen in die Segmente oder unter die Intersegmentalwülsie fallen, konnte ich nicht feststellen. Sie mögen großentheils verschoben sein, wie ich dies auch bei der Gattung Gallipterus unter den Aphiden gezeigt habe. Das Rückengefäß erscheint hell und in seinen häutigen Wandungen sind Zellkerne nicht leicht oder zahlreich nachweisbar. Dasselbe zeigt hierdurch ein Aussehen, wie es an frischen Präparaten und auch auf Schnitten meist das Rückengefäß der Aphiden zeigt. Ich konnte aber bei diesen die Bildung der Zellwand aus zahlreichen Zellen nach- weisen, die sich auch bei Larven noch vorfanden. Es mag desshalb die Vermuthung gestattet sein, dass diese Zellen zur Bildung der Wand des Rückengefäßes in ähnlicher Weise verwendet werden, wie gewisse Mesodermzellen zur Bildung der Muskeln, Man findet an den Wänden des Rückengefäßes sich kreuzende, schief verlaufende Linien, welche vielleicht durch Muskelfasern verursacht werden, die sonst nicht nachweisbar sind. Deutlich sieht man aber Fasern, welche vom Herz abtretend, dieses an dem umgebenden Gewebe befestigen. Sie sind um die Spaltöffnungen und am hinteren Endstücke des Herzens besonders zahlreich vorhanden. Die Bewegung des Herzens erfolgt hier wahrscheinlich in der allgemein angenommenen Weise, wie ich es auch für die Aphiden angegeben habe?. Der Einwurf GrABer’s gegen eine ähnliche Bewegungsweise, dass nämlich das Herz durch die Kontraktion der Flügelmuskeln breitgezogen aber nicht ausgedehnt werde, ist wohl, namentlich auch mit Rücksicht auf die Fasern, welche es an den Umgebung befestigen, nicht stichhaltig. 1 Entwicklungsgeschichte der Aphiden. Diese Zeitschr. Bd. XL. 1884. p. 598. 2 Entwicklungsgeschichte der Aphiden. p. 597. 3 Die Insekten. I. Organismus der Insekten. p. 343. \ Die Anatomie der Psylliden. 609 VIII. Pseudovitellus. Der Pseudovitellus der Psylliden ist unter dem Namen sekundärer Dotter schon von Merscanikorr ! beschrieben worden. Er hat hier bei- _ läufig dieselbe Form und Lage, wie bei den Aphiden, ist aber braun gefärbt. Er bildet am Rücken jederseits eine ziemlich umfangreiche solide Zellmasse, welche hinten durch einen queren, über dem Darm verlaufen- den Strang verbunden sind, der in der Mitte am dicksten ist (Fig. 26 und 27). Meist erkennt man an der nach außen gewendeten Seite der seitlichen Lappen mehrere, bis zu drei, Vorwulsiungen, wie dies schon MeErscHniKorr beschrieben hat. Man findet dieselben auch auf meinem Transversalschnitte durch diesen Körper bei Rhinocola speciosa. Hier mag übrigens Erwähnung finden, dass auf Schnitten durch Larven Darm und innere Geschlechtsorgane meist so eng um den Pseudovitel- lus gelegt erscheinen, dass sie mit diesem eine zusammenhängende Masse bilden, deren Theile nur schwer von einander abzugrenzen sind. Man kann im Pseudovitellus zweierlei Zellen wahrnehmen. In den erweiterten Partien findet man meist in größerer Menge unregelmäßig zwischen den übrigen vertheilt, größere, am frischen Präparat grob- körnigere und dunklere Zellen, während die meisten Zellen feinkörniger sind. Die Zellkerne sind nicht in allen Zellen zu erkennen: sie sind hell und besitzen ein Kernkörperchen. Auch auf Schnitten kann man größere und kleinere Zellen von etwas verschiedenem Verhalten wahr- nehmen. Meist, so auf dem abgebildeten Schnitt einer Larve von Rhino- cola speciosa, erscheinen die größeren Zellen hell und sehr feinkörnig mit kaum zu unterscheidenden Zellgrenzen, während die kleineren grob- körniger und röthlich gefärbt erscheinen. Der Kern tritt überall hervor, ist roth gefärbt mit noch dunklerem Kernkörperchen. Auf manchen Schnitten, so bei Larven von Trioza urticae und bei Imagines von Psylla buxi und Foersteri fand ich aber die Zellen des Pseudovi- tellus gefüllt mit mehr oder weniger großen Bläschen, welche ganz ähn- lich aussehen, wie die durch Extraktion des Fettes in den Fettzellen entstandenen Blasen. Die ganzen Zellen erschienen meist röthlich, die netzartig zwischen den Ringeln liegende Substanz aber bräunlich und feinkörnig, wie das Protoplasma in den Eiern dieser Thiere. Der ganze Pseudovitellus ist von einer Haut umgeben, welche wohl wie bei den Aphiden von stark abgeplatteten Zellen gebildet wird. Man findet diese, resp. Zeilkerne, hier und da in der erwähnten Haut, welche braun und ziemlich grobkörnig ist. Braune gröbere Körnchen findet man auf meinem Schnitte übrigens auch zwischen den anderen Zellen eingelagert. 1 E. METSCHNIKOFF, Embryologische Studien an Insekten. Diese Zeitschr. Bd. XVI. 4866. p. 474—177, 610 Emanuel Witlaczil, Es entspricht dieser Körper nach seinem äußeren und inneren Bau vollkommen den von mir für die Aphiden beschriebenen Verhältnissen. Seine Bildungsweise ist nach der Darstellung Merscunikorr’s für Psylla crataegi auch genau dieselbe, wie bei den Aphiden, was ich ebenfalls schon aus einander gesetzt habe. Er ist daher dem Pseudovitellus der Aphiden vollkommen hbomolog zu setzen. Es kommt ihm auch nur die Bedeutung eines Körpers zu, der als fremder, von der Eiröhre des Mutterthieres stammender Bestandtheil in das Ei gedrungen, sich in demselben zu einer umfangreichen Zellmasse ausgebildet hat, ohne aber eine nachweisbare. Aufgabe für den Körper zu besitzen. IX. Geschlechtsorgane. Durour beschreibt ziemlich ausführlich den inneren Geschlechts- apparat von Psylla ficus, welche Beschreibung bei ihm nachgesehen werden mag!. Ich fand bei den Psylliden den jederseitigen Hoden meist aus zwei Hodenschläuchen gebildet, die am freien Ende zugespitzt, mit ihrer Basis zusammenstoßen und hier in den langen, Anfangs etwas aufgetriebenen, weiterhin dünnen Samenleiter münden (Fig. 48). Jederseits zwei Hoden- schläuche fand ich beiRhinocola speciosa, Psyllopsis fraxini- cola, Trioza rhamni und urticae, Psylla crataegi und auch buxi(?). Bei Psylla alni und Foersteri wie bei Psylla ficus sind vier Hodenschläuche zu finden, aber auch fünf. Bei großen Larven von Psylla ficus kann man konstatiren, dass die Hodenschläuche in der Weise zusammenhängen, dass ihr gemeinsamer Stamm sich zweimal gabelt. Einer von diesen Ästen gabelt sich aber manchmal wieder, so dass wir fünf erhalten. Diese kurzen Theile wachsen später, beson- ders bei den zuletzt erwähnten Arten, zu sehr gestreckten Schläuchen aus, die nur an ihrer Basis zusammenhängen. Die Samenleiter (Vasa deferentia) treten seitlich hinten in unmittel- barer Nähe der Ausführungsgänge zu den Samenblasen, münden aber nicht an dieser Stelle, sondern ziehen an der Peripherie derselben bis an den Vorderrand, wo sie in der Mittellinie in die Samenblasen über- gehen (Fig. 51). Diese sind von nahezu eiförmiger Gestalt, mit dem breiteren Ende vorn, und sind in der Mittellinie der ganzen Länge nach verwachsen, so einen mehr oder weniger herzförmigen Körper bildend. Die seitlich an ihrer Peripherie verlaufenden Partien der Vasa deferentia sind mit ihnen verwachsen. Wenn man diese seitlich oder vorn zu den Samenblasen treten sieht, wie man dies oft erhält, mag beim Präpariren ein theilweises Losreißen der verwachsenen Partien der Vasa deferentia 1 Rech. anat. et physiol. sur les Hemipteres. p. 317 und 357. \ Die Anatomie der Psylliden. 6li von den Samenblasen stattgefunden haben. Nach hinten entsenden die Samenblasen je einen, mit dem der anderen Seite verwachsenen Gang, der bei Psyliopsis und Rhinocola kurz, bei den Gattungen Psylla und auch Trioza ziemlich lang ist, und endlich in den Samengang mündet. Manchmal, z. B. auch einmal bei Psylla ficus, fand ich diese Gänge nicht gleich vom Anfang an mit einander verwachsen, son- dern hier zwischen ihnen einen kleinen Zwischenraum. Gemeinsam mit den Ausführungsgängen der Samenblasen münden ohne Ausführungsgang die seitlich davon gelegenen accessorischen Drüsen in den Ductus ejaculatorius. Es sind das kugelige oder längliche Blasen, welche meist groß und aufgetrieben und dann dünnwandig er- scheinen, die aber beim Präpariren leicht zusammenfallen und so kleiner, dickwandiger werden. Bei der Gattung Psylla erreichen sie eine sehr bedeuiende Größe und sind langgestreckt, so dass sie fast durch das ganze Abdomen reichen. Es ist noch zu erwähnen, dass die gewöhn- lichen kleinen accessorischen Drüsen am hinteren Ende ausmünden, während diese langgestreckten Drüsen ihre Anheftungs- und Mündungs- stelle seitlich, freilich mehr gegen das hintere Ende zu besitzen. Diese hellen Drüsen hat Durour für die eigentlichen Samenblasen angesehen. Der Samengang (Ductus ejaculatorius) ist sehr lang, Anfangs dick, weiterhin sehr dünn und durchzieht mit dieser Partie den langen Penis, an dessen Spitze er mündet. In dem verhältnismäßig aufgetriebenen Anfangstheil des Samenganges befindet sich ein räthselhafter Körper, den ich wegen seiner kolbenförmigen Gestalt kolbenförmiges Organ nennen will. Eine die Hodenschläuche derselben Seite zu einem Hoden ver- einigende Haut ist nicht vorhanden. Hodenschläuche, Vasa deferentia und Samenblasen sind meist gelbbräunlich gefärbt, welche Färbung an der diese Organe umgebenden zelligen Haut haftet. Die eigentliche Wand der Hodenschläuche besteht auch aus sehr platigedrückten Zellen. Ihre Zellkerne lassen sich aber fast nur an großen Larven und jungen Ima- gines, und da nicht immer, nachweisen. In den Hodenschläuchen findet man die Samenballen meist in einer Reihe über einander geschichtet, wodurch er an der Spitze schmal, gegen die Basis zu mit der weite- ren Entwicklung seines Inhaltes immer breiter wird. Indem die die Samenballen umgebenden Häute sich an einander legen, erscheint der Hodenschlauch in eine Reihe von Fächern abgetheilt. Bei Psyllopsis fraxinicola undin den basalen Partien der Hodenschläuche von Psylla ficus fand ich bier und da im Durchschnitte zwei oder mehrere Fächer, indem eben mehrere Samenballen neben einander gelagert waren. Im ersten Fache an der Spitze des Hodenschlauches findet sich eine 612 | Emanuel Witlaczil, Anzahl von Samenmutterzellen, welche radiär angeordnet sind und im Centrum noch zusammenhängen (Fig.53u.55). Durch einen Zwischen- raum ist davon die dazu gehörige Zellhaut getrennt, welche sich eng an die Haut des Hodenschlauches und des folgenden Samenballens anlegt, wie dies auch die Häute der folgenden Ballen thun. Es geschieht dies in so inniger Weise, dass man die einzelnen Häute nur in seltenen Fällen von einander unterscheiden kann, und nur die kleinen Zwischen- räume, welche meist dort, wo zwei Samenballen mit einander und der Hodenschlauchwand zusammenstoßen, sich erhalten, legen dann Zeug- nis ab für die Existenz derselben. Die auf das erste folgenden Fächer werden immer breiter, da ihre Zellen immer größer werden. Der Zu- sammenhang dieser scheint sich zu lösen; sie liegen dann in zwei, selten mehr Schichten in jedem Fache, indem sie sich gegenseitig polygonal begrenzen. Weiterhin findet man, dass jede dieser großen Zellen in mehrere kleine zerfällt. Die so entstandenen Zellen bilden die Samen- fäden aus, an welchen Anfangs noch die Überreste der Samenmutterzellen in Form kleiner Protoplasmaklümpchen haften. Besonders an einem Ende der meisten Fäden findet man ein glänzendes, später immer kleiner wer- dendes Korn. Die unteren Partien der Hodenschläuche findet man ange- füllt von gewellten Samenfäden, die in Packeten beisarnmen liegen. Die besprochenen Zellen erscheinen im frischen Zustande ziemlich hyalin und von graulichem Aussehen mit etwas dunklerem feinkörnigen Kern. AufSchnittpräparaten erscheinen Zellinhalt und Zellgrenzen sehr zart, die Kerne deutlich und scharf, ziemlich hell, mit gröberen Körn- chen, welche mit einander in Form einer Perlschnur zusammenhängen | und sich meist an der Peripherie befinden. Sie entsprechen wohl in hrer Gesammtheit dem Kernkörperchen, so wie dies bei den Blastoderm- zellen der Aphiden der Fall ist. Diese Kerne findet man in den weiteren | Fächern in jeder Zelle zu zweien, dreien oder vieren, je nachdem die | Theilung fortgeschritten ist, indem der ursprüngliche Kern sich in zwei | und von diesen wieder jeder sich theilt, aber nicht immer beide zu | gleicher Zeit (Fig. 54). Auch diese Kerne zeigen in perlschnurartiger An- | ordnung grobe Körnchen. Um diese Kerne gruppirt sich der Zellinhalt der dadurch in mehrere Zellen zerfallenden Mutterzelle. | Ich habe die ersten Entwicklungsstadien der Hodenanlage bei den | Psylliden zwar nicht verfolgt, glaube aber dass sie sich so verhalten, | wie ich es für die Aphiden nachgewiesen habe. Während also die | Hodenanlage in die einzelnen Hodenschläuche zerfällt, mögen die peri- | pheren Zellen sich abplatten und so die Wand der Hodenschläuche bil- den. . Die Zellen des Inhaltes zerfallen aber in je eine Zellkugel, deren \ periphere Zellen wieder eine Haut bilden. Diese Häute legen sich eng | \ Die Anatomie der Psylliden. 613 an einander und lassen dadurch den ganzen Hodenschlauch in Fächer abgetheilt erscheinen. Die darin befindlichen, Anfangs noch zusammen- hängenden Zellen zerfallen aber noch einmal durch endogene Theilung in mehrere Zellen, welche erst die Samenfäden ausbilden. Es erzeugen also auch hier erst die Enkelzellen der Zellen der ursprünglichen Hoden- anlage die Samenfäden. Freilich sind dabei die zahlreichen, durch endo- gene Theilung aus einer hervorgehenden Zellen als eine Generation auf- gefasst, was vielleicht nicht ganz richtig ist. Einzelne von mir bei Psylliden gemachte Beobachtungen, wo ich zwischen Fächern mit den letzten kleinen und mit den früheren großen Zellen solche mit mittel- großen Zellen fand, scheinen für das Vorhandensein von mehr als drei Zellgenerationen zu sprechen. Die ausgebildeten Samenfäden findet man meist in Packeten beisammen in den unteren Theilen der Hodenschläuche, im Anfang der durch dieselben hier aufgetriebenen Samenleiter und in den Samen- blasen, so wie auch im Receptaculum seminis des Weibchens. Es sind - meist lange, helle, auf beiden Enden zugespitzte gewellte Fäden, welche sich nach Behandlung mit Essigsäure noch mehr einkrümmen. Manchmal weisen sie an einem Ende Überreste ihrer Mutterzelle auf. Bei Psylla buxi und Foersteri fand ich sie im Receptaculum seminis sehr lang, doppelt kontourirt und gewellt oder Schlingen bildend. Lang und mehrfach gebogen fand ich sie auch bei Trioza urticae, bei welcher Art man sie im Receptaculum seminis sehr zahlreich in je eine kugelige Haut eingeschlossen findet. Verhältnismäßig kurz sind sie bei Psyllopsis fraxinicola, wo man sie im Receptaculum zu wenigen in ganz eigenthümliche Spermatophoren eingebettet findet. Die Zeit der Ausbildung der Hodenschläuche mit ihrem Inhalt scheint nicht bei allen Arten dieselbe zu sein. Bei einem jungen männlichen Imago vonPsyllacrataegi (Fig. 48) fand ich die Hodenschläuche von ähnlichem Aussehen, wie sonst allgemein bei den jungen Larven, indem nur einige Fächer mit Zellen der zweiten Generation ausgebildet waren. Bei Psyllopsis fraxinicola fand ich schon bei jungen Larven (Fig. 43) die Hodenschläuche von viel bedeutenderer Größe und bei Rhinocola speciosa und Psylla ficus befanden sich bei Larven des letzten _Stadiums in den unteren Fächern der Hodenschläuche bereits Samenfäden. Die oben erwähnte Verwachsung der Samenleiter mit den Samen- blasen mag sich dadurch erklären, dass in der Larve, wie noch zu be- Sprechen sein wird, die Hodenschläuche hinter den Samenblasen liegen, so dass der Verlauf der Vasa deferentia dort allgemein nach vern ist, während späler in Folge des Ausstülpens der Genitalsegmente die Hoden- ‚schläuche mehr vor denselben zu liegen kommen. Die Verwachsung 614 Emanuel Witlaezil, bildet aber eine Parallele zu der beschriebenen Verwachsung gewisser Theile des Darmes. Die Samenblasen und ihre Ausführungsgänge erscheinen ziem- lich dünnwandig, von einem Pflasterepithel gebildet. Dieses bietet ein sehr interessantes Verhalten (Fig. 51 Bund C). BeiPsylla buxi und Foersteri, welche ich daraufhin an Schnitien genauer untersuchte, fand ich nämlich in dessen Zellen zum geringsten Theil nur einen, meist aber zwei Zellkerne, welche nicht weit von einander lagen. Wenn nur ein Kern vorhanden war, zeichnete er sich in der Regel durch seine be- deutendere Größe aus. Da das Bild, welches ich auch gezeichnet habe, nicht darauf schließen lässt, dass wir es mit verschmolzenen Zellen zu thun hätten, so kann man nur annehmen, dass die Kerne diesen Zellen in der Theilung vorausgeeilt sind, freilich ohne dass diese gefolgt wären. Die gleichen Bilder erhielt ich vom Epithel der accessorischen Drüsen, an welchen ich auch bei einem Präparate von Trioza urticae dasselbe nachweisen konnte. Ein ähnliches Verhalten schien mir, wie schon er- wähnt, bei einigen Zellen von Speicheldrüsen vorhanden zu sein und auch die bei den Samenmutterzellen auftretende endogene Theilung bietet Analoges. Übrigens giebt auch L. Lanvoıs 1 für das Receptaculum semi- nis des Weibchens von Pediculinen an, dass sich im Epithel neben ein- kernigen auch zahlreiche zweikernige Zellen finden. Der Inhalt der Zellen des Samenblasenepithels erscheint im frischen Zustande grau und feinkörnig, die Kerne aber heller mit einigen dunklen Körnchen. Nach Behandlung mit Essigsäure treten die Kontouren und Körnchen scharf hervor. An einem Präparate konnte ich übrigens die Grenzen der einzelnen zweikernigen Epithelzellen nicht wahrnehmen. Im optischen Durchschnitt der Samenblasenwand treten auch die Zell- grenzen nicht deutlich hervor. Auf Schnittpräparaten von Psylla Foer- steri erschien der Inhalt dieser Zellen wenig braunröthlich gefärbt, die Zellkerne blass mit intensiv gefärbtem Kernkörperchen. Ein Durch- schnitt durch die Wand wies an der inneren Fläche eine nach innen zu zackige Schicht von Sekret ihrer Zellen auf. Dieses so wie die weiter hinein zu liegenden Samenfäden waren blassröthlich gefärbt. Bei | Psyllopsis fraxinicola und Trioza urticae fand ich auf Schnit- ten in den Samenblasen um die Samenfäden eine feinkörnige range daher gelbliche oder grauliche Masse. Das Epithelder accessorischen Drüsen erscheintbei den kleineren höher, bei den großen sehr niedrig. Sein histologischer Bau entspricht jenem der Samenblasen. Auf Schnitten durch die Wand dieser Drüsen | 1 Untersuchungen über die auf Menschen schmarotzenden Pediculinen. I. Diese Zeitschr. Bd. XIV. 1864. Die Anatomie der Psylliden. 615 sind die Zellgrenzen meist nicht deutlich zu erkennen. Nach innen von dem intensiv gefärbten Zellkern findet man im Zellinhalt größere oder kleinere Blasen von (abzusonderndem) Sekret. Das diese Drüsen füllende Sekret erschien auch meist klein- oder großblasig. Auf nicht ganz dünnen Schnitten liegen sich theilweise deckende Blasen über einander, was ein recht verworrenes Bild giebt. Die zwischen den Blasen gleich- sam ein zarteres oder stärkeres Gerüst bildende Masse war etwas röth- lich gefärbt, während die Blasen, welche durch Extraktion gewisser Stoffe entstanden zu sein scheinen, farblos waren. Bei Psyllopsis fraxinicola und Trioza urticae fand ich übrigens auch hier ein etwas abweichendes Verhalten, indem sie in den accessorischen Drüsen eine gleichmäßig feinkörnige und roth gefärbte Masse enthielten. Es muss erwähnt werden, dass bei den Arten mit besonders großen accessorischen Drüsen, diese, wenn sie bei der frischen Untersuchung theilweise zusammengefallen sind, ein ganz eigenthümliches Aussehen gewinnen. Ich fand dies beiPsylla buxi, alni und auch Trioza urticae. Indem zahlreiche Vertiefungen darauf in querer und Längs- richtung verworrene Falten erzeugen, gewinnt die Drüse das Aussehen, als wenn sie aus sehr zahlreichen verworrenen oder einem vielfach ver- schlungenen Schlauche gebildet würde. Eine Muskulatur ist an den besprochenen Organen nur sehr schwer nachzuweisen. Am leichtesten noch an den großen accessorischen Drüsen, z.B. von Psylla buxi die quer verlaufenden Fasern (Fig. 51). Die Längseinschnitte hier scheinen aber von Längsfasern hervorgerufen zu werden, welche mit jenen ein Netzwerk bilden, wie ich es für den End- darm der Aphiden beschrieben habe. An den Ausführungsgängen der Samenblasen dieser Art fand ich linsenförmige Durchschnitte von queren Muskelfasern, welche auch an den Samenblasen vorhanden zu sein scheinen. Am Vas deferens von Psyllopsis fraxinicola endlich sah ich Kontraktionen, welche doch wohl nur durch (quere) Muskel- fasern verursacht worden sein konnten. Eine peritoneale zellige Tunica ist um die Hodenschläuche, Vasa deferentia und Samenblasen allgemein leicht nachweisbar, da sie diesen Organen die bräunlichgelbe Färbung verleiht (Fig. 51 u. 52). Der Inhalt ihrer abgeplatteten verschmolzenen Zellen besteht aus gelben "Körnchen. Die Zellkerne sind groß und hell und treten dadurch deut- lich hervor, erscheinen auch etwas körnig und enthalten ein Kernkörper- chen. Diese zellige Haut löst sich leicht von den erwähnten Organen ab. _ An den accessorischen Drüsen scheint sie aber zu fehlen, wenigstens konnte ich sie hier nicht konstatiren. Diese Drüsen erscheinen auch immer hell und ungefärbt. 616 | Emanuel Witlaczil, Um die Ausführungsgänge der Samenblasen konnten Nervenfasern konstatirt werden. Der lange Samengang besteht aus einer Schicht flachgedrückter verschmolzener Zellen, deren Zellinhalt wasserhell und körnig erscheint. Zellkerne treten darin nur nach Behandlung mit Essigsäure, und da spärlich hervor. Diese Schicht, welche sich an der Spitze des Penis in ‚die Hypodermis desselben forisetzt, sondert auf der Innenseite eine starke Chitinintima ab, welche z. B. bei den großen Psylla-Arten doppelt kon- tourirt erscheint. Besonders ausgezeichnet durch Dicke ist ein kurzes Stück am Anfange des Samenganges. Die Chitinintima zeigt in demsel- ben quere ringförmige Verdickungen, die durch schief verlaufende mit einander zusammenhängen (Fig. 49). Sie bildet außerdem am Anfange und Ende dieser Partie je einen hohen Chitinstreifen, deren ersterer sich fast zu einer Scheibe schließt, die nur zwei Öffnungen für die mit der accessorischen Drüse jeder Seite gemeinsam einmündenden Ausführungs- gänge der Samenblasen frei lässt. Zwischen den erwähnten beiden Reifen befindet sich ringförmig eine dicke, der Länge nach gestreifte Muskel- masse. Außerhalb dieser, trotzdem keine Querstreifung nachweisbar war, in ihrem Aussehen an die quergestreiften erinnernden Muskel- masse findet sich eine helle feinkörnige Substanz, welche vielleicht als Überrest der Zellen anzusehen ist, welche sie ausgebildet haben. Diese Muskelmasse vertritt möglicherweise die Funktion der hier so wenig aus- gebildeten, am Ductus ejaculatorius ganz fehlenden, zur Entleerung des Samens dienenden Muskulatur. Es schien mir übrigens auch manchmal, dass von der beschriebenen Partie quergestreifte Muskeln nach rück- wärts zu der Körperwand zogen. Eine peritoneale Tunica fehlt um den Ductus ejaculatorius. Zwischen den erwähnten beiden in den Samengang führenden | Öffnungen ist das räthselhafte kolbenförmige Organ angewachsen. BeiPsyllopsis fraxinicola und Rhinocola speciosa fand ich es sehr kurz, kaum über die basale Partie des Samenganges hinaus- | reichend (Fig. 46). Bei Triozarhamni und Psyllaficus istes un- | bedeutend länger. Bei Psylla Foersteri, buxi und alni aber weit in den Samengang hineinreichend (Fig. 47—49). Der Bau dieses Organes | ist im Wesentlichen überall derselbe. In der Mittellinie desseiben be- findet sich eine Spalte, die bei Psyllopsis manchmal sehr weit ist. | Hinter der stielförmigen Ansatzstelle baucht sich dieses Organ aus. Dieser | Wulst scheint sich rund um das ganze Organ zu befinden, indem man | ihn auf Transversal- wie Sagittalschnitten findet. Es wäre aber denk- | bar, dass es nur zwei seitliche Ausstülpungen sind, welche sich weit | herum erstrecken, so dass sie mit einander fast verschmelzen. In diesen | \ Die Anatomie der Psylliden. 617 Partien befinden sich Höhlunger, welche sich in Form von Spalten in den Stiel und in die hintere Endpartie fortsetzen, wo sie bis zur Spitze reichen. Die weiblichen Genitalien bestehen aus jederseits einer Rosette von Eiröhren, welche in einen ziemlich weiten Eierkelch einmünden (Fig. 61). Diese verjüngen sich zu den nicht unbedeutend langen Eileitern, die sich zu dem kurzen, zwischen den Anhängen des achten und neunten Abdominalsegmentes ausmündenden Eiergang vereinigen. Die Zahl der jederseitigen Eiröhren ist verschieden, aber immer eine bedeutende. Bei Psyllopsis fraxinicola fand ich jederseits etwa 20, bei Psylla buxi etwa 15, Psylla Foersteri beiläufig 30, Psylla alni 40—50, Rhino- cola speciosa 30-40. Die Eiröhren selbst bestehen bei Psyllopsis fraxinicola im ausgebildeten Zustande aus dem Endfache und zwei verschieden großen Eifächern. Bei Trioza haben wir dasselbe Ver- halten und auch bei Psylla scheint es vorhanden zu sein. In den Eiergang mündet eine Reihe von Organen (Fig. 60), näm- lich zwei Kitidrüsen, zwischen und etwas hinter denselben das Recepta- culum seminis und knapp hinter diesem bei Psyllopsis fraxinicola noch ein kleineres ähnlich geformtes und wie es scheint drüsenartiges Organ. Die Kittdrüsen stoßen mit ihren Anwachsstellen zusammen und bestehen aus einer ziemlich breiten basalen Partie, welche in zahlreiche Lappen zerfällt, die zum Theil in cylindrische Röhren auslaufen. Das Receptaculum seminis erscheint groß und verhältnismäßig langgestreckt, allmählich in seinen Ausführungsgang übergehend. Bei Psylla buxi (Fig. 67) fand ich dasselbe aber von ellipsoidischer Form, mit einem scharf abgesetzten, dünnen Ausführungsgang. Möglich, dass nur durch den darin befindlichen Samen dasselbe so aufgetrieben worden war. Endlich gehört noch zu dem weiblichen Genitalapparat eine, wie man sich auf Transversal- und Sagittalschnitten überzeugen kann, kugel- förmige Drüse, die durch einen langen sich allmählich etwas verjüngen- den Ausführungsgang von oben in den Kanal zwischen den Anhängen des achten und neunten Segmentes mündet (Fig. 59, 60, 65 u. 66). Bei frischer Untersuchung zeigt diese Drüse durch Verzerrung manchmal eine ‚von der kugelförmigen etwas abweichende Gestalt, so wie sie auch auf Schnitten, durch die umgebenden Organe, besonders Eiröhren gedrückt, manchmal polygonal erscheinen. Auf Schnitten durch junge Imagines, ' welche diese Drüse, so wie das Receptaculum seminis noch leer hatten, fand ich sie zusammengefallen. Das Eiröhrenepithel hat gewöhnlich das allgemeine wasserhelle Aussehen (Fig. 62). Am Endfach ist es abgeplattet, um das junge Eifach Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. AA 618 = Emanuel Witlaezil, verhältnismäßig dick, um das ausgebildete Ei aber wieder abgeplattet.. Es scheint sich am Ende der Eiröhre in einen Endfaden fortzusetzen. Wenigstens fand ich bei Psyllopsis fraxinicola hier mehrmals einen Protoplasmafaden, der auch hier und da Zellkerne aufwies. Diese Einrichtung hat bei unseren Thieren freilich ihren Zweck verloren, da die zahlreichen nach allen Richtungen aus einander tretenden Eiröhren dadurch nicht mehr zusammengehalten werden. Der Inbalt der Epithel- zellen erscheint feinkörnig, die namentlich an den plattgedrückten Par- tien hervortretenden Zeilkerne aber mit gröberen Körnchen versehen. Auf Schnitten findet man das Eiröbrenepithel sehr deutlich: der Zell- inhalt blass und feinkörnig, die Zellkerne deutlich roth (Fig. 63). Das Endfach enthält sehr zahlreiche kleine Einährzellen, welche eine verschmolzene, ziemlich undurchsichtige Masse vorstellen, deren Zellkerne im frischen Zustande nicht leicht nachweisbar sind (Fig. 62). Gegen die Eiröhre zu findet sich eine Anzahl von 5—10 mehr gesonderten und größeren Zellen mit deutlichem Zelikern, die jungen Eichen. Das im ersten kleineren Eifach sich entwickelnde Ei fand ich mit der Einähr- zellmasse durch einen Stiel zusammenhängend. Dieses Ei erscheint graulich und feinkörnig, an der Peripherie heller, indem hier sich das Protoplasma reiner erhält. Der Zelikern lässt sich jetzt noch gut er- kennen und zeigt manchmal eine unregelmäßige Gestalt, scheint also amöboide Beweglichkeit zu besitzen. Am hinteren Ende dieses Eifaches bemerkt man eine kugelige grobkörnige Masse, die Anlage des Pseudo- vitellus, welche jetzt noch deutlich vom Ei gesondert ist. Bei etwas größeren, sich in demselben Eifache findenden Eiern ist der Eikern meist nicht mehr deutlich zu sehen, es ist aber der Pseudovitellus mit denselben in engere Berührung getreten. Der Eistiel findet sich auch noch bei größeren, älteren Eiern, wenn sich schon das zweite Eifach auszubilden beginnt. BeiPsyllopsisfraxinicola fand ich die zwei- ten sich ausbildenden Eier der Eiröhren meist von schwarzem Aussehen, wohl darum, weil sie verdorben waren. Eine andere Beobachtung scheint aber dafür zu sprechen, dass in der Regel auch diese Eier zur Ausbil- dung kommen. Bei einem alten Weibchen von Psylla buxi nämlich, welches das Receptaculum seminis schon ganz verödet hatte, fand ich in einigen Eiröhren noch entwickelte Eier, auf welche unmittelbar das End- fach folgte. Nachdem das Ei abgelegt worden ist, fallen die Eiröhren zu- sammen und scheinen sich zu kontrahiren. Das ausgebildete Ei ist ziemlich groß und zeigt einige Formunter- schiede. Vorn ist es etwas zugespitzt, hinten aber abgerundet und mit einem stielförmigen Fortsatz versehen, welcher von dem das ganze Ei umgebenden Chitinchorion gebildet wird. Bei Psyllopsis fraxini- \ Die Anatomie der Psylliden. 619 cola ist das Ei hinten etwas schmäler als in der Mitte und der erwähnte Chitinstiel ist stark seitlich verschoben (Fig. 62). Bei den von mir unter- suchten Trioza-Arten erscheinen die Eier am Hinterende breiter als bei Psyllopsis und schief; das Stielchen sitzt so ziemlich am hinteren Pole in der Mitte, ist aber nach einer Seite gewendet (Fig. 63). Das Chorion bildet auch vorn an demselben oft einen spitzen Chitinfortsatz. Auch bei Psylla ist das Stielchen hinten in der Mitte, aber nach einer Seite ge- wendet. BeiPsyllaFoersterisind die Eier hinten nicht viel breiter als vorn. Das erwähnte Chorion erscheint dick, deutlich doppelt kontourirt. Eine besondere Struktur desselben habe ich nicht beobachtet und die wahrscheinlich am vorderen Pole befindliche Mikropyle nicht gefunden. Unter dem Chorion befindet sich noch um das Ei die zarte helle Dotter- haut, welche stellenweise vom Chorion abgehoben, deutlich hervortritt. Das Ei selbst erscheint undurchsichtig, von Fetttröpfehen und Dotter- körnern gefüllt, welche meist unregelmäßig gemengt, sich bei Psyllop- sis fraxinicola zu Ballen gruppirt vorfanden, welche das ganze Ei anfüllten (Fig. 62). Zwischen diesen Ballen trat, wie allgemein an der Peripherie, eine dunklere feinkörnige Masse hervor: das reinere Proto- plasma. Der Eikern ist nicht wahrzunehmen, dagegen findet sich an der Peripherie des Eies, an der Basis des erwähnten Stieles, der Pseudovitel- lus wieder, der aus Körnern zu bestehen scheint und gelblichbraun ge- färbt ist. Von demselben geht etwas Protoplasma in jenen Stiel, der also nichts Anderes ist, wie ein Fortsatz des Chorions, welcher von Zellen des Eiröhrenepithels um den Stiel des Pseudovitellus ausgeschieden wurde, der denselben mit dem Eiröhrenepithel, seiner Ursprungsstätte, verband. Auf Schnitten findet man im Endfach den Inhalt der Zellen blass gefärbt, während die Kerne heller sind und ein intensiv gefärbtes Kern- körperchen aufweisen. In den Eiern des ersten Eifaches erscheint die peripherische Protoplasmaschicht klar, heller und etwas grobkörniger als die bei diesen jüngeren Eiern gleichmäßig röthlich gefärbte centrale Masse (Fig. 63). Bei ausgebildeten Eiern ist die peripherische Proto- plasmaschicht bräunlich und setzt sich ähnlich wie bei den Aphiden um den Pseudovitellus fort. Dieser besteht, wie es für die Aphiden von Bargranı! beschrieben wurde, aus kleinen auf einander geschichteten . Körpern, die blassrötblich, in der Mitte etwas dunkler gefärbt sind und wohl Zellen entsprechen dürften, die vom Eiröhrenepithel aus durch Theilung entstanden sind. Im Eiinhalt findet man hier mehr oder weni- ger große Höhlungen, welche durch Extraktion der Fetttröpfchen bei 1 BaLsıanı, Mem. sur la generat. des Aphides. Du mode de format et constit. ‚des oeufs. Annal. d. sc. nat. Zool. Ser. V. T. XIV. 1870. Art. No. 9. T. XV. 4872. Art. No. 4 und. 4A* 620 Emanuel Witlaezil, Behandlung zur Färbung verursacht worden sind. Der übrige der Dotterkörnchen entsprechende Eiinhalt ist meist ziemlich homogen röth- lich, erscheint aber von bräunlichen grobkörnigeren und klareren Proto- plasmasträngen durchsetzt. Manchmal kann man aber die einzelnen Dotterkörnchen noch deutlich von einander unterscheiden. So fand ich dies beiPsyllaFoersteri, wo auf einem Querschnitte eines ausge- bildeten Eies unter der peripherischen Protoplasmaschicht, große röth- liche, homogen aussehende Dotterkörnchen lagen (Fig. 64). Das Centrum dieses Eies war aber erfüllt von braunen ringförmigen Körperchen, wie ich sie auch so häufig im Fettkörper fand. Auch die anderen jungen Eier dieses Präparates fand ich mit solchen Körperchen angefüllt. Es muss noch bemerkt werden, dass bei Larven, bei welchen die Ovarien jederseits hinten im Abdomen als kleine, auf Schnitten schön gefärbte Rosetten liegen (Fig. 61), von den Eiröhren nur die Endfächer ausgebildet sind, welche durch ein mehr oder weniger langes Stielchen dem Eierkelch aufsitzen. In diesen Endfächern findet man aber die Ei- nährzellen meist noch deutlich begrenzt und nur im Centrum, wo sie zusammenstoßen, mit einander und den Eichen verschmolzen, ganz so wie bei den Aphiden während des ganzen Lebens. Übrigens findet sich das beschriebene Verhalten auch bei jungen Imagines der Psylliden, die oft auch nur das Endfach und noch keine Eifächer in den Eiröhren aufweisen. Eileiter und Eiergang bestehen aus einem, namentlich an den oberen Partien, am Eierkelch, ziemlich hohen (Fig. 61), ganz deutlichen Epithel, dessen Zellen in der Längsrichtung dieses Organes etwas aus- gezogen erscheinen. Das Lumen dieser Organe erscheint sehr eng und die durchtretenden Eier (man findet oft in den Eileitern und im Eiergang solche) verursachen eine bedeutende Auftreibung. Merkwürdig ist, dass das Stielchen des Eies sich hierbei nicht eng dem Ei anschmiegt, sondern oft bedeutend absteht, wodurch es doch speciell bei Psyllopsis ein bedeutendes Hindernis für die Fortbewegung desselben bilden muss (Fig. 62). Der Eiergang führt in den Kanal zwischen den Anhängen des achten und neunien Abdominalsegmentes. Die Länge dieses variirt mit derjenigen der Geschlechtsanhänge; diese ist bei den einzelnen Gattungen konstant. Beim Zerzupfen der weiblichen Genitalien bleiben die inneren Theile derselben gewöhnlich an den unteren Scheiden hängen. Übrigens wäre zu bemerken, dass die Gattung Trioza im ganzen Bau nicht nur der äußeren, sondern besonders auch der inneren Geschlechtsorgane der GattungPsylla sehr nahe steht, so dass die Trennung dieser Gattungen in besondere Unterfamilien nicht ganz entsprechend sein dürfte. Die Kittdrüsen besitzen ein Epithel, das an den einzelnen Lappen ziemlich hoch, an der basalen Partie niedriger erscheint. In den ein- \ Die Anatomie der Psylliden. 621 zelnen Zellen findet man meist gegen innen zu eine Sekretblase, welche stark glänzt (Fig. 68). Dies kann man in vielen Lappen so regelmäßig beobachten, dass ihre Wände gleichsam von einer doppelten Schicht ge- bildet werden, von welchen die äußere, den klaren feinkörnigen Zell- inhalt aufweisende heller, die innere sekrethaltige und desshalb stark licht- brechende dunkler erscheint. Die unteren Partien der Kittdrüsen sind meist ganz mit Sekret erfüllt, das oft einen bläulichen Schimmer besitzt. Sie zeigen dabei auf der Außenseite den einzelnen Zellen entsprechende Vorwulstungen, in deren jeder man eine Sekretmasse wahrnehmen kann. An frischen Präparaten von Psyllopsis fraxinicola fand ich die seit- lichen unteren Partien der Drüse mit großen glänzenden Vorwulstungen, während die Partien über dem Eiergang kleine und nicht glänzende Wülste bildeten. Bei jungen Thieren secerniren überhaupt erst die an den Eiergang anstoßenden Partien der Kittdrüsen. Das Epithel der Kitt- drüsen setzt sich nämlich unmittelbar in das des Eierganges fort, und dieses zeigt auf eine Strecke hin dieselbe Beschaffenheit, wie jenes der Kittdrüsen. Diese sind ja wohl nichts Anderes als differenzirte und vergrößerte Partien des Eiergangepithels. Auf Schnitten erscheinen die seitlichen Partien der Kittdrüsen, wenn sie noch nicht secernirt haben, von schmalen hohen Zellen gebildet, während die mittleren Partien dickere und niedrigere Zellen aufweisen (Fig. 69). Erstere Partien erscheinen von oben gesehen bräunlich-roth, im Durchschnitt aber an der äußeren Seite rotb, mit noch intensiver ge- färbten Kernen, an der Innenseite gelblich. Bei den helleren mitileren Partien findet man in jeder Zelle nach innen zu eine Sekretmasse, die wie das im Lumen der Drüse enthaltene Sekret blassröthlich gefärbt ist und ganz fein punktirt, fast homogen erscheint. Den roth gefärbten Kern kann man an der Außenseite dieser Zellen in dem wenig gefärbten Zell- inhalte finden. Die Zellgrenzen, namentlich die nach außen gewendeten, sind meist braun, wie ja die Kittdrüsen oft (schon im frischen Zustande) durch ihr braunes Aussehen sich auszeichnen. Auch das Receptaculum seminis erscheint lichtbraun gefärbt. Das Epithel desselben fand ich ganz eigenthümlich, indem jede Zelle für sich eine Drüse bildet, welche durch eine kleine Öffnung in das Lumen des Receptaculum mündet (Fig. 67). Diese Mündung ist von einem durch die chitinige Intima des Receptaculum gebildeten Ring umgeben. Sie führt in eine Höhlung, die hell erscheint und von dem Zellinhalt dieser ' Nachgedrückten Zellen in Form eines Ringes umgeben ist, in welchem der Zellkern liegt. Weiterhin verdünnen sich diese Zellen noch mehr und erscheinen bei den ausgebildeten Thieren dort, wo sie zusammenstoßen, mit einander verschmolzen. Die beschriebene Struktur fand ich speciell 622 Emanuel Witlaezil, bei Psylla buxi, wo die einzelnen Zellen sehr aus einander gezerrt und nur in der Mitte, wo sich die Höhlungen in denselben befinden, auf- getrieben erscheinen. Ähnliche Bilder erhielt ich von Rhinocola spe- ciosa an frischen Präparaten und auf Schnitten. Hier so wie auch bei Trioza urticae sind die einzelnen Zellen aber nicht so stark aus ein- ander gezerrt. Bei letzterer Art fand ich von der Oberfläche gesehen große rundliche oder polygonale Zellen, deren Höhlung von einer hellgrau aussehenden Flüssigkeit angefüllt ist und von einem Protoplasmawulst umgeben wird, der mit jenen der benachbarten Zellen verschmilzt. Bei hoher Einstellung sieht man in der Mitte der äußeren Wand dieser Zellen einen hellen Kern mit dunklem Kernkörperchen, während man bei tiefer Einstellung den die Mündung umgebenden Chitinring wahrnimmt. Bei Psyllopsis fraxinicola endlich habe ich diese Struktur nicht kon- statirt, was aber vielleicht der nicht so gründlichen Untersuchung zu- geschrieben werden kann. Jene einzelligen Drüsen dürften eine Flüssig- keit absondern, die für die Erhaltung der Samenfäden von Vortheil ist. Auf Schnitten habe ich über die dargestellten Verhältnisse nicht so sünstige Bilder erhalten, wie an frischen Objekten, obwohl man dasselbe nachweisen kann. Man findet, dass die Chitinintima namentlich im Aus- führungsgange des Receptaculum sehr stark entwickelt ist. Bei Psylla alni fand ich im Receptaculum um den in der Mitte befindlichen Samen eine fast opake ganz feinkörnige röthlich gefärbte Masse von ähnlichem Aussehen, wie die Sekretmasse in den Samenblasen, mit welcher sie ja wohl eine ähnliche Aufgabe hat. Es ist das das geronnene Sekret der Epitheldrüsen, Ich fand übrigens oft, z. B. bei der oben erwähnten Art und bei Psylla buxi, das Receptaculum schon voll Samen, obwohl die Eier noch ganz klein waren. Es scheinen also hier, wie bei den Aphiden, die Männchen sich etwas früher auszubilden. Eigenthümliche Spermatophoren fand ich im Receptaculum des Weibchens von Psyllopsis fraxinicola (Fig. 60), während sie bei den Männchen noch nicht zu finden waren. Sie werden daher wahr- scheinlich aus dem Sekret der accessorischen Drüsen des Männchens erst beim Austritt aus den Genitalwegen durch Erhärtung gebildet. Sie haben eine flaschenförmige Gestalt mit einem weiteren kugeligen Bauche und einem ziemlich dünnen und langen Hals. Die gelbliche Masse, aus welcher sie bestehen, bildet um letzteren ringförmige Verdiekungen. Sie enthalten je eine nicht zu große Anzahl der kurzen Samenfäden unserer Art und sind meist in sehr großer Anzahl vorhanden, indem sie das Receptaculum prall anfüllen. Ich fand um dieselben noch, namentlich an den beiden Enden, eine helle feinkörnige Substanz, welche mit der sonst | in den Drüsen befindlichen mehr Ähnlichkeit hat als jene gelbliche. Oft | Die Anatomie der Psylliden. 623 hängen diese Spermatophoren reihenförmig zusammen, indem der Hals des folgenden immer am Bauche des vorhergehenden angehängt er- scheint. Wahrscheinlich treten sie in Form solcher Reihen aus den männlichen Geschlechtswegen, indem das Sekret je eine kleine Partie von Samenfäden umschließt, hinter welcher es sich zu dem dickwandi- geren wulstigen Hals zusammenschließt. Im Ausführungsgange des Receptaculum fand ich häufig knapp über dem Eiergang, mit dem Hals gegen diesen gewendet, einen Spermatopbhor stecken. Vielleicht nehmen die aus demselben tretenden Samenfäden die Befruchtung des durch- tretenden Eies vor. — Bei Trioza urticae fand ich im Receptaculum des Weibchens die Samenfäden in großen Mengen zusammen in sehr große kugelige Häute eingeschlossen, welche entweder glatt oder etwas kraus erschienen. Bei den anderen untersuchten Arten lagen die Samen- fäden zwar meist in Bündeln, aber frei im Receptaculum seminis. Jenes nur bei Psyllopsis fraxinicola mit Sicherheit nachge- wiesene unpaare Organ hinter dem Receptaculum (Fig. 60) hat ein aus abgeplatteten Zellen gebildetes Epithel und einen im Salzwasser dunkel feinkörnig erscheinenden Inhalt; es dürfte wohl drüsiger Natur sein, und vielleicht mit den bei dieser Art auftretenden Spermatophoren in einem Zusammenhange stehen. Eine bedeutende Muskelschicht findet sich nur um Eileiter und Eiergang. Sie ist um den Eierkelch dünn (Fig. 64), wird aber weiterhin immer dicker, ist namentlich um den Eiergang stark ausgebildet, und be- steht aus Ringmuskeln, die eng neben einander liegen und mit einander vielfach zusammenhängen. Um den Ausführungsgang des Receptaculum konnte ich auch eine gegen dieses hin immer dünner werdende Schicht von queren glatten Muskelfasern wahrnehmen (Fig. 60), so wie ich an demselben auch Kontraktionen konstatiren konnte. Am Receptaculum selbst fehlen die Muskelfasern und auch an den Kittdrüsen konnte ich keine finden. Eine zellige peritoneale Tunica fehlt um den weiblichen Geschlechts- apparat eben so, wie bei den Aphiden. Bei Psyllopsis fraxinicola fand ich um die gelbliche Muskelschicht der Eileiter und des Eierganges eine dünne wasserhelle, körnige Schicht, welche wohl durch die Über- reste der die Muskulatur bildenden Zellen gebildet wird, indem sie mit der auch sonst um Muskeln nachweisbaren Schicht übereinstimmt. Einen Irrthum dürfen auch nicht die den Eileitern und dem Eiergang oft eng anliegenden dünnen Nervenfasern verursachen, welche so wie dünne Tracheenäste zu diesen Organen treten. Die zu den weiblichen Geschlechtsorganen in Beziehung stehende kugelförmigeDrüse, so wie ihr Ausführungsgang, bestehen lediglich 624 Emanuel Witlaczil, aus einer Epithelschicht, die auf der Innenseite und an der Drüse selbst auch auf der Außenseite eine Chitincuticula zur Absonderung gebracht hat (Fig. 65 und 66). Am Ausführungsgange besteht das Epithel aus flachgedrückten Zellen, während die Intima spiralige Verdickungen be- sitzt. Dadurch ähnelt derselbe einem starken Tracheenstamme. In der Drüse selbst sind die Epithelzellen ziemlich hoch und begrenzen sich polygonal. Der Zeliinhalt erscheint grau und körnig und enthält auf der nach außen gewendeten Seite den Zellkern, während nach innen zu in jeder Zelle eine rundliche Masse helleren Sekretes sich befindet. Diese Sekretmassen der verschiedenen Zellen bilden ähnlich wie bei den Kitt- drüsenlappen gewissermaßen eine innere hellere Schicht der Drüsen- wand. Noch mehr Ähnlichkeit haben übrigens unsere Drüsenzellen mit jenen des Receptaculum, indem ibre Mündungen auch von Chitinwülsten in Form von Ringen umgeben sind. Aufder inneren Oberfläche erscheinen diese Zellen auch polygonal, aber natürlich von geringerem Durchmesser als an der äußeren Oberfläche. Von der äußeren Chitincuticula löst sich nach Behandlung mit Essigsäure zum Theil das Epithel ab. Auf Schnitten erhält man ähnliche Bilder (Fig. 66). Die Zellen er- scheinen roth gefärbt, feinkörnig, mit Kern und intensiv gefärbten Kern- körperchen. Nach innen zu ist die Zelle ganz ausgefüllt von einer Sekret- masse, welche so wie auch das das Centrum der Drüse und den Stiel ausfüllende, etwas zusammengezogene, geronnene und manchmal in Stücke zerbrochene Sekret ein kompaktes Aussehen und rothe Färbung besitzt. Um die Sekretmasse herum erscheinen die einzelnen Zellen heller und grobkörniger und enthalten hier manchmal noch kleine Bläschen. Bei ganz jungen Imagines übrigens, bei welchen diese Drüse noch kein Sekret abgesondert hatte, findet man dieselbe auf Schnitten zusammen- gefallen. Die Entwicklungsweise der Genitalien ist bei den Psylli- den ähnlich, wie ich sie in meiner Entwicklungsgeschichte der Aphiden beschrieben habe. Auch hier werden die accessorischen Geschlechts- organe von einer besonderen Ektodermeinstülpung gebildet, mit welcher die inneren Genitalien, nämlich einerseits die Hoden mit den Vasa defe- rentia, andererseits die Ovarien mit den Eileitern in Verbindung treten | und von der aus auch sekundäre Samen- und Eileiter ausgebildet zu | werden scheinen, wie einige Bilder (z. B. Fig. 58 und 59) zeigen. Ich verfolgte diese Verhältnisse an Larven von Psyllopsis fraxinicola, die weitere Ausbildung des kolbenförmigen Organes der Männchen aber bei solchen von Psylla crataegi. Die Genitaleinstülpung befindet sich bei den Larven an der Bauchseite des abdominalen Endstückes. Auch en \ Die Anatomie der Psylliden. 625 bei kleineren Larven findet man sie schon differenzirt. Indem diese Ein- stülpung an ihrer Mündung eng, weiterhin aber weit ist, bildet sie eine Höhlung, die durch eine wenigstens Anfangs kleine Öffnung nach außen führt und in welcher die wieder durch Ausstülpung der Wand jener Ein- stülpung gebildeten äußeren Geschlechtsorgane sich befinden, während die durch weitere Einstülpung derselben gebildeten accessorischen inne- ren Organe in die Leibeshöhle des Thieres hineinragen. So wie zum Theil in erstere Mesodermstränge eintreten, eben so umgiebt einige der inneren Organe eine Mesodermschicht, welche sich später zur Muskula- tur differenzirt. Bei jungen männlichen Larven fand ich als dicke seitliche, in jene Höhle hineinragende Wülste die Anlagen der Geschlechtszangen und zwischen diesen den besonders am Ende dicken Penis, dessen Wand sich an der Spitze wieder einstülpt, um so den Samengang zu bilden (Fig. 43). Nach innen zu sieht man die Anlagen der accessorischen Drüsen, so wie der Samenblasen und Samenleiter. Die Stelle, wo diese Organe mit dem Samengange zusammenhängen, bot leider ein ganz un- klares Bild, so dass man über die Bildung des kolbenförmigen Organes höchstens die Vermuthung aussprechen kann, dass sie durch irgend einen Spaltungsprocess vor sich geht, da von derselben Wand nach innen jene Organe, nach außen aber das in das Lumen des Samenganges vor- ragende zapfenförmige Organ gebildet wird. Bei einer größeren Larve (Fig. 44) waren die Anlagen der Genitalzange und des Penis bereits länger, eben so der dünne Samengang. Bei einer noch größeren Larve (Fig. 45) fand ich in einer aufgetriebenen Partie an der Basis des letz- teren, welche von einem Muskelring umgeben war, das zapfenförmige Organ. Die Lumina der accessorischen Drüsen sammt den Ausführungs- gängen der Samenblasen führten in dasselbe, welches außerdem an der Peripherie eine Spalte aufwies. Bei Larven von Psylla crataegi (Fig. 47) fand ich an der Basis desselben zwei nach vorn gewendete Ausstülpungen, deren Lumen in jene periphere Spalte mündete, während sich auch im Centrum des ganzen Organes eine Spalte befand. Bei großen - Larven dieser Art (Fig. 48) finden sich diese beiden Wülste enger an das Organ angelegt, aber doch noch eine Spalte zwischen sich und jenem frei lassend. Das ganze beschriebene Verhalten lässt die Vermuthung auf- kommen, dass wir esin dem zapfenförmigen Organe mit einem rudimen- tären Organe zu thun haben, das früher vorhandenen äußeren Ge- schlechtsorganen seinen Ursprung verdanken mag. — Penis und Geni- talzange sind bei den großen Larven bereits schön ausgebildet (Fig. 50). Bei jungen weiblichen Larven (Fig. 58) erkennt man in der rückwärts am Abdomen liegenden Höhlung die Anfangs noch kurzen 626 - Emanuel Witlaezil, und dicken Anlagen der äußeren Anhänge. Zwischen den das achte und das neunte Segment charakterisirenden Anhängen befindet sich als Ein- stülpung der Eiergang, von welchem durch Ausstülpung die accessori- schen Organe gebildet werden. Am Ende spaltet er sich in die zwei dicken Eileiter, welche an Stelle der primären von der inneren Genital- anlage aus gebildeten und von Muskulatur freien Eileiter treten. Jetzt findet man noch die kugelförmige Drüse unmittelbar vor der für Psyl- lopsis charakteristischen Drüse und dem dahinter liegenden Recepta- culum, von welchem etwas seitlich und rückwärts sich die Kittdrüsen befinden. Bei dem zweitfolgenden Larvenstadium (Fig. 59) sind die äußeren Anhänge weiter ausgebildet, wobei die kugelförmige Drüse durch einen bedeutenden Zwischenraum von den accessorischen inneren Organen getrennt erscheint. Auch diese sind weiter ausgebildet und zeigen bedeutende Lumina; die Kittdrüsen erscheinen aber noch rund- lich ohne die später auftretenden zahlreichen Lappen. Sehr instruktiv sind Sagittalschnitte durch große Larven über die Lageverhältnisse aller der besprochenen Organe im Abdomen. Indem in der erwähnten Höhlung auch das die Spitze des Abdomens bildende zehnte Abdominalsegment zur Ausbildung kommt, in welchem beim reifen Thiere der Anus liegt, erleidet diese bei der jungen Larve knapp hinter der Genitaleinstülpung inmitten der Wachsdrüsen liegende Öff- nung eine ziemlich bedeutende Lageveränderung. Sie wird in die sich später vergrößernde Einstülpung einbezogen, was beim Weibchen auch mit dem größten Theil der Wachsdrüsen geschieht, während diese beim Männchen in ihrer alten Lage bleiben und rückgebildet werden. Beim Männchen (Fig. 56) findet man in der Höhlung rückwärts das zehnte Ab- dominalsegment, an dessen Spitze der Anus sich befindet, davor den meist mit einem Gelenk versehenen langen Penis und seitlich die beiden Genitalzangen, welche Organe bei der während der letzten Häutung er- folgenden Ausstülpung der Höhle eine etwas andere, an den Abbildungen der reifen Thiere einzusehende Lage erhalten. Der vorderen Wand der Höhlung liegt der in der Leibeshöhle befindliche Samengang an mit den nicht auf demselben Schnitte sichtbaren Samenblasen und accessorischen Drüsen. Seitlich von den besprochenen Organen liegen die meist zu zweien vorhandenen Hodenschläuche, deren einer mit der Spitze nach vorn, der andere nach rückwärts gewendet ist und von welchen schief nach vorn die Samenleiter verlaufen. Diese Verhältnisse kann man an im Ganzen gefärbten Larven oder auf Transversalschnitten gut erkennen. Auf Sagittalschnitten durch große weibliche Larven (Fig. 57) findet man in der Höhlung unten und oben die Spitzen des siebenten und zehnten Abdominalsegmentes, über jener die langen unteren Scheiden und dar- Die Anatomie der Psylliden. 627 - über die Genitalstäbe und oberen Scheiden, welche sich enger beisammen befinden und deren letztere die ersteren umfassen. Die Ausführungsgänge der kugelförmigen Drüse und des Receptaculum verlaufen ein Stück weit vom Eiergange aus nach vorn, biegen aber dann nach rückwärts zu ihren dort befindlichen Organen um. Diese Lagerung erklärt sich durch das beim Größerwerden der Larve erfolgende stärkere Hineinwachsen der ganzen Anlage in den Körper. Die Kittdrüsen findet man vorn auf weiter seitlich gelegenen Schnitten, auf welchen man auch die Eileiter findet, die zu den seitlich hinten gelegenen Ovarien verlaufen. Von der beschriebenen Lagerung der Organe kann man sich auch auf Trans- versalschnitten oder an ganzen gefärbten Larven überzeugen. Von den älteren Insektenanatomen sind Angaben und Abbildungen über die Geschlechtsorgane verschiedener Hemipteren vorhanden, welche auf manche Ähnlichkeit zwischen diesen und den von mir untersuchten Psylliden schließen lassen. Dies gilt für Durour!, welcher für das Weib- chen von Cicada orni hinter den zwei vorderen schlauchförmigen Kitt- drüsen einen keulenförmigen Körper abbildet, den er für ein Reservoir der Kittdrüsen ansieht, der aber wohl das Receptaculum seminis ist, und dahinter noch eine lange schlauchförmige unpaare Kittdrüse. Beim männlichen Geschlechtsapparat dieser Thiere münden die Samenleiter und die von ihm als Samenblasen bezeichneten accessorischen Drüsen in eine dicke kolbige Masse, welche sich in einen sehr dünnen Ausführungs- gang fortsetzt. Vielleicht ist das eine dem Samengang der Psylliden mit seinem kolbenförmigen Organ ähnliche Bildung. Ähnlich sind die Ab- bildungen des männlichen Apparates von Aphrophorasalicina und Issus coleoptratus. Eben so bildet er für viele Wanzen einen ähnlichen, zuerst kolbigen und dann sehr dünnen Ductus ejaculatorius ab, so wie auch an die Psylliden erinnernde bauchige Receptacula semi- nis und accessorische Drüsen gezeichnet sind. MEckEr? hat die Geschlechtsorgane von Cicada ganz ähnlich ab- gebildet wie Durour. Er giebt bei dem Männchen für jenes birnförmige unpaare Organ, in welche die Vasa deferentia und die von ihm als solche erkannten accessorischen Organe münden, an, dass es sehr dickwandig ist und dass sein dünner Ausführungsgang in den Penis eingeht, der Anfangs aufwärts gebogen, weiterhin wieder hinabsteigt. Der in der Ruthe befindliche Theil ist nach ihm erweitert und entweder sehr ela- stisch oder sehr stark zusammengefaltet, denn er lässt sich, wenn man die Ruthe in der Mitte zerschneidet, sehr lang herausziehen. Da er in 1 Duvrour, Rech. anat. et physiol. sur les Hemipteres. 2 J. F. MEckEL, Anatomie der Cigale (Tettigonia plebeja). Beiträge zur vergl. Anat. von MEckEL, Bd. I, A. Heft. Leipzig 1308. 628 Emanuel Witlaczil, der Ruthe nicht befestigt ist, so vermuthet er, dass bei der Begattung ein beträchtlicher Theil desselben heraustritt. Dass bei der Begattung der allerdings auch bei den Psylliden be- wegliche, im Penis liegende Theil des Samenganges ausgestülpt wird und so noch weiter in die weiblichen Geschlechtswege eindringt, möchte ich nicht behaupten. Ich habe die verhältnismäßig große Psylla buxi hei der Begatiung beobachtet. Das Männchen sitzt hierbei, wie schon DE Geer! bekannt war, zur Seite des Weibchens, dessen abdominales Ende bei der Begattung stark nach abwärts gekrümmt ist. Das letzte Abdominalsegment des Männchens legt sich aber mit nach vorn ge- wendeter Spitze unter das siebente Abdominalsegment des Weibchens, während das lange neunte Segment sich aufrichtet und von unten mit der schief nach oben und vorn gerichteten Genitalzange die oberen gerieften Scheiden des Weibchens umfasst. Bei getödteten Individuen von Psylla- Arten fand ich die letzten Abdominalsegmente mit den äußeren Genita- lien beim Männchen stark nach aufwärts, beim Weibchen nach abwärts gekrümmt, so dass sie eine Lage aufweisen, wie sie dieselbe bei der Be- gattung einnehmen. Die diese Wirkung hervorbringenden Muskeln scheinen viel kräftiger zu sein als die anderen, so dass bei der beim Ab- sterben erfolgenden Kontraktion ihre Wirkung die der anderen überwiegt und die erwähnte Lage verursacht. Ich habe Thiere dieser Art, welche sich in einem Glascylinder be- gattet hatten, chloroformirt, dann ihre Leibesenden abgeschnitten und unter das Mikroskop gebracht. Ich fand vom Penis des Männchens, welcher bei dieser Art zweigliedrig ist, das Endstück bis zum Gelenk in dem weit nach hinten vorspringenden trogförmigen siebenten Abdomi- nalsegmente des Weibchens liegen, wobei er mit seiner Spitze zwischen den unteren Legescheiden bis zum Ausführungsgange der kugelförmigen Drüsen reichte. Die Geschlechtstheile hatten sich aber bei der Tödtung zum Theil aus einander gelöst. Wahrscheinlich liegt bei der Begattung | der Penis, welcher an seiner Basis ja nach aufwärts gekrümmt ist (Fig. 2), " fast ganz in den weiblichen Ausführungsgängen bis zu der Mündung des Receptaculum seminis. Auf der nach oben gewendeten Seite des Penis | liegt die Mündung desselben und aus derselben mag der Samen in das ' Receptaculum seminis eingespritzt werden, welches einen am Ende | ziemlich weiten stark chitinisirten Ausführungsgang besitzt. Der Samen- | gang, falls er ausgestülpt würde, müsste in diesen eintreten, was aber | bei anderen Insekten nicht der Fall ist und auch hier nicht angenommen | werden möchte. ‚ i K. DE GEER, Abhandlungen zur Geschichte der Insekten. Deutsch von GözE. I Nürnberg 1780. T. IH. Vierte Abh.: Ven den Afterblattläusen. j \ Die Anatomie der Psylliden. 629 ‚GRABER nimmt an, dass die Samenkörperchen der Insekten bei Ab- lage der Eier von selbst in den Ausführungsgang wandern, um diese zu befruchten, da ja nach ihm die Chitinintima der Samentasche völlig in- komprimabel ist!. Letzteres kann für die bisher von mir untersuchten Insekten nicht gelten, da bei ihnen die Chitinintima sehr dünn ist, so dass z. B. bei den Psylliden die Samentasche verschieden aufgetrieben erscheint, je nachdem sie mehr oder weniger Samen enthält. Ich glaube, dass GrABer durch das Aussehen dieses Organes bei einigen Insekten sich zu jener nicht haltbaren allgemeinen Angabe hat verleiten lassen. Gegen das spontane Austreten von Samenkörperchen spricht auch das Vorhandensein von Spermatophoren im Receptaculum von Psyllopsis, die wohl nur durch einen Druck hinausgetrieben werden können. Da die Samentaschenwand keine Muskeln besitzt, so wird dieser Druck wahrscheinlich durch Kontraktion der Muskulatur der Körperwand ge- liefert. Wie bei den Säugethieren während der Begattung die ganze und namentlich die in der Nähe der Geschlechtswerkzeuge befindliche Musku- latur in Thätigkeit kommt, eben so dürfte dies ja bei den Insekten der Fall sein. X. Verwandtschaftsverhältnisse in der Gruppe der Phytophthires. Ich habe bereits an anderer Stelle? kurz erwähnt, dass die Phytoph- thires auf die Cicaden, speciell die Kleinzirpen, zurückzuführen sein dürften, mit denen sie sehr viele gemeinsame Merkmale besitzen, von welchen sie sich aber durch weitere Anpassung an die parasitische Lebensweise so weit entfernt haben, dass sie, unter Berücksichtigung der ihnen gemeinsam zukommenden Merkmale, wohl eine besondere Stellung beanspruchen dürfen. Am nächsten stehen den Kleinzirpen die Psylliden, bezüglich welcher ja sogar Zweifel ausgesprochen worden sind, ob sie nicht zu den Kleinzirpen zu rechnen wären. Etwas mehr weichen die Aphiden ab und noch mehr die Coceiden, welche als dege- nerirte Schmarotzer manchem Rückbildungsprocesse unterlegen sind. Ich habe von den Kleinzirpen behufs besseren Vergleiches eine Art der Jassinen, welche sich auf verschiedenen Bäumen und Sträuchern häufig findet, nämlich Typhlocyba rosae L. untersucht. Große Facet- tenaugen und Nebenaugen bei beiden Geschlechtern, sind unter den Cicadiden allgemein. Sie finden sich auch bei den Psylliden und bei den Männchen und geflügelten parthenogenetischen Weibchen der Aphi- den, während bei den Coceiden hierin schon abweichende Verhältnisse 1 Die Insekten. I. Organismus der Insekten. p. 402. 2 Der Polymorphismus von Chaetophorus populi L. Denkschr. Akad. Wien. T. XLVIU. 1884, 630 Emanuel Witlaczil, vorhanden sind. Die Antennen sind bei Typhlocyba klein und be- sitzen wie bei vielen Cicadarien nur drei Glieder : zwei kurze Basalglieder und ein borstenförmiges Endglied. Bei den Psylliden sind die Antennen auch ziemlich dünn, während sie bei den Aphiden und den Cocciden im Aussehen mehr abweichen. Den Rüssel fand ich bei Typhlocyba drei- gliedrig, wie bei den Psylliden und Aphiden, bei welch letzteren er frei- lich besonders stark entwickelt ist, während er bei den Cocciden kurz ist und nach Mark! nur ein bis zwei Glieder besitzt. An den Beinen fand ich bei Typhlocyba wie bei den Psylliden und Aphiden zwei Tarsalglieder ; die Schenkel sind beim dritten Beinpaar wie bei den an- deren verhältnismäßig kurz und dünn, so dass es wahrscheinlich ist, dass ihr Sprungapparat jenem der Psylliden ähnelt. Die Genitalanhänge von Typhlocyba ähneln, wie ich schon besprochen habe, jenen der Psylliden. Die Gruppe der Phytophihires ist durch eine Anzahl anatomischer Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet, welche freilich zum Theil auch den so nahe verwandten Zirpen zukommen. Vor Allem ist da hervorzuheben das hier so häufig auftretende Verwachsen gewisser Partien des Darmes, welches Durour zu der Angabe veranlasste, dass der Darm bei den be- treffenden Thieren einen in sich zurücklaufenden Ring bilde. Es wäre dies nach Durour der Fall bei Cicada unter den Singzirpen, bei Ful- gora unter den Leuchtzirpen, bei Aphrophora, Ledra, Centro- tus unter den Kleinzirpen. Eben so bei den Cocciden und bei Psylla. Cixius und Issus unter den Leuchtzirpen haben nach seiner Abbildung einen einfachen Darm, der aber hinter dem Magen und vor den MarPpicHi- schen Gefäßen eine Schlinge bildet, deren hinaus- und rücklaufender | Theil an einander liegen (wohl mit einander verwachsen sind) und ! mehrere schwache Windungen bilden. Die Hemipteren im engeren Sinne, von welchen Dvrour zahlreiche abbildet, zeigen alle einen einfachen Darm ohne Verwachsung. Rampoar ? macht für Cicada (Tettigonia) plebeja und Gercopisspumaria und Mecker ? für die erstere ähn- | liche Angaben von einem Ring, welchen der Darm bildet. Doyirr hat " aber schon bei Cicada erkannt, dass der rücklaufende Theil des Ringes | zwar mit dem anderen Theile verwachsen ist, aber nicht in denselben | mündet. Seitdem sind diese Verhältnisse bei den Cocciden mehrfach \ untersucht worden. Mark giebt die letzte und richtigste Darstellung für | diese Thiere. | ! Beiträge zur Anatomie und Histologie der Pflanzenläuse. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIII. 1877. 2 Abhandlung über die Verdauungswerkzeuge der Insekten. Halle 1844. 3 Anatomie der Cigale. Leipzig 1808. 4 Note sur le tube digestif desCigales. Annat.d. sc. nat. Zool. Ser. Il. T.XT. 1839. Die Anatomie der Psylliden. 651 Ich habe bei den Aphiden für Dryobius roboris und die Arten der Gattung Gallipterus gezeigt!, dass Magen und Anfang des Dünrn- darmes mit dem absteigenden Enddarme verwachsen sind, und dass diese Partie einige schwache Windungen macht, während allerdings bei den meisten Aphiden der Darm einen einfachen Verlauf hat. Das Verhalten des Darmes bei den Psylliden habe ich oben ausführlich be- schrieben. Es ist auch hier der Magen und Anfang des Dünndarmes mit dem Anfang des Enddarmes verwachsen, während der übrige Dünndarm wie bei Gallipterus einen Ring bildet. Die Windungen der ver- wachsenen Partie liegen aber hier viel enger bei einander und sind selbst wieder verwachsen und von einer zelligen Haut umgeben. In der Mitte dieser: Partie kann man eine Umkehr der Windungsrichtung konstatiren, was uns ihre verhältnismäßig einfache Entstehungsweise durch Ein- drehen von der Mitte aus erkennen lässt. Diese bei einigen Aphiden und den Psylliden vorkommende Verwachsungsart repräsentirt uns den einen Typus. Anders ist es bei den Cocciden. Hier macht nach Mark das Ende des Ösophagus und der Anfang des Magens eine kleine gewundene Schlinge, welche in eine taschenförmige Vertiefung am Anfange des End- darmes eingesenkt und fest mit der Wand derselben verwachsen ist. Es bildet auch hier der Mitteldarm einen Ring, die gewundene Stelle des Darmes wird aber nicht von zwei verschiedenen, sondern nur einer bestimmten Partie desselben gebildet, welche allerdings einer anderen Partie angewachsen ist. Wie ich bei Lecanium hesperidum beob- achtet habe, scheint auch hier die Eindrehung der gewundenen Partie in derselben Weise, wie bei den Psylliden vor sich gegangen zu sein, indem auch in der Mitte dieser Partie eine Umkehr der Drehungsrichtung vorhanden ist. Nach meinen Beobachtungen an Typhlocyba scheint endlich auch hier die gewundene Stelle, welche vom Ende des Ösophagus und Anfang des Mitteldarmes gebildet wird und dem Ende des letzteren angewachsen ist, auf dieselbe Art gebildet zu sein. Dieser zweite Typus dürfte vielleicht auch für die anderen Cicadiden gelten. Jenes für Issus und Cixius angegebene Verhalten ist ähnlich, aber einfacher. Der Saugapparat ist bei sämmtlichen Phytophthires gleich gebaut, dürfte aber auch bei den Cicaden und Hemipteren s. str. einen ähnlichen Bau haben, wie er überhaupt bei allen saugenden Insekten nach dem- selben Typus gebaut zu sein scheint. » Retortenförmige Organe«, welche von den eingesenkten Mandibeln und I. Maxillen gebildet werden, sind bei allen Phytophthires vorhanden, schienen mir aber auch bei Typhlo- cyba angedeutet zu sein. Die von denselben secernirten Saugborsten ! Entwicklungsgeschichte der Aphiden. Diese Zeitschr. Bd. XL. 1884. p. 594. 632 Einanuel Witlaczil, sind sehr lang, besonders bei den Coceiden, bei welchen sich, so wie | bei den Psylliden eine von der Haut durch Einstülpung gebildete Tasche vorfindet, in der sie großentheils liegen. Speicheldrüsen sind allgemein | vorhanden, aber verschieden geformt. Charakteristisch erscheint es, dass | bei den Psylliden die Marpicur’schen Gefäße ziemlich verkümmert sind, während sie bei den Aphiden und Chermetiden —.der einzige bisher bekannte Fall — fehlen, aber bei ersteren vielleicht durch den Apparat der Hörnchen vertreten werden. Charakteristisch erscheint ferner ein in das Ei dringender und sich zum Pseudovitellus entwickelnder Fremd- körper, welcher bei Psylliden, Aphiden und Chermetiden vorhanden ist, vielleicht sich aber doch auch bei anderen Insekten noch wird nach- weisen lassen. Bei den Coceiden fehlt derselbe, wie ich noch Gelegen- heit haben werde, nachzuweisen, trotz der gegentheiligen Angaben Msrtscanikorr’si, so dass diese Thiere auch hierin von den anderen Phytophthires abweichen. Charakteristisch für die Homopteren, speciell die Phytophthires, er- scheint auch die Wachsabsonderung, welche von einzelligen Hautdrüsen ausgeht und eine große Mannigfaltigkeit aufweist. Bei einigen Cicadi- den, z. B. Flata, Lystra ist eine reiche Wachsabsonderung bekannt; die betreffenden Drüsen werden wohl denselben Bau haben, wie bei den Phytophthires. Unter diesen verhält sich diese Absonderung noch am einfachsten bei den Aphiden und Chermetiden, wo sie in Form dünner, in verschiedenen Reagentien leicht löslicher Fäden einer wachsartigen Substanz auftritt. Bei den Psylliden kommen außerdem aus einer ähn- lichen, aber meist resistenteren Substanz bestehende, verschieden ge- formte Haare vor. Eine noch größere Mannigfaltigkeit auch der chemi- schen Beschaffenheit nach haben die entsprechenden Absonderungen bei den Coceiden, wo sie entweder einen Schild mn oder das Thier in ver sörladenen anderer Weise umgeben. Auch das Tracheensystem bietet hier interessante Verhältnisse. Bei den Cicadarien ist es, so viel mir bekannt, noch nicht viel untersucht worden. Ich habe es desshalb auch bei Typhlocyba verfolgt. Ich fand auch hier an der Grenze von Pro- und Mesothorax das erste, im Metathorax das zweite, und in den folgenden Abdominalsegmenten noch sieben, aber kleinere Stigmen. Von diesen sah ich je einen Tracheen- ast zum Rücken und einen schwachen zum Bauche verlaufen. Die letz- teren lösen sich dort in der Nähe der Mittellinie in Büschel von Tracheen auf, während die ersteren zwar auch dünne Ästchen abgeben, mit ihrer Hauptmasse aber, indem sie sich gegen die Mittellinie zu gabeln und so mit einander verbinden, zwei am Rücken liegende und auch hier mehr ! Embryologische Studien an Insekten. Diese Zeitschr. Bd.XVI. 1866. p. 473. Die Anatomie der Psylliden. 633 oder weniger im Zickzack verlaufende Längsstämme bilden, die sich noch mit; betreffenden Ästen des zweiten und ersten Thorakalstammes in Ver- bindung setzen und: daher auch den Thorax durchziehen. Außer diesen findet sich noch. im Thorax ganz seitlich je eine Längskommissur zwischen erstem und zweitem Thorakalstamme und auch zwischen diesem und dem ersten: abdominalen,, welche wie bei den Aphiden und Psylliden die Flügel.mit Tracheen versorgen. Die Thorakalstämme versorgen außer- dem.die Beine; und der erste auch Antennen und Vorderkopf. Sie bil- den auch Querkommissuren, welche an der Bauchseite verlaufen und von welchen eine vom ersten Thorakalstigma ausgehende ganz zweifellos ist, während eine andere weiter vorn über dem Vorderkopf verlaufende dieses Stigmas, so wie eine vom zweiten Thorakalstigma gebildete, von mir nicht ganz sicher gestellt wurden. Eine Verbindung zwischen dem letzten Stigmenpaare. wie bei’den Aphiden und Psylliden konnte ich nicht finden. Man erkennt, nach dieser Beschreibung die große Ähnlichkeit des Tracheensystems:. dieser und wohl auch anderer Zirpen besonders mit jenem der Psylliden.. Bei den Aphiden haben wir auch im Wesentlichen ganz denselben Bau, nur dass dort die unteren Äste der Abdominal- tracheen auch durch Anastomosen Längsstämme bilden. Etwas ab- weichend sind die Verhältnisse bei den Ghermetiden und noch viel mehr bei den Cocciden, wie ich noch darlegen werde. Bei diesen fand ich nur die zwei Thorakalstigmen und von diesen aus gebildete Querkommissu- ren und Längsstämme, ein-Verhalten, welches wohl durch die innigere Anpassung an die parasitische Lebensweise zu erklären ist. Nervensystem, Rückengefäß und.innere Geschlechtsorgane geben keine sicheren Anhaltspunkte für unsere Frage. Die aus-einander gesetzten, im Verein mit den lebensgeschicht- lichen Merkmalen, lassen folgende Schlussfolgerungen wohl gerechtfertigt erscheinen. Die Psylliden stehen sowohl ihren inneren Verhältnissen nach, als auch durch den Umstand, dass bei ihnen Männchen und Weib- chen in der äußeren. Körperform wenig von einander unterschieden sind, beide geflügelt, mit Nebenaugen und gleicher Ausbildung der Antennen, den Gicadelliden am nächsten. Die Aphiden dürften vielleicht auf die- selben zurückzuführen sein; gewisse Formen haben sich aber der schmarotzenden Lebensweise stark angepasst, nämlich die ungeflügelten Generationen besonders. der in Gallen lebenden Arten. Als die ursprüng- licheren. Typen müssen: wir aber von den Weibchen die den Männchen ähnlichsten geflügelten parthenogenetischen Weibchen betrachten, welche bei den verschiedenen Arten einander am meisten ähneln und durch Körpergestalt, Flügel, Nebenaugen, Ausbildung der Antennen etc. sich den Männchen nähern. Ähnliche Verhältnisse wie die in Gallen lebenden . Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 49 634 Emanuel Witlaezil, Aphiden bieten die Ghermetiden. Wir haben bei diesen geflügelte par- thenogenetische Weibchen, welche jenen der Aphiden ähnlich sind, aber keine geflügelten Männchen, indem diese entweder überhaupt zu fehlen scheinen, wie bei GChermesabietis, oder indem sie bei Phylloxera quercusund vastatrix, ähnlich wie bei vielen Pemphiginen, ganz klein und ungeflügelt sind, so wie auch die dazugehörigen .Weibcehen. Durch einige anatomische Merkmale scheinen aber die Chermetiden von den Aphiden einen Übergang zu den Coceiden zu bilden. Die Cocciden wei- chen von den übrigen Phytophthires bedeutend ab, so dass man vielleicht für dieselben wird einen besonderen Ursprung von den Zirpen an- nehmen müssen. Die Weibchen bieten dabei durch ihre vollständige Anpassung an die parasitische Lebensweise eine würdige Parallele zu gewissen Crustaceen, während die Männchen vieler Arten, nachdem sie die ursprünglichen Beine und Antennen wie die Weibchen abgeworfen haben, neue Beine so wie zehngliedrige Antennen und Flügel bei der nachembryonalen Entwicklung erhalten und im Allgemeinen dann ein an ihre Verwandten erinnerndes Aussehen aufweisen. Wien, Ende März 1885. Erklärung der Abbildungen. Alle Zeichnungen sind mit freiem Auge entworfen und fast um die Hälfte kleiner als die Objekte mit der Camera erscheinen. a, Anus; aa, Augenanschwellung; ak, äußere Kreuzung; am, äußeres Marklager, ao, Aorta; as, äußere Scheiden; at, Antenne; dr, Organ drüsiger Natur; ed, Enddarm; ef, Endfach ; eg, Eiergang; el, Eileiter;; ep, Epithel ; er, Eiröhre;; ata,Antennenanschwellung; fz, Fettzellen; atn, Antennennerv; bm, Bauchmark; bst, Bauchnervenstrang; ch, Chitinstäbe;; cho, Chorion; ck, Gentralkörper; ga, Ganglion; gi, Unterschlundganglion ; gla, accessorische Drüsen; gis, Kittdrüsen; g9z, Genitalzange; h, Herz; cru, Hautsack für die Stech- hs, Hodenschläuche;, borsten;; d, Dotter; de, Ductus ejaculatorius; dh, Dotterhaut; hy, Hypodermis; ti, Intima; ik, innere Kreuzung; is, innere Scheiden ; kdr, kugelförmige Drüse;; ko, kolbenförmiges Organ, !b, Unterlippe; is, Leitstäbe;; m, Muskeln; md, Mitteldarm; - Mg, Maupisarsche Gefäße; Al, Mittellappen d. Gehirns; nmmo, motorische Muskein; _ mre, respiratorische Mus- keln; n, Nerv; npı, Nerv des ersten Beines;, npa, Nervd. zweiten Beines; np3, Nerv des dritten Beines; oc, zusammengesetztes Auge; _ ocs, einfaches Auge; oe, Ösophagus; os, venöse Ostie; ov, Ovarium; pı, erstes Beinpaar; pP, zweites Beinpaar; 93, drittes Beinpaar'; pe, Penis; pfh, horizontale Pfeilermus- kein; pfv, vertikale Pfeilermus- keln; pha, Pharynx; Die Anatomie der Psylliden. pk, pilzhutförmiger Körper ; ps, Pseudovitellus; pr, Protoplasma; prt, Protraktor der Stech- borsten; re, »retortenförmige «, Or- gane; ret, Retraktor der Stech- borsten; rs, Receptaculum seminis; $7, 7. Abdominalsegment; Tafel XX, \ 635 sıo, 10. Abdominalsegment ; sb, Samenblase; sf, Samenfäden; sk, Sekret; ip, Tunica peritonealis ; vd, Vas deferens; ve, Magen; vk, Vorderkopf; vl, Vorderlappen des Ge- hirns; wdr, Wachsdrüsen. Die in die Figuren geschriebenen römischen Zahlen bezeichnen die Thorakal-, die arabischen die Abdominalsegmente. Wo nichts Anderes angegeben ist, wurde mit einer Vergrößerung unter 80, nämlich mit Ocular III und Objektiv 3 von Harr- nAcK bei eingeschobenem Tubus gezeichnet. Eigzı- Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. präparat. Fig. 5. Fig. 6. untersucht. Männchen von Psyllopsis fraxinicola, von oben. Frisch in Salzlösung. Männchen derselben Art, von der Seite. Gefärbt und in Kanadabalsam. Weibchen derselben Art, von oben. In Salzlösung. Weibchen derselben Art, von der Seite. Nach einem Kanadabalsam- Weibchen derselben Art, von unten. Frisch. Larve dieser Art (letztes Stadium). Wegen des Wachssekretes trocken Fig. 7. Ganz junge Larve von Trioza rhamni. Wachshaare, Verdauungsapparat, Pseudovitellus. In Salzlösung mit der Vergrößerung 240 (= III, 6. H.). Fig. 8. Etwas ältere Larve derselben Art. Wachshaare, Tracheensystem, Herz. Frisch. Vergr. 240. Fig. 9. Sagittalschnitt durch ein Männchen von Rhinocola speciosa. Segmentirung, Muskulatur (Einiges, so die mehr seitlich liegenden schiefen Pfeilermuskeln und die Sprungmuskulatur aus den folgenden Schnitten eingetragen) und Rückengefäß. Vergr. 460. Fig. 40. Das Herz mit der dasselbe umgebenden Höhle und Gewebe auf einem Sagittalschnitte durch Psylla buxi. Vergr. 240. Fig. 44. Das abdominale Körperende eines Weibchens von Psyllopsis fraxinicola, um die Genitalanhänge und ihre Muskulatur zu zeigen. Vergr. 160. Fig. 42. Sagittalschnitt durch den Kopf eines anderen Individuums derselben Art. Vergr. 240. Fig. 43. Vorderkopf mit Saugapparat einer Larve von Trioza rhamni, von der Unterseite gesehen. In Salzlösung. Vergr. 400 (= III, 8. H.). Tafel XXI, Fig. A4. Erstes Thorakalstigma mit Tracheenverschluss auf einem Querschnitte durch Psylla Foersteri. Bei & durchschnittene Tracheenäste. Vergr. 400. Fig. 45. Verdauungskanal von Psyllopsis fraxinicola. Frisch herauspräparirt. Vergr. 460. Fig. 46. Sagittalschnitt durch die Darmverschlingung von Psylla buxi. Vergr. 400. 43* 636 Emanuel Witlaczil, Fig. 47. Marpicarsches Gefäß einer großen Larve von Trioza rkamni. Frisch. Vergr. 600 (= IV, 8.H.). Fig. 48. Marpicnr’sches Gefäß von einem Schnitt durch Psylla alni. Vergr. 400. Fig. 49. Stück des Ösophagus von Trioza rhamni. Frisch mit Essigsäure. Ver- größerung 600. Fig. 20. Stück des Mitteldarmes von einem Schnitt durch Psylla alni. Vergr. 400. Fig. 24. Ende des Enddarmes und Afterwachsdrüsen auf einem Schnitt durch Psylla alni. Vergr. 400. Fig. 22. Zwei isolirte Afterwachsdrüsen von Trioza rhamni. Frisch mit Essig- säure. Vergr. 400. Fig. 23. Durch einen Wachsüberzug zusammengehaltene wurstförmige Exkre- mentmasse von Psyllopsis fraxinicola. Trocken untersucht. Vergr. 80 (= II, 3. H.). Fig. 24. Eine Speicheldrüse von Psylla buxi. Die Zeichnung nicht ganz ausge- führt. Frisch mit Essigsäure. Vergr. 400. Fig. 25. Speicheldrüse auf einem Sagittalschnitte durch eine Larve von Trioza urticae. Vergr. 400. | | Fig. 26. Pseudovitellus von Trioza rhamni. Zeichnung nicht ganz ausgeführt. Frisch. Vergr. geringer als 240 (= II, 6. H.), wegen des eingeschobenen Tubus. | Fig. 27. Pseudovitellus auf einem Transversalschnitte durch eine große Larve von Rhinocola speciosa. Zeichnung nicht ganz ausgeführt. Vergr. 400. Fig. 28. Fettkörper auf einem Schnitte durch Psylla buxi. Vergr. 400. Fig. 29. Muskeln von Psyllopsis fraxinicola, in Salzlösung. Vergr. 400. A, Ge- wöhnlicher quergestreifter Muskel von der Flugmuskulatur,. B, Muskeln vom Sprungapparat. Fig. 30. Dieselben von einem Schnitte durch Psylla buxi. Vergr. 400. Fig. 34. Dieselben von einem Schnitte durch eine Larve von Trioza urticae. Vergr. 400. | Fig. 32. A, Stück des Hinterleibes von Rhinocola speciosa nach Abspülung mit Spiritus in Wasser beobachtet. Vergr. 400. B, Einzelnes Haar mit seiner Zelle von einem im Ganzen gefärbten Thier derselben Art. C, Wachshaare aus den Afterdrüsen trocken. D, Starke Wachshaare von hinten ebenfalls trocken. B—D Vergr. 600. Fig. 33. Wachshaardrüsen vom Hinterleib einer großen Larve (3. Stadium) von Psyllopsis fraxinicola. Frisch. Vergr; 240. Fig. 34. A, Wachshaardrüsen und ein Wachshaar einer Larve (2. Stadium) von Trioza rhamni. Frisch. B, Dasselbe von einem im Ganzen gefärbten Individuum. C, Wachshaare einer ganz jungen Larve (1. Stadium) dieser Art. Frisch. A—C Ver- größerung 600. Fig. 35. Haardrüsen und Haare an der Peripherie des Körpers einer en Larve von Homotoma ficus. Frisch. Vergr. 400. Fig. 36—44. Die in die Figuren geschriebenen Buchstaben z;, 29, 23 bezeichnen die vom pilzhutförmigen Körper ausgehenden Faserstränge und sollen das leichtere Verständnis der verschiedenen Zeichnungen ermöglichen. Mehrere der abgebilde- ten Schnitte sind aus einigen kombinirt. Alles mit der Vergr. 400 gezeichnet, aber bei der Reproduktion leider um ein Viertel verkleinert. Fig. 36. Sagittalschnitt durch das Centralnervensystem von Psylla buxi in der Nähe der Medianebene. Durch eine punktirte Linie ist die Stelle des auf Schnitten kaum hervortretenden Centralkörpers bezeichnet. Die geraden Linien geben die Richtung einiger der folgenden Schnitte an. Fig. 37. Transversalschnitt durch das Centralnervensystem von Psyllopsis ini \ Die Anatomie der Psylliden. 637 cola. Das Objekt hatte nicht ganz die natürliche Lage, wesshalb das Gehirn in seiner oberen Partie getroffen ist. Fig. 38. Transversalschnitt durch das Gehirn desselben Thieres etwas tiefer, aber nicht parallel zu dem vorigen, sondern in der Richtung der Linie © in Fig. 36. Fig. 39. Transversalschnitt durch das Gehirn einer großen Larve von Trioza urticae in der Richtung der Linie % in Fig. 36. Fig. 40. Querschnitt durch das Gehirn von Psyllopsis fraxinicola in der Rich- tung der Linie zz in Fig. 36. Fig. 44. Querschnitt durch das Gehirn desselben Thieres, parallel zu dem vori- gen aber gegen den hinteren unteren Rand zu. Fig. 42. Schnitte durch das zusammengesetzte Auge von Trioza rhamni. 4, Sagittal durch das Auge einer Larve. B, Sagittal durch das Auge einer anderen Larve. C, Querschnitt durch das Auge, wobei größtentheils Krystallkegel, aber auch zwei Sehstäbe getroffen sind. Vergr. 400. Fig. 43. Genitalien einer jungen männlichen Larve von.Psyllopsis fraxinicola. In Salzlösung. Vergr. 400. Fig. 44. Die äußeren Genitalien einer älteren Larve derselben Art. Salzlösung. Vergr. 400. | Fig. 45. Die inneren Genitalien mit Ausnahme der Hoden von einer noch älte- ren Larve derselben Art. Salzlösung. Vergr. 400. Fig. 46. Kolbenförmiges Organ einer großen männlichen Larve derselben Art. Salzlösung. Vergr. 400. Fig. 47. Kolbenförmiges Organ und Samengang einer großen männlichen Larve von Psylla erataegi. Salzlösung. Vergr. 400. Tafel XXII. Fig. 48. Innere Genitalien eines jungen Männchens von Psylla crataegi. Salz- lösung. Vergr. 300. Fig. 49. Kolbenförmiges Organ auf einem Sagittalschnitt durch ein Männchen von Psylla Foersteri. Vergr. 300. Fig. 50. Äußere Genitalien einer großen männlichen Larve von Rhinocola spe- ciosa. Salzlösung. Vergr. 300. Fig. 54. A, Innere Genitalien (ohne Hoden) eines Männchens von Psylla buxi. Vergr. 480. B, Ein Stück der Wand einer Samenblase, frisch in Salzlösung. Vergr. 400. C, Ein solches nach Behandlung mit Essigsäure, Vergr. 400. Fig. 52. A, Zwei Hodenschläuche von Psylla Foersteri, in Salzlösung. Vergr. 120 (= IV, 3.H.). B, Ein Stück eines solchen von der Oberfläche, in Salzlösung. Ver- größerung 400. Ä Fig. 53. A, Hodenschlauch einer großen männlichen Larve von Rhinocola spe- ciosa. Salzlösung. Vergr. 400. B, Die Spitze eines anderen nach Behandlung mit Salzsäure. Vergr. 600. Fig. 54. Querschnitt eines Hodenschlauches von einem Männchen von Rhino- coia Speciosa. Vergr. 400. Fig. 55. Sagittalschnitt durch einen Hodenschlauch eines Männchens von Psylla Foersteri. Vergr. 400. Fig. 56. Abdominales Ende mit dem Genitalapparat auf einem Sagittalschnitt durch eine große männliche Larve von Trioza urticae. Vergr. 240. Fig. 57. Abdominales Ende auf einem Sagittalschnitt durch eine große weib- 638 Emanuel Witlaezil, Die Anatomie der Psylliden. liche Larve von Rhinocola speciosa mit dem zum Theil aus den folgenden Schnitten eingezeichneten Genitalapparat. Vergr. 240. Fig. 58. Genitalien einer jungen weiblichen Larve von Psyliopsis fraxinicola, von der Seite. Salzlösung. Vergr. 240. Fig. 59. Genitalien einer ziemlich großen weiblichen Larve derselben Art. Salzlösung. Vergr. 240. Fig. 60. Genitalien eines Weibchens derselben Art. Salzlösung. Zeichnung nicht ganz ausgeführt. Vergr. 240. Fig. 64. Schnitt durch ein Ovarium eines jungen Weibchens von Rhinocola speciosa. Vergr. 400. Fig. 62. Eine Eiröhre sammt Inhalt von Psyllopsis fraxinicola. Salzlösung. Vergr. 400. Fig. 63. Die zwei Eifächer einer Eiröhre von Trioza urticae auf einem Schnitte durch das Thier. Vergr. 400. Fig. 64. Querschnitt durch ein Ei von Psylla Foersteri auf einem Schnitte durch das Thier. Vergr. 400. Fig. 65. Kugelförmige Drüse eines Weibchens von Psyllopsis fraxinicola. Durch- schnitt und innere Ansicht des Epithels am frischen Objekt oben, Durchschnitt und äußere Ansicht des Epithels nach Behandlung mit Essigsäure unten eingetragen. Vergr. 400. Fig. 66. Kugelförmige Drüse auf einem Sagittalschnitt durch Trioza urticae, Vergr. 400. Fig. 67. A, Receptaculum seminis eines Weibchens von Psylla buxi. Salzlösung. Vergr. 80. B, Ein Stück der Wand desselben, in Salzlösung. Vergr. 400. Fig. 68. Kittdrüse eines Weibchens von Psylla buxi. Salzlösung. Vergr. 400, Fig. 69. Zwei Sagittalschnitte durch eine Kittdrüse von Psylla alni. A, Durch die mediane Partie. B, Durch die seitliche Partie, welche noch nicht secernirt hat. Zeichnungen nicht ganz ausgeführt. In B auch ein Stück Epithel in Flächenansicht eingetragen. Vergr. 400. _ Entstehung neuer Arten durch Verfall und Schwund älterer Merkmale. Von Osear Schmidt. Mit Tafel XXII. Dass bei der Umwandlung der Organismen ein Theil ihrer bis- herigen Eigenthümlichkeiten eingeht, um neuen vortheilhaften Einrich- tungen Platz zu machen, diese Erscheinung bildet den wesentlichen Inhalt des Darwinismus. Sie tritt uns in den unzähligen Fällen der Anpassung entgegen, entweder, und zwar am häufigsten unter der Form des Fort- schrittes, oder, wie am frühesten und zwar ganz unabhängig von der allgemeinen Transmutationstheorie erkannt wurde, in den allmählich sich komplieirenden und schließlich den Ausgangspunkt völlig verhül- lenden Stadien des Parasitismus. Den Fortschritt in der Anpassung zu bemerken ist oft mühsam. Am besten schult sich der Paläontolog zu dieser Erkenntnis durch die sorgfältige Vergleichung der älteren soge- nannten allgemeinen oder Sammelarten mit den jüngeren specialisirten Formen, wo sich denn herausstellt, dass eben die Specialisirung der Or- gane in bestimmten Fällen mit einer Reduktion verbunden sein musste und gerade hierauf die Möglichkeit des Fortbestandes, der Sieg im Kampfe ums Dasein, die Vervollkommnung beruhte. Dabei tritt in der Regel die harmonische Vervollkommnung des Ganzen zurück, und wir täuschen uns durch Hervorheben der Leistung in Folge der Theilung der Arbeit und der fortschrittlichen Resultate über die Mängel anderer Seiten hinweg. Die Phylogenie der Säugethiere liefert eine ununterbrochene Reihe von lehrreichen Beispielen, namentlich so weit es sich um die Re- duktion der Zehen und Zähne handelt. Da der Parasitismus nichts An- deres ist als Anpassung unter besonderen Umständen, so lässt sich auch hier dieser Gesichtspunkt der Auslese als des erhaltenden Principes für das Individuum, des Fortschrittes, welcher in der durch die Anpassung be- dingten Reduktion liegt, fruchtbar anwenden. Diese Dinge sind der Zoologie so in succum et sanguinem einver- leibt, dass ich nur daran erinnern wollte, um von hier aus an jene andere 640 Oscar Schmidt, große Reihe von Neubildungen anzuknüpfen, welche man, eiwas unklar, » morphologische« Arten genannt hat, das ist das Auseinandergehen in Arten, wo die Veranlassung oder Nöthigung zur Anpassung, zum Mit- bewerb nicht vorliegt, wenigstens nicht vorzuliegen scheint. Unsere Un- wissenheit verbirgt sich dann in der Redensart der » Abänderungen aus inneren Ursachen«, wobei man sich Alles, meistens aber nichis denken kann. Auch behilft sich die Paläontologie unter Umständen mit dem Be- griff der Erschöpfung, wo Arten und Formenreihen aus der altgewohnten straffen Disciplin herausireten und ohne irgend ersichtlichen Nutzen in abweichende, man möchte sagen saloppere Gestaltungen übergehen. Ein beliebtes Beispiel dafür sind die aufgelösten Ammoniten, oder die »am- monitischen Nebenformen«, die Hamites, Baculites u.a., welche aus dem offenbaren nächsten Verbande der Formen mit geschlossenen Spiralen der Schalen, wie namentlich Lytoceras, herausgetreten, deren Gänge sich schraubenartig nicht, mehr, berühren oder wo. die Schalen hakig oder gerade geworden sind. Warum das nun gerade, nach QuenstepT, krank- hafte Bildungen sein sollen, ist um so weniger einzusehen, als bei dem großen Kehraus, welcher nach: der Kreide über die, Ammoniten er- ging, die übrig gebliebenen Gerechten sich eben so wenig widerstands- fähig erwiesen, als die sündhaften Nebenformen. Auch: muss ein Blick auf die Nautiloideen über diesen Erklärungsversuch stutzig machen, wo gerade einige der ältesten und reichsten, zum Theil in die cambrische Formation hinabreichenden Gruppen, Orthoceras, Gyrtoceras u.a: sich durch die gestreckte, gerade Gestalt auszeichnen und die dürftiige Summe der phylogenetischen Betrachtungen sich mit ZırteL in: die: Worte zusam- menfassen lässt, es sei,höchst wahrscheinlich, dass sämmtliche Nautiloi- deen aus geraden, Orthoceras ähnlichen Formen hervorgegangen. Also dort. werden die krummen gerade, hier die geraden krumm! Die Ur- sachen der vorausgesetzten Deklination sind:natürlich um so unbekannter, als sich auch: nicht entfernt, angeben lässt, worin ‚denn: eigentlich .die krankhafte Missbildung bestehe, welche Theile man als: pathologisch er- grifien ‚betrachten solle. Dass WÜRTENBERGER’S Untersuchungen auf diesem Felde ‘der Artver- wandlung, d.h. die Konstatirung der Reihen und ihres Zusammenhanges einen großen Fortschritt bezeichnen, habe ich in meinem Buche über den Darwinismus mit besonderer Freude: anerkannt, auch unter Zustimmung zu dem Erklärungsversuche: der Aufwicklung. ; Ich muss;mich aber doch offen zu jener Beschränkung bekennen, welche Nevmaya, ZITTEL u.:A. ausgesprochen, dass wir über die Veranlassung der Aufwicklung glatter Spiralen in dornenlose gekrümmte und gerade Formen damit um keinen Schritt weiter gekommen sind. \ Entstehung neuer Arten durch Verfall und Schwund älterer Merkmale, 641 Alles in Allem: so massenhaft die Anzeichen und induktorischen Beweise für die fortschrittliche oder auch rückschrittliche Anpassung und die durch diese äußeren Veranlassungen hervorgebrachte Umwand- lung der Organismen vorliegen, — so leer sieht es aus, wenn man nach den positiven Anhaltepunkten fragt, aus welchen die Schlüsse auf Er- krankung, Rückgang, Erschöpfung und die daraus hervorgehende Ver- schiebung und Wandlung der Arten zu schöpfen wären, ohne dass das große Gebiet der Anpassung und des Einflusses der Umgebung in Betracht zu ziehen wäre. Die Grade der Entartung sind natürlich höchst verschieden. »Entartung«, d. h. Bildung von Varietät ist es, wenn Spongien durch den Ausfall einzelner Formen ihrer Harttheile, respektive das Auftreten neuer Formen sich zu unterscheiden anfangen. Beispiele sind durch HazckeL, mich u. A. in Fülle bekannt geworden. Sie sind nicht zu trennen von den Fällen, wo durch den Ausfall, der ‘eben so gut ein »Verfall« genannt werden kann, wo also durch den Verfall einer bisher charakteristischen Nuance die neue Art eingeleitet wird. Ich habe dafür u. A. in den Spongien des mexikanischen Meerbusens bei der Besprechung der Beziehungen der Gruppen der Lithistiden zu ein- ander überzeugende Beweise, wie mir scheint, beigebracht. Im Jabre: 1864 1 habe ich eine Spongie als Ancorina aaptos zu den Tetractinelliden verwiesen, ‚obgleich sie faktisch keine ist. Ich war dazu induecirt durch den Anklang an die von mir aufgestellte Familie der Rindenschwämme. Diese hat sich. seitdem als. unhaltbar herausgestellt und so ist denn auch diese sogenannte Ancorina aaptos als aufgegeben zu betrachten. Wir, kommen ‚unten darauf zurück. ' Anders verhält es sich mit der schon 4862 geschaffenen Gattung Gaminus (Spongien des adriatischen Meeres). ; Gam. Vulcani, ist einer.'der ausgeprägtesten und schönsten Schwämme des ‚adriatischen „Meeres, dessen Rinde aus jenen eigenthümlichen Geodia-Kugeln gebildet wird, und von dem ich mit Hinzuziehupg | von. Placospongia ‚Gray: und Stellettinopis Garter sagte?: »Unklar bleibt leider das Verhältnis, der Tetractinelliden zu diesen Gat- tungen. Es sind wahrscheinlich Tetraetinelliden ohne. die charakteristi- schen vierstrahligen Kieselkörper°.« i I. Supplement der Spongien des adriatischen Meeres. 2 Spongien des,Meerbusens von Mexiko. p.-75. 3 4870 in der Spongienfauna des atl. Gebietes hatte ich gesagt. Diese, Arten (Caminus etc.) stellen uns vor die Alternative, anzunehmen, dass sie von Geodia- artigen, mit ankerförmigen Kieselnadeln versehenen Vorfahren abstammen, ohne selbst noch Nadeln des pyramidalen Typus zu besitzen, oder dass in noch anderen jetzt nicht mehr vorhandenen oder unbekannten Stammformen gleichfalls die Drusen- kugeln existirten. Da wir. bei verschiedenen Stelletten die Vorbereitungen zu den ausgebildeteren Kugeln der Geodien finden, so,scheint.die Entstehung dieser Reihe ganz innerhalb der Spongien mit dem py ‚ramidalen Nadeltypus gesichert... Da. wir ferner in einzelnen Geodien die Variabilität der Anker fast auf Null sinken sehen, 642 Oscar Schmidt, Ich kann jetzt zeigen, dass dies für Caminus wenigstens keine Hypo- these mehr ist, und dass es sich wirklich um allmählichen Verfall und schließlichen Schwund des Vierstrahlers handelt. Vor einiger Zeit übersendete mir ein Fachgenosse, Herr Dr. KönLer, von der Facult&@ des sciences in Nancy, ein Exemplar einer Spongie aus Grotten an der normannisch -englischen Insel Sercq- mit der Anfrage, ob ich gleich ihm dieselbe für den von Gruse! entdeckten Caminus osculosus hielte. Ich konnte diese Bestimmung nur bestätigen, war aber überrascht, darin in nicht geringer Anzahl Vierstrabler zu finden. Ich zeigte das Herrn Dr. KönLsr an mit dem Ersuchen, von dem Funde Gebrauch machen zu dürfen. Taf. XXIII, Fig. 1—6 giebt eine Anzahl dieser Vierstrahler, welche sich ausnahmslos in dem Stadium der Wuche- rung der Achsenkanäle und der beginnenden oder vorgeschrittenen Ver- kümmerung eines oder aller Strahlen befinden, die ich in algierischen Spongien als pathologische Zustände bezeichnet hatte. Auf den Tafeln zu jener Schrift (4868) ist eine Reihe solcher krankhafter Entartungen abgebildet. Ich glaube, Niemand, der normale Nadeln mit ihren durch- aus regelmäßigen Achsenkanälen studirt hat, wird an der Richtigkeit dieser Bezeichnung zweifeln. Man hat streng zu unterscheiden zwischen den normalen Variationen der Nadeln, wie z. B. die spitz-spitzen Ein- achser in spitz-stumpfe und stumpf-stumpfe übergehen, ohne die leiseste Abänderung des Achsenkanals, — und den Erweiterungen und Wuche- rungen dieses letzteren Gebildes als des Abdruckes der Form, in welcher sich die weiche Achsensubstanz ablagert, begleitet von entsprechenden Änderungen der Kieselgebilde, welche der Ausdruck eines anormalen Zustandes, einer Krankheit dieser Schwammtheile sind. Eine Grenze zwischen beiden Zuständen ist, wie oben bemerkt, nicht zu setzen. Das mir durch Dr. Könter übermittelte Exemplar von Caminus osculosus ist so reich an verkrüppelten Vierstrahlern, dass sie nicht über- sehen werden können; jedes Präparat hat einige derselben enthalten. Die Stücke unterscheiden sich aber darin sehr wesentlich und so ließ sich die Bedeutung der Vierstrahler aus den von Gruse untersuchten Exem- plaren kaum erkennen. GRrusE erwähnt (a. a. O.), dass Stud. Ass- MANN vierstrahlige Kieselnadeln gefunden hätte; ihm selbst sei es nicht gelungen, diese Angabe zu bestätigen ; daher konnte derselben kein Ge- wicht beigelegt werden. Ich bin durch Prof. Schneiper’s Güte in den Stand gesetzt, an dem Garuse’schen Original mich zu überzeugen, dass die Reste des Vierstrahlers so selten sind, dass man sie leicht übersieht, so ist die Annahme vollkommen begründet, dass von den Geodien mit Ankern auch jene Formen abstammen, welche zwar die Kugeln besitzen, aber keine Nadeln des pyramidalen (d. i. vierstrahligen) Typus (a. a. O. p. 69). 1 Mittheilungen über St. Malo etc. Breslau 1870. Entstehung neuer Arten durch Verfall und Schwund älterer Merkmale. 643 wenn man nicht besonders auf sie fahndet, und dass sie in manchen Prä- paraten gar nicht vorkommen. In dem Exemplar dagegen, das ein glück- licher Zufall mir in die Hand gespielt, kann man leicht bei einiger Auf- merksamkeit nur wenig veränderte Vierstrahler durch alle Stufen der Deformität bis zu Krüppelgestalten verfolgen, deren ursprüngliche Be- deutung ganz verwischt ist. Eine solche Reihe ist auf Taf. XXIII, Fig. A bis 6 zusammengestellt. Fig. 4 ist ein Vierstrahler, der als solcher unverkennbar, aber in allen Strahlen Unregelmäßigkeiten zeigt, Ausweitungen, nämlich Wu- cherungen der Achsensubstanz, welche immer, worauf ich schon in den »Spongien von Algier« und bei anderen Gelegenheiten hingewiesen, von entsprechenden Veränderungen der umgebenden Kieselsubstanz begleitet sind. Eine der ersten und häufigsten Folgen dieses pathologischen Zustan- des der Achsensubstanz ist der Durchbruch des Kanals, wobei er mitunter in der Form eines Trompetenmundstückes endigt. Jene Form des ganz normalen Vierstrahlers mit gleich langen Strahlen und schwach ent- wickelten Achsenkanälen, wie er unter anderen die guten Pachastrellen charakterisirt, ist bei unserem Schwamme nicht gefunden. Wir bezeich- nen mit a den verlängerten Haupt- oder Stielstrahl. 5, c, d sind die anderen Strahlen, welche einzeln oder zugleich Verkürzungen oder sonstige Umwandlungen erleiden. Unverkennbar ist der Vierstrahler noch in Fig. 2 und 3. In Fig. 2 ist die regelmäßige Achsengestalt das Kennzeichen, dass die drei gleich entwickelten Basalknollen die Strahlen b, c, d sind. Daher ist die gleich oberhalb derselben entspringende un- regelmäßige Wucherung x eine Neubildung, welche mit der Anlage des Vierstrahlers nichts zu thun hat. Eben so unverkennbar finden wir die Grundgestalt in Fig. 3, nur decken sich im Präparat zufällig die Achsen von c und d. In Fig. 4 ist c auf eine Knolle, d vollständig reducirt. Hat man die voraus betrachteten Bildungen erkannt, so kann die Frage, ob man eine geknickte einachsige Nadel odereinen verkümmerten Vierstrahler vor sich hat, überhaupt nicht mehr aufgeworfen werden, und eben so sicher ist Fig. 5 nicht ein Einstrahler, sondern der basale Knopf b ist ein minimaler Rest des Ankers und die darüber befindliche Wucherung eine Neubildung gleich x in Fig. 2. Als Beispiel der völligen Auflösung der Grundgestalt gebe ich Fig. 6. Auch die einachsigen Kieselkörper des Caminus osculosus tragen ziemlich oft Zeichen der Entartung an sich, wie sie sich an zahlreichen Spongien beobachten lassen. Die normale Nadel ist an beiden Enden geschlossen, der Kanal so eng, dass er auch bei starker Vergrößerung . noch als einfache Linie erscheint. Wie sich hierzu meine Beobachtungen über die Entstehung einachsiger Nadeln von einigen Lithistiden verhalten, 644 Oscar Schmidt, welche als weite dünnwandige Röhren von der Cuticula aus angelegt zu werden scheinen!, weiß ich nicht. Jedenfalls gilt für alleübrigen bekann- ten Fälle das Gesagte. Undso sind auch die Enden der normalen Nadeln der bekannten Arten von Gaminus geschlossen abgerundet, mit linearem, entfernt vom Ende beginnenden Achsenkanal, Fig. 7. Unter diesem Ge- sichtspunkte sind Fig. 8und 9 keine bloßen Varietäten, sondern Anomalien. In Fig. 8 ist der Achsenkanal mäßig erweitert und durchbricht das bleistift- förmig ausgehende Ende. Excessiv vermehrt ist die Achsensubstanz in Fig.9.. Man wird mir beistimmen, wenn ich diese bekanntlich auch bei vielen andern Spongien vorkommende Form, wobei die Kieselwand gegen die Enden hin auf ein feinstes Blättchen reducirt wird, ebenfalls als eine Rückbildung bezeichne, gleich denselben Erscheinungen der Vierstrahler. Gehört nun diese Spongie, zu deren hier beschriebenen Kieselkör- pern massenhafte Geodienkugeln und Sternchen kommen, zur Gattung Caminus, oder ist sie eine echte Tetractinellide und muss alsdann einer anderen Gattung zugetheilt werden? Das ist wieder einmal Geschmacks- sache?. Für mich hängt die Entscheidung von dem Verhalten der übrigen 1 Spongien des Meerbusens von Mexiko. Taf. II, Fig. 1, 2. 2 In.den »Spongien des Meerbusens von Mexiko« beschrieb ich zu Tisiphonia Thomson eine neue Form als T. fenestrata, nachdem ich die Synonyma zu T. agari- ciformis nach CARTER citirt und den engsten Anschluss an die sogenannten Stelletten hervorgehoben hatte. Die Berechtigung, diese Tisiphonia als fenestrata von agarici- formis zu trennen, gründete ich auf den Umstand, dass meine Exemplare einen sieb- artigen Seihe- oder Verschlussapparat besaßen, welcher, so viel ich weiß, bei den anders benannten Tisiphonien nicht beobachtet war. Die Beschreibung war mit den Worten eingeleitet: »Die Auslese hat sich innerhalb der im Schlamm angesiedelten Stelletten noch anderer ursprünglichen Anlagen und Variationen bemächtigt und damit andere Species gezüchtet.« Deutlicher kann man die intimste Zusammenge- hörigkeit nicht ausdrücken. Auch ist es danach selbstverständlich, dass ich es von ganz untergeordnetem Werthe halte, ob man mit mir die Schutzsiebe für hinreichend hält, um damit einen Abschnitt innerhalb der Variationen als Art abzugrenzen oder nicht. Es ist eben individueller Geschmack, dem ein Anderer mit vollem Rechte den seinigen entgegenhalten mag. VosmAEr (Report on the Sponges dredged up in the arctic sea by the »Willem Barents« in the years 4878 and 4879... Niederl. Arch. 1882) zählt die fenestrata als Synonym der reichen Reihe von Synonymen der Tethea muricata Bwbk. auf und fügt hinzu: »in comparing this description and Ihe figures 4—7 with tbose given by BowERBANK of his Tethea muricata with WyviLLe Taomson’s Tisiphonia agariciformis and with O. Scanıpr's Tisiphonia fenestrata, then it will be clear that there is to be seen a remarkable resemblance between all those Sponge. I hope to show, that it is only one species with.rather numerous variations«. ı Es wäre viel einfacher gewesen, wenn er gesagt hätte, dass die Siebe bei allen Exem- plaren von Tisiphonia vorkommen; denn das wäre ja nach meiner eigenen Darstel- Jung das einzige Merkmal, wonach sich T. fenestrata allenfalls von agariciformis ab- trennen ließe. Nun ist dem nicht einmal so, wie ich an der mir zu Gebote stehenden Reihe mit Exemplaren aus dem atlantischen Meere, Nordsee, Eismeer, karaibischen und Mittelmeere sehe. Es giebt Tisiphonien ohne und Solche mit Sieben, aber aller- dings ist das Auftreten der Siebe so unbestimmt, dass danach Artgrenzen ganz un- möglich abgesteckt werden können. VOosMAER hat also Recht, unter diesem Gesichts- punkte die Tisiphonia 'fenestrata einzuziehen. Ob die Eigenihümlichkeit, welche bisher nur an den karaibischen Exemplaren beobachtet werden konnte, fast genau strahlige Stöcke zu bilden, die Absonderung dieser Reihe unter besonderem Namen dennoch empfiehlt, dürfte zweckmäßiger an anderer Stelle besprochen werden, wo- | | | i j ; \ u | | \ Entstehung neuer Arten durch Verfall und Schwund älterer Merkmale, 645 Arten von Caminus ab. Sollten sich etwa bei’ dem adriatischen Caminus Vulcani ähnliche Rudera von Vierstrahlern finden? Sollte sich etwa die einst aufgestellte Hypothese, dass diese und andere Spongien durch ver- lorene Merkmale zu charakterisiren und an ihre richtige systematische Stelle zu bringen seien, in irgend einer Weise faktisch als Wahrheit zu demonstriren sein? Ich nahm also meine alten Präparate wieder vor und untersuchte von Neuem ein Prachtstück eines Stockes von Gaminus Vulcani aus Lesina. Und siehe da: höchst vereinzelt, aber unzweifelhaft sicher fand sich auch bei dieser Art, auf welche die Gattung gegründet war, der rudimentäre, richtiger gesagt krankhaft entartete Vierstrahler. Kommt bei Caminus osculosus etwa auf 100 bis 200 einachsige Nadeln ein mehr oder weniger verkümmerter Vierstrahler, so ist das Verhältnis bei Caminus Vulcani ungefähr 4000 oder 5000 : 4. Fig. 40 giebt einen sol- chen, wobei ich nur den auffallenden Umstand erwähne, dass jene fast bis zur Unkenntlichkeit reducirten Krüppel, welche bei G. osculosus beschrieben wurden, gar nicht vorgekommen sind. ' Jedoch sah ich eine Nadel, wo außer dem Hauptstrahle «a nur ein Basalstrahl mit weitem unregelmäßigen Kanale ausgebildet, ce auf einen knollenförmigen Aus- wuchs reducirt und d völlig rückgebildet war. Natürlich wurde auch Caminus 'apiarium (1868. nr etc.) nochmals revidirt, : In dem Präparat war keine Spur zu finden, aus welcher auf. eine tetractinellide Abkunft hätte geschlossen werden kön- nen; eben so wenig als bei dem Bruchstück aus dem mexikanischen Meere, welches ich in der Monographie p. 75 erwähnt habe. Eine besondere Berücksichtigung verdienen auch die Sternchen. Dieselben kommen in unzählbaren Mengen bei Cam. osculosus vor und finden sich wo möglich noch zahlreicher bei Cam. apiarium, wo sie, wie meine Abbildung lehrt, eine einzig dastehende Form besitzen. Sie sind bei der unbenannten Art des mexikanischen Busens ziemlich. häufig, im Habitus sich an diejenigen von C. osculosus anschließend. Endlich mangeln sie auch dem GC. Vulcani nicht, wie sich jetzt herausgestellt hat, wollenaber hier mit Aufmerksamkeit gesucht sein. In Bezug auf ihr Vorkommen ist also eine sehr scharf hervortretende Stufenfolge der Häufigkeit zu beobachten, welche von der der Reste des Vierstrahlers ' unabhängig ist. Fassen wir die Resultate zusammen, so sind sie erstens eine voll- kommene Rechtfertigung meiner Vermuthung, dass Caminus an die Tetractinelliden sich anschließe. Verschiedener Meinung kann man nur hinsichtlich der Zugehörigkeit solcher Arten wie Caminus .osculosus sein, zu sich bald Gelegenheit bieten wird. Hier habe ich die Sache zur Diskussion ge- zogen, weil sie einen Zusammenhang mit meinem Thema, der Artfrage, hat. 646 . Oscar Schmidt, also der Grenze, wo der Schwund der Vierstrahler noch nicht so weit vorgeschritten ist, dass er leicht übersehen werden könnte. Bisher sind bei dieser Form ganz normale Vierstrahler nicht beobachtet. Das Vor- kommen solcher würde durchaus nicht überraschen; daran, dass sie existirten, kann ein gesunder Verstand ohnehin nicht zweifeln. Und soistin Gaminus hiermit derBeweis geführt, dass durch den Schwund eines ehemals bestimmenden wichtigen Ordnungscharakters eine neue, als Gattung zu bezeich- nendeFormsich ausgebildet hat. Die Grenzarten nach den guten Tetractinelliden hin sind so sicher, wie die Zwischenformen vom Häuf- chen zum Haufen. Die Ursache des Verfalls bleibt dabei ganz verborgen. An eine äußere Veranlassung ist schwerlich zu denken, und unter einer inneren Veranlassung, oder was KöLLıker neuestens nochmals als »Meine Hypo- these der Entwicklung der Organismen aus inneren Ursachen« dem von ihm besiegten Darwinismus entgegenhält, kann ich mir nichts vorstellen, so fern sie nicht in einem Kampfe der Theile im Organismus besteht. Caminus, obgleich durch den Ausfall eines ebemals wichtigen und den Charakter der Ordnung bestimmenden Merkmales entstanden, trägt das Gepräge eines gesunden und ganz besonders kräftigen Organismus an sich. Das Absterben hat zunächst den Vierstrahler ergriffen. Der Ein- achser, einstweilen noch vorherrschend, zeigt vereinzelt schwache oder zur Rückbildung neigende Individuen, aber das Vorkommen derselben istunabhängig von dem Maße des Verfalles der Vierstrahler. In Caminus osculosus, wo der Vierstrahler noch ziemlich reichlich erhalten, sind die auf beginnenden Verfall deutenden Änderungen der einachsigen Nadeln weit häufiger als bei Caminus Vulcani, wo doch der Vierstrahler auch numerisch in den letzten Zügen liegt. Wiederum die Sternchen verhalten sich in diesen beiden Arten wie die Vierstrahler. In C. apiarium, wo Spuren von Vierstrahlern nicht entdeckt wurden, sind sie dagegen wiederum massenhaft und in sehr eigenthümlichen Wachsthumsformen vorhanden. Daraus ist ersichtlich, dass der Verfall bei jedem dieser Kieselkörper unabhängig von dem Bestande und dem Befinden der übrigen vor sich geht und man in allen den einzelnen Fällen durchaus nicht auf eine allgemeine Dekrepidität des ganzen Organismus schließen darf, der, wie erwähnt, bei Caminus überhaupt den Eindruck einer Akme des Lebens macht. Es war durch die mitgetheilten Beobachtungen nahe gelegt, auch die Ancorina aaptos zu revidiren und nach etwaigen Resten aus der voraus- gesetzten Tetractinelliden-Zeit zu durchsuchen. Da ist mir denn aller- dings keine faktische Bestätigung meiner Ansicht geworden, wohl aber. IN Entstehung neuer Arten durch Verfall und Schwund älterer Merkmale. 647 finden sich unter den einfachen Stumpfspitzern nicht selten mehr oder minder auffallende Unregelmäßigkeiten und Missbildungen, wie deren in meinen früheren Arbeiten von verschiedenen Spongien verzeichnet sind. Fig. 14—14 bringen einige derselben. Fig. 11 ist eine nur wenig ab- geänderte Nadel, an deren stumpfem Ende sich eine größere, mit einem abgezweigten Centralfaden versehene und eine kleinere knospenartige Wucherung gebildet hat. Fig. 42 würde unter anderen Umständen die Ansicht erwecken können, es sei das Ankerende eines reducirten Vier- strahlers, ist aber nichts als die etwas abgelenkte Spitze des Einstrahlers mit einigen an der Ablenkungsstelle entstandenen Wucherungen. Eben solche aber etwas weiter ausgebildete Abspaltungen des anderen Endes des Achsenkanals, woran die Kieselmasse auswendig noch nicht Theil genommen, zeigt Fig. 13, während Fig. 14 uns über das mögliche Fort- schreiten der wuchernden Missbildung in dieser Richtung belehrt. Ich bin nicht nach diesem negativen Ergebnis der Suche nach Spuren des Vierstrahlers, sondern nach allgemeinen Überlegungen gerade in Bezug auf Ancorina aaptos in meiner Vermuthung über die Herkunft dieser Spongie irre geworden. Ich hielt damals an dem Bestand der »Rindenschwämme« als einer natürlichen Gruppe fest, von welchen ich außer Caminus die entschieden tetractinelliden Gattungen Stelletta, An- corina und Geodia kannte. Da lag meine Deutung nahe. Seitdem haben wir die Bildung einer Rindenschicht ohne gleichzeitiges Vorkommen vier- strahliger Nadeln genugsam kennen gelernt. Das Vorhandensein der Rinde würde mich also heute an sich nicht verleiten, eine Spongie vom tetracti- nelliden oder, wie ich damals sagte, pyramidalen Typus abzuleiten. Die Möglichkeit liegt für Ancorina aaptos noch vor, allein die Wahrschein- lichkeit ist weit geringer geworden. Die Erfahrungen an Caminus haben aber gezeigt, dass meine Idee eine gute war und dass es von Werth ist, mit solchen Ideen zu arbeiten. Straßburgi. E., April 1885. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXIII, Fig. 4—6. Monströse und rückgebildete Vierstrahler von Caminus osculosus ‘Grube. Fig. 7—9. Enden von Einachsern derselben Spongie. Fig. 40. Vierstrahler von Caminus Vulcani O. Schm. Fig. 44—14. Missbildungen der einachsigen Nadel von Ancorina aaptos O.Schm. Vergleichend-embryologische Studien. Von Elias Metscehnikoff. Mit Tafel XXIV—XXV. 4. Über die Gastrulation und Mesodermbildung der Ctenophoren !. Da die Gastrula und das Mesoderm keineswegs allgemein den Coe- lenteraten zukommen, sondern eine Eigenthümlichkeit der höheren Repräsentanten dieses Tbiertypus bilden, so ist die Kenntnis der Entwick- lung genannter Erscheinungen unumgänglich nothwendig, um sich einen Begriff über die ersten Schritte sowohl der Gastrulation, als der Meso- dermbildung zu machen. Wenn man auch allgemein von der Existenz eines Gastrulastadiums bei Ctenophoren überzeugt ist, so weiß man doch noch wenig Sicheres über dessen Zustandekommen und Weiterbildung. Während KowALEvsky glaubte, dass die großen Blastomeren bei Ctenophoren ausschließ- lich als Nahrungsdotter verwendet werden und dass das Entoderm erst späteren Ursprunges ist, gelang es Cuun? nachzuweisen, dass die großen Blastomeren das Entoderm selbst repräsentiren, womit eine Annäherung an die Verhältnisse der gewöhnlichen Gastrulation gewonnen wurde. Auf der anderen Seite aber glaubte Cuun annehmen zu müssen, im Gegensatz zu den letzten Mittheilungen Kowaevsky’s®, dass der Blasto- por dem aboralen Pole des Ctenophorenleibes entspricht, was jedenfalls ' eine auffallende Ausnahme von der allgemeinen Regel wäre. Über die Abstammung des Mesoderms sind die beiden genannten Forscher übereinstimmender Ansicht. In.seiner »Entwicklungsgeschichte ! Die beiden ersten Abschnitte dieser Studien sind in Bd. XXX VI, 1882, p.433, der dritte in Bd. XXXVII, 1882, p. 286 dieser Zeitschrift veröffentlieht. 2 Die Ctenophoren des Golfes von Neapel. Leipzig 1880. p. 106. 3 Zur Entwicklungsgeschichte der Cienophoren, in Beobachtungen über die Ent- wicklung der Coelenteraten, aus den Mittheilungen der k. Gesellschaft der Liebhaber der Naturlehre, Anthropologie und Eihnographie. Moskau 4873 (russisch). p. 34. ; Vergleichend-embryologische Studien. 649 | der Rippenquallen«! behauptete KowaLevsky zuerst, dass die sternför- migen Zellen der Gallerte sich aus dem Ektoderm bilden, indem sie sich sowohl von der äußeren Körperbedeckung, als auch von der Magenwand ablösen und unter Bildung von Pseudopodien in die schleimförmige Zwischensubstanz hineinwandern. In der nachträglichen Abhandlung über die Ctenophorenentwicklung? wiederholt KowaLzvsky dieselbe Be- hauptung in folgenden Worten: »Zwischen Ento- und Ektoderm hat sich eine reichliche Menge Gallertsubstanz gebildet, worin Zellen aus dem Ektoderm, welche die Gestalt sternförmiger Bindegewebszellen angenommen haben, eingedrungen sind.« Diese Angabe bezieht sich übrigens nur auf Escholzia (Gallianira bialata) und Eucharis, bei Bero& »habe ich — sagt Kowarevsky — keine Bildung von Zwischengallerte mit in dieselbe eindringenden Zellen beobachtet, sondern es schien mir, als ob diese Substanz oder dieses Gewebe auf irgend eine Art sich unmittelbar aus Dotterkugeln entwickelt«. — Nach Caun’s Angaben, wird zwischen Ekto- und Entoderm eine Sekretlage abgeschieden, »in welche bald Zellen vom Ektoderm und dem Magen aus einzuwandern und sich reich zu verästeln beginnen«. Das Einrücken ganzer Gruppen Ektodermzellen erfolgt nach Caun nicht nur während der Embryonal- entwicklung, sondern während des ganzen Lebens mehrerer Rippen- quallen, wie Eucharis und Cestus (l. c. p. 197 £f.). Meine eigenen Beobachtungen beziehen sich vorzugsweise auf Gallia- nira bialata, welche ich im Jahre 1883 in Messina und im Frühjahr dieses Jahres in Villafranca auf ihre Embryologie untersucht habe; außerdem habe ich im Jahre 1880 in Neapel Bero& und im Jahre 1882 in Odessa Cydippe auf ihre Mesodermbildung geprüft. Die Furchungsstadien werde ich nur so weit berücksichtigen, als es nothwendig ist, um eine Auffassung über die Gastrulation zu gewinnen. Da die Untersuchung lebender Objekte nur wenig Aufschluss giebt, so behandelte ich die Em- bryonen mit einer zweiprocentigen Lösung von Essigsäure oder noch besser mit einem Gemisch einer derartigen Lösung mit einigen Tropfen ‚einer halbprocentigen Osmiumsäurelösung. Ich gehe nun zur Beschrei- bung der Erscheinungen bei Callianira bialata über. Die drei ersten Furchungen verlaufen bekanntlich in vertikaler Rich- "tung und führen zur Bildung eines achtzelligen Stadiums, dessen Blasto- meren alle von gleicher Größe sind (Fig. 4). Darauf hin folgt eine äqua- toriale Knospung (Fig. 2), als deren Resultat acht Mikromeren auftreten. Während man nun die letzteren schlechtweg als erste Ektodermzellen in Anspruch nehmen kann, lassen sich die acht Makromeren noch nicht als 1 Me&moires de l’Acad. d. Sc. de S. Petersb. Bd. X. No. 4. 4866. p. 7,45 u.18. 2 Zur Entw. d. Ctenophoren, |. c. p. 36. 32.24. 0.p. 445. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd, 43 650 Elias Metschnikofl, Entodermzellen auffassen, da sie noch einige Zeit fortfahren neue Ekto- dermzellen durch Knospung zu erzeugen (Fig. k, 5, 7). Abgesehen von diesem Modus, nehmen die Ektodermelemente auch durch Theilung der Mikromeren an Zahl zu, ein Vorgang, welcher Anfangs eine größere Regelmäßigkeit, als auf etwas späteren Stadien aufweist. So theilen sich die ersten acht Mikromeren fast gleichzeitig (Fig. 3, k)-in 46 neue, wäh- rend die letzteren sich in mehr oder weniger großem Intervalle ver- mehren (Fig. 6—8). Die Richtung, in welcher sich die Mikromeren theilen, ist ebenfalls eine verschiedene, wie man es am besten nach der Lage der Kernspindeln beurtheilen kann: so theilen sich die älteren Mikro- meren der Fig. 8 horizontal, während die darunter liegenden jüngeren meridionale Furchen aufweisen. Trotz aller Variationen erfolgt die Weiterentwicklung doch ziemlich regelmäßig, was aus der regulären sog. körbchenähnlichen Form der Ektodermanlage (Fig. 6—8) deutlich hervorgeht. Nachdem die Anzahl der Mikromeren auf 30-50 gestiegen ist, hört die Knospung der Makromeren auf und wird durch eine Längstheilung | derselben ersetzt. Es theilen sich von den acht Makromeren zuerst die vier medianen (Fig. 6, 7), so dass wir vorübergehend ein Stadium mit | zwölf ungleich großen Makromeren erhalten (s. KowaLevsky’s citirte | russische Abhandlung, Taf. VII, Fig. 7); darauf aber beginnen auch die | lateralen Makromeren sich zu erinehren (Fig. 9, 12). Es kommt somit | ein Stadium mit 16 Makromeren zu Stande, welches in mehrerer Be- | ziehung interessant ist. Das Ektoderm zeigt einen deutlich vierstrahligen | Bau, welcher sich sowohl in der Kreuzform der blastoporähnlichen | Lücke, als auch in der Ausbreitung der vier Ektodermlappen dokumentirt | (Fig. 9, 10). Die letzteren breiten sich nach unten aus, die großen Zellen | mehr und mehr umwachsend. Die Makromeren, welche früher (Fig. 1—8) ' ebenfalls eine körbehenähnliche Konfiguration zeigten, verflachen sich | kuchenförmig, wie es bereits von KowALzvsky hervorgehoben worden ist. Nach der Abschließung ihrer Längstheilung wandern die Kerne aus dem | oberen Zellenpole (Fig. 6, 7) nach unten (Fig. 41), ein Vorgang, welcher ebenfalls zuerst bei acht medianen Makromeren auftritt und die erste I: Phase der Mesodermbildung bezeichnet. Zu der Zeit, da das Ektoderm in seinem Umwachsungsprocesse nahe I bis an den unteren Rand des Embryo gelangt (Fig. 13) und oben nur I" noch eine kleine Lücke (Fig. 14) unausgefüllt lässt, erfolgt auf der unteren " Fläche der Makromeren eine neue Knospung, welche diesmal zur Bildung | | des Mesoderms führt. Die Spindeln erscheinen zunächst bei den acht | medianen Makromeren (Fig. 45), während die Kerne der acht lateralen I Zellen noch im Ruhezustande bleiben; die Knospung erfolgt in einer) Vergleichend-embryologische Studien. 651 schiefen Richtung und führt zur Bildung von acht Zellen, welche in Form einer Platte den centralen Theil der unteren Fläche des Embryo besetzen (Fig. 1 6). Kaum haben sich die ersten acht Mesodermzellen gebildet (eine solche Zelle der Fig. 16 steht noch mit der Mutterzelle durch einen Strang in Verbindung), so legen sich je zwei von den vier Paar late- raler Makromeren ebenfalls zur Knospung an (Fig. 16), wodurch neue Mesodermelemente erzeugt werden; ihnen folgen die vier übrigen nach. Wir erhalten somit Stadien mit 8, 42 u. 46 Mesomeren, welche von der entsprechenden Zahl der Makromeren abstammen. Oft wird freilich diese Regelmäßigkeit dadurch gestört, dass sich die ersten Mesodermzellen, ohne die Bildung sämmtlicher übrigen Mesomeren abzuwarten, selbst zu theilen beginnen (Fig. 17), was eine frühzeitige Zunahme ihrer Zahl zur Folge hat. In anderen Fällen bleibt dagegen die Mesodermbildung auf einem noch frühen Stadium stehen, so dass wir längere Zeit eine Platte mit nur 42 Zellen vorfinden (Fig. 19, 24). Von diesen, die Zahl der Zellen und den Zeitpunkt ihrer Differenzirung beireffenden Ah- weichungen abgesehen, können wir als allgemeine Regel aufstellen, dass bei Callianira durch Knospenbildung am unteren Pole der Makromeren ein Mesoderm entsteht, welches eine aus mehreren Zellen bestehende und in der Richtung des Frontalschnittes horizontal gelegene Platte dar- stellt. Bald nach dem ersten Hervortreten der Mesodermanlage. beginnt die Invagination der nunmehr zum Entoderm gewordenen Makromeren, wo- bei auch das Mesoderm ins Innere des Embryo mit hineingezogen wird. Zu dieser Zeit besteht das Ektoderm aus einer Schicht verhältnismäßig kleiner Zellen, welche am oberen Pole des Embryo noch eine kleine Lücke (Fig. 20, 22, 23) offen lassen, am unteren Pole dagegen einen sehr großen Blastoporus umgrenzen (Fig. 49 bl, 20). Längs der Meri- diane, welche die späteren Rippen erzeugen, kann man zu dieser Zeit eine sehr rege Zelltheilung beobachten (Fig. 19 d). Während der Inva- gination gelangen die Mesodermzellen in die Tiefe der Gastrulahöhle (Fig. 20 mes), wo sie eine Zeit lang in Form eines Säckchens verbleiben ; allmählich rücken sie aber bis zum oberen Ende des Embryo, wo sie wiederum ihre frühere Plattenform annehmen (Fig. 24). Wir haben das Entoderm in dem Stadium verlassen, wo dasselbe aus 16 Makromeren hervorgegangen ist. Die ee bleiben noch längere Zeit in derselben Zahl bestehen; erst nach vollzogener Inva- gination kann man deren eine größere Menge vorfinden, indessen sind sie auch dann noch wenig zahlreich. | Nach dem Schlusse der Invagination verwächst die obere Lücke, indem sie von kleineren Ektodermzellen ausgefüllt wird, vollständig 43* 652 Elias Metschnikoff, (Fig. 23, 25); während am unteren Embryonalpole eine sekundäre Ektodermeinstülpung zu Stande kommt (Fig. 22, 24, 26 g), welche be- kanntlich den sog. Magen, oder das Stomodaeum erzeugt. Wenn man die Erscheinungen der Gastrulation in der geschilderten Reihenfolge beobachtet, so wird man keinen Zweifel darüber haben, dass der Blastopor auf der oralen Fläche entsteht, resp. dass die auf dem oberen Pole lange bestehende Lücke einen Pseudoblastopor repräsentirt. Übrigens habe ich eine solche Orientirung auch durch fortgesetzte Beob- achtung in feuchten Kammern fixirter Embryonen bestätigt gefunden, was besonders gut bei den großen Eiern von Bero& gelingt. An dem oberen Ende des Embryo angelangt, fegt sich die Mesoderm- platte wiederum in der Richtung des Frontalschnities (Fig. 26), wobei sie sich allmählich von der Entodermanlage emancipirt. Anfangs sind die Zellen derselben noch ziemlich groß, resp. wenig zahlreich (Fig. 27); bald aber fangen sie an sich rasch zu vermehren, was namentlich an beiden lateralen Enden sich offenbart, wo es zur Bildung von zwei Ver- dickungen (Fig. 28 mes) kommt. Zu dieser Zeit theilt sich die Mesoderm- platte in eine rechte und linke Hälfte (Fig. 29), zwischen welchen eine mehr oder weniger geräumige Lücke auftritt, welche jedoch bald durch zwei neue Mesodermwucherungen ausgefüllt wird (Fig. 30,34). So entsteht ein kreuzförmiges Mesoderm, dessen längere lateralen Abschnitte das Meso- | derm der nunmehr angelegten Tentakeln bilden, während die beiden ' medialen Fortsätze, wie ich annehmen muss, zum Sitz der Bildung von | Wanderzellen werden. Diesen Schluss ziehe ich aus der Thatsache, dass die ersten solcher Zellen sich in nächster Nähe und oft im Zusammen- hange mit den medialen Mesodermanlagen wahrnehmen lassen (Fig. 34 m), so wie ferner aus der Übereinstimmung der ersten Wanderzellen mit den ' Elementen dieser Anlagen in Größe und anderen Merkmalen. Die Ab- | stammung der Wanderzellen konnte ich nicht direkt an lebenden Ob- jekten verfolgen, aus dem Grunde, dass zur betreffenden Zeit der Em- bryo bereits starke zuckende Bewegungen ausführt, wesshalb er zur Untersuchung mit Reagentien abgetödtet werden muss. Ein Stillstehen des lebenden Embryo lässt sich zur Zeit noch nicht erreichen, da dafür \ die Eihülle gesprengt werden muss und der Embryo die fortgesetzte starke Wassereinwirkung nicht aushält. | Wenn ich einerseits zum Resultate geführt worden bin, dass die ' Wanderzellen aus den medialen Mesodermanlagen hervorgehen, so kann | ich auf der anderen Seite die Rolle der lateralen Mesodermstreifen aus der Produktion solcher Zellen nicht unbedingt ausschließen. Dafür glaube ' ich mit Bestimmtheit annehmen zu müssen, dass das Ektoderm im em- bryonalen Leben keine Wanderzellen erzeugt. So oft ich diese Frage | R E Vergleichend-embryologische Studien. 653 geprüft habe, bekam ich stets nur ein negatives Resultat. Wie man sich aus den Abbildungen von KowArevsky und CGnun überzeugen kann, haben auch diese Forscher keineswegs einen Übergang von Ektodermzellen zu Wanderzellen gesehen. Sie zeichnen auch überall die ersten Wander- zellen entweder im mittleren oder unteren Körpertheile des Embryo, während sie Anfangs nur in der Nähe des oberen Poles erscheinen und erst später, obwohl allerdings ziemlich rasch, sich nach unten begeben. Wenn Caun behauptet, dass eine gewisse Anzahl Ektodermzellen als Muskelzellen auch bei erwachsenen Ctenophoren in das Gallertgewebe übergehen, so kann diese Annahme nicht unbedingt für eine zweifache Entstehungsart des Mesoderms verwerthet werden, da sie, wenn man die Deutung R. Herrwig’s! acceptirt, in dem Sinne aufgefasst werden kann, dass es sich um ektodermale Muskeln handelt, welche sich sekun- där ins Mesoderm vertiefen, wie es auch sonst viele Organe thun. Auf den späteren Stadien der Embryonalentwicklung von Gallia- nira vergrößern sich die lateralen Mesodermabschnitte um ein Bedeu- tendes, wobei ihre Elementevielkleiner undundeutlicher werden (Fig. 32), während die medialen Theile, wahrscheinlich in Folge der Abgabe von Wanderzellen, allmählich untergehen. Die lateralen Mesodermstränge vereinigen sich ganz intim mit der Ektodermanlage der Tentakeln und liefern dann die Muskelfasern der letzteren (Fig. 33), wobei jedoch die histologischen Vorgänge, wegen der Schwierigkeit der Beobachtung, von mir nicht weiter verfolgt werden konnten. Gleichzeitig mit den be- schriebenen Erscheinungen vergrößert sich die Anzahl der Wander- zellen, von welchen eine ansehnliche Menge den hellen Raum im unteren Körpertheile des Embryo einnehmen, um hier theilweise in Muskelzellen überzugehen. Dasjenige, was ich an anderen oben erwähnten Rippenquallen be- obachtete, reicht nur hin, um zu behaupten, dass die für Callianira ange- gebenen Thatsachen über Mesodermbildung eine allgemeine Eigenschaft der Gtenophoren ausmachen. So habe ich eine ganz übereinstiimmende mesodermale Knospung der Makromeren auch bei der pontischen Cydippe gefunden, bei welcher ein ebenfalls ganz analoger Gastrulationsprocess zu Stande kommt. Viel interessanter erscheint Bero&, da bei dieser Gat- tung die Tentakeln fehlen und desshalb die Mesodermbildung nicht in Zusammenhang mit der Entstehung dieser Organe gebracht werden kann. Trotzdem sehen wir auch hier kleine Zellen am unteren Pole der Makro- meren durch Knospung entstehen und ein plattenförmiges Mesoderm liefern. Auf dem jüngsten Stadium, wo ich diese Erscheinungen beob- ! Über den Bau der Ctenophoren. Jenaische Zeitschr. Bd. XIV. 4880. p- 330. fl. 654 Elias Metschnikoff, achtete, traf ich bereits acht symmetrisch liegende Mesodermzellen (Fig. 3£), welche am lebenden Objekte untersucht wurden und noch im Laufe der Beobachtung sich in fünfzehn Zellen theilten. Zweifellos stammen die acht Zellen von den benachbarten Makromeren, da auch auf späteren Stadien, wo bereits eine größere Menge Mesodermzellen vorhanden, die Knospung der Makromeren (Fig. 37 a) noch zu beobachten ist. Gleich- zeitig theilen sich auch die Mesodermzellen selbst (Fig. 37 b), so dass das plattenförmige Mesoderim mit großer Schnelligkeit wächst. Mit diesem Vorgange zugleich schreitet das Umwachsen der Makromeren durch Ekto- dermzellen fort, wobei natürlich der Blastopor, welcher fast die ganze untere Fläche des Embryo einnahm (Fig. 34), nunmehr, unter Beibehal- tung seiner ovalen Form, bedeutend kleiner geworden ist (Fig. 36). Nach dem zuletzt beschriebenen Stadium beginnt die Invagination, welche dem entsprechenden Vorgange bei Callianira durchaus entspricht. Die gastrale Fläche wird hier, den Angaben früherer Beobachter gegen- über, eben so wenig von Ektodermzellen umwachsen, wie bei der zuletzt genannten Rippenqualle. Die Blastoporränder verwachsen nicht, son- dern bleiben bestehen, eine mehr oder weniger regelmäßig ovale Öff- nung umrandend (Fig. 38). Während der Einstülpung vertieft sich das Mesoderm immer weiter, bis es von der Gastralfläche gar nicht mehr zu sehen ist (Fig. 38); um dasselbe nunmehr zu beobachten, muss der Em- hbryo von der enigegengesetzten Fläche untersucht werden, wo man als- bald die aus einer größeren Anzahl Zellen zusammengesetzte Mesoderm- platte unter dem Ektoderm findet (Fig. 39). Der vor dem Beginne der Invagination noch ansehnliche Pseudoblastopor der aboralen Fläche (Fig. 35) verwächst noch früher als bei Calliänira und hat eben so wie bei dieser Rippenqualle mit der Gastrulation überhaupt nichts zu thun. Da bei Bero& der gesammte Vorgang der Einstülpung bequem an einem und demselben Embryo verfolgt werden kann, so schwindet jeder Zweifel an der gegebenen ÖOrientirung der Embryonaltheile, welche mit derjeni- gen der zweiten Abhandlung KowaAkvsky’s, nicht aber mit der Deutung Caun’s übereinstimmt. Auf späteren Stadien, wenn sich an beiden Seiten des Embryo Ekto- dermverdickungen bilden, welche als Rudimente der Tentakelanlagen gedeutet werden können (Fig. 40), vertheilt sich auch das Mesoderm in zwei Abschnitte, ähnlich wie wir es bei Callianira gesehen haben. Zu dieser Zeit beginnt am unteren Embryonalpole die sekundäre Einstülpung des Stomodaeums und die Rippenzellen des Ektoderms bedecken sich mit mehreren kurzen Wimpern (Fig. 44), welche als erste Anlage der Wim- perplättchen erscheinen. Das Entoderm erscheint nunmehr in Form eines parenchymatösen, aus saftigen Zellen (Fig. 42) bestehenden Ge- FE \ Vergleichend-embryologische Studien. 655 webes, während die Mesodermzellen (Fig. 43) viel konsistenter, saft- armer, aber körnchenreicher sind. Nach dem Beginn der Bewegungen ‚des Embryo erscheint, bei dessen allgemeiner Größe, die Untersuchung der verhältnismäßig kleinen Zellen des Mesoderms sehr erschwert, so dass ich über die weiteren Stadien dieses Keimblattes leider nichts be- richten kann, zumal die Nachuntersuchung in den letzten Jahren mir bis jetzt nicht gelingen wollte. Von den früheren Forschern ist Ar. Acassız der Einzige, welcher bei Ctenophoren Mesodermzellen gesehen und abgebildet hat, ohne ihnen übrigens eine besondere Bedeutung zugeschrieben zu haben. Einige seiner, die Embryonen der Idya rosea darstellenden Figuren zeigen eine Anzahl auffallender Zellen am aboralen Körperpole, welche ich für nichts Anderes, als für eine Mesodermanlage in Anspruch nehmen kann. Aus den mitgetheilten Thatsachen sehen wir zunächst, dass die Gteno- phorengastrula als Resultat einer Invagination, welche nach einer vorher- - gehenden Umwachsung zu Stande kommt, erscheint; sie ist zugleich eine embolische und eine epibolische Gastrula. Der Bauplan der letzteren ist ein regulärer und der Blastopor, welcher in die innere Gastralmündung übergeht, ein oraler. Da das Ektodermwachsthum nicht von dem ani- malen Pole selbst, sondern von einer ringförmigen Anlage ausgeht, so bildet sich, außer dem wirklichen Blastopor, noch ein oberer Pseudo- blastopor, welcher früher oder später verwächst und zum Boden des Sinnesorganes wird. Die Gtenophoren erscheinen als die einzigen Coelenteraten mit einem Mesoderm,, welches als eine abgesonderte keimblattartige Anlage im Laufe der embryonalen Entwicklung auftritt. Während bei Acalephen und Polypen die Mesodermbildung zu den späteren Erscheinungen der nachembryonalen Entwicklung gehört und auch dann nicht zur Erzeugung eines abgesonderten Ganzen gelangt, entsteht das Mesoderm bei Rippen- quallen sehr frühzeitig und als ein einheitliches embryonales Gebilde. Wir haben keine Bedenken, dasselbe als ein wirkliches Keimblatt — Mesoderm — in Anspruch zu nehmen, trotzdem dies nach der Coelom- theorie der Gebrüder Herrwıc mindestens zweifelhaft sein soll. Wenn wir den Principien dieser Forscher folgen, so können wir das Mesoderm der Gtenophoren höchstens als ein Keimblatt bezeichnen, da dasselbe »em- bryonale Zellen, welche unter einander zu einer Epithellamelle verbun- den sind«! repräsentirt. Als Mesoblast können wir dasselbe dagegen nicht 1 Die Coelomtheorie. Jen. Zeitschr. Bd. XV. 1884. p. 124. 656 | ‚Elias Metschnikoft, in Anspruch nehmen, weil es frühzeitigen Ursprungs ist und nicht »durch Ausstülpung oder Einfaltung des Entoblasts«1 entsteht. Eben so wenig passt das Mesoderm der Gtenophoren unter den Begriff der Mesenchym- keime der Gehrüder Herrwic, da das erstere sich nicht als »embryonale Zellen, welche einzeln aus dem epithelialen Verbande ausscheiden «, bildet, und da die Mesenchymkeime überhaupt nicht die Eigenschaft eines Keimblattes besitzen. Wenn wir somit einsehen, dass das eigen- thümliche Mesoderm der CGtenophoren keinen Platz in der Theorie des mittleren Keimblattes der Gebrüder Herrwig findet, so ergiebt sich dar- aus nur ein neuer Beweis dafür, dass diese Theorie, bei ihrer Konfron- trung mit wirklichen Thatsachen, nicht stichhaltig ist. Das mittlere Keimblatt ist ein zu mannigfaltiges Gebilde, als dass es sich in zwei Typen einordnen ließe und dazu ist dessen Entwicklung so sehr in einander greifend, dass man von einer principiellen Verschiedenheit desselben nicht reden kann. Zu dem, was ich darüber im dritten Abschnitte dieser Stu- dien sagte, will ich hier noch eine Thatsache hinzufügen, welche uns zeigt, wie intim das Mesenchym mit dem Herrwig’schen Mesoblast oft verbunden ist. Wie ich an einem anderen Orte ? mittheilte, lösen sich die einzelnen Peritonealzellen der Nais proboscidea aus dem Verbande los, um, unter amöboiden Bewegungen, verschiedene in die Leibeshöhle eingedrungene Fremdkörper — etwa junge Gordiuslarven — zu umwachsen. So sehen wir, dass die aus dem Mesoblast hervorgegangenen Epithelzelien des Peri- toneunis, selbst bei einem erwachsenen Wurme, unter einem stärkeren Reize sich zu Mesenchymzellen umwandeln. Analog ist die von RAn- VIER 3 bereits früher für Säugethiere angegebene Thatsache, dass während einer Bauchfellentzündung einzelne Peritonealzellen ihre Fähigkeit, fremde Körper aufzufressen, resp. amöboide Fortsätze abzusenden, wie- dererhalten. Wie kann man da noch von einer »ganzen Verschiedenheit« des Mesenchyms dem Mesoderm gegenüber sprechen ? 5. Über die Bildung der Wanderzellen bei Asterien und Echiniden. Nachdem Hensen * im Jahre 1863 das Sekretgewebe, wie er es nannte, bei jungen Brachiolarien des Kieler Hafens entdeckte und dabei fand, dass dieses Gewebe durch Ablösung vom »Zapfen« mehrere Zellen, welche dann in die Zwischengallerte auswanderten, bildet, fand diese Ansicht von mehreren Seiten eine Bestätigung. So konnten 1 .a.,2.»0..P.,122; 2 Über die pathologische Bedeutung der intracellulären Verdauung. in: Fort- schritte der Medicin. 4884. Nr. 47. p. 4. | 3 Lecons sur l’'histologie du systeme nerveux. I. 1878. 4 Über eine Brachiolaria des Kieler Hafens. Arch. f. Naturgesch. 1863. p. 242. Vergleichend-embryologische Studien. 657 ich und Goertz ? eine ähnliche Entstehung der Wanderzellen bei Bipin- - naria konstatiren und Serenka® fand denselben Bildungsmodus für die _ von ihm untersuchten Holothurien. Für Holothuria tubulosa giebt der letztgenannte Forscher Folgendes an: »22 Stunden nach der Befruchtung treten nämlich aus jener verdickten Stelle einige (4 bis 40) Zellen her- aus und bilden einen Zellenkuchen, welcher nunmehr der ausschließ- liche Bildungsherd der Mesodermzellen ist«..... In allen diesen Fällen wurde übereinstimmend angenommen, dass die ersten Wanderzellen sich unregelmäßig zerstreuen oder einen unpaaren Haufen bilden und in keinem Falle eine frühzeitig symmetrische Anordnung aufweisen. Diese Seite der Sache änderte sich aber, nachdem Hartscaex ? im Jahre 1878 die nahen Beziehungen der Echinodermen zu Bilaterien betonte und eine erneute Untersuchung der Mesodermentwicklung zur Aufgabe stellte. In seiner theoretischen Übersicht sagt er Folgendes: »Die Meso- dermbildung der Echinodermen geht zwar von einer ähnlichen Stelle der Keimblase aus,« wie die Sonderung der Mesodermurzellen bei anderen Bilaterien, aber es ist bisher noch nicht die bilaterale Anordnung des Mesodermkeimes der Echinodermen beobachtet. Es muss dieser Punkt noch bei künftigen Untersuchungen geprüft werden. Schon im nächst- folgenden Jahre erschien die Arbeit von SerenkA>5 über die Keimblätter der Echiniden, in welcher der Mesodermkeim auch wirklich als von An- fang an symmetrisch angelegt, angegeben wird. »Bei den sehr durch- sichtigen Larven von Echinus miliaris und Toxopneustes brevispinosus — sagt SELENKA — konnte die Entstehung des Mesoderms sehr genau verfolgt werden. In der Mitte des verdickten Theiles des Blastoderms entsteht, zusammenfallend mit der Längsachse der späteren Gastrula, von innen her eine trichterartige Vertiefung, welche sich nach ungefähr einer Stunde in eine spaltartige Rinne verlängert, die erst nach erfolgter Bildung des Mesodermkeimes wieder verstreicht. Durch diese Rinne ist auch die seitliche Symmetrie des Larvenkörpers fixirt; beiderseits nämlich von diesem Spalt entstehen durch Theilung einer geringen Anzahl von Enio- dermzellen die Mesodermkeime in Form von zwei, je vier bis acht Zellen umfassenden Zellhaufen, die sich bald vom Mutterboden abtrennen, um 1 Studien über die Entwicklung der Echinodermen und Nemertinen. Mem. Acad. Petersb. XIV. No. 8. 1869. p. 33. 2 Vergl. Entwicklungsgesch. d. Comatula medit. Arch. für mikr. Anat. 4876. XI1..p. 587. | 3 Zur Entw. der Holothurien. Diese Zeitschr. Bd. XXVII. 4876. p. 160. * Studien über Entwickl. der Anneliden. Arbeiten aus dem Zool. Inst. Wien. . 1,4878. p..95, 98. ? 5 Keimblätter u. Organanlage d. Echiniden. Diese Zeitschr. Bd. XXXIN. 1879. Pp- 45. i 698 Blias Metschnikofl, endlich als amöboide, noch mehrfacher Theilung unterworfene Zellen den Gallertkern zu durchwandern.« Hartscark ! hat dann auch selbst die Untersuchung vorgenommen und obwohl er ebenfalls die erste Meso- dermanlage bei Toxopneustes lividus als symmetrisch fand, so schildert er doch die Sache ganz anders als Serenka. Nach Harschek ist bei dem genannten Seeigel » das Mesoderm auf zwei in der Medianebene einander berührende Zellen am Entodermpole der Blastula, die unter Theilungs- vorgängen in die Furchungshöhle rücken, zurückzuführen«. Bei Gelegenheit meiner Studien über die Gastrulation der Echini- den? musste ich nebenbei auch die Frage über die Mesodermbildung dieser Thiere berühren. Obwohl ich mehrere Serien Embryonen von Echinus microtuberculatus untersuchte, konnte ich doch die SzLenka’schen Angaben nicht bestätigen. Sowohl noch zur Zeit, da die Mesodermzellen in der Tiefe des Blastoderms lagen, als auch später, nachdem sie in die Fur- chungshöhle gelangt waren, konnte ich an ihnen keine einigermaßen ausgesprochene Symmetrie entdecken. Von einem Zusammenhange der von SELENKA beschriebenen Vertiefung mit der symmetrischen Anordnung der ersten Mesodermelemente konnte ich mich ebenfalls nieht überzeugen. In einer neueren Arbeit über die Keimblätter der Echinodermen, in welcher die Entwicklungsgeschichte der Wanderzellen eine wichtige Rolle spielt, ändert SELENkA® noch einmal seine Ansichten über die betreffende Frage. Wie er seine ursprünglichen Angaben über die unsymmetrische Anlage des Mesodermkeimes bei Holothurien vollständig verlässt, so ver- legt er die paarige Anordnung der Mesenchymanlage auf die beiden Ur- zellen, ganz im Anschluss an HATscHEk, dessen Originalskizzen er neben den seinigen veröffentlicht. Nach den neuen Mitiheilungen SELENKA’S soll nunmehr das Mesenchym der Echiniden aus zwei Urzeilen, welche zwei symmetrisch liegende Mesenchymstreifen durch Theilung erzeugen, entstehen. Bei weiterer Entwicklung vermehren sich die Zellen der Mesenchymstreifen und gehen dann, sich unregelmäßig verschiebend, in die Blastulahöhle hinein. SerLenka dehnt seine Beobachtungen auch auf einige andere Echinodermen (Synapta und Ophyglypta) aus und stellt schließlich folgende, das Mesenchym betreffenden Resultate auf: »Der Mesoblast entsteht bei allen Echinodermen in zweierlei Weise: a) aus zwei Urzellen des „Mesenchyms“, b) aus den Urdarmdivertikeln.« » Die zwei Urzellen des Mesenchyms bilden sich ‘bei den Echiniden zu zwei 1 Über Entwicklungsgesch. v. Teredo. Arb. aus.d. zool. Inst. Wien. III. 1880, p. 30. | 2 Diese Studien. Nr. 3. Diese Zeitschr. Bd, XXXVI. 4882. p.’294. 3.Studien über. Entwicklungsgeschichte der Thiere. Heft 2.. Die Keimblätter der Echinodermen. Wiesbaden 1883. \ Vergleichend-embryologische Studien. 659 Mesenchymstreifen aus, welche nebst ihren Tochterzellen in Form von Wanderzellen in das Blastocoelom gelangen und schließlich zweierlei Gewebe bilden, nämlich die Ringmuskulatur des Vorderdarmes und die Cutis. Bei der Synapta kommt es nicht zur Bildung von zwei Mesen- chymstreifen, indem hier im Gegensatz zu den übrigen Echinodermen die Gastrulation der Mesenchymanlage vorausgeht« (p. 59). Da ich meine ersten Beobachtungen nur an Echinus microtubercu- latus anstellte, so erschien mir eine Revision bei anderen Seeigeln _ wünschenswerth, da außerdem die Frage nach der Entstehung der Wanderzellen für mich ein erhöhtes Interesse bekam, seitdem ich kon- statirte, dass diese Elemente als Phagocyten eine wichtige Rolle spielen, so unterwarf ich (während meines Aufenthaltes in Messina im Jahre 1883) die Embryonen von Sphaerechinus granularis einer näheren Unter- suchung. Ich konnte nicht nur meine früheren Angaben bestätigen, sondern auch weiter gehen, indem ich beobachtete, dass die Bildung der Wanderzellen durch Migration birnförmiger Zellen aus der Meso-Ento- dermanlage geschieht. Als nun einige Monate später die oben erwähnte Abhandlung Serenka’s erschien, sah ich mit Bedauern, dass unsere unabhängig von einander angestellten Untersuchungen gar nicht überein- stimmten. Es fiel mir zwar auf, dass die Angaben Serernka’s in vielen Beziehungen nicht beweiskräftig sind und dass er namentlich auf keiner eigenen Abbildung den Mesenchymstreifen in toto zeichnet, was doch ganz unentbehrlich wäre; ich konnte jedoch nicht einsehen, worin der Grund unserer abweichenden Ansichten liege, und es erschien eine er- neute Untersuchung mir desshalb besonders wünschenswerth. Um eine solche anzuregen (da ich selbst nicht sobald an das Meer zu gehen ge- dachte), publicirte ich eine kurze Notiz! über meine Untersuchungen. Bald darauf erschien eine sehr heftige Erwiederung von SELENkA 2, worin er seine Angaben wiederholte und auf deren Exaktheit insistirte; neue Argumente wurden von ihm indessen nicht beigebracht. Um die Frage zu erledigen, musste ich die ganze Sache von Neuem in Angriff nehmen. Am Schlusse des vorigen Jahres habe ich die betreffenden Stadien von Strongylocentrotus lividus in Tanger3 und im Frühjahr des laufenden 1 Zool. Anz. Bd. VII, 4884, p. 93. 2 Ibid. p. 100. ‚3 Bei dieser Gelegenheit will ich meine Fachgenossen darauf aufmerksam machen, dass die marine Fauna in Tanger in jeder Beziehung eine sehr arme ist; während eines zehnwöchentlichen Aufenthaltes daselbst (December 1884 bis Februar 1885) habe ich von pelagischen Thieren nur eine Bero&, ein paar Pelagien, eine ganz ruinirte Rhizostomide und einige wenige Craspedoten und Euphausien gefangen ; auch die Strandfauna, mit welcher man sich bei starker Ebbe bekannt macht, ist - im Ganzen nur schlecht vertreten. Als einen weiteren Übelstand muss ich noch her- vorheben, dass es in Tanger keine geübten und zuverlässigen Fischer giebt, durch 660 ' Elias Metschnikofl, Jahres die Embryologie desselben Seeigels in Villafranca untersucht. Außerdem habe ich die Entwicklung von Astropecten aurantiacus und pentacanthus im Mai dieses Jahres auf der zoologischen Station in Triest untersucht. Für die Benutzung der letzteren sage ich Herrn Professor Craus und Herrn Inspektor GrAEFFE meinen besten Dank. Zur Darstellung meiner eigenen Ergebnisse übergehend, fange ich mit Astropekten an, da die Asteriden für die betreffende Frage überhaupt ein viel günstigeres Untersuchungsmaterial als die Echiniden liefern. Junge Bipinnarien von Astropekten kann man entweder aus dem pelagi- schen Auftriebe erlangen, oder man erhält sie durch leicht vorzunehmende künstliche Befruchtung. Astropecten aurantiacus ist in jeder Beziehung weniger bequem, als der kleinere A. pentacanthus, welche beide im Mai geschlechtsreif werden. Da die Larven beider Arten farblos und durchsichtig sind, so lässt sich schon Manches an lebenden Objekten verfolgen, was gerade in den Fragen, wo es sich um bewegliche Zellen handelt, von großem Vortheil ist. Indessen ist auch die Untersuchung konservirter Larven für die feineren Verhältnisse durchaus unentbehr- lich. Zu diesem Zwecke habe ich die Larven mit einem Tropfen einer halbprocentigen Lösung von Osmiumsäure behandelt (Osmiumdämpfe sind in diesem Falle fast ganz unbrauchbar), färbte sie dann in verdünn- tem Pikrokarmin und legte sie schließlich in Glycerin ein. Die Balsam- präparaie sind weniger gut und die Schnitte, die man namentlich von den Larven des A. aurantiacus erhalten kann, sind in so fern unbrauch- bar, als die, eine ganz dünne Lamelle zusammensetzenden Zellen, sich leicht verschieben und dadurch die natürlichen Verhältnisse maskiren. Die künstliche Befruchtung muss bei A. pentacanthus möglichst noch Vormittags vorgenommen werden, da die Bildung von Wanderzellen 27 bis 30 Stunden darauf beginnt; bei A. aurantiacus dauert die Entwick- lung viel länger, so dass man erst ungefähr 48 Stunden nach der Herausnahme der Eier das betreffende Stadium vorfindet. Das Sperma kann zu gleicher Zeit mit den Eiern in die Schale geworfen werden und man braucht dazu nicht abzuwarten, bis etwa die Richtungskörper- chen ausgestoßen werden. Es bildet sich nach der Dotterzerklüfiung eine eigenthümliche, mehr- fach gefaltete Blastula, welche allmählich die Eihaut auszieht, um sich dann abzurunden und die gewöhnliche Blasenform anzunehmen. Solche gefalteten Blastulae, welche bei beiden Astropektenarten ganz regelmäßig und normal erscheinen, gleichen vollkommen den von For! bei Asterias welche man solche Thiere hätte erbeuten können, welche man nicht selbst fischen kann. 1 Recherches sur la fecondation. 1879. p. 202ff. Taf, IV, Fig. 7. Vergleichend-embryologische Studien. 661 glacialis gefundenen Monstruositäten, die er als »polygastrees« bezeich- net. Auch bei Astropekten bilden sich dabei nicht nur gewöhnliche Fal- tungen, sondern sackartige Vertiefungen, ganz nach Art einer Gastru- lation; nur haben diese Bildungen freilich nichts mit der letzteren gemein, zumal sie auch zu einer ganz anderen Zeit entstehen. Die Falten sowohl als die eingestülpten Säcke gleichen sich allmählich aus und man be- kommt, wie ich sagte, eine reguläre blasenförmige Blastula, welche sich dabei stark vergrößert. Nur in Ausnahmefällen, bei monströsen Larven, bleiben einige Säcke bestehen ; sie verlängern sich dann und verbinden sich kanalartig, so dass man bisweilen eigenthümliche Bipinnarien erhält, bei welchen ein durch mehrfache Öffnungen nach außen mündendes Kanalsystem, ähnlich wie bei einigen Spongien, zu beobachten ist. Die Gastrulation erfolgt in einer ganz ähnlichen Weise, wie es bereits vor über zwanzig Jahren von Ar. Acassız! für Asteracanthion dargestellt worden ist. Die ursprünglich cylindrischen Zellen des invaginirten Ur- darms verflachen sich am blindsackartigen inneren Ende desselben, so dass wir ein kolbenförmiges Entoderm erhalten, an welchem eine aus plattem Epithel zusammengesetzte Blase und ein aus cylindrischen Zellen bestehender Hals zu unterscheiden sind. Indem sich die Epithelzellen der Blase allmählich noch mehr verflachen, fangen einige von ihnen an kurze pseudopodienartige Fortsätze auszustrecken (Fig. 44). Bald geht diese Erscheinung auch auf mehrere Zellen der Blase über, wobei jedoch dieselben ihre ursprünglichen Beziehungen zu benachbarten Elementen vollkommen behalten. Setzt man zum Präparat rasch einen Tropfen Osmiumsäure hinzu, so ziehen sich die Pseudo- podien ein und man erhält ein Bild, wie es das vorhergehende Stadium repräsentirte. Erst etwas später wird die Pseudopodienbildung zu einer dauernden Erscheinung ; dann aber bleiben die Epithelzellen nicht mehr lange in ihrer ursprünglichen Verbindung mit ihren Nachbarinnen, sondern ziehen sich allmählich aus dem Verbande los, um die ersten Wanderzellen darzustellen. Es treten gewöhnlich mehrere: 4, 5 und "noch mehr Zellen aus der Epithelblase zu gleicher Zeit heraus, so dass es mir trotz langen Suchens nicht gelang ein Stadium mit nur zwei Wan- derzellen aufzufinden. Von dem Beginne der Mesodermbildung an findet man an mehreren Punkten der Blasenoberfläche amöboid gewordene Zellen, welche sich mehr oder weniger von dem Epithel abgelöst haben, wobei aber auch ganz ausgetretene Wanderzellen noch längere Zeit dicht neben der Blase liegen (Fig. 45—47). Die Kerne solcher Zellen befinden sich in der Regel in ruhendem Zustande und noch nie habe ich ein Bild 1 Embryology of the Starfish. 4864. Neu abgedruckt in: North american Star- fishes. 1877. Taf. I, Fig. 24—28. 662 Ä Elias Metschnikoff, gesehen, welches darauf hinwies, dass die auswandernden Zellen durch Theilung der ruhenden unmittelbar hervorgegangen wären. Bisweilen sieht man (wie auf Fig. 46), dass eine Mesodermzelle durch Pseudo- podien mit einer Epithelzelle der Blase in Verbindung steht, indessen er- laubt die Gestalt des Kernes noch nicht daraus auf einen Theilungsakt zurückzuschließen. Da man bei Untersuchung von Fragen, wo amöboide Elemente eine wichtige Rolle spielen, nur dann beruhigt sein kann, wenn man den Vorgang an einer und derselben Zelle verfolgt hat, so habe ich mehrmals den ganzen Process der Auswanderung an lebenden Objekten beobachtet. Die Fig. 4#8—51 stellen uns vier Zustände einiger Blasenzellen dar, von welchen die Zelle « im Laufe einer halben Stunde sich von benachbarten Elementen abgelöst hat und aus einer Epithelzelle zu einer Wanderzelle geworden ist. Oft dauert der Process länger und einige Malehabeich gesehen, dass Zellen, welche angefangen hatten, Pseu- dopodien auszustrecken, anstattauszuwandern, ihre Fortsätze einzogen und in den ursprünglichen Zustand übergingen. Um sich einen Begriff über das Fortschreiten des Auswanderungsprocesses zu bilden, können die Fig. 52—54 dienen, von welchen die beiden ersteren nach dem Leben, die Fig. 54 nach der Behandlung mit 0,5°/,iger Osmiumsäure entworfen sind. Während man auf der Fig. 52 nur Pseudopodien tragende Zellen findet, sieht man auf dem optischen Schnitte der Fig. 53, welche zwei Stunden später angefertigt wurde, einige fast ganz ausgetretene und eine vollständig abgelöste Zelle (a). Kurze Zeit darauf hat sich die Zahl der ausgetretenen Wanderzellen noch um drei neue vermehrt. Wäh- rend sich die zuerst abgelösten Zellen von der Epithelblase weiter ent- fernen, dauert die Auswanderung neuer Mesodermelemente fort (Fig. 55, 56). Dass die Bildung neuer Wanderzellen zum größten Theil durch neue Emigranten und nicht durch Theilung der vorher ausgetretenen Mesodermelemente erfolgt, kann man sowohl an lebenden, als noch besser an präparirten Larven sehen. Die in Theilung begriffenen Wan- derzellen sind während der betreffenden Stadien der Mesodermbildung überhaupt äußerst selten, während dagegen der ruhende Zustand des Kernes sowohl der bereits emigrirten, als der in Auswanderung begrif- fenen Zellen eine allgemeine Regel ist. Die Zellentheilung habe ich vor- zugsweise an solchen Epithelzellen wahrgenommen, welche ihre Platten- form behalten (Fig. 56 a, b) und sich vermehren, um die durch Aus- wanderung gebildeten Lücken auszufüllen. Gewöhnlich halten die beiden Processe gleichen Schritt, so dass die Epithelblase im Ganzen ihre Inte- grität behält (in der Regel verflacht sie sich nicht unbedeutend); in einigen Fällen nimmt dagegen die Emigration so überhand, dass am oberen Ende der Blase eine mehr oder weniger beträchtliche Lücke entsteht, welche 20 due "re fee re u. iu ne in Zu ee ee | 1° | \ Vergleichend-embryologische Studien. 665 erst in späteren Stadien zugelöthet wird. Solche scheinbar missbildete Larven bilden schließlich doch ebenfalls ganz normale Bipinnarien. Die Mesodermbildung schreitet auch bei der Weiterentwicklung der Larven in gleichar Weise fort, obwohl sie sich allmählich verlangsamt. Zu der Zeit, in welcher sich die Goelomsäcke! gebildet haben, hört die Auswanderung neuer Zellen auf, während die Epithelzellen noch lange amöboide Fortsätze absenden. Die von mir geschilderten Vorgänge habe ich sowohl bei den Larven von A. pentacanthus, als auch an denen von A. aurantiacus in überein- stimmender Weise beobachtet. Die Erscheinungen, die ich an künstlich gezogenen Larven wahrnahm, stimmten auch vollständig mit denjenigen überein, welche ich an frisch pelagisch gefangenen Bipinnarien beobach- tete. Auch habe ich mehrmals aus Individuen, an denen ich die Meso- dermbildung verfolgte, ganz normale Bipinnarien bis zur Skelettbildung gezogen. Dies Alles führe ich an, um jeden Zweifel an dem normalen Ver- laufe der geschilderten Processe zu beseitigen. Die Erscheinungen bei Brachiolarien, so weit sie im Großen und Ganzen von anderen Forschern und auch von mir selbst verfolgt wurden, stimmen mit denen auf Bipin- naria bezogenen Angaben durchaus überein. Wie ich an einem anderen Orte ? mitgetheilt habe, stimmt die Astro- pektenlarve mit der von Jon. Mürrer 3 als Bipinnaria von Triest beschrie- benen Form überein. Es lässt sich freilich nicht genau bestimmen, welcher Art die Mürzer’sche Bipinnaria gehört, da die Larven von A. aurantiacus und A. pentacanthus bis auf die Größe einander sehr ähn- lich und auch nahezu gleich durchsichtig sind. 1 Beiläufig will ich hier bemerken, dass die Rolle dieser Bildungen bei der Er- zeugung von Wandungen der Leibeshöhle nicht von Ar. Acassız entdeckt wurde, welchem dieser Befund von den Gebrüdern Herrwıe (Coelomtheorie, p. 427) zuge- schrieben worden ist. Der verdiente amerikanische Forscher hat die Säcke schlecht- weg für Wassergefäßanlagen gehalten, und ich fand im Jahre 1868, dass sie auch die Wandungen der Leibeshöhle erzeugen, wobei ich in demselben Jahre die morpho- logische Parallele mit dem Gastrovascularapparate aufstellte (Bulletin de ’Acad. de St. Petersb. 1868. XIII. p. 285,298). Meine Präparate habe ich meinem guten Freunde A. KowALEvsky, mit dem ich in Messina zusammen wohnte, demonstrirt, und es ge- _ lang ihm bald darauf, den Befund auch auf die von ihm untersuchte Sagitta auszu- ‚dehnen. Da der Irrthum der Gebrüder Herrwıc auch in andere Schriften überge- gangen ist (z. B. WALDEvEr in: Deutsche med. Wochenschr. 1885. Nr. 18), so habe ich mich veranlasst gefunden, auf denselben aufmerksam zu machen. 2 Studien über die Entw. der Medusen und Siphonophoren. Diese Zeitschr. Bd. XXIV. 1874. p. 69. 3 Über die Larve und die Metamorphose der Echinodermen. Vierte Abhand- lung. 4852. p. 34 ff. 664 | Elias Metschnikoft, Von Ophiuriden habe ich nur Ophiothrix fragilis beobachtet, deren Lärven ich in Folge künstlicher Befruchtung aufzog. Leider sind sie für die Untersuchung der Mesodermbildung sehr unbequem, so dass ich nur sehr Weniges an ihnen sehen konnte. Im Ganzen stimmt die Bildung der Wanderzellen bei der genannten Art viel mehr mit dem entsprechen- den Vorgange bei Echiniden, zu dessen Schilderungiich nunmehr übergehe, Meine Untersuchungen sind wiederholt an künstlich befruchteten Eiern von Strongylocentrotus (Toxopneustes) lividus und Sphaerechinus granularis angestellt worden. Echinus microtuberculatus, dessen Ent- wicklung ich im Jahre 1880 beobachtete, habe ich seither nicht wieder untersucht. Übrigens ist die Bildung von Wanderzellen bei allen drei Arten eine sehr übereinstimmende. Außer lebenden Embryonen wurden noch solche untersucht, welche vorher mit Osmiumdämpfen behandelt und darauf mit verdünntem BrıLr’schen Karmin gefärbt waren. Um sich eine richtige Vorstellung von der Bildung der Wanderzellen bei Seeigeln zu machen, muss man mit noch jungen Blastulastadien an- fangen und besonders die Erscheinungen der Zelltheilungen berücksich- tigen. Ich kann die Angabe Serenka’s, dass »nachdem das Ei sich voll- ständig abgefurcht hat, sistirt die Weitertheilung der Zellen eine längere Zeit hindurch vollständig «! nicht bestätigen, indem ich auf allen Stadien einige in Theilung begriffene Zellen fand, obwohl die Anzahl derselben eine sehr verschiedene war. Die Zelle, die sich zur Theilung vorbereitet, erfährt, neben charakteristischen Veränderungen des Kerninhaltes, auch eine Umgestaltung ihrer gesammten Form: ihre freien Kontouren (Fig. 57 a) erscheinen gebogen, worauf die ganze Zelle sich abrundet und dabei merklich verkürzt (Fig. 58 a, 59 b). In Folge dieser Formver- änderungen zeichnet sich die sich theilende Zelle von den benachbarten cylindrischen Elementen schärfer aus und erscheint am Grunde einer kanalartigen Vertiefung gelegen; der Kern verwandelt sich dann in die Spindel, worauf sich die Zelle in der Richtung des Blastularadius theilt (Fig. 58 b). Je länger die benachbarten Zellen sind, desto tiefer und auffallender erscheint der Kanal, in welchem die zur Theilung bereite Zelle liegt; so wird auf der Fig. 59 die Zelle « viel eher die Aufmerk- samkeit des Beobachters auf sich ziehen, als die in einem gleichen Zu- stande befindliche Zelle 5. Wenn die sich theilende Zelle inmitten von stark verflachten Zellen liegt, so kann sie bei ungenauer Untersuchung ganz übersehen werden. Auf der anderen Seite wird das Auge des Be- obachters um so mehr gefesselt, als sich mehrere Zellen zugleich zur Theilung anschicken und als sie von möglichst langen benachbarten Ele- 1 Studien über die Entwicklungsgeschichte der Thiere. II. Die Keimblätter der Echinodermen. Wiesbaden 1883. p. 44. u | PR U en Vergleichend-embryologische Studien. 665 menten umgeben werden. Wenn eine zur Theilung sich vorbereitende Zelle sehr eng von anderen naheliegenden Zellen berührt wird, so kommt eine Kanalbildung zu Stande, wie es bei den Zellen a und b der Fig. 61 zu bemerken ist. An Präparaten, welche in oben beschriebener Weise angefertigt werden, erscheinen die rubenden Kerne homogen gefärbt (Fig. 64 a), während diejenigen, welche sich zur Theilung anschicken, durch ihr wasserklares Aussehen auffallen: sie erscheinen als saftige Bläschen mit suspendirten unregelmäßigen Flocken (Fig. 64 b): dann werden sie noch heller, wobei sich die Flocken dem Auge entziehen, und nehmen eine unregelmäßige, später eine verlängerte Gestalt an (Fig. 61 a, 64 c). In diesem Zustande fallen die in Theilung begriffenen Kerne sogar bei schwachen Vergrößerungen auf und sind desshalb ohne Mühe zu be- obachten. Die Gestaltveränderungen der Zelle, wie ich sie hier beschrie- ben habe, sind keineswegs eine specielle Eigenthümlichkeit der Echiniden; ich habe sie bei den Embryonen von Astropekten und auch sehr ver- breitet bei Medusen gefunden. Es wäre indessen verfehlt zu glauben, dass sie eine allgemeine Eigenschaft der cylindrischen Blastodermzellen ausmachen; so habe ich bei der Theilung der hoch ausgezogenen Ekto- dermzellen von Sagitta-Embryonen keine Zusammenziehung resp. Ab- rundung des Protoplasma gesehen. Nach dieser Abschweifung über einige Erscheinungen der Zell- tbeilung, gehe ich zur Betrachtung der der Bildung der Wanderzellen vorausgehenden Stadien über. Die Anfangs ganz gleichen cylindrischen Zellen des Blastoderms erfahren in so fern eine Veränderung, als sich die- jenigen der oberen Decke der Larve stark verflachen und eine kubische ‚oder noch mehr abgeplattete Form annehmen, während die Zellen des unte- ren Körpertheils noch mehr an Länge gewinnen. Darauf verbinden sich die letzteren mit ihren centralen Enden unter einander, so dass ein sehr feines protoplasmatisches Häutchen zu Stande kommt (Fig. 59 p). Das- selbe breitet sich allmählich auch auf die Zellen der benachbarten Kör- perabschnitte, in einigen Fällen bis auf die höchsten Dachzellen aus (Fig. 67,67 A). So bildet sich ein sehr eigenthümlicher Zellverband aus, welcher eine zu häufige Erscheinung ist, als dass man in ihm eine zu- fällige oder abnorme Erscheinung erblicken könnte. Die zur Theilung 1 Man bezeichnet gewöhnlich die Entwicklungsstadien nach der seit der künst- lichen Befruchtung abgelaufenen Zeit; indessen hängt die letztere zu sehr von äußeren Bedingungen ab. So fing die Wanderzellenbildung bei Strong. lividus im _ December, wo die Temperatur in meinem, am Hausdache situirten Laboratorium in Tanger oft bis 80R. herunterfiel, erst 30 Stunden nach derBefruchtung an, wahrend sie bei derselben Art im April in Villafranca bereits 14 Stunden nach der Befruch- tung erfolgte. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 44 666 2 Elias Metschnikoft, umgestialteten Zellen nehmen an ihm keinen Antheil, so wenig wie die Anlage des Meso-Entoderms, so dass es am unteren Larventheil zur Bil- dung eines feinen Kranzes (Fig. 59, 65, 67 A) kommt, welcher durch das Zusammenfließen der Verbindungsfäden dargestellt wird. So häufig diese Erscheinung zu beobachten ist, so findet man trotzdem auch ganz normale Larven, bei denen es zur Bildung eines so stark entwickelten Zellverbandes nicht kommt. Die Zelltheilung in den Stadien, welche der Bildung von Wander- zellen vorausgehen, ist vielen individuellen Schwankungen unterworfen. Manchmal ist sie vorzugsweise am unteren Larvenende koncentrirt, in vielen Fällen ist sie dagegen regelmäßiger durch das ganze Blastoderm verbreitet; bisweilen ist sie gerade am unteren Pole am wenigsten vor- handen. Wenn gleichzeitig mehrere Zellen des unteren Larventheiles sich zur Theilung anschicken, so bekommt man eine große Vertiefung, deren Boden mit verkürzten Zellen austapezirt ist, während die Ränder | oft durch die hohen mit einander verbundenen ruhenden Zellen gebildet | werden (Fig. 65). Um eine bessere Einsicht in solche Zustände zu ge- | winnen, müssen die betreffenden Larven nicht allein in optischen Längs- schnitten, sondern auch von oben und namentlich von unten betrachtet ' werden. Im letzteren Falle sieht man (Fig. 66), dass die verkürzten | Zellen unregelmäßig neben einander liegen und ihre ursprüngliche An- ordnung mehr oder weniger vollständig behalten. Durch die Behandlung | mit Osmiumsäure gehen die Verbindungsfäden häufig verloren (Fig. 63), | die Beschaffenheit der Kerne, so wie die Vertheilung der Zellen lassen | sich dabei aber noch besser untersuchen (Fig. 64—6A). Auf diesen | Stadien kann man bereits wahrnehmen, dass einige wenige Zellen (Fig. ' 63, 64) sich tiefer in die Furchungshöhle begeben, aber noch ihren An- | theil an der Bildung der Blastodermwandung behalten. Bei Beobachtung ' lebender Larven gelingt es zu sehen, dass diese Erscheinung auf amö- | boider Bewegung beruht, vermittels welcher einige oder mehrere Zellen sich allmählich in die Furchungshöhle begeben. Während der größte Theil des Zellinhaltes mit in ihm eingeschlossenen Kernen bereits seinen " ursprünglichen Aufenthaltsort verlassen hat, bleibt die Zelle mit dem! letzteren noch durch einen dünnen Stiel in Verbindung (Fig. 67, 70— 7%), ! seinen Ursprung damit deutlich bekundend. Um sich über den letzteren | gut zu unterrichten, muss man die mit Osmiumsäure behandelten Larven von unten betrachten, wobei man zwischen den gewöhnlichen polygo-! nalen Blastodermzellen an verschiedenen Punkten kleine zum Theil eben- falls polygonale, zum Theil abgerundete protoplasmatische Figuren sieht, welche bei genauerer Untersuchung sich als Anheftungspunkte der Zellen-" stiele erweisen (Fig. 73). Bei Beobachtung mehrerer solcher Stadien Vergleichend-embryologische Studien. 667 kann man sich leicht davon überzeugen, dass die individuellen Merkmale sehr bedeutend sind und dass im Ganzen eine Regelmäßigkeit in der An- ordnung gestielter Zellen nicht vorhanden ist. Längere Zeit glaubte ich, dass zur Erregung der Wanderzellen eine vorherige Bildung einer großen Vertiefung mit einer regen Zellvermehrung am unteren Larventheile un- umgänglich nothwendig ist; indessen beobachtete ich später ganze Serien von durchaus normal verlaufenden Stadien, wo die Zellvermehrung hauptsächlich an seitlichen Köpertheilen erfolgte (Fig. 70), wo gerade am unteren Pole nur ruhende Kerne zu sehen waren und wo trotzdem eine energische Bildung von Wanderzellen stattfand. In einigen Fällen beginnt die Mesodermbildung durch das Einwan- dern von nur einer einzigen Zelle in die Furchungshöhle (Fig. 69); ge- wöhnlich aber sammeln sich erst mehrere vom Blastoderm abgelöste Zellen in einen Haufen an (Fig. 70, 74), um dann partienweise in die Furchungshöhle einzutreten. In den Fällen, wo die Wanderzellenbildung rasch und überhaupt intensiv verläuft, fällt fast gleichzeitig ein ganzer Haufen solcher Zellen in die Furchungshöhle hinein, wobei am Boden des Blastoderms Lücken entstehen und es den Anschein hat, als ob sämmtliche Zellen des unteren Larventheiles zur Mesodermbildung ver- braucht werden. Indessen lehrt die weitere Beobachtung, dass auch hier ein Theil der am Boden befindlichen Zellen seinen Ort behält, um, unter einer Formverlängerung, die Elemente der sich einstülpenden Anlage des Entoderms zu bilden (Fig. 7%, 75). Sowohl zur Zeit der Einwanderung, als auch nach geschehener Bil- dung der Mesodermanlage liegen die Wanderzellen in Form einer unregel- mäßigen Gruppe oder eines größeren Haufens, ohne die früher von SELEnkA behauptete symmetrische Anordnung zu zeigen. In Fig. 76 habe ich sämmtliche Wanderzellen einer Larve von Sphaerechinus granularis von oben abgebildet, wobei man die Anordnung der Zellen überblicken und zugleich auch sich von der Thatsache überzeugen kann, dass die meisten Kerne sich im Ruhezustande befinden. Meine Beobachtungen haben mir gezeigt, dass auch hier die Zunahme an Zahl der Wander- zellen zum großen Theil durch Einwanderung neuer Elemente beruht. Wenn wir das Mitgetheilte über die Entstehung der Wanderzellen bei Echiniden überblicken, so sehen wir, dass sich dieser Entwicklungs- vorgang auf Einwanderung ganzer Zellen des unteren Blastoderm- abschnittes in die Furchungshöhle reducirt, wobei eine besondere Regel- mäßigkeit oder symmetrische Anordnung der Mesodermelemente nicht stattfindet. Vor der Auswanderung oder auch zugleich ‚mit ihr findet _ eine Zellvermehrung statt, welche den Zellenverlust des Blastoderms er- Setzt und welche nur mittelbar mit der Mesodermbildung verbunden ist. 4A* 668 Elias Metschnikofl, Eine solche Bildungsweise unterscheidet sich von den Vorgängen bei den Asteriden nur in untergeordneten Punkten. So geschieht die Auswande- rung bei den Echiniden früher als bei Asteriden; während sie bei den letzteren aus den abgeplatteten Zellen des blinden Endes des Inva- ginationssackes erfolgt, wandern bei den Echiniden ceylindrische oder kubische Zellen der gemeinschaftlichen Meso-Entodermanlage aus. Diese frühzeitige Diflerenzirung steht offenbar mit der skelettbildenden Rolle der Wanderzellen im Zusammenhange, da sie auch bei Ophiuridenlarven vorkommt. Während die geschilderte Entwicklung der Wanderzellen bei Echi- niden leicht mit den entsprechenden Erscheinungen bei Asteriden har- monirt und auch mit den von mir in früheren Arbeiten mitgetheilten Angaben übereinstimmt, lässt sie sich nicht mit den Ansichten von SELENkA vereinigen. Wenn wir die Beschreibung und Abbildung des ge- nannten Forschers konsultiren, so können wir uns leicht davon überzeugen, dass vonihm die Theilungserscheinungen der Zellen mit der Mesodermbil- dung ohne Weiteres zusammengeworfen sind. Die abgekürzten, mit gro- Ben, körnchenreichen Kernen gezeichneten Zellen der Fig. 22—25 und 46 bis 48 M sind nach dem oben Geschilderten als sich zur Theilung vor- bereitende Zellen in Anspruch zu nehmen. Da diese Zelltheilungen, wie ich oben zeigte, sehr mannigfaltig sind, so kann es auch solche Indi- viduen geben, wo sich entweder eine Zelle so eben in zwei neue getheilt hat (Fig. 60 a) und andere, wo sich gleichzeitig zwei Zellen zur Theilung vorbereitet haben (wie z. B. die Fig. 22, 23, 26 bei Serenka). In beiden Fällen erhalten wir Larven mit jezweiam unteren Pole liegenden auffallen- den Zellen; die nähere Untersuchung erlaubt uns nur nicht daraus sofort auf eine zweizellige Mesodermanlage zu schließen. Wenn aber solche Larven mit zwei Zellen in der Wirklichkeit vorkommen, kann ich nicht das Gleiche über Stadien mitzwei Mesenchymstreifen sagen. So oft ich die Sache nachuntersucht habe und so verschieden sich die individuelle Grup- pirung der zur Theilung bereiten Zellen am unteren Pole offenbarte, so habe ich doch, bei Beobachtung der Larven von unten, nie eine sireifen- artige Gruppirung der betreffenden Zellen gefunden. Außer den auf Fig. 62, 64, 66, 68, 73 abgebildeten Individuen habe ich noch mehrere andere mit dem Prisma abgezeichnet, wo jede Zelle des Untergrundes nach der Natur eingetragen wurde, und nicht ein einziges Mal ist mir eine regelmäßige, etwa streifenartige Anordnung begegnet. Übrigens giebt auch SeıenkA keine Abbildung, auf welcher die Mesenchymstreifen zu sehen wären; denn seine Fig. 47 und 48 stellen nur zwei optische Längsschnitte durch die vermeintlichen Streifen dar und auf der Fig. 26 sind auf einem optischen Längsschnitte »alle Zellen, welche die beiden Vergleichend-embryologische Studien. 669 Mesenchymstreifen bilden, eingetragen«, das Bild ist folglich schema- tisirt. Ansichten der Mesenchymstreifen von unten, welche allein beweis- kräftig wären, finden wir bei SeL£nkA überhaupt nicht. Das Verhältnis der verkürzten Zellen zur Zelltheilung ist SELEnkA entgangen, wie man überhaupt auf seinen Abbildungen, wo doch mehrere Hunderte von Zellen mit Kernen wiedergegeben sind, nicht eine einzige in Theilung begriffen sieht; und wenn im Texte über die Theilung der Urmesenchym- zellen geredet wird (wie z. B. p. 44, 45), so scheint es nicht auf direkten Beobachtungen, welche durch die genauere Erforschung der Kernverän- derungen in den letzten Jahren so erleichtert worden sind, sondern auf bloßen Deduktionen zu beruhen. Überhaupt hat SeLenka den eigentlichen Process der Wanderzellbildung aus birnförmigen, später gestielten Blasto- dermzellen nicht gesehen, wie ja auch seine Abbildungen darauf hin- weisen, dass ihm dieses Stadium entgangen ist. So ist der Sprung zwischen seiner Fig. 48, mit dem aus zehn großen Zellen zusammen- gesetzten Sog. Mesenchymstreifen und der zunächst darauf folgenden Fig. 49, wo circa dreißig kleine pillenförmige Elemente bereits in der Furchungshöhle vom Blastoderm scharf abgetrennt liegen, ein zu großer, als dass man die beiden Stadien auf deduktivem Wege verbinden dürfte. Wenn die Angaben SeLenka’s über die Mesenchymbildung der Echi- niden, welche verhältnismäßig noch am genauesten untersucht wurden, nicht stichhaltig sind, so lässt sich das in einem noch höheren Grade in Bezug auf andere, von ihm nur berührten Echinodermen behaupten. So sagt er im Texte, »dass die Bildung der beiden Urzellen des Mesenchyms bei den Ophiuriden in der gleichen Art wie bei den Echiniden erfolgt« (p. 45), wobei er sich auf seine Fig. 63 bezieht, auf welcher indessen eine in der Furchungshöhle frei liegende runde Zelle m und zwei stark in diese Höhle hervorragende Cylinderzellen, also im Ganzen drei Wanr- derzellen vorliegen. Gegen die Vermuthung, dass die überflüssige dritte Zelle nicht unabhängig, sondern durch Theilung einer der beiden anderen hervorgegangen ist, spricht der in den letzteren gezeichnete ruhende Kern. Seine Befunde bei den Synaptalarven sucht Sezxnka ebenfalls im Sinne der Zweizelligkeitslehre zu deuten. So hält er vauf der Spitze des Urdarmes zwei vorspringende Zellen« für »nichts Anderes«.... »als die zwei Urzellen des Mesenchymsc«. »Dergleichen Larven mit zwei isolirten Mesenchymzellen habe ich — sagt Srrenkı weiter — später noch öfters gefunden, woraus ich schließe, dass die Weitervermehrung der beiden Urzellen des Mesenchyms erst mehrere Stunden nach ihrer Abschnürung vom Urdarme erfolgt« (p. 46). Es wird hier also von der Bedeutung der beiden ersten Wanderzellen als Urmesenchymzellen, 670 Elias Metschnikoff, so wie von ibrer Weitervermehrung, als von etwas ganz Selbstverständ- lichem und Unzweifelhaftem geredet, als ob diese Behauptungen nicht durch unmittelbare Beobachtungen zu kontrolliren wären. Einen gewissen Aufschluss hätte schon die auf der Fig. 83 von Sezenka abgebildete Larve liefern können, wenn er die als fünf konfuse Flecken gezeichneten Mesen- chymzellen genauer untersucht hätte. Dass die thatsächlichen Verhält- nisse bei Synapta den Ansichten von SELENKA nicht entsprechen, kann man sogar aus seinen eigenen Angaben vermuthungsweise erschließen. So sagte er: »Man trifft nicht selten Larven, bei welchen das freie Ende des Urdarms ganz unregelmäßig kontourirt oder wie mit sternförmigen Zellen besetzt erscheint; solche Bildungen halte ich für pathologisch, eben so die zuweilen vorkommende rapide Vermehrung der Mesenchym- zellen« (p. 46). Solche Larven erinnern sehr an junge oben beschrie- bene Bipinnarien mit vielen Wanderzellen, wie auch überhaupt die Bildung dieser Zellen bei Auricularien eine größere Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Vorgange bei Asteriden aufweist. Wenn SeELEnkA die betreffenden Stadien für pathologische Zustände erklärt, so bleibt er auch diesmal den Beweis schuldig, welcher ebenfalls nicht schwer beizu- bringen wäre. Der Umstand aber, dass er im Auftriebe (denn er hat die jungen Auricularien durch pelagische Fischerei erbeutet) »nicht selten « solche Stadien auffand, spricht entschieden gegen die Behauptung SELENKA’S. Die Wanderzellen der Echinodermen, so weit sie durch die Entwick- lung der Asteriden und Echiniden aufgeklärt werden, erscheinen als Zellen, welche sich entweder vom Entoderm, oder vom dasselbe liefern- den Blastodermabschnitte ablösen und in die Furchungshöhle übergehen, um dort verschiedene Rollen zu erfüllen. Diese Entwicklungsweise stimmt mit den Verhältnissen bei erwachsenen Spongien, wo ebenfalls Mesodermzellen aus dem Entoderm auswandern, überein und auch die Mesodermbildung bei Rhopalonema und Acalephen, so weit ich dieselbe kenne, schließt sich an denselben Modus an. So erweist sich die Wan- derzellenbildung bei Echinodermen als ein verhältnismäßig niedrig stehender Vorgang, welcher eine tiefere Stufe einnimmt, als die oben be- schriebene Mesodermbildung der Gtenophoren. Wenn wir die Thatsachen über die Mesodermbildung bei niederen Metazoen, wie Spongien, Coelenteraten und Echinodermen überblicken, so können wir uns überzeugen, dass die Zweizelligkeitslehre für diese Stämme keine Anwendung findet. Da diese Theorie noch am meisten auf einige höhere Metazoen passt, so kann man vermuthen, dass die zwei- zellige Anlage des Mesoderms als Ausdruck einer frühzeitigen Differen- B 7, Vergleichend-embryologische Studien. | 671 zirung aufgetreten ist, wie es auch Fälle giebt, wo das Mesoderm bereits in Form einer einzigen Zelle erscheint. Während eine solche Koncentra- tion, nebst einer immer vorzeitigeren Differenzirung somit als später er- worbene Eigenthümlichkeiten der embryonalen Entwicklung anzusehen sind, kann man in der Bildungsweise durch Auswanderung amöboider Zellen eher einen ursprünglichen Charakter erblicken. Die letzte An- nahme stimmt auch mit der Rolle der Wanderzellen überein, welche doch am konstantesten als Phagocyten auftreten, d. h. diejenige Funk- tion behalten, welche sie in einem so starken Maße bei den niedersten Metazoen — den Spongien — ausüben. Smela (Prov. Kiew), Juni 1885. Erklärung der Abbildungen. Tafel X R Vergleichend-embryologische Studien. 675 Fig. 54. Derselbe Blindsack, eine halbe Stunde später, nach Behandlung mit 0,5procentiger Osmiumsäure. a, b, c, d, abgelöste Wanderzellen. Fig. 55. Ein weiteres Stadium aus derselben Serie mit 15—16 freien Wander- zellen. Osmiumsäure 0,50/,. Pikrokarmin + Bsane'sches Glycerin. 3 + 4. Fig. 56. Der Blindsack mit einigen freien Wanderzellen derselben Larve. 2-+9. Fig. 57. Eine Blastula von Strongylocentrotus, nach dem Leben gezeichnet. a, b, sich zur Theilung vorbereitende Zellen. 2 + 9. Fig. 58. Dieselbe Blastula zehn Minuten später, a und 5b repräsentiren dieselben Zellen wie auf der vorhergehenden Figur. Fig. 59. Eine weiter entwickelte Blastula (die Flimmerhaare sind weggelassen), a, b, Zellen mit Kerntheilung;; p, Protoplasmahäutchen. Fig. 60. Der untere Theil desselben Embryo, zehn Minuten später. Die Zelle a hat sich bereits getheilt. 2 + 9. Fig, 64. Eine jüngere Blastula mit mehreren sich theilenden Zellen, a, b, sich zur Theilung vorbereitende Zellen, welche mit keinem Kanal in Verbindung stehen ; c, d, e, drei in Theilung begriffene Zellen. Osmiumdämpfe. BraAre'sches Karmin., Glycerin. 2 + 9. Fig. 62. Die unteren Zellen desselben Embryo von der Fläche gesehen. c,d, e bezeichnen dieselben Zellen wie in-der Fig. 64. 3 +9. Fig. 63. Eineähnliche Blastula. Dieseibe Behandlung wie bei der Fig.61. 2+-9. Fig. 64. Die unteren Zellen derselben Blastula von der Fläche. a, Zellen mit rühendem Kerne; b, solche mit zur Theilung bereiten Kernen; c, eine Zelle mit ver- längertem Kerne. 4 + 9. Fig. 65. Eine Blastula mit einer starken Vertiefung am unteren Ende. Nach dem Leben gezeichnet. 3 + 7. Fig. 66. Dieselbe von unten. 3 +7. Fig. 67. Eine Blastula von Sphaerechinus granularis im Moment der Auswan- derung der ersten sieben Mesodermzellen. Essigsäurepräparat. 2 +7. Fig. 67 A. Dieselbe von unten, 2 +7. Fig. 68. Die unteren Zellen einer Blastula desselben Seeigels vor der Auswan- derung. Essigsäurepräparat. 3 + 9. Fig. 69. Eine Blastula von Strongylocentrotus lividus' mit nur einer Wander- zelle. Nach dem Leben gezeichnet. 2 + 9. Fig. 70. Eine ältere Blastula derselben Species. Nach dem Leben gezeichnet. 2 +9. Fig. 74. Der untere Theil eines ähnlichen Stadiums, ebenfalls nach dem Leben entworfen. 2 +9. Fig. 72.. Der untere Theil eines ähnlichen Stadiums. Osmiumdämpfe. BEALE- sches Karmin, Glycerin. 2 +9. Fig. 73. Derselbe von unten betrachtet. 2 + 9. Fig. 74. Ein Stadium mit einer sehr intensiven Mesodermbildung. Osmium- dämpfe. 2+ 9. Fig. 75. Eine Larve im Anfange der Gastrulation. Osmiumdämpfe. 2 +9. Fig. 76. Ein Haufen Wanderzellen aus einer Larve von Sphaerechinus granu- laris. Osmiumdämpfe. Brare’sches Karmin. 3 + 9. In den Figuren 45, 55, 59—75 sind die Wimperhaare weggelassen. Das Geschmacksorgan der Insekten. Von F. Will in Erlangen. Mit Tafel XXVIl. Einleitung. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Geschmackssinne der Arthropoden, speciell dem der Insekten, und soll die Beantwortung zweier Hauptfragen versuchen : 1) Haben die Insekten einen Geschmackssinn und welche Rolle spielt er im Kampfe ums Dasein ? 2) Welchen Bau haben die etwaigen vermittelnden peripherischen Endorgane? Der Geschmackssinn der Arthropoden hat bisher bei den Forschern verhältnismäßig wenig Beachtung gefunden. Bei den älteren Autoren findet sich kaum mehr als die flüchtige Andeutung, dass wahrscheinlich .auch bei den Gliederthieren ein Ge- schmackssinn vorhanden sei, und dass, da bei dem Zustandekommen einer Geschmacksempfindung eine direkte Berührung zwischen der auf- genommenen Nahrung und. dem betreffenden peripherischen Endorgan vorausgesetzt werden müsste, auch die Geschmacksorgane in oder wenig- stens an den Mundtheilen gelegen seien, Vermuthungen, die jeder weite- ren experimentellen oder anatomisch nachgewiesenen Unterlage ent- behrien, die mich desshalb auch weiter nicht beschäftigen sollen. Erst 1860 beschrieb Mzınerr ! eine Reihe von Chitinkanälchen an den Maxillen und dem Grunde der Zunge bei Ameisen, die ihm mit Gan- glienzellen und durch diese mit dem Nervensystem in Verbindung zu stehen schienen. Er deutet diese Gebilde als Sinnesorgane, versieht aber die beigefügte Bezeichnung » Geschmack « mit einem Fragezeichen. 1 Fr. MEINERT, Bidrag til de danske Myrers Naturhistorie. Kjebenhavn 1869. p. 6 et 66. Das Geschmacksorgan der Insekten. 675 - ForeL, der ausgezeichnete Formicidenkenner und exakte Forscher, bestätigt 187% die Beobachtung Meınerr's und fügt hinzu, dass er auch an der Spitze der Zunge von Formica pratensis © jederseits eine Reihe von sieben solcher Chitinröhrchen gefunden habe; er erkennt in der Cuticula eine zu jedem Röhrchen gehörige mehr oder weniger runde Öff- nung und stark lichtbrechende Nervenfäden, die sich nach rückwärts in einer (vielleicht) ganglionären Masse vereinigen. Auch er ist der An- sicht, dass hier möglicherweise Geschmacksorgane vorliegen könnten. Ferner führt er als das Ergebnis einer Reihe von Experimenten an, dass Ameisen erfahrungsgemäß einen ausgeprägten Geschmackssinn besitzen, Honig über Alles lieben, indess solchen, der mit Bitterstoffen (Morphium, Strychnin) vermischt ist, sogleich verlassen. Der Autor, der eine Beob- achtungserfahrung bei dieser Insektenfamilie hat, wie kaum ein anderer Forscher vor ihm, sagt: »Les fourmis sont gourmandes! « Worr 2 giebt in seiner »vielbesprochenen« Arbeit: das Riechorgan der Biene (1875) eine kurze Beschreibung der Geschmacksbecher bei diesem Insekt. Nach seiner Beobachtung liegen auf der herzförmigen Platte an der Zungenwurzel (dem Hypopharynx) beiderseits Gruppen von je 25 Grübchen, in deren jedes ein ziemlich dicker Nerv einmündet, der seiner- seits mit dem großen Zungennerv in Verbindung steht. Durch die Neben- zungen wird um die Zungenwurzel ein Hohlraum geschaffen, ein Behält- nis für den Zungenspeichel, der für das Zustandekommen einer Ge- schmacksempfindung unbedingt nöthig ist. G. Josepn ? ist wohl der Erste, der sich speciell mit dem Geschmacks- organ der Insekten und dessen »Morphologie«(?) beschäftigt hat. In einem auf der Naturforscherversammlung in München (1877) gehaltenen Vortrage, der leider anscheinend nicht ausführlich im Drucke erschienen ist, führt der Genannte Folgendes aus. Bei fast allen Insektenordnungen, besonders aber bei den pflanzen- fressenden, finden sich an der Zungenbasis, der Schlundregion und dem Gaumen Näpfchen vor, die als Geschmacksorgane zu bezeichnen sind. Am Grunde dieser Geschmacksnäpfchen erscheint eine feine Membran, die obere Wand eines zarten dünnwandigen Bläschens, das mit einem Stift am oberen Ende in die Mundhöhle hineinragt, während es hasal sich in ein Nervengeflecht verliert. Der Inhalt das Bläschens ist wasser- 1 Auc. ForeL, Les Fourmis de la Suisse. Bäle 1874. p. 447 et 124, 2 C.J.B. WorLr, Das Riechorgan der Biene. Nova Acta der Ksl. Leop. Carol. deutschen Akademie der Naturf. Bd. XXXVII, Nr.i. 1875. p. 92—95 u. 4176—180. 3 Gust.JosEr#, Zur Morphologie des Geschmacksorganes beiInsekten. Amtlicher Bericht der 50. Versammlung deutscher Naturforscher u. Ärzte in München. 1877. p. 227— 228, 676 F, Will, helle Protoplasmamasse, die bei Betupfung mit indifferenten Bitterstoffen bläulich und nach Berührung mit schwacher Salzlösung vorübergehend gelbgrün leuchtet. Die Reaktion tritt jedoch nur beim lebenden Insekt ein. Die Schmecknäpfchen sind sparsamer bei Raubinsekten und omnivoren Dipteren vorhanden, finden sich jedoch häufiger bei Schmetterlingen und bei deren Raupen, am reichsten sind die anthophilen Hymenopteren damit ausgestattet; sie finden sich bei Bienen und Hummeln nicht nur an der Basis, den Seiten und der Spitze des Saugrüssels, dem Schlundeingange und den Wangen, sondern ganz besonders zahlreich und ausgeprägt an der Hinterfläche eines blattförmigen, beweglichen, frei in die Mundhöhle hineinragenden und dem Gaumensegel der Wirbelthiere vergleichbaren Gebilde, dem Worr'schen Geruchsorgan. PAGENSTECHER ! vermuthet an der becherförmig eingedrückten End- fläche der Unterkiefertaster bei Scolopendra »geschmackspereipirende « Organe, ohne dies jedoch zu begründen. ForeL ?2 wendet sich auf Grund von Experimenten gelegentlich gegen Worır und weist die Unrichtigkeit der Worr’schen Schlussfolgerung nach, dass dessen bei der Biene entdecktes » Riechorgan « unmöglich ein Ge- ruchsorgan sein kann, pflichtet vielmehr der Ansicht Josepu’s bei, dass dasselbe möglicherweise zur Vermittelung der Geschmacksempfindung diene. Hrxrey 3 (4884) meint, dass der Krebs auch etwas dem Geschmacks- sinn »Analoges« besitze und dass der muthmaßliche Sitz des Organes dieser Funktion in der Oberlippe und dem Metastom zu suchen sei, allein wenn das Organ existirt, besitzt es keine Eigenthümlichkeiten im Bau, dass man es als solches erkennen kann. KünkeL und GazaGnAalrE ® (A881) untersuchen die Geschmacksorgane der Dipteren speciell bei Volucella. Nach diesen Autoren liegen solche Organe an den Paraglossen, amı Ende des Epipharynx und am Anfange und in der ganzen Ausdehnung des Pharynx. Vermittler der Geschmacks- empfindung ist der Speichel, der die Nahrungstheilchen gelöst den Haaren des Epipharynx zuführt und dort Geschmacksempfindung erregt. Jedes Gesehmackshaar hat am Grunde eine bipolare Ganglienzelie, die mit dem Geschmackshaar einerseits, wie mit dem Achsencylinder einer Nerven- faser andererseits in Verbindung steht. 1 H. A. PAGENSTECHER, Allgemeine Zoologie. II. Thl. 4877. p. 432. 2 Aus. ForEL, Der Giftapparat u. die Analdrüsen der Ameisen. Diese Zeitschr. Bd. XXX. Suppl. p. 60—61. 3 Huxıey, Der Krebs. p. 98. 4 KÜNKEL et GAZAGNAIRE, Dü siege de la gustation chez les insects dipteres. Comptes rendus. XCV, Bd. 41884. p. 347—350. ' Das Geschmacksorgan der Insekten. 677 BREITEngAcH! (1884) widerspricht gelegentlich der Ansicht F. Mürzer’s, der die sog. Saftbohrer der Schmetterlingsrüssel für Ge- schmacksorgane hält. Becner ? (4882) findet an der Unterseite der Oberlippe bei Dipteren Sinneshaare und muthmaßt, dass dieselben die Geschmacksempfindung vermitteln. KrazpeLın 3 (1882), der die Mundwerkzeuge der saugenden Insekten sehr eingehend studirt, findet an der Spitze des Rüssels, im sogenannten Löffelchen, bei Bombus außer den Tastborsten eigenthümliche keulen- förmig endigende Borsten. Er vermuthet, dass dieselben, analog den Riechhaaren an den inneren Antennen der Krebse, an ihrer Spitze mit einer feinen Öffnung versehen und daher als Geschmacks- oder Geruchs- organe in Anspruch zu nehmen sind. Bei den Musciden stehen nach demselben Autor zwischen den »Pseudotracheen« reihenweise eigen- ihümliche kaum über die Oberfläche sich erhebende, aber in dieselbe eingesenkte Chitindoppelcylinder, in welche Nervenenden (mit »Chorda«) eintreten und die wohl als Geschmacksorgane in Anspruch zu nehmen sein dürften. G. Harrer (1882) vermuthet in den kleinen Härchen und bhlassen, kurzen aber starken Stiften des oberen Randes der Uxterlippe bei Hydrach- niden, speciell bei Hydrodroma rubra, einfache Geschmacksorgane, hebt aber die Ähnlichkeit dieser Gebilde, die ihrer Kleinheit halber der Unter- suchung schwer zugänglich sind, mit den Taststiften und Tastborsten hervor. KrarpeLıv 5 giebt (1883) in einer ganz vorzüglichen Arbeit über die Anatomie und Physiologie des Rüssels bei Musca eine eingehende Be- schreibung des Geschmacksorganes dieser Familie, indem er sich gleich- zeitig gegen die vielfach irrigen Auffassungen Künker’s und GAZAGNAIRE’S wendet. Da ich bei Besprechung des Geschmacksorganes der Dipteren speciell auf diese Arbeit zurückkommen werde, so will ich an dieser Stelle eine nähere Ausführung der KrarpeLın’schen Beobachtungen unterlassen. 1 BREITENBACH, Beiträge zur Kenntnis des Baues des Schmetterlingsrüssels. Jen. Zeitschr. für Naturwissenschaften. Bd. XV. p. 151—214. 2 BECHER, Zur Kenntnis der Mundtheile der Dipteren. Denkschriften der Aka- demie der Wissenschaften Wien. Bd. XLV. 1882. p. 123—162. 3 K. KRAEPELIN, Über die Mundwerkzeuge der saugenden Insekten. Zool. Anz. 5. Jahrg. 1882. Nr. 425. p. 575. 4 G. Harzer, Zur Kenntnis der Sinnesborsten der Hydrachniden. Archiv für ‚Naturgeschichte von WıEsMAnn. 48. Jahrg. A. Heft. 1882. p. 43—44. 5 K. Krarrein, Zur Kenntnis der Anatomie und Physiologie des Rüssels von Musca. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883. p. 743—715. 678 | F. Will, Kırsacn ! erwähnt in seinen Untersuchungen über die Mundwerk- zeuge der Schmetterlinge (1883) Geschmacksorgane. Dieselben liegen als zwei rundliche Papillenfelder mit kleinen konischen Papillen an der inneren Unterfläche des Schlundkopfes. Ob zwei größere Papillen außer- halb dieser Felder, nahe am Hinterrande des Schlundkopfes ebenfalls Geschmacksorgane sind, bezeichnet der Autor als fraglich. B£ıA Harzer? (1884) giebt in seinen marinen Rhipidoglossen eine kurze Bemerkung über das Geschmacksorgan der Insekten. Der Autor ist der Ansicht, dass ein Geschmackssinn den Arthropoden zukommt, das beweist die feine Geschmacksunterscheidung vieler höherer Krebse und der Insekten. Bei Orthopteren (Acridium, Truxalis) findet Autor am Grunde der herzförmigen Platte Woır’s (Hypopharynx) Gruppen von Zellen, die ganz den becherförmigen Organen gleichen; ihre Zeilen waren höher als die anderen, ihr oberes Ende lag in der Cuticula selbst. ForeL®, der unermüdliche Forscher, giebt jüngst in seinen Etudes myrmecologiques en 188% unter vielen höchst interessanten Notizen auch eine kurze Beschreibung und Skizze von den Geschmackspapillen auf der Maxille von F. rufibarbis Q. Er sagt, die Geschmackspapillen seien Chi- tinröhrchen oder Porenkanäle, die auf die Mitte eines rudimentären Haares aufgesetzt seien. Der Autor erklärt, nicht unterscheiden zu können, ob dieses scharf abgegrenzte kleine Haar in einer Vertiefung unter der Ober- fläche des Chitins sitzt. Unter jedem Organ bildet der Nerv (der in die Maxille eintritt) eine große Ganglienzelle, die sich am Ende einer stäb- chenförmigen Verlängerung dem Porenkanal der Papille anpasst. Die gleichen Papillen finden sich an der Spitze und dem Grunde der Zunge (wie schon früher bemerkt), endlich am sogenannten Riechorgan Worr's, dem Gaumensegel der Hymenopteren. Die Ansichten der Autoren gehen, wie das aus vorstehender Wieder- gabe (die sich auch in der Ausdrucksweise möglichst genau an die Ori- ginale anlehnt) ersichtlich ist, über Sitz und Bau des Geschmacksorganes hei Insekten, weit aus einander; ich will versuchen, in nachstehenden Ausführungen der Lösung der Frage näher zu kommen mit dem aus- drücklichen Vorbehalt, dass ich die Frage damit noch KeineaweBe für endgültig gelöst halte. Bei Ausführung des allgemeinen Theils unterstützt mich eine lang- 1 Kırsaca, Mundwerkzeuge der SERIE MELLIN I Zool. Anz. 6. Jahrg. 1883. Nr. 15ARep: 556. 2 BELA HALLER, Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. Morphol. Jahrbuch. Bd. IX. 1884. p. 76 Anmerkung. 3 Aus. ForEeL, Etudes myrmecologiques en 4884. Bull. Soc. Vaud. Sc. Nat. tom. XX, No. 94. p. 419—20. Das Geschmacksorgan der Insekten. 679 jährige, praktische Sammel- und Beobachtungserfahrung nicht nur im europäischen Faunengebiete, sondern auch in den Tropen Südamerikas. Der anatomisch-histologische Theil der Arbeit wurde von mir mit vielfachen Unterbrechungen während der Jahre 1884 und Anfang 1885 im zoologischen Institute in Erlangen ausgeführt, dessen vortreffliche Hilfsmittel und Apparate wesentlich mit zum Gelingen der schwierigen Untersuchungen beigetragen haben. Noch fühle ich mich gedrungen, Herrn Professor SELEnKA meinen wärmsten Dank, sowohl für die freundliche Gewährung eines Arbeits- platzes im genannten Institute, als für die liebenswürdige Beihilfe in schwierigen Fällen öffentlich auszusprechen. Versuche. Das Vorhandensein eines Geschmackssinnes bei den Ar- thropoden wird von allen Forschern als etwas Selbstverständliches ange- nommen und man hat bisher sich begnügt, entweder direkt nach beson - deren percipirenden Organen zu suchen, oder man hat eigenthümliche Sinnesorgane (Sinneshaare oder Borsten), die man gelegentlich allge- meiner Untersuchungen fand, als Geschmacksorgane gedeutet. Experimente zur Entscheidung der Frage, ob die Arthropoden, ins- besondere die Insekten, mit denen ich mich in Nachstehendem speciell be- fassen werde, wirklich mit einem, dem Geschmackssinne der Wirbelthiere vergleichbaren Sinn ausgerüstet sind oder nicht, wurden außer von Foret ! bei Ameisen, meines Wissens bisher noch nicht angestellt oder wenigstens nicht veröffentlicht. Die Ausführungen Josepn’s?können nicht wohl als die Ergebnisse von Versuchen gelten, denn er führt nur im Allgemeinen That- sachen an, respektive setzt eben das Vorhandensein eines Geschmackssin- nes, namentlich bei phytophagen Insekten als etwas Gegebenes, unzweifel- haft Bestehendes voraus; außerdem halte ich die Schlussfolgerungen Josern’s für keineswegs glücklich. Ich werde auf diesen Punkt später zurückkommen. Der experimentelle Nachweis über das Vorhandensein eines Ge- schmackssinnes ist schwieriger zu erbringen als der über andere Sinnes- wahrnehmungen. Die Sinne des Gefühls, Gesichts, Geruchs und Gehörs können wir willkürlich durch äußere Einwirkung erregen, d. h. das Verhalten der Thiere auf diese Einwirkung prüfen. Bei der Prüfung des Geschmacks- sinnes ist der Experimentator von dem guten Willen des Versuchsthieres abhängig, das außerdem durch individuelle Neigung (obgleich diese bei ! ForeL, Les Fourmis de la Suisse. p. 124. 2 JoserH, Zur Morphologie des Geschmacksorganes. p. 228. 680 | F. Will, niederen Thieren im Ganzen wenig ausgeprägt ist), Indisposition oder andere geringfügige Umstände, die sich unserer Wahrnehmung entziehen, das Resultat mehr als bei anderen Versuchen über Sinnesthätigkeit zu einem unsicheren macht. Dazu kommt, dass wir uns über die Grenzen der Wahrneh- mungsfähigkeit kaum eine unumstößlich richtige Vorstellung machen können. Auf Grund früher angestellter Versuche neige ich mich indess der Annahme zu, dass bei den meisten Sinnen der Insekten die Gren- zen der deutlichen Wahrnehmung sehr eng gezogen sind, dass indessinnerhalb dieserGrenzen das Unterscheidungs- vermögen ein außerordentlich feines, weit über die Grenzen unserer eigenen Wahrnehmungsfähigkeit hinaus gehendes ist. Was außerhalb dieser Grenzen liegt, wird nur im Allgemeinen oder unter Umständen auch gar nicht empfunden!. i Eine Erläuterung zu der oben ausgesprochenen Ansicht mag folgendes Bei- spiel geben. Nach den Untersuchungen Foret’s, Lussock’s u. A. ist der Gehörsinn bei Bienen, Wespen und Ameisen sehr schwach entwickelt. Ich habe nun vor mehreren Jahren völlig unabhängig von diesen Versuchen mit verschiedenen Käfern (Necrophorus, Geotrupes, Cerambyx etc.), die einen Stridu- lationsapparat besitzen, Experimente über den Zweck dieses Apparates angestellt und bin dabei zu dem Resultate gekommen, dass die Thiere den Stridulationston der eigenen Gattung sehr wohl, und zwar auf eine Entfernung hören, in welcher der- selbe für unser Ohr nicht mehr wahrnehmbar ist. Ich benutzte zu diesen Versuchen u. A. einen Bockkäfer (Cerambyx Scopoli Füssl.), der bekanntlich am vorderen Ende des Mesothorax (auf der Oberseite) eine Reibfläche und am Hinterrande des Pro- thorax eine Reibleiste besitzt und mit aiesem Apparat durch nickende Bewegung des Letzteren ein Geräusch erzeugt, ähnlich dem, welches man durch Hin- und -her- Streichen mit einer schief abgeschnittenen Federspule auf einer feinen Feile hervor- bringen kann. ; Von einem Pärchen des genannten Insektes wurde das Weibchen in eine kleine Holzschachtel gesetzt, diese mit einem Stück Glas bedeckt und durch die Seiten- wand der Schachtel eine Nadel gestochen, um das Insekt reizen zu können. Das Männchen wurde etwa 145 cm von der Schachtel entfernt frei auf den Tisch gestellt. So wie die von Natur langsamen Thiere sich etwas an die Situation gewöhnt hatten, saßen sie ruhig mit halb aufgerichteten Fühlern da, wie das Cerambyciden zu thun pflegen, wenn sie eine witternde Stellung einnehmen; ich reizte nun das Weibchen in der Schachtel, dieses begann zu striduliren. Mit dem ersten Ton wurde das Männchen unruhig, die Fühler hoch aufgerichtet drehte es sich zuerst mehrmals um sich selbst, gleichsam horchend, aus welcher Richtung das Geräusch komme, dann marschirte eseilig auf die Schachtel zu, indem es selbst anfing lebhaft zu stri- duliren. Ich wiederholte diesen Versuch öfter, auch mit anderen Käfern, in mehr- fachen Abänderungen immer mit demselben Resultat. Die aus diesen Versuchen für die Bedeutung des Stridulationsapparates je zogenen Schlüsse sind hier nicht näher zu erörtern. Eines scheint mir jedoch mit größter Bestimmtheit aus den Versuchen hervorzugehen, dass das Insekt den Stri- dulationston des anderen auch wirklich hört. | Das Geschmacksorgan der Insekten, 681 Bei den Versuchen über den Geschmackssinn ist ein völlig unkon- trollirbarer Einfluss z. B. der Grad der Nahrungsbedürftigkeit (des Hun- gers), namentlich bei Hymenopteren, die in ihrem Vormagen eine Reserve- speisekammer besitzen, deren Füllungsgrad sich unserer Beobachtung entzieht. Ich habe Anfangs die Bienen, Hummeln, Wespen und Ameisen, die ich bei meinen zahlreichen Versuchen benutzte, einige Zeit hungern lassen, um sie besser zum Aufnehmen der vorgesetzten Nahrung zu be- wegen, allein ich machte bald die Wahrnehmung, dass die Thiere bei wirklichem Hunger nahezu wahllos sind und selbst den mit Eisenvitriol oder chromsaurem Kali vermischten Honig oder Zucker, den ich ihnen unter vielem Anderen vorsetzte, mit eben so großer Begier verzehrten, wie reinen Honig. Allerdings würgten die meisten Versuchsthiere den vermischten Honig nach kurzer Zeit durch Kontraktion des Vormagens wieder aus, allein dies ist unstreitig als eine Reaktion der schädlichen Nahrung im Vormagen selbst und nicht als das Ergebnis einer Unter- scheidung in Folge von Geschmacksempfindung anzusehen. Ich ließ nun eine Anzahl von Versuchsthieren an verschiedener unvermischter Nah- rung (Honig, Zuckerlösung etc.) sich einigermaßen sättigen und schob dann gemischte Nahrung unter, allein auch diese Versuche ergaben ein positives Resultat nicht. Ein Theil der Thiere nahm auch die vermischte Nahrung auf, andere verschmähten sie nach kurzem Kosten, und ein kleiner Theil war gar nicht mehr zur Nahrungsannahme zu bewegen. Bei fortgesetzter Prüfung fand ich auch bald den Grund des Miss- lingens meiner Versuche. Der Geschmack des Honigs oder des Zuckers verdeckte den der beigemengten Substanzen, wenn die Beimengung in zu geringen Dosen geschah. Ich änderte nun zunächst das Versuchsverfahren, indem ich dabei von folgenden Thatsachen und Erwägungen ausging. Als mir später die Versuche Lussock’s bekannt wurden, wiederholte ich die- selben auch mit Käfern, unter Anderem auch mit zwei Cerambyx Scopoli 3. Ich setzte die Thiere vor mich auf den Tisch und erregte die verschiedensten Töne und Geräusche, ohne dass die Thiere davon Notiz nahmen, so lange ich mich nur hütete ihre feinen Tastorgane zu erschüttern. Ahmte ich jedoch das Stridulationsgeräusch mittels Federspule und Feile, namentlich auch im Rhythmus nach, so wurde die Aufmerksamkeitsichtlichrege. Wie bei den ersten Versuchen richteten die Thiere ihre Fühler auf, drehten sich witternd mehrmals um sich selbst, suchten aber dann zu entfliehen, da sie doch Gefahr wittern mochten. _ Unstreitig liegt hier ein außerordentlich feines Unterscheidungsvermögen für alle jene Töne vor, die im Stridulationsgeräusche liegen. Töne und Geräusche, die außerhalb dieser Grenzen liegen, werden durchaus nicht mehr percipirt oder als ‚ solche wenigstens nicht erkannt, Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLII. Bd. | 45 682 F. Will, Durch zahlreiche Experimente (namentlich Forzr's!) ist festgestellt, dass Bienen, Hummeln und Wespen (die gesellig lebenden Hymenopte- ren sind, wie später gezeigt werden soll, mit dem besten Geschmacks- sinn unter den Insekten ausgestattet) die Nahrung vorzugsweise durch den Gesichtssinn aufsuchen, obwohl bei den schlechter sehenden Wespen und den Hummeln nach meinen eigenen Erfahrungen auch der Geruchs- sinn Beihilfe leistet. Um jedoch gänz sicher zu gehen, wählte ich Ver- suchssubstanzen aus, die wenigstens für unsere Sinne keinen merklichen Geruch haben, sich äußerlich so ähnlich sahen, dass eine Täuschung der Thiere möglich war, wenn ich sie wechselte und von denen die erste eine den Thieren bekannte und beliebte Nahrung, die zweite eine Sub- stanz war, von der ich sicher annehmen durfte, dass sie sich im Speichel löst und den Thieren unangenehm schmeckt und als dritte ein indiffe- renter, unlöslicher Körper. Bei den ersten Versuchen (die ich im Herbst 1884 in der fränkischen Schweiz anstellte) benutzte ich Zucker, Alaun und krystallinischen Do- lomit (letzteren lokaler Umstände halber), sämmtliche Körper in grob ge- pulvertem Zustande. An einem Orte, der von Vespa vulgaris häufig besucht wurde, stellte ich zuerst ein Stück Papier mit Zucker auf. Nach kurzer Zeit wurde der Zucker von Wespen fleißig besucht; ich ließ ihn einen halben Tag stehen, um die Wespen an Ort und Umstände zu gewöhnen und ver- tauschte ihn dann mit Alaun, dabei musste ich mehrere Wespen verjagen, die es sich eben wohl schmecken ließen. Sobald die Umwechslung geschehen war, stürzten sich die eben verscheuchten Wespen auf den vermeintlichen Zucker, allein kaum hatten sie gekostet, so zogen sie sich auch mit dem drolligsien Gebahren wieder zurück und reinigten, wie ich deutlich beobachten konnte, durch öfteres Ausstrecken und Wiedereinziehen und durch wiederholtes Überstreichen mit dem vorderen Fußpaare die Zunge von der ekelhaften Substanz. Die erste schlimme Erfahrung hinderte jedoch nicht, dass die Thiere zurückkehrten, um aufs Neue den Versuch an dem Surrogat zu machen, natürlich mit demselben Misserfolge. Darauf flogen einige fort. Ein paar besonders hartnäckige Individuen setzten die Leckversuche an dem Alaun fort, bis sie jedenfalls doch eine gewisse Menge davon genossen hatten, und nun krümmten sie sich auf dem Tische, augenscheinlich im größten Unbehagen; rascher, als ich gedacht, hatten sie sich indessen erholt und flogen ebenfalls davon. | Andere Wespen kamen, dasselbe Spiel wie bei den ersten wieder- i Foreı, Beitrag zur Kenntnis der Sinnesempfindungen der Insekten. Mitthei- lungen des Münchener entomol. Vereins. 2. Jahrg. 4. Heft. 1878. p. su. 48241. Das Geschmacksorgan der Insekten, 683 holte sich mehrmals, nach und nach wurden jedoch die Besuche sel- tener und schon um drei Uhr Nachmittags, also lange vor der Zeit, zu der die Wespen sonst ihre Arbeit einzustellen pflegen, kam keine einzige mehr um zu kosten. Nach Verlauf eines Tages, während dessen ich die Thiere durch Aufstellen von Zucker wieder an den Versuchsort gewöhnt hatte, wechselte ich den Zucker mit Dolomit aus. Die Wespen ließen sich richtig wieder täuschen und beleckten den Dolomit von allen Seiten, diesmal aber wurden die Versuche an dem hartnäckigen Material bis gegen Abend fortgesetzt und erst nach langem Prüfen schien jedem Thiere eine Idee davon aufzudämmern, dass die vorgesetzte Substanz ungenießbar sei. Der Eintritt schlechten Wetters hinderte weitere Versuche und auch später während des Herbstes 1884 fand ich keine Gelegenheit mehr, die- selben zu wiederholen, erst im Frühjahre (März) 1885 nahm ich, begün- stigt von ungewöhnlich freundlicher Witterung, dieselben wieder auf. Bei den Versuchen mit Alaun war immer die Möglichkeit einer Ein- wirkung auf den fein organisirten Tastapparat an den Mundtheilen denk- bar, ich operirte desshalb von jetzt ab mit möglichst wenig scharfen Sub- stanzen, wieSalz, doppeltkohlensaurem Natron etc., dann mit Bitter- und Gerbstoffen (Chinin und Tannin). Als indifferenter Körper diente Quarz- sand, der durch wiederholtes Schlämmen und Glühen möglichst von etwa anhaftenden organischen Stoffen und Staub befreit wurde. Als Versuchsthiere, die unter einer Glasglocke gefangen gehalten wurden, dienten diesmal Bienen, Hummeln, Ameisen und Fliegen. Der Erfolg war ein ähnlicher wie bei den Versuchen mit den Wespen, nur trat dabei deutlich ein großer Unterschied hinsichtlich der Nahrungswahl bei den verschiedenen Gattungen, ja bei verschiedenen Individuen derselben Species auf. Sehr wählerisch und dabei mit dem besten Geruchssinne begabt zeigten sich ein paar Andrenen; ich hatte ihnen als letzte feinste Probe einen Tropfen koncentrirter Lösung von sogenanntem Farinzucker vorgesetzt, sie berochen die ihnen jedenfalls unbekannte Flüssigkeit, kosteten, wollten aber, trotzdem, dass sie mehrere Stunden gefastet hatten, nichts davon genießen. Ich schnitt ihnen die Fühler und damit das Geruchsorgan ab und setzte sie dann an die Zuckerlösung, sie ver- suchten Nahrung aufzunehmen, gaben dies jedoch bald wieder auf; ich brachte sie an reinen Honig, den sie gern annahmen. Auch Weibchen von Vespa vulgaris zeigten ein ähnliches, sehr feines Geschmacksunter- scheidungsvermögen. Bienen zeigten die größte individuelle Verschiedenheit, einige leck- ten sogar noch Honig mit Behagen auf, der zu 3), mit Salz vermischt war, ie Mehrzahl jedoch verschmähte nach kurzem Kosten dieses Gemisch. 45* 684 | F. Will, Anscheinend ist der Geschmackssinn bei ihnen nicht so entwickelt, wie bei Wespen und Andrenen. Bei fast allen Versuchsthieren gab sich eine große Abneigung gegen Chinin zu erkennen. Honig, der zur Hälfte mit Chinin vermischt war, blieb nach sehr kurzem Kosten unberührt, dagegen übte das Tannin fast gar keine Wirkung auf die Nahrungsauswahl aus, nur von Fliegen wurde . der mit Tannin vermischte Honig verschont. Dagegen schienen die Musciden Glycerin durchaus nicht übelschmeckend zu finden, während dasselbe selbst bei starker Vermischung mit Honig von den Hymenopteren verschmäht wurde. | Zu weiteren Versuchen benutzte ich eine Aubrietia, die in den ersten Tagen des April ihre blauen Blüthchen geöffnet hatte und von Bienen, Hummeln und Andrenen fleißig besucht wurde. Ich grenzte eine Anzahl Blüthchen ab und versah jedes derselben mit einem Tropfen reinen Honig. Die Insekten fanden diese ergiebige Quelle bald und ver- weilten längere Zeit als gewöhnlich saugend in den präparirten Blüthen. Ich zeichnete einige Bienen mit weißer Ölfarbe und ließ sie frei. Sie flogen fort. Nun versah ich jede der vorerwähnten Blüthchen mit etwas Honig, dem jedoch theils Salz, theils doppeltkohlensaures Natron, theils Chinin beigemengt war. Nach einiger Zeit kehrten mit anderen Gefähr- tinnen auch ein Theil der gezeichneten Bienen zurück und versuchten direkt an den präparirten Blüthchen weiter zu saugen, nach kurzem Kosten in mehreren Blüthchen gaben sie jedoch den Versuch auf und besuchten andere intakte Blüthen. Ich wiederholte diese Versuche auch mit Hummeln, immer mit dem gleichen Resultat. DieDauer des Geschmackseindruckes scheint eine ziem- lich lange zu sein, d. h. die Reinigung der percipirenden Endapparate scheint nur allmählich vor sich zu gehen. Gelegentlich der vorstehenden Versuche fand sich ausnahmslos, dass die Thiere, denen in einer Ver- suchsreihe als Letztes vermischte Nahrung vorgesetzt worden war, oft minutenlang an den Mundtheilen putzten und die Zunge durch öfteres Ausstrecken und Einziehen von der daran haftenden übelschmeckenden Substanz zu reinigen suchten. Bekamen die Thiere dann nochmals reine Nahrung vorgesetzt, so erfolgte fast immer zuerst eine mehrmalige Prü- fung mit der Zunge, bis konstante Nahrungsaufnahme stattfand. Augen- scheinlich verschwindet der Geschmackseindruck des Letzigenossenen erst allmählich unter dem Eindrucke der neu aufgenommenen Nahrung. Aus diesen Versuchen, die ich indess noch keines- wegsfür abgeschlossen halte, scheint mir unzweifelhaft | hervorzugehen, dass wenigstens die Hymenopteren und RR Das Geschmacksorgan der Insekten, 635 Dipteren miteinem Sinne ausgerüstet sind, welcher eine Unterscheidung der den Mund berührenden Nahrung ge- stattet, d.h. dass diese Insekten einen Geschmackssinn besitzen. Der experimentelle Nachweis über den besonderen Sitz des Ge- schmacksorganes ist mir nicht gelungen, dieser dürfte auch schwer zu erbringen sein, denn da die Organe, die zur feineren Unterscheidung der Nahrung dienen, jedenfalls an den Mundtheilen gelegen sind, so fällt mit der theilweisen, operativen Entfernung dieser auch die Möglichkeit der Nahrungsaufnahme und mit dieser natürlich auch die Beobachtung fort. Entfernung der Labial- und Maxillartaster beeinträchtigte das Unter- scheidungsvermögen gegenüber geeigneter oder ungeeigneter Nahrung durchaus nicht. Eine Reihe von Versuchen, die ich zur Konstatirung der Josern- schen Beobachtungen über Farbenänderung! des Protoplasmas in dem Bläschen unter den Geschmacksbechern bei der Einwirkung verschie- dener Substanzen, wie Salzlösungen, Bitterstofien etc. anstellte, ergaben nur zweifelhafte Resultate. Dagegen glaube ich mit der größten Bestimmtheit wahrgenommen zu haben, dass bei der Einwirkung eines schwachen Induktionsstromes ein allmähliches Schwellen des Protoplasmas eintritt, durch welches der Stützkegel des Achsenstranges mit diesem mehr aus der Höhlung des Geschmacksnäpfchens getrieben wird. Die Schwellung scheint rascher, der Rückgang dagegen beim Aufbören des Stromes langsamer zu ge- schehen. Selbstverständlich ist diese Schwellung nur eine geringe, nur mit sehr scharfen Vergrößerungen wahrnehmbare, sie hat jedenfalls eine Grenze in der Spannfähigkeit der Chitinmembran, die den Boden des Geschmacksbechers bildet?. 1 Josep#u, Zur Morphologie etc. p. 227. 2 Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt. In eine Korkplatte von 5 mm Dicke und 5><3 cm Fläche wurde gegen das eine Ende eine quadratische Öffnung von 4 cm Seitenlänge geschnitten. Diese Öffnung wurde mit einem etwas in den Kork eingelassenen Glasstückchen bedeckt, das als Objektträger zu fungiren hatte. Nun wurden dem Versuchsthiere sorgfältig, ohne das Gehirnganglion zu ver- _ letzen, Oberlippe und Mandibeln abpräparirt und die Zunge mit einer feinen Pincette ausgezogen. Sodann wurde das Insekt durch gekreuzte Nadeln so auf den Kork be- festigt, dass die Zunge auf das erwähnte Glasstückchen zu liegen kam. Letzteres wurde mit einem Deckgläschen versehen und dieses durch im Winkel gebogene Nadelspitzen fixirt. Auf diese Weise war es möglich, die feineren Theile der Zunge am lebenden Insekt selbst bei den schärfsten Vergrößerungen zu beobachten. Die «Probeflüssigkeiten wurden von der Seite des Insekts aus mit einem Pinsel unter das Deckgläschen eingeführt. Bei den Versuchen mit dem Induktionsapparat wurden zwei feine Silberdrähte 686 F. Will, Zur Ergründung der Frage, welche Organe von den zahlreichen Ner- venendapparaten der Mundtheile als Geschmacksorgane zu deuten sind, scheint vorläufig kein anderer Ausweg als der genauer anatomisch-histo- logischer Prüfung jener Nervenendapparate. Es erübrigt noch eine kurze Darstellung des Einflusses vom Ge- schmacksvermögen auf die Existenzbedingung der In- sekten. Josern !, der einzige von den Autoren, der sich mit dieser Frage be- schäftigt, schreibt dem Geschmacksvermögen eine gewisse Kontrolle der durch den Geruch aufgesuchten Nahrung, besonders für die Eierablage mit Rücksicht auf die Nahrungswahl für die junge Brut, zu und führt als Beispiel die mit wenigen Schmecknäpfchen ausgestattete Aasfliege an, die, getäuscht durch den Geruch, ihre Eier an die Aaspflanze lege, wo die sich entwickelnden Maden verhungern müssten, weil die Fliege nicht die Fähigkeit besitze, ihre Geruchswahrnehmungen durch den Geschmackssinn zu kontrolliren. Ich glaube, dass diese Schlussfolgerung nicht richtig ist. In der Regel legt doch die Aasfliege ihre Eier an Aas, derFall, den Josera anführt, ist jedenfalls ein Ausnahmefall, wäre er es nicht, so müsste die Aasfliege (Musca cadaverina) an Orten, an denen die Aaspflanze häufiger vorkommt, bald seltener werden, ja vielleicht aussterben. Die Unwahr- scheinlichkeit der Joszrm’schen Schlussfolgerung ergiebt sich aber auch aus anderen Beobachtungen. Josera führt selbst das Vorhandensein vieler Schmecknäpfchen bei Schmetterlingen und deren Raupen an. Ein Irrthum in Folge von mangelhaft ausgebildetem Geschmacks- sinn, der bei der Fliege verderblich für die Brut wird, müsste also bei Schmetterlingen, die zahlreichere Geschmacksorgane haben, ausge- schlossen sein. Nun ist es ja möglich, dass die Fliege sich täuschen lässt, sie hat aber bei der Wahl der Brutnahrung (Aas) doch die Mög- lichkeit der Prüfung durch die Geschmacksorgane, auch wenn diese schwach entwickelt sind, während diese Prüfung beim Schmetterling in Folge des Baues der Mundwerkzeuge völlig ausgeschlossen erscheint. Auch besteht bei den angeführten Beispielen zwischen der Nahrung des mittels kurzer Stecknadeln an der Korkplatte befestigt. Die Drähte waren durch Schlingen an einem Ende mit den beiden Poldrähten des Apparates in Verbindung zu bringen, während die anderen Enden einerseits mit der Wurzel des Zungennervs, andererseits in der Nähe der Zungenspitze mit der schwach angesäuerten Flüssig- keitsschicht zwischen Objektträger und Deckglas in Verbindung stand. Giebt man dem Deckgläschen eine besondere Auflage auf Haare oder Borsten, so lassen sich mit dem eben beschriebenen einfachen Apparat an den Mundtheilen des lebenden Insektes, bei mittleren Vergrößerungen, eine Reihe von Vorgängen | beobachten, die einen genauen Einblick in die neuerlich vielfach besprochenen | Funktionen dieser Theile gewähren. 1a. a..0. p, 228. Das Geschmacksorgan der Insekten. 687 Imago und der der Larve durchaus keine Beziehung: während die Larve der Aasfliege durchaus faulende thierische Substanzen nöthig hat, nährt sich das Imago gelegentlich auch von Zuckerwasser, Milch etc. Eben so beim Schmetterling. Die meisten Raupen der Tagfalter z. B. sind an be- stimmte Pflanzen gebunden, d. h. sie fressen nur im äußersten Noth- falle untergeschobenes Futter!, dagegen nährt sich das Imago von Honig, den verschiedensten Pflanzensäften, ja gelegentlich auch vom Urin phy- tophager Säugethiere oder der Flüssigkeit an den Exkrementen der- selben 2. 1 Dass die Gewöhnung an anderes Futter bei den sonst sehr wählerischen Schmetterlingsraupen möglich ist, beweisen die vielfach gelungenen Versuche von Schmetterlingszüchtern, durch Änderung der Futterpflanzen bei jungen Räupchen, am Imago Farbenvarietäten zu erzielen. Nach den Mittheilungen meines sehr verehrten Freundes, Dr. GEMMINGER, der zahlreiche Versuche in dieser Richtung angestellt hat, gelingt es z. B. die Raupe des Wolfsmilchschwärmers, statt ihrer gewöhnlichen Nahrung, der Wolfsmilch, Saponaria unterzuschieben. Die Raupe von Euprepia caja (Bärenspinner), die sonst von allerlei niederen saftigen Kräutern lebt, lässt sich an Walnussblätter gewöhnen. Auch bei diesen Versuchen, die übrigens nur an jungen Raupen gelingen, zeigt sich eine große individuelle Verschiedenheit bezüglich der Annahme des untergeschobenen Futters. 2 Ich muss hier der Gewohnheit gewisser Tagschmetterlingsarten der Tropen gedenken, sich an den feuchten Rand von Gewässern niederzulassen und mit dem Rüssel den Boden zu untersuchen, Die Arten scheinen der Gattung Coleas nahe ver- wandt. (Leider ist meine gesammte Schmetterlingsausbeute während schwerer Malariaerkrankung von Insekten völlig zerstört worden, daher eine genauere Fest- stellung der Art nicht mehr möglich.) Am häufigsten habe ich diese Erscheinung in Brasilien beobachtet, dort sitzen an feuchten sandigen Uferstellen kleiner Gewässer die Schmetterlinge oft zu Hunderten, ja an manchen Stellen zu vielen Tausenden und untersuchen, indem sie langsam fortkriechen, mit dem Rüssel den Boden, jeden- falls nach der mit verwesenden Stoffen gemischten Feuchtigkeit. E. STEINHEIL theilte mir dieselbe Beobachtung aus Kolumbien mit, ich habe sie früher, obwohl seltener, auch auf den Balearen beobachtet. In Deutschland und dem mittleren Theile von Frankreich dagegen ist sie mir in einer zwanzigjährigen Sammelperiode nur ein paarmal, und da nur im kleinsten Maßstabe vorgekommen, Häufiger mit der Gal- tung Polyommatus (Bläulinge). Nicht zu verwechseln ist diese Ansammlung am Rande der Gewässer mit der häufig zu beobachtenden vorübergehenden Versammlung von Schmetterlingen am Rande der Urinlachen auf der Landstraße. Erstere ist eine ständige, sie wiederholt sich während der heißen Zeit bei gutem Wetter täglich um die Mittagsstunden;; die Schmetterlinge verlassen in den Nachmittagsstunden nach und nach genau in derselben Richtung den Versammlungsort und kehren am Vormittag des nächsten Tages wieder dahin zurück. Es bildet dies jedenfalls die Veranlassung zu den räthselhaften, täglich genau um dieselben Stunden wiederkehrenden Schmetterlingszügen, wie ich solche am - 10, und #4. December 4881 in der Nähe von Säo Amaro bei dem Landhause meines Freundes Dr. Draınert (Professor an der Landwirthschaftsschule in Säo Amaro, Bahia) Vormittags zwischen 40 und 44 Uhr in der Richtung nach dem Ufer des Paragu-assu 688 er LH Bei diesen Insektenfamilien kann also von einer direkten Beziehung zwischen dem Geschmacksvermögen und der Nahrungswahl für die Brut nicht die Rede sein, diese beruht vielmehr außer auf dem Geruchssinne jedenfalls noch auf anderen, bisher nicht näher bekannten sinnlichen Wahrnehmungen!. Denkbar wäre eine Wechselbeziehung zwischen Geschmacksver- mögen und Nahrungswahl für die Brut bei den Tenthredinen, obwohl die Nahrungsaufnahme bei dieser Sippe ähnlich wie bei a Wespen durch eine Leckzunge geschieht, so sind die Blattwespen doch durch die wohlausgebildeten Kaukiefer befähigt, die für die Ablage der Eier aus- gewählten Blätter wenigstens anzubeißen und den ausfließenden Safı zu kosten. Ob dies wirklich geschieht, habe ich nicht beobachten können, dass dagegen Tenthredinen häufig Jagd auf kleinere Insekten machen, also wie alle vorzugsweise carnivoren Insekten wahrscheinlich mit keinem besonders feinen Geschmackssinne ausgestattet sind? habe ich mehr- fach beobachtet. | Zutrefiend ist jedenfalls die Nahrungswahl für die Brut durch den Geschmackssinn bei den meisten phytophagen Coleopteren (speciell den Chrysomeliden) und die höchste Ausbildung erlangt er bei jenen Hymen- opteren, die ihre Brut auffüttern, also bei den Wespen, Bienen, Hum- meln und Ameisen. Möglichst sorgfältige Nahrungswahl ist bei letzterer Thierfamilie nicht nur Existenzfrage für das einzelne Individuum, sondern auch für einen gewissen Theil der Brut. Man kann wohl behaupten, dass, mit Ausnahme der an specielle Pflanzen gebundenen Phytophagen und der eben erwähnten Hymenop- teren, der Geschmackssinn bei den Insekten eine sehr untergeordnete Rolle spielt, um so untergeordneter, je kürzer die Lebensdauer des Imago ist, je größer die Fruchtbarkeit und je günstiger die allgemeinen Existenzbedingungen sind. Dass das bekannte: De gustibus etc. auch (ein Flüsschen, das sich in die Allerheiligenbai ergießt) und Nachmittags zwischen | 3 und 4 Uhr landeinwärts beobachtete. Professor DrAInERT, der diese Erscheinung schon seit mehreren Jahren mit dem lebhaftesten Interesse verfolgte, hatte mich darauf aufmerksam gemacht. 1 Ein merkwürdiges Beispiel solcher Nahrungswahl hat Dr. GENMINGER beob- achtet. Derselbe fand die Raupe von Thyatira Batis (der Brombeereule) auf dem Promenadeplatz in München an dem nordamerikanischen Rubus duleis, einer Pflanze, die damals noch nicht lange eingeführt war. Die Raupe oder der eierlegende | Schmetterling hatte die geeignete Nahrung richtig erkannt, obgleich Rubus dulcis im Aussehen von unseren einheimischen Rubusarten erheblich abweicht. 2 In der That besitzen die Tenthredinen und Ichneumoniden unter den Hymen- | opteren anscheinend die geringste Anzahl von Geschmacksbechern, Gagesen ist der Fi Geruchssinn hoch entwickelt. Das Geschmacksorgan der Insekten. “- 689 bei den Insekten gilt, haben die Versuche dargethan, abgesehen davon, dass beiden verschiedenen Insektenfamilien die Ansichten über den Begriff wohlschmeckend weit aus einander zu gehen scheinen. Die Versuche haben z. B. durchweg ergeben, dass den Hymenop- teren Chinin jedenfalls nicht angenehm schmeckt, dagegen leben einige Gattungen der Coleopterenfamilie der Brenthiden vorzugsweise unter der Rinde der China-Baumarten, die sie völlig ausnagen. Tabak, nament- lich in getrocknetem, für den Handel präparirten Zustande wird von fast allen Insekten sorgfältig gemieden, dagegen leben einige kleine Anobien sehr gern in den Tabakrollen, die sie nach und nach ganz aushöhlen. Diese Beispiele ließen sich außerordentlich vermehren. Sicher scheint noch zu sein, dass Larven in Bezug auf Nahrung weitaus wählerischer sind, als das betreffende Imago, obgleich der Ge- ruchssinn der Larven (wie mir das zahlreiche in früheren Jahren ange- stellte Versuche beweisen) im Allgemeinen sehr unentwickelt ist, die - Nahrungswahl daher allein durch den Gesichts- und Geschmackssinn er- folgen muss. Indess ist auch bei den phytophagen Larven nicht selten die Nahrung eine sehr verschiedene und auch verschieden schmeckende. Als Beispiel führe ich nur einige Tenthredinen an. So lebt die Larve von Tenthredo atra L. auf Ribes und Salix, T. scalaris Klg. auf Weiden und Erlen, Athalia spinarum F. auf Rosen, Rapspflanzen und weißen Rüben. Es scheint dies direkt mit einer geringeren Entwicklung des Geschmackssinnes bei diesen Larven zusammenzuhängen. Anatomisch-histologische Untersuchungen. Allgemeines. Aus den Versuchen Forzr's so wie meinen eigenen vorstehend ange- führten, geht unzweifelhaft hervor, dass gewisse Insektenfamilien einen hoch entwickelten Geschmackssinn besitzen. Die specielle Lage der Or- gane, die diese Sinneswahrnehmung vermitteln, kann kaum anders wo gedacht werden als an den Mundtheilen. Bei der näheren Betrachtung dieser zeigt sich auch, namentlich bei Zuhilfenahme schärferer Vergrößerungen, eine bedeutende Zahl von Haaren, Borsten und Grübchen mit anscheinend rudimentären Haaren, die, verfolgt man ihren genaueren Bau, unstreitig als Sinnesorgane in Anspruch zu nehmen sind. 1 Dass die Sinnesempfindungen der Insekten, mit Ausnahme des Gesichtssinnes, durch Haare oder Borsten, die je nach den Anforderungen, die hinsichtlich ihrer ‚Perception an sie gestellt werden, mannigfach modificirt sind, vermittelt werden, scheint mir eine natürliche Folge der Integumentalbildung. Der starre Chitinpanzer muss für die peripherischen Enden der Sinnesnerven an bestimmten Stellen durch- 690 | F. Will, Da das Zustandekommen einer Geschmacksempfindung ohne direkte Berührung zwischen der zu schmeckenden Substanz und dem pereipi- renden Nervenendapparat nicht gedacht werden kann, so sind von einer Deutung als Geschmacksorgane alle jene Sinneshaare oder Borsten aus- geschlossen, deren Nervenendigung nicht frei in der Oberfläche der Cuticula liegt oder die vollständig von ihr umhüllt ist (Geruchsorgan und undurchbohrte Sinneshaare). Zudem muss die Möglichkeit vorhanden sein, dass wenigstens ein Theil dieser Gebilde mit Speichel oder einer diesem ähnlichen Sekretions- flüssigkeit übergossen werden kann, theils zum Zwecke der Lösung für ungelöste Nahrung, theils zur Reinigung der Endapparate, um diese für neue Eindrücke tauglich zu machen. Endorgane, welche alle diese Voraussetzungen erfüllen, finden sich, wie mir das eine große Untersuchungsreihe auf das Unzweifelhafteste darthut, bei fast allen Insektenfamilien. Am schärfsten ausgeprägt und am zahlreichsten bei jenen Hymenopteren, die ihre Brut ernähren; die Geschmacksorgane dieser Gruppe sollen daher gewissermaßen als Typus der Geschmacksorgane bei den Insekten angesehen und an die Spitze der Untersuchungsreihe gerückt werden. Die Geschmacksorgane der Hymenopteren. Der Sitz des Geschmacksorganes bei den Hymenopteren wird von MEınert ! bei Ameisen an den Grund der Zunge und auf die Unter- fläche der Maxillen, von ForeL ?, der die Ansicht Meınerr’s theilt, auch brochen werden, zu gleicher Zeit müssen diese peripherischen Endorgane möglichst über die Oberfläche der Cuticula herausragen, um die Möglichkeit der Wahrneh- mung zu vergrößern, damit bedürfen diese Endapparate aber auch eines besonderen Schutzes, also einer eigenen cuticulären Chitinhülle. Weitaus die meisten Borsten sind am unteren Ende mit einem Knopfe versehen, der in einer kugelförmigen Höhlung oder Einsenkung der Cuticula der Borste Be- wegung nach allen Richtungen gestattet. Dies ist nöthig, um einerseits das Abbrechen zu verhüten, andererseits ist der Zug, bei dem durch irgend welche äußere Einwirkung die Sinnesborste aus ihrer normalen Lage gebracht wird, eben das Mittel um diese Einwirkung im Nervenendapparate zur Perception zu bringen. Den ringförmigen Abschluss zwischen Endknopf und Höhlung bilden feine Chi- tinmembranen. Die dachziegel- oder schuppenförmige Anordnung der einzelnen chiti- nösen Epithelialplatten in der Mundhöhle scheint mir eben so leicht verständlich. Bei der Nahrungsaufnahme und den mannigfaltigen durch die Mundtheile zu vollführenden Bewegungen muss die Mundhöhle eine möglichst leichte Verschiebung und Biegung nach allen Seiten gestatten; durch die Anordnung der durch feinere chitinöse Membranen verbundenen Epithelialplatten ist eine solche Bewegung nach den verschiedensten Richtungen leicht ausführbar, ohne dass der Bau der ohnehin sehr komplicirten Mundwerkzeuge noch mehr verwickelt wird. 1 a.a.0. p. 66. 2 Les Fourmis de la Suisse. p. 117. a Das Geschmacksorgan der Insekten. 691 an die Spitze der Zunge, von Woırr! bei der Honigbiene auf die herz- förmige Platte (Hypopharynx), von Josepn? bei Insekten überhaupt in die Mundhöhle und von Krärerin? (der allerdings nur diese untersucht hat) bei Bombus an die Spitze der Unterlippe (des Rüssels) verlegt. ForeL und Josera sind auch der Meinung, dass das WoLr’sche Riechorgan Geschmacksorgan sein könne. Der äußere Bau des peripherischen Endapparates wird von den Autoren ziemlich übereinstimmend in folgender Weise beschrieben. Grübchen in der Cuticula am Rande mit einem stärkeren Chitinwall um- geben, oben offen, am Boden geschlossen durch eine feinere Membran, die von einem Nervenende (Achsencylinder, Achsenstrang, Chorda der Autoren) durchbrochen wird, dessen apicales über die Membran vor- ragendes Ende von einem der Längsachse nach durchbohrten, kurzen, starken Chitinstift (Stützkegel) geschützt wird, während das basale Ende sich in einem Nervengeflecht verliert. Joseru glaubt noch ein mit wasser- hellem Protoplasma gefülltes Bläschen am basalen Ende des Nerven zu er- kennen, das sich unter dem Einflusse gewisser Reagentien verschieden färbt. Weitere genaue Angaben hat neuerdings Forer * gemacht, der unter jedem Endorgan {auf der Unterseite der Maxille von F. rufibarbis 8) eine große ganglionäre Zelle entdeckt hat, in die sich der schon erwähnte Nervenstift (en bätonnet, Achsencylinder) basalwärts verliert. Der feinere Bau der fraglichen Organe ist durch die vorstehend kurz wiedergegebenen Untersuchungen keineswegs klar gestellt, eben so wenig ist erwiesen, welche Endorgane in den Mundtheilen als Geschmacks- organe zu deuten sind: ich habe desshalb die Mundtheile von Vespa vul- garis 3° einer genauen Prüfung unterzogen, deren Resultat mit dem bei 1 a.a.0.p. 77. 2 a..a. O. p. 227. 3 Über die Mundwerkzeuge der saugenden Insekten. p. 575. 4 Etudes myrmecologiques en 1884. p. 19—20. 5 Ich habe Vespa vulgaris aus verschiedenen Gründen zur specielleren Unter- suchung gewählt. Das genannte Insekt zeichnet sich, wie das meine Versuche er- gaben, durch einen woblentwickelten Geschmackssinn aus, die Mundtheile sind noch nie eingehend untersucht worden und nicht in letzter Linie war die Leichtigkeit der Beschaffung genügenden Arbeitsmateriales maßgebend. Im Herbste finden sich in den Nestern der Wespe die verschiedensten Entwicklungsstadien vom Ei bis zum vollständig ausgebildeten Imago vor. Nach einer Entfettung der frischen Larven in Schwefeläther und Härtung der- selben in einer Mischung von Pikrinschwefelsäure und Chromsäure lassen dieselben sich monatelang in 700/gigem Alkohol für die feinsten Untersuchungen völlig brauch- « bar aufbewahren. Genauere Angaben über die Präparationsmethoden folgen in der Fortsetzung vorliegender Arbeit. 692 F, Will, anderen Hauptgruppen der Hymenopteren, den Formiciden, Ichneumo- niden und Tenthredinen verglichen und bin dabei zu dem Ergebnis ge- langt, dass unter Berücksichtigung der Eingangs des anatomischen Theils dieser Ausführungen aufgestellten Vorbedingungen, die peripherischen, den Geschmack vermittelnden Endorganean der Spitze und der Basis der Zungen {wo Nebenzungen [Paraglossen] vor- handen, auch an der Spitze dieser) und auf der Unterseite der Maxillen gelegen sind. Die Zunge von Vespa vulgarisS ist eine zweigelapptie Leck- zunge (Fig. 4) von halbmondförmigem Querschnitte (Fig. 2); zu beiden Seiten schließen sich die wohlausgebildeten Nebenzungen (Paraglossen) an. Die Oberfläche der eigentlichen Zunge, bis nahe an die Basis, so wie das vordere Drittel der Nebenzungen ist mit Reihen feiner, spatelförmiger Chitinhäkchen besetzt, die mit ihrem breiteren basalen Ende auf quer über die Zunge gelegten Chitinleisten aufsitzen (Fig. 4 a). Die Richtung dieser Häkchen, die von der Basis nach der Mitte sich verschmälernd, von da bis zum Ende wieder breiter werden und oben gerade abge- schnitten sind (Fig. 1 a), geht unter spitzem Winkel nach vorn (Fig. 5 Hb); das apikale Ende ist hakenförmig nach aufwärts gekrümmt. Dieselbe Anordnung zeigt der Hakenbesatz der Nebenzungen. Auf der Unterseite der Spitzen von Zunge und Paraglossen findet sich je ein ovales Chitinplättchen (Fig. 4 undd Chp), jedenfalls dem Zungenlöffel bei Bienen und Hummeln gleichwerthig. Bei den Vespiden ist dieses Plättchen offenbar Schutzplaite für den darüber liegenden aus- gedehnten Nervenendapparat. Den äußeren Rand dieser Schutzplatte umgiebt ein dichter Kranz langer feiner Härchen (Fig. A.und 5 $h), die am apikalen Ende etwas nach aufwärts gekrümmt sind. ’Gleichfalls auf der Unterseite etwas weiter rückwärts sind 8 Haare (Tasthaare) in einem Halbkreis mit der Rich- tung nach vor- und abwärts in die Schutzplalte eingelenkt (Fig. 5 Tb). Auf der Oberseite der Zungenspitze findet sich ein Kranz von 12 bis 16 und alternirend mit diesem etwas weiter rückwärts ein zweiter von 8 Borsten, mit der Richtung nach vor- und aufwärts, die sich ihrem äußeren Ansehen nach wesentlich von den Tasthaaren unterscheiden. Ich bezeichne diese Borsten vorläufig als terminale Sinnesborsten der Zungenspitze; sie sind kurz stumpf, am basalen Ende in den oberen Theil eines champagnerpfropfenförmigen Chitinröhrchens eingelenkt, zeigen im Inneren eine Höhlung oder eine Rinne und werden überragt von dem Haarkranz der Schutzplatte (Fig.5 Gs und Sh). Genau die- | | : selben Verhältnisse finden sich an den Spitzen der Nebenzungen, auch bei diesen beträgt die Zahl der terminalen Sinnesborsten in der hinteren 3 I Das Geschmacksorgan der Insekten. 693 Reihe 8, in der vorderen 12—16 (Fig. I Gs). An der von Hakenbesatz freien Basis der Zunge (Fig. I Gb und Fig. 4 Gb Querschnitt) finden sich zunächst in der Mitte einige Reihen nach vorn knieförmig umge- bogener Härchen, die von der Ausmündung des medianen Brustspeichel- ganges bis zum Hakenbesatz der Zunge nahezu ein Dreieck bildend (Fig. I und 4 Lh), jedenfalls dazu bestimmt sind, den Speichel über die zu beiden Seiten der Haarreihen nach außen abfallende Zungenbasis weg, auf den Hakenbesatz der Zunge zu leiten. Zu beiden Seiten der Leithaare liegen auf der nach außen abfallen- den Basis der Zunge Gruppen von je 48—22 runden Grübchen mit ca. 5 u Durchmesser (u = 0,004 mm)!, die sich schon bei schwächerer Ver- größerung deutlich durch ihre Helligkeit von der dunkleren Cuticula der Zungenbasis abheben. Bei stärkerer Vergrößerung nimmt man in jedem Grübchen einen hellen kurzen Stift wahr, der von einem etwas dunk- leren Walle umgeben ist, so dass das ganze Gebilde den Eindruck zweier heller koncentrischer Kreise auf dunklem Grunde macht (Fig. 1 @b). Ähnliche Grübchen wie die an der Basis der Zunge finden sich auch an der Unterseite (der Zunge zugewendet) der Maxille (Fig. 3 Gm). Diese Grübchen besitzen 5,7 ı. Durchmesser, nach der Basis werden sie etwas enger (Fig. 8 a). Der den Boden durchbrechende Achsencylinder ragt aus dem Grübchen vor und besitzt einen starken Stützkegel (Fig. 8 Sk). Die Grübchen, deren Zahl zwischen 76 und 82 schwankt, sind über die ganze Vorderhälfte der Maxillenunterseite ausgestreut, sie stehen zahl- reicher nach der Spitze zu, basalwärts werden sie sparsamer, ihre An- ordnung ergiebt sich aus Fig. 3 Gm. Über den ganzen mit Grübchen besetzten Theil der Maxille breitet sich ein Fächer von 17—21 starken Borsten aus (Fig. 3 und A Shm). Diese Borsten scheinen eine starke Mittelrinne oder eine Höhlung mit einer feinen Öffnung an der Spitze zu besitzen, es ist unzweifelhaft, dass sie bei der Nahrungsaufnahme eine Funktion übernehmen, denn ich habe bei Wespen, die ich kurz nach der Nahrungsaufnahme tödtete und unter- suchte, diese Borsten mit einem dunklen, durch hellere, bikonkave Par- tien unterbrochenen Streifen ausgezeichnet gefunden. Die dunkleren Stellen rührten unzweifelhaft von eingedrungener Luft her, während die helleren Partien Tröpfchen einer Flüssigkeit darstellen, die in Folge der 1 Zur Unterstützung der Vorstellung über die außerordentliche Kleinheit dieser Gebilde dürfte ein Vergleich nicht uninteressant sein. Ein mittelstarkes Menschen- haar misst 0,035—0,04 mm oder 35—40 vu im Durchmesser, die fraglichen Grüb- chen haben daher nur einen Durchmesser, der den siebenten bis achten Theil von dem eines Menschenhaares beträgt. 894 | F. Will, Kapillarität den Wänden der Rinne oder des Röhrchens anhaftet. Bei Wespen, die lange gefastet und bei frisch ausgeschlüpften Individuen, die noch keine Nahrung aufgenommen hatten, war die erwähnte Erschei- nung nie zu beobachten. Behufs genauer Untersuchung der unter dem Integument liegenden Theile des peripherischen Endapparates der besprochenen Organe wur- den zahlreiche Köpfe von Vespa vulgaris in dorsoventrale Längs- und Querschnitte und in Horizontalschnitte zerlegt. Bei der Kleinheit der zu untersuchenden Gebilde und dem Wider- stande, den die cuticulare Chitinhülle dem Messer entgegensetzt, ist es schwierig, vollkommen gute Schnitte zu erhalten; ich habe diese Schwie- rigkeiten dadurch zu beseitigen versucht, dass ich völlig ausgebildete Imagines, deren Guticula jedoch noch nicht erhärtet war, zur Unter- suchung benutzte; um jedoch bezüglich der feineren Struktur sicher zu gehen, habe ich, so weit es irgend möglich war, die einschlägigen Ver- hältnisse mit denen am ausgebildeten Insekt verglichen und dabei nicht die geringste Abweichung konstatiren können. Der terminale Nervenendapparat an den Spitzen der Zunge und denen der Paraglossen. Die Chitinschutzplatte an der Unterseite der Zungen und Paraglossen- spitzen zeigt sich auf gelungenen Schnitten (Fig. 5 Chs) schalenförmig nach unten vertieft. In dem Hohlraume, der nach oben von dem integu- mentalen Hakenbesatz der Zunge überdeckt ist, findet sich an dem champagnerpfropfenförmigen Basaltheil jeder terminalen Sinnes- borste ein langgestrecktes, schlauchförmiges Gebilde, dessen unterer Theil etwas angeschwollen erscheint (Fig. 5 und 6), sich darauf rasch verengert und in einen der großen Zungennerven übergeht, der obere Theil gehtallmählich in den pfropfenförmigen Stiel der Borste über (Fig. 5 und 6 Chp). Auf tingirten Längsschnitten erscheint der erwähnte Schlauch als die ziemlich dickwandige Hülle eines zweiten inneren Schlauches, der am verdickten basalen Ende (der Verdickung der Hülle entsprechend) 5—7 große runde Zellen (Fig. 5 und 6 $z) einschließt, sich dann nach rückwärts fast plötzlich zu einem zarten Nervenfaden verdünnt, der die äußere dickwandige Hülle durchbrechend sich in einem der großen Zungennerven verliert, das apicale Ende dieses Innenschlauches ist lang | ausgezogen, nimmt in der Hälfte seiner Länge allmählich an Durchmesser | ab, bis es schließlich in einen feinen Faden übergeht, dessen äußerste etwas abgerundete Spitze wenig über die obere Öffnung am pfropfen- | iörmigen Basaltheile der terminalen Sinnesborste herausragt (Fig. 8 u Das Geschmacksorgan der Insekten. 695 und 6 Ac). Der vordere Theil der Borste ist mit einer tiefen Rinne ver- sehen, so dass die Spitze des Innenschlauches frei und äußeren Ein- flüssen zugänglich ist (Fig. 6 a). Die Wände des äußeren Schlauches sind von grobkörniger Struktur mit hier und da eingestreuten Kernen, in denen deutlich dunklere Kern- körperchen wahrnehmbar sind. Die großen Zellen des Innenschlauches sind unstreitig Sinneszeller, jedenfalls bipolar, obgleich ich das mit Sicherheit bis jetzt nicht konsta- tiren konnte, die Kerne sind hell und besitzen ebenfalls I oder 2 dunkle Kernkörperchen, das apicale Ende ist jedenfalls der von einem Neuri- lemm umhüllte Achsencylinder; es zeigt deutlich (auf Längsschnitten) eine dunklere Rinde, die einen feinen Faden mehr faseriger Struktur um- hüllt. Dieses Neurilemm umschließt auch die am basalen Ende befind- lichen Sinneszellen. Der freie Zwischenraum zwischen beiden! Schläuchen scheint mit einer hellen Flüssigkeit gefüllt. Ob die Öffnung bei a Fig. 6 mit einer feinen Membran geschlossen ist, vermag ich mit Bestimmtheit nicht zu sagen ; der Umstand, dass die Spitze des Achsencylinders bald mehr, bald weniger in die Rinne der Endborste hineinragt, ferner die ganz verschiedene Lage dieser Spitze zu der Wandung des pfropfenförmigen Hohlcylinders lässt vermuthen, dass diese Öffnung nicht verschlossen ist. Ob bei der geringen Weite von 4,5 w der Austritt eines Sekrets statifinden kann, ist fraglich, doch scheint dies in der That der Fall zu sein, denn ich habe auch bei diesen Borsten, wenn ich sie von Wespen untersuchte, die kurz vor dem Ab- tödten Nahrung aufgenommen hatten, genau dieselbe Erscheinung ge- funden, wie ich sie oben bei dem Fächerkranz der Maxillenborsten ange- geben habe. Außer diesen radial angeordneten Endapparaten der terminalen Sinnesborsten befinden sich in dem Hohlraum der Zungenspitze noch die zu den Tastborsten (Fig.5 Tb) gehörigen Nervenendigungen und eine An- zahl großer, runder Zellen, die mir drüsigen Charakter zu haben scheinen. Von sämmtlichen Sinnesorganen gehen sowohl durch die beiden Lappen der Zunge wie durch die Paraglossen 8 Nervenstränge (N) ab, von denen die 6 oberen zu einem Büschel vereinigt den terminalen Sinnesborsten, die beiden unteren den Tastborsten angehören. Sämmtliche Nerven- stränge zeigen in ihrem Verlauf mehrmals varicöse Anschwellungen, ‚deren jede einen deutlichen Kern enthält!. 1 Mir machen diese Nervenstränge den Eindruck langgestreckter bipolarer Zellen, die an einander gereiht in einer gemeinsamen Nervenscheide liegen. Die Sache bedarf jedoch erst einer eingehenderen Untersuchung. Es ist mir bis jetzt 696 | F. Will, Die Becherorgane an der Zungenbasis. An den oben näher bezeichneten Punkten, an denen drei der cuti- cularen Chitinplatten, die verbunden durch feinere Membranen das Inte- gument der Zungenbasis bilden, zusammenstoßen, . erhebt sich ein schmaler, ringförmiger Wulst, der nach oben eine kreisrunde Öffnung von 5 ıı Durchmesser begrenzt. Diese Öffnung bildet den Eingang zu einem Kanal, der basalwärts sich erweiternd die Guticula durchbricht (Fig. 7a). Etwa 5 u unter dem oberen Rande der Öffnung ist ein Theil des Kanals durch eine feine Membran abgeschlossen, so dass im oberen Theil der Cuticula ein etwas nach oben gewölbtes Grübehen (Fig. 7 a) entsteht. Durchbrochen wird diese Membran in der Mitte von dem api- calen Ende eines hellen Achsencylinders, der die Oberfläche der Guti- cula nicht erreicht und sich basalwärts in ein mit hellem Protoplasma (?) gefülltes länglich-ovales Bläschen verliert, dessen unteres Ende 5—7 große Zellen mit deutlichen helleren Kernen enthält (Sinneszellen). Das Bläschen scheint zunächst mit einer Nervenscheide umhüllt, die nach außen noch mit einem dickwandigen Schlauch, gleich dem, wie er bei dem termi- nalen Endapparat der Zungenspitze beschrieben wurde. Am basalen Ende des Schlauches geht ein Nerv ab (Fig. 7 Nb), der sich wahrschein- lich mit einem der großen Zungennervenstränge vereinigt. Die feinere histologische Struktur des Achsencylinders habe ich nicht ermitteln können, eben so wenig den Austritt eines Nervenstranges aus deminneren, die Zellen enthaltenden Bläschen. (Ich möchte hier nebenbei bemerken, dass ich mich in diesen Ausführungen streng an das halte, was ich wirklich habe ermitteln können, die Vermuthung liegt z. B. im gegen- wärtigen Falle sehr nahe, dass die Zellen des Bläschens bipolar sind, dass der Achsencylinder sich in mehrere feinere Fasern theilt, die mit dem einen Pol der Sinneszellen in Verbindung stehen, und dass die vom basalen Pol der Zellen ahgehenden Fasern sie eben so vereinigen und in den oben erwähnten Nervenstrang [Fig. 7 Nb] eintreten resp. von ibm umhüllt werden, doch sind das eben nur Vermuthungen, die der Unter- lage einer völlig sicheren Beobachtung entbehren.) Unter dem Nervenendapparat, dessen größere Hälfte in der Matrix- schicht liegt, und außerhalb dieser Schicht liegt eine Reihe acinöser Drüsen (Fig. 7 Dz). Die Ausführungsgänge dieser Drüsen habe ich vor- noch nicht gelungen den weiteren Verlauf der Zungennerven genau an Schnitten festzustellen. Auf transparenten Präparaten, die eine schwache Tingirung bekom- men haben, scheinen die Nervenstränge der Zunge und der Paraglossen sich zu ver- einigen und die von den Becherorganen der Zungenbasis herkommenden Nerven- 7 zweige aufzunehmen, Das Geschmacksorgan der Insekten. 697 läufig mit Sicherheit nicht nachweisen können, indess scheint es, dass dieselben in jene feinen Porenkanäle einmünden, welche zwischen den mit starken Borsten besetzten Basaltheil der Paraglossen einmünden (Fig. 1 K). Diese Borstenpolster (Fig. 1 X), von Forer sehr bezeichnend »Kamm« (peigne) genannt, finden sich zu beiden Seiten der Zungen- basis auch bei jenen Hymenopterenfamilien, deren Paraglossen verküm- mert sind. Die Borsten, die eine ähnliche Rinnenvorrichtung besitzen, wie die terminalen Borsten der Zungenspitze, Konvergiren gegen die Me- dianebene der Zunge und erstrecken sich bei der Nahrungsaufnahme jedenfalls über die beiden Grübchenfelder an der Basis der Zunge. Die Becherorgane an der Unterseite der Maxillen. Die Becherorgane an der Unterseite der Maxillen sind denen an der Zungenbasis völlig gleich (Fig. 8), namentlich was den feineren Bau des peripherischen Nervenendes anlangt. Der einzige Unterschied zwischen den beiden äußeren Bechern besteht darin, dass, wie dies auf den Quer- schnitten (Fig. 8 «) unschwer zu sehen ist, die Mündung des Kanales sich nach oben etwas erweitert und dass der Achsencylinder über die Oberfläche der Cuticula vorragt; es ist dem zufolge sowohl die den Becher abschließende Bodenmembran etwas stärker und der Achsencylinder durch einen ziemlich starken der Länge nach durchbohrten Stützkegel geschützt. Vom unteren Ende des ganzen Gebildes geht ebenfalls ein Nerv ab, der sich mit einem der Maxillennervenstränge vereinigt. Der Eintritt eines von den Sinneszellen bei Sz (Fig. 8) herkommenden Ner- venendes in den Nerv bei 5b ist hier deutlich wahrzunehmen. Die das Bläschen bei ce erfüllende Protoplasmamasse ist eben’ so wie die gleiche bei den Organen der Zungenbasis wasserhell und zeigt nur gegen das obere Ende eine ganz leichte Körnelung. | Außer dem Nerv, den erwähnten Nervenendapparaten und den Or- ganen der Tastborsten zeigt die Höhlung der Maxillen noch einige Ge- bilde drüsigen Aussehens, über die ich jedoch keine weiteren Angaben zu machen vermag. Bei den Weibchen von Vespa vulgaris zeigt sich, geringe individuelle Verschiedenheit abgerechnet, Anordnung und Bau der gesammten eben beschriebenen Organe genau eben so wie bei den Arbeitern des genannten Insektes. Männchen konnte ich bis jetzt leider noch nicht untersuchen. Bevor ich zur Deutung der Funktion, sowohl der terminalen Sinnes- borsten, wie der Becherorgane übergehe, ist es nöthig dieselben Organe einiger weiterer Gruppen der Hymenopteren zur Vergleichung heranzu- : ziehen. Die Tenthrediniden (Blattwespen) zeigen im Bau ihrer Mund- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, XLII. Bd, 46 698 F, Will, theile viele Ähnlichkeit mit dem der Vespiden, leider stand mir bisher das Untersuchungsmaterial noch nicht so ausreichend zu Gebote, dass ich im Stande wäre sichere Angaben über Einzelheiten zu machen. So viel sich bis jetzt feststellen lässt, haben die Individuen dieser Sippe an den Seiten der Zungenbasis Gruppen von je acht Bechern, die so ziem- lich dieselben Verhältnisse zeigen, wie die gleichen Grübchen bei Vespa. Auf der Maxillenunterseite scheinen diese Becher im Gegensatz zu Vespa sehr sparsam (kaum sechs bis sieben) vorhanden zu sein, eben so ist die Zabl der Borsten an Zungen- und Nebenzungenspitze, die als terminale Sinnesborsten zu deuten sind, eine geringe (etwa sieben). Auffallend ist die Größe der Becher (Grübchen), sie beträgt bei einer echten Tenthredo für die der Zungenbasis 44,8 w, für die-der Maxillenunterseite 16,7 u. Also fast das Dreifache von dem bei allen Hymenopterenfamilien. Die Ichneumoniden besitzen eine Leckzunge, die im äußeren Bau der von Vespa sehr ähnlich ist. Ich habe als Beispiel Ichneumon culpatoris Schrk. © gewählt (Fig. 9, 40, 41). Der Hakenbesatz bedeckt die vorderen zwei Dritttheile der Zungenoberseite. Der äußerste Rand der beiden Lappen an der Spitze ist mit eben solch feinen, an der Spitze etwas aufgehogenen Härchen besetzt, die von darunter gelegenen Tast- borsten (Fig. 9 Sh und 75) überragt werden wie bei Vespa. . Geschützt von diesen Härchen finden sich etwas hinter dem Vorderrande der Zungen- spitzen je 25 terminale Sinnesborsten von genau dem gleichen Bau wie hei Vespa, nämlich starke kurze Endborsten, eingelenkt in einen cham- pagnerpfropfenförmigen über die Cuticula vorragenden Basaltheil. Auf dem hakenbesatzfreien Basaltheil der Zunge finden sich beider- seits unregelmäßig zerstreut Gruppen von 12—A4 Grübchen von 2,5 u Durchmesser mit einem deutlichen helleren Mittelstift. Das dreieckige Feld der nach vorwärts gebogenen hakenförmigen Härchen der Wespen- zunge fehlt, dagegen ist trotz_des Fehlens der Nebenzungen der Kamm zu beiden Seiten der Zungenbasis (Fig. 9 K) wohl ausgebildet. Das Grüb- chenfeld auf der Unterseite der Maxillen ist so ziemlich in der Mitte dieser gelegen (Fig. 10 Gm); es ist besetzt mit 9—12 Bechern von 3,3 u Durch- messer und 4 u Tiefe. Die Wände der Becher sind, wie aus der bedeu- tend vergrößerten Abbildung (Fig. 41 Gm) hervorgeht, mehr cylindrisch als bei Vespa, der Achsenstrang ragt eben so wie dort aus dem Becher vor und ist durch einen starken Stützkegel geschützt. Überragt wird das ganze Grübchenfeld von 10—14 kurzen starken Borsten (Fig. 10 Shm), die sehr deutlich eine flache Mittelrinne (Fig. 10, Shm) zeigen. Am Grunde jeder Borste kann ich auch auf das Bestimmteste eine feine Öffnung wahr- nehmen, die auf der Seite der Rinne gelegen diese mit einem Sekret zu versorgen scheint (Fig. 10 Shmb). | Das Geschmacksorgan der Insekten. 699 Die Zungen und die Maxillen bei den verschiedensten europäischen Ameisenarten sind von Meınert und Forer auf das Genaueste be- schrieben worden, ich kann mich daher auf eine kurze Wiedergabe der Untersuchungsresultate beider Autoren, die ich völlig zutreffend gefun- den habe, beschränken. Ich füge zur Kontrolle die einschlägigen Ver- hältnisse bei einer südamerikanischen Ameisenart an, der Sa-uba (Atta cephalotes 3)!, die sich durch einen sehr entwickelten Geschmackssinn 1 Es erscheint merkwürdig, dass die Sa-üba-Ameise (Atta cephalotes), die be- kanntermaßen in ihrem Vaterlande Brasilien Baumblätter mit Hilfe ihrer Mandibeln in etwa pfenniggroße Stücke zertheilt und diese entweder als Nahrung oder zur Auskleidung der Gänge in ihre unterirdische Wohnung trägt, am liebsten Gewächse angreift, die ursprünglich nicht in ihrem Vaterlande heimisch sind. Auf der Mucury-Kolonie in Brasilien (Südosten der Provinz Minas Gera&s 180 s. Br.) waren besonders die Orangenbäume, die Rosen und die europäischen Gemüse der Zerstörung durch diese Landplage ausgesetzt und die Kolonisten können dort ihre Gemüsepflanzungen nur durch seichte Wassergräben, mit denen sie jedes ein- zeilne Beet umgeben, schützen. Bäume werden in Brusthöhe mit trichterförmigen Blechringen, das weite Ende nach abwärts, umnagelt. Fehlt das Wasser, so werden die Gemüsebeete auch wohl auf einem großen Kasten aus roh behauenen Dielen, der auf vier je circa 4 m hohen Pfosten ruht, angelegt. Die Pfosten werden in der- selben Weise geschützt wie die Bäume. Von der Raschheit der Zerstörung durch die Sa-uba macht man sich, obne es mit angesehen zu haben, schwer eine richtige Vorstellung. Von einem Baum, auf dem die genannte Ameise arbeitet, rieselt ein beständiger Regen von abgeschnittenen Blattstückchen nieder, die von den unten harrenden Arbeitern rasch in den Bau in Sicherheit gebracht werden. In wenigen Stunden ist ein mittelgroßer Baum völlig seiner Blätter beraubt. Die Sa-üba ist sehr wählerisch. Oft habe ich in den Rocas (Pflanzungen) und in der Caboeira (dem Buschwerke, das auf einer gerodeten Urwaldstrecke [Derobade] wächst), mitunter auch am Rande des Urwaldes, kleine Trupps Sa-üba beobachtet, die gleichsam auf Rekognoscirung ausgingen, auch wohl bei dem einen oder dem an- deren Busche den Versuch machten Blattstückchen abzuschneiden, ohne diesen Ver- such jedoch zu Ende zu führen. Mag nun auch der Zähigkeitsgrad der Blätter mit ein Grund zum Verlassen der begonnenen Arbeit sein, so werden doch auch die Geschmacksorgane, die bei der Sa-üba sehr ausgebildet sind, durch den ausfließen- den Blattsaft unwillkürlich als beurtheilende Organe mit beigezogen. Ich habe wenigstens öfter beobachtet, wie die Ameise nach einem der erwähnten Probever- suche sich Zunge und Mandibeln emsig reinigte, wobei sie sich eben so benahm, wie ich das später an Wespen, die an übelschmeckende Nahrung gerathen waren, wahrgenommen habe. Dass das Insekt die Blätter des veredelten Orangenbaumes mit Vorliebe zu seinen Angriffen wählt, die wilden Triebe dagegen, die demselben Stamm entspros- sen, unberührt lässt, scheint ebenfalls auf eine Unterscheidung durch den Ge- schmackssinn hinzudeuten. Merkwürdig bleibt es jedenfalls, dass dort die einge- _ führten Gewächse besonders unter den Angriffen der Insekten zu leiden haben, während, nach entomologischen Erfahrungen, in Europa das umgekehrte Verhältnis 46* 700 F. Will, auszeichnet. Bei allen Ameisenarten, die ich bis jetzt untersuchte, fällt zunächst ein Umstand auf, den ich für die Deutung der analogen Organe an der Zungenspitze der übrigen Hymenopterenfamilien für sehr wichtig halte, die terminalen Sinnesborsten sind hier durch Becher oder Grüb- chen ersetzt, die genau den gleichen Bau zeigen, wie.die Grübchen an der Zungenbasis und der Maxillenunterseite (Fig. 12 Gs). Die beiden Chitinlamellen, die ForeL an der Zunge von Formica pratensis 3 angiebt, sind jedenfalls der Schutzplatte bei den Vespiden und Tenthredinen so wie dem Löffelchen der Apiden morphologisch gleich. Sie finden sich auch bei Atta. Die Zahl der Grübchen an der Zungenspitze ist nie besonders groß. So sind z. B. bei Lasius flavus 8 nur 6 mit 4 u Durchmesser, bei Atta cephalotes 5 mit 5 « Durchmesser vorhanden. Deutlich ist in der Mitte des ziemlich cylindrischen Bechers das helle Ende des Achsencylinders erkennbar, der durch einen schwachen Stützkegel geschützt ist, jedoch nicht über die Oberfläche der Cuticula vorragt. Die Grübchen auf der freien Zungenbasis stehen meist in einer regelmäßigen, seltener wie bei der Sa-uba in zwei unregelmäßigen Reihen, die mit der hinteren Grenzlinie des Hakenbesatzes der Zunge ziemlich parallel laufen (bei der Sa-üba ist der Abstand in der Median- ebene etwas größer als an den Enden). Die Zahl der Grübchen, die in Bau und Größe denen an der Zungenspitze völlig gleich sind, variirt nicht nur bei den verschiedenen Arten sehr beträchtlich, sondern sie ist auch bei derselben Art großen individuellen Schwankungen unterworfen. Ich zähle z. B. bei Lasius flavus an verschiedenen Individuen 20—24. Bei Atta (Fig. 12 Gb) 40—52. | Die Grübchen auf den Maxillen stehen ausnahmslos in einer Reihe, die so ziemlich parallel mit dem äußeren zunächstliegenden Rand der Maxille in einiger Entfernung von diesem verläuft (Fig. 13 Gm). Eben so erstreckt sich längs der ganzen Grübchenreihe, diese mit den Spitzen eben noch überdeckend oder berührend und so ziemlich parallel zu ihr eine dichtgedrängte Reihe Borsten hin (Fig. 43 Shm), die in ihrem Bau genau den Schutzborsten auf den Maxillen bei den übrigen Hymenopteren- familien gleichen. Die Zahl der Grübchen ist hier noch größeren individuellen Schwan- kungen unterworfen als bei den gleichen Gebilden auf der Zunge; so finde ich bei Lasius flavus 3 auf der rechten Maxille sieben, auf der linken acht Grübchen mit fast 5 u Durchmesser. Der Bau der Gebilde ist genau der gleiche wie bei denen an Zungenbasis und Spitze. Sehr stattfindet. So bleibt z. B. die Rosskastanie, die Platane, der Pfirsichbaum, der | Nussbaum bei uns von Insektenangriffen fast völlig verschont. J Das Geschmacksorgan der Insekten. 701 merkwürdig ist die Lage und der äußere Bau der Grübchen bei der Sa-uba. Die Grübchen erscheinen hier stark trichterförmig, der obere Band nach der Maxillenspitze hin in einen Winkel ausgezogen (Fig. 14 Gm). Der obere Durchmesser nach der Schmalseite beträgt durchschnittlich %,5—5 u, der untere nur 2,5—3 u. Der Achsencylinder in Mitte des Grübchenbodens zeichnet sich sehr scharf von der Umgebung durch seine Helligkeit ab, der Stützkegel ist stärker als bei den Grübchen der Zunge, er ragt jedoch ebenfalls nicht über die Oberfläche der Cuticula vor. Die gegenseitige Lage der Grübchen ist fast bei jedem Individuum (ich habe deren 12 untersucht) eine andere, eben so die Zahl eine sehr verschiedene. Letztere schwankt zwischen 42 und 45. Meist sind je zwei benachbarte Grübchen in der Weise, wie bei Fig. 14 Gm angegeben, fast verschmolzen, bei einzelnen Individuen sah ich sogar drei solche verkuppelte Grübchen, dazwischen stehen einzelne, oder die ganze Reihe ist paarig verkuppelt und nur das letzte einzeln (wie bei Fig. 13 Gm), kurz es herrscht hier die denkbar größte Mannigfaltigkeit. Die Saugzunge der Apiden ist von Woır bei Apis mellifica und von KrarpeLın bei Bombus untersucht, ich habe meine eigenen Unter- suchungen über eine größere Zahl von Bombusarten, einer Art Osmia und Apis mellifica 3 ausgedehnt. Terminale Sinnesborsten (schon von Krarrerın bei Bombus beob- achtet) finden sich an der Spitze der Zunge und längs der unteren Rüssel- rinne bei allen Apiden ; sie weichen im Bau etwas von denen der Vespi- den und Ichneumoniden ab. Die Borste ist länger, schlanker, indess auch mit einer Rinne versehen, bezüglich der ich dieselbe Beobachtung gemacht habe wie bei Vespa, der pfropfenförmige Basaltheil ist sehr kurz und steht in einer kleinen Grube, so dass der Bau dem der Tastborsten sehr nahe kommt (Fig. 15 Gs). Vor diesen terminalen Borsten am Stiel des Löffelchens und zwar so, dass die letzteren die ersteren überragen, findet sich ein dichter Kranz feiner Härchen, die jedenfalls den Schutzhärchen an den Spitzen der Wespenzunge homolog sind; vor diesen Härchen mit eben solchen auf der Fläche besetzt ragt das schalenförmig vertiefte Löffelchen vor (Fig. 15 L). Die Zahl der terminalen Sinnesborsten, die sich von der Spitze in zwei Reihen zu Seiten der unteren Rüsselrinne alternirend hinziehen, beträgt bei Apis 10—12 (Fig. 15 Gs,, Gsy ete.), die Zahl der die Zungenspitze umstehenden vier. Diese Zahlenverhältnisse, individuelle Schwankungen ungerechnet, finden sich genau auch bei Bombus und Osmia. Die Becher der Zungenbasis hat WoLr für Apis _ mellifica an der richtigen Stelle angegeben. Es finden sich dicht hinter der Einschnürung der Zungenbasis auf der herzförmigen Platte (Hypo- 702 | F, Will, pharynx! nach Woır) zwei Felder von je 25 runden Grübchen mit 5 u Durchmesser, die bei sehr scharfer Vergrößerung deutlich das hellere Ende des Achsencylinders in der Mitte erkennen lassen. Diese Grüb- chenfelder befinden sich vor der Mündung des Brustspeichelganges. Genau die gleichen Lageverhältnisse finden sich auch bei Osmia (Fig. 16) und Bombus. Bei ersterer beträgt die Zahl der Grübchen je 14—16, mit 5,5 « Durchmesser, bei letzteren sind die Grübchen außerordentlich klein (kaum 3,7 # Durchmesser), ihre Zahl schwankt zwischen 20 und 24 auf jedem Felde. Die Borsten an der Basis der Labialtaster (Fig. 16 Li), die sich bei der Nahrungsaufnahme über die Grübchenfelder legen, scheinen bei den Apiden dieselbe Funktion zu haben wie die Borstenpolster (Kämme) bei den übrigen Hymenopterenfamilien. Auch bei den Apiden finden sich auf der Maxillenunterseite zahl- reiche Grübchen mit kurzen starken Stützkegeln, die allerdings länger sind, d.h. mehr aus den Bechern vorragen als beiden übrigen Hymenopte- ren. Fig. 17 Gm zeigt diese Gebilde in starker Vergrößerung von Bom- bus und zwar nach einer Transparentaufnahme beim lebenden Insekt. Die Zahl der Grübchen lässt sich sehr schwer feststellen, doch sind es kaum mehr als 40 auf jeder Maxille, sie stehen dichter an der Spitze der Maxille, sparsamer an der Basis, sind aber im Allgemeinen über die ganze Unterfläche der Maxille verbreitet. Auch auf den Labialtastern zeigen sich solche Grübchen. Der Bau ist genau derselbe wie der auf den Maxillen. Über die mit Grübchen bestan- dene Fläche der Maxillen sowohl wie der Labialtaster breiten sich Schutz- borsten aus, wie das WoLr von der Biene ganz richtig angegeben hat. Schlussfolgerungen. Es steht mir zweifellos fest, dass die Grübchen oder Becher auf derZungenbasisundderMaxillenunterseite peripherische Endorgane des Geschmacksorganessind. Sıe erfüllen die Eingangs angeführten Vorbedingungen, d. h, das Nervenende tritt frei an die Oberfläche, ist sonach direktem chemischen Reiz zugänglich, die betreffenden Stellen können mit Speichel übergossen werden, wie sich das aus einem dorsoventralen Medianschnitt durch den ! Ich gebrauche Bezeichnungen wie Hypopharynx etc. nur im Sinne der je- weilig citirten Autoren, da dieselbe Bezeichnung von verschiedenen Autoren oft auf morphologisch verschiedene Theile der Mundpartien bei Insekten angewendet werden. Ich habe es aus demselben Grunde auch vorläufig vermieden neue Be- zeichnungen einzuführen. Eine richtige Benennung der. gleichwerthigen Theile kann dann erst erfolgen, wenn einmal sämmtliche Insektenordnungen auf ihre Mundtheile morphologisch untersucht sein werden. Einen Anfang hierzu hat z.B. KRAEPELIN in ganz vortrefilicher Weise bei den Musciden gemacht. | 4 Das Geschmacksorgan der Insekten. 703 Vordertheil des Wespenkopfes (Fig. 18) für die Grübchen der Zungenbasis unzweifelhaft ergiebt, aber auch die Unterseite der Maxillen kann während der Nahrungsaufnahme so nahe an den mit Nahrung erfüllten Haken- besatz der Zunge gebracht werden, dass ein reichlicher Erguss von Speichel aus der Brust- oder Kopfspeicheldrüse auch die Organe der Maxille mit diesem versehen kann; die fächerförmig ausgebreiteten Schutzborsten auf der Maxille bei Vespa scheinen eben so wie die ana- logen Borsten bei den übrigen Hymenopteren theils das Zurückhalten von’ Speichel behufs der Reinigung, theils den Schutz der zarten Nerven- enden zu besorgen, es schließt dies gleichzeitig die Funktion der Becher- organe als Tastorgane aus, abgesehen davon, dass außerdem in der Nähe der betreffenden Stellen reichlich für die Vermittelung der Tastempfin- dung durch ausgesprochene Tastborsten gesorgt ist. Dieselbe Rolle wie die Schutzborsten der Maxillenunterseite scheinen die Borstenpolster (Kämme nach Forer) an der Wurzel der Paraglossen oder deren Stelle gegenüber den Geschmacksbechern der Zungenbasis zu spielen. Eine Deutung dieser Becherorgane als die peripherischen Endorgane etwa eines sechsten uns unbekannten Sinnes halte ich für ausgeschlossen, oder wenn ein solcher sechster Sinn wirklich vorhanden sein sollte, so ist die durch ihn vermittelte Wahrnehmung jedenfalls unserer Geschmacks- wahrnehmung homolog, und es kann sich nur um den höheren oder niederen Grad der Wahrnehmungsfähigkeit handeln. Über die Bedeutung der Rinne an den Schutzborsten und über die Frage, ob hier in der That ein Sekret abgesondert wird, hoffe ich erst noch eine Reihe von Versuchen anzustellen, zu denen es mir leider zur Zeit'an lebendem Material gebricht. 'Es erübrigt noch, die terminalen Sinnesborsten an der Zungenspitze zu betrachten, Man könnte zweifelhaft sein, ‘ob diese Gebilde mit ihrem von den Geschmacksbechern der'Zunge so abweichenden Bau als Geschmacks- organe zu deuten sind, indess glaube ich sicher auch diese Endorgane als Geschmacksorgane in Anspruch nehmen zu dürfen. Für diese Annahme spricht ‚eine Reihe von Gründen, unter denen ich nur folgende hervorheben will. Zunächst geht aus der genauen Beobachtung der Einzelheiten in der Funktion der Zunge bei Beginn der Nahrungsaufnahme hervor, dass auch die Zungenspitze mit einein Geschmacksorgan versehen sein muss. ©sDas Versuchsinsekt prüft zunächst die vorgesetzie Nahrung mit Hilfe seiner Fühler auf den Geruch, ‚dann erfolgt. erst bei den Vespiden und den übrigen mit einer Leckzunge versehenen Hymenopteren die Schwel- 704 F, Will, lung und bei den Apiden das Vorklappen der Zunge, deren Spitze mit der Nahrung in Berührung gebracht wird. Der Zeitpunkt des Beginnes der Nahrungsaufnahmeistgenaufestzustellen, er zeigt sich durch eine lebhafte Kontraktion des Abdomens an, der dann die rhyth- mischen Saugbewegungen folgen. Ist die Nahrung nicht geeignet, so erfolgt, wenn die übelschmeckende Substanz stark vorherrscht, ein augenblickliches Verlassen derselben, ohne dass, eine Saugbewegung stattgefunden hätte; ist dagegen der üble Geschmack durch Beimengung von Honig, Zucker etc, überdeckt, so führt das Insekt erst einige Saug- bewegungen aus, ehe es die Nahrung verlässt. Muss nun auch zuge- geben werden, dass durch die Kapillarthätigkeit der Zungenborsten- zwischenräume ein Aufsteigen der: Nährflüssigkeit zur Zungenwurzel möglich, ja fast gewiss ist, so erfolgt dasselbe jedenfalls nicht so rasch (namentlich bei der langen Zunge der Apiden), dass nicht wenigstens eine gewisse der Beobachtung zugängliche Zeitdauer nöthig wäre; da jedoch das Verlassen vorherrschend übelschmeckender Nahrung augen- blicklich erfolgt, so ist jedenfalls auch die Annahme gerechtfertigt, dass auch an der Zungenspitze sich Geschmacksorgane vorfinden. Auch der Bau der Zungenspitze unterstützt diese Annahme. Wären die terminalen Sinnesborsten Tastorgane, so würden sie jeden- falls möglichst frei vorragen, dies ist jedoch nicht der'Fall. Die frag- lichen Sinnesorgane scheinen vielmehr sorgfältig geschützt und zwar einerseits durch den Haken- und Borstenbesatz der Zunge, ‘andererseits durch den dichten Kranz der Schutzhaare, der zugleich bei den Apiden, wo die Terminalborsten in’ den Schutzhaarkranz eindringen, das Zu- standekommen einer Geschmacksempfindung eher zu vermitteln als zu hin- dern geeignet ist. Außerdem mussberücksichtigt werden, dass wenigstens beiden Vespiden und Ichneumoniden noch besondere Tastborsten vorhan- den sind, diesich sowohl durch Lage wie durch Bau als solche dokumentiren. Einen weiteren Beweis für die Richtigkeit der aufgestellten Behaup- tung möchte ich in der Form der Organe bei den Ameisen sehen. Die Becher an der Zungenspitze der Ameisen sind denen an der Zungenbasis völlig gleich gebaut, daher sicher als Geschmacksorgane in Anspruch zu nehmen. Es wird sich allerdings erst durch die Vergleichung der Ent- wicklung feststellen lassen, ob die Becherorgane und die Terminalborsten morphologisch gleichwerthige Gebilde sind, allein ich zweifle nicht im entferntesten daran, dass dem wirklich so ist. Es erübrigt noch die Frage kurz zu besprechen, ob sich noch an anderen Stellen der Mundiheile, als den vorstehend beschriebenen, oder in der Mundhöhle, Nervenendapparate vorfinden, die als Geschmacksorgane zu deuten sind. i | Das Geschmacksorgan der Insekten. 705 Ich muss diese Frage nach dem Stande meiner Untersuchungen vor- läufig auf das Bestimmteste verneinen. Diesgilt auch bezüglich des Worr’schen Geruchsorganes (Gaumensegel). All den zahlreichen Nervenendorganen der Mundhöhle fehlt die erste Vorbedingung, die ich Eingangs aufgestellt habe, die Nervenenden treten nicht in direkte Be- rührung mit der Nahrung. Ich muss indess ausdrücklich bemerken, dass sich namentlich auf dem Pharynx zahlreiche Gebilde vorfinden, die bei oberflächlicherer Beobachtung den Geschmacksbechern sehr ähnlich sehen (ein Umstand, durch den sich jedenfalls Josepa hat täuschen lassen). Bei genauer Beobachtung zeigen sich jedoch in all’ diesen zahlreichen Grübchen sehr feine blasse Haare, die weder mit einer Rinne versehen, noch an der Spitze durchbohrt sind, so dass siekeinesfalls zur Vermittelung der Geschmacksempfindung dienen können; auch liegt durchaus keine Nothwendigkeit vor, auch diese Gebilde noch als Geschmacksorgane zu deuten, dafür scheinen die Geschmaäcksborstender Zungenspitze, und die Becherapparate auf der Zungenbasis und Maxillen- unterseite völlig ausreichend. Die Beschreibung der Geschmacksorgane bei den übrigen Insekten- ordnungen, zunächst bei den Dipteren und Lepidopteren hoffe ich in Bälde folgen zu lassen, eben so die der Larven und die Entwicklung; für letztere hat nur die Beschaffung geeigneten Materials bei manchen Ord- nungen einige Schwierigkeit. Erklärung der Abbildungen. Allgemein gültige Bezeichnungen. Ni, Neurilemm desselben; Mb, Bodenmembran der Geschmacks- becher; Zs, Zungenspitze; Zb, Zungenbasis; Nz, Nebenzungen; Gs, Geschmacksborsten der Zungenspitze (bei Ameisen Becher); Gb, Geschmacksbecher der Zungenbasis; Gm, Geschmacksbecher der Maxillen- unterseite; Sh, Schutzhaare der Zungenspitze; K, Kamm, Schutzborsten derZungenbasis; ‚Shm, Schutzborsten d. Maxillenunterseite; ‘ Ac, Achsencylinder des Geschmacksor- ganes; Sk, Stützkegel desselben ; Sz, Sinneszellen des Geschmacksorganes ; N, Zungennerv; Nm, Maxillennerv; C, Cuticula ; Mz, Matrixzellen der Cuticula (Chitin); Dz, Drüsenzellen; Lh, Leithaare der zhdenphsn Lt, Labialtaster; Mi, Maxillartaster ; Hd, Hakenbesatz der Zunge; Tb, Tastborsten; Bsp, Ausmündung des Bine pn sl@lelaer bei Vespa. 706 F. Will, Tafel XXVL. Fig. A. Zunge von Vespa vulgaris 8, von der Oberseite. (Die Zunge ist etwas | nach rechts gedrückt. Der Hakenbesatz auf dem größten Theil der Zunge nur sche- | matisch durch punktirte Linien angedeutet.) Seıs., KrAFt. Obj. II, Oc. 0. Vergr. 55. Fig. Aa. Drei Spatel von dem Hakenbesatz der Zunge von Vespa vulgaris $. | SEıB., Krart. Obj. IV, Oc. 0. Vergr. 140. | Fig. 2. Querschnitt durch die Zunge von Vespa ulgratı 8 nach a—B Fig. A. | Seıß., KrArt, Ocj. II, Oc. 0. Vergr. 55. Fig. 3. Unterseite der linken Maxille von Vespa vulgaris 8. SeEıs,, KrArr. .Obj. II, Oc. 0. Vergr. 55. | Fig. 4. Querschnitt durch die Zungenbasis (Zd), Nebenzunge (Nz) und rechte Maxille (Mx) von Vespa vulgaris. Seım., Krart. Obj. II, Oc. 0. Vergr. 55. Fig. 5. Dorsoventraler Längsschnitt durch die Zungenspitze (Fig. 4 e&—£) von Vespa vulgaris 8 (die Matrixzellen hatten sich am Präparat theilweise abgelöst und | sind schematisch ergänzt). SEIıB., KRAFT. Immersion VI, Oc. 0. Vergr. 630. (Die Originalzeichnung ist durch photographische Reproduktion um die Hälfte verkleinert. Fig. 6. Zwei Geschmacksborsten der Zungenspitze (terminale Sinnesborsten) bei Vespa vulgaris 8 mit dem dazu gehörigen Nervenendapparat durchschnitten. (Die Originalzeichnung ist um 1/3 verkleinert.) Fig. 6a. Abgeschnittenes Stück einer Geschmacksborste, um die Rinne zu zeigen. | SEıB., KrArt. Im. VII, Oc. 0. Vergr. 630: (Um 1/, verkleinert.) f Fig. 7. Längsschnitt durch den Nervenendapparat der Geschmacksbecher n | der Zungenbasis von Vespa vulgaris 8. Seıs., Krart. Im. VII, Oc. 0. Vergr. 630. Fig. 7a. Medianschnitt durch die Chitintheile der Geschmacksbecher an der Zungenbasis von Vespa vulgaris 3. SEıB., Krart. Im. VII, Oc. I. Vergr. 900. Fig. 8. Längsschnitt durch die Geschmacksbecher und den dazu gehörigen Nervenendapparat der Maxillenunterseite von Vespa vulgaris 8. SeEıs,, KRAFT. Im. VII, Oc. 0. Vergr. 630. Fig. 8a. Medianschnitt durch die Chitintheile des vorstehenden Geschmacks- | bechers. Vergr. 630. Fig. 9. Zunge von Ichneumon culpatorius @, von der Seite. Seıs., KrArt. Obj. IV, Oc. 0. Vergr. 440. | Fig. 40. Unterseite der linken Maxille von Ichneumon culpatorius @. SEı., |, Krart. Obj. II, Oc. 0. Vergr. 55. | Fig. 44. Stark vergrößerte Geschmacksbecher und Schutzborsie von der Maxil- lenunterseite von Ichneumon culpatorius. Seıs., Krart. Im. VII, Oc. 0. Vergr, 630. Fig. 42. Zunge von Atta cephalotes 8 (Sa-üuba-Ameise), von der Seite (der vor- dere Theil der Zunge und der Kamm sind nur angedeutet). SEıB., Krart. Obj. IV, Oc. 0. Vergr. 440. Fig. 43, Unterseite der rechten Maxille von Attacephalotes (Sa-üba). SEıB., KRAFT. Obj. I, Oc. 0, Vergr. 55. Fig. 44. Vergrößerte Geschmacksbecher der Meile von Atta ‚eophalyäeR (paarig). SEIB., Krart. Im. VII, Oc. 0. Vergr. 630. Fig. 45. Zungenspitze von Apis mellifica 8. L, Löffelchen ; Hd, Haarbesatz der Zunge. SEıB., KrAFrT. Obj. IV, Ob. 0. Vergr. 440. Fig. 46. Basis der Zunge von Osmia, von oben. SEıB., Krart. Obj. IV, Oc. 0. Vergr. 440. Fig. 47. Geschmacksapparat der Maxille von Bombus. Nach der transparenten | | | Das Geschmacksorgan der Insekten. 707 Maxille des lebenden Insektes gezeichnet. SeEıB., KrArt, Im. VII, Oc. 0. Vergr. 630. (Die Originalzeichnung ist um 1/3 verkleinert.) Fig. 18. Schematischer dorsoventraler Längsschnitt durch die Mitte des Vorder- theiles am Wespenkopfe. Z, durchschnittene Zungenmitte; Lh, Leithaare; Gb, Ge- schmacksorgane der Zungenbasis; Ph, Pharynx; Ksp, Kopfspeicheldrüsen (paarig); Bsp, Brustspeichelgang; R, Retraktor der Zunge; EI, Elevator (paarig) des Ver- schlusses vom Brustspeichelgang; Dz, Drüsenzellen; WO, Gaumensegel (Worr’sches Organ); Ol, Oberlippe (Labrum); Spd, Speichelreservoir. Die sämmtlichen Zeichnungen sind, wenn nicht ausdrücklich. besonders ange- geben, mit Hilfe des ZEıssschen Prismas genau nach dem Präparat gefertigt, daher manche kleine Verschiebungen, wenn es ohne Störung des Gesammtbildes geschehen konnte, mitgezeichnet. Über einen neuen Entwicklungsmodus bei den Nematoden. Von Dr. von Linstow in Hameln. Mit Tafel XXVII. Im Darme von Triton alpestris, seltener von Triton cristatus lebt eine Nematoxys-Art, die wahrscheinlich schon von einzelnen früheren Beobachtern gefunden und mit Nematoxys ornatus verwechselt ist; sie unterscheidet sich von letzterer aber durch verschiedene auffallende Merkmale und schlage ich vor, sie Nematoxys longicauda zu nennen. Die Art tritt in sieben verschiedenen Entwicklungsformen auf. 1. Die Embryonalform. Mit den Exkrementen der Tritonen gelangen die von den geschlechts- reifen Weibchen in den Darm deponirten, dünnschaligen Eier ins Wasser, wosie den bereits fertig entwickelten Embryo ausschlüpfen lassen (Fig.1). Derseibe ist 0,57 mm lang und 0,036 mm breit; die Gestalt ist plump, der Schwanz ist pfriemenförmig zugespitzt, der Mund unbewaffnet, und der ganze Körper ist mit glänzenden Kügelchen dicht durchsetzt, die nur an den beiden Körperenden sparsamer werden, so dass der Körper hier hyalin erscheint; innere Organe sind nicht zu erkennen, weder Öso- phagus noch Darm sind sichtbar. 2. Die Wasserlarve. Kurze Zeit nach dem Hineingelangen der Eier ins Wasser zerstört der Embryo durch seine lebhaft gewordenen Bewegungen die zarte, membranöse Eihülle und gelangt ins Freie, wo sein Ansehen sich in 24 bis 48 Stunden wesentlich verändert (Fig. 2). Der Körper streckt sich, er wird länger und schmäler; die Länge beträgt nun 0,64 mm, die Über einen neuen Entwicklungsmodus bei den Nematoden. 709 Breite aber nur 0,029 mm; Ösophagus und Darm treten auf und hat ersterer zwei Anschwellungen, die beide längsgestreckt erscheinen; der hintere zeigt die Andeutung von Ventilzähnen; wir haben es also mit einer Rhabditis-Form zu thun; die Zeit vom Hineingelangen der Eier ins Wasser bis zum Ausschlüpfen dauert durchschnittlich 3 Tage; der Öso- phagus misst !/; ,, der Schwanz !/,, der Gesammtlänge; der Mund hat keinerlei Bewaffnung und eine Geschlechtsanlage ist noch nicht sichtbar. Die Bewegungen im Wasser sind sehr lebhaft und Nahrung wird nicht aufgenommen, so findet auch kein weiteres Wachsthum und keine weitere Entwicklung statt. Die Haut zeigt keine Ringelung. 3. Die junge Lungenlarve. Die Wasserlarven wandern in die Lunge der Tritonen ein, welche sie massenhaft bevölkern; die Länge beträgt 0,59 mm, die Breite 0,039 mm, es zeigt sich also bald ein gewisses Dickenwachsthum und was diese Entwicklungsform von den beiden vorigen unterscheidet, ist das Auftreten von einem großen, eigenthümlichen Organe, das eine ober- flächliche Ähnlichkeit mit einem Trematoden -Saugnapfe hat (Fig. 3). Das halbkugelförmige Organ liegt nicht weit vom Kopfende an der Bauch- seite des Thieres; die erste Anlage (Fig. 4) besteht in einer rundlichen Scheibe, von der 2 hyaline Drüsenkörper nach hinten entspringen ; bald wächst das Organ mehr und mehr und die beiden Drüsen wachsen zu zwei langen hyalinen Schläuchen mit gemeinschaftlichem Ausfüh- rungsgange aus, der in das Centrum des Organes tritt; es muss hier gleich gesagt werden, dass wir es nicht mit einem Saugnapf, sondern mit der Mündung der Exkretionsgefäße zu thun haben, welche zwar noch in der geschlechtsreifen Form zu finden ist, in der Larve aber eine ganz ungewöhnliche Entwicklung erreicht und mit dem Eintritt der Ge- schlechtsreife verhältnismäßig sehr stark schwindet. Die Haut ist fein quergeringelt, der Ösophagus hat nur noch die hintere Anschwellung, welche sehr langgestreckt ist und dicht hinter der Exkretionsöffnung liegt; der Ösophagus misst 1/,, der Schwanz !/; , der ganzen Länge; eine Geschlechtsanlage ist nicht sichtbar und die Be- wegungen sind sehr lebhaft; der Mund ist unbewaffnet. 4. Die halberwachsene Lungenlarve. Bei den Larven, welche bis zu 1,90 mm Länge und 0,082 mm Breite erwachsen sind, deren Ösophagus 1/,. und deren Schwanz 1/;» . der ganzen Länge misst, unterscheidet man zwei Schichten der Cuticula, von denen die äußere, feinere, regelmäßig quergeringelte !/,,, die innere, derbere !/;, der Körperbreite misst. An der Exkretionsöffnung treten 710 Be 2.200. 2 von. Linstow, außer den angeführten in sie mündenden Exkretionsgefäßen noch beson- dere Anhangsdrüsen auf, welche an derselben Stelle münden und hier- unter. besprochen werden; dieselben sind nach der Schwanzseite hin gelagert. In der Bauch- und Rückenseite treten mächtige Plasmastränge auf, 11/,, des Körperdurchmessers breit und 1/,, dick ; sie enthalten stark lichtbrechende Kügelchen; seitlich links und rechts an sie lagern sich Längsstränge, im Ganzen also vier, welche !/, der Körperbreite messen ; sie sind undurchscheinend und entsprechen vier starken Muskelsträngen, welche von vorn nach hinten den Körper durchziehen. Liegt der Nema- tode so, dass Bauch- oder Rückenlinie gerade nach oben sieht, was viel- fach der Fall ist, da der Körper von der Rücken- nach der Bauchseite plattgedrückt ist, so erblickt man einen breiten, durchscheinenden Mittel- streifen, der von zwei dunklen Seitenstreifen, den Muskelzügen, eingefasst ist; ein ähnliches Bild erhält man, wenn es gelingt, den Körper genau auf eine Seite zu legen ; diese Verhältnisse bleiben während des ganzen Lar- venstadiums bestehen und geben den Thieren ein eigenthümliches, charak- teristisches Ansehen. Die Bewegungen, welche bisher lebhaft waren, werden nunlangsam und beschränken sich aufein Hin-undHerbiegen des Körpers. Der Mund istunbewafinet und Geschlechisorgane finden sich nicht, 5. Die erwachsene Lungenlarve mit Bohrzahn. In. der Tritonen-Lunge wächst nun die Larve zu einem großen, cylindrischen Tbier (Fig. 5) heran, das träge. Bewegungen zeigt; die Länge beträgt 3,2 mm, die Breite, 0,26 mm; der Ösophagus misst 1/j3,5, der pfriemenförmig zugespitzte Schwanz !/,, der ganzen Länge. Die Form ist also dick und spindelförmig, die beiden Körperenden sind zugespitzt; der Körper ist sehr zart und platzt leicht im Wasser, durch den Druck des Deckgläschens in der Regel, und quellen die inneren Organe dann aus der Exkretionsöffnung hervor. Die meisten Exemplare trifft man in Häutung und beim Zutritt von Wasser wird die abzustoßende Haut mantelartig abgehoben. Der Darm ist mächtig ent- wickelt, während von inneren Geschlechtsorganen noch nichts zu bemer- ken ist. Der von auffallenden Ganglienmassen umgebene cylindrische Ösophagus schwillt am Ende zu einem in die Länge gestreckten Bulbus an von 0,036 ınm Länge, an dem man zwei Schichtungen unterscheidet, von denen die innere einen Stützapparat von Chitin zeigt. Am After bemerkt man eine nach hinten gerichtete, kugelförmige und zwei nach vorn verlaufende, lange, schlauchförmige Anhangsdrüsen. Das Kopf- ende ist durch einen nadelförmigen, auf einer kleinen halbkugelförmigen Erhöhung sitzenden Bohrstachel ausgezeichnet, mit dem das Thier sich seinen Weg; durch das Lungengewebe bahnt. Die Cuticula ist zwei- 2 . — « Über einen neuen Entwicklungsmodus bei den Nematoden. 711 schichtig und in regelmäßigen Abständen quergeringelt. Neben der Vor- derhälfte des Ösophagus liegen große Drüsenstränge, welche vielleicht als Speicheldrüsen zu bezeichnen sind. Papillen bemerkt man auf der Cuticula nicht. Auffallend ist, dass bei diesen Larven ohne innere Ge- nitalanlagen die der Cuticula angehbörigen Gebilde des männlichen Ge- schlechtsapparates, die 42 Haftapparate, die Spicula, deren Stützrinne, die Papillen des Schwanzendes, welche bei der Schilderung des ge- schlechtsreifen Männchens näher beschrieben werden sollen, bereits völlig entwickelt sind. Das auffallendste Organ am ganzen Körper aber ist die mächtig entwickelte Exkretionsöffnung (Fig. 8u.9). Sie nimmt bald !/,, bald ?/; der ganzen Körperbreite ein und zeigt einen sehr kom- "plieirten Bau. Von der Bauchseite betrachtet, sieht man in eine je nach dem Kontraktionszustande bald halbkugelförmig erweiterte, bald flaschen- förmig verengte Höhlung, deren äußere Mündung ich bis auf eine kreis- förmige Öffnung von 0,043 mm Durchmesser ‚zusammengezogen sah, während sie im Tode weit klaflt und die Höhlung dann schüsselförmig erscheint, im Leben aber vielleicht ganz geschlossen werden kann. Durchschnittlich maß ich die Länge des ganzen Organs mit 0,13 mm, die Breite mit 0,16 mm. Man unterscheidet vier Schichtungen, welche zwiebelschalenför- mig um einander gelagert sind; die innere Auskleidung des Lumens ist von radiären Stäbchen’ gestützt und stellt eine ziemlich mächtige Schicht dar; nach außen wird dieselbe umlagert von einer Ringmuskel- schicht, um welche sich außen wieder eine Radiärmuskellage legt; mit- unter bemerkt man nach außen von dieser noch eine Drüsenschicht; die äußere Öffnung aber ist von einem starken Sphinkter umgeben. Bei der größtmöglichen Kontraktion scheinen die Stäbchen der inneren Aus- kleidungsschicht eng an einander zu liegen und so eine Ebene darzustellen, welche einer Saugbewegung widerstehen kann. An den Grund der Höh- lung treten die beiden sich hier vereinigenden Exkretionsgefäße, welche Anfangs nur etwas über die Mitte des Körpers nach hinten reichen und zuerst 2/,,, dann 1/,, Körperbreite zeigende Blindschläuche mit cy- lindrischen Anschwellungen sind; außerdem setzen sich an dieselbe Stelle mehrere große, schlauchförmige Anhangsdrüsen. Noch vor voll- endetem Wachsthum der Larve sind die Exkretionsgefäße auf das kleine Volumen zusammengezogen, welches sie im geschlechtsreifen Thiere haben ; ihr Querdurchmesser beträgt 0,043 mm; es sind starkwandige Gefäße, deren Wandungen querverlaufende Muskeln zeigen; auch be- merkt man seitlich abgehende Nebenäste (Fig. 9 a, c), deren Wandun- _ gen zarter erscheinen und deren Muskeln sparsamer vertheilt sind. Die Bestimmung dieses mächtigen Organs ist schwer zu ergründen. In 4112 von Linstow, dieser auffallenden Entwicklung kann es nur für die Larve einen Nutzen haben, denn im geschlechtsreifen Thiere ist es auf ein eiförmiges Organ von etwa 1/, Körperdurchmesser beschränkt. Vielleicht hat es den Zweck, die zur Ausscheidung bestimmten Stoffe aus den Exkretionsgefäßen durch Saugbewegungen zu entfernen. 6. Die erwachsene Lungenlarve mit drei Lippen. Nach einer abermaligen Häutung ist die Larve kaum in die Länge, aber beträchtlich in die Breite gewachsen (Fig. 6); sie ist nun 3,3 mm lang und 0,48 mm breit; der Ösophagus misst jetzt 1/,,, der Schwanz 1/,,. der Gesammtlänge;; beide sind also erheblich länger, ersterer außer- dem viel breiter und mächtiger geworden und der Bulbus am Ende ist nicht mehr längsoval, sondern kugelförmig und 0,098 mm breit. Der Bohrstachel ist verschwunden und statt seiner bemerkt man am Kopf- ende drei kleine Lippen. Der auffallendste Unterschied gegen die vorige Entwicklungsform aber ist der Schwund der Exkretionsöffnung, die ganz unscheinbar geworden ist. Die dunkeln vier Längsmuskelstränge per- sistiren (Fig. 7), eben so gleicht diese Form der vorigen durch das völlige Fehlen der inneren Geschlechtsorgane und durch das Vorhandensein der äußeren männlichen. 7. Die Geschlechtsform. Die geschilderten Larven bevölkern die Tritonenlungen mitunter in kaum glaublicher Menge ; haben sie den zuletzt geschilderten Entwick- lungszustand erreicht, so wandern sie in den Darm über, um hier ge- schlechtsreif zu werden. Die Männchen sind erheblich seltener als die Weibchen, so dass auf 20 der letzteren etwa ein Männchen kommt. Die Guticula zeigt in 0,066 mm großen Abständen Querringel, die aus hyalinen, gleich starken, 0,043 mm breiten Doppelstreifen bestehen. Der Körper ist beim Weibchen von der Rücken- nach der Bauchlinie zusammengedrückt, am Kopfende dagegen seitlich. An den Seitenlinien zieht je ein starker Längskamm von kegelförmigem Querschnitt (Fig. 15) | herab, welcher der inneren Guticularschicht angehört und bis an das | äußerste Kopfende reicht. An diesem stehen drei Lippen (Fig. A1u.16), eine dorsale und zwei latero-ventrale; die Mundöffnung zwischen den | beiden letzteren ist in geschlossenem Zustande in zwei ventrale Schenkel verlängert. Der ganze Körper ist bei beiden Geschlechtern mit auffal- ienden, in Längsreihen geordneten Papillen besetzt, die bis zum Kopfe | hin reichen und am Schwanzende besonders dicht stehen. An der Basis der Dorsallippe steht auch jederseits eine Papille und je eine mitten auf | den latero-ventralen. Der Ösophagus (Fig. 10) hat vorn eine kleine An- | Über einen neuen Entwicklungsmodus bei den Nematoden, 713 schwellungund am Ende einen starken, kugelförmigen Bulbus von 0,15 mm Breite mit drei Ventilzähnen. Unmittelbar hinter letzterem findet man die ovale Exkretionsmündung (Fig. 10) mit nach vorn gerichteter Öff- nung, in welche von hinten her die beiden Hauptstämme des Exkretions- gefäßes eintreten. Die Muskeln (Fig. 15) liegen in vier starken Längssträn- gen links und rechts von einem Längswulst, welcher die innere Fortsetzung des Längskammes bildet; sie wurzeln nach außen an der Cuticula und zeigen nach der Mittelachse des Körpers hin auf Querschnitten bogen- förmige Fortsätze; sie gehören zu der Form, welche bei den Mero- myariern sich findet. Der Darm ist gegen früher stark kontrahirt und geschwunden und die Überbleibsel der Plasmastränge bilden an der Rücken- und Bauchseite Organe von spindelförmigem Querschnitt mit großen Hohlräumen (Fig. 15). Das Männchen ist 2,9 mm lang und 0,024 mm breit; der Ösophagus nimmt 1/,,, der Schwanz !/, der ganzen Länge ein; letzterer ist stets hakenförmig nach innen gebogen. Die Spicula (Fig. 12) sind gleich lang, 0,092 mm groß, schwach und fadenförmig, auffallend und stark aber ist der hohlrinnenförmige Stützapparat von 0,19 mm Länge, in dem sie liegen. Der Schwanz ist pfriemenförmig zugespitzt. Vor der Kloake stehen zwei Längsreihen von je sechs Haftapparaten (Fig. 13); dieselben bestehen aus einer kleinen, rundlichen Scheibe, welche ein dunkles Centrum und vier bissechsnach hinten gerichtete, klauenartige Fortsätze besitzt und aufeinem derben, zweischenkligen Chitineylinder wurzelt, der parallele Querringel zeigt. An dieser Stelle bemerkt man nach hinten konvergirende, starke, 0,043 mm breite Muskelbündel (Fig. 12); der Winkel, in welchem die einzelnen Bündel von beiden Seiten an einander stoßen, wird von vorn nach hinten immer stumpfer. Vor der Kloakenöffnung steht ein Längs- wulst und auf ihm findet man jederseits eine Papille, davor jederseits zwei und dahinter eine größere Papille, abgesehen von den vielen kleinen, welche den ganzen Schwanz regellos bedecken. Das Weibchen, welches bis zu 7X 24 Stunden im Wasser leben kann, ist 5,3 mm lang und 0,48 mm breit, also sehr dick spindelförmig und an beiden Körperenden stark verdünnt; der Ösophagus misst 1/; der Körperlänge, der Schwanz !/;s. Die Vulva, welche gewöhnlich einem Querschnitt gleicht, ist vorstülpbar, und theilt den Körper so, dass der vordere Abschnitt sich zum hinteren verhält wie 4 : 5, liegt also etwas vor der Mitte. Der lange Schwanz ist fein zugespitzt und durch viele Papillen ausgezeichnet, die hier besonders stark hervortreien ; er ‚ zeigt etwa in der Mitte seitlich jederseits einen fingerförmigen Auswuchs (Fig. 14). Das Weibchen ist ovipar;; die dünnhäutigen Eier sind 0,12 mm lang und 0,082 mm breit. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Pd, 47 714 von Linstow, Wahrscheinlich hat Craus! die hier geschilderten, mit Oxyuris be- zeichneten Larven:in der Lunge von Triton gesehen, und vermuthet er, dass die erwachsene Form in Schwimmkäfern lebe: auch meine? Be- schreibung der Larven von Nematoxys ornatus aus der Lunge von Triton taeniatus, deren Kopf einen Bohrzahn führt und deren Schwanz beim Männchen !/,ı, beim Weibchen 1/,, der Gesammtlänge beträgt, ist ohne Zweifel auf die mir damals noch unbekannte Art N. longicauda zu beziehen. Was den Unterschied von Nematoxys ornatus betrifft, so verdient hervorgehoben zu werden,. dass, so weit'die jetzigen Beobachtungen reichen, diese neue Art in Tritonen lebt, dass das Männchen 42 Haftappa- rate mit vier bis sechs rundlichen, nach hinten sehenden, fingerförmigen Anhängen führt, dass das Schwanzende beim Männchen !/,, beim Weib- chen !/,,; der ganzen Länge einnimmt, während N. ornatus in Fröschen und Kröten lebt, das Männchen 10—14, meistens 40 Haftapparate mit 20 radiären Ausläufern zeigt, die einen vollen Kranz bilden, und der ‚Schwanz viel kürzer ist, da er bei beiden Geschlechtern nur etwa 1/,g der Gesammtlänge misst. Dusarpın? beschreibt N. (Oxyuris) ornatus aus Rana temporaria und esculenta; das Männchen führt in vier Reihen geordnete Haftapparate, deren Zahl nicht angegeben wird; der Schwanz des Männchens wie des Weibchens misst etwa !/,, der Gesammtlänge. WeınLann* schildert das Rudiment eines Männchens aus einer Leber- cyste von Bufo viridis. Am männlichen Schwanzende stehen zwei Reihen mit je sieben Haftapparaten, die sternförmig mit 20-22 Blättchen oder Strahlen versehen sind. Der Schwanz ist kurz und konisch. ScunEiderd beschreibt N. ornatus aus dem Darm von Rana tempo- raria, esculenta und Bufo cinereus (und Triton cristatus); Messungen des Schwanzes fehlen; die Haftapparate stehen in zwei Längsreihen zu je fünf, das männliche Schwanzende endet kegelförmig und ist kurz. Meine® Schilderung bezieht sich aufN. ornatus aus Rana temporaria; das Männchen hat zehn Haftapparate, die Schwanzlänge beträgt beim Männchen 1/,,, beim Weibchen !/ı;- v. Drascar” findet an Diesing’s Originalexemplaren, dass N. (Cosmo- cerca) ornatus in der Regel 2x5 Haftapparate führt, welche nicht vier 1 Leipziger Naturforscher-Versammlung. Tageblatt, 1872. p. 138. 2 Archiv für Naturgesch. 1882. I. p. A0-—AM. 3 Hist. des Helm. p. 4144—145. Pl. V, Fig. G. 4 Würtemb. naturw. Jahreshefte. Stuttgart 4859. Bd. XV. p. 97—99. 5 Monographie der Nematoden. p. 442—113. Taf. XII, Fig. 5. 6 Archiv für Naturgesch. 4877. I. p. 181. 7 Verh. der zool.-bot. Gesellschaft Wien. 1882. p. 424—423. Taf. VII, Fig. 1—4. nr a er ne nn Über einen neuen Entwicklungsmodus bei den Nematoden. »15 bis sechs nach hinten gerichtete Klauen, sondern einen vollen Kranz von 94 länglichen, gleich langen Strahlen haben, genau wie WeınLAnD diese Organe beschreibt und abbildet; Maße des Schwanzes werden nicht ge- geben, doch erscheint in der Abbildung der männliche Schwanz kurz und kegelförmig; die Exemplare stammen aus Rana temporaria und esculenta. Die älteren Beschreibungen sind zu einer Vergleichung untauglich. Von einer Beschreibung, der Warrer’schen 1, weiß ich nicht, wo die- selbe unterzubringen ist. Water findet vier Reihen von Haftapparaten und in jeder Reihe 13—A4 derselben, davon in jeder Reihe zwei bis drei postanale, im Ganzen also 52—56; die Messungen des Schwanzes er- geben für das Männchen !/,;;, für das Weibchen !/;,. Die Exemplare stammen aus Triton alpestris, und zwar aus der Lunge und dem Darm, ohne die Bemerkung, dass in den Lungen nur Larven, im Darm die ge- schlechtsreifen Thiere vorkommen; bei beiden Geschlechtern läuft der Schwanz in drei Spitzen aus. Bei den jüngeren Exemplaren wird auch hier eine als Saugnapf bezeichnete Exkretionsöffnung und als Fett- schläuche bezeichnete Exkretionsgefäße gefunden. Ist diese Schilderung genau, so würde hier eine dritte Art beobachtet sein. Die Nemathelminthen bieten, wenn man nach dem Medium fragt, in welchem die einzelnen Entwicklungsformen leben, eine ganz erstaun- liche Mannigfaltigkeit dar, und kann man 14 verschiedene Entwicklungs- modifikationen unterscheiden. 4) Die Embryonen entwickeln sich ohne Larvenstadium direkt zu Geschlechtsthieren im selben Medium, und zwar leben sie im süßen, salzigen oder brakischen Wasser, in Pflanzen, in der Erde oder in faulen- den Substanzen (Dorylaimus, Enoplus, Plectus, Monhystera, Rhabditis und viele andere Genera). 2) Die’ Larve lebt in der Erde, die Geschlechtsform in Pflanzen (Tylenchus Tritici, putrefaciens, Heterodera Schachtii). 3) Die Larven leben in Thieren (Würmern), nach deren Tode sie durch die Fäulnis frei werden und in der Erde sich zu Geschlechtsthieren entwickeln (Rhabditis pellio). 4) Der Helminth lebt zweigeschlechtlich in der Erde, die befruch- teten Weibchen dringen in Tbiere (Hummeln) ein und produciren hier Nachkommen (Sphaerularia Bombi). 5) Die Larven leben in der Erde, geschlechtlich entwickelt in einem Wirbeltbier (Dochmius, Strongylus). 6) Der Helminth lebt als hermaphroditische Form in einem Thier, 1 Diese Zeitschr. Bd. VIII. p.163—201. Taf. V-VI. Bd. IX. p.1—11. Taf. XIX. 47* 716 von Linstow, die Nachkommen entwickeln sich durch Generationswechsel geschlecht- lich in der Erde (Rhabdonema, Angiostomum). 7) Eine geschlechtlich differenzirte, freilebende Form entwickelt durch Generationswechsel eine andere, ebenfalls zweigeschlechtliche, welche parasitisch in einem Thiere (Schnecke) lebt (Leptodera appen- diculata). 8) Die Eier entwickeln in der Erde den Embryo und dieser gelangt in ein Thier, in dem er sich zweigeschlechtlich entwickelt (Trichocepha- lus, Oxyuris). 9) Die Larve lebt in Insekten, die Geschlechisthiere in der Erde oder im Wasser (Mermis). 40) Die Larve lebt eingekapselt in einem Thier und kommt mit diesem passiv in eine andere Thierart, in der sie sich geschlechtlich ent- wickelt (Ascaris, Filaria, Gucullanus). 44) Lebt kurze Zeit zweigeschlechtlich im Darm und produeirt hier Larven, die sich durch die Darmwand bohren, um sich in den Muskeln einzukapseln (Trichina spiralis). 42) Das geschlechtsreife Thier lebt in der Luftröhre von Vögeln, die Weibchen produciren Eier, welche den entwickelten Embryo ent- halten, dieselben werden durch Hustenstöße nach außen befördert; in der Erde wird der Embryo beweglich und das Ei nun mit der Nahrung vom Vogel wieder aufgenommen; im Magen und Ösophagus verlässt der Embryo die Eihülle, um in die Bronchien und Luftsäcke einzuwandern, von wo sich die größer gewordene Larve in die Luftröhre begiebt (Syn- gamus trachealis). 13) Es bestehen zwei Larvenformen, von denen die erste in Mol- lusken, die zweite in Schwimmkäfern und Fangschrecken lebt, während die Geschlechtsform sich im Wasser findet (Gordius aquaticus). 14) Es bestehen zwei Larvenformen, von denen die erste im Wasser, die zweite in der Lunge eines Amphibium lebt, von wo sie in den Darm desselben Thieres einwandert, um sich hier zweigeschlechtlich zu entwickeln (Nematoxys longicauda). Dieser letztere Entwicklungsmodus war bisher bei den Nemathel- minthen nicht beobachtet und entspricht bei den Trematoden dem Ent- wicklungsgange von Polystomum integerrimum. Die einzige, auf induktivem Wege gefundene allgemeine Regel für die Nemathelminthen-Entwicklung ist somit die, dass Nemathelminthen, die in lebenden Thieren wohnen, niemals alle Entwicklungsphasen in einem und demselben Organe desselben durchlaufen. Hameln, im Juli 1885. Über einen neuen Entwicklungsmodus bei den Nematoden. #17 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVIII. Fig. 1. Der Embryo. Fig. 2. Wasserlarve. Fig. 3. Jüngste Form der Lungenlarve. a, Exkretionsöffnung; b, Bulbus des Ösophagus. Fig. 4. Erste Anlage der Exkretionsöffnung (a). db, Anlage der Exkretionsge- fäße;; c, Bulbus des Ösophagus. Fig. 5. Erwachsene Lungenlarve mit Bohrzahn von der linken Seite. a, Anlage der Exkretionsgefäße;; b, Anhangsdrüsen der Exkretionsöffnung;; c, Anhangsdrüsen des Enddarmes. Fig. 6. Erwachsene Lungenlarve mit dreilippigem Kopfende. a, ein Muskel- strang. Fig. 7. Querschnitt einer erwachsenen Lungenlarve; in schwachem Alkohol ge- härtet, in Paraffin eingebettet, mit Benzin ausgewaschen, in Pikrokarmin-Glycerin untersucht. a, Cuticula; b, Darm; c, Plasmastrang; d, Muskelstrang. Fig. 8. Kopfende der erwachsenen Lungenlarve mit Bohrstachel (a). b, Bulbus des Ösophagus; c, Darm; d, Lumen der Exkretionsöffnung; e, Auskleidungsschicht desselben; f, Ringmuskel; g, Radiärmuskeln; A, umhüllende, drüsige Schicht; i, Sphinkter; k, Anhangsdrüsen ; !, Exkretionsgefäße ; m, Speicheldrüsen;; n, Nerven- ganglien. Die Exkretionsöffnung ist halb geschlossen. Fig. 9. Querschnitt durch die Exkretionsöffnung einer erwachsenen Lungenlarve. a, a,Muskelstränge; b, b, Plasmastränge; c, Darm; d, Radiärmuskeln der Exkretions- öffnung;, e, Ringmuskeln; f, Auskleidungsschicht; g, Sphinkter. Das Lumen klafft weit. Fig. 9a. Exkretionsgefäß einer Lungenlarve (a, a). b, Mündung; c, Nebenast. Fig 10—146 beziehen sich auf die geschlechtsreife Form. Fig. 10. Kopfende. a, Exkretionsöffnung. Fig. 44. Äußerstes Kopfende. Fig. 42. Männliches Schwanzende von der Bauchfläche. a, Spiculum; b, Stütz- apparat; c, Haftorgan; d, Muskeln, die dem männlichen Schwanzende eigenthüm- lich sind. Fig. 43. Haftorgane, stark vergrößert; Immersion. a, von der Bauchfläche; b, von der Seite. Fig. 44. Mitte des weiblichen Schwanzendes von der Bauchfläche. a, Papille; b, fingerförmiger Fortsatz. Fig. 45. Querschnitt durch ein Weibchen. Präparation wie bei Fig. 7 angegeben. a, Seitenleiste; b, Fortsatz nach innen; c, Muskel; d, Rest des Plasmastranges; e, Darm; f, Ovarium. Fig. 46. Kopfende von der Scheitelfläche gesehen. a, Seitenleiste ; db, Dorsal- lippe; c, Lateroventrallippe ; d, Mundöffnung. Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit fächenständigen Geschlechtsöffnungen. Ein Beitrag zur Kenntnis der Bandwürmer. Von Dr. Otto Hamann, Privatdocent und Assistent am zool. Institut der Universität Göttingen. Mit Tafel XXIX und XXX. Die Tänien mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen, über deren Bau ich im Folgenden Mittheilungen geben kann, sind bisher noch nicht Gegenstand irgend welcher Untersuchung gewesen!. Das hiesige zoologische Institut gelangte durch Herrn Prof. Esser, Direktor des Tbierarznei-Institutes in den Besitz dieses Bandwurmes. Ein zur Behandlung dem Veterinär-Institut übergebener Hund zeigte im Koth die eigenthümlich von gewöhnlichen Hundeproglottiden abweichen- den, mit einem rothgelben Fleck (s. Fig. 4) versehenen Gebilde. Die durch ihre Gestalt und Farbe auffallenden Glieder ergaben sich als zu Taenia lineata Goeze gehörig. Tage lang lieferte der Hund neues Untersuchungs- material, bis der Wurm abgetrieben wurde und stückweise mit dem Kothe abging, leider ohne den Kopf zu liefern. Für die Zustellung des Materials sage ich Herrn Prof. Esser so wie Herrn Assistent Thierarzt WALLMAnNN besten Dank! Der größte Theil der Proglottiden wurde sofort auf verschiedene Weisen konservirt, ein anderer lebend aufbewahrt. Auch versuchte ich, durch die Ähnlichkeit der Eier mit denen der Bothriocephalen be- 1 Durch anderweitige Arbeiten beschäftigt, verzögerte sich die Fertigstellung meines Manuskriptes, obgleich die Untersuchung bereits im Mai abgeschlossen wor- den war. Zu meiner großen Freude ersehe ich aus Nr. 498 des Zooi. Anz. (29. Juni 41885), dass im zool. Institut in Leipzig diese Cestodengruppe ebenfalls bearbeitet wird, und zwar durch ZscuokKkE, welcher in einer vorläufigen Mittheilung seine Resultate über den Bau der Geschlechtsorgane von Taenia litterata darlegt. Hoffent- lich ergänzen sich unsere Arbeiten in der Weise, dass es möglich sein wird, sich in Bälde ein genaues Bild von der Organisation unserer Cestodengruppe zu machen. b‘ Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen. 19 wogen, dieselben in feuchter Kammer im hängenden Tropfen zu züchten. Es gelang mir dies nicht und nur einmal fand ich Embryonen ohne Hüllen , letztere lagen gesprengt in nicht weiter Entfernung von den Embryonen, welche bereits abgestorben waren. Beschreibender Theil. I. Die reifen Proglottiden. 1. Gestalt derselben. Die Proglottiden, welche im Koth des Hundes sich finden, fallen ‚sofort durch ihre Färbung in die Augen. In jedem weißlichblauen Gliede nimmt ein rothgelber Punkt unsere Aufmerksamkeit in Anspruch (vgl. Fig. 4). Die Proglottiden selbst sind von beinahe kubischer Gestalt, wenn kontrahirt. Während der Bewegung kann sich dieselbe sehr ver- ändern, wie die verschiedenen in Fig. 4 wiedergegebenen Kontraktions- zustände zeigen. Ihre Größe variirt sehr. Die Länge einer Proglottis kann mit unge- fähr 2,34 mm, ihre Breite mit 1,3 mm angegeben werden. Betrachtet man nun mit der Lupe eine Proglottis, so erkennt man im Inneren zunächst einen runden Körper, von dem aus ein mehrfach gewundener Schlauch ausgeht. Ein ähnliches Bild zeigt uns kein anderer Bandwurm, weder eine Tänie, noch eine zu den Bothriocephalen gehö- rige Form. Dieser Körper von kreisrunder Gestalt zeichnet sich weiter durch seine röthliche Farbe aus, welche übrigens auch in dem gewun- denen Schlauch, wenn auch in geringerem Maße, sich findet. Der kugelige Körper sowohl wie der Schlauch ist, wie man bei Anwendung von stärkeren Vergrößerungen erkennt, angefüllt mit Embryonen. Damit wird die Vermuthung wahrscheinlich, dass wir in den genannten Orga- nen den Uterus oder doch Theile desselben vor uns haben. Noch nicht habe ich erwähnt, dass noch ein zweiter kleinerer Schlauch vorhanden ist, welcher am entgegengesetzten Pole vom kuge- ligen Körper ausgeht. Dieser kleine Schlauch ist nicht in allen Proglot- tiden erkennbar; er ist oft obliterirt. Die mit dem Kothe abgegangenen Proglottiden erleiden Verände- rungen, auf die ich gleich zu sprechen komme. Untersucht man dieselben am zweiten oder dritten Tage nach der Ablage, so ist Folgendes zu be- merken. Die Embryonen sind nicht mehr im gewundenen Schlauche vorhanden, sondern sind sämmtlich in das kugelige Organ — wie ich ‘ dasselbe vor der Hand benennen will — zu liegen gekommen. Diese Lageveränderung ist jedenfalls durch die Muskulatur der Proglottis vor Sich gegangen, 720 Otto Hamann, In diesem Stadium ist das kugelige Organ prall angefüllt von den Embryonen. Zerzupft man eine so gestaltete Proglottis, so erhält man dieselben nicht ohne Weiteres frei, sondern überzeugt sich bald, dass dieselben von einer harten, kalkigen Schale umgeben sind, die die Gestalt einer Kugel hat. Durch Auflegen eines starken Deck- glases und nachheriges Zerquetschen springt die Schale auf, und die Eier werden frei. Die Bildung dieser Kalkschale geschieht von Zellen der Wandung des kugeligen Organes, wie ich weiter unten aus einander zu setzen haben werde. Die Progloitiden habe ich fünf Tage am Leben erhalten. Dann hörten die Bewegungserscheinungen auf und es zerfiel der Körper, und die kugelige Kapsel mit den in ihr eingeschlossenen Eiern wurde frei, ohne dass die Kapselwand sich jedoch gelöst hätte. Hierzu ist offenbar das Sekret des Darmtractus des künftigen Wirthes nöthig. 2. Anatomischer und histologischer Bau. Von dem reichlichen Material an abgegangenen Proglottiden, welches mir zur Verfügung stand, konservirte ich den größten Theil mit koncen- trirter Sublimatlösung. Die Proglottiden ließ ich bis 2 Minuten in der Lösung liegen, darauf wurden sie abgewaschen und nach längerem Ver- weilen in 70° Alkohol in neutraler Essigkarminlösung gefärbt. Andere Exemplare färbte ich mit EnrLicn’s- oder mit wässeriger Hämatoxylin- lösung. Vorzüglich die mit der genannten Karminlösung tingirten Glieder zeigten eine Färbung, wie ich sie sonst mit keinem anderen Färbemittel, am wenigsten mit Anilinfarben erreichte. Vergleicht man nun Fig. 9, welche mit der Camera nicht nur in den Umrissen, sondern auch, was die Zellen etc. anlangt, genau nach dem Original gezeichnet sind, mit anderen Figuren, wie sie beispielsweise frühere Forscher, selbst GRIESBACH gege- ben haben, so wird man bei der Färbung der Tänienglieder dem Karmin wohl den Vorzug zu geben haben. Ich beginne die Beschreibung mit der Besprechung des Körper- parenchyms, der Grundsubstanz des Körpers, und schließe die Musku- latur, das Wassergefäßsystem, das Nervensystem und die Geschlechts- organe an. Was zunächst die Cuticula, welche die ganze Oberfläche über- zieht, anlangt, so ist dieselbe 0,00744 mm dick. Man kann an ihr drei | verschiedene Schichten unterscheiden, von denen die äußerste die | dünnste ist. Sie ist mit Karmin behandelt dunkelroth gefärbt und hebt sich stark ab gegen die darunter liegende heller gefärbte Schicht. An einzelnen Stellen erscheint dieses äußere etwa 0,00142 mm dünne Häut- chen losgetrennt. Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen. 721 En Die zweite Schicht der Cuticula von 0,00428 mm Durchmesser er- scheint von feinsten parallel zu einander verlaufenden, zur Oberfläche senkrechten Strichelchen durchsetzt. Dies sind die sogenannten Poren- kanälchen. Unterhalb dieser Schicht liegt eine vollkommen farblos er- scheinende Schicht von nur 0,00442 mm, welche die Grenze zwischen den ersten beiden und dem Körperparenchym bildet. Denn zu letzterem sind die auch bei dieser Form vorhandenen ringförmig verlaufenden elastischen Fasern gehörig, die sich von den unterhalb derselben liegen- den Längsmuskelfibrillen durch ihr Lichtbrechungsvermögen, wie ihre geringere Dicke leicht unterscheiden lassen. Der ganze Leib der Proglottis wird von einer Grundsubstanz gebil- det, die sich zusammensetzt aus einer Intercellularsubstanz, Zellen und Fibrillen. Die Intercellularsubstanz ist überall fein granulirt. In ihr liegt unterhalb der Cuticula eine Lage von Zellen, welche man als Sub- euticularzellschicht bezeichnen kann. Diese Zellen, zu deren Schilderung ich mich sofort wende, sind wie alle im Parenchym vorkom- menden Zellen Bindesubstanzzellen. Betrachtet man eine Proglottis auf dem Querschnitt (vgl. Fig. 8 auf Taf. XXIX), so sieht es aus, als ob man es mit einem geschichteten Epithel zu thun hätte. Die Substanz dieser Epithelzellen tingirt sich dunkelroth, in derselben Weise wie ihr kreisrunder Kern. Die Zeilen besitzen an mit Sublimat behandelten Präparaten eine spindlige Form. Etwa in der Anschwellung der Spindel liegt der Kern. Mit dem einen Ende sitzen sie der Cuticula auf, während am anderen Pol die Zelle sich hier und da in einer in der Intercellularsubstanz verlaufenden Faser fortsetzt. Die einzelnen Zellen sind von einander gut abgegrenzt. Auch an Chromsäurepräparaten, die dann mit neutralem Karmin gefärbt wurden, tritt dies hervor. Sobald ich jedoch nur mit Alhohol behandelte Proglot- tiden untersuchte, traf ich an Stelle der sonst leicht zu erkennenden Zellen eine Protoplasmamasse mit eingelagerten Kernen. Dass ich aber die Re- sultate der Sublimat-Hämatoxylin- wie Sublimat-Karmin-Präparate für die den Thatsachen entsprechenden halten muss, nicht aber die an mit Alkohol konservirten Proglottiden gefundenen, folgt daraus, dass nur an ersteren die Myoblasten so wie die Wimpertrichter in genügender Schärfe hervortreten, an letzieren Präparaten jedoch verschwommen oder gar nicht sichtbar waren. Diesen Spindelzellen wird man die Absonderung der Körpermembran, der Cuticula, zuzuschreiben haben. Außer diesen subcuticularen Zellen trifft man in der Bindesubstanz noch folgende weitere Elemente an. Zuerst nenne ich große Zellgebilde, welche einen körnigen sich 122 Otto Hamann, gering färbenden Inhalt besitzen. Sie sind bald kugelig, bald mehr oval gestaltet und haben jedenfalls das Vermögen, sich amöboid zu bewegen. Diese Zellen sind im Mittel 0,0089—0,014 mm groß. Ein kreisrunder, etwa 0,00258 mm großer Kern mit einem deutlich erkenn- baren Nucleolus gleicht den in den Subeuticularzellen gefundenen Kernen. Außer diesen großen Zellen trifft man kleine Spindelzellen an, von denen gewöhnlich zwei nur selten auf weite Strecken verfolg- hare Fasern abgehen. Außer diesen Zellen sind durch das ganze Paren- chym Zellkerne zerstreut. Hier und da liegen denselben noch Plasmareste an; gewöhnlich aber ist vom Zellleib nichts mehr zu sehen. Diese freien Zellkerne haben einen Durchmesser von 0,00428 mm. Ihre Form ist eine unregelmäßig ovale bis kreisrunde. In der Grundsubstanz treten Lücken- und Spalträume auf, welche besonders unterhalb der Cuticula zu beobachten sind. In Fig. 5 und 6 sind dieselben mit D bezeichnet und ist ihr Inhalt ein feingekörntes Plasma, das sich hellrosa tingirt. Die Gebilde haben bald eine schlauch- förmige Gestalt, bald sind sie flaschenförmig. Der Hals der Flasche ist dann peripher gelegen, wie es Fig. 8 zeigt. Dann wird man unwill- kürlich an Drüsenzellen erinnert. Was mich aber davon abhält, diese Gebilde als solche zu bezeichnen, ist das Fehlen eines Zellkernes. Ich habe niemals einen solchen innerhalb derselben nachweisen können. Während nun diese Gebilde einmal mit einem feingekörnten Plasma er- füllt sein können, sind sie das andere Mal vollkommen leer und gleichen dann großen unregelmäßig geformten Lücken in der Intercellular- substanz. Was die Lage und die Anzahl dieser Gebilde anlangt, so sind sie über die ganze Proglottis zerstreut zwischen den Subcuticularzellen liegend. Bald trifft man sie einzeln. bald in Trupps zusammenliegend an. Ich wende mich jetgt zu den Kalkkörpern. Sie treten sowohl peripher von der Ringmuskelschicht als centralwärts von derselben auf. In der äußeren Schicht des Parenchyms sind sie jedoch in weit größerer Menge vorhanden. Färbt man die Proglottis mit Hämatoxylin, so tingiren sie sich sehr stark und zeigen die koncentrische Schichtung aus- gezeichnet. Ihre Form ist eine sehr wechselnde. Man trifft ovale bis- kuitförmige, wie unregelmäßig viereckige an. Fig. 15 zeigt einige solche Gebilde vergrößert. Im Centrum derselben kann man meist eine fein- gekörnte Masse wahrnehmen. Ihre Größe ist schwankend. Als Mittel kann man 0,0086—0,01%1 mm annehmen. | Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit fächenständigen Geschlechtsöffnungen. 723 Die Muskulatur. Abweichend vom gewöhnlichen Bau ist die Muskulatur bei unserer Art entwickelt. Unterhalb der Cuticula verlaufen Längsmuskelfibrillen in der Weise, dass gewöhnlich eine Anzahl, etwa vier oder mehr, dicht neben einander stehen. Auf diese Weise kommen Bündel zu Stande, zwischen denen kleine Interstitien sich finden. Außer diesen subeuticularen Fibrillen ist eine Längsmuskulatur zu verzeichnen, welche lateralwärts von der im Körperparenchym gelegenen Ringmuskelschicht verläuft (LM2). Außerdem sind die von der Bauch- zur Rückenfläche verlaufenden dorsoventralen Muskelfasern zu nennen. Nach ihrem Bau lässt sich die gesammte Muskulatur einer Proglottis in zwei Gruppen unterbringen. In die erste Gruppe gehören Muskel- fasern, bei denen die Bildungszelle erhalten geblieben ist, in die zweite Gruppe Muskelfasern, welche keinenRestihrerZelle mehr zeigen. Die Ringmuskelschicht und die Dorsoventralmuskeln bilden die erste Gruppe. Der Bau der Dorsoventralmuskelfaser ist folgender. Jeder Muskelfaser liegt eine große Zelle peripherisch auf, welche im Bau an die oben erwähnten Zellen erinnert. Von der Fläche betrachtet ist die Gestalt der Zelle eine ovale bis spindelige. Bekommt man aber eine solche Zelle von der Seitenansicht zur Beobachtung, so sieht man, wie die Zelle in der That der Faser aufliegt. Es ist diese Thatsache nicht besonders leicht festzustellen, da die Faser äußerst fein ist. Einige Mal erhielt ich Bilder, wie Fig. 10 ein solches wiedergiebt. Es war dann die Bildungs- zelle von der kontraktilen Substanz abgehoben; nur an einem Punkte war ein Zusammenhang stehen geblieben. Ich betone ein solches Vor- kommen besonders, weil es auf die Entstehung und den Bau der Muskel- faser Licht zu verbreiten geeignet erscheint. Darüber im allgemeinen Theile Weiteres. Die Länge der Muskelzellen beträgt zwischen 0,0128und0,0143 mm, ihre Breite 0,0074 mm. Die Muskelfasern zeigen keinerlei Quer- oder Längsstreifung. An ihren beiden Enden können sie sich gabelig ver- zweigen (Fig. 40). Man kann sie bis zur Cuticula verfolgen, an welcher ‚sie sich inseriren. Ihr Durchmesser beträgt nur 0,000714-0,00107 mm. Die gewöhnliche Lage der Muskelzellen ist innerhalb der sogenann- ten Mittelschicht der Proglottis. Oft kann man aber beobachten, dass auch in der peripheren Schicht der Grundsubstanz Muskelzellen liegen. Den gleichen Bau wie die Dorsoventralmuskelfasern besitzen die ringförmig verlaufenden (RM in Fig. 6 und 9). Sie bilden eine Lage sich verfilzender Fasern, die sich an ihren Enden mehrfach wie die trans- versalen dorsoventralen Fasern gabeln können. 724 Otto Hamann, In die zweite Gruppe gehören die zur Längsachse der Proglottis parallel verlaufenden Fasern, also die subeuticulare Längsmuskulatur, und die die central gelegenen Organe umlagernde Längsmuskelschicht. Während aber die erstere aus in einer Ebene gelagerten Muskelfasern besteht, ist die centrale Längsmuskelschicht, wie ich im Gegensatz zur peripheren sagen will, in Bündeln angeordnet (vgl. Fig. 5, 6, 9 LM). Die einzelnen glatten Fasern lassen keine Spur der ursprünglichen Bil- dungszelle mehr erkennen. Die Stärke dieser Längsfasern ist dieselbe wie die der Rings- und Dorsoventralfasern. Das Wassergefäfssystem. In der reifen mit den Faeces abgehenden Proglottis so wie in den unreifen Gliedern sind nur zwei Längsstämme, vorhanden. Ihr Verhal- ten ist in den verschiedenen Progloitiden ein sehr variables. Bald sind die beiden Längsstämme weite, auf dem Querschnitt kreisrund er- scheinende Kanäle, bald aber enge und zum Theil in ihrem Verlauie gewundene Kanäle. Der Durchmesser beträgt bei der in Fig. 6 ab- gebildeten Proglottis 0,0978 mm in der Mitte, an den Enden gemessen 0,00489 mm. Eine feine glashelle Membran kleidet die Längsstämme aus. Nach außen von derselben liegen abgeplattete Zellen, ein Epithel bildend, welches die Membran ausgeschieden hat. Dieses Epithel mit seinen kör- nigen endothelartigen Zellen ist an gut konservirten Gliedern unschwer zu finden. | Von den beiden Längsstämmen zweigen sich ab feine Kanäle, welche sich auf weite Strecken verfolgen lassen. Sie enden mit einem trichterförmig erweiterten Ende, welchem eine Zelle aufsitzt. Es sind dies die Flimmertrichter mit ihren Kapillaren. Der Verlauf der Kapillaren ist ein äußerst unregelmäßiger. Sie ver- laufen in mehrfachen Windungen sich oft verzweigend. Jeder Seiten- zweig endet wieder mit einem Trichter. Diese sind fast immer central- wärts gelagert von der Ringmuskelschicht. Nur sehr selten habe ich Flimmertrichter in der peripheren Grundsubstanz angetroffen. Was den | feineren Bau der Kapillaren anlangt, so sind dieselben glashelle Röhrchen vom Durchmesser 0,00142 mm. An ihrem Ende erweitern sie sich wichterförmig (vgl. Fig. 12). Dem Trichter vorgelagert ist ein blasiges Gebilde, welches zum Theil.in den Trichter hineinragt. Im Centrum | des blasigen Gebildes, welches eine Zelle, die Flimmerzelle vorstellt, liegt der kugelige sich stark färbende Nucleus. Der Zellleib ist von einem durchsichtigen, jeder Einlagerung entbehrenden Plasma gebildet, | welches sich mit keinem der gebräuchlichen Färbungsmittel tingirt. Der Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen. 725 Theil der Zelle, welcher in den Trichter zu liegen gekommen ist, der Flimmerlappen, tritt an vielen Trichtern deutlich durch seine dunklere Färbung hervor, an anderen ist er nicht zu erkennen. Dass die Zelle den Trichter vollständig schließt, geht aus einer schon oberflächlichen Betrachtung hervor. Da ich die Flimmertrichter lediglich an Schnittprä- paraten untersuchte (dieBilderFig.9u.12 rühren von mit Sublimat-Essig- karmin behandelten Proglottiden her), so habe ich die Pseudopodienbil- dung der Zellen nicht beobachten können; nur in einzelnen Fällen zeigte die Zelle noch eine, wenn auch nicht sehr auffällige Sternform. Über die Vertheilung der Trichter will ich noch Einiges hinzufügen. Die Trichter liegen oft ziemlich dicht bei einander. In einem Falle be- obachtete ich, wie einer Kapillare unmittelbar neben einander drei Trich- ter aufsaßen. In anderen Fällen ist die Länge der einzelnen Zweige einer Kapillare sehr bedeutend und es zeigt auf hinreichend dicken Schnitten (1/;, mm) die von den Längsstämmen abgehende Kapillare mit ihren Verzweigungen, das Bild eines zierlichen Bäumchens. Das Nervensystem, In den reifen Proglottiden sind die beiden Längsstämme in der Rück- bildung begriffen. Man trifft auf dem Querschnitt eine feingekörnte Masse. Auf Längsschnittbildern sind die Fibrillen, wenn auch nur sehr undeut- lich, zu erkennen. Die Lage der Nervenstämme ist lateralwärts von den Wassergefäßstämmen (vgl. Fig. 6 N). Die Geschlechtsorgane. Die Geschlechtsorgane werden repräsentirt durch ein kugeliges Gebilde, welches im hinteren Ende der Proglottis liegt. Von demselben geht ein kurzer Schlauch nach dem hinteren Ende zu ab, während ein längerer nach dem vorderen Ende verläuft. Dieser kann mehrfach ge- wunden sein. Es ist der letztgenannte Schlauch, wie aus dem nachher ‚ zu schildernden Bau der reifenden Geschlechtsorgane hervorgeht, der , Uterus. Das kugelige Gebilde ist der Anfangstheil des Uterus und als Schalendrüse aufzufassen, wie aus seinem Bau und seiner Funktion in ‚ der reifenden Proglottis hervorgeht. Untersucht man sofort eine mit den Faeces abgegangene Proglottis, ‚ so findet man den mehrfach gewundenen Uterus mit den Eiern angefüllt. In gleicher Weise sind im kugeligen Organ Eier zu finden, so wie in dem kleinen Blindschlauche desselben (vgl. Fig. 1). Am zweiten Tage traf ich den Uterus an einigen Exemplaren fast, an anderen ganz entleert an. ' Die Eier lagen jetzt sämmtlich im kugeligen Organ, welches von einer kalkigen Hülle umgeben ist (vgl. das oben über die Eier Gesagte). 726 | Otto Hamann, Der Bau des Uterus, wie ich denselben mit Hilfe von Längs- und Querschnittserien untersuchte, ist folgender. Der Uterus wird in seiner ganzen Länge von einer glashellen Membran ausgekleidet, welche als Cuticula einer Zellschicht aufzufassen ist. Diese Zellschicht besteht aus Zellen, welche in einer Schicht angeordnet liegen {vgl. Fig. 6 U auf Taf. XXIX) und von schlauchförmiger Gestalt sind. Im Endtheil dieser Zellen liegt der kugelige Kern mit seinem Kernkörperchen. Der Zell- inhalt ist fein granulirt. Fig. 13 zeigt einen Theil dieses Epithels stärker vergrößert. Da, wo der Uterus übertritt in das kugelige Organ, hört das Epithel auf. Am genannten Organ finden wir nun in der Wandung spindelige Zellen vor, deren Herkunft erst nach Betrachtung des Organes in der reifenden Proglottis klar wird. Der kugelige Hohlraum unseres Organes wird ausgefüllt von den Eiern, in denen der Embryo bereits entwickelt ist und seine Häkchen zeigt. Zwischen den Eiern trifft man aber auf eine Grundsubstanz, in der die Eier liegen. Man kann auf dünneren Schnitten die Eier leicht entfernen und erhält dann eine netzförmige Masse, in deren Maschen die einzelnen Eier gelagert waren. In diese Masse sind Zellen eingebettet, welche durch ihren großen ovalen bis kreisrunden Kern mit central gelagerten Kernkörperchen sich auszeich- nen. Diese Zellen sind von sehr unregelmäßiger Gestalt und haben im Leben jedenfalls die Fähigkeit sich amöboid zu bewegen. Fig. 7 zeigt die Embryonen mit ibrer Hülle in verschiedener Richtung durchschnitten. Zwischen denselben sind unsere Zellen mit ihrem großen Kern deutlich zu erkennen. Da ich nun aber gleiche Zellen auch in den Uteruswin- dungen jüngerer Glieder fand und zwar immer zwischen den sich furchen- den Eiern, so glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, dass diese Zellen unbefruchtete Keimzellen, Eizellen, vorstellen, welche mit den befruchteten und mit einer Hülle umgebenden Eiern zusammen in die Uteruswindungen gelangt sind. Sei es nun wie diese auf passivem Wege vermittels Kontraktion der Muskulatur, oder aber, was wahrschein- licher ist, auf aktivem, worauf ihre Gestalt hindeutet. — Es bleibt noch übrig das Vas deferens mit dem Cirrhus, so wie die flächenständigen Öffnungen von letzterem so wie der Vagina zu besprechen. Das Vas deferens ist auf Flächenschnitten, die parallel zur Längs- achse geführt sind, in seinem Verlauf am besten zu verfolgen. Es zeigt sich dasselbe als ein vielfach gewundener Schlauch, dessen Windungen neben den Uterus zu liegen kommen, und zwar lateralwärts von letz- terem, doch stets innerhalb von der Ringmuskelschicht. Unterscheidet | man diejenige Fläche, auf welcher die Geschlechtsöffnungen stehen, als Bauchfläche von der Rückenfläche, so ist das Lagerungsverhältnis folgen- Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit fächenständigen Geschlechtsöffnungen, 197 des. Die Schlingen des Vas deferens liegen der Rückenfläche zugewendet {vgl. Fig. 6), hierauf folgt der Uterus. Die ganze Strecke, welche von der Peripherie der Bauchfläche bis zu den Windungen des Vas deferens reicht, wird vom Cirrhusbeutel eingenommen, welcher schräg aufsteigt, so dass man auf Querschnitten nur immer einen Theil desselben antrifft. Fig. 16 zeigt einen Längsschnitt durch eine Proglottis (Schnittebene dorso- ventral). Hier ist zugleich die Lage des Vas deferens auf der dorsalen Fläche zu erkennen. Was nun den Bau des Cirrhusbeutels anlangt, so ist Folgendes über denselben zu sagen. Die Länge desselben beträgt durchschnittlich 0,224 mm, seine Breite 0,052 mm. Die Gestalt ist die eines Cylinders. An dem kugeligen Ende tritt das Vas deferens in denselben, um mit wenigen Windungen denselben zu durchsetzen. Die Wandung des Cirrbusbeutels wird von ringförmigen Muskelfasern gebildet, an welchen Kerne nicht nachweisbar waren. An der Peripherie geht die, Wandung des Vas deferens über in die des Cirrhusbeutels (vgl. Fig. A4). Das Ende ist wie das Mundstück einer Trompete gestaltet. Das Vas deferens besitzt, bevor es in den Beutel eintritt, ein feingestreiftes Ansehen. Eine hyaline Membran bekleidet dasselbe in ganzer Länge. Am vorderen Ende des Vas deferens setzen sich Fibrillen an, welche ihren Ursprung an der Innenseite des CGirrhusbeutels nehmen. Zahlreiche Kerne sind zwischen ihnen erkennbar (Fig. 44). Auf Flächen- schnitten trifft man diese Fasern als Punkte an. — Die Ringmuskelfasern der Wandung des Beutels sind an der Öffnung besonders sphinkterartig entwickelt, wie Fig. 26 zeigt. Die Lage der beiden Öffnungen, d.h. der des Cirrhus und der Vagina, ist folgende. Orientirt man sich nach der Lage des Verbindungsastes der beiden Wassergefäße, welche im hin- teren, d.h. in dem dem Kopftheil abgewendeten Ende der Proglottis liegen, so ist die Öffnung der Vagina unterhalb der Cirrhusöffnung ge- legen. Von der Vagina ist in der Proglottis nach der Ablage nur wenig zu finden. Man erkennt, wie ein mehrfach gewundener Schlauch sich an die Öffnung, die stets deutlich zu erkennen ist, ansetzt, wie aber der- selbe nur auf eine kleine Strecke zu verfolgen ist. Wie ich bereits oben hervorhob, zeichnet sich die kugelige Anschwel- lung des Uterus, wie der nach ‚hinten verlaufende Schlauch, ganz be- sonders aber erstere, durch eine rothgelbe Färbung aus. Diese rührt her von körnigem Pigment, welches zwischen den Eiern abgelagert ist. Die kalkige kugelige Wandung, welche die Embryonen zuletzt umgiebt, ist frei von jedem Pigment, eben so wie die Embryonen selbst. 798 Otto Hamann, Die Eier. Zerdrückt man die kalkige Schale, welche die Eier umhüllt, so ge- langen letztere frei nach außen und im Wasser u sie ae Zeit am Leben. Die Form der Eier ist abweichend von der der Tänieneier. Die ovalen Eier unserer Art werden von einer einfachen durchsichtigen Schale umgeben, welche einen kaum messbaren Durchmesser besitzt. Die Eier selbst haben eine Länge von 0,039 mm, bei einer Breite von 0,029 mm. Im Inneren des Eies ist der Embryo mit seinen Häkchen schon bei schwacher Vergrößerung zu bemerken. Was aber sofort unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, das ist die Thatsache, dass der Embryo Bewegungserscheinungen zeigt. Die Häkchen sind in fortwäh- render Bewegung begriffen. Sie werden bald nach der einen, bald nach der anderen Richtung herumgerissen, und zwar in so rapider Weise, wie es kaum glaublich erscheint. Dabei wechseln sie jedoch nicht ihre Plätze, sondern bewegen sich mehr rotirend, indem sie mit ihrem einen Ende festzuhaften scheinen. Wodurch aber diese Bewegungserscheinungen hervorgerufen wer- den mögen, ist mir räthselhaft. Irgend welche Muskeln habe ich nicht finden können. Etwa daran zu denken, dass die Bewegung der Häkchen durch das Eindringen des Wassers in die Eischale hervorgerufen werden könnte, halte ich für unrichtig. Nach und nach kommen die Häkchen in Ruhe und diesen Zeitpunkt meinte ich, wenn ich oben davon sprach, dass die Eier nur eine Zeit lang am Leben blieben. Nach etwa zehn Minuten ist die Bewegung vollkommen erloschen. Die Häkchen liegen an dem einen Pol des Embryo, wie wir es bei” Bothriocephalen und Tänien kennen (vgl. Fig. 41). Was nun die An- zahl der Häkchen anlangt, so ist dieselbe sehr variabel. In der Mehrzahl der Fälle zählt man sechs, in vielen Fällen aber acht oder zehn Häkchen, welche dann ziemlich eng neben einander stehen. Die Häkchen besitzen | eine sichelförmig gekrümmte Spitze und sind von schlanker Gestalt. Der Embryo zeigt sich aus zwei verschiedenen Zellschichten zusam- mengesetzt, die sich durch eine Reihe von Merkmalen leicht unterschei- den lassen. Den vorderen Theil des Embryo, in welchem die Häkchen ' gelagert sind, nehmen Zellen ein, welche einen kleinen kreisrunden | Kern mit einem deutlich kenntlichen Nucleolus zeigen. Diese Zellschicht wird als Ektoblast von der zweiten, den hinteren Pol einnehmenden, zu unterscheiden sein. Letztere, der Entoblast, besteht’aus großkernigen Zellen (vgl. Fig. 114), welche keinerlei Einschlüsse zeigen. Färbemitteln ne ngenpr Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit fächenständigen Geschlechtsöffnungen. 729 gegenüber verhalten sich Ekto- und Entoblast verschieden. Der Zell- inhalt färbt sich in sehr geringem Maße. Die Kerne der kleineren (Ekto- blast) Zellen nehmen den Farbstoff gleichfalls nur immer wenig auf, während die großen (Entoblast) Zellkerne sich intensiv dunkel färben. Das tritt besonders bei Anwendung von essigsaurer Hämatoxylinlösung hervor. Mit dieser Lösung behandelt färben sich die Entoblastzellkerne tief dunkel, während die Ektoblastzellkerne nur hellblau tingirt erscheinen. Bei einigen Embryonen beobachtete ich Stadien, welche darauf hin- deuteten, dass die kleinere Zellform die größeren umwächst und auf diese Weise eine Gastrula entsteht. Dies ist außer der Lagerung der Häkchen auch für mich bestimmend gewesen, die kleineren Zellen für den Ekto- blast im Gegensatz zu den größeren zu erklären. Il. Die reifende Proglottis. Die weiblichen Geschlechtsorgane, Der Schilderung lege ich zunächst eine Proglottis zu Grunde, in welcher die Ovarien mit den jungen Eizellen, die Dotterstöcke, die große central gelegene Schalendrüse bereits ausgebildet sind. An einer solchen Proglottis, welche sich nur wenig in der Größe von der reifen Proglottis unterscheidet, lässt sich die Lagerung der einzelnen Ausführgänge der genannten Organe genau feststellen. Am weitesten dem hinteren Ende der Proglottis genähert liegen die beiden Dotterstöcke (Fig. 214 Dst). Sie sind ventralwärts von der Mittel- linie gelagert. Etwa in halber Höhe der Dotterstöcke beginnen die Ova- rien nach innen zu gelagert. Sie nehmen den ganzen mittleren Raum zwischen der Ringmuskelschicht für sich in Anspruch. Die Dotterstöcke = (Dst) sind zwei eiförmige Drüsen, über deren Inhalt weiter unten das Nähere berichtet werden wird. Die Gestalt der beiden Ovarien ist eine unregelmäßig ovale. In der Mitellinie selbst ist die den Anfangstheil des Uterus umhüllende Schalendrüse gelagert. Sie umgiebt den Uterus in seinem ersten Drittel. Was nun die Lage der einzelnen Ausführgänge zu den Organen und ‚ zu einander anlangt, so ist es zur Orientirung am geeignetsten mit dem ' Verlaufe der Vagina zu beginnen. | Oberhalb des Cirrhusbeutels trifft man auf die mehrfach gewundene ' Vagina, welche oberhalb der Mündung des Cirrhus durch eine beson- dere Öffnung nach außen mündet. Beide Öffnungen liegen ungefähr im Gentrum der Ventralfläche und ist die Körperwand hier trichterförmig eingesenkt. In der Tiefe der Trichter sind die Mündungen von Cirrhus und Vagina. Da der Cirrhusbeutel von seiner Mündung an nicht senk- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 48 730 Otto Hamann, recht verläuft, sondern zunächst schräg nach oben aufsteigt (vgl. Fig. 16), so ist demgemäß auch der Verlauf der Vagina ein ähnlicher. Sie schlän- gelt sich oberhalb des Cirrhusbeutelshin, um dann, nachdem sie hier ihren größten Durchmesser erreicht hat, plötzlich zwischen dem Uterus und dem Samenleiter, der am meisten dorsal gelegen ist, nach dem unteren Glied- ende zu verlaufen. Fig. 22 zeigt einen Querschnitt durch eine Proglottis. Mit V ist der Samenleiter bezeichnet, welcher in seinen vielfachen Win- dungen mehrmals getroffen ist. CGentralwärts liegt die in einem kurzen Theil der Länge nach durchschnittene Vagina (vg) und der Ventralfläche zugewendet der Uterus (U). Der Verlauf der Vagina, die mehrfache Windungen zeigt, endet mit einer Anschwellung, die eine besonders verdickte Wandung zeigt (vgl. Fig. 20). Langgestreckte, cylindrische Zellen bilden dieselbe. In der Tiefe dieser Anschwellung mündet der gemeinschaftliche Dotitergang, der aus der Vereinigung der beiden Dotterstockausführgänge hervorgegangen ist. Letztere entspringen an der Basis der Dotterstöcke, konvergiren gegen einander, indem sie schräg dorsalwärts aufsteigen, um alsbald sich zu vereinigen zum gemeinsamen Dotiergang. Etwa in der Mitte der bläs- chenförmigen Anschwellung mündet dann weiterhin der Ovidukt. Sein Verlauf ist ein komplicirter und auf Schnitten nur mit Mühe erkennbarer. Zunächst entspringt von der tiefsten Stelle jedes Ovariums je ein Ausführ- gang (vgl. Fig. 24 Längsschnitt). Diese beiden Gänge vereinigen sich bald zu einem gemeinsamen Gang, der durch seine starke Wandung an der Vereinigungsstelle hervortritt. Die Wandung scheint an den mit Sublimat-neutralem Essigkarmin behandelten Präparaten aus einer fein granulirten, rosa tingirten Masse zu bestehen, ohne dass Kerne oder Zellen nachweisbar wären. Der gemeinsame Ovidukt biegt nun nach unten um und mündet kurz vor der Endanschwellung in die‘ Vagina ein. Unweit von der Mündungsstelle tritt der Uterus als schmächtiger | Kanal aus, um sich ventralwärts zu wenden. Diese Lage behält er auch in der sich weiter entwickelnden Proglottis bei. Immer liegt er der Ventralfläche am nächsten, dann folgt die Scheide und endlich das Vas ! deferens mit seinen Windungen (vgl. Fig. 22 Querschnitt). Ich wende mich jetzt zur Schilderung des feineren Baues der ge- | nannten Organe, also der Dotterstöcke und Ovarien, um dann den Uterus mit dem als Schalendrüse zu deutenden Organ zu beschreiben. | Die Dotterstöcke sind zwei eiförmige Körper. Ihre Struktur | scheint eine follikuläre zu sein, doch ist hiervon in den Stadien, welche | ‘den Figuren 20 und 24 zu Grunde gelegt worden sind, nichts mehr | wahrzunehmen. Das ganze Organ gleicht einer einheitlichen Dottermasse, welche auch bereits in den Ausführgängen angetroffen wird. An jün- Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit Hächenständigen Geschlechtsöffnungen, 731 geren Dotterdrüsen sieht man, wie die einzelnen Zellen der Follikelwan- dungen sich direkt in die Dottermasse umbilden. Einige Zellen nämlich zeigen bereits ihr Plasma zum grobkörnigen Dotter umgebildet, während der Zellkern theilweise noch deutlich nachweisbar ist. Die Ausführgänge zeigen keinen Zellenbelag, nur eine feine Cuticula ist leicht zu erkennen. Die Ovarien verfolgte ich von denjenigen Stadien, in welchen noch eine gleichmäßige Zellschicht wie ein Epithel die Wandungen der Kammern auskleidet. Die nur wenig gelappten Organe nehmen bis zur Bildung der Eizellen an Umfang zu. Letztere sind an ihrem Keimfleck bald kenntlich und treten so vor den Keimzellen hervor. Haben die Eizellen einen Durchmesser von 0,04442—0,01428 mm, so beginnen sie überzutreten in die Ausführgänge. Ihre Gestalt ist jetzt folgende. Das Plasma der Zellen ist feinkörnig, die Gestalt eine sehr verschiedene. Je nachdem die amöboid sich bewegende Zelle in irgend welchem Zustand während der Konservirung getroffen wurde, ist sie entweder von kugeli- ger, oder ovaler bis spindelförmiger Gestalt (Fig. 27). Das Keimbläschen besitzt einen Durchmesser von 0,00744 mm, der Keimfleck 0,0014 mm. Über den Uterus mit seinem den Anfangstheil umhüllenden kuge- ligen Organ habe ich zunächst noch Einiges den Verlauf betreffendes nachzubolen. Der Uterus ist in seinem Endtheil bereits jetzt viel geräumiger, als in seinem Anfangstheil und da, wo er vom kugeligen Organ umhüllt wird. Er verläuft, aus letzterem herausgetreten, in mehrfachen Win- dungen bis zum hinteren Ende der Proglottis. Mit welchem Rechte das kugelige Organals Schalendrüse zu deuten ist, wird aus dem sogleich zu schildernden Bau hervorgehen. Was zunächst die Gestalt unseres Organes anlangt, so ist dieselbe von ‚eiförmiger Gestalt. Es besitzt einen Breitendurchmesser (an der brei- testen Stelle) von 0,1304, während der im Centrum gelegene und das Organ in ganzer Länge durchsetzende Kanal, der Uterus, nur einen Durchmesser von 0,04956 mm besitzt. Die Wandung ist also von ziem- licher Stärke. Sobald nun die Eier in den Ovarialgang und von da in den Uterus gelangen, werden sie hier mit der Schale versehen und ge- langen weiter hinauf in die hinteren Uteruswindungen. Welche Umbil- dungen hierbei derselbe erleidet, davon weiter unten! Die Wandung des Organes setzt sich zusammen aus zwei Schich- jen, von denen is eine als peripherer Beleg die andere umgiebt. In ‚ Figur A7 und 18 sind zwei Querschnitte durch unser Organ abgebildet. ) Der eine ist nahe dem Ende gelegt, während der andere durch das Cen- trum geht, also das Organ in seiner größten Breite schneidet. Hat man ‚ mit Essigkarmin gefärbt, so tritt die innere Zellschicht als *hellrosa 1S%* 122 Otto Hamann, gefärbt hervor, während ihre Kerne einen Ton dunkler gefärbt mit einem konstant central gelegenen Kernkörperchen deutlich zu erkennen sind, die periphere Schicht jedoch durch ihre dunkelroth gefärbten Kerne sich klar abhebt. Was nun die innere Schicht zunächst anlangt, so besteht dieselbe aus langen cylindrischen Zellen, die radiär um den Uterus angeordnet liegen, wie es die Fig. 47 und 18 zeigen. Der Zellleib besteht aus einem feingekörnten granulirtem Plasma, welches den Zell- kern im Gentrum oder basalwärts trägt. Letzterer ist von ovaler Gestalt. Seine Länge kann mit 0,00244 mm angegeben werden. Die Zellen neh- men nach den Enden des Organes zu an Länge ab, so dass sie hier dem Epithel der freien Uteruswindungen gleichen, wie ich es an der reifen Proglottis bereits beschrieben habe. Die zweite Zellschicht besteht aus einer Lage abgeplatteter Zellen, die als Beleg die cylindrischen Zellen überkleiden. Sie sind von poly- gonaier Gestalt von der Fläche betrachtet (vgl. die Figuren). Die männlichen Geschlechtsorgane. In denselben Gliedern, in welchen die weiblichen Geschlechtsorgane vollund ganzentwickeltsind, triffiman auch die Hoden bereits entwickelt und in der Reife an. Sie persistiren noch lange, nachdem vonden weiblichen Geschlechtstheilen nichts mehr zu sehen ist, und dieselben bis auf Uterus und Schalendrüse verschwunden sind. Die Hodenbläschen stellen sich als rundlich ovale bläschenförmige Gebilde dar, welche durchschnittlich eine Länge von 0,04890 mm und eine Breite von 0,0326 besitzen. — | Sie kommen innerhalb der Ringmuskelschicht in gleicher Weise vor wie | außerhalb derselben. | Isolirt man einzelne der Hodenbläschen durch Zerzupfen aus einer Proglottis, so bietet sich folgendes Bild. Jedes Bläschen wird von einer | faserigen Hülle umgeben, welche aus eng verschlungenen Fibrillen be- | steht, zwischen denen sich spindlige Zellen leicht erkennen lassen. Die Dicke dieser Hülle ist eine ziemlich große. Innerhalb derselben liegt das ! Organ, welches schon bei äußerlicher Betrachtung zeigt, dass es einen follikulären Bau besitzt. Untersucht man nun weiter die Hodenbläschen auf Schnitten, so erkennt man, wie jedes Bläschen aus einer Summe von | Einzelbläschen besteht, welche sämmtlich mit einander kommuniciren | und durch einen Gang nach außen münden. Die Wandung des Organes ! bestehtalleinauseinerSchichtkubischer Zellen, deren Flächen- ansicht ein Bild zierlicher Polygone zeigt. Diese Zellen sind die Bildne- rinnen der Spermatozoen. Das Epithel schwindet nach der Entwicklung der Spermatozoen, wie überhaupt das ganze Organ. Zur Zeit, wenn der | f Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit fächenständigen Geschlechtsöffnungen, 133 Uterus mit Eiern gefüllt ist, Ovarien und Dotterstöcke geschwunden sind, kann man die Hodenbläschen noch in ihrer Rückbildung verfolgen. Was die Ausführgänge der einzelnen Organe anlangt, so ist es mir schwer gefallen, dieselben aufzufinden und nur selten geglückt. Das Sperma gelangt in das dorsal gelegene in unendlich vielen Windungen gelagerte Vas deferens, über dessen Bau ich schon oben sprach. Ill. Der Übergang der reifenden in die reife Proglottis. Es bleibt mir nun noch übrig zu schildern, wie die reife Proglottis aus der mit Keimstöcken etc. versehenen Proglottis hervorgeht. Zur Zeit, wo die Dotterstöcke bereits in gleicher Weise wie die Ovarien verschwunden sind, trifft man noch die Hodenbläschen an. Jetzt hat aber der Anfangstheil des Uterus, welcher von der eiförmigen Schalendrüse umhüllt wird, oder, wie man auch sagen kann, welcher die Schalendrüse durchsetzt, sich in Windungen gelegt. In Folge dessen erscheint auch die Schalendrüse gebogen, wie Figur 23 zeigt. Die Eier triffi man jetzt einmal in der Uteruswindung, welche von der Schalen- drüse umgeben wird. Das Lumen dieses Theiles hat sich dann um das Dreifache des gewöhnlichen vergrößert. Die Vergrößerung schreitet, wie ich gleich vorausschicken will, mehr und mehr fort, und dies wird da- durch möglich, dass die aus cylindrischen Zellen gebildete innere Schicht der Schalendrüse schwindet. Der übrige Theil der Uteruswindungen bis zum vorderen Ende der Proglottis ist in gleicher Weise mit Eiern angefüllt, die sich in den ver- schiedensten Furchungsstadien befinden. Es zeigen nun diese übrigen Windungen des Uterus in gleicher Weise wie der Anfangstheil das Be- streben sich auszudehnen und dann kugelige Behälter zu bilden. So findet man, je mehr die Eier nach dem blinden Ende des Uterus gelangen, kuge- lige Anschwellungen im Verlaufe des letzteren, welche prall angefüllt sind mit den Eiern. So liegt gewöhnlich eine große Anschwellung im Ende des Uterus, während man im Verlaufe desselben mehrere, zwei bis vier zähle ich in den verschiedensten Gliedern, antreffen kann. Es ist nun immer leicht, sich in der Proglottis zu orientiren, d. h. die Identität der Schalendrüse mit der ersten Uterusanschwellung festzustellen, indem man sich nach den beiden flächenhaft gelegenen Geschlechtsöffnungen zu richten hat, von denen ja die des Vas deferens immer der Schalendrüse (also dem hinteren Proglotlidenende) zunächst, die Vaginaöffnung oberhalb derselben gelagert ist. In diesem Stadium trifft man reife Spermatozoen noch immer in den Hodenbläschen an. — Es kann nun vorkommen, dass die kugelige Anschwellung des blinden Endes des Uterus an Um- fang gleich kommt der ersten Anschwellung, d.h. der Höhlung der 734 Otto Hamann, Schalendrüse. Ein solches Stadium hält jedoch nicht lange an, indem - nämlich jetzt die Wandung der Schalendrüse dünner und dünner wird, die Zellen verschwinden und zuletzt die Wandung nur noch von einer äußerst dünnen Hülle gebildet wird. Die Eier gelangen nun in diesen größer und größer werdenden Hohlraum natürlich durch die Kontrak- tionen der Muskelfasern der Proglottis. Diese Ansammlung sämmilicher Eier im Anfangstheil des Uterus, der von der Schalendrüse umgeben wird, vollzieht sich sehr langsam. Dabei wird das anfänglich mit Eiern angefüllte, vom Ursprung des Uterus bis zur Schalendrüse reichende Stück desselben wieder leer, indem die Eier nur in den von der Schalen- drüse umgebenen Uterusabschnitt eintreten und stellt sich als kurzer Schlauch dar (vgl. Fig. 2 und 1). Die mit dem Kothe entleerien Proglotitiden besaßen, wie ich das oben schilderte, Eiersowohlin der Anschwellung wie in den Uteruswindungen, die jedoch keine besonderen Anschwellungen mehr zeigen, denn diese sind durch Entleerung der Eier geschwunden und ist der Durchmesser in den hinteren Uteruswindungen jetzt ein ziemlich gleichmäßiger an allen Stellen (vgl. Fig. 4). Es vollzieht sich die Wanderung sämmtlicher Eier in die Schalendrüsenanschwellung noch nach dem Abgange der Proglottiden mit dem Kothe. Endlich sind, und dies habe ich an sämmt- lichen lebenden Gliedern nach zwei oder drei Tagen konstatiren können, sämmtliche Eier aus den Uteruswindungen in die kugelige Anschwellung entleert worden. Diese ist jetzt prall angefülli und es kommt nun zur Abscheidung einer resistenten kugeligen kalkigen Hülle um dieselben. Von der ursprünglichen Wandung der Schalendrüse ist jetzt nichts mehr zu sehen. Einige Bemerkungen über das Nervensystem so wie das Wasser gefäßsystem will ich hier anschließen. Das Nervensystem ist an der jungen Proglotlis in Gestalt von zwei Längsstämmen, die aus Nerven- fibrillen mit aufliegenden und dazwischen liegenden Ganglienzellen vor- handen. Die Wimpertrichter des Wassergefäßsystemes schilderte ich schon oben. Es bleibt mir nur hier noch übrig hervorzuheben, dass in der reifenden Proglottis immer nur zwei Längsstämme vorhanden sind, die je nach dem Kontraktionszustand einen verschiedenen Durchmesser zeigten (vgl. oben). Allgemeiner Theil. Ich habe bis jetzt nicht nöthiggehabt irgend welcheLitteraturangabe zu machen, da noch keinerlei Beobachtungen über den Bau der Thiere Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit Nächenständigen Geschlechtsöffnungen, 135 dieser Gruppe vorliegen. In wie fern jedoch eine Übereinstimmung unserer Tänie mit den Tänien, deren Geschlechtsöffnungen seitenständig sind und mit den Bothriocephalen sich ergiebt, das will ich in Kürze be- sprechen. Betrachten wir zur Vergleichung die Geschlechtsorgane etwa einer Taenia des Menschen, so ergiebt sich eine Übereinstimmung im Bau mit den gleichen Organen unserer Form. Allein das eiförmige Organ, das ich als Schalendrüse bezeichnet habe, ist im feineren Bau volikommen verschieden von dem Drüsenzellenkomplex, der bei einer Taenia als Schalendrüse benannt wird. Vor Allem aber ist die Lagerung der Aus- führgänge, der Vagina und des Vas deferens mit dem Cirrhusbeutel eine verschiedene. Während bei den Tänien die Vagina stets unterhalb der Cirrhusbeutelöffnung mündet, ist bei unserer Art, wie wahrscheinlich bei allen diesen Formen mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen, die Vaginamündung oberhalb der Cirrhusöffnung gelagert. Von gänzlich abweichender Gestalt ist endlich die Bildung des Ute- rus mit seinen Windungen, welche kugelig aufgetrieben werden können und die Eier beherbergen. Diese Windungen mit ihren Anschwellungen vertreten die mannigfachen Seitenzweige eines Tänienuterus. Es erinnert weiter der Bau des Uterus an die Verhältnisse, wie sie bei Bothrio- cephalus bekannt sind. Hier wie da haben wir den Uterus in Win- dungen gelegt, mit dem Unterschiede jedoch, dass bei letzteren die _ Eier dauernd hier aufgespeichert werden, während sie bei unserer Form in den Anfangstheil des Uterus gelagert werden, der von der Schalen- drüse umhüllt wird. Dieses Verhalten ist ein von allem Bekannten voll- ständig abweichendes. Den Bothriocephalen werden unsere Formen weiterhin durch die Form der Eier genähert. Erstere besitzen, wie bekannt, ovale Eier, die von einer ovoiden festen Schale umhüllt werden !. Den Tänien hingegen kommen Eier zu, welche durch ihre Schalenbildung, durch ihre kuge- lige Form sich auszeichnen. Bei unserer Tänie hingegen ist die Form eine ovale, eine dünne durchsichtige Hülle umgiebt das Ei und nur die Deckelbildung fehlt, um die Ähnlichkeit mit dem Bothriocephalenei zu einer vollständigen Übereinstimmung zu machen. Wenden wir uns zum feineren Bau der Tänien und Bothriocepha- len und vergleichen denselben mit dem von mir geschilderten Bau unserer Form. Nach der neuesten Publikation über die Cestodengewebe von ! Vgl. Leuckart, Parasiten des Menschen. Erster Band. 4879. Zweite Auf- lage. 736 Otto Hamann, Griessach! hat man die Körpersubstanz der Cestoden als eine embryonale Grundsubstanz anzusehen, in welcher die einzelnen Organe eingebettet liegen. Mag man nun im Übrigen sich den Erörterungen GriEssach's anschließen, seinen Ansichten über die sog. subcuticulare Zellschicht kann ich nach meinen Präparaten nicht zustimmen. Nach GrizEssacH sollen bei Solenophorus eine bestimmte Form repräsentirende Zellen nirgends zu finden sein. Dagegen soll die subeuticulare Schicht aus einer „gänzlich unbestimmbaren bizarre Gestalt besitzenden Protoplasma- masse« bestehen. In dieser Plasmamasse, die von körniger Beschaffen- heit ist, liegen »größere und kleinere mit deutlichem Kernkörperchen versehene, mit Jodgrün oder Hämatoxylin distinkt hervortreiende Kerne eingebettet«. Aufdie Spekulationen Grizssacn’s, die er an diese Schilde- rung anknüpft, will ich nicht weiter eingehen und nur das eine betonen, dass bei unserer Form keine Protoplasmamasse mit eingestreuten Kernen sich findet, sondern echte spindelige Zellen, wie ich oben schil- derte. Stets habe ich bei guier Konservirung dieselben konstatiren können und nur, wenn ich Ghromsäure anwendete, oder die Proglottiden sofort in Alkohol getödtet hatte, bekam ich solche Bilder, wie sie GriEs- zacH abbildet (Taf. XXI, Fig. I und 2 seiner Abhandlung). Ich kann nur auf Fig. 9 verweisen, wo ich mit der Camera die subcuticulare Zell- schicht abgebildet habe und stimme vollkommen überein mit den Angaben von Sommer und LanpoIs ? und besonders von SCHIEFFERDECKER 3. Ver- gleicht man seine Abbildungen (Taf. XVI, Fig. IV) mit den meinigen, so wird man die Übereinstimmung zwischen den Zellen unserer Form mit denen von Taenia solium leicht herausfinden. Was nun speciell Soleno- phorus anlangt, so hat Rosoz, welcher vor Grizssach diese Art genauer untersuchte, ebenfalls echte Zellen bindegewebiger Natur vorgefunden und beschrieben. Ich glaube desshalb jene von Grizsgacn gegebene Darstel- lung nicht als den Thatsachen entsprechend bezeichnen und die Konser- vation hierfür verantwortlich machen zu dürfen. Da, wo ich in meinen Präparaten die Wimpertrichter und eben so die Ringmuskelfasern mit ihren Bildungszellen am deutlichsten und besten konservirt finde, da sind auch überall die Bindesubstanzzellen in ihrer epithelialen Anordnung zu sehen. 1 H. GrisspAcH, Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der CGestoden. Mit drei Tafeln. in: Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXI. 1883. 2 Sommer u. Lannoıs, Über den Bau der geschlechtsreifen Glieder von Bothrio- cephalus latus. in: Bd. XXI dieser Zeitschr. 3 SCHIEFFERDECKER, Beiträge zur Kenntnis des feineren Baues der u in: Jenaische Zeitschr. f. Naturwissenschaft. Bd. VII. 4 Roxoz, Beitr. zur Kenntnis der Cestoden. in: Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. 1882. F R Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit Bächenständigen Geschlechtsöffnungen. 7137 Ich wende mich jetzt zur Muskulatur. Ich habe oben einmal glatte Muskelfasern ohne jeden Kern und dann Muskelfasern mit an- hängender Bildungszelle beschrieben. Von besonderem Interesse sind die letzteren, welche sowohl als Ringmuskelschicht und Dorsoventral- fasern vorkommen. Weder bei einer anderen Taenia noch einem Boihrio- cephalus ist eine solche Muskulatur bekannt. Es ist mir nur eine Angabe von SıLensky! über Amphilina gegenwärtig. SaLensky beschreibt und bildet ab die Sagittalfasern dieser Form. Die Muskelfasern stimmen voll- kommen überein im Bau mit denen unserer Art, wie am besten aus einer Vergleichung der Abbildungen zu erkennen ist. Hier wie dort ist die kontraktile Substanz einseitig abgeschieden worden. Der Muskel- faser liegt etwa im Centrum die Bildungszelle an (vgl. Taf. XXI, Fig. 13 von Sırensky und diese Arbeit Fig. 9 und 14). Ähnliche Zellen hat neuerdings Pınrner?2 im Kopf des Tetrarbynchus beschrieben. PıntnEr glaubt weiter einen Zusammenhang zwischen Zellen und kernlosen Mus- keln kKonstatiren zu können. In der Nähe nämlich von kernlosen Muskeln iraf er Zellen an, welche im Bau übereinstimmten mit den Zellen, welche den Fasern aufliegen, seinen CGentralmuskelzellen. Er fast diese Zellen als Myoblasten auf, »welche aus den embryonalartig indifferenten Parenchymzellen entstanden, die glatten, kernlosen Muskelfasern bilde- ten, sich von diesen trennten und so die beschriebene Gestalt erhielten «. Diese Ansicht hat Vieles für sich und möchte ich mich ihr anschließen. "Wahrscheinlich ist zu einer gewissen Zeit in jeder Proglottis diese Stufe der Muskelfaser mit anliegender Zelle vorhanden und nur bisher nicht beobachtet worden, und der einzige Unterschied besteht darin, dass bei der von mir hier beschriebenen Art dieser Zustand bis zur reifen Pro- glottis sich erhalten hat, und beim Tetrarhynchus noch in den Muskeln des Kopfes ziemlich spät zu konstatiren ist, während bei anderen Formen diese Stufe zeitiger verlassen wird, die Zellen sich früher trennen. In Fig. 44 habe ich das Bild einer glatten, an beiden Enden zer- faserten Muskelfaser mit Zelle gegeben, welch letztere jedoch nur noch theilweise in Verbindung steht mit ihrer Faser, theilweise aber diese Verbindung aufgegeben zu haben scheint. Solche Bilder erhält man jedoch ziemlich selten. Das Wassergefäßsystem, zu dem ich mich jetzt wenden will, ist besonders durch Pınrner’s schöne Untersuchungen uns aufs Genaueste 1 SıLensky, Über den Bau und die Entwicklungsgeschichte der Amphilina. in: Diese Zeitschr. Bd. XXIV. 4874. Mit Taf. XXVII—XXX1. 2 PınTser, Untersuchungen über den Bau des Bandwurmkörpers mit besonderer Berücksichtigung der Tetrabothrien und Tetrarhynchen. Mit Taf. I—V. in: Arbei- ten aus dem zool. Institute Wien. Herausgegeben von CrAus. Bd. 3. 1881. bekannt geworden. Was die Hauptlängsstämme anlangt, so ist bei un- serer Form ein Epithel vorhanden, welches aus abgeplatteten Zellen sich zusammensetzt, und nach innen von der glashellen Membran, welche die Längsstämme auskleidet, gelagert ist, somit als Matrix der Membran betrachtet werden muss. Dieses Verhalten stimmt überein mit Pınrner’s ! Angaben, der im Gegensatz zu früheren Beobachtern dasselbe zuerst auf- gefunden hat. — Die Kapillaren mit ihren Flimmertrichtern konnte ich genau untersuchen, da sie, wie Fig. 9 und 12 zeigt, aufs Beste konservirt waren. Die Kapillaren fand ich als feine Kanälchen mit glasheller Wan- dung, welche von kaum messbarem Durchmesser ist. Irgend welcher Zellbelag konnte niemals gefunden werden. Ich befinde mich hiermit in Einklang mit Pıntner’s Angaben über diese Gebilde. Das Gleiche giit von den Flimmertrichtern. Diese sind die trichterförmigen Erweite- rungen der Kapillaren, welche von einer darüber sitzenden Zelle ge- schlossen werden (vgl. die Abbildungen). In meinen Präparaten sind diese Zellen von runder Gestalt, da sie ihre Pseudopodien im Moment der Konservirung eingezogen haben?. Der Zellleib besitzt jenes auch am lebenden Thier (vgl. Pınrner p. 43) kenntliche homogene Plasma, in dessen Centrum der kugelige Kern gelagert ist. Weiterhin ist auch der Theil der Geißelzelle, welcher in den Trichter hineinragt und im Leben »eine gleichmäßige von der Basis zur Spitze fortschreitende Wellen- bewegung zeigt«, durch seine dunklere Färbung nicht zu übersehen. — Bevor ich dieses Kapitel schließe, will ich noch besonders die That- sache hervorheben, dass der Uterusin seiner ganzen Ausdehnung von einem Epithel bekleidet ist, welches aus cylindrischen birnförmig gestalteten Zellen besteht. Nach innen von diesem Epithel, die Höhlung des Uterus auskleidend, liegt die glashelle Membran gleich einer Guticula. Die Zellen mit ihrem feingranulirten Inhalt haben das Aussehen von Drüsenzellen. Mit diesen theilen sie auch die geringe Tingirbarkeit. So weit ich die Litteratur übersehen kann, sind bisher solche Zellen bei keinem Band- wurm konstatirt worden. Bei SteuDenxer? finden sich keine Angaben über den feineren Bau des Uterus; Kauaınz* spricht bei der Beschreibung des Uterus von Taenia perfoliata von »epithelartigen« Zellen, die als ein fast kontinuirlicher Belag die Wandung bilden. Aus der hinzugefügten 138 : | Otto Hamann, | | | | 1 Pıntner, Untersuchungen über den Bau des Bandwurmkörpers etc. Arbeiten des Wiener Institutes. Bd. III, Heft 2. 41834. p. 21. 2 Vgl. die Abbildungen bei Pıntser, Taf. II, Fig. 3. 3 STEUDENER, Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden. Mit vier Tafeln. in: Abh. der naturf. Gesellschaft zu Halle. Bd. XII. 1877. p. 277. 3 4 KıHanE, Anatomie von Taenia perfoliata Goeze. Ein Beitrag zur Kenntnis der i Cestoden. in: Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. 1880. 2% Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit Hächenständigen Geschlechtsöffnungen. 739 Abbildung geht aber hervor, dass diese Zellen von endothelartigem Charakter sind, während die Zellen bei unserer Form den Drüsenzellen ähneln, welche bei Tänien den Schalendrüsenkomplex bilden. Rosoz ! bildet gleichfalls Zellen im Uterus ab; dieselben liegen aber merkwür- digerweise nach innen von der glashellen Membran. Zur Systematik. Überblickt man die Organisation unserer Form, so wird man sich wohl leicht zu dem Resultat bekennen können, dass dieselbe eine Menge von Anklängen an die Organisation der Bothriocephalen bietet, während sie im bei Weitem größten Theile sich der der Familie der Tänien nähert. Und was für die hier geschilderte Form gilt, das gilt für den größten Theil der mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen versehenen soge- nannten Tänien. Es fragt sich nun, ob man auf dieses Merkmal hin, d.h. auf die flächenständige Mündung der Vagina und des Cirrhus eine neue Familie gründen soll, welche zwischen Täniaden und Bothriocephalen zu stehen kommen würde? Bevor wir zur Beantwortung dieser Frage gehen, wollen wir uns noch einmal die Unterschiede in der Organisation unserer Form und der der genannten Gestodenfamilien klar machen. Von den Tänien weichen Formen, wie die unsrige eine ist, in folgenden Merkmalen ab: 4) flächen- ständige Geschlechtsöffnungen ; 2) Lage der Geschlechtsöffnungen zu ein- ander (Vagina oberhalb des Cirrhus, bei Tänien umgekehrt); 3) Bildung des Uterus (keine Seitenäste); 4) Bau der Eier; 5) Bau der Schalendrüse. Dies sind die Hauptmerkmale. Auf Bildungen, wie sie die Muskulatur zeigte, gehe ich hier nicht ein. Den Bothriocephaliden nähern sich For- men, wie die unsrige in Folgendem: 4) flächenständige Geschlechts- öffnungen; 2) Bau der Eier; 3) Bildung des Uterus (Windungen). Wenden wir uns jetzt zur Charakteristik der einzelnen Familien, vor Allem der Tänien, denen man bis jetzt unsere Form zuzählte, so er- giebt sich Folgendes: Nach Dizsıng ? würde es trotz der flächenständigen Öffnungen mög- lich sein, unseren Bandwurm zur Gattung Taenia Linne zu stellen, da er ausdrücklich sagt: Aperturae genitalium marginales, rarissime late- rales und in der Anmerkung hinzufügt: Aperturae genitalium in sola taenia perlata exquisite laterales visae, in relicuis speciebus distincte marginales v. situ adhuc dubiae. ! Rosoz, Beiträge zur Kenntnis der Cestoden. Diese Zeitschr. Bd. XXXVII. 4882. 3 2 Dıesıng, Systema Helminthum. Vol. I. 4850. p. 496. 740 Otto Hamann, Nach LeuckAart ! würde es gieichfalls möglich sein, sie der Familie der Taeniadae zuzuzählen, denn auch hier heißt es: Die Proglottiden sind „2.2... gewöhnlich mit randständigen Geschlechtsöffnungen versehen. Es fragt sich nun, ob man den übrigen oben angeführten Charak- teren den Werth zuerkennen will, eine neue Gattung zu errichten. Ich meinerseits bin davon überzeugt, dass bei einer genauen Untersuchung sämmtlicher sogenannter Tänien, bei denen nach Dizsiıne die Lage der Geschlechtsöffnungen noch unbekannt ist, und von ihren Beobächtern nicht aufgefunden wurde, es sich bald ergeben wird, dass mindestens eine neue Gattung errichtet werden muss. So weit ich nach nicht selbst konservirtem Material über diese Formen urtheilen kann, kommen ihnen flächenständige Geschlechtsöffnungen zu. Ich verschiebe bis dahin jedoch jeden Versuch einer neuen Klassificirung, bis ich neues Material vor- züglich aus Vögeln, welches mir in Aussicht steht, untersucht habe. Kennen wir diese Gruppe genauer, dann wird auch die Zeit gekommen sein, wo die phylogenetische Betrachtung zu beginnen hat. Würde somitin den flächenständigen Geschlechtsöffnungen kein hin- reichender Grund zur Aufstellung einer neuen Gattung, geschweige einer Familie liegen, so dürfte die eigenartige Bildung des Uterus dieselbe fordern. Bei keiner bekannten Tänie ist der Uterus zu einer gewissen Zeit in Windungen gelegt, sondern bietet immer das bekannte Bild eines Medianstammes mit Seitenästen. Auf dieses Merkmal hin halte ich es für räthlich, jetzt schon alle die Formen mit gleicher Uterusbildung, flächen- ständigen Öffnungen, Eiern mit glasheller, ovoider Schale dieser Gattung einzuverleiben, für welche ich in Anbetracht der kugeligen Ansammlung der Eier den Namen Ptychophysa wählen möchte. Es würde dann unsere Art als Ptychophysa lineata zu bezeichnen sein, indem bereits Gozze diese Form gesehen, kurz abgebildet und als Taenia lineata benannt hät. Ich wende mich jetzt zu den Forschern, welche unsere Form früher schon beobachtet haben. Bei GozzE? finde ich folgende Angabe: »Taenia lineata; articulis subquadratis, truncatis, medio longitudinaliter lineatis. In dem Gedärme einer wilden Katze (Felis silvestris) aus dem Ilsenburgischen Gehölze am Fuße des Brockens.« Und weiter im Text heißt es dann: »Weiter her- unter in den dünnen Därmen, in sehr zähem Schleim, zwo weißblau- lichte Strecken eines sonderbaren Bandwurmes; aber ohne Kopfende, das ich nirgends finden konnte. Jede Strecke fast 6 Zoll lang. An der einen die Glieder schmaler als an der anderen. Überhaupt die breitesten 1 LEUCKART, Die menschlichen Parasiten. Bd. I. 4863. p. 220. 2 GoEZE, Versuch einer Naturgeschichte der Eingeweidewürmer thierischer Körper. Mit 44 Kupf, Blankenburg 1782. p. 352. F3 Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit Nächenständigen Geschlechtsöffnungen. 741 kaum einen Strohhalm breit. Ohbnerachtet die Katze den 2. Februar 1781 bey sehr kaltem Wetter geschossen und am 3. gegen Abend ohne Fell angekommen war, so lebten diese Strecken doch noch eine geraume Zeit in lauwarmem Wasser. An den Seitenrändern der Glieder keine Spur von Mündungen. Hingegen inwendig in den Gliedern eine ganz andere Einrichtung, als bey den übrigen Bandwürmern. Längs jedem Gliede gehet eine erhabene weiße Linie, die man mit bloßen Augen sehen kann, und die sich, unter Nr. 2 Tub. A des Kompositi, wie ein Magen, mit einem kurzen, einmal umgedrehetem Gedärmchen, dar- stellet.«c Wenn schon aus der Beschreibung hervorgeht, dass es sich um unsere oder doch um eine ihr mindestens sehr nahe stehende Form han- deln muss, so überzeugt die Figur, die Gozze giebt, hiervon uns voll- ständig. Fig. 10 auf Tafel XXV A zeigt deutlich den Anfangstheil des Uterus als kugeliges Gebilde, wie es unsere Fig. I wiedergiebt. Auch die Darstellung der übrigen Glieder ist vollkommen übereinstimmend. Nächst Goeze will ich Barsca! nennen, welcher auf Taf. Il in Fig. 69 in kleinerem Maßstabe eine Kopie des reifen Gliedes nach Gozze giebt. Er selbsi hat die Tänie nicht gesehen, da auch die Beschreibung ledig- lich eine Wiederholung der Gozze’schen ist. Ruporput ? führt unsere Art bereits unter den zweifelhaften Arten auf? als Taenia lineata GoEZE. Diesıng ? giebt dieselbe Diagnose, wie wir sie schon bei den Vor- gängern finden. Es ist unsere Form bis jetzt in der wilden Katze nicht wiederge- funden worden. Wohl aber ist im Polarfuchs von VırorG eine Form be- schrieben worden als Taenia canis lagopodis Viborg?. Diese Art scheint mir unzweifelhaft identisch zu sein mit T. lineata Goeze. Durch Krasse ® sind wir mit letzterer Form genauer bekannt geworden. Klare Abbil- dungen erläutern seine Darstellung und zeigen, dass T. canis lagopodis Viborg identisch ist mit T. lineata Goeze. Krasge fand diese Form in Hunden auf Island und zwar waren 20°/, infieirt. Auch in Katzen wurde sie auf Island angetroffen. Seine 1 A. J.G,C, Barsca, Naturgeschichte der Bandwurmgattung, überhaupt ihrer Arten insbesondere. Nach den neuen Beobachtungen in einem systematischen Aus- zuge verfasst mit 5 Kupf. Halle 1786. 2 C. A. RupoLpaı, Entozoorum Synopsis cum Tab. III. Berolini 4819, p. 169. 3 C. A. Ruporpaı, Entozoorum sive vermium intestinalium historia naturalis. Vol. 2. P, 4. 4809. p. 194. ‘ 4 Dıesıng, Systema Helminthum. Vol. 4. p. 504, 5 VıBoRß, Ind. Mus. Vet. Hafn. p. 237 (cit. n. Diesıng). 6 KrasgE, Helminthologiske Undersogelser i Danmark og paa Island. Mit 7 Kupf. Kjebenhavn 1865. 5 42 Otto Hamann, Exemplare waren 30—50 cm lang. Krasse schildert den Kopf mit seinen vier Kreisrunden Saugnäpfen, den 0,45 mm breiten und 4 mm langen Hals. — Originalpräparate von Krasge überzeugten mich von der Iden- tität der beiden Arten vollkommen !. Dass T. litterata Batsch eine andere Art ist und mit T. lineata nichts zu thun hat, konstatirte ich leicht nach den Exemplaren der im hiesigen Museum aufbewahrten Mentıs’schen Sammlung. Die reifen Glieder zeigen bei dieser Art im hinteren Ende die Embryonen ebenfalls zu einem kuge- ligen Ballen angeordnet. Da auch die Organisation dieser Form, so weit ich nach den Präparaten urtheilen kann ?, die mir konservirt vorliegen, Übereinstimmung mit unserer Art zeigt, so würde diese Art unserer neuen Gattung, falls dieselbe bei weiteren Untersuchungen sich als halt- har erweisen sollte, als Ptychophysa litterata einzureihen sein. In wie fern dies für weitere zahlreiche Formen gilt, darüber später. Göttingen, im August 1885. Erklärung der Abbildungen. In allen Figuren bedeutet: C, Cuticula; Ch, Cirrhus; Dst, Dotterstock ; HB, Hodenbläschen;; K, Kalkkörper; LM!, äußere Längsmuskelfasern; LM?2, innere Längsmuskelschicht; N, Nervensystem; Ov, Ovarium; Ovg, gemeinschaftlicher Ausführungsgang desselben; RM, Ringmuskelschicht; Sch, Schalendrüsenorgan; SC, subcuticular epithelartig angeordnete Bindesubstanzzellen; DM, Dorsoventralmuskeln ; U, Uterus; 1 Ich hatte Gelegenheit die in der mikroskopischen Sammlung des zoologischen Instituts in Jena vorhandenen Originalpräparate KrAsBgeE’s zu prüfen. Trotzdem die Glieder sehr in der Aufbewahrungsflüssigkeit (Glycerin?) gelitten hatten, gelang es doch die Identität mit meinen Exemplaren festzustellen. 2 Und wie ich aus Zcuokke’s vorläufiger Mittheilung ersehen kann, die mir vor Abgabe des Manuskripts zuging. Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit ächenständigen Geschlechtsöffnungen. 743 V, Vas deferens; WG, Längsstamm des Wassergefäßsystemes. Die Erklärung der übrigen vorkommenden Buchstaben findet sich bei den ein- zelnen Figuren angegeben. Tafel XXIX. Fig. 4. Reife entleerte Proglottis von Taenia lineata. Glied lebend in Glycerin geschlossen, unmittelbar nach dem Abgange. Lupenvergr. Cam. luc. gezeichnet. Fig. 2. Eine Proglottis, in welcher Keimstöcke, Dotterstöcke verschwunden sind und nur der Uterus mit seinen Anschwellungen zu sehen ist. Die beiden im hinteren Ende des Gliedes gelegenen Anschwellungen verstreichen, indem die Eier in den von der Schalendrüse umgebenen Anfangstheil des Uterus gelangen (Fig. 4). Zur Illustration des Überganges der reifenden in die reife Proglottis. Lupenvergr. Ungef. Präparat. Fig. 3. Theile des entleerten Bandwurmes, um die Form der Glieder zu zeigen. Natürliche Größe. Fig. 4. Einzelne entleerte Proglottiden, zweimal vergrößert, in verschiedenen Kontraktionszuständen. Fig. 5. Querschnitt durch die reife Proglottis, durch das hintere Ende dersel- ben, Der kugelig aufgetriebene Anfangstheil des Uterus mit Eiern gefüllt. Zeıss A. Oc.2. Ausgezogener Tubus. Fig. 6. Querschnitt durch die Mitte einer reifen Proglottis. Der Cirrhus zum Theil durchschnitten, weiter der Uterus und dorsalwärts Vas deferens. A. Oc. 2. Bei ausgezogenem Tubus gezeichnet. Fig. 7. Querschnitt durch die kugelige Auftreibung des Uterus, die Lagerung der Eier zeigend, dazwischen amöboide Zellen az. F. Oc. 2. Fig. 8. Stärker vergrößerter Theil eines Querschnittes durch die reife Proglot- tis, die epithelial angeordneten Bindesubstanzzellen zeigend. Zeıss, 4/12. Ölimmer- sion. De. 2. Fig. 9. Querschnitt durch die reife Proglottis, nur der innerhalb der Ringmus- kelschicht liegende Theil (sog. Mittelschicht) ist wiedergegeben (vgl. zur Orientirung Fig. 6). Es zeigt die mit der Camera lucida gezeichnete Figur die senkrecht das Bild durchziehenden Muscul. dorsoventrales mit ihren Myoblasten, die Ringmuskelfasern, weiter die Wimpertrichter (vgl. Fig. 12), freie Bindesubstanzzellen von spindeliger Gestalt, Wanderzellen von kugeliger Form; mit ! sind die Lücken bezeichnet, in denen die Kalkkörper lagen. Dazwischen liegen frei Zellkerne in der Grundsubstanz zerstreut. 4/42, Zeıss. Ölimmersion. Oc. 2. Fig. 40. Zwei dorsoventrale Muskelzellen, an den Enden zerfasernd. 4/42, Zeıss. Ölimmersion. Oc. 4. Tafel XXX. Fig. 44. Embryo mit der ovoiden Schale, isolirt in essigsaurer Methylgrünlö- sung untersucht. hk, Häkchen. Fig. 12. Wimpertrichter, die Zelle hat ihre Fortsätze eingezogen. zk, Zellkern; 3, Zelle; w, undulirende Membran. 4/42. Ölimmersion. Oc.4. Fig. 43. Zellenbelag vom Uterus, von einem Querschnitt. F. Oc. 2. Fig. 44. Mündung des Cirrhus. Längsschnitt durch denselben. 1/42. Ölimmer- sion. Oc. 2. 744 0, Hamann, Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit Nächenständigen Geschlechtsöffnungen: Fig. 15. Kalkkörper; a, mit Hämatoxylin gefärbt, die übrigen aus mit Karmin tingirten Präparaten. 4/12. Ölimmersion. Oc. 2. Fig. 46. Dorsoventraler Längsschnitt durch eine reife Proglottis. Ch, Cirrhus. DB. Oc. 2. Fig. 17. Querschnitt durch die Schalendrüse. Die Höhlung ist mit Eiern er- füllt (Schnitt durch die ungefähre Mitte geführt). F. Oc. 2. Fig. 48. Querschnitt durch den Anfangstheil desselben Organes. Der Kanal, Uterusanfangstheil, ist noch nicht erweitert. F. Oc. 2. SER Fig. 49. Querschnitt durch den hinteren Theil einer jungen Proglottis. vg, End- anschwellung der Vagina. D. Oc. 2. Fig. 20. Einer der folgenden Schnitte. Die Dotterstöcke sind nur in ihren Enden getroffen. D. Oc. 2. Fig. 21. Längsschnitt durch eine Proglottis von gleicher Entwicklung wie in den vorhergehenden Figuren. D. Oc. 2. Fig. 22. Querschnitt durch eine Proglottis, in der die Geschlechtsorgane (Ova- rien und Dotterstöcke) obliterirt sind; zeigt die Lage von Uterus, Vagina (vg) und Vas deferens zu einander. D. Oc. 3. Fig. 23. Längsschnitt senkrecht zur Dorsoventralebene durch eine Proglottis von gleicher Entwicklung. oc, Mündung des Cirrhus, oberhalb derselben die Vagina- mündung (kleiner als erstere). A. Oc. 2. Fig. 24. Hodenbläschen, isolirt aus einer mit Sublimat behandelten Proglotiis. h, bindegewebige faserige Hülle, nach außen von ihr helle Cuticularausscheidung. D.0c. 4. Fig. 25. Schnitt durch ein Hodenbläschen. ep, epithelialer Zellbelag im Inneren, F. Oc. 3. Ausgezogener Tubus. Fig. 26. Flächenansicht der Ventralseite einer reifen Proglottis; nur die Mün- ‘dungen der Geschlechtsorgane sind wiedergegeben. ov, die der Vagina, oc, die des Cirrhus unterhalb der ersteren. F. Oc. 3. Fig. 27. Junge Eier aus dem Ovarium einer jungen Proglottis (vgl. Fig. 19). BE: 0e, 3. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. S N I S 8 3 I. EU BE RR DE Fa s & N \ 5 ‚ N < t z . - ’ \ x 7: 7 at i 5 . 5 13 N Y v . F f BE 1 , x { \ : { Sa 5 SUSE I N / \ 5 N \ 2] » r ut [A \ 1 e i 4 N \ ü 3 T et R f - \ , j “ _ d i x 1} Ns PRS R r = 1 . £ 5 \ 1 y a \ h x z r L n Er S ) v5 ö 2 > a k er ji n \ N eine i = To 2 E a \ \ 3 i } £ ’ \ R r dsehrifi Kunss. Zoot. bd\El. Fig.92. ) n „ Fig. 10h. af Fig.97. Oo, Fig.108. | \l n 5 RZ als, Fig.118. 6 6) && l 2 En a ! Ah] \O NG WW.) D\ Fig.1R7. 09 "ig: 125. @) J nn ot - em : SeeRallen 22 nat a1 erinz Verl Wilk Engelmann, Leipzig. Tier Anst werner a Winzer, Frankfer hf. er > ns N ER e 5 Ba: n pen RENT %- Pore Tetschrift [ wiss. Zoologie. Ba. MU 2. 2 | | | M. VerLrWilh Engelmann, Leipzin. Zeitschrift fwis5. # oologte. BAALH. ER AR er LI er Er Taf m Fig.14.W A. 1 Fig.2.IB. Fig. 56. XXIV A Fig.235.XMA. Fig.24 IR Fig. 25. XM C Fig.38.AMVC. ee X Fig.26. XD Fig. 27. AATE. Fig.39. XXVD. Fig.28..X. Fig... TA. Fig. 40. AAIVE. Fig.8. VA. Fig.10.VC. Fig.31. XMK. Fig,99. XIXA’ Verl vWilh. Engelmann, Leipzig. Dirk Anst wWirner & Winter Fraklart‘ X Be Ne Se en Teitschrift / wiss. Zoologie. Bd XLU ai , Tg Taf VI. Fig, 116 Fig. 21H, Zıh Anst wWerner kWinter-Frankfare a He, er x Zeitschrift f WISS. Zoologie. BAXLM. Fig 25.X Fig 1OVUL N vd.-\\ \ Frg. 1% VIIN. 7 Fig. 15. VITO ft Fg5VMD. L_ Höımrach Ar ft f wiss. Zoologie. Ba_NXLN. \ 4 z ne 2 6 uch er En EER 2 h er Ev \ > ur 7 Tafx. Fig 2A C. EA | SS - , Fa hr Fig KT. Zug nn Fig AAWC. 2 WEL TE LO FIGBOITO: | BR —_ E Fig QUMTR. rec - Fig IAAV Fig25.JH V rec pat | Verlag Falk En ‚gebnann,d eipzig. Zizk Anst Hernera Winter, Erankfarrt H nn Zeitschrift f wiss. Zoologie. BaXLI. | FigA1.XXLL. xx Fig.8 AMITC Fig. 24T M. N Fig 4A 0 St Cor 2p Al HE= Y -uUk hvr Ak Fig 9XXMHD Fig 16KXVIB. Fig Z AA E Hrec op re Zt 29 - H.Simrotr del. Verlag vWelk ein. Taf Fig. 13AXIV H. } E TITRKRRES Ani TSSS R 7A Bu 2 a DR FE WE FE We | g I | Zeitschrift [ wiss. Zoologte. Bd. ALH, Fig Pe aTo En a N, N Beh — Vale er Tufa Fig 40. Ver.v Walk Engelmann, bewzig Tech. Anstwerner e Winter Erarkfiere 2 Be SE: Due Rat Ymrss. Zool. Bd._11H. Jeitschrift er een \ \ I h SS has, Dopeiz, Uhse EAR RER ee BT = 51 a ‘ u > TESTEN TTS en Big3ß. Pi " We Teitschrüt f. otss- Zoologre. BaAZI. f Ftg.20. |% Be Dith. Anst.v.J.6.Bach ‚Leipzig Verlagv.Wilh-Engehnann, Leipzig. Zeitschrift £ wıss Zoologie. Bd : miss Zoot. Ba.NIIL. f ut \ r i ) \ ) 3 I . ’ \ 1 . “ j I ; a ! 3 ’ f N yall f ; 0 " el / . a A f k y x \ } \ * v N \ J f I ‘ y El . 2 J N ö j | ’ x ’ 2 5 ‘ ’ F & \ \ / \ \ N \ 1 . h “ y \ „ \ 1 h \ ®. ! ’ nd \ £ " \ Y ) . 5 Ä ; \ ' A| x A u Ye : l } j ? R “ h N , . Ken 4 | \ ı . 1 x l { i I L f ) f Ä ß j ı S ! x i N ü R & } \ ; Er, \ ' | i & j ) F \ S ; \ ß De ) EEE De \ Ä v ; | - “ an j h ö i \ Mr Er | ‚ R en e 7 u { ”r v ß # f { ' \ wo. | S 4 i } D s : i ‘ ' N r \ ef Ad y BA N £ n Aal a ten N ‚e at Bi TER NR vor ehe Fr \ . r ES m 3 en vr m 5 i f} Be: Zeitschrüft Ewtss. Zoolog. Bd. ZI. ' l ak am 79.39. Zeitschrift wiss. Zoologie Bd_NLH. lFig.ö8.- CD ag Y Zedschrilt I miss. Zool, Bd XL. Tat XI. Nig.b. En ne 0.Schmadt, ul. Verlag v.Willı Engelmann in Leipzig. Lu: Ara AFele Ten. 7 AUT er r ce - 4 2 N E< Br Ha 2% Were HK ’ 5 nt PEN) Per > I 7 ae - = E ur 2 = e Sn a = S B IF x , \ = : 5 "> ö > „ F’ > 2 a E 4 - 5 I \ z z E 2 D > F JR = 1 - I 5 & \ S - va ® | | Er { 5 ' x ? R 2 - 2. F [ \ - =, u ' Zeitschrift / wiss. Zoologie. Ba $ es FL 17% eine er BER ERBE ZEN er Zoologie. BANLH. Zeilschwift f wiss. EN ‘ N \ N \ \ N \ \u2 / 1 N | =. Beh, \ bo! N: S =) A N ’ Sul ion a up ‚Zeitschrift Imiss. Kool. Bd. — \ | u Taf AN Fig n \ | | \ I H | \\ IH Si j! ii] || v1 | | ey nn Q u = ed SEN“ K re N a N Fig9a. | \ H I & Taf XXX. N N fr " \ \ N SA NE I \ Zig.9. HEN a \ \ en .z ne ’ I Ne „ 0, ! ' | DM Fig.10. > \ see \ s \ N { “ I, \ DR D u i r y \| IR Ende SE Ne 5 Zur - 1) 3 Val | \ } ( ET — a ZAHL tn om Da in! [Beh ! AUCH .: DUDE ) rn | l PYA Kk 2 „— I: - ; Fig. 6. PANCN 107 DA? r RN LU) fi N Mn, AN f ' rg % ‘ ' ; Sy . b 000 000 N , 2, 2 we Pl ur, D 0 , > VL Ö 7 f INS eg G 7A Ad. AN >) f A NN ) NS Aidtd' ıs 7) X)) N } EEERETEG \ en _ ‘p A — ’ F =“, B 4% A i ee S ‚ @: , % = \ 4 / E Dan, IN @ Ba 15% u VadN A. Gy wuUön 7 FaK \ 919 vg) ’ ) Gh 5 . ER 2 . , AN FH hg MR CRRLET TILL TFRE RER ur A = NONOHIUNDNILMEE er AM n = Ch Hamann, del. Kane Be ai ne en \ : L a 1 ’ k & u% s Fa u B ” x fi er Pr R N RE 7 } e e> > Be \ = x \ r Ar ’ 2 Pr ; , { \ : ) S \ j Ex Air 2 Bi Fa Erg A x : 7 } < I > . ß } ? 3 ' IT Ri) Aa” i ) BERN i es 1 S y E : 12 \ im Denen ern ERSNAIE SEN 5 EN! » a h 2 1 EN v area 2% =: = N ’ v ä x Zeitschrift Kuiss. Zoolog.Bal_XEH, Fig.I% In: je. E Hamann del. a r a ra Ace he rar E A k ee ne ne ee en f are \7 : & \ } Zeitschrift tür WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen. Zweiundvierzigster Band Erstes Heft Mit einem Bildniss in Lichtdruck und 6 Tafeln. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1885. Ausgegeben den 24. Juli 1885. Inhalt. C. Th. E. v. Siebold. Eine biographische Skizze von E. Ehlers. Mit Bildnis I Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. Von A. Kölliker 2.8 Ir I a Ze FA m ee 18 Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen. Von GC: Fisch: “(Mit Taf. -1V.):22 2. ne 2, Ve 47 Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. VonC. Smalian. (Mit Taf. V und. VI.) us 402 Won na, Be a Daran De ee 126 E Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in de Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere m auf Wunsch und gegen Erstattung Er der Herstellungskosten. Die A. Moser’sche Buchhandlung Franz Pietzcker in Tü- bingen gab aus und versendet auf V erlangen : | Cat. 60. Bibliotheca Zoologica 2700 Nr. Hierin Bibliotheken der Herren Prof. Dr. Bergmann, Rostock, W.L. Th.v. Bischoff, München, Dir. Dr. Franck, München, Br. Ketzer u. A. m, Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Von C. Gegenbaur, o. ö. Professor der Anatomie und Director der anatomischen Anstalt zu Heidelberg. Zweite verbesserte Auflage. Erste Hälfte: Sign. 1-29 mit den Holzschnittfiguren 1—325. gr. 8. pr. eplt. „X 24. — | Die 2. Hälfte, Sign. 30 bis ca. 62 (Schluss) erscheint im Herbst d. Er (9 I \ 2 5 . > ' “ gr \ 3 i T fr F ; : Ss ” : i : \ , | - f \ - .: ö { # fi & f A N N $ 2“ % “ “ £ ) ; Pr > - i IE « s “ ‚7 or g z ni Y : ! > 7 Fa 2 u £ h a. r 4 v Pi j u h Pr [ er 7 n. ’ % 0 e * N BainbıE erg Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: & Die Dipterenflügel ihr Schema und ihre Ableitung Dr. E. Adolph, OÖberlehrer am Gymnasium zu Elberfeld. Mit 4 Tafeln. gr. 4. 1885. #4 5. — (Nova Acta der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Bd. XLVIL Nr. 6.) - Philosophische Studien herausgegeben von Wilhelm Wundt. Zweiter Band, viertes Heft. Mit 1 Tafel und 2 Holzschnitten. or. 8. 1885. „25. —. (Ausgegeben am 22. Mai 1885.) Inhalt: Wundt, Kants kosmologische Antinomien und das Problem der Unendlichkeit. — Lange, Nochmals über das Beharrungsgesetz. — Mehn er, Zur Lehre vom Zeitsinn. Erste Abtheilung. (Mit Taf. VL) — von Tchisceh, Über die Zeitverhältnisse der Apperception einfacher und zusammengesetzter Vorstellungen, untersucht mit Hülfe der Complicationsmethode (Mit 1 Holz- schnitt.) — Cattell, Über die Zeit der Erkennung und Benennung, von Schrift- ° zeichen, Bildern und Farben. (Mit 1 Holzschnitt.) — Kraepelin, Nachtrag ° zu der Arbeit über die Gültigkeit des Weber’'schen Gesetzes bei Lichtempfin- dungen. — Lorenz, Berichtigungen zu dem Aufsatze über die Methode der richtigen und falschen Fälle etc. Soeben erschien: Die Wirbellosen des Weissen Meeres. Fr vo Zoologist. che Forschungen Barden Kuste.des Solowetz kischen Meerbusens in den Sommer- monaten der Jahre 1877,:4878, 1879 und 1882 _ ö von ® r Nicolas Wagner, Ehrenmitglied und ordentlicher Professor an der Kaiserlichen Universität zu St. Petersburg. Erster Band. Mit 21 zum Theil farbigen Tafeln und mehreren °Holzschnitten gr. Fol. 1885. Cartonnirt 4 100. — Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. TER FR ze 26 AU@ 1885 Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE | begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen. Zweiundvierzigster Band Zweites Heft Mit 5 Tafeln. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1589. Ausgegeben den 18. August 1885. Inhart Seite Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken und ihrer euro- päischen Verwandten. Von Dr. H. ur (Mit Taf. VII—X]J. . . 203 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift’ bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für” Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wıssenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung F der Herstellungskosten. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Lehrbuch der Anstonis des Menschen von C. Gegenbaur, 0. 6. Professor der Anatomie und Direktor der anatomischen Anstalt zu Heidelberg. Zweite verbesserte Auflage. Erste Hälfte: Sign. 1—29 mit den Holzschnittfiguren 1—325. sr. 8. pr. cplt. 4 24. —. Die 2. Hälfte, Sign. 30 bis ca. 62 (Schluss) erscheint im Herbst d. )J. Monographie der Turbellarien. I. Rhabdocoelida. Bearbeitet und herausgegeben mit Unterstützung der königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Dr. Ludw. von Graff, Professor der Zoologie an der Forstlehranstalt Aschaffenburg. Mit 12 Holzschnitten und einem Atlas von 20 Tafeln. 2 Bände. Fol. Cart. 4 100. —. 3 R° BElRoIdoN TR a, Pr ER 5 N AS YVL i [1 In [KH UUIen 2 GOorVyz — H y M ra. Eine anatomisch- entwicklungsgeschichtliche Untersuchung von Dr. Nicolaus Kleinenberg. Mit 4 lithographirten Tafeln. gr. 4. 1872. 29. —. Leitfaden bei z00logisch-zootomischen Präparirübungen von August Mojsisovies Edlen von Mojsvär, Med. Univ. Dr. k.k. a. o. ö. Professor der Zoologie an der technischen Hochschule zu Graz. Zweite vermehrte Auflage. Mit 127. Figuren in Holzschnitt. gr. 8. geh. 4 8.—, geb. X 9. 50. Soeben erschien: Schriften der Naturforschenden Gesellschaftin Danzig. Neue Folge. Sechsten Bandes, zweites Heft. Mit 6 Tafeln. Lex. 8. 1885. X sg Dasselbe enthält folgende größere Aufsätze: Schumann, Zuchtversuche mit Helix nemoralis L. — Helm, Mittheilungen über Bernstein x. — ro „ Über die in Westpreußen und dem westlichen Russland vorkommenden Phos- phoritknollen und ihre chemischen Bestandtheile. — Brischke, Nachtrag 2 u .n den Beobachtungen über die Blatt- und Holzwespen. Mit 1 Tafel. — Conwentz, Heinrich Robert Göppert, sein Leben und Wirken. Gedächtnisrede. Mit Bild nis. — Kayser, Analyse der Beugungserscheinungen, welche durch einen Spalt entstehen. Mit 4 Tafeln. u Be 2: Soeben erschien: Sitzungsberichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Leipzig. Elfter Jahrgang 1884. gr.8. 41.60. ER: Soeben erschien: Die Wirbellosen des Weissen Meeres. Zoologische Forschungen 5 an der Küste des Solowetzkischen Meerbusens in den Sommer- monaten der Jahre 1877, 1878, 1879 und 1882 von Nicolas Wagner, Ehrenmitglied und ordentlicher Professor an der Kaiserlichen Universität zu St. Petorsburiii Erster Band, Mit 21 zum Theil farbigen Tafeln und mehreren Holzschnitten gr. Fol. 1885. Cartonnirt 4 100. —. Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehiers in Göttingen. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Dun | Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von \ Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen. Zweiundvierzigster Band Drittes Heft Mit 8 Tafeln und 5 Holzschnitten. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1855. Ausgegeben den 27. Oktober 1885. Inhatt Seite Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten. Von A. Fleischmann. (Mit 5Holzsehnitten.) . zz mer. 2 ee N 367 Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. Von R. Greefft. (Mit Taf. XII-XIV.)C U aa 2 432 Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus (Lam.) und ds Halieryptus spinulosus (v. Sieb... Von W. Apel. (Mit Taf. XV—XVIL) 459 Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. Von F. Große. (Mit Taf. XVIII.) 530° Über den Geschlechtsapparat von Nematois metallieus Pod. Von N. Cho- Wpdkovsky. (Mit Pat, ÜIR Sm Wirt Re er ee Mittheilung. . Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. | | Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattun; der Herstellungskosten. | J. U, Kern’s Verlag (Max Müller) in Breslau ist soeben erschienen: k Zoologische Beiträge. Herausgegeben von Dr. Anton Schneider. Professor der Zoologie und Direktor des zoologischen Museums der Universität Breslau, Band I. Heft 3. (Schluss von Bd. 1.) Mit 15 Tafeln und 2 Holzschnitten. Preis 24 X. Inhalt: E. Gaffron, Beiträge zur Anatomie und Histologie von Peripatus. II. Theil. — E. Rohde, Die Muskulatur der Chaetopoden. — F. Müller, Uber die Schalenbildung bei Lamellibranchiaten. — A. Schneider, Fortgesetzte Untersuchungen über Sphaerula Bombi. — E. Haase, Ein neuer Schmarotzer von Julus. — A. Schneider, Die E wicklung der Geschlechtsorgane der Insekten. — A. Schneider, Chironomus Grimmil U seine Parthenogenesis. — E. Rohde, Die Muskulatur der Chaetopoden. Nachtrag. Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: Untersuchungen über die Physiöleiif des Froschhirns von Dr. J. Steiner. Mit 32 Holzstichen. gr. 8. geh. Preis 5 Mark. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Vorlesungen über Bacterien A. de Bary Professor an der Universität Straßburg. Mit 18 Figuren in Holzschnitt. sr. 8. 1885. 4 3. —. Alciopiden Richard Greeff. Dr. med. et philos., o. ö. Professor d. Zoologie u. vergleich. Anatomie u. Director d. zoolog a ee Instituts der Universität Marburg. M. A. N. N Mit 6 lithogr. und chromolithogr. Tafeln. (Nova Acta d. Kaiserl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher. Band XXXIX. Nr. 2.) E. A: 1ERT. MM m Die Echiuren (Gephyrea armata) von kKichard Greeff. Dr. med. et philos., o. ö. Professor d. Zoologie u. vergleich. Anatomie u. Director d. zoolog. zöbtomt Instituts der Universität Marburg. M. A. Mit 9 lithogr. und chromolithogr. Doppeltafeln und 1 Holzschnitt. (Nova Acta d. Kaiserl. Leop. -Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher. Band, XLI: Pars II. ‚Nr. 1). 4. 1879. u 16.—. Die Perlmuscheln und ihre Perlen naturwissenschaftlich und geschichtlich mit Berü sichtigung der Perlengewässer Baierns beschrieben von Theod. von Hessling. Mit 8 Tafeln und 1 Karte. Lex.-8. 1859. # 18.—. Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 2 y Zeitschrift für _ WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet \ | I von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von | Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers | Professor a. d, Universitätzu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen. Zweiundvierzigster Band Viertes Heft Mit 11 Tafeln. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmanu 1885. Ausgegeben den 24. November 1885. A Inhalt. 2° Seite Die Anatomie der Psylliden. Von E. Witlaczil. (Mit Taf. XX—XXII.) 569 Entstehung neuer Arten durch Verfall und Schwund älterer Merkmale. Von 0: Schmidt; Mit Tat RATE) aa ee 639 Vergleichend-embryologische Studien. Von E. Metschnikoff. (Mit Taf. XXIV—XXVI.) 4. Über die Gastrulation und Mesodermbildung der Ctenophoren. . . . 648 5. Uber die Bildung der Wanderzellen bei Asterien und Echiniden . . 656 Das Geschmacksorgan der Insekten. Von F. Will. (Mit Taf. XXVII) . . 674 Über einen neuen Entwicklungsmodus bei den Nematoden. Von v. Linstow. (Mit „las. ARITIT. N .. E e 708 Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen. Ein Beitrag zur Kenntnis der Bandwürmer. Von O. Hamann. (Mit Ma DRTR En AR) Se a: Te ee ee Br 718 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Grundzüge der Histologie zur Einleitung in das Studium derselben. Vierundzwanzig Vorlesungen von Heinrich Frey Professor in Zürich. Dritte Auflage. Mit 227 Holzschnitten. 8. 1885. geh. .4 6.75. geb. X 7.75. Hi dr wr ER : wenn nun, Mas nen EEE NEE “ S - Bu 9 I r . RR T I an ee hunlege Rn set BE a te GE Er Se ee N r on r J an + weue | } Be EWR, nn a Lt Feen E re WE ehe daher hrie Ed var Karla