Der eeregre an Dar e3 2 ee ta . Be ek BE ae 3 var . N = . Ho air = ee ee ya tr ent HON »r. " ER EN Er! jetzt a 33 ge En! 4 kl #, % « ar 4 } # se nnlwins en ae a ar ie en EEE, ERBE ER FREE EEE TEE ERENE Fe ER Ba ae een ee NENNT, te Pr BR REN. 14% 4 BR = Eeselz, - tn x LH , EHER HERREN BR U RR SERIE ve ROTE HEN ERARE vi, HL Ale ee N ! HR A Ka, ce ? HAEKATT NERERERI EN REN, alaate EP RAP ! 2 EaaR N DR RAD: PU % f = Io Ar h n 3 Aal; ; a £ 2% 2 [x + R; r / ; F \ 3 TH RR 5 ERS REHDAN Y bt a ar ; 2 Hal, \ aM EN Hegert 3 3 A DH RHEIN CHHIEH F Er ARE FEN mr % at: RTERSE ‚227% . HF ET EICH, EN Ä B f A RD H HR eNT) er | eeıtz re Fe n,* N warte El era: man kon 16 Hy Hrispck }' ir el Bu: a" ler: i Ener SIEHE rare een “ one 35) rımam)? aTrTELSSe Wen? er , / - - Dr n 4 " f no j ji Eu = A u ' , all : BIN { Be u h \ u £ r Er: R a 0.7 { ee a Re Zeitschrift für _ WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a.d. Universität zu Würzburg Professor a. d, Universitätzu Göttingen. sechsundvierzigster Band Mit 37 Tafeln und 25 Holzschnitten. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1883. Inhalt des sechsundvierzigsten Bandes. a Erstes Heft. Ausgegeben den 25. November 1837. Seite ° Die Annelidengattung Spinther. Von L. v. Graff, (Mit Taf. I—IX und ee ee ee A HEN A “ Der Haftapparat der Batrachierlarven. Von J. Thiele. (Mit Taf. X und ee an ES ee a 67 Die wandernden Urkeimzellen und ihre Rz ungestitten bei den Echinodermen. aan Mi Tal. KL): ... 2.2. 2 ie ne N) Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. Von M. Verworn. (Mit Be AU und # Holzschn.). - - =... we sinn... 0 “. Zweites Heft. Ausgegeben den 23. März 1888. Die Entwicklung des Eies von Echinocardium cordatum. Von A. Fleisch- F- RNIT, ao) ®s 434 Beitrag zur Kenntnis des Megastoma entericum. Von B. Se ssi und W. Schewiakoff. (Mit Taf. XV.) ..... Ban MINE RUN 443 3 ‘sur Kenntnis der Entwicklung” der "Geschlechtsorgane einiger Cestoden. Von F. Schmidt. (Mit Taf. XVIu. XVII). -.2..2.455 Studien über Gordiiden. 11. Von F. Vejdovsky. (Mit Taf.-XVIN.) . . . 488 | or Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a.S. Von 3 ee 247 Über den Geschlechtsapparat des Diplozoon paradoxum. Von E. Zeller. - ä a ee ie 233 - Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. Von J. N DEAL R MERKT) . a een 3240 E Über die sogenannten Augen von Tridacna und das Vorkommen von Pseu- 4 dochlorophylikörpern im Gefäßsystem der Muscheln. Von J. Brock. 2 N ee el ea 270 1 j 2 Bi Ba > 7 "7 r o” Drittes Heft. Ausgegeben den 23. Mai 1888. : Seite Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. Von H. Henking. (Mit Taf. XXII—XXVI u. 3 Holzschn.) . . . 2... 289 Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden ; zugleich ein. Beitrag zur Morpholgeis . pe [Mollusken Beet : WouyG:. Kalıde, (Mıt S Hosen re. wen LE Über .den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. Von & Emery. ! (Mit Taf. XXVIT—-XXIX u. 2 Bolzsehn)), >, 7 ze Über die Hautsinnesorgane der Insekten. Von O0. vom Rath. (Mit Taf. XXX WIRKT). om se nn u Er 443 Viertes Heit:..’; Ausgegeben den 22. Juni 1888. Biologische Protisten-Studien. Von M. Verworn. (Mit Taf. XXXIH u. 3 Holzschn.) , : %. „un 2.05% .- Se ee ee une 29, BO TEE Criodrilus lacuum Hoffm. Ein Beitrag zur Kenntnis der en Von A. Gollin." (Mit Tab XXX) 2 22 2 222. Por e BE Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. Von M. a (Mit Taf. XXXIV. u, 4: Holzschn) 7. 2. Vs ee Über den Ursprung und die Bedeutung der sogenannten »freien« Kerne in dem Nahrungsdotter bei den Knochenfischen. Von C. K. Hoffmann, (Mit Tal. RARY.) 2.2 Reese. 1. . . 547 Die verschiedenen Cystenbildungen und die Entwicklungsgeschichte der holotrichen Infusoriengattung Colpoda. - Von L. Rhumbler. (Mit Taf. KXXVI 1 Holzschu.).;; us 0 00.2 ei ern 2. Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. Von F. Ruland., (Mit „Tat, XXX VU) eo. 0.0.00, 0 ne Die Annelidengattung Spinther. Von Prof. Dr. L. v. Graff (Graz). Mit Tafel I—IX und 10 Holzsehnitten. Mit dem Studium der adriatischen Anneliden beschäftigt, lernte ich im September 1884 in der Zoologischen Station zu Triest u. A. auch den Spinther miniaceus Grube genauer kennen und machte mich in den folgenden Monaten an die Bearbeitung der noch so wenig gekann- ten Anatomie dieses Thieres. Der Abschluss der Arbeit wurde in- dessen durch die Pflichten meiner neuen Stellung, so wie dadurch verzögert, dass ich den Wunsch hegte, alle bisher beschriebenen Ver- treter dieser Gattung in die Untersuchung einzubeziehen. Dies ward ermöglicht durch das liebenswürdige Entgegenkommen der Herren JAP. STEENSTRUP, Sven Lov£n, G. A. Hansen und A.-E. Verrirr, denen ich für Übersendung kostbaren Materials tief verpflichtet bin, sowie durch die Unterstützung meines Assistenten, Herrn Dr. L. Bönnıs, dessen ge- schickter Hand ich die Anfertigung von Schnittserien verdanke. Der Inspektor der Zoologischen Station zu Triest, Herr Dr. Ep. GrRAEFFE, ver- sorgte mich stets reichlich mit lebendem und konservirtem Materiale und Herr Dr. R. v. Drascne übersandte mir die von ihm gesammelten Exemplare zum Vergleiche. Allen den genannten Fachgenossen sei hiermit mein herzlichster ‚Dank für ihre freundliche Unterstützung ausgesprochen. Historischer Überblick. Eine Umschau in der Litteratur! ergiebt, dass ein Repräsentant der Gattung Spinther zuerst von G. Jonnston im Jahre 1845 (Nr. 1) beschrieben worden ist: Sp. oniscoides n. g. und n. sp. Das einzige 1 Siehe 8 Nsszeiehnis: am Schlusse “se Textes. 2 L. v. Grafl, Exemplar, gedredgt in der Belfast-Bai in 6—10 Faden, hatte eine Länge von 12,7 mm bei halb so großer Breite, und trug etwa 30 Dorsallamel- len und eben so viel Fußpaare. Was aber Jounston als »feet« be- zeichnet, sind nichts Anderes als die die Parapodien überragenden seitlichen Enden der Rückenlamellen; Parapodium ist der in seiner Fig. 11 gezeichnete »large bulbe« an der Basis des »Cirrus«. Letztere, vom Parapodium entspringende Cirre ist mit einer jeden Zweifel aus- schließenden Deutlichkeit gezeichnet. Von Borsten werden zweigliede- rige mit gekrümmtem Endhaken, Gabel- und Nadelborsten gezeichnet. Rechnet man dazu noch die Farbe ( cream-yellow «), so sind die posi- tiven Angaben erschöpft. M. Sırs beschreibt fünf Jahre später (1850, Nr. 2) sein im Komag- fjord in 30—40 Faden auf einer Spongie gefundenes Oniscosoma arclı- cum n. g. und n. sp. folgendermaßen: » Corpus ovale, depressum, supra convexiusculum, subtus planum, ex segmentis eireiter 20 compositum ; caput tentaculo unico et oculis 4 in dorso segmenti tertii notatum, abs- que caruncula. Pinnae discretae, superior arcuata latissima dorso connata, setis numerosis apice furcato membrana communi unitis, in- ferior multo minor conico acuminata setis paucis faleatis. Girri nulli. Branchiae nullae, expansio membranacea pinnae superioris forsan earum officio fungens.« Es ist klar, dass die »pinna superior« der Rückenlamelle, die »pinna inferior« ‚dem Parapodium entspricht. Größenangabe ist keine vorhanden, doch meint Sars, dass Oniscosoma » nach Größe und Bau« zu Euphrosyne zu stellen sei. Ep. Gruse (1854, Nr. 3) ist der Ansicht, dass Spinther oniscoides nicht an Aphrodite (wie der Entdecker Jonxston meinte), sondern viel- mehr an Siphonostoma oder Amphinome erinnere. Die von W. Srımpson (1854, Nr. %) beschriebene Oryptonota citrina n. 8. und n. sp. gehört, wie schon Sars (1862) ganz richtig erkannte, ebenfalls hierher. Srımeson’s Beschreibung sei vollinhaltlich hierher gesetzt: »CGryptonota St., n. g., Body broad, oval; segments very narrow; head minute, papilliform, placed at about the anterior fourth of the length of the animal; single median tentacle short, much narrower than the head; eyes two at the base of the tentacle. Back entirely covered by the crowded dorsal setae, leaving only a median line of separation, which terminates anteriorly at the head, and posteriorly not far from the margin. The dorsal pinnae are thus transverse in the middle, and longi- tudinal at the extremities ofthe body — as ifradiated from the two points forming the extremities of the dorsal line. The ventral pinnae are short and provided with strong hooked setae. They completely surround the Die Annelidengattung Spinther. 3 ventral surface of the animal. The mouth is at about the anterior sixth of the length of the animal below, and from it the anterior feet radiate, as from the head above. The branchiae probably resemble those of Euphrosyne, to which genus this has, perhaps, the nearest relations. These organs, however, and some other details, could not be made out from the single specimen obtained. Cryptonota eitrina, St., n. sp. Ofa beautiful lemon-yellow colour, resembling very much that of some sponges which oceurred with it. Head, flakewhite; back, beneath the setae, dark brown. Segments about thirty in number. Length 0,45 inch; breath 0,25 inch!. Dredged on a gravelly and somewhat muddy bottom, in thirty-five fathoms in the Hake-Bay.« Die zugehörige Abbildung ist so skizzenhaft, dass daraus nichts als der Körperumriss und die Verlaufsrichtung der »dorsal pinnae « (Rückenlamellen) ersehen werden kann. Die »ventral pinnae« sind die Parapodien und »branchiae« werden, obwohl nicht beobachtet, doch wegen der Ähnlichkeit mit Euphrosyne vorausgesetzt. Unklar bleibt, was Srımpson als »head« angesprochen hat; morphologisch entspräche einem solchen bloß der schmale vom ersten Lamellenpaar einge- schlossene Raum vom Vorderrande bis hinter den Rückententakel. Ep. Grupe (1860, Nr. 5) findet bei Triest an rothen Schwämmen einen Spinther, den er für verschieden von Jonunston’s, Sırs’ und Stınp- - son’s Exemplaren hält und als Sp. miniaceus beschreibt. Seine Diagnose lautet: » Spinther Johnst. Char. emend. Corpus ovale dorso plus minus convexo, segmentis minus numero- sis. Lobus capitalis fronte incisa ut cetera segmenta utrinque serie setarum dorsuali et processu laterali, setas uncinatas gerente munitus. Cirri,branchiae nulla. Oculi % eirca tuberculum tentaculumve, seg- ‚mento buccali insidens, collocati. Os inferum, prope marginem anticum situm, parvum; pharynx exsertilis brevis, semitubulosa, subtus caya. Anus posticus. Intestinum rectum pinnatum. Sp. miniaceus Gr. Corpus ovale, postice paulo magis attenuatum, miniaceum vel ein- nabarinum cute tenuissima, segmentisminus distinetis 18ad22. Setae dorsuales tenerrimae, antrorsum curvatae, simplices apice truncato-bi- cuspide, ordines transversos simplices componentes, a dorso medio usque 1 Das ist 44,4 und 6,3 mm, 1% 4 L. v. Graff, ad marginem pertinentes, membrana tenerrima quasi muco conjunctae, marginem versus longiores, processus segmentorum laterales teretes, obtusi, subconici, longiores quam crassi, setis compositis unci- geris 2 fortioribus armati, unco maxime eurvato. Cirri, branchiae nulla. Oeuli 4 eirca tentaculum brevissimum locati, segmento buceali insidentes. Os inferum, prope marginem anticum situm, parvum, pha- rynx exsertilis semitubulosa, subtus cava, apicem versus paulo attenuata, longitudine segmentorum 3. Anus posticus. Länge 2—3 Linien, Breite mit den Borsten 1 Linie !.« GrugE bespricht die von JoHnston, Sırs und Srımpson beschriebe- nen Formen, welche er für verschieden von einander und von seinem Sp. miniaceus ansieht, obgleich zwischen dem Triester Spinther und dem von Sırs beschriebenen bloß eine Differenz in der Farbe (jener roth, dieser strohgelb) konstatirt werden konnte. Indessen erhellt aus den zugehörigen Abbildungen noch viel mehr als aus dem Texte der große Fortschritt, den Grusr’s Mittheilung für die Kenntnis dieser Gat- tung bedeutet. Da sind nicht bloß die Borsten und ein das Verhältnis der Rückenlamellen zu den Parapodien ganz richtig darstellender Quer- schnitt, sondern auch der ganze Verlauf des Darmkanals und der Längs- nerven dargestellt. | | M. Sırs (1862, Nr. 6) giebt nach neuen eigenen Funden und nach Exemplaren des Kopenhagener Museums — welche letzteren er mit seinem Spinther arctieus völlig übereinstimmend findet — eine neue Genus- und Speciescharakteristik: » Spinther Johnston (Oniscosoma Sars). Corpus ovale, depressum, supra convexiusculum, subtus planum, e segmentis brevibus, minus numerosis, compositum. Lobus cephaliceus parvus, indistinete eireumseriptus, solummodo tentaculo unico brevi conico-acuminato et oculis 4 ad basin (anteriorem) tentaculi in dorso segmenti tertii sitis notatus, absque carunculo. Pinnae diseretae: supe- | rior cristaeformis, transversa (in segmentis antieis et postieis fere longi- tudinalis) humillima, sed latissima et dorsum fere obtegens, ita ut solummodo spatium lineare per totam longitudinem medii dorsi nudum relinquatur: setae simplices, tenerrimae, curvatae, apice furcato seu bicuspide, e cute communi tenui omnes setas conjungente vix aut parum prominulo, marginem corporis lateralem versus longiores, biseriales (seriebus transversis, cute intermedia excavata); pinna inferior multo minor, inferne ad marginem corporis lateralem sita, teres, longior quam 1 Das ist 4,39— 6,58 und 2,19 mm. Die Annelidengattung Spinther. 5 erassa, eylindro-conica, obtusa, seta unica extus porrecta (praeter 1—3 minores supplementarias in cavo pinnae inclusas) fortiore composita uneigera armata, articulo terminali seu uneino maxime curvato. Cirri nulli, branchiae nullae. Os inferum, prope marginem anteriorem situm; pharynx exsertilis conico-elongata, semitubulosa, subtus longitudinaliter excavata, marginibus integris, exserta tertiam corporis partem longitu- dine aequans, contracta, marginibus fimbriato-plicatis, absque maxillis papillisque. Anus posticus eirris analibus duobus brevissimis, tereti- "bus, ovalibus. Spee. Spinther arcticus. Corpore flavescente, segmentis 22—25, pinnis albido-hyalinis. Longit 8 mm, lat. 4 mm. « Die Genera Spinther, Oniscosoma und Cryptonota hält Sars für identisch, dessgleichen die Species Spinther oniscoides Johnst. und Sp. arcticus Sars. Als nächstverwandte Gruppe erscheint ihm das Genus Euphrosyne Sav. A. DE QUATREFAGES (1865, Nr. 7 u. 8) betrachtet die Genera Spinther (Oniscosoma) und Cryptonota für so wesentlich verschieden, dass er - ersteres als »incertae sedis« bei den Chloraemea, letzteres als »incertae sedis« bei den Amphinomea anschließt und sucht diese irrthümliche und schlecht vertheidigte Auffassung aufrecht zu erhalten (Nr. 10) gegen Ev. CLararkDe (1865, Nr.9), der die Identität von Spinther, Oniscosoma und Cryptonota verficht, und dieses eine Genus als nächstverwandt zu dem Genus Euphrosyne der Familie der Amphinomea gestellt wissen will. A. J. MarnGren (1867, Nr. 11) folgt der Auffassung von Sars (Nr. 6), was Umfang und Stellung des Genus Spinther betrifft und verzeichnet den Sp. arcticus Sars. W. GC. Me’Intosa (4877, Nr. 42) findet »in the Minch, off Nord Uist « ‚einen Spinther, den er für Spinther oniscoides Johnst. hält. Die Rücken- ‚lamellen desselben enthielten neben zweispitzigen auch einfache Nadeln (— denn was Me’Intosh »Dorsal branch of the foot« nennt, ist nichts als der Seitentheil der Rückenlamelle —) und überdies »opaque white spots«.. Er giebt genaue Abbildungen der Rückenstacheln und Fußhaken ‚und sieht zuerst die in den Parapodien enthaltenen Stützborsten (» The ventral eirrus has one conspieuous hook projecting from the soft papilla, generally another of similar form (but shorter) within the foot, and the distalcurved parts of other two embedded in the tissues«). Der »ventral eirrus « ist offenbar das Parapodium, der von Jounston gezeich- neten eigentlichen Cirre geschieht dagegen keine Erwähnung. G. A. Hansen (1882, Nr. 13) beschreibt als Spinther arclicus Sars, 6 L. v. Grafl, einen Spinther von 45 mm Länge und 8 mm Breite und giebt an, dass dessen Rückenstacheln nicht zweispitzig sondern einfach seien its * setae having a simple, straight, and here and there very slightly arcuate © point«). In der Abbildung Fig. 3 ist eine deutliche Cirre an der Außen- seite des Parapodiums zu erkennen, obeleichn im Texte nicht davon die Rede ist. | A. Wire (1883, Nr. 14) standen mehrere Exemplare eines von der Vega-Expedition erbeuteten Spinther zu Gebote, die er gleichfalls für _ Sp. arcticus Sars ansieht und mit Hansen’s Objekt identifieirt. Seine Diagnose lautet: »Speeimina nostra a Sp. aretico'’Sars notis sequentibus differunt. Corpus ovale vel subrotundum, segmentis eirca 40—50 com- positum. Lobus cephalicus nullus distinctus, papilla subglobosa in dorso j | segmenti tertii insidens. Oculi nulli. Pinna cristaeformis superior in spec. max. 11, mm alta. Setae capillares curvatae vel rectae, apice furcato vel truncato, e cute setas conjungente vix vel distinete promi- nulo. Cirri anales nulli. Color in spiritu griseus vel albus. « Das größte mit 52 oder mehr Segmenten versehene Individuum hatte 52 mm Länge, das kleinste war 22 mm lang und 16 mm breit. j Ersteres hatte eine mehr gestreckte Leibesform und unterschied sich auch durch die Form der Rückenlamellen von dem mehr rundlichen kleinen Exemplare. Sie sind beide abgebildet, dessgleichen die beiden Formen der Rückenstacheln und Fußhaken. G. M.R. Levinsen (1883, Nr. 15) giebt — von der falschen Anschau- ung ausgehend, dass die Seitentheile der Rückenlamellen selbständige und bisher übersehene »Kiemen« darstellen -— folgende Diagnose des Genus Spinther und seiner nordischen Arten: »Hovedlappens bageste Deel med 4 Öine og uden karunkel; dens forreste Deel ikke tydelig udviklet, uden Fölere og Öienpletter; Rygbör- sterne, som ere indesluttede i flossede Hudkamme og ikke ledsagede af Gjaeller, have en enkelt eller togrenet Spids med to smaa ligestore | Grene; kun en enkelt, sammensat Bugbörste med krogformigt Endeled; ingen eirrelignende Vedhaeng, men en enkelt tyk bladformig, tolappet Gjaelle (— denne Gjaelle har hidtil overseet af de forskjellige Forfat- tere —) over Bugbörsten, meget smaa Former . . Spinther, Johnst. De fleste Rygbörster med toklövet Spids; Bugbörstens Endekrog med Spidsen böiet under en red Vinkel. (Gjaellens Endelapper meget uligestore) =: ..... une ee. RS ee (Maıneren. 1867, p. 1). Alle Rygbörsterne med enkelt Dr Bugbörstens Endekrog med svagt böiet Spids; Gjaeller? . . Ne‘ (S. ar ns N Hi 1880, p. 224). Die Annelidengattung Spinther. 7 R. v. DrascHe (1885, Nr. 46) versucht zuerst eine genauere Dar- stellung der Anatomie von Spinther miniaceus Grube, aus der vor Allem die Entdeckung des Rückenblinddarmes hervorzuheben ist, während auf die übrigen Angaben weiter unten noch näher einzugehen sein wird. In systematischer Beziehung spricht er die Überzeugung aus, dass Sp. arcticus Sars und Sp. arcticus Wir&n verschiedene Species seien, ohne aber für diese und die übrigen Fragen der Synonymie entscheidende Gründe beibringen zu können. Genus- und Speciescharakter. Durch die Untersuchung der Originalexemplare — so weit als die- selben noch vorhanden waren — bin ich in die angenehme Lage ver- setzt, den Angaben sämmtlicher eitirter Autoren eine, wie ich glaube richtige Deutung geben und die so verwickelte Synonymie mit ziem- licher Sicherheit entwirren zu können. Es ergiebt sich, dass — wie weiter unten genauer nachzuweisen sein wird — alle die bisher be- schriebenen Spintiher-, Oniscosoma- und Cryptonota-Formen zu einem und demselben Genus gehören und auf drei Species zurückzuführen sind: Sp. oniscoides Johnston, Sp. miniaceus Grube und Sp. arcticus Wiren. Von diesen hat bisher bloß Sp. miniaceus Grube eine anatomische Untersuchung erfahren, der innere Bau der beiden anderen blieb aber gänzlich unbekannt und es war daher auch nicht möglich, ein Gesammt- bild des Genus zu geben. Es soll also jetzt der Speciesbeschreibung eine Darstellung der allgemeinen Organisation vorangehen, mit beson- derer Berücksichtigung derjenigen Punkte, welche für die Umschrei- bung der Species, so wie für die Gewinnung einer Genusdiagnose von Bedeutung sind. Alle Spintherspecies sind ausgezeichnet durch ihren scheibenför- migen elliptischen Umriss, der sich bald einem Kreise nähert, bald mehr in die Länge gestreckt erscheint. Der kleinste Sp. miniaceus, der mir untergekommen, misst (mit den Rückenlamellen) | mm in der Länge und 0,9 mm in der Breite, der aus Amerika stammende Sp. oniscoides 26 mm in der Länge und ca. 22 mm in der Breite. Das größte bekannte Spintherexemplar (Wıren’s Sp. arcticus) hatte eine Länge von 50 mm. Ohne Rückenlamellen war der Körper des erwähnten Sp. miniaceus 0,9 mm lang und 0,5 mm breit und es stellt sich im Allgemeinen das Verhältnis von Länge und Breite bei Sp. miniaceus und oniscoides fast wie 3:2, bei Sp. arcticus wie 5:4. Vorder- und Hinterende sind meist 8 L. v. Grafl, gleichmäßig stumpf abgerundet, doch ist ersteres vermöge der stärke- 7 ren Entwicklung der Rückenlamellen oft etwas breiter als das Hinter- ende. Bei den in Alkohol konservirten Exemplaren ist in der Regel der Körperrand zur Bauchseite eingebogen, sehr stark namentlich in den Seitentheilen. Die den Leib umkleidende Cuticula ist sehr dünn, so dass die Thiere im Leben von weicher Konsistenz sind. Die Farbe wechselt von blassgelb zu zinnoberroth und braunviolett in frischem Zustande, in Spiritus wird dieselbe weißlich bis graubraun. Die Bauchseite ist flach, der Rücken gewölbt. Erstere trägt am Rande die verhältnismäßig kurzen Parapodien und ist entweder glatt ” oder durch schwache Furchen gefeldert (Sp. miniaceus) oder aber mit Wärzchen besetzt (Sp. oniscoides und arcticus), welche zunächst in einer vom Bauch zum After ziehenden Mittelzone zerstreut angeordnet sind und überdies in dichtgedrängten Massen streifenweise von der - Mittelzone zu der Basis der Parapodien hinziehen (Taf. IX, Fig. 1). Am Vorder- und Hinterende konvergiren diese Streifen radiär zu den bei- den Brennpunkten der durch die Bauchfläche gebildeten Ellipse. Die Parapodien sind stumpf und kurz bei Sp. arcticus, eylindrisch und mit Ringfalten versehen bei den anderen beiden Arten; Sp. onis- coides allein trägt an der äußeren der Basis der Rückenlamelle zuge- kehrten Seite des Parapodiums eine endständige Cirre (Taf. VII, Fig. 5). Gegen das Hinterende rücken die Parapodien immer näher zusammen und werden schließlich so klein, dass man Mühe hat, dieselben mit der Lupe zu unterscheiden. Die Zahl der Parapodienpaare betrug bei dem oben erwähnten kleinsten Sp. miniaceus von 1 mm Länge 12, bei dem Sp. oniscoides von 26 mm Länge 48, und bei dem Sp. arcticus WiREN’S von 50 mm Länge 521. Jedes Parapodium enthält eine weit vorstreck- bare zusammengesetzte Hakenborste, daneben meist noch 1—4 eben- solche Ersatzborsten, deren längste bisweilen auch schon hervorsteht (Taf. V, Fig. 8 und Taf. VII, Fig. 5) und dazu eine Anzahl von 8—13 nadelförmigen schwach gebogenen Stützborsten, welche den Stiel der Hakenborste umgeben. Der Bauchfläche gehören auch Mund und Afteröffnung an. Ersterer ist vom Vorderende ziemlich weit abgerückt und fällt in den Konver- genzpunkt des dritten Parapodienpaares, welcher den vorderen Brenn- punkt der Ellipse bezeichnet. Meist sind aus demselben die gefältel- ten Ränder des Pharynx als zierliche Rosette hervorgedrängt. Die After- öffnung dagegen befindet sich am äußersten Hinterrande der Bauch- ! Ich möchte annehmen, dass hier die Segmentzahl bedeutend größer war als 52. Denn bei dem größten Exemplare von Sp. arcticus, das mir vorlag (Länge bloß 25 mm), zählte ich 46 Parapodienpaare. Die Annelidengattung Spinther. ) fläche, bisweilen mit lippenartig aufgewulsteten Rändern vorspringend (Taf. IV, Fig. 5). Noch innerhalb dieses Wulstes mündet auch die dicht über dem After gelegene Geschlechtsöffnung, so dass dieser Ringwulst eigentlich als Kloakalöffnung zu bezeichnen wäre. Jederseits des Afters sind die beiden zuerst von Sırs erwähn- ten Analpapillen ‘Analeirren) angebracht. Doch sind dieselben nicht allgemein vorhanden und finden sich z. B. bei Spinther miniaceus bald als kugelige weit vorspringende und schon von der Rückenseite her zu beobachtende, nach hinten gerichtete Fortsätze, bald als feine finger- förmige langgestreckte Anhängsel, die mit ihrem freien Ende auf der Bauchfläche nach vorn gerichtet sind (Taf. IV, Fig. 4 und Taf.V, Fig. 2) oder fehlen auch vollständig (Taf. IV, Fig. 5). Auf letzterer Figur könn- ten noch die beiden größeren Protuberanzen (ap) des Kloakalwulstes als Homologa derselben angesehen werden, doch fehlen nicht selten selbst diese schwachen Andeutungen der Analpapillen. Unter diesen Umständen verlieren diese Anhänge jeden Werth für die Speeiesunter- scheidung und es kann kein Gewicht darauf gelegt werden, dass bei dem von mir in Schnitte zerlegten Exemplare des Sp. arcticus (Taf. IX, Fig. 7) die Analanhänge als lange nach der Bauchseite eingerollte finger- förmige Fortsätze entwickelt waren, während sie bei dem einzigen Exemplare von Sp. oniscordes völlig fehlten. Die auffallendste Eigenthümlichkeit des Genus Spinther liegt in den Hautkämmen, welche den Rücken bedecken. Sie stellen einfache Falten des Epithels dar, welche in den diekeren Partien Lückenräume einschließen und von Chitinborsten gestützt sind. Jedes Segment trägt ein Paar solcher Rückenlamellen — wie wir diese Bildungen nennen wollen —, welche jederseits am Seitenrande über der Parapodienin- sertion sich erheben und bis in die Nähe der dorsalen Mittellinie ver- laufen. Indem zwischen den beiden Lamellen jeden Segmentes ein kleiner Zwischenraum frei bleibt, entsteht ein die rechte und linke Lamellenreihe trennender, mehr oder weniger deutlicher Rückenstrei- fen. Da ferner die Rückenlamellen in Zahl und Verlaufsrichtung völlig den zum selben Segmente gehörigen Parapodien entsprechen, müssen sie auch wie letztere in den Brennpunkten der durch den Rand des Körpers beschriebenen Ellipse vorn und hinten konvergiren. In Folge dessen sind die ersten und letzten Lamellenpaare fast parallel der Mittellinie, das erste wie letzte Körpersegment stellen aber lamellen- lose Keile dar, deren breite Basis dem Körperrande und deren Spitze ‚dem Brennpunkte der Ellipse entspricht. Die zunächst liegenden »Segmente« werden repräsentirt durch anschließende Keilpaare von gleicher Verlaufsrichtung. Die Mundöfinung liegt demnach, wie 10 L. v. Graff, schon Drascaz hervorhob, nur scheinbar im dritten, in Wirklichkeit im Hinterende des ersten (keilförmigen) Segmentes. Entsprechend der durch die Konfiguration des Körpers bedingten Doppelkeilform der Segmente zeigen auch die Rückenlamellen eine vom medianen Rücken- streifen zum Rande allmählich zunehmende Verbreiterung ihrer oberen freien Fläche. Die Konfiguration dieser letzteren ist sehr verschieden bei den dif- ferenten Species der Gattung Spinther und zwar ziemlich scharf ausge- prägt bei Sp. oniscoides und arcticus, aber vielen individuellen Schwan- kungen ausgesetzt bei Sp. miniaceus. Die Holzschnitte Fig. I—\V stellen AN Fig. I. Sagittale Schnitte durch eine und dieselbe Rückenlamelle von Sp. miniaceus, beginnend neben dem Rückenstreifen (@«a) und endend im randständigen Lamellenfächer (A) über dem Parapodium. schematisirte sagittale Schnitte durch die Rückenlamellen dar und es betreffen Fig. I—-IIl Sp. miniaceus, Fig. IV Sp. arcticus, Fig. V Sp. onis- coldes. Fig. I a—h stellt eine Reihe von Schnitten durch eine und dieselbe Lamelle dar, beginnend («) neben den medianen Rückenstreifen und endend in der äußersten Verbreiterung derselben (h) über dem Para- podium. Man sieht, wie die von hinten nach vorn geneigte einfache Hautfalte («) allmählich sich verbreitert, eine dorsale freie Fläche aus- bildet (d,c) mit einer hinteren (links in der Zeichnung) und einer vorde- en Fig. I und III. Extreme Formen von Rückenlamellen bei Sp. miniaceus, etwa in der Mitte der Seiten des Körpers (Holzschn. Fig. Ie entsprechend) durchschnitten. ren Kante (rechts) und wie diese Kanten sich so erheben, dass sie eine trogförmige Vertiefung zwischen sich fassen. Die stärker ausgebildete Vorderkante geht tiber dem Parapodium (am äußeren Ende derRücken- lamelle) bogenförmig über in die schwächer vorspringende hintere Kante. Dieser Bau der Rückenlamelle findet sich bei Sp. miniaceus in der Regel und vermittelt die beiden Extreme, die sich dadurch unter- scheiden, dass in dem einen Falle alle Lamellen von Anfang an (am Die Annelidengattung Spinther. 11 ' Rückenende) schon die trogförmige Vertiefung aufweisen (Fig. III — _ Draschz hat in Fig. 2 seiner Taf. I einen solchen Fall vor sich gehabt —), während es in dem anderen Falle bloß zu der in Fig. Ic und Fig. II dargestellten Ausbildung kommt, wo also die freie Fläche der Lamelle gar nicht oder höchstens am äußeren Lamellenende ein wenig sich vertieft. Solche Fälle sind in unserer Taf. I Fig. 1 u. 4 abgebildet. Sp. oniscoides schließt sich nun an die erstere Modifikation an, in- dem hier im ganzen Verlaufe der Lamelle eine rinnenartige Vertiefung der freien Fläche hergestellt ist (Fig. V), während Sp. arcticus die zweite Modifikation darstellt mit starker Flächenentwicklung der Lamelle ohne E77 St Fig. IV. Schema für den Lamellendurchschnitt Fig. V. Schema für den Lamellendurch- von Sp. arcticus. schnitt von Sp. oniscordes. Rinnenbildung (Fig. IV). Hand in Hand damit geht die Eigenthümlich- keit, dass im ersteren Falle die auf einander folgenden Lamellen sich nicht decken, sondern durch mehr oder weniger breite Spalten einen Blick auf die interlamelläre Rückenhaut gestatten (vgl. Holzschnitt Fig. I und V und Taf. IV, Fig. 5), während im zweiten Falle durch stärkere Ausbildung der vorderen Lamellenkante ein dachziegelförmiges Über- einandergreifen der Rückenlamellen zu Stande kommt (vgl. Holzschnitt Fig. II u. IV, sowie Taf. I, Fig. 4, Taf. IV, Fig. #). Die Rückenlamellen sind gestützt von Chitinstacheln, die mit ihrer stumpfen Basis im Körper stecken und mit ihren normal nur sehr wenig hervorragenden Spitzen (Taf. I, Fig. 11) die freie Lamellenfläche tragen. Der Hauptmasse nach finden sich die Stacheln in zwei Reihen angeordnet, so dass eine die hintere und eine die vordere Kante der Rückenlamelle trägt. Dieses Verhältnis ist am reinsten bei jenen For- men von Sp. miniaceus durchgebildet, deren Rückenlamellen vertieft sind (vgl. Drascnr’s Fig. 2 auf Taf. I) und hier sind entsprechend der stärkeren Ausbildung der Vorderkante die dieser angehörigen Stacheln auch länger und stärker gebogen als die der hinteren Reihe — wie ja auch bei allen Formen die Länge der Stacbeln mit der Höhe der La- mellen von innen nach außen zunimmt und in der fächerartigen Aus- ladung der Lamellen über den Parapodien ihr Maximum erreicht. Aber 12 L. v. Graff, schon bei der Form von Sp. miniaceus mit platten Lamellen treten hier und da einzelne Stacheln innerhalb der freien Lamellenfläche zu Tage. Dasselbe ist in erhöhtem Maße der Fall bei Sp. arcticus und am meisten von dem Schema der zweireihigen Anordnung weicht Sp. oniscordes ab, wo (Taf. VIII, Fig. 6) ein erheblicher Theil der Rückenstacheln inner- halb der Lamellenfläche (zumeist an der Spitze der in derselben sich erhebenden Höckerchen) zu Tage tritt. | Der Form nach finden sich bloß zweispitzige Stacheln bei Sp. mi- niaceus, ein- und zweispitzige bei den anderen beiden Arten. Auch die Dicke der Stacheln ist sehr verschieden bei den drei Arten und verhältnismäßig am geringsten bei Sp. arcticus (Taf. IX, Fig. 4 u.5), am bedeutendsten bei Sp. oniscoides (Taf. VIII, Fig. 3), wo man dieselben schon sehr gut mit freiem Auge wahrnehmen kann. Im Vorderende des von den beiderseitigen Rückenlamellen freige- lassenen Rückenstreifens liegt genau an der dem ventralen Munde ent- sprechenden Stelle (im Konvergenzpunkte des dritten Lamellenpaares) der warzenförmige unpaare Rückententakel, welcher, obgleich bei den drei Species verschieden in der Größe, doch niemals die Höhe der Rückenlamellen erreicht. | In der Basis des Tentakels sind die vier braunen kleinen Augen eingebettet. Sie sind den Ecken eines Quadrates entsprechend gestellt, zwei der vorderen und zwei der hinteren Tentakelbasis angehörig (Taf. I, Fig. 1). Jedes Auge erhält einen kurzen -dicken Nerven vom Gehirne, das unmittelbar unter dem Tentakel, zwischen diesem und dem Mund- darme gelegen ist und schief nach hinten und unten mit zwei starken Kommissuren letzteren umgreift. Von den subösophagealen Ganglien gehen die beiden ventralen Längsnerven schwach bogenförmig nach hinten, um sich dann nnter dem Enddarme fast bis zur Berührung ein- ander zu nähern. Die Längsnerven sind wenig differenzirt und weisen bloß eine Verdickung ihres Ganglienzellenbelages in jedem Segmente auf, sowie den letzteren entsprechende Querkommissuren und zu den Parapodien hinziehende und dort zu kleinen Ganglien anschwellende periphere Nerven (Taf. I, Fig. 11). Der Pharynx erhält einen unpaaren Nerven direkt aus dem Gehirne (Taf. II, Fig. 5). Der Darmkanal zerfällt in a Mitteldarm, Enddarm und Rückenblinddarm. Der Vorderdarm (Taf. II, Fig 7 und 8 pht) nimmt fast das ganze vordere Dritttheil des Körpers ein, erstreckt sich vom Munde schief nach hinten und oben und enthält den eigenthümlich gestalteten mus- kulösen Pharynx (ph). Dieser wird gebildet durch zwei, im Hinterende des Vorderdarmes, jederseits der Medianlinie von der Wand des letz- Die Annelidengattung Spinther. 15 - teren herabhängende Fältehen, die, Anfangs getrennt, nach vorn länger und länger werdend, sich in derMittellinie vereinigen, vom Dache des Vorderdarmes sich ablösen und nun als eine nach unten rinnenförmig | ausgehöhlte Zunge mit reichgefalteten Rändern herabhängen. Kiefer- bildungen irgend welcher Art fehlen vollständig. Die Verbindung des Vorderdarmes mit dem Mitteldarme wird hergestellt durch ein von der Decke des letzteren senkrecht nach oben steigendes Rohr (Taf. VII, Fig.7 Dv, das man als Ösophagus bezeichnen könnte), welches unter dem Integumente des Rückens sich nach vorn umbiegt und zwischen den beiden Pharyngealfalten in den Vorderdarm einmündet. Der Mitteldarm, der aus einem centralen Theile (Taf. III, Fig. 8 D) und paarigen Seitenästen (Dd) besteht (vgl. auch Taf. I, Fig. 6 und 7) liegt an der Ventralseite der Leibeshöhle. Seine Divertikel erstrecken sich bis nahe zur inneren Insertion der Parapodienmuskulatur und zeigen in Länge und Weite, sowie in der Zahl nicht bloß specifische, sondern auch individuelle Varianten. Im Allgemeinen kann man sagen, dass jedem Segmente ein Paar von Darmdivertikeln entspricht — mit Ausnahme des Hinterendes, wo zu den dichtgedrängten verkümmer- ten Parapodien keine ihnen entsprechenden Darmdivertikel vorhan- den sind. Der vom Mitteldarme gerade zum After verlaufende Enddarm hat keine paarigen Anhänge, entsendet aber, unmittelbar ehe er in den Mitteldarm übergeht, aus seiner dorsalen Wand einen unpaaren Blind- sack nach vorn (Taf. V, Fig. 5 Db). Dieser Rückenblinddarm kommt allen Spintherarten zu, hat aber seine stärkste Ausbildung bei Sp. miniaceus. Bei dieser Species weist derselbe auch die einschneidendsten individuellen Variationen auf, so- wohl was seine Erstreckung nach vorn und Lumenweite betrifft, als auch in Bezug auf die Länge seiner den Mitteldarmästen entsprechen- den paarigen Aussackungen und das Vorhandensein sekundärer Kom- munikationen mit dem Mitteldarme. Letzterem liegt der Rückenblind- sack von oben her dicht an. Diese Verhältnisse sollen bei der speciellen Beschreibung des Sp. miniaceus genauer dargestellt werden (vgl. Holz- schnitt Fig. VII—X). \ Exkretionsorgane fehlen gänzlich, „dagegen ist ein (namentlich bei Sp. oniscoides sehr reich entwickeltes) Blutgefäßsystem zu konstatiren. Doch kann ich leider von demselben nur so viel sagen, dass ein media- nes Rückengefäß über dem Darme vorhanden ist und dass von demsel- ben mehr oder weniger stark verästelte paarige Gefäßstämme in meta- merer Anordnung abgehen. Auch sind keine besonderen Respirationsorgane vorhanden und 14 L. v. Graff, was von einigen Autoren als »Kiemen« bezeichnet worden, das sind | nichts Anderes als die mehr oder weniger fächerartigen lateralen Enden 7 der einzeinen Rückenlamellen. "4 Die Geschlechter sind getrennt und fast der ganze Leibesraum ist erfüllt von den massenhaften Geschlechtszellen, als deren Träger eine ' Art retikulären Bindegewebes funktienirt. u Endotheliale Septa zwischen den einzelnen Segmenten sind nicht vorhanden und nur die zwischen den Darmdivertikeln verlaufenden dorsoventralen Muskelbündel stellen eine unvollständige Kammerung | des Leibesraumes her. | Alle Spintherarten scheinen auf marinen Spongien zu leben und sich von Theilen derselben zu ernähren. Ich habe wenigstens im Darm- % kanal (einen einzigen Fall ausgenommen, in welchem zahlreiche Kalk- körper von Holothuria tubulosa den Inhalt bildeten) nie einen anderen Inhalt gefunden, als Theile des Schwammes, auf welchem die Spinther | leben. Man muss dieselben demnach als Ektoparasiten der Spongien bezeichnen !. | Das Gesagte gestattet uns, folgende gemeinsamen Charaktere der bisher bekannten Arten zur Diagnose des Genus Spinther zusammenzu- fassen: | Genus Spinther Johnston 1845. Oniscosoma M. Sars 1850. Uryptonota Stimpson 1854. -Polychaetenmitelliptischem, vorn undhinten abge- rundetem Körper, dessen Länge nur um die Hälftebisein Viertelden Breitendurchmesser übertrifft. Die Zahl der Segmente ist sehrbedeutend. Kopf- und Aftersegment sind nicht deutlich abgesetzt und mit ihrer Ausnahme tragen alle übrigen Segmente je ein Paar am Rande der flachen Bauchseite angebrachter kurzer Parapodien so- wie dorsale paarige Hautfalten, welche über den Para- podien am Außenrande desKörpers entspringen und bis) an die Mittellinie des stark gewölbten Rückens sich er-% strecken, so dass letzterer zwei Längsreihen solche 1 GruBE fasste, wie aus seiner Zusammenstellung, »Mittheilungen über Aufent- haltsorte der Anneliden« (Amtl. Bericht über die XXXV. Vers. d. Naturf. u. Ärzte in Königsberg. 4860. p. 83) hervorgeht, die Spinther lediglich als Raumparasiten der Spongien auf. | Die Ännelidengattung Spinther. 15 Rückenlamellen trägt. Nur ein schmaler Rückenlängs- streifenwird vonihnenfreigelassen und trägt gegen das Vorderende, am Konvergenzpunkte des dritten Lamel- lenpaares einen warzenförmigen. unpaaren Tentakel. Sowohl Rückenlamellen als Parapodien sind an beiden Körperenden radiär zu den Brennpunkten derEllipse ge- stellt und erscheinen gegen das Hinterende sehr klein unddichtzusammengedrängt. Meistens findensichjeder- ‚seits des Afters zwei finger- oder warzenförmige Anal- @ırren. IndieBasis des Rückententakelssind vierkleinevon ‚der Haut überzogene Augen eingebettet. An der dem 'Tentakel entsprechenden Stelle der Bauchfläche — also ziemlich weit vom Vorderende abgerückt — liegt der Mund, während der After und die diehtüber demselben 'mündende unpaare Geschlechtsöffnung am Hinterende ‘der Bauchfläche angebracht sind. Die obere freie Fläche der Rückenlamellen ist durch inderRegelzweireihigangeordnete ein- oder zweispit- 'zige Chitinstacheln gestützt, die in den Hautkämmen ‚eingeschlossen sind und nur mit den Spitzen ein wenig hervorstehen. Die Parapodien enthalten je eine zusam- mengesetzte Hakenborste, deren Stiel von 8—13 nadel- nizon Stützborsten umgeben ist. Daneben finden ‚sich noch 4—4 Ersatzhakenborsten mit in der Entwick- MEunse begriffenen Stielen. Auf der dorsalen Seite des Parapodiums kann eine Cirre vorhanden sein. Das Gehirn liegt dieht unter dem Rückententakel, (die beiden Bauchstränge sind weit getrennt, segmental wenig angeschwollen und durch Querkommissuren ver- ‚bunden. Der Darm besteht aus Munddarm mit einem unten Tinnenförmig vertieften, zungenartigen vorstreckbaren 'muskulösen Pharynx, ohne Kieferapparat, einem mit paarigen Divertikeln versehenen Mitteldarme und einem Enddarm, der vor dem Übergange in den Mitteldarm den dem letzteren aufliegenden Rückenblinddarm nach vorn 'entsendet. Ein Blutgefäßsystem ist vorhanden, dagegen fehlen ‚besondere Kiemen und Segmentalorgane. Die Geschlech- ter sind getrennt. 16 L. v. Grafl, Leben auf und von marinen Spongien, an deren Fläche siesichmitihren Hakenborsten anheften. | Da ich schon in der Litteraturübersicht auf die bei einzelnen Autoren sich findenden Mängel und Unrichtigkeiten in der Beschreibung hingewiesen habe, so brauche ich nicht noch einmal die Differenzen hervorzuheben zwischen meiner i Genusdiagnose und der Fassung, welche ihr frühere Autoren gegeben haben. Die ° generische Identität zwischen Spiniher Johnston, Oniscosoma Sars und Cryptonota Stimpson wird von allen Autoren zugegeben mit Ausnahme von QUATREFAGES (Nr. 40). Dieser betrachtet zwar Oniscosoma und Spinther als identisch, trennt aber davon Cryptonota — was nur möglich ist, wenn man weder eigene Anschauung von diesen Formen besitzt,noch auch die nöthige Kritik auf die Ausdrucksweisen der betreffen- den Autoren anwendet. Denn die Borsten des »Fußes« von Spinther Johnston sind | nichts als die Stacheln der seitlichen Ausladung der Rückenlamelle, und Joanston’s Ausdruck »englued together by a sort of albuminous membrane« bedeutet doch etwas Anderes als »engluees par une matiere albumineuse« wie QUATREFAGES über- | setzt. Woher Quarkeraszs die Behauptung nimmt, »les pieds sent birames chez les Cryptonota« ist nicht ersichtlich, da Srıurson kein Wort darüber sagt und was schließlich die angeblichen »Kiemen« der Oryptonota betrifft, so erhellt aus dem | Zusammenhange des Textes von Srımpson ganz klar, dass er dieselben nicht ge- sehen, sondern bloß als vorhanden angenommen habe. 1. Species: Spinther oniscoides Johnst. Spinther oniscoides Johnston (Nr. 4) 1845. Cryptonota citrina Stimpson (Nr. 4) 1854. Spiniher arcticus Hansen (Nr. 13) 1882. Spiniher major Levinsen (Nr. 15) 1883. (Taf. VI—-VIUl, Holzschnitt Fig. V.) Zu dieser Synonymie sei Folgendes bemerkt. Auf meine Anfrage bei den Herren Joserk Leipy und A. E. VERRILL, ob ich Stımpson’s Original haben könnte, W' wurde mir mitgetheilt, dass dasselbe bei dem Brande von Chicago zu Grunde ge- sangen sei, zugleich aber auch, dass Herr VERRILL die »Oryptonota eitrina« sehr wohl kenne und zwar von einem Fundorte in der Nähe des Ortes, von welchem Srtıneson’s Original herstammt, nämlich der Bay of Fundy. Dieses VERrRILL’sche | Exemplar wurde mir in freundlichster Weise zur Untersuchung überlassen. Zu- } gleich vertraute mir Herr A. Hansen das Original seines »Spiniher arcticus« an und ich überzeugte mich, dass dasselbe mit dem amerikanischen Spinther sowohl in der | Form der Rückenlamellen wie der Stacheln übereinstimmt. Beide besitzen sowohl | ein- als zweispitzige Stacheln und Hansen’s abweichende Angabe beruht darauf, dass die Spitzen der meisten Stacheln an seinem Exemplare abgerieben sind, wie | denn auch seine Abbildung Fig. 5 keine unverletzten Stacheln zur Anschauung bringt. Beide besitzen ferner eine Parapodialcirre und die gleiche Skulptur der Bauchfläche — Momente, die von Hansen und Stımpson nicht erwähnt werden, aber eine scharfe Scheidung dieser Species von den anderen beiden, der Parapo- dialeirre entbehrenden Arten gestatten. LEvissen hat indessen nicht darauf hin, sondern lediglich auf Grund der (unrichtigen) Angabe von der Form der Rücken- | stacheln die Hansen’sche Form neu benamset. Die Annelidengattung Spinther. 17 Nicht ganz so sicher ist die Identificirung mit Sp. oniscoides Johnston und zwar desshalb, weil es ja möglich ist, dass noch eine zweite Spintherspecies mit Para- podialcirren existirt. Wenn man aber bloß die heute bekannten Formen berück- sichtiet, dann kann nach meiner Meinung nur die HAnsen-Stımpson’sche Form auf Jousston’s Beschreibung bezogen werden, da der Cirrus an dem »large bulbe« (= Parapodium) in seiner Fig, 44 keinen Zweifel darüber zulässt, dass Joansrton’s ‘ Form mit einer in Größe und Stellung gleichen Parapodialeirre versehen gewesen ist. Auch ist Jonnston’s Exemplar erheblich größer als alle bisher gesehenen | Exemplare von Sp. miniaceus und viel kleiner als alle Exemplare von Sp. arcticus ' Wiren. Jonnston’s Exemplar hatte 42,7 mm Länge bei halb so großer Breite, Han- SEN'S Sp. arcticus misst 45 mm Länge und 8 mm Breite, Srımpson giebt 41,4 mm Länge, 6,3 mm Breite als Maße an, während dieselben bei meinem Exemplare 26 “und 45 mm betragen. Dagegen hat das größte von mir in Triest gefundene Exem- plar des Sp. miniaceus 8,5 mm Länge bei 5,5 mm Breite und der Sp. arcticus Wiren misst 22—50 mm in der Länge. Mitjeeiner dorsalen Cirre am Ende des Parapodiums; ‘dieRückenlamellen gerade aufstehende Hautkämme mit fast ganz gleich ausgebildeten, wellig gezackten Vorder- ‘und Hinterrändern der freien Fläche, welche schwach ‚vertieft und mit zahlreichen Höckerchen versehen ist, ‘an deren Spitze oft Stacheln hervortreten, so dass die Stacheln der Rückenlamellen nicht streng zweireihigan- geordnet sind; letztere zumeist einspitzig, doch finden ‚sich daneben auch zweispitzige; Rückenstacheln und Ha- “Kenborste des Parapodiums auffallend dick (erstere bis "0,056, letzterebis 0,1 mm im basalen Theile); Bauchseite mit Warzen versehen, die in einer Mittelzone zerstreut ‘sind und von dain dicht gedrängten, durch warzenlose /Zwischenräume getrennten, wulstigerhabenen Streifen ‘zur Basis der Parapodienhinziehen. Größe der bisher gesehenen Exemplare: 11,4—26mm ‚Länge bei einem durchschnittlichen Verhältnisse von Länge und Breite (im ausgestreckten Zustande) wie 1,8:1. Fundorte: Belfast Bay (Jounsron), BayofFundy,New "Brunswick (Stımpson & VERRILL), Station 275 (Ost-Havet) ‚der Norske Nordhavs-Expedition 1876—1878 (Hansen). Mein aus der Fundy-Bay stammendes Exemplar war hell-ocker- gelb. Die vorragenden Spitzchen der Rückenstacheln waren schon mit freiem Auge zu sehen und die Rückenlamellen in den vorderen zwei Dritttheilen des Körpers sehr deutlich von einander getrennt, so dass man schon neben dem dorsalen Mittelstreifen zwischen denselben hin- durch auf die Rückenfläche sehen konnte. Gegen das Hinterende rück- ten die Lamellen zusammen und die letzten ließen keinerlei Zwischen- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. v) 15 L. v. Graff, raum übrig (Taf. VII, Fig. 7). Vorder- und Hinterende, namentlich aber die Seitentheile waren stark zur Bauchseite eingekrümmt, so dass die ı größte Breite von oben her nur 14 mm betrug, während sie nach der | am Querschnitte (Taf. VI, Fig. 8) vorgenommenen Messung mindestens | 15 mm im flach ausgestreckten Zustande messen musste. Die Dicke des | Körpers in der Medianlinie erreichte 2,5 mm, nahm aber in den Seiten- | theilen noch etwas zu. Die Höhe der Rückenlamellen am Rande er- reichte 1,5 mm und nahm allmählich ab gegen die Rückenmitte. | An Parapodien waren deutlich 48 Paare zu erkennen, alle mit zier- % lichen Ringfalten versehen (kontrahirt) und ihre bis 0,36 mm langen 7 quer geringelten Cirren mochten im Leben fast die Länge der Parapo- dien selbst erreichen (vgl. Taf. VII, Fig. 6 und Taf. VII, Fig. 5). Der | angegliederte Endhaken der Hakenborste ist durch seine derbere Spitze, | seine Breite und geringere (fast rechtwinklige) Krümmung von Jem Haken des Sp. arcticus unterschieden (vgl. Taf. VIII, Fig. * und 5 und Taf. IX, Fig. 3j1. Auch die Art der Verbindung mit dem Stiele und die | Beschaffenheit der Gelenkfläche des letzteren ist anders als bei Sp. arcticus. Nicht selten kamen hier zwei gleich stark entwickelte Haken- | borsten vor, bisweilen mit noch einem dritten, im Parapodium einge- schlossenen Ersatzhaken. Stützborsten zählte ich bis zu 13 Stück in einem Parapodium, von denen die stärksten 0,045 mm Dicke an der Basis besaßen. Die Bauchfläche war mit einer (durch die Einkrümmung entstan- | denen) Mittelfurche versehen (Taf. VIII, Fig. 6 und 7) und die stark vor- tretenden Warzen markirten sich viel schärfer als an dem kleineren Exemplare Hansen’s. Die Entfernung des Mundes so wie des Rückententakels vom Vor- derende mochte im Leben 4 mm betragen. An meinem Exemplare wa-' ren bloß die radiären Falten des Mundrandes (m) zu sehen, während an Hansen’s Exemplare der Pharynx hervorgestoßen war und eine ähn- liche Rosette bildete, wie ich sie von Sp. arcticus (Taf. IX, Fig. 1) ge- zeichnet habe. | Der Hinterrand erschien wie eingeschnitten, indem die letzten Rückenlamellen mit den zugehörigen Parapodien das durch den After) (Taf. VIII, Fig. 7 a) bezeichnete Leibesende noch um 1 mm überragten. Von Analeirren konnte ich an dem von mir in Schnitte zerlegten ame-2 rikanischen Exemplare keine Spur entdecken und auch an Hansen's! 1 Hansen zeichnet (in seiner Fig. 4) den Haken noch viel weniger gekrümmt. Indessen hat derselbe hier keine volle Seitenansicht gezeichnet und seine Vorlage‘ war noch mehr gedreht als dies schon bei dem von mir in Fig. 5 gezeichneten) Haken der Fall gewesen ist, m lu armen nm De ET TE ER FRE ER I u Ve Li Bd ee ho > Die Annelidengattung Spinther. 19 Exemplare kann ich keine solchen unterscheiden. Ich habe indessen den Mangel der Analpapillen nicht in die Speciesdiagnose aufgenom- men, da es ja hier eben so gut wie bei Spinther miniaceus möglich ist, dass wir es mit einer bloß individuellen Eigenthümlichkeit zu thun haben. Der Mitteldarm sowohl wie auch der Rückenblinddarm meines Exemplares enthielt Packete von Spongiennadeln (Taf. VI, Fig. 8 sp). 2. Species: Spinther miniaceus Grube. Oniscosoma arclicum Sars (Nr. 2) 1850. Spinther miniaceus Grube (Nr. 5) 1861. Spinther arcticus Sars (Nr. 6) 1862. Spinther arcticus Malmgren (Nr. 11) 4867. Spinther arcticus Levinsen (Nr. 15) 1883. Spinther miniaceus Drasche (Nr. 16) 1885. (Taf. I-V und Holzschnitt Fig. I—Iil und VI—X.) Was zunächst meine Namengebung betrifft, so müsste eigentlich vorliegende " Species nach den strengen Regeln der Nomenklatur Sp. arcticus Sars heißen und “ dann die weiter unten zu beschreibende dritte Species, die von WırEn mit dem gleichen Namen bezeichnet worden ist, einen neuen Namen erhalten. Es scheint “ mir aber — von der leidigen Vermehrung der Namen ganz abgesehen — nicht sehr " zweckmäßig zu sein, die Bezeichnung arcticus gerade derjenigen Species zu geben, die am weitesten nach Süden verbreitet ist und zugleich der häufigsten und ver- ' breitetsten Species den am meisten missbrauchten Namen beizulegen. Denn alle drei heute bekannten Spintherspecies sind schon von verschiedenen Autoren als , »Spinther arclicus Sars« angeredet worden. Es dürfte daher gestattet sein, hier eine Ausnahme von der Regel zu machen und denjenigen Namen zu wählen, unter wel- chem die in Rede stehende Form zuerst systematisch und anatomisch unverkennbar beschrieben und auch abgebildet wurde. Zur Untersuchung lagen mir außer einer großen Anzahl von Exemplaren aus | der Bucht von Mugeia bei Triest auch noch die Exemplare des Kopenhagener Mu- - seums vor. Die letzteren, von Lürken an der nördlichen Küste Dänemarks ge- sammelt, sind von SArs (Nr. 6) selbst verglichen und als mit seinem Sp. arcticus völlig übereinstimmend bezeichnet worden. Da auch ich die Kopenhagener Exemplare von dem Triester Spinther miniaceus nicht zu trennen vermag und die Beschrei- ' bung, welche Sırs von seinem Sp. arcticus gab, auf die Triester Form genau passt, so ist damit in doppelter Weise der Beweis für die Identität dieser beiden Formen erbracht. Die Parapodien ohne Cirre; die Rückenlamellen mit stark ausgebildeten Rändern,von denen stets der vordere weiter ausgeschweiftistals der hintere, die freie Fläche flach bis stark vertieft und demnach bald dachziegelför- migübergreifend, bald deutliche Zwischenräume freilas- send; die Rückenstacheln stets streng zweireihig ange- 9* 30 L. v. Graff, ordnetineiner Vorderreihe von längeren und einerHin- terreihe vonkürzeren StachelninjederLamelle, dochalle zweispitzig (Taf.V,Fig.6) und bis 0,009mm breit im Basal- theile, während die Hakenborste des Parapodiums bis 0,048 mm Stieldicke besitzt; Bauchseite warzenlos, ganz glattoderfein gefeldert. Größe derbeobachteten Exemplare: 0,9—8,5mmbei einem sehr wechselndenVerhältnisvonLängeundBreite, baldbeinahe kreisrund (Länge zuBreite wie 1,08:4), bald gestreckt (Länge zu Breite wie 1,8:1). Fundorte: Finmark und Westküste Norwegens (Sars), Bucht vonMuggiabeiTriest, aufTedania (Reniera)Muggi- anaO.Sch. (GrUBE, DrRASCHE und GRAFF). Von den in der Speciesdiagnose angeführten Charakteren sind der Mangel an Parapodialeirren und Bauchwarzen, so wie an einspitzigen Rückenstacheln völlig ausreichend, um einer Verwechslung mit Sp. oniscoides und Sp. arcticus vorzubeugen. Auch sticht von der plumpen Gestalt dieser letzteren der zierliche Aufbau des Körpers von Sp. minia- ceus sowohl im Ganzen wie in seinen einzelnen Theilen auffallend ge- nug ab. Seine Länge geht nicht über 8,5 mm, seine Dicke nicht über A mm, und dem entsprechend verhalten sich die nie über 0,4 mm hohen Rückenlamellen mit ihren feinen Stacheln, die mehrmals dünner sind als selbst die von Sp. arcticus!. Die Parapodien sind nicht so plumpe Warzen wie bei jenen Arten, sondern gestreckt, cylindrisch (Taf. IV, Fig. 4 und 5) und enthalten neben der ausgebildeten Hakenborste noch bis vier Ersatzhaken in verschiedenen Entwicklungszuständen (Taf. V, Fig. 8) nebst 8—12 Stützborsten, die nicht stärker sind als die Rücken- stacheln und mit fein gebogener nadelförmiger Spitze enden. Die Bauch- seite erscheint bei Spiritusexemplaren stets glatt, ist aber im Leben durch feine Fältchen polygonal gefeldert (Taf. IV, Fig. 4 und 5). Die frischen Exemplare sind zumeist lebhaft mennigroth, doch finden sich daneben schmutzig rothe, braune und braunviolette vor— entsprechend den verschiedenen Farbenvarietäten der Spongie, auf welcher sie leben, so dass es einiger Übung bedarf, um sie auf der gleichgefärbten Unter- lage zu erkennen. Wenn sich doch mitunter rothe Spinther auf brau- nen Tedanien und umgekehrt vorfinden, so dürfte dies auf einer gewalt- samen Dislocirung durch die Manipulationen des Fischers beruhen. 1 Ich gebe hier die Maße von drei Individuen (a, b, ec): a b ce Länge des Körpers mit den Lamellen gemessen 8,5 6,03 5,07 mm Größte Dicke (über der Pharyngealregion) A 0,94 0,75 mm Größte Höhe der Rückenlamellen 0,4 0,3% 0,29 nam Die Annelidengattung Spinther. 21 Aber nicht bloß in der Farbe, sondern auch in der Form des Kör- pers, in der Ausbildung der Rückenlamellen und Analanhänge, sowie in einigen anatomischen Strukturverhältnissen variirt Sp. miniaceus so sehr, dass ich Anfangs glaubte, zwei oder mehr Species vor mir zu ha- ben. Doch musste ich mich schließlich, nachdem ich weit über 100 Exemplare untersucht hatte, überzeugen, dass zum mindesten die an äußeren Organen auftretenden Varianten in keinerlei geordnete Be- ziehungen zu einander zu bringen sind, so dass eine Abgrenzung von Subspecies oder Varietäten danach nicht durchzuführen ist. Was zunächst den Leibesumriss betrifft, so ist zwar zumeist der Längsdurchmesser größer als der Breitendurchmesser, aber das Ver- hältnis des ersteren zu letzterem schwankt von 1,8:1 bis 1,08:1, ‚in welch letzterem Falle die Körperscheibe fast kreisrund wird. Der bei oberflächlicher Betrachtung sich ergebende Eindruck, als ob die klei- neren Exemplare mehr rundlich, die größeren dagegen mehr gestreckt erschienen, wird durch genaue Messungen als falsch erkannt, wie die in der Anmerkung angeführten Maße von 22 in heißem Sublimat ab- getödteten, völlig ausgestreckten Individuen darthun'!. DieZahl der Seg- i Das von DrAscHE aufgefundene größte Exemplar hatte 6 mm Länge und 3 mm Breite (also ein Verhältnis beider Durchmesser wie 2:4), während meine Messungen Folgendes ergeben: Individuum Länge Breite Verhältnis der Länge zur Breite Nr. 4, 0,9 mm 0,5 mm 1,8 ;4 >) 2. ER) 0,87 » 4,49: a 8 402 41,24 » 41,29; 4 Birch er) )) A DNB. 2,3 » 2 » 4,45:4 ie 2,659 2,32 » 4,12:A4 Dun, 2,18,» ABS 1,46:4 DES 2,87 » 2,23 » 1,28:4 ug 3 » 23 00 1,30: 4 Du alle 3 » 4,83 » 1,63:4 Brite 3,2 >» 2,47 » 1,29 4 » 42. 3,6 » 23,5.» A,Ah:A » 48. 3,91 » 3,33 » A,AT:A » Ab, 4A3 » 3,8.» 41,08:4 » 45. 5,58 » 3,20» 41,714 :4 » 46. BR) 4,28 » 1,39:4 DATE 6,6 » [A » 1,65:4 » 48. GES» 5,22 » 41,30:4 DA). 6,89 » 5,66 » Er » 20. LEE) O0) 4,27:4 DB 2,810: > 48 » 41,62:4 » 22, 0) 5,5.» 1,5424 Wenn ich oben sagte, dass es den Eindruck machen könnte, als ob die 22 L. v. Graff, mente schwankte bei diesen zweiundzwanzig Exemplaren von 12—24 und zwar hatte Nr. 1:42, Nr. 2: 145, Nr. %#: 16, Nr. 8: 48, Nr. 17: 22, Nr. 20, 21 und 22: 24 Segmente, wobei der Vergleich zwischen Nr. 4 und Nr. 47 eine im Verhältnis zum Größenwachsthum sehr geringe Zu- nahme der Segmentzahl ergiebt, während Nr. 20—22 darauf hinzu- weisen scheinen, dass mit 24 die äußerste Grenze der Segmentzahl er- reicht ist. I Auf die durch alle möglichen Übergänge vermittelten verschiede- nen Gestaltungen der Lamellen und besonders ihrer freien Fläche, habe ich schon oben (p. #0) hingewiesen. Hier sei nur hervorgehoben, dass stets der Vorderrand derselben stärker ausgebildet ist als der hintere, der oft nichts ist als eine scharfe Kante auf der nach vorn geneigten Lamellenplatte (vgl. Taf. II, Fig. 4 L) und dass durch diese Konfigu- ration der Längenunterschied zwischen den Stacheln der vorderen und der hinteren Reihe jeder Lamelle (Taf. V, Fig. 6) bedingt wird. Da zu- dem die Lamellen beweglich sind, gehoben und gesenkt werden kön- nen, so wird man bald breite Zwischenräume zwischen denselben (Taf. I, Fig. 1), bald ein dachziegelförmiges Übereinandergreifen (Fig. 4) beob- achten — sowohl bei kleinen als bei großen Individuen. Dagegen ist eine bestimmte Beziehung zwischen der Größe der Individuen und der Ausbildung des dorsalen Medianstreifens zu konstatiren. Die kleineren (bis ca. 2 mm langen) Thiere zeichnen sich stets durch die Breite des letzteren aus (Taf. I, Fig. 1), indem die dorsalen Anfänge der Lamellen weit von einander entfernt sind. Je größer die Thiere werden, desto schmäler wird der Mittelstreifen (Fig. #) und schließlich stoßen die La- mellen hier sogar zusammen, greifen auf einander über.oder stemmen sich mit den inneren Rändern so an einander, dass letztere sich in der Mittellinie zur Bildung einer erhabenen scharfen Kante zusammenlegen und nur noch nahe den Körperenden ein kleines Stück des freien Mit- telstreifens unbedeckt bleibt. Die seitliche fächerartige Erweiterung der Lamellen enthält natürlich die längsten Stacheln, welche in den Lamellenrand ausstrahlend und mit ihrer Spitze denselben vorhebend einen zackigen Kontour dieses Lamellentheiles bedingen. Am äußersten Rande des Lamellenfächers kann man meist sehr deutlich eine kleine stumpfe, nicht von einem Rückenstachel getragene Hervorragung unter- scheiden, die Tastpapille (tip, in Taf. IV, Fig. 5). Dieselbe ist für sich beweglich, kann sich verlängern und wieder ruckweise zurückziehen, kleineren Exemplare mehr rundlich seien, so widerspricht dies der Tabelle dess- halb nicht, weil am häufigsten die sub Nr. 4—14 angeführten Kategorien gefunden werden, während die Kategorien Nr. 1—3 noch spärlicher in meinem Material ver- treten sind als die sub Nr. 15—22 angeführten. Die Annelidengattung Spinther, 233 wodann sie nur eine flache Vorwölbung des Randes darstellt. Hat man sie einmal ausgestreckt gesehen, so wird man sie bei den meisten Indi- viduen leicht wiederfinden. Indessen habe ich doch manchmal ver- geblich nach einer Spur derselben gesucht. In mit Pikrokarmin tingir- ten Exemplaren markirt sich die Tastpapille auffallend dadurch, dass in derselben die Kerne dichter gedrängt und tiefer gefärbt sind als in dem Reste der Lamelle. Die Lamellenfächer der größeren Exemplare zeigen bisweilen eigen- thümliche, bei auffallendem Lichte weiße, bei durchfallendem Lichte opake, graue, runde Tüpfel, die herrühren von im Lamellenparenchym _ eingeschlossenen Körpern. Die Untersuchung ergiebt, dass es Eier sind, die aus der Leibeshöhle in die Lamellen hinaus gedrängt werden, wie " man ja auch nicht selten die Wandung der Parapodien bis an die Spitze - mit Eiern erfüllt findet. Indessen handelt es sich in diesen Fällen bloß um individuelle Vorkommnisse, so charakteristisch auch die weiße - Sprenkelung erscheinen möchte. Auf dieselbe Ursache zurückzuführen - sind wahrscheinlich die »opaque white spots«, welche Me’Intosn in den ' Lamellen seines »Sp. oniscoides « beobachtete. Die schon von Sars (Nr. 6) erwähnten Analcirren (Anus posti- eus eirris analibus duobus brevissimis, teretibus, ovalibus«) habe ich - aus dem Grunde nicht in die Speciesdiagnose aufgenommen, weil sie oft - gänzlich fehlen und nicht einmal eine Spur der ihnen eigenthümlichen Drüsen vorhanden ist (Taf. IV, Fig. 5). Ein anderes Mal sind sie viel ‚ größer als die größten Parapodien (Taf. IV, Fig. 4, und Taf. I, Fig. I “und 2 ap) und machen sich sogar bei der Betrachtung von oben bemerk- bar, indem sie unter den Rückenlamellen vorschauen. Von diesen keu- lenförmigen, in der Längsrichtung desKörpers nach hinten ausgestreck- ten Analeirren bis zu verschwindend kleinen Wärzchen rechts und "links vom After (Taf. IV, Fig. 5), sowie zu den langen fingerförmigen und auf der Bauchseite nach vorn gestreckten oder eingerollten For- men der Analpapillen (Taf. V, Fig. 2 ap) finden sich bei Sp. miniaceus alle möglichen Übergänge, sowohl was die Form als die Größe und Stel- lung betrifft. Der Wechsel in letzterer Beziehung beruht ohne Zweifel darauf, dass diese Anhänge tasterartig bewegt werden können!. 1 In einem Falle beobachtete ich kürzlich (— als die Untersuchung schon ab- geschlossen war —) nach außen von der Basis der Analanhänge noch zwei weitere, aber bedeutend kleinere Wärzchen (Taf. IV, Fig. 4 ap,), die jedoch der charakte- ristischen Pigment- und Drüseneinschlüsse jener entbehrten. Ich kann heute weder über die morphologische Bedeutung dieser Wärzchen noch auch darüber etwas sagen, ob wir es hier mit einem bloß individuellen oder einem allgemeinen, von mir aber bisher übersehenen Vorkommnis zu thun haben. Indessen möchte ich 24 L. v. Grafi, Zu diesen variablen Faktoren der äußeren Gestalt tritt als ein in merkwürdigster Weise variirendes inneres Organ der Darmkanal hinzu. Nicht bloß die Zahl und Vertheilung der Mitteldarmdivertikel, sondern auch die Weite derselben, sowie des Mittel- und Enddarmes selbst schwanken zwischen so weiten Grenzen, dass man sich zur Erklärung derselben nicht mehr auf die Darmkontraktionen berufen kann. Taf. III, Fig. 1—6 einerseits und Taf. V, Fig. 1—4% andererseits stellen die Ex- treme in der räumlichen Entwicklung des Darmrohres dar. Wenn dieselben nicht vermittelt wären (vgl. Taf. IV, Fig. 1 und 2) und wenn eine Korrelation zwischen ihnen und den Variationen der äußeren Ge- stalt zu konstatiren wäre, so müsste zum mindesten von einer steno- coelen und eurycoelen Varietät des Sp. miniaceus gesprochen werden, wofern man nicht die Differenzen sogar für genügend zur Sonderung in zwei Species hielte. Wie aber thatsächlich die Verhältnisse liegen, wür- den weder die Varietäten noch die Species fassbar sein, da aus den äußeren Formverhältnissen kein sicherer Schluss auf die jeweilige Be- schaffenheit des Darmkanals zulässig ist. Dasselbe gilt in Bezug auf den Rückenblinddarm, der in Weite und Form, ja sogar in der Art seiner Kommunikation mit dem Mitteldarm Varianten zulässt. Doch wird dar- über im anatomischen Theile dieser Arbeit Näheres mitgetheilt werden. 3. Species: Spinther areticus Wiren. Spinther oniscoides Me’Intosh (Nr. 12) 1877. Spinther arcticus Wiren (nec Sars) (Nr. 14) 1883. Spinther arcticus Drasche (Nr. 16) 1885. (Taf. IX, Holzschnitt Fig. IV.) Mir lagen zwei vollständige Exemplare sowie das Vorder- und Hinterende eines dritten der von WIRrEN als »Sp. arcticus Sars« bestimmten Form vor. Dieselbe wurde während der ruhmvollen Vega-Expedition NornensksöLp’s erbeutet und mir durch Herrn Professor S. Loven zum Vergleiche übersandt. Schon DrAscaeE spricht die Überzeugung aus, dass dieser Spinther mit der von Sırs beschriebenen Form unmöglich identisch sein könne und meine Untersuchung hat dies bestätigt. WIREN identificirt denselben mit Sp. arcticus Sars, weil er gewisse Übereinstimmung mit dem Sp. arcticus Hansen’s (ähnliche Größe, ein- und zweispitzige Rückenstacheln) besitzt, Hansen aber — nach Wırkn’s Meinung — seinen Sp. arcticus mit den SARs- schen Originalexemplaren verglichen haben musste! Und das, obgleich Wıren für die vorliegende Form angiebt »oculi nulli« Freilich trifft diese Behauptung nicht zu, da die vier Augen auch hier in derselben Form und Stellung unter der Haut der Tentakelbasis sich vorfinden, wie bei den anderen Spintherarten. Aber es bleiben noch genug Unterschiede sowohl in der Anatomie wie in den äußeren systematischen Kennzeichen. Von letzteren seien hervorgehoben: die Größe der das Erstere vermuthen, da mir auf meinen Schnittserien nie etwas Ähnliches auf- gefallen ist. Die Annelidengattung Spinther. 25 Thiere, die Skulptur der Bauchfläche, das Vorhandensein von einspitzigen Rücken- stacheln und die Größe des Parapodialhakens — als Unterschiede von Sp. minia- ceus; ferner die Form der Rückenlamellen, die Gestalt des Parapodialhakens, die geringe Dicke der Rückenstacheln und der Mangel einer Parapodialeirre — als Unterschiede von Sp. oniscoides. Der »Spinther oniscoides Johnst.«, von welchem Mc’Intosa spricht und die Stacheln abbildet, gehört aller Wahrscheinlichkeit nach hierher. Er besaß ein- und zweispitzige Rückenstacheln, diese sowohl wie der Fußhaken sind aber einer- seits viel dicker als sie je bei Sp. miniaceus vorkommen, dagegen andererseits auch viel dünner als ich sie bei Sp. oniscoides gefunden habe. Auch die Haken- krümmung stimmt viel besser mit der vorliegenden Wiır£en’schen Form. Die von - Joastox in den Rückenlamellen gesehenen »opaque white spots« sind nichts als Eier (s. p- 23 bei Sp. miniaceus!!). Die Parapodien ohne Cirre; die Rückenlamellen an ihrer freien Fläche nicht vertieft, mitstark entwickelten "Rändern, so dass meist der Vorderrand über den Hinter- rand der nächstvorderen Lamelle dachziegelförmig übergreift. Die starke Ausbildung der Lamellenränder beginnt schon am Rücken, so dass die zusammengehöri- ıgenLamellenpaare in der Mittellinie bis zur Berührung genähert sind oder sogar auf einander übergreifen, wo- durch der Mittelstreifen undeutlich wird. Die in jeder Lamelle meist zweireihig angeordneten Rückenstacheln ein- und zweispitzig, verhältnismäßig dünn (im Basal- theile bis 0,03 mm), wogegen die Hakenborste sehr kräftig ist (bis 0,08mm dickinderStielbasis); Bauchseiteähnlich mit Warzen besetzt wie bei Sp. oniscoides, doch isthier die Mittelzone noch schärfer ausgeprägt und abgesetzt vondenzu den Parapodienziehenden Warzenwülsten. Größe derbisher beobachteten Exemplare 22—50 mm Länge beieinem durchschnittlichen VerhältnisvonLänge und Breite wie 1,25:1. Fundorte: Beringshaf (Wır£n, Station 41, 43, 44 der Vega-Expedition [Karisches Meer]), The Minch, off North Uist (Me’Intosn). Das von mir auf Taf. IX, Fig. 1 von der Bauchseite abgebildete Exemplar hatte neben den vorgewulsteten Afterrändern zwei lange fingerförmige nach vorn eingerollte Analpapillen (Fig. 7 ap) und 1 Nachdem das Manuskript abgeschlossen war, erhielt ich durch die Freund- lichkeit des Herrn W. C. Mc’Istosa ein Präparat seines »Sp. oniscoides« zugesandt. Dasselbe bestand aus einem Stück des Lamellenfächers mit neun Stacheln, deren kräftige Gestalt meine obige aus Mc’Intosw’s Abbildungen entnommene Vermuthung bestätigte. Der schwächste Rückenstachel hatte eine Dicke von 0,172 mm, der stärkste eine solche von 0,0354 mm im basalen Theile. 26 L. v. Grafl, auch den übrigen Exemplaren scheinen dieselben in ähnlicher Aus- bildung zuzukommen. Ein sicherer Entscheid ist desshalb schwierig und nur nach Schnittpräparaten zu fällen, weil die so zusammenge- rollten Analpapillen der Bauchwand dicht anliegen (vgl. Fig. 1) und ' bei Betrachtung mit der Lupe als nicht näher definirbare wulstige Vor- ragungen erscheinen. So ist es erklärlich, dass Wır£n in seiner Diagnose | fälschlich bemerkt »Cirri anales nullic. Ich habe ihr Vorhandensein aus den bei Sp. oniscoides angegebenen Gründen nicht in die-Species- | diagnose aufgenommen. Besagtes Exemplar hatte gleich den anderen eine schmutzig graubraune Farbe, eine Breite von circa 24 mm (ausge- streckt gedacht), eine mediane Dicke von 5,6 mm und eine Höhe der | Rückenlamellen von 1,45 mm. Es ist demnach Sp. arcticus viel robuster gebaut als Sp. oniscordes und seine Rückenlamellen sind verhältnis- mäßig niederer als dort. Die beiden mir vorliegenden vollständigen Exemplare haben von oben her betrachtet und gemessen das eine 24,5 mm Länge und 20 mm Breite, das andere 24 mm Länge und 18 mm Breite, sind aber im ganzen Umkreise mit ihrem Rande sanft zur Bauchseite eingebogen, so dass letztere muldenförmig ausgetieft erscheint und obigen Maßen noch circa 2 mm zuzugeben sein dürften, um die Kontouren deslebenden Thieres annähernd zu erreichen. Es stimmen demnach dieselben ziem- lich genau überein mit dem von Wır£n in seiner Fig. 3 abgebildeten kleinsten Exemplare (22 mm lang und 16 mm breit), was die Körper- form betrifft. Dasselbe gilt für die Konfiguration der Rückenlamellen, indem bei allen mir vorliegenden Exemplaren die Lamellenpaare sich über dem Mittelstreifen des Rückens (Taf. IX, Fig. 6 ms) berühren, zum Theil sogar über einander greifen oder gegen einander aufstemmen. Bei zweien meiner Exemplare ist auch das dachziegelförmige Über- greifen der auf einander folgenden Lamellenpaare sehr schön durch- geführt, während das dritte (in Fig. # abgebildete) Exemplar diese Konfiguration nur gegen die Seiten des Körpers scharf ausgeprägt hat, während näher der Mittellinie des Rückens schmale Zwischenräume die Ränder der auf einander folgenden Lamellen trennen. Dieses Ver- halten bildet den Übergang zu der in Wirtv’s Fig. 1 und 2 gegebenen Darstellung seines größten (50 mm langen weißen und offenbar stark zur Bauchseite eingeschlagenen) Exemplares, bei dem die Lamellen aufgerichtet und durch deutliche Zwischenräume getrennt sind. Doch bleibt für alle Exemplare charakteristisch der Querschnitt der Lamellen (Taf. IX, Fig. 7 und 8) mit der nicht vertieften, nur durch geringe wellige Erhebungen rauh erscheinenden freien Fläche und der starken Ausladung der Ränder nach vorn und hinten. Die Annelidengattung Spinther. 27 Bemerkenswerth erscheint die Gestalt der — ziemlich regelmäßig die zweireihige Anordnung beibehaltenden — Rückenstacheln. Ein- und zweispitzige scheinen im gleichen Zahlenverhältnis gemischt zu sein. Aber beide weisen wieder vielfache Varianten in der Form ihrer Spitzen und der Krümmung derselben auf, wie aus den Abbildungen Fig. k und 5 am besten hervorgeht. Ihre Dicke ist trotz der enormen Unterschiede in der Leibesgröße doch nicht erheblich bedeutender als bei Sp. miniaceus. Dagegen ist die Hakenborste des Parapodiums (Fig. 3) viel mächtiger als bei letztgenannter Art und nur wenig schwächer als bei Sp. oniscoides, doch mit viel schlankerem und zierlicherem End- haken versehen. Auf die Unterschiede in der Skulptur der Bauchseite wurde schon oben hingewiesen. Die Mittelzone geht hier nicht allmählich in die pa- rapodialen Warzenwülste über, sondern ist vom Beginn derselben durch schmale warzenlose (ein wenig vertiefte) Zwischenräume jederseits ab- gesetzt. Auch sind die Warzen hier ungleichmäßiger, was die Größe betrifft. Zwischen den (bisweilen unterbrochenen) Warzenwülsten, die zur Basis der Parapodien ziehen, sieht man nirgends Wärzchen eingestreut und die Wülste heben sich hier sehr scharf ab, so dass man sich wun- dern muss, wie dieselben von dem ersten Beschreiber dieser Species keiner Erwähnung werth gehalten wurden. Bei allen Exemplaren ist der wulstig verdickte Rand des Pharynx in komplicirtester krauser Verschlingung rosettenartig zum Munde vor- gestoßen (Fig. I ph). Den abgerissenen Pharynx des verstümmelten Exemplares habe ich in Fig. 2 bei Lupenvergrößerung von der Seite dargestellt. Die Entfernung des Mundes und Rückententakels vom Vor- derende dürfte bei meinen beiden vollständigen Exemplaren (im Leben) auf 5 mm anzuschlagen sein. Dieselben hatten 46 (das größere) und 43 (das kleinere) Parapodienpaare, während Wirt für das größte (50 mm lange) Exemplar 52 Segmente angiebt (vgl. die Anmerkung auf p. 8). Anatomie. Integument. Das Integument und seine Theile, Cuticula, Epithel eier Autt.) und Hautmuskelschlauch zeigen sehr verschiedene Ausbildungs- grade bei den drei Arten der Gattung Spinther. Wir werden in .der Darstellung dieses wie aller folgenden Kapitel von dem genau unter- suchten Sp. miniaceus ausgehen und daran Dasjenige anschließen, was Sich aus dem spärlichen und nicht zu histologischen Zwecken konser- virten Material der beiden anderen Arten ergeben hat. Es wird die Übersichtlichkeit fördern, wenn zunächst das Integu- 28 L. v. Graff, ment der Bauchseite für sich besprochen wird. Denn das Integument | des Rückens hat durch die Ausbildung der Rückenlamellen — die sich in allen ihren Theilen als Derivate des Integumentes darstellen — so tief | eingreifende Modifikationen erfahren, dass es für sich beschrieben wer- den muss. Als ein weiteres Umwandlungsprodukt des Integumentes | müssen schließlich an dritter Stelle die Parapodien mit ihrem Haken- apparat behandelt werden. Integument der Bauchseite. Bei Sp. miniaceus ist als äußerste Körperschicht eine starke Cuticula vorhanden. Dieselbe hat eine Dicke von 0,005 mm und scheidet sich in zwei Schichten: eine | innere, Farbstoffe aufnehmende dickere Schicht (Taf. V, Fig. 44 und 12 c) und eine äußere, auch auf tingirten Präparaten farblos bleibende dün- nere Schicht (c,). Letztere blättert sich von ersterer leicht ab (Fig. 12). | Das Epithel (ep) besteht aus regelmäßigen Cylinderzellen von 0,047 bis | 0,02 mm Höhe mit runden bis ovalen, 0,009 mm breiten Kernen. In | der Mehrzahl der Kerne lässt sich ein punktförmiges Kernkörperchen ' erkennen. Von der Fläche gesehen stellt sich das Epithel so dar, wie | es in Fig. 13 abgebildet ist, welche Abbildung zugleich die netzartige | Struktur des Plasmas, wie sie sich an den Schnittpräparaten darbietet, ' erkennen lässt. Über die im Epithel eingestreuten Flimmerzellen werde ich weiter unten Näheres angeben. Dagegen konnte ich die von DrAscHE | (p- 7) behauptete Differenzirung der »Hypodermis« in Epithel- und | Drüsenzellen nicht beobachten. Das mennigrothe Pigment (Taf. IV, Fig. %) ist in Form feinster Körnchen in den Epithelzellen enthalten. Der Haut- | muskelschlauch hat bei Sp. miniaceus die einfachste Zusammensetzung und geringste Dicke: 0,026 mm, wovon je die Hälfte auf die äußere | Ring- und die innere Längsfaserschicht (Fig. I1 mr und mi) entfällt. Die Faserenden der letzteren biegen vielfach zwischen die Ringfasern“ ein und verlieren sich daselbst, einen festen Zusammenhalt zwischen beiden Schichten herstellend !. Die beiden anderen Species sind zunächst durch den Besitz von | Hautwarzen vor Sp. miniaceus ausgezeichnet. Diese Warzen sind bei | Sp. oniscoides nichts weiter als Epithelauswüchse, die einfach, zwei- oder dreihöckerig erscheinen und bis 0,2 mm Höhe erreichen, aber aus- schließlich aus den radiär gestellten Epithelzellen bestehen (Taf. VII, Fig. 1—3 w). Bei Sp. arcticus, wo die von der Mittelzone des Bauches | zu den Parapodien gehenden Warzenwülste viel schärfer ausgeprägt 1 Wenn Drascae (p. 7) von einer »äußeren Längsmuskelschicht und einer inneren Ringmuskelschicht« spricht, so ist dies wohl nur eine Folge flüchtiger Schreibweise. Denn in seiner Fig, 7 (Taf. II) sind die beiden Schichten, was ihre Aufeinanderfolge betrifft, richtig angedeutet. Ei Die Annelidengattung Spinther. 29 sind, entspricht den Erhebungen der letzteren auch eine Verstärkung der Ringmuskelschicht, die im Durchschnitt den Epithelerhebungen folgt (Taf. IX, Fig. 8 w). Bei beiden Species ist das Epithel aus äußerst lan- gen kegelförmigen Zellen von 0,038 — 0,043 mm Höhe zusammengesetzt, deren basale Spitzen in feine verästelte Fäserchen auslaufen, mittels - deren die Epithelzellen in einem subepithelialen, in den Zwischenräu- men von feinkörniger Substanz ausgefüllten Fasernetze anastomosiren (Taf. VII, Fig. 6 ep). Näher der Basis dieser Zellen liegen die stets “ovalen (verhältnismäßig kleinen, 0,009 mm langen) Kerne, die mit einem excentrischen Kernkörperchen versehen sind. Die Cuticula ist viel schwächer als bei Sp. miniaceus und nicht so scharf abgesetzt, sie erreicht bei Sp. arcticus bis 0,004, bei Sp. oniscoides gar nur 0,002 mm ' Dicke. Der Hautmuskelschlauch hat bei beiden Species außer der Ring- und Längsfaserschicht noch eine innerste dritte, den beiden ersteren - an Dicke fast gleichkommende Schicht von schiefgekreuzten Faserbün- - deln (Taf. VII, Fig. 6 und Taf. IX, Fig. 8 im). Während aber die beiden Lagen dieser letzteren bei Sp. oniscoides sehr distinkt aus einander zu halten sind, durchkreuzen sie sich vielfach und werden von abgezweig- ten Fasern der Längsschicht durchsetzt bei Sp. arcticus, so dass dieselbe - hier ein weniger regelmäßiges Ansehen gewinnt. Bei der letztgenann- ten muskelkräftigsten Spintherspecies (— die Gesammtdicke ihres Haut- - muskelschlauches beträgt 0,19 mm, während der Hautmuskelschlauch von Sp. oniscoides bloß 0,065, der von Sp. miniaceus bloß 0,026 mm - diek ist —) kommt noch die starke Auffaserung der unteren Enden der dorsoventralen Muskeln hinzu, welche sämmtliche Schichten des Haut- muskelschlauches durchsetzen und noch mehr verfilzen. Spindelförmige Kerne kommen den Fasern des Hautmuskelschlau- ches eben so zu wie den dorsoventralen Muskelfasern (vgl. Taf. I, Fig. 11 dvm). Rückenlamellen. Man kann sich dieselben entstanden denken durch eine Wucherung des Epithels nach außen und innen (Taf. I, Fig. 14). Ersterer Process führt zur Bildung der den Rücken bedecken- den Hautfalten »Lamellen« im engeren Sinne, L), letzterer zur Bildung der mit der Lamelle in ganzer Länge zusammenhängenden Einsenkung des Epithels unter die Oberfläche, welche wir als »Lamellenwurzel« be- zeichnen wollen (bz,). Die Fasern des Hautmuskelschlauches werden durch dieselbe theils aus einander geschoben, theils nach innen gedrängt, so dass sie schirmartig von der Rückenfläche zum Wurzelende konver- giren (lm, Im,). Das Epithel in den von den Lamellen frei gelassenen Zwischen- 30 L. v. Grafl, streifen der Dorsalfläche zeigt denselben Bau wie auf der Bauchfläche | und auch die Cuticula (c,c;) ist hier wohl entwickelt. Doch verlieren sich die, noch in der Basis der Lamellenerhebung wahrzunehmenden | Zellgrenzen beim Übergange in die Lamelle selbst vollständig, während | sich die Cuticula zu einem äußerst feinen Häutchen verdünnt. So stellt die ganze Substanz der mitunter so massiven Lamelle ein Syneytium dar, mit unregelmäßiger Vertheilung der Kerne. Zwar findet sich die | Mehrzahl der letzteren in dem dickeren Plasmabelag der Wandschicht (welchem auch das Pigment angehört) und bei Sp. arcticus und onis- | coides sind die Kerne hier außerordentlich zahlreich und so 'dichtge- drängt, dass bei schwacher Vergrößerung der Anschein eines Epithels | um so leichter entstehen kann als in der schwammigen, zahlreiche Hohl- räume einschließenden Centralmasse nur sehr wenig Kerne bei diesen Species zu finden sind. Bei stärkerer Vergrößerung überzeugt man sich jedoch, dass faktisch keine Grenze zwischen dem Plasmabelag der Wand und dem centralen Balkensystem vorhanden ist. Bei Sp. miniaceus ist dieses Verhältnis dadurch viel klarer ausgeprägt, als hier die Kerne viel unregelmäßiger vertheilt und zahlreicher im Balkenwerke eingelagert sind (Fig. 14). In der Lamellenwurzel treffen wir dieselbe Verschmel- zung der Epithelzellen zu einem Syneytium (bz,). Aber anstatt einer schwammigen Centralmasse sind in derselben Räume ausgespart, in welchen die von dem Zellkomplexe der Wurzel secernirten Chitin- stacheln eingelagert sind. Dieselben wachsen offenbar durch Apposition von unten her, so lange bis ihre zweizinkige Spitze die Cuticula der Lamelle erreicht, welch’ letzere bloß von den feinen Zinken durch- stochen, im Übrigen aber hügelartig emporgehoben wird. Es darf an- genommen werden, dass bei allen jenen Spintherexemplaren, bei wel- chen die Stacheln aus der Lamelle frei hervorstehen, die sie bedeeckende Cuticula künstlich abgerieben oder zerrissen worden ist. - Die Verschiedenheiten in der äußeren Form der Lamellen und in der Vertheilung der Stacheln innerhalb derselben sind schon bei Be- schreibung der Species erwähnt worden. Aus denselben folgt, dass bei Sp. arcticus und miniaceus, wo die Stacheln längs den beiden Flächen der Lamelle zum Rande ziehen, die der ausgedehnteren Vorderfläche folgenden Stacheln viel länger als jene der Hinterfläche, sowie dass sie in entgegengesetztem Sinne gekrümmt sein müssen (vgl. Taf. V, Fig. 7 rs). Bei Sp. oniscoides wird eine solche Längenverschiedenheit nicht vorauszusetzen sein, da hier Vorder- und Hinterfläche der Lamelle gleiche oder doch nahezu gleiche Ausdehnung besitzen. Die Stacheln sind drehrunde solide Stäbe und wenn sie auf Querschnitten oder in der Flächenansicht (Taf. VII, Fig. 3; Taf. IX, Fig. 5) hohl scheinen, so Die Annelidengattung Spinther. 31 - zührt dies daher, dass ihre Markmasse viel weniger konsistent und hel- ler erscheint, als die feste gelbe Randschicht, die auch viel mehr Farb- stoff bei der Tinktion aufnimmt als erstere. Mit diesem aus allen Schnitten sich ergebenden Befunde steht der in Fig. 4 « (Taf. IX) nach Isolirung durch heiße Kalilauge gezeichnete Stachel im Widerspruche, indem derselbe centrale Gasbläschen einschließt, die den Raum der Marksubstanz einnehmen. Möglicherweise wird die Marksubstanz durch heiße Kalilauge aufgelöst und gestattet dann das Eindringen von Luft, oder es sind diese Gasbläschen aus der Marksubstanz durch das Erhitzen ausgetrieben worden. Die Stacheln liegen nicht unmit- - telbar in dem Plasma des Syncytiums eingebettet, sondern von letzte- rem durch eine — an der Spitze äußerst feine, gegen die Stachel- basis aber dieker werdende — cuticulare, in Tinktionsmitteln sich tief färbende Schicht getrennt. Fällt ein Stachel beim Schneiden aus, so hebt sich dieselbe sehr scharf von dem Lumen der Höhlung ab. Schon DrascHe erwähnt (p. 4 und 7) des Vorkommens von Flim- merhaaren auf der Oberfläche des Körpers. In der That findet man —- spärlich auf der Bauchseite, dagegen häufiger auf dem Rücken und na- mentlich auf der Vorderfläche der Rückenlamellen — einzelne Büschel langer Wimperhaare. Am dichtesten sind dieselben an der Basis der Lamellenfächer über den Parapodien und ein Schnitt aus dieser Gegend zeigt uns (Taf. V, Fig. 12), dass diese Flimmerbüschel (fl) einer beson- deren Zellform angehören, die durch ihre Kegelgestalt, die ovalen hellen und mit einem deutlichen Kernkörperchen versehenen Kerne, sowie ihr gleichmäßig feinkörniges dichtes Plasma auffällt. In Pikrokarminprä- paraten sind diese Flimmerzellen durch ihre stärkere Tinktion unschwer aufzufinden. An der den Parapodien zugekehrten Wand des Lamellen- fächers macht das Schlagen der Wimperhaare im Leben den Eindruck eines kontinuirlichen Cilienbelages. Doch verschwinden die Cilien ge- gen den Rand der Lamellen und ihre freie obere Fläche scheint dersel- ben völlig zu entbehren. Auch habe ich auf den Parapodien und Anal- eirren vergeblich Cilien gesucht. Meine Exemplare von Sp. oniscoides und arcticus waren nicht gut genug konservirt, um an denselben mit Sicherheit Flimmerhaare nachweisen zu können. Nicht minder auffällig als die Umbildungen des Epithels in den Rückenlamellen sind die Veränderungen, welche durch dieselben im Hautmuskelschlauche der Dorsalseite zu Stande kommen. Die Ring- muskelschicht (Taf. I, Fig. 11 mr) tritt kaum noch als zusammenhängende Lage auf. Abgesehen davon, dass ihre Kontinuität durch Einfügung der Lamellenwurzeln unterbrochen wird, ist sie in den Zwischenstreifen bloß durch einzelne isolirte, zum Theil zwischen den äußersten Länes- 32 L. v. Graff, faserlagen zerstreute Fasern repräsentirt. Nur dicht hinter jeder La- melle findet man eine erhebliche Anzahl von Fasern zu einem größeren Bündel (m) zusammengedrängt. Dieses Faserbündel, welches ich als »queren Lamellenmuskel« bezeichnen will, verläuft der Lamellenwurzel entlang, um außen im Fächer auszustrahlen, während die medialen Enden des zusammengehörigen Paares in der Mittellinie unter dem Mittelstreifen sich vereinigen. Im ganzen Verlaufe vom Rande zur Medianlinie scheinen einzelne Fasern an die Hinterseite der Lamellen- basis heranzugehen, so dass dieser Muskel bei seiner Kontraktion nicht bloß den distalen Lamellenfächer heben, sondern die ganze Lamelle zur Medianlinie heranziehen (einfalten) wird. Noch einschneidender sind die Modifikationen der Längsfaserschicht. Ein kleiner Theil ihrer Fasern (vgl. den Holzschnitt Fig. VI und Taf. I, Fig. 14) bleibt in seiner Fig. VI. Schema der Lamellenmuskulatur im Sagittalschnitt. Z, Lamellen; dbz, Lamellenwurzeln (Bil- dungszellen der Rückenstacheln); mr, Ringmuskeln des Hautmuskelschlauches; Zm, durch lokale An- häufung derselben gebildete »quere Lamellenmuskeln«; ml, Längsmuskeln des Hautmuskelschlauches, von welchen sich folgende Lamellenmuskeln abzweigen: Zb, die Lamellenbeuger ; Im, die vorderen ; und /nı, die hinteren Muskeln der Lameilenwurzel. Verlaufsrichtung erhalten und durchsetzt zwischen den Stacheln die Lamellenwurzel (ml), die übergroße Mehrzahl derselben wird aber zu speciellen Bewegungsapparaten für die Lamelle. So namentlich die äußeren Fasern (Lb), welche sich in segmentale Gruppen kurzer Fäser- chen anordnen, die mit ihrem Vorderende in der Nähe der nächstvor- deren Lamelle wurzeln, während ihre Hinterenden sich emporheben, um in die Vorderwand der nächsthinteren Lamelle einzutreten. Diese Muskelgruppen haben zweifellos den Zweck, die Lamellen nach vorn zu beugen und mögen daher als »Lamellenbeuger« bezeichnet werden. Ihnen koordinirt sind die hinteren (Im,)}, ihnen opponirt die vorderen Die Annelidengattung Spinther. 38 (Im) Muskeln der Lamellenwurzel (vgl. auch Taf. III, Fig. 8). Indem letztere sich an die Basis der Stacheln ansetzen, werden sie diese und damit die ganze Lamelle um den in der Lamellenbasis gelegenen Dreh- punkt nach vorn und hinten bewegen können. Die Verlaufsrichtung der genannten beiden Muskelkategorien ist auch in so fern verschie- den, als die hinteren in einem stumpferen Winkel an die Lamellen- wurzel herantreten und fast bis an die nächsthintere Lamelle heran- reichen, während die vorderen steil nach aufwärts steigen. Das sehr beachtenswerthe Verhalten der Insertionsenden dieser Muskelfasern ist im Schema Fig. VI nicht ausgedrückt, dagegen aus Taf. I, Fig. 11 deut- lich zu ersehen. Die oberen vielfach zerfaserten Enden der Lamellen- wurzelmuskulatur verlieren sich nämlich nicht im Hautmuskelschlauche, sondern durchsetzen denselben und treten zwischen den Epithelzellen hindurch bis an die Cuticula heran, mit der sie (oft unter Bildung einer kleinen Verbreiterung, bei x) innig verschmelzen!. Und eben so sind ihre unteren Enden nur zum Theil an der Außenwand der Lamellen- wurzel befestigt — die meisten dringen, sich pinselartig zertheilend, in die Lamellenwurzel selbst hinein und durchsetzen deren Syncey- tium, um sich direkt an der Stachelscheide zu inseriren (ls). Noch deutlicher als bei Spinther miniaceus tritt die geschilderte Muskelvertheilung am Rücken bei den anderen beiden Species, be- sonders aber bei Sp. arcticus hervor. Hier fallen ferner, neben der starken Entwicklung der Lamellenbeuger (Taf. IX, Fig. 8 Lb) und des queren Lamellenmuskels (m) die Querschnitte dicker Faserbündel unter der Längsmuskulatur auf. Dieselben entsprechen ihrer Lage nach (mi) der schiefgekreuzten ventralen Schicht und sind als Fortsetzung derselben zu deuten. Überblickt man den Bau der Lamellen: die kolossale Oberflächen- vergrößerung, die sie darbieten, die Feinheit ihrer Cuticula, das Ein- dringen von Blutgefäßen in ihre Basis (Taf. VIII, Fig. 4) und die Kom- munikation ihres schwammigen Binnenraumes mit der (im Leben wahrscheinlich von einer perivisceralen Flüssigkeit erfüllten) Leibes- höhle, wie sie durch das Eindringen von Eiern in die Lamellenfächer außer Zweifel gesetzt wird — so drängt sich die Überzeugung auf, dass den Rückenlamellen eine hohe Bedeutung für die Respirationsfunktion zukommen müsse. Für den ständigen Wasserwechsel werden die, namentlich an den Eingängen der Lamellenzwischenräume (an der randständigen Lamellenfächerbasis), sowie im Inneren derselben (an der Vorderwand der Lamellen) reichlich vorhandenen Gilienbüschel, 1 Eine gleiche Endigungsweise lassen sowohl bei Sp. miniaceus, wie bei Sp, arcticus die dorsoventralen Muskelbündel ganz deutlich erkennen. Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. XLVI. Bd. 3 34 L. v. Graff, sowie die durch ihre reich entwickelte Muskulatur ermöglichten fächelnden Gesammtbewegungen der Lamellen zur Genüge sorgen. Vom physiologischen Standpunkte ist daher nicht viel dagegen einzu- wenden, wenn ältere Autoren die Rückenlamellen direkt als »Kiemen« bezeichnen. Parapodien. Betrachtet man einen lebenden Sp. miniaceus von der Bauchseite, so findet man die quergerunzelten Parapodien in leb- haftester Bewegung, sich verlängernd und verkürzend, nach vorn und hinten ausgreifend. Zugleich wird der die Basis des Hakenapparates umschließende und reichlich rothes Pigment enthaltende Zapfen von Stachelbildungszellen (Taf. IV, Fig. 4 P) stoßweise zur Spitze des Para- podiums vorgestreckt. Die Insertion der Parapodien am Rande der Bauchfläche und ihr Verhältnis zu dem Fächer der Rückenlamelle ist aus Taf. V, Fig. 7, Taf. VI, Fig. 8, Taf. VII, Fig. 5 ersichtlich. Jedes Para- podium umschließt zunächst einen, zur Anheftung an die Unterlage be- stimmten Haken (Taf. V, Fig. 8, Taf.;VIII, Fig. 4 u. 5, Taf. IX, Fig. 3) und da- neben noch in verschiedenen Ausbildungszuständen befindliche Ersatz- haken (Taf. V, Fig. 8 bh,—bh,), von denen der größte oft neben dem Haupthaken zur Fußspitze vorragt. Der Bau dieser Haken ist ein sehr übereinstimmender. Ein langer schwaeh gekrümmter Stiel (bs) er- weitert sich am distalen Ende zu einer Gelenkfläche, die an der Kon- kavseite des Hakens spornartig vorragt und trägt den eigentlichen Haken. Dieser besteht aus zwei Theilen: der Hakenspitze (bh) und dem dreiseitigen Basalstück (bh,). Letzteres ist mit ersterem durch eine Naht verbunden, die speciell bei Sp. miniaceus sehr fein ist und durch Kali- lauge leicht zerstört wird, so dass sie von der Hakenspitze abfällt. Es stellt eine keilförmige, der Hakenkrümmung die scharfe Schneide zu- kehrende Platte dar, die parallel zur Schneide fein gestreift erscheint. Haken und Stiel dagegen zeigen in ihrer centralen Masse eine, im Wesentlichen der Längsachse folgende grobe Streifung. Der Grund derselben beruht, wie man auf Querschnitten sieht, darauf, dass die resistente Rindenschicht (Taf. V, Fig. 9 bs) innen mit Längsriefen ver- sehen ist. Indessen ist der Haken eben so wenig als die Rückenstacheln und Stützstäbe hohl, sondern von einer helleren Gentralmasse ausge- ‘ füllt. Der Haken ist umgeben von den Stützborsten, die 6—12 (bei Sp. oniscoides bis 13) an Zahl in einem fast vollständig geschlossenen Bogen | den Hakenstiel umgeben (Taf. III, Fig. 8 P). Letzterer sowie die Stiele der Ersatzhaken liegen der Ventralseite dieses Bogens an und werden | durch die sich ihnen anschmiegenden schwach gebogenen nadelförmigen Spitzen der Stützborsten (Taf. V, Fig. 8 sb) so umgeben, dass der Haken- stiel inmitten derselben wie in einem federnden Ringe verläuft. Die Annelidengattung Spinther. 35 Die Bildung der Haken geht ganz ähnlich vor sich wie die der Rückenstacheln. Wie dort die Lamellenwurzel als eine Einsenkung des Epithels sich darstellt, so hier die im Körper eingeschlossene und als solider Zapfen bis an das Integument des Rückens heranreichende Para- podialbasis (Taf. VI, Fig. 8). Das Körperepithel schlägt sich an der Spitze des Parapodiums nach innen um und geht im Beginne des zweiten Dritttheiles der Parapodialbasis in eine solide Zellmasse über, die in das distale Dritttheil als ein konischer Zapfen vorragt, an dessen Spitze die Haken des Hakenapparates hervortreten. Diese Zellmasse stellt ein Syncytium mit zahlreichen runden (je ein deutliches Kernkörperchen enthaltenden) Kernen dar, deren Größe der der Epithelkerne ent- spricht. In diesem Syneytium entstehen die Stacheln in der Weise, dass sich strangartige Zellreihen daraus individualisiren, und als Stachel- bildungszellen in ihrer Mitte die Haken abscheiden, in deren Umgebung sie epithelartig angeordnet erscheinen (Taf. VI, Fig. 11 bz). Indem im hinteren Ende dieser so hergestellten Follikel der Abscheidungsprocess fortschreitet, wird die zuerst gebildete Haken- (resp. Stützborsten-) Spitze vorgeschoben, um schließlich zu der Spitze des erwähnten koni- schen Zapfens des Bildungszellenlagers hervorzutreten. Querschnitte durch einen (zugleich das blinde Ende der Parapodialbasis bildenden) Follikel des Hakenstieles sind auf Taf. V, Fig. 9 und 10 abgebildet und zeigen dieselbe cuticulare Scheide (c), wie wir sie oben von den Rücken- stacheln beschrieben haben. In Fig. 10 hat sich dieselbe von den Bil- dungszellen zum Theile losgelöst. Die Bewegungen der Parapodien werden ermöglicht durch eine sehr reiche Muskulatur. Die Elemente derselben lassen sich durch Kombina- tion auf einander folgender Schnitte erkennen. Zunächst umgiebt den Parapodialzapfen eine sehr regelmäßige Lage von Ringmuskelbändern (Taf. VI, Fig. 8 Pmr), die denselben als Ganzes zusammenhält und sich nach den beiden Enden verliert. Das blinde Ende des Parapodiums wird zunächst durch zwei Muskelbündel am Rücken befestigt, von denen in Fig. 8 nur der eine äußere zum Theil zu sehen ist (Pm). Der- selbe ist sehr kurz und geht von außen und oben an die Parapodial- basis. Viel weiter medianwärts entspringt ein anderer Fixator, der, ersteren kreuzend, über die Parapodialbasis hinwegzieht, um sich an der Außenwand, in halber Höhe des Zapfens, zu inseriren. An der Basis heften sich ferner die schirmartig von der Ventralfläche und der Randzone des Rückens entspringenden Protraktoren (Pm,) an. Ihnen koordinirt ist der vom Körperrande entspringende und an der Außen- seite des Parapodialzapfens inserirte Muskel Pm,. Als Retraktoren er- scheinen die Muskelm Pm, und Pm,, deren ersterer nach außen vom 3* 36 L.v. Grafl, Parapodium mit breiter Basis von der Rückenwand herabzieht, wäh- rend der letztere in der Mitte der Entfernung zwischen Medianlinie und Parapodium von der Bauchwand entspringt, und derselben fol- gend, sich gegenüber dem dorsalen Retraktor inserirt. Beide Retrak- toren entsenden einen Theil ihrer Fasern in die Spitze des häutigen Parapodiums selbst, so dass ihnen nicht bloß die Retraktion des Stachel- apparates, sondern auch die Verkürzung des Fußstummels selbst zu- kommt. Im Anschlusse an das Integument muss noch kurz der Bau der Analeirren besprochen werden, nachdem über die Inkonstanz ihres ee ea u Vorkommens und ihre wechselnden Größenverhältnisse bereits bei der Speciesbeschreibung das Nöthige bemerkt worden ist. Das Epithel setzt sich sammt dem Hautmuskelschlauch auf die Basis der Analeirren fort (Taf. IV, Fig. 40), indessen wird das Epithel niederer und seine Zell- grenzen undeutlich im Bereiche derselben und der Hautmuskelschlauch ist nur bis in die halbe Länge der Cirren zu verfolgen. Dieselben ent- halten, von zarten Bindegewebsfasern getragen, zweierlei Elemente: Pigmentkugeln (vgl. Fig. 10 pi und Fig. 4 ap) und Stäbchendrüsen (dr). ° Diese letzteren gleichen völlig den Stäbchendrüsen der Turbellarien, inseriren sich mit je einem feinen Ausläufer ans Epithel und enthalten neben einem hellen Kern mit Kernkörperchen dichtgedrängte, an bei- den Enden spitze stark lichtbrechende Stäbchen von 0,02 mm Länge. Durch Druck lassen sich diese Stäbchenzellen insgesammt (Fig. 11 a) oder einzeln (b und c) hervordrängen und aus letzteren wieder die ein- zelnen Stäbchen isoliren. Leibesmuskulatur. Außer dem Hautmuskelschlauche und der Parapodienmuskulatur ist noch als »Leibesmuskulatur« das System der dorsoventralen Muskelsepta und der lange Rückenmuskel zu betrach- ten. Der letztgenannte ist bei Sp. miniaceus nur durch zerstreute Fasern vertreten, während man ihn bei Sp. oniscoides und noch besser bei Sp. arciicus auf Querschnitten schon mit freiem Auge erkennt als einen kompakten, in zwei Hälften zerfallenden Strang, der vom Hinterende bis in die Gehirngegend genau unter dem Integumente desmedianenRücken- streifens verläuft (Taf. VI, Fig. —10 und Taf. IX, Fig. 6 mm). Man.kann ihn auch als lokale Verdickung der Längsfaserschicht des Hautmuskel- schlauches betrachten. Während er am Hinterende des Körpers (Taf.VI, Fig. 10) noch nicht scharf ausgeprägt erscheint, schwillt er nach vorn zu mächtig an und erreicht seine bedeutendste Stärke in der Pharyn- gealgegend. Der größte Theil seiner Fasern strahlt bindelweise (Taf. II, Fig. 7 und Taf. VI, Fig. 5 phr) in den Pharynx aus und nur wenige Fasern ziehen über dessen dorsale Insertion hinweg bis in die | Die Annelidengattung Spinther. Ay Nähe des Gehirns. Er ist also der eigentliche Retraktor des Pharynx, wenngleich ihm daneben auch noch die Funktion zukommen dürfte, eine Abflachung des Rückens und damit eine Geradestreckung des vorn und hinten zur Bauchseite eingekrümmten Körpers zu bewerkstelligen. Bemerkenswerth ist in dieser Beziehung, dass er gerade bei den beiden großen Species mit stark konvexem Rücken so mächtig ausgebildet ist. Die dorsoventralen Muskelzüge (Taf. I, V, VII, IX mdv) bilden keine geschlossenen Septa, sondern bestehen aus zahlreichen Faserbündeln, die locker an einander gereiht, die Grenze der Segmente bezeichnen. Dorsalwärts heften sie sich (Taf. I) theils an die Lamellenwurzel an, _ theils strahlen sie vor und hinter derselben in den Hautmuskelschlauch aus, um mit ihren feinsten Enden denselben zu durchbohren und zwi- schen den Epithelzellen an die Cuticula heranzutreten (bei x). Die Hauptmasse der dorsoventralen Fasern liegt stets vor der Rückenla- melle, so dass demnach letztere die vordere Grenze des Segmentes einnimmt. Nach unten rücken die einzelnen Fasern dichter zusammen, treten zwischen den Darmdivertikeln hindurch und strahlen mit brei- tem Fuß in das ventrale Integument aus, wo sie ihre Insertion in gleicher Weise wie am Rücken bewerkstelligen. Dieses Verhalten ist namentlich bei Sp. arcticus (Taf. IX, Fig. 8) sehr deutlich zu sehen, wo der Zug der dorsoventralen Muskeln, eine Fältelung des Integumentes direkt zu bedingen scheint. Nebenbei dürfte durch Insertion derselben an die Lamellenwurzel eine Antheilnahme an der Bewegung der La- mellen bedingt sein. Die dorsoventralen Muskelsepta geben, so wenig kompakt diesel- ben auch erscheinen, ein Mittel an die Hand, um die Frage zu ent- scheiden, ob das erste und letzte Lamellen- und Parapodienpaar dem Kopf- und Aftersegment zuzurechnen sei oder ob wir uns das erste und letzte Segment lamellen- und fußlos vorzustellen und dem entsprechend bloß den keilförmigen Zwischenraum zwischen dem ersten und letzten Lamellenpaare als Kopf- resp. Analsegment zu bezeichnen haben. Die Vertheilung der Muskelsepta spricht für die letztere Auffassung. Denn sowie wir am Vorderende nach innen von dem Muskelseptum des ersten Lamellenpaares (Taf. VI, Fig. | mdv) ein weiteres Septen- paar vorfinden, das Munddarm und Gehirn umschließt (7m) und in den Tentakel ausstrahlt, gerade so wird das Rectum und die letzte An- schwellung der Längsnervenstämme von einem besonderen Septenpaar (Fig. 10 dum,) umschlossen und abgegrenzt vom letzten fußtragen- den Segmente. Von diesem Gesichtspunkte aus wird zu der oben (p- 8) auf die Parapodien und Lamellen begründeten Zählung der Seg- mente überall noch ein Kopf- und ein Aftersegment hinzuzurechnen sein. 38 | L. v. Grafi, Darmtractus. Nachdem schon Grüse (Nr. 5) auf die von dem gewöhnlichen Bau des Annelidenrüssels abweichende Gestalt des Pharynx (»der die Form einer hohlgemachten Zunge oder Halbrinne zeigt«) und die Verästelungen des Mitteldarmes aufmerksam gemacht hatte, wurde durch DraschE (Nr. 16) der den Pharynx mit dem Mitteldarme verbindende Ösophagus sowie der Rückenblinddarm entdeckt — die wesentlichste Bereiche- rung unserer Kenntnisse von Sp. miniaceus, die wir der Arbeit Drascar's zu danken haben. Vorderdarm. Auf medianen Längsschnitten (Taf. III, Fig. 5 und 7) stellt sich der Vorderdarm als ein vom Munde her sich einstülpender weiter Sack dar, welcher schief nach hinten und oben steigt und hinter dem Gehirne (von diesem etwa eben so weit entfernt, wie das Gehirn vom Vorderende des Körpers) an einer engbegrenzten Stelle seiner | Dorsalfläche den in die »Pharyngealtasche« herabhängenden Pharynx |ph) als eine Ausfaltung seiner Wand trägt, während das nach hinten ge- kehrte Ende des Vorderdarmsackes die Einmündung des Ösophagus (Do) empfängt. Solche Bilder geben indessen keine richtige Vorstellung von dem Sachverhalt und es ist dazu nothwendig, Querschnittsbilder zu vergleichen. Auf einer solehen von vorn nach hinten auf einander fol- genden Serie (Taf. II, Fig. 1 — 10 und Holzschnitt Fig. VII) sieht man, dass die Pharyngealtasche sich noch über die Einmündungsstelle des Ösophagus (Fig. 5 und 6 Dv) hinaus nach hinten erstreckt, indem sie sich jederseits dieses letzteren in einen Blindsack (pht,) fortsetzt, der erst noch ein Stück hinter der Stelle, wo der Ösophagus mit dem Mit- teldarme in Verbindung steht (Fig. 8), sein Ende findet. In diesen bei- den von einander völlig getrennten und überdies noch durch ein von der Dorsalfläche zum Rückenblinddarm (Db) ziehendes bindegewebiges Septum (s) in der Medianlinie aus einander gehaltenen Säcken (phti,) fin- det sich der hintere Beginn des Pharynx in Form einer in jedem Blind- sacke aus dem oberen und inneren Winkel sich herausstülpenden Falte (Fig. 9 und 40 ph). Diese beiden völlig getrennten Falten verlängern sich weiter nach vorn sehr rasch, die Innen- und Außenfläche, sowie der untere freie Rand kräuseln und falten sich vielfach und es dringt schließlich der vom Mitteldarme aufsteigende Ösophagus (Taf. VII und VII Dv) zwischen die Basis der Falten ein. An der vorderen (unteren) Wand des Ösophagus sind die beiden Falten durch die Wand der an dieser Stelle nicht mehr zweigetheilten Pharyngealtasche verbunden 'Fig. 6x), bis der Ösophagus zwischen denselben sich öffnet und ihre Vereinigung ermöglicht (Fig. 5). Und jetzt erst trifft das Bild von der | | | | Die Annelidengattung Spinther. 39 nach unten rinnenartig ausgehöhlten »Zunge« auf den Pharynx zu, be- sonders nachdem sich sein Vorderende von der Dorsalfläche losgelöst hat und frei in die Pharyngealtasche herabhängt (Fig. 4, 3, 2)!. Genau dasselbe Verhalten finden wir, die Querschnitte Fig. I—5 auf Taf. VI vergleichend, bei Sp. oniscoides, so dass wir es auch für Sp. arcticus voraussetzen dürfen. Bei die- sen beiden großen Formen ist nur die Fältelung des Pharyn- gealrandes (vgl. auch Taf. IX, Fig. 4 und 2) eine noch viel stärkere als bei Sp. miniaceus, so dass die bloße Betrachtung der zum Munde vorgestreck- ten Ränder niemals eine richtige Vorstellung von dem Baue des Pharynx ermög- lichen würde. Aus dem Gesagten ist ersichtlich, dass das Pharynx- parenchym längs seiner gan- zen Insertionsfläche mit der Leibeshöhle in offener Kom- munikation steht, von der aus das Bindegewebe, dieMuskeln (und zwar von hinten her die Fasern des langen Rücken- Fig. VU. Schema zur Veranschaulichung des Verhältnisses von Pharynx (ph), Pharyngealtasche (pht) und Ösophagus muskels und von vorn und (Do). Der Pharynx entspringt in Form zweier getrennter den Seiten her Faserbündel. Falten in den jederseits des Ösophagus liegenden hinteren di f Aussackungen pht,, der Pharyngealtasche. Diese getrenn- ie vom Integumente des ten Falten vereinigen sich vor der Einmündung des Öso- Rückens herkommen, vgl. Taf. phagus. Die dorsale Anwachsungsstelle des Pharynx ist - 5 längs- und quergestrichelt. m, Mund; D, Mitteldarm; Dd, a7 I, Fig. k—7 ) Taf. IH, Fig. 7) vorderste Divertikel desselben. sowie der Pharyngealnerv (Taf. II, Fig. 5 phn) eindringen. Alle diese Elemente dienen gleichsam als Ausfüllungsmasse der vom Epithel der Pharyngealtasche gebildeten Pharyngealfalten. Am Mundrande setzt sich das Epithel der äußeren Haut direkt in 1 Zum besseren Verständnis dieser Verhältnisse vergleiche man die Querschnitte Taf. II, Fig. 5 und 6 mit dem (in der Ösophagealgegend) genau medianen Längs- schnitt Taf. IV, Fig. 2. Man sieht hier deutlich, wie die Wand des Ösophagus sich nur oben und an den Seiten direkt in die Pharynxrinne fortsetzt, während unten die Hinterwand der Pharyngealtasche (bei *) sich in den Ösophagus umschlägt. 40 L. v. Grafl, die Pharyngealtasche fort, dessgleichen der Hautmuskelschlauch. Aber sowie der letztere sich auf zwei einschichtige Faserlagen redueirt, so plattet sich auch das Epithel beträchtlich ab und lässt keine Zellgren- zen mehr erkennen. Beim Übergange auf den Pharynx (Taf. II, Fig. % und 5) scheint es bei schwacher Vergrößerung, als ob das Epithel, das an der Außenseite des Pharynx sich in zahlreiche Längsfältchen erhebt, plötzlich sehr hoch geworden wäre. Bei stärkerer Vergrößerung ergiebt es sich jedoch, dass die scheinbaren Epithelkerne nichts sind als die Kerne von Bindegewebszellen (Taf. IV, Fig. 7 iz und az), die sich unter der subepithelialen Muscularis des Pharynx dicht zusammendrängen und namentlich an seiner Außenwand (az) eine ziemlich geschlossene epithelähnliche Lage bilden, an der Innenseite dagegen tiefer in das Pharynxparenchym vordringen. Als Epithel ist die nach außen von dem Netze der feinen Ring- und Längsmuskelfasern m gelegene Schicht ie zu betrachten. Kerne finden sich in derselben bloß an der Basis des Pharynx, d. h. an der Übergangsstelle in die Pharyngealtasche und in den Ösophagus. An letzterer Stelle (Fig. 3) ist auch noch der Zerfall in distinkte Zellbezirke sowohl in der Epithelialschicht selbst als in ihrer scharf abgesetzten Cuticula (c) wahrzunehmen. Doch gehen diese Spuren des ursprünglich cellulären Aufbaues nach vorn und gegen die freien Seitenränder hin rasch verloren. An der Innenfläche des Pha- rynx konnte ich stets deutlich den Pelz langer Flimmerhaare (fl) er- kennen, doch scheint die Außenfläche eines solchen zu entbehren. Nach innen von den Bindegewebszellenlagern findet man die querdurch- schnittenen Bündel der den ganzen Pharynx bis an die freien Ränder hin durchsetzenden Retraktorenfasern, die in einer äußeren (mle) und inneren Lage (ml:) angehäuft sind. Quer durch seine Dicke hindurch, die Außen- und Innenwand verbindend, streichen die Muskelfasern mq. Die Mitte eines solchen Querschnittes durch den Pharynx wird einge- nommen von einem Kerne äußerst zarter protoplasmatischer Faserzüge von fein granulösem Ansehen (np), den ich für einen mit dem unpaaren Pharynxnerven (Taf. II, Fig. 5 phn) in Verbindung stehenden Nerven- plexus halte. Aus ihm gehen am Pharyngealrande zahlreiche sich stärker färbende Fäserchen hervor, die sich zur Epithelschicht wenden und in dieser mit schlanken Kölbchen endigen. An manchen Stellen des freien Randes fallen dieselben durch ihre große Zahl und tiefe Tinktion sehr auf und die Vermuthung scheint gerechtfertigt, dass man es in denselben mit Nervenendigungen nach Art der Tastkörperchen zu thun habe. Für die Formveränderungen und die Retraktion des Pharynx er- scheint durch die in diesem Kapitel sowie oben bei Besprechung der Die Annelidengattung Spinther. 41 Leibesmuskulatur angeführten Muskelgruppen hinreichend gesorgt, aber es fehlt an Muskeln, welchen man die Funktion der Protraktion zu- muthen könnte!. Für die letztere wird sonach die Kontraktion des gesammten Körpers und die Einpressung der perivisceralen Flüssigkeit in das Rüsselparenchym verantwortlich zu machen sein. Eine ansaugende und auf Losreißung von Theilen des bewohnten Schwammes gerichtete Wirkung wird der Pharynx wohl nur dann ausüben können, wenn dessen getrennte ventrale Ränder sich zur Bildung einer Röhre zu- - sammenlegen, anderenfalls aber wird er wie eine Greifzunge funktio- niren. Der Ösophagus ist durch sein schönes Cylinderepithel mit den ovalen Kernen ausgezeichnet, die einerseits gegen den Pharynx, an- dererseits gegen den Mitteldarm im engeren Sinne allmählich runde Gestalt erhalten (vgl. Taf. IV, Fig. 3). Auch geht die Cuticula in seinem hinteren Drittel verloren, wo das Epithel bereits völlig dem des Mittel- darmes gleicht und nur die stärkere Muscularis einen Unterschied der Wandung statuirt. Übrigens ist der Ösophagus seinem Baue und jeden- falls auch seiner Entstehung nach ein Theil des Mitteldarmes. Der Mitteldarm besteht aus einem vorn mit dem Ösophagus ab- schließenden, hinten bis zur Abgangsstelle des Rückenblindsackes reichenden Centraltheile (»Hauptdarm« DraAsche) und den paarigen Divertikeln (Dd). Diese letzteren reichen bis nahe an die Basis der Fußstummel (Taf. I, Fig. 3, 6, 7, Taf. II, Fig. 11, Taf. III, Fig. 8) ohne — abgesehen von einer bisweilen zu beobachtenden schwachen Erwei- terung gegen das blinde Ende — wesentliche Differenzen in der Weite des Lumens aufzuweisen. Dagegen zeigen sich Schwankungen in der Form und Zahl der Divertikel. Die ersten drei bis vier Paare ent- springen mit gemeinsamer Wurzel, können jedoch, da jedes derselben einem Parapodiumpaare entspricht, nicht als Verästelungen eines ein- zigen Divertikels, sondern bloß als den selbständig entspringenden Divertikeln gleichwerthig betrachtet werden. Nur Äste, die, wie z. B. (der zweite Ast rechts in Taf. I, Fig. 6 kein Gegenstück auf der anderen Seite haben und mit einem anderen (hier dem ersten) Divertikel zu- sammen einem Segmente angehören, dürfen als sekundäre Veräste- 1 Der von Draschae in der Erklärung seiner Taf. II, Fig. 41 pr als Protraktor des Rüssels bezeichnete Muskel (im Text p. 8 steht »Retraktor«), welcher von der Bauchwand zwischen Pharyngealtasche und Ösophagus nach oben zieht (vgl. unsere Taf. III, Fig, 7 mdv,), scheint mir nicht so sehr ein besonderer Bewegungsmuskel des Pharynx zu sein, als vielmehr einen Theil jener Fasern darzustellen, welche als Fortsetzung der Muskelsepta zu beiden Seiten des Kopfsegmentes dieses letztere hinten abschließen (vgl. oben p. 37). 49 L. v. Graf, lungen angesehen werden. Im Übrigen sind solche Verästelungen nicht | sehr häufig und hauptsächlich nur in sehr großen Exemplaren zu be- " obachten. Fig. 6 und 7 zeigen zugleich, in. wie weit Differenzen zwi- schen der rechten und linken Körperhälfte vorkommen. | Der Zahl nach fand ich ein Maximum von 19 Paaren bei einem | Spinther miniaceus von 7,8 mm Länge mit 24 Parapodienpaaren und im Allgemeinen lässt sich sagen, dass stets um drei bis sechs Darm- divertikelpaare weniger vorhanden sind als Parapodienpaare, indem ' zwar vorn jedem Segmente ein Divertikelpaar entspricht, die letzten kümmerlichen Segmente des Hinterendes jedoch eines solchen ent- behren‘. | Diese individuellen Differenzen im Bau des Mitteldarmes treten aber weit zurück gegen jene, welche sich hinsichtlich der Weite des Darmlumens vorfinden. Ein Vergleich der Taf. III, Fig. 1—6 mit Taf. V, Fig. 1—5 illustrirt am besten die Unterschiede in der relativen und | absoluten Weite des Mitteldarmes bei diesen beiden Individuen. Dort | (Taf. III) beträgt die Weite des Mitteldarmes mehr als die Hälfte und die der Divertikel an ihrer Abgangsstelle fast die Hälfte der größten | Leibesdicke, hier (Taf. V) ist die Dicke des Mitteldarmes nur !/, der Leibesdicke. Noch auffallender stellt sich das Verhältnis, wenn man die Größe beider Thiere vergleicht. Das eine (Taf. V) das andere (Taf. II) hat eine Körperlänge von . 7,25 mm 2%, mm größte Dicke in der Pharyngealgegend A ) 0,6 » Dicke der Mitteldarmdivertikel an der Abzweigungsstelle DT 0,26 » so dass nicht bloß ein sehr großer relativer, sondern auch ein be- deutender absoluter Unterschied in der Darmweite besteht — wie übrigens schon ein Vergleich der bei derselben Vergrößerung wie die Längsschnitte auf Taf. III gezeichneten Fig. 5 (Taf. V) mit letzteren er- 1 Ich habe leider, obwohl man bei etwas macerirten Exemplaren schon mit freiem Auge die Darmverzweigungen durchscheinen sieht, unterlassen, diesel- ben bei einer größeren Anzahl von Individuen im Vergleiche mit Körpergröße und Parapodienzahl zu zählen. Es mögen daher folgende wenige Daten hier Platz finden: Das Taf. III, Fig. 8 abgebildete Individuum hatte 4,8 mm Länge, 15 Parapodien- paare und 43 Paar Darmdivertikel, das Taf. I, Fig. 3 abgebildete Individuum hatte 2,87 mm Länge, 48 Parapodienpaare und 44 Paar Darmdivertikel, das Taf. IV, Fig. 4 abgebildete Individuum hatte 3,26 mm Länge, 24 Parapodienpaare und 45 Paar Darmdivertikel, das Taf. I, Fig. 7 abgebildete Individuum hatte 6,6 mm Länge, 22 Parapodienpaare und 16 Paar Darmdivertikel, das Taf. I, Fig. 6 abgebildete Indivi- duurmn hatte 7,8 mm Länge, 24 Parapodienpaare und 19 Paar Darmdivertikel. Die Annelidengattung Spinther. 43 ‚ giebt. Der Erhaltungszustand der hier in Rede stehenden Individuen und der Mangel von Hohlräumen zwischen den Darmdurchschnitten und den ihnen anliegenden Massen von männlichen Geschlechtszellen | lässt die Annahme nicht zu, dass man es in diesen Differenzen mit ' Reagentienwirkung oder mit einer Folge der Kontraktion der Darm- - muscularis zu thun habe. Da die beiden Individuen auch in der Art - der Ausbildung ihrer Rückenlamellen Extreme darstellen — die mit engem Darm hat ganz flache, die mit weitem Darm exquisit ausgetiefte - Lamellenflächen — so könnte man auf die Vermuthung kommen, zwei ' verschiedene Varietäten oder Species vor sich zu haben, wenn nicht andere Individuen (Taf. IV, Fig. 4 und 2) diese Extreme der Darment- wieklung vermittelten, für deren Vorhandensein mir einstweilen keine Erklärung zu Gebote steht. Was den feineren Bau des Mitteldarmes betrifft, so hat bereits Drasche (p. 41) die aus einer äußeren Längs- und inneren Ringfaserlage bestehende Muscularis sowie das Cylinderepithel mit seinen langen Flimmerhaaren (Taf. V, Fig. 14 D) beschrieben. Eine Differenz zwi- schen dem Epithel des centralen Mitteldarmes und dem seiner Diver- tikel scheint nicht vorhanden zu sein — ich sage »scheint«, weil es mir weder an lebenden Thieren noch an Schnittpräparaten gelang, die Flimmerhaare in den Darmdivertikeln mit derselben Sicherheit zur Anschauung zu bringen, wie im centralen Theile. Der angebliche Unter- schied in der Höhe der Zellen zwischen Ventral- und Dorsalfläche des Mitteldarmes, von welchem Draschz spricht, ist ganz sicher nicht vor- handen, und nur eine Folge schiefer Schnittführung. Das Rectum (R) unterscheidet sich vom Mitteldarm in seinem feineren Baue besonders durch die starke Entwicklung der hier 0,02 mm langen Cilien, deren Spiel man sehr deutlich wahrnimmt, wenn bei schwach gequetschten Individuen das Rectum nach außen vorgestülpt wird, sowie durch eine stärkere Ausbildung der Muscularis. Niemals trägt dasselbe Divertikel (Taf. I, Fig. 3, 6 und 7), doch kommt ihm in viel höherem Maße als dem Mitteldarme die Fähigkeit der Formver- änderung zu, sei es dass es sich aufbläht oder verengert, oder aber in sich selbst hineinstülpt (Taf. IH, Fig. 8), wodurch allerdings der An- schein einer Divertikelbildung hervorgebracht werden kann. Die Thei- lung des Rectums in Mitteldarm und Rückenblinddarm erfolgt beiläufig an der Konvergenzstelle des viertletzten Lamellenpaares (Taf. II, Fig. 3). Rückenblinddarm. Drascnz beschreibt denselben als einen einfachen Sack, der »mit seiner Bauchseite fest der Rückenseite des Hauptdarmes anliegend, sich bis ganz nach vorn zum Hinterende des 44 L. v. Graf, Rüssels erstreckt, wo er blind endet«. Diese Darstellung trifft desshalb ! nicht zu, weil der Blinddarm überdies noch paarige, den Mitteldarm- divertikeln entsprechende und denselben aufliegende Aussackungen! besitzt (Holzschnit Fig. VIN). Unter diesen ist namentlich das erste Paar (Db,), welches den gesammten aus gemeinsamer Wurzel ent-| springenden ersten drei bis vier Mitteldarmdivertikeln entspricht, durch seine bedeutende Länge ausgezeichnet. Wir werden dasselbe als » vor- ' dere« Aussackung den »seitlichen« Aussackungen (Db,,) gegenüber stel- | len. Der Holzschnitt Fig. VIII stellt den Fall der stärksten Entwicklung | Fig. VII. Schema des Rückenblinddarmes von Spinther Fig. IX und X. Die vor- miniaceus in seiner stärksten Entfaltung. m, Mund; pht, deren Aussackungen (Db,) Pharyngealtasche; Dv, Ösophagus; R, Rectum; a, After; des - Rückenblinddarmes Dd, Mitteldarmdivertikel; Dd, Hauptstamm des Blinddar- (Db) zweier anderer Indi- mes; Db,, seine vorderen Aussackungen (in Wirklichkeit viduen von Sp. minia- ziehen sie jederseits des Ösophagus gerade nach vorn unter ceus. die Pharyngealtasche); Db,,, seine seitlichen Aussackungen (dieselben sind in Wirklichkeit viel breiter). des Blinddarmes unter allen untersuchten Individuen dar. Daselbst er- streckte sich die vordere Aussackung jederseits bis nahe an das Unter- schlundganglion (Taf. V, Fig. 3) und die seitlichen Aussackungen gingen bis nahe an den durch die beiden Längsnervenstämme gebildeten Bogen heran. Doch entspricht das Schema der Wirklichkeit in zwei Punkten Die Annelidengattung Spinther. 45 nicht, indem 1) alle Aussackungen des Blinddarmes, wie auch dieser selbst viel zu schmal gezeichnet sind und 2) die beiden vorderen Aus- ‚ sackungen keinen so weiten Bogen nach außen machen, sondern die ‚ Wurzel der ersten Divertikel kreuzen, um dicht neben dem Ösophagus - (De) fast gerade nach vorn unter die Pharyngealtasche zu ziehen — so ' wie dies im Holzschnitt Fig. IX dargestellt ist. Letzterer veranschaulicht die vorderen Aussackungen des Blind- - darmes von dem in Taf. II, Fig. 1—6 gezeichneten Individuum. Bei ' diesem sind dieselben kaum halb so lang als in dem ersten Falle | (Fig. 5 Db,), dagegen reichen die seitlichen Aussackungen nicht minder weit hinaus als dort, bis in die Höhe der Längsnerven (Fig. 2 Db,,). In einem dritten Falle (Holzschnitt Fig. X und Taf. II, Fig. 8 u. 9 Db,) sind die vorderen Aussackungen noch weiter reducirt und die seit- liehen Aussackungen (Fig. 10 und 11 Dd,) stellen sich als minimale, ' höchstens 0,1 mm lange Vorragungen des Blinddarmes dar. Ein vierter Fall endlich — er betrifft das Taf. III, Fig. 7 abgebil- dete Individuum — zeigt an Stelle von vorderen Divertikeln zwei solide Zellstränge, etwa von der in Holzschnitt Fig. IX angegebenen Länge, die zwar zweifellos Fortsätze des Blinddarmes sind, aber kein Lumen besitzen. Was nun die Weite des Blinddarmes betrifft, so sagt schon DrascheE: »Das Lumen des Rückenblinddarmes fand ich an verschiedenen Indi- viduen von sehr abweichender Größe. Bald ist es prall aufgeblasen, bald sind seine Wände sich sehr genähert« und ich kann diese Angabe be- stätigen, wenn ich auch niemals den Rückenblinddarm so stark ausge- dehnt und der Rückenfläche so sehr genähert fand, wie Drasche es in seiner Fig. 8°(Taf. II) abbildet. Wer meine Taf. II, III und V vergleicht, wird finden, dass die Weite des Hauptstammes des Blinddarmes mit den oben beschriebenen Differenzen der Mitteldarmweite korrespon- dirt. Doch scheint dies Verhältnis nicht auch auf die Aussackungen sich zu erstrecken, wie ein Vergleich von Taf. II, Fig. 2 mit Taf. V, Fig. 5 lehrt. An letzterer Figur sieht man zugleich, dass zu den bereits angeführten Varianten in der Ausbildung des Blinddarmes als weitere noch hinzukommt die Fähigkeit der seitlichen Aussackungen, sich an der Spitze oder schon dicht am Ursprunge zu gabeln. Die Aussackun- gen liegen eben so wie der Hauptstamm des Blinddarmes dem Mittel- darme dicht an und bisweilen sind die Divertikel des letzteren dorsal rinnenartig ausgehöhlt für die Aufnahme der Blinddarmaussackungen oder letztere umfassen förmlich von oben her die darunter liegenden Mitteldarmdivertikel (Taf. III, Fig. 2). Unter allen Thatsachen, welche das Studium des Rückenblind- 46 L. v. Grafl, darmes darbietet, ist aber doch die merkwürdigste diejenige, welche in dem Längsschnitte Taf. III, Fig. 7 dargestellt ist: dass nämlich der 7 Blinddarm außer der in der Regel allein vorhandenen Kommunikation | mit dem Hauptdarme per Rectum auch noch eine zweite und dritte ' Kommunikation mit demselben durch Mitteldarm (**) und Ösophagus (+) haben kann! Unter den sieben von mir in Schnitte zerlegten Indi- viduen ist dieses das einzige, welches solche Kommunikationen dar- 7 bietet. Die Mitteldarmanastomose (x*) ist ein weites offenes Loch mit so scharf begrenzten Rändern und einem so deutlichen Umschlag des Epithels von einer Wand auf die andere, dass ich den Gedanken, es handle sich hier um eine künstliche Zerreißung der Wände, zurück- weisen muss. Die Ösophagusanastomose (x) stellt keine eigentliche Kommunikation her, da die distalen Enden der Epithelzellen einander ' berühren und einen Pfropf herstellen, auch erstreckt sich diese Bildung (— Übergang des Ösophagusepithels in das des Blinddarmes und Fehlen der trennenden Muscularis —) bloß auf zwei Schnitte, aber auch hier handelt es sich meiner Überzeugung nach um kein Kunstprodukt, son- dern um eine in der Entstehung oder in Rückbildung begriffene Kom- munikationsöffnung. Im feineren Bau unterscheidet den Blinddarm die mehr kubische Gestalt der Epithelzellen mit central gelagerten Kernen (Fig. 14 Db) vom Mitteldarme. Indessen findet sich auch hier ein Flimmerbesatz und eine Muscularis (entgegen der Angabe Drascnr’s).. Nach vorn zu flacht sich das Epithel immer mehr ab und die vorderen Aussackungen sind nur mehr von einem dünnen Plattenepithel ausgekleidet, an dem auch keine Cilien mehr wahrzunehmen sind. Bei Sp. oniscoides und arcticus ist über Mittel- und Blinddarm Folgen- des zu bemerken. Bei beiden sind die Segmente verhältnismäßig schmäler und die Darmdivertikel daher viel enger zusammengedrängt. Ihre Zahl beträgt bei Sp. oniscoides (— von Sp. arcticus habe ich kein ganzes Exemplar zerschnitten —) circa 40, so dass, da 48 Parapodien- paare vorhanden sind, die letzten acht Parapodien tragenden Segmente besonderer Darmdivertikel entbehren. Indessen müssen in der zweiten Körperhälfte die Divertikel sehr kurz sein, da meine nur 2,25 mm von der Mittellinie entfernten Längsschnitte (größte Körperbreite 15 mm) schon vom 30. Segmente angefangen keinen Darmquerschnitt mehr enthalten. Aber auch in den Querschnitten aus dem zweiten Viertel des Körpers (Taf. VI, Fig. 8) ersieht man, dass bei dieser Species die Darmdivertikel überhaupt relativ viel kürzer sind als bei Sp. miniaceus, da sie sich nicht viel über die Mitte der Seitentheile des Körpers gegen den Rand hin erstrecken. Dagegen ist ihre Weite eine sehr beträcht- liche, ganz im Gegensatze zum Hauptdarme, der (Taf. VI, Fig. 6—8D) eng ‘und von oben nach unten mehr oder weniger komprimirt erscheint. Die Divertikel hängen ihm als aufgeblähte Beutel an. Bei der geringen ‚Breite der Segmente sind in Folge dessen die auf einander folgenden ‚ Darmdivertikel bis zur Berührung genähert und im Bereiche ihres größ- ten Umfanges vorn und hinten so in einander gefaltet, wie es auf Taf. VII, | Fig. i dargestellt ist. Erst gegen ihre blinden Enden hin rücken sie aus einander (Fig. 2 Dd, Dd,). Das Auffallendste an diesen Darmquer- ‚schnitten sind die zahlreichen Falten, welche von der Wand in das - Lumen einspringen und an ihrem freien Rande oft mehrfach gespalten ‚sind. Dieselben sind der Ausdruck von Längsfalten, die vom Ursprunge bis ins blinde Ende des Divertikels radiär zu dessen Achse gestellt sind und eine bedeutende Oberflächenvergrößerung bewerkstelligen !. Auch ‘der Hauptdarm zeigt, namentlich an seiner Ventralfläche (Taf. VI, Fig. 5 "und 7 D) eine Faltenbildung in seiner Längsachse, also senkrecht zum -Faltenverlaufin den Divertikeln, doch kommen bloß im Rectum (Fig. 10 R) diese Falten allseitig zu gleichmäßiger Ausbildung. Bei Sp. oniscoides ist eine sehr kräftige Darmmuscularis vorhanden (Taf. VII, Fig. 9 Dm), die sich auch in die Falten hinein fortsetzt. Aber das Epithel des Dar- mes unterscheidet sich von dem bei Sp. miniaceus sehr wesentlich durch die Höhe und schlanke Form der Cylinderzellen (De), welche ovale mittelständige Kerne mit scharf ausgeprägten Kernkörperchen enthalten und einen dichten Besatz kurzer Cilien tragen. Die fein ausgezogene Basis der Zellen strahlt in feine Fäserchen aus, die ein ähnliches Netz- werk von Anastomosen bilden, wie man es unter dem Epithel der ‚äußeren Haut bei dieser Species vorfindet. Der Rückenblinddarm zeigt im größten Theile seines Verlaufes (Taf. VI, Fig. 5—9 Db) einen fast dreiseitigen Querschnitt, indem er in der dorsalen Mittellinie durch kompakte Bindegewebszüge wie mit einem Ligament an der Rückenfläche des Körpers aufgehängt ist (ein- gezeichnet in Fig. 7 bg). Die Basis des Dreieckes ruht dem Mitteldarm auf und die obere Kante, Anfangs abgerundet, wird um so schärfer, je weiter man nach vorn kommt, während zugleich eine Abflachung des Rückendarmes stattfindet. Am Beginne der beiden hinteren Aussackun- gen der Pharyngealtasche (Fig. 7) ist sein Lumen bereits zu einem breit ausgezogenen Querspalt redueirt, welcher immer schmäler wird, bis er schließlich an der Hinterwand des Ösophagus (dieselbe ist in Fig. 5 zu- gleich mit dem letzten Ende des Blinddarmes angeschnitten) endet. | | Die Annelidengattung Spinther, 47 1 Es muss hervorgehoben werden, dass der. Querschnitt Taf. VI, Fig. 8 das Darmdivertikel schief getroffen hat, so dass das Bild der Faltendurchschnitte ähn- lich ist wie auf Längsschnitten durch den Körper. 48 L. v. Graff, Vordere Aussackungen, wie sie sich bei Sp. miniaceus finden, sucht man hier vergebens und an Stelle der segmentalen seitlichen Aus- sackungen tragen die Seitenränder des Blinddarmes von Sp. oniscoides eine hinter der Pharyngealtasche beginnende und von da bis an die Einmündung in das Rectum ununterbrochen fortgesetzte Reihe von krausenartigen Ausfaltungen (Fig. 7 und 8 »). Für Sp. arcticus kann ich über den Totalverlauf des Darmtractus nichts Genaueres mittheilen, da ich nur einige Querschnitte aus der Mitte und einige Längsschnitte aus dem Seitentheile eines Individuums vor mir habe. Dazu kommt, dass der Erhaltungszustand namentlich des Darmes ein so schlechter war, dass das Darmepithel meist nur in von der starken Muscularis abgelösten Fetzen (Taf. IX, Fig. 8 Dd) zur Anschauung kam und die Form und Lagerung der Darmdivertikel aus letzterer (Dm) erschlossen werden musste. Doch scheinen die Verhält- nisse in so fern ähnlich wie bei Sp. oniscoides zu liegen, als auch hier, wenn gleich viel schwächere Falten die Divertikel durchziehen und der Hauptdarm (Fig. 6 D) gleichfalls Längsfalten aufweist. Doch haben die Divertikel nicht die Flaschenform mit enghalsiger Insertion, sondern bleiben in ganzer Länge fast gleich weit und sind auch nicht so an ein- ander gedrängt wie bei Sp. oniscoides. Vielmehr liegen sie, von vorn nach hinten abgeplattet, frei zwischen den Muskelsepten (Fig. 7 und 8), ohne dass ihr dorsoventraler Durchmesser mehr als !/, der gesammten Leibesdicke betrüge. Der Rückenblinddarm ist (— wenigstens in der von mir geschnittenen Mitte der Körperlänge —) von sehr geringer Aus- dehnung (Fig. 6 Db), abgeflacht und zeigt Andeutungen von innerer Längsfaltung seines Epithels. Der Rückenblinddarm von Spinther ist ein weiteres Glied in der Reihe jener vielgestaltigen als »Nebendärme«, »schwimmblasenähnliche Organe«, »Drüsen« etc. bezeichneten Anhänge des Darmrohres der Anne- liden, für deren morphologische und physiologische Bedeutung im Laufe des letzten Decenniums die ersten Erklärungsversuche gemacht wur- den. Eine Reihe derselben, der unpaare ventrale Nebendarm der Capi- telliden und gewisser Gephyreen wurde zusammen mit ähnlichen Bil- dungen der Echiniden der Chorda dorsalis der Vertebraten homologisirt!, während für eine zweite Gruppe, die paarigen ventralen oder lateralen Darmanhänge der Hesioniden, Syllideen und Nereiden die Homologisirung mit der Schwimmblase der Fische versucht worden ist?. Der unpaare 1 E. Enters, »Nebendarm und Chorda dorsalis«. Nachrichten der kgl. Ges. der Wiss. zu Götligen. 14885. Nr. 42. p. 390—404. 2 H. Eısıc, »Über das Vorkommen eines schwimmblasenähnlichen Organs bei Anneliden.« Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. Il. 1880. p. 255—298. ( Die Annelidengattung Spinther. 49 dorsale Blinddarm von Spinther ist wahrscheinlich dieser zweiten Gruppe von Blinddarmbildungen homolog, wobei freilich angenommen werden muss, dass der schon in den zwei vorderen Aussackungen ge- gebene Beginn einerZweitheilung des Rückenblinddarmes bis zu seinem Ursprunge durchgeführt worden sei und die jetzt getrennten Hälften desselben eine Verschiebung zur lateralen resp. ventralen Wand des Darmrohres erfahren haben. Keinesfalls erstreckt sich aber die Übereinstimmung des Rücken- blinddarmes mit den »schwimmblasenähnlichen Organen« auf die Funk- tion beiderOrgane. Denn wenn auch Drasche (p. 12) angiebt, nie Speise- reste im Rückenblinddarme gefunden zu haben, und daher demselben »weder eine verdauende noch eine absondernde Thätigkeit« zugesteht, so war ich dagegen so glücklich, einige Male Gewebsstücke von Spongien mit Nadeln derselben nicht bloß im Mittel-, sondern daneben auch im Rückenblinddarme zu finden. Und namentlich bei Sp. oniscoides ist derselbe auf größere Strecken von solchen Massen erfüllt (Taf. VI, Fig.8 sp), so dass ich geneigt bin, dem Blinddarme eine Theilnahme an dem Ver- dauungsgeschäfte zuzuschreiben. Cirkulationsapparat. Ich kann den kärglichen Angaben Drascar’s über das Blutgefäß- system leider nur sehr wenig hinzufügen. Spinther miniaceus ist durch seine stachelbewehrten Rückenlamellen ein sehr ungünstiges Objekt, um im Quetschpräparat vom lebenden Objekte Aufschlüsse über den Verlauf der Blutgefäße zu erhalten, um so mehr als das Blut bei dem- selben eine farblose Flüssigkeit zu sein scheint. Durch die üblichen Konservirungsmittel aber werden die zarten Gefäßwandungen in einer Weise kontrabirt, dass die Schnitte nur ein sehr lückenhaftes Bild dieses Organsystemes bieten können. Namentlich wenn dieselben mit Alaunkarmin gefärbt waren (Taf. I und III, exkl. Fig. 7) konnte nur hier und da ein Blutgefäßstamm mit Sicherheit als solcher erkannt werden!. Besser erkennbar sind die Gefäße in Pikrokarmintinktionen und nach solchen sind die folgenden spärlichen Mittheilungen zusammengestellt. Ein deutliches Rückengefäß ist auf allen genau medianen Schnit- ten von Sp. miniaceus nachweisbar. Dasselbe muss geschlängelt ver- laufen, da es stets bloß stückweise zur Ansicht kommt (Taf. III, Fig. 7, Taf. IV, Fig. 1 und 2 gr). Ziemlich konstant findet man das Rücken- gefäß hinter dem Gehirne (über der Pharyngealtasche und dem Pharynx- ! Auf allen Tafeln sind die Gefäße der Übersichtlichkeit halber gelb bemalt. In Wirklichkeit ist ihre sie mehr oder weniger vollständig ausfüllende Inhaltsmasse eine schwach gelbliche feinkörnige Substanz. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Ba. JA 50 L. v. Grafl, nerven) sowie über dem Rectum. An diesen beiden Orten ist es in der Regel am weitesten, doch finden sich solche Erweiterungen auch an anderen Körperstellen (Fig. 2, Taf. IV). Von diesem, wahrscheinlich kontraktilen Rückengefäße gehen in jedem Segmente seitliche Quer- stämme ab — das vorderste Paar derselben wird durch die Taf. II, Fig. 7 dargestellte Gefäßschlinge gs repräsentirt —, die vielfach ge- schlängelt und sich verästelnd im Bogen zunr Bauche ziehen, wo nach Drasche ein feines Längsgefäß verlaufen soll. Im Allgemeinen kann ich sagen, dass unter dem Darmtractus nur wenige Gefäßdurchschnitte an- getroffen werden — wenigstens bei dieser Species. Bei Sp. oniscoides ist das Gefäßsystem in ganz außerordentlich reicher Weise entwickelt, wie ein Blick auf Taf. VI und VII lehrt. Sofort erkennt man, dass es sich hier nicht um einen bloß geschlängelten Verlauf der segmentalen seitlichen Stämme handeln kann, sondern die Massenhaftigkeit der Gefäßdurchschnitte (und es sind bloß die größeren eingezeichnet!) nur von einer sehr reichlichen Verästelung herrühren kann. Der Querschnitt Taf. VI, Fig. 8 beseitigt jeden Zweifel an dieser Thatsache. Sogar das Rückengefäß scheint bei dieser Species in ein Gefäßnetz aufgelöst zu sein, da man überall an Stelle eines einzigen dominirenden Stammes eine Mehrheit kleinerer Stämme vorfindet. Charakteristisch ist nament- lich die Gefäßvertheilung in der Umgebung des Rectums (Taf. VI, Fig. 10), das von feineren Stämmchen ganz umsponnen erscheint. Auch treten bei Sp. oniscoides häufiger Gefäßdurchschnitte unter dem Darme - auf, aber nicht als ein einziges stärkeres Längsgefäß, sondern in Form von zwischen Integument und Mitteldarm verlaufenden Querkommissu- ren (Fig. 7 und 8 9). Auch finden sich ferner nicht selten Gefäße in der Basis der Rückenlamellen (— besonders gegen den Körperrand hin Taf. VIII, Fig. 1 —) und feinste Stämmchen zwischen dem Epithel und der Muscularis des Mitteldarmes und seiner Divertikel (Taf. VII, Fig. 9 9 — ein gleiches Verhalten ist Taf. IX, Fig. 8 von Sp. arcticus abgebildet). Es wäre gewagt, aufso lückenhaftes Material hin ein Gesammtbild der Cirkulationsverhältnisse konstruiren zu wollen, und sei darum bloß noch Einiges über den feineren Bau der Gefäßwandung angefügt. Die gröberen Gefäßstämme von Sp. miniaceus lassen in ihrer Wand deutlich zwei Schichten erkennen: eine derbe innere Wand von homo- gener Struktur, die sich gleichmäßig schwach färbt und wahrscheinlich muskulöser Natur ist (Taf. IV, Fig. 9 gm) und .eine äußere bindegewe- bige Hülle mit eingelagerten abgeplatteten, ovalen oder rundlichen Kernen (ge). In den stärksten Gefäßerweiterungen (Rückengefäß) von Sp. oniscoides (Taf. VII, Fig. 8 A) ist die Muscularis sehr schwach und die Wandung überhaupt viel dünner als in mittelstarken Gefäßstämmen Die Annelidengattung Spinther. 51 | derselben Species und in den stärksten Stämmen von Sp. miniaceus. \ Bei der Theilung dieser stärksten Gefäßstämme in schwächere zeigt sich die auffallende Erscheinung, dass an Stelle der gleichmäßigen Ausbil- ‚dung der inneren Muskelmembran durch intermittirende schwächere ‚und stärkere Entwicklung derselben eine Querstreifung zu Stande ‚kommt, indem zierliche in das Gefäßlumen deutlich vorspringende ‘ Ringe mit dünneren Wandstellen abwechseln (Taf. IV, Fig. 8). Dasselbe "kann man bei Sp. oniscoides beobachten (Taf. VII, Fig. 8 C), wo sehr häufig noch eine weitere Metamorphose der feiner und feiner werden- ‚ den Gefäßstämme zur Anschauung kommt. Mit Abnahme der Weite der quergeringelten Gefäße geht hier nämlich eine Zunahme in der Dicke der äußeren Gefäßhaut Hand in Hand. Zwischen den größeren Gefäßen, und auch außerhalb des Bereiches dieser, im Körperparenchym, findet man sehr häufig Längs- und Querschnitte dieser feinsten, spiralig oder intensiv geschlängelt verlaufenden Capillarenstämmchen, bei denen die äußere Gefäßhaut als ein wohlentwickeltes Epithel eylindrischer Zellen sich darstellt, deren Höhe dem Durchmesser des Gefäßlumens gleich- \ kommt (Fig. 8 B, ge). Über die Beziehungen des Gefäßsystemes zum Geschlechtsapparat wird weiter unten zu sprechen sein. — Bindegewebe und Geschlechtsprodukte. Der gesammte Leibesraum ist durchsetzt von einem feinen netz- artigen Gerüstwerk von Bindegewebsfasern, das bloß in einem unter dem Rückenmittelstreif von der Pharynxinsertion bis über die Kloake ' sich erstreckenden Raume fehlt, so dass hier ein nur durch die vom ' Rücken zum Blinddarm gehenden Fasern median getheilter Sammel- kanal für die Geschlechtsprodukte entsteht. Indessen ist dieser Raum keineswegs abgegrenzt, sondern bloß durch allmähliches Schwinden der Bindegewebsfasern in seiner Cirkumferenz entstanden. Gegen die Darmwand hin verdichtet sich das Bindegewebe zu einer membran- artigen Hülle, so dass dann allerdings mit Drasche (p. 13) von einem »Peritoneum« gesprochen werden kann. Es dringt dieses Netzwerk (Taf. 1, Fig. 11 dg) zwischen die Lamellenmuskulatur ein, umhüllt die dorso- ventralen Muskelbündel und setzt sich direkt fort in die äußere Gefäß- haut. Seine Hauptfunktion scheint indessen darin zu bestehen, ein Gerüstwerk für die, sämmtliche Maschen des Bindegewebes erfüllenden Geschlechtszellen zu bilden (Taf. II). Dass dasselbe ein medianes Auf- hängeband für den Rückenblinddarm (Taf. II, Fig. 9—11 s) bildet, wel- ches sich nach vorn bis an die Rückwand des Ösophagus fortsetzt, ist schon erwähnt worden. Während dieses Faserwerk bei Sp. miniaceus 4* 52 L. v. Graff, und oniscoides sehr zart und wie fein bestäubt erscheint, wird es viel resistenter bei Sp. arcticus. Hier (Taf. IX, Fig. 9 bg) erlangt dasselbe ' durch die große Zahl feiner Maschen ein spongiöses Gefüge und gewinnt | auch dadurch ein anderes Aussehen, als die eigentlichen Bindegewebs- | zellen in Form und Tinktionsfähigkeit sich deutlicher scheiden von den | zahlreichen übrigen zelligen Einlagerungen des Bindegewebsgerüstes. | Erstere sind stets langgestreckt, tief tingirt, liegen den großen Maschen- räumen koncentrisch an und enthalten ovale helle Kerne mit Kernkör- | perchen (bgz), wogegen die jungen Eizellen (El) durch ihre unregel- | mäßigere Gestalt, geringere Tinktion und rundlichen Kerne sich von ihnen unterscheiden — ohne dass es freilich an Übergangsformen fehlte. | Bei Sp. miniaceus (Taf. I) ist dagegen an eine solche Trennung nicht ' zu denken, da von den spindelförmigen Kernen und plasmaarmen lang- gestreckten Zellen des Bindegewebes bis zu zweifellosen jungen Eiern | alle Übergänge oft dicht gedrängt beisammen liegen. Geschlechtsprodukte. Nach dieser Darstellung des Bindege- webes liegt es nahe, an die Entstehung der Geschlechtsprodukte aus den Zellen des letzteren zu denken und es finden sich in der That auch Eilager in demselben (Taf. IX), die fern vom Blutgefäßsystem, nicht aus | der allerdings auch bindegewebigen Wand dieses letzteren abgeleitet werden können. Indessen scheint doch diese letztere — wie ja für an- dere Anneliden schon wiederholt von anderen Autoren behauptet wor- den ist — der Hauptherd für die Bildung der Geschlechtszellen zu sein. Taf. I, Fig. 11 EI zeigt uns das Stück eines solchen Blutgefäßstammes, | das von allen Entwicklungsstadien der Eier bis zu den ovalen Kernen der Gefäßwand herab besetzt ist, und wenn wir bei männlichen Thieren die letzten Enden der Blutgefäße verfolgen, so werden wir dieselben in die dichtesten Haufen von Samenzellen eintreten sehen, wo (Taf. VII, Fig. 8 it) diese letzteren in einer Weise dem Gefäßepithel anliegen und an demselben sich zusammendrängen, dass unwillkürlich der Gedanke an eine Ableitung der ersteren von letzerem auftaucht — welchen Ein- druck auch Drasche (p. 14) empfangen hat. — Die Geschlechter sind bei Spinther getrennt und alle Individuen von Sp. miniaceus, die ich ge- schnitten habe, waren dicht erfüllt von Geschlechtszellen und reifen Ge- schlechtsprodukten in der Weise, dass der gesammte zwischen Darmtrac- tus und Rückenwand freibleibende Raum von denselben eingenommen wurde (vgl. das weibliche Individuum Taf. II und die männlichen Indi- viduen Taf. III, Fig. 1—6 und Taf. V, Fig. 1—5). Bei dem letztgenannten Individuum drängten sich die Massen der Samenzellen sogar zwischen die Darmäste zur Bauchseite herab, während sonst die Ventralseite fast frei von denselben war und nur von den unten zu erwähnenden »in- Die Annelidengattung Spinther. 53 differenten Zellen« eingenommen wurde. Bei weiblichen Individuen findet man auch in den Randfächern der Rückenlamellen (s. oben p. 23) Eier und die Parapodien sind bisweilen bis in ihre Spitze hinein von solehen erfüllt!. Das Exemplar von Sp. arcticus (Taf. IX) war ein in vollster Reife befindliches Weibchen, das Exemplar von Sp. oniscoides ein Männchen, jedoch mit im Verhältnis zu den Männchen von Sp. minia- ceus minder reichlichen Hodenmassen, indem diese (Taf. VII, Fig. 1—3 L) als isolirte Klumpen den Muskelsepten und der Leibeswand anlagen. Die größten Eier, die man im Körper von Sp. miniaceus findet, messen 0,08 mm im Durchmesser, während ihr meist etwas ovaler Kern bis 0,04 mm im größten Durchmesser, das Kernkörperchen aber bis ‘0,013 mm Breite besitzt. Durch die ganze Masse des Eiplasmas sind feine Deutoplasmakörnchen vertheilt, mit Ausnahme einer peripheren homogenen, sich in Pikrokarmin schwach rosa tingirenden Schicht, die bald schmäler, bald breiter erscheint (E,, E,). Sehr mannigfaltig sind die Bilder, die der Kern darbietet. Bald lässt derselbe eine Membran erkennen und ist vom Eiplasma durch einen spaltförmigen (— jedenfalls künstlich entstandenen —) Hohlraum getrennt, bald fehlt diese Mem- bran und dann kann bisweilen eine strahlige Fortsetzung der Kern- substanz in das Eiplasma wahrgenommen werden (E,). Stets ist ein, sröbere Körnchen einschließendes Gerüst im Kern enthalten. Auch das Kernkörperchen stellt sich sehr verschieden dar: bald einfach kon- _ tourirt mit körnchenartigen Einschlüssen (Z,), bald mit dieker doppelt kontourirter Wand (EZ, E,) und in beiden Fällen wieder entweder in- takt oder an einer Stelle geplatzt mit vorquellender feinkörniger Masse (E, E,, E,). In anderen Eiern ist an Stelle des Kernkörperchens ein, nicht von einer Membran zusammengehaltener Haufen grober Körner zu finden (Z,, E,). Nicht selten finden sich Eier, die in der Ausstoßung von Polbläschen begriffen sind (E)). Ein Eingehen auf diese Verhält- nisse liegt außerhalb des Bereiches dieser Arbeit, und es genügt mir, ‚auf dieselben hingewiesen zu haben. Höchst sonderbar sind die Veränderungen, welche das reife Ei er- fährt, sobald es mit Seewasser in Berührung kommt. Man sieht dann binnen wenigen Sekunden eine Rindenschicht sich vom Ei abheben, aufquellen, körnige Protuberanzen erhalten (Taf. I, Fig. 8) und diese letzteren zu strahlenförmig angeordneten Stachelfortsätzen auswachsen (Fig. 9). Diese das Ei jetzt umschließende Hülle ist wasserklar und von 1 Dies beobachtete schon GruBE, da er (Nr. 5, p. 76) sagt: »Die Eierchen, welche die Leibeshöhle vollkommen erfüllten, waren mitunter in die Höhlung der borsten- führenden Fortsätze des Seitenrandes getreten, und schienen dort durch eine Öff- nung entweichen zu können.« 54 L. v. Grafl, gallertiger Konsistenz. Ihre in Folge dessen biegsamen weichen Stachel- | fortsätze bekommt man am besten zur Ansicht, wenn man irgend eine Anilinfarbenlösung (Methylviolett) unter das Deckgläschen laufen lässt, ' wo dann die sich niederschlagenden Farbstoffkörnchen massenhaft an den Stachelfortsätzen hängen bleiben. Meine Beschreibung weicht allerdings wesentlich von derjenigen ab, welche Drascke (p. 14) von den diesbezüglichen Verhältnissen giebt. | Er sagt: »Die Eier haben im Leben einen Dotter von ziegelrother Farbe, der gänzlich undurchsichtig ist. Bei dem unreifenEi besteht die den Dotter umgebende dicke, durchsichtige, eiweißhaltige Zone aus zwei Theilen, deren innerer eine gleichförmige Schicht um den Dotter bildet, | der äußere jedoch an seiner Oberfläche mit langen strahlenförmigen Fortsätzen allseitig umgeben ist, die eine recht reguläre Anordnung 7 zeigen. So erscheint das Ei, wenn es durch Druck aus dem Mutter- | thiere herausgepresst wird. Nach kurzer Zeit jedoch verschwinden (im | Seewasser) diese Fortsätze. « | Ich muss im Gegensatze zu dieser Darstellung betonen, dass ich von der strahligen Gallerthülle niemals eine Spur gesehen habe an noch | im Mutterleibe ruhenden Eiern — weder in frischen Objekten noch in Schnittpräparaten, und dass ich dieselbe daher nicht als ein nach der | Ablage verschwindendes Kriterium des unreifen Eies ansehe, sondern vielmehr als ein erst nach der Ablage im Seewasser zur Ausbildung gelangendes Organ des Eies, dem wahrscheinlich die Aufgabe zufällt, ' die Anheftung des Eies an der Oberfläche der Spongie zu vermitteln. Die reifen Spermatozoen (Taf. I, Fig. 10) haben einen konischen, | vorn sehr fein zugespitzten und hinten quer abgestutzten Kopf (x) von | 0,0037 mm und einen sehr feinen Schwanz (***) von 0,057 mm Länge. | Zwischen beiden ist eine, scheinbar aus zwei mit einander verlötheten | Kügelchen bestehende Zone (xx) eingeschaltet, die in Wirklichkeit wahr- scheinlich der Ausdruck eines Ringwülstchens ist. Die Bewegungen "” der Spermatozoen im freien Wasser sind entweder intermittirend stoß- ” oder sprungweise oder gleichmäßige Spiralwindungen. Manchmal wird a der Schwanz knapp an der Basis um 180° abgebogen und verharrt eine | Zeit lang in dieser Stellung, in welcher Schwanzende und Kopfspitze nach derselben Seite gerichtet sind und die breite Basis des Kopfes | nach vorn sieht. Oft findet man auch die Spermatozoen am Objektträger " mit der Spitze des Kopfes festgeheftet, während der Schwanz rapide im | Kreise schlagende Bewegungen vollführt. | | Die einzige Geschlechtsöffnung befindet sich am Hintererde "N des Körpers dicht über dem After, innerhalb des beim lebenden Objekte den letzteren umrahmenden Wulstes (Taf. III, Fig. 1, Taf. V, Fig. 5 90). | Die Annelidengattung Spinther. 0%) ‘ Auch ohne jeden Druck sieht man an dieser Stelle die Geschlechtspro- ‘dukte hervorkommen, bei gelindem Druck mit dem Deckgläschen wer- ‚ den sie massenhaft durch dieselbe entleert. | Indifferente Zellen. Mit diesem Namen muss ich ein Element des Spintherkörpers bezeichnen, dessen morphologische und physiolo- gische Bedeutung mir völlig unklar geblieben ist. Es sind das Zellen und Zellhaufen, die an der Ventralseite des Körpers vor und hinter den Darmdivertikeln sowie zwischen diesen und dem Integumente sich so- ' wohl bei männlichen als weiblichen Individuen vorfinden !. So lange ‚ als ich bloß männliche Individuen geschnitten hatte, glaubte ich es in diesen Zellen (Taf. I, III, Z) mit einem nicht zur Entwicklung kommenden Eilager zu thun zu haben, so sehr gleichen diese frei in der Leibeshöhle liegenden Zellen jungen Eiern. Doch musste dieser Gedanke aufgegeben werden, als sie sich in Schnitten durch weibliche Individuen in genau der- selben Ausbildung präsentirten. In Taf. V, Fig. 11 (— es stellt diese Figur , ein Stück aus dem Taf. III, Fig. 7 theilweise gezeichneten Längsschnitte dar —) sind solche Zellen stark vergrößert dargestellt. Neben isolirten ‚ runden oder länglichen Zellen (Z) mit ganz homogenem Plasma, rundem ' Kerne und Kernkörperchen, finden sich Zellhaufen (Z,), in denen man ‚ einen Schnitt durch den Keimstock einer Turbellarie vor sich zu haben glauben könnte. Ganz wie dort finden sich hier größere und kleinere (meist) runde Kerne in einer Plasmamasse vereint, die in einer nur un- vollständigen Weise in, den einzelnen Kernen entsprechende, Bezirke abgespaltet ist. Das Bindegewebsgerüst umzieht diese Zellen und Zell- " haufen, ähnliche Lückenräume für dieselben frei lassend wie für die ' Eizellen. Bei Sp. arcticus (Taf. IX, Fig. 8) und Sp. oniscordes (Taf. VII) finden ‚ sich die »indifferenten Zellen« gleichfalls, und zwar hauptsächlich der Basis der Muskelsepta anliegend, an welchen man sie bei der letztge- nannten Species oft in schnurförmiger Anreihung emporziehen sieht IEig. 32). Nervensystem und Sinnesorgane. Das dicht unter dem Tentakel gelegene Gehirn zeigt folgende all- gemeine Gestalt. Ein vorn abgerundeter, ungetheilter Lappen erstreckt sich nach vorn bis vor den Rückententakel und ist nach hinten durch eine Einsattelung auf der dorsalen Fläche des Gehirns abgegrenzt (Taf. III, " Fig.5). Von der Ventralfläche desselben entspringt jederseits der Mittel- 1 Vergleiche Z in den Schnitten von männlichen Sp. miniaceus Taf. III, Fig. 1, ' s und 6. Taf. V, Fig. 5, dann in den weiblichen Individuen Taf. II (besonders Fig. 3, 4,7, 40) und Taf. III, Fig. 6. 56 L. v. Grafl, | linie ein Läppchen (Taf. V, Fig. 4 N,), das schief nach vorn und unten der | Pharyngealtasche aufliegt. Jederseits der genannten Einsattelung sprin- gen die beiden mächtigen Seitenlappen des Gehirns vor, die oben und unten stark gewölbt sind (Taf. III, Fig. 6) und sich nach hinten in je ein Läppchen ausziehen. Diese letzteren fassen einen medianen hinteren Lappen zwischen sich, der oben und unten durch Längsfurchen von den Seitenlappen geschieden ist. Das hintere Ende des Gehirns geht so in drei Lappen aus, die durch starke dorsoventrale Muskelzüge von einander getrennt sind. Die größte Anhäufung der Ganglienzellen ist in der Vorderwand des unpaaren Vorderlappens und in der Peripherie der Seitenlappen zu kon- statiren. Dem ersteren entspringen die Nervi optici, den Seitenlappen die schief nach hinten herabziehende Schlundringkommissur (Taf. III, Fig. 6 nr) und dem hinteren Mittellappen die beiden Pharyngealnerven. In der »Punktsubstanz « des Gehirns kann ich die von Drasche angege- bene, die beiden Seitenlappen verbindende »Schlundkommissur« (Taf.IV, Fig. 6 C), sowie die Faserkerne der Pharyngealnerven (B) sehr gut unter- scheiden. Weitere Details über den feineren Bau des Gehirns von Sp. miniaceus will ich desshalb hier nicht geben, weil es mir an guten Hori- zontalschnitten fehlt und überdies die genaue Bearbeitung des Nerven- systems und der Sinnesorgane von Spinther demnächst durch einen in meinem Institute arbeitenden Herrn erfolgen wird. Es sei nur noch hervorgehoben, dass das Gehirn eben so wie die Bauchstränge vom Bindegewebe umhüllt wird, zu welchem bei erste- rem noch die aus den beiden Muskelsepten des Kopfsegmentes zum Rückententakel konvergirenden Muskelfasern hinzukommen. Die- selben streichen nicht bloß im ganzen Umkreise des Gehirns an diesem vorüber und bilden eine förmliche Muskelscheide für dasselbe, sondern sie dringen zugleich mit Bindegewebsfasern in die Substanz desselben ein und durchsetzen dasselbe sogar im Bereiche der ganzen unter dem Tentakel gelegenen Partie in schiefer dorsoventraler Richtung, so dass hier jeder Gehirnquerschnitt eine Anzahl solcher Muskelzüge inmitten der Punktsubstanz aufweist. Die Bauchstränge scheinen schon an Quetschpräparaten als helle Streifen durch und es hat den bogenförmigen Verlauf derselben GrUBE ziemlich richtig angegeben. Sie liegen zwischen Darm und Bauchwand und sind mit einem kontinuirlichen Ganglienzellenbelage versehen, der in jedem Segmente (Taf. III, Fig. 6 und 8 N) beträchtlich anschwillt und an der Abgangsstelle der Bauchkommissuren und der Parapodialnerven seine größte Dicke erreicht. Vor den übrigen Bauchganglien durch seine Größe und Form ausgezeichnet ist das Unterschlundganglion (N,), wogegen Die Annelidengattung Spinther. 57 die hintersten unter dem Rectum konvergirenden, aber wie DraAscHE richtig angiebt, nicht in der Mittellinie verschmelzenden Ganglien (Taf. II, Fig. 1 N) rasch an Größe abnehmen und durch Verkürzung ihrer Längs- kommissuren dicht zusammengedrängt erscheinen. Die gangliösen Anschwellungen der Bauchstränge sind in jedem Segmente durch eine Querkommissur mit einander verbunden (vgl. Taf. II, Fig. 8 und Taf. II, Fig. 11 nc) und entsenden an der der letz- teren entsprechenden Stelle einen dem Integumente aufliegenden Ner- ven (n) an die Peripherie. Dieser Nerv schwillt nach innen von der Basis des entsprechenden Parapodiums zu einem kleinen Ganglion (Po) an, von welchem ein feiner Nervenast bis fast an die Spitze des Para- podiums (Pn) verfolgt werden kann. Dieser periphere Nerv dürfte daher mit Recht als Parapodialnerv zu bezeichnen sein. Während aus den Vorderlappen des Gehirns die beiden Optici ent- springen, entsendet der mittlere Hinterlappen die beiden von DrAscHE entdeckten Pharynxnerven. Dieselben entspringen dicht neben einan- der und verlaufen, bloß durch einen schmalen Streifen von Bindege- webe getrennt und der Pharyngealtasche unmittelbar aufliegend zur Pharynxbasis (Taf. III, Fig. 5 phn), um unter dem Epithel der vorderen ‘Wand des Pharynx sich im Parenchym desselben zu verlieren (s. oben p. 40). Eine Verbreitung des Nerven auf den Ösophagus, wie sie von Drasche (p. 9) angegeben wird, habe ich nicht bemerken können. Mein Exemplar von Sp. oniscorides hat mir in mancher Beziehung so gute Aufschlüsse in Bezug auf das Nervensystem geboten, dass ich hier noch Einiges darüber anführe. Vor Allem ist hier (Taf. VIII, Fig. 2) der Plasmakörper der Ganglienzellen mit seinen Fortsätzen viel deut- licher erkennbar, und die einzelnen Ganglienzellengruppen des Gehir- nes sondern sich klarer von einander als bei Sp. miniaceus. Die Kerne sind dagegen bedeutend kleiner als bei dieser Species und die Abgren- zung des Gehirnes gegen Bindegewebe und Muskulatur noch unbe- stimmter. In der Punktsubstanz sind neben einem fast centralen Muskelbündel noch symmetrisch beiderseits davon eine Anzahl von Muskeldurchschnitten auf dem abgebildeten Querschnitte zu sehen (x). Die Optiei (o) sind, da hier die Augen höher hinauf in die Tentakel ge- rückt erscheinen (vgl. auch Taf. VI, Fig. I und 2) viel länger als bei Sp. miniaceus. Die äußere Form des Gehirnes entspricht der der eben ge- nannten Species. Taf. VI, Fig. 3 Nc zeigt einen Schnitt aus der hinteren Gehirnpartie, wo die Faserkerne bereits deutlich in einen centralen und zwei seitliche gesondert sind. Einige Schnitte dahinter spricht sich diese Sonderung noch deutlicher aus durch zwei dorsal und ventral ein- schneidende Furchen und zuletzt bekommt man Schnitte, auf denen drei 58 L. v. Graff, ovale Gehirnlappen völlig durch Muskelfasern von einander gesondert sind — der mittlere der Wurzel der Pharynxnerven, die beiden seit- lichen den Hinterläppchen der Seitenlappen entsprechend, ganz wie bei Sp. miniaceus. Der Schlundring ist durch seine Weite und Mächtigkeit ausgezeich- net (Taf. VI, Fig. 4 nr), wie die Unterschlundganglien (N,) durch ihre Größe und die einzelnen Anschwellungen der Bauchganglienkette (Fig. 5 und 7 N) durch ihren queroblongen Durchschnitt. Einen solchen, stär- ker vergrößert, stellt Taf. VII, Fig. 4 vor. Man sieht einen centralen Kern längsverlaufender Fasern (N;) mit einer größeren Ganglienzellen- anhäufung an der Innen- (N,) und einer kleineren an der Außenseite (N). Von ersterer geht die Querkommissur (nc), von letzterer der Para- podialnerv (n) aus, und beide sind verbunden durch das in mehreren Partien das Ganglion durchsetzende System von Querfasern, welches bei * eine Art von Knotenpunkt besitzt. Zwischen den Querfasern einge- lagert und auf der dorsalen Fläche des Ganglions als zusammenhängende Schicht ausgebreitet finden sich Zellen und oblonge Zellkerne in großer Anzahl, von denen es schwer ist zu sagen, in wie weit dieselben ner- vöser oder bindegewebiger Natur sind. Ähnliche, aber in ihrer Größe gleichartige helle Kerne durchsetzen die Schlundringkommissur in der Weise, dass die längere Achse der Kerne der Verlaufsrichtung der Fasern entspricht. In Fig. 7, die ein Stück des Schlundringes darstellt, sieht man auch jene eigenthümlichen, sich tief dunkel tingirenden spindel- förmigen Körperchen, welche zwischen den Querschnitten der Längs- fasern der Ganglienkette (Fig. 4 N,) als dunkle Pünktchen in so großer Zahl auftreten. Ihre geringe Größe und wenig scharfe Begrenzung — sie sehen aus, wie zusammengesetzt aus dichtgedrängten Körnehen — lässt sie nicht als Bindegewebskerne ansprechen, die man etwa sonst hier vermuthen könnte. In Bezug auf die zur Peripherie verlaufenden Parapodialnerven erweitert Sp. oniscoides die für Sp. miniaceus gege- bene Darstellung in so fern, als sich zeigt, dass die Parapodialnerven schon vor ihrer Anschwellung zum Parapodialganglion, noch im Bereiche der Darmdivertikel (Taf. VI, Fig. 2 n) sich theilen und dass die vom | Parapodialnerven abgehenden Äste gegen den Körperrand hin zwischen den Fasern der Muskelsepta zum Rücken emporsteigen (Fig. 3 n,) — wahrscheinlich um in den Rückenlamellen (und besonders deren Rand- theil) sich zu verbreiten. Tentakel. Drascaz beschreibt (p. 9) zwei starke Nerven, die vom Gehirn in den unpaaren Rückententakel gehen, wo »ihre letzten Ausläufer in Verbindung stehen mit der Hypodermis des Tentakels und dem das Innere desselben ausfüllenden lockeren Bindegewebe« und es unterliegt Die Annelidengattung Spinther. 59 | ja keinem Zweifel, dass dieser Tentakel ein Tastorgan darstelle. Sein Epithel grenzt sich nicht so scharf nach innen ab wie im übrigen Inte- gumente, und auch die Grenzen der einzelnen, nach innen in feine “ Wurzelfortsätze ausgehenden Zellen desselben sind nur auf den best- ‚ gefärbten Schnittpräparaten wahrzunehmen. Dadurch, wie auch in der Beschaffenheit seiner bindegewebsähnlichen centralen Masse gleicht ein Tentakeldurchschnitt (Taf. IV, Fig. 6) sehr dem einer Rückenlamelle (Taf.]). Jedoch betheiligt sich, im Gegensatze zu letzteren, zweifellos auch das Bindegewebe (bgz) am Aufbau des Tentakels und überdies ist derselbe nach allen Richtungen von Muskelfasern durchsetzt. Die Hauptmasse ' der letzteren kommt von den dorsoventralen Septen des Kopfsegmentes (Taf. VI, Fig. 1—3 Tm), deren Fasern das Gehirn umfassen und im Um- kreise desselben, theilweise sogar durch dasselbe (s. oben p. 56) in den Tentakel ausstrahlen. Daraus muss eine bedeutende Kontraktilität des Tentakels resultiren und in der That sind die verschiedenen Gestalten, die derselbe auf Durchschnitten darbietet (vgl. Taf. II, Fig. 6, Taf. IV, Fig. 6, Taf. V, Fig. %), eben so viele Beweise dafür. In der letzterwähn- ten Figur ist die Tentakelbasis sogar unter die Rückenfläche eingezogen und erinnert dadurch an die Form, welche der Tentakel auf den Quer- schnitten von Sp. oniscoides darbietet (Taf. VI, Fig. I—3). Wenn hier die feineren Ringfalten des Tentakels zweifellos als Kontraktionsphäno- men zu betrachten sind, so bleibt es doch zweifelhaft, ob auch die in der hinteren Partie der Tentakelbasis zu beobachtende seitliche Ein- _ kerbung, in deren Grund das hintere Augenpaar (Fig. 2 au) geborgen ist, auf die gleiche Ursache zurückgeführt werden kann. Die Möglich- keit dessen darf jedoch nicht bestritten werden. In der Basis des Tentakels eingelagert sind die vier Augen, und zwar je ein Paar der vorderen und der hinteren Seite desselben angehörig (Taf. I, Fig. 1). Während beide Paare bei Sp. miniaceus fast gleich groß sind, unterscheidet sich das vordere Paar von dem hinteren bei Sp. onis- coides (Taf. VI, Fig. I au, und Fig. 2 aw,) nicht bloß durch bedeutendere Größe, sondern auch dadurch, dass es näher zusammengerückt ist und etwas tiefer liegt. Bei allen drei Spintherspecies ist die Farbe des Pig- mentbechers gelbbraun und die Form desselben die einer tiefen Schüs- sel. Der Bau der Augen stimmt sehr überein mit dem der Augen von Nereis cultrifera, wie er von CarrıkreE ! dargestellt worden ist. Nach der von diesem Autor angewendeten Nomenklatur haben wir auch hier eine innere, mit ovalen großen Kernen versehene Schicht von Stütz- oder Sekretzellen (sz), darauf die kegelförmigen pigmentirten Sehzellen 1 J. CArrIERE, Die Sehorgane der Thiere vergleichend anatomisch dargestellt. München (Oldenbourg) 1885. p. 31. 60 L. v. Graff, (pi), welche den Boden des Augenbechers mit ihrer polygonalen Außen- fläche auspflastern. Der Innenraum des Augenbechers wird von einem »Gallertkörper« (st) gebildet, der jedoch deutlich in von den Sehzellen zu der Cornea (Co) ziehende Stäbchen zerfällt. Die Kerne der Cornea sind in einfacher Lage vorhanden und scheiden sich durch ihre inten- sive Tinktion scharf von der über sie hinwegziehenden Epithellage des Integumentes, welche — in so weit als sie das Auge überzieht — mit CARRIERE als »äußere Cornea« anzusprechen wäre. Schlussbemerkungen. ‘ Wenn die Möglichkeit zugegeben werden muss, dass auch bei Untersuchung einer größeren Anzahl von Individuen von Spinther onis- coides und arcticus gewisse Verhältnisse des äußeren und inneren Baues eine Variabilität aufweisen werden, ähnlich der für Sp. miniaceus kon- statirten, so darf doch angenommen werden, dass in der so charakte- ristischen Gestalt des Darmes und der Rückenlamellen konstante Eigen- thümlichkeiten der genannten nordischen Vertreter der Gattung Spinther vorliegen. Ä Unter diesem Gesichtspunkte würden die innerhalb der Species Sp. miniaceus zusammengefassten Varianten theils zu Sp. oniscoides, theils zu Sp. arcticus eine größere Verwandtschaft darbieten, und zwar zu Ersterem die Sp. miniaceus mit weitem Darmlumen und vertiefter trogartiger Lamellenfläche, zu Letzterem die Sp. miniaceus mit engem Darme und ebener Fläche der dachziegelförmig nach vorn übergreifen- den Lamellen. In dem weitverbreiteten Sp. miniaceus würden wir die Stammart sehen müssen, die uns in ihren noch erhaltenen Varietäten den Weg zeigt, auf welchem sich aus ihr die in ihrer lokalen Verbreitung beschränkten Formen Sp. oniscordes und arcticus herausgebildet haben. Der besonders bei Sp. oniscoides in die Augen fallende Verlust der streng regelmäßigen zweireihigen Anordnung der Rückenstacheln und die Aus- bildung von einspitzigen Stacheln neben den zweispitzigen wären als Differenzirungserscheinungen aufzufassen, die zum Theil (— man ver- gleiche die unregelmäßige Gestalt der Stacheln von Sp. arcticus —) noch nicht zur Stabilisirung gelangt sind. In der höckerigen Beschaffenheit der Fläche und zackigen Ausbildung der Ränder der Rückenlamellen von Sp. oniscoides wäre aber der erste Anfang einer Zerspaltung dieser kontinuirlichen respirirenden Hautkämme in, der Respirationsfunktion zweifellos besser entsprechende, verästelte Kiemenbüschel gegeben, wie sie bei Euphrosyne vorliegen. Kiemen und Rückenstacheln, beide Produkte des Integumentes des Rückens, haben sich in dieser Gattung völlig von einander emaneipirt. Darin, wie in dem Mangel häutiger Die Annelidengattung Spinther. 61 Parapodien bei Euphrosyne liegt, so weit die äußeren Verhältnisse in Betracht kommen, der Hauptunterschied dieses Genus von Spinther. Denn die Darstellungen, die wir von der Anatomie der Gattung Euphro- syne besitzen, sind so unzureichend und, da sie sämmtlich noch aus einer Zeit herrühren, in der die Schnittmethode nicht angewendet wurde, so unzuverlässig, dass sich ein Vergleich darauf hin nicht durch- führen lässt. Ich gedenke in allernächster Zeit diesem Mangel abzu- ‚helfen und allmählich die Grundlagen zu schaffen, von welchen aus die ' Verwandtschaftsverhältnisse der — in anatomischer Beziehung eine _ Terra incognita darstellenden — Amphinomeen! beurtheilt werden können. Die eigenthümliche elliptische Körpergestalt von Spinther (und Eu- phrosyne) mit der radiären Anordnung der Segmente vorn und hinten, sowie die allmähliche Verkümmerung der Segmente und ihrer Anhänge gegen das anale Körperende sind gewiss keine primären Bildungen und hier wie bei den in vielfacher Beziehung so ähnlichen Myzostomiden muss ı die radiäre Konfiguration des Körpers als eine Folge der Anpassung an ı die parasitische festsitzende Lebensweise angesehen werden. Für beide ‘ Gruppen bildeten langgestreckte Formen mit gleichmäßig ausgebildeten Körpersegmenten den Ausgangspunkt. Doch lässt sich heute noch nicht angeben, wo diese Ahnen der Gattung Spinther zu suchen sind. Graz, im Juni 1887. Litteratur über das Genus Spinther. 4. G. Jounston, Miscellanea Zoologica, Annelides. Ann. Mag. nat. hıst. vol. XVI. London 4845. p. 8—10. Pl. II, Fig. 7—A4. 2. M. Sırs, Beretning om en i Sommeren 4849 foretagn Zoologisk Reise i Lofoten og Finmarken. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne. vol. VI. 1850. p- 210 (Separatum p. 90—91). 3. Ep. GrUBE, Die Familien der Anneliden, mit Angabe ihrer Gattungen und Arten. Berlin 1854. p. 39. 4. W. Srtımpson, Synopsis of the Marine Invertebrata ofgrand Manan. Smithsonian Contributions. Washington 1854. p. 35—36. Pl. II, Fig. 27. 3. En. GruBE, Beschreibung neuer oder wenig bekannter Anneliden, Fünfter Bei- trag. Archiv für Naturgeschichte. 26. Jahrgang. I. Bd. 1860. p. 74—77. Taf. Ill, Fig. 3—3b. (Eine übersichtlichere und ausführlichere Darstellung | 1 Vergleiche das betreffende Kapitel bei E. EnLers, »Die Borstenwürmer (Anne- ' lida chaetopoda) nach systematischen und anatomischen Untersuchungen darge- ‚ stellt«. I. Bd. Leipzig 1864—1868. p. 64—80. = > ER 62 L. v. Graff, als in GrugE’s Buche: »Ein Ausflug nach Triest und dem Quarnero.« Ber- lin 1864. p. 31—32 und p. 440. Taf. III, Fig. 3—3 b.) 6. M. Sars, Bidrag til Kundskaben om Norges Annelider. 4. Afhandling. Christia- nia Vidensk. Selsk. Forhandl. 4861. p. 52—54. Christiania 4862. 7. A. DE QUATREFAGES, Note sur la classification des Annelides. Comp. rend. Paris, 27. mars 1865. p. 9 (Separatum). 8. —— Histoire naturelle des Anneles marins et deau doüch Eanız 1865. vol. 1. p- 486 et vol. II. p. 660—662. 9. Ev. CLarArkpe, Referat über QuATRErAGEsS’ »Note« in der Bibl. univ. et revue scientifique (Arch. sc. phys. et nat.). T. XXI. Geneve, April 1865. p. 50 (Separatum p.6). 40. A. DE QUATREFAGES, Note sur la classification des Anne&lides, et r&Eponse aux ob- | servations de M. CLAPAREDE. Ann. Sc. nat. (5. ser.) Zoologie. T. III. Paris 1865. p. 277— 379. | 44. A. J. MALnGREN, Annulata polychaeta Spetsbergiae, Groenlandiae, Islandiae et Skandinaviae hactenus cognita. Helsingforsiae 1867. p. A. 412. W. C. Mce’IntosH, On British Annelida. Transactions of the Zool. Soc. of London. vol. IX. part VII. 1877. p. 373. Pl. LXV, Fig. 4—3, 43. G. A. Hansen, Annelida der Norske Nordhavs-Expedition 4876—1878. Christia- - nia 1882, 40%. p. 44. Taf. I, Fig. A—5. (Dasselbe in: Nyt Magazin for Natur- videnskaberne. Bd. XXIV und XXV.,. 1879—14880.) 44. A. Wiren, Chaetopoder frän Sibirska ishavet och Berings Haf, insamlede under Vega Expeditionen 1878—1879 (Vega Exped. Vetenskapl. Arbeiten. Bd. Il). 1883. p. 386—387. Tab. XXVII, Fig. 1—35. 15. G. M. R. Levinsen, Systematisk-geografisk Oversigt over de nordiske Annulata, Gephyrea, Chaetognathi og Balanoglossi. Vidensk. Meddelelser fra den naturhist. Forening i Kjobenhavn. 14883. p. 125—426 (Sep. p. 128—1429). 46. R. v. DrAsCHE, Beiträge zur feineren Anatomie der Polychaeten. A. Heft, Ana- tomie von Spinther miniaceus Grube. Wien 4885. 44 Seiten u. 2 Tafeln. Erklärung der Abbildungen. Bedeutung derfüralle Figuren gültigen Buchstaben. @, After; bh,, angegliedertes Basalstück desselben ; ae, Epithel der äußeren Pharynxwand; Dh,, Stiel der Hakenborste; ap und apı, Analcirren ; bs, Fortsatz an der Gelenkfläche des au,, vorderes (erstes) Augenpaar; Hakenstieles; @ua, hinteres (zweites) Augenpaar; bz, Bildungszellen der Parapodialbor- az, äußere Lage von Bindegewebszellen sten; des Pharynx; bz,, Bildungszellen der Rückensiacheln; B, Faserkerne (»Pharyngealknoten«) des C, Kommissur (»Schlundkommissur«) des | Gehirns; Gehirns; bg, Bindegewebsbalken ; c, innere und bgz, Bindegewebszellen ; c,, äußere Lage der Cuticula des Integu- bh, Haken der Hakenborste des Parapo- mentes; diums; co, Corneazellen des Auges; Die Annelidengattung Spinther. D,Centraltheil des Mitteldarmes (»Haupt- darm«); Db, Rückenblinddarm; Db,, vordere Aussackungen desselben; Db,,, seitliche Aussackungen des Rücken- blinddarmes; Dad und Dd,, Divertikel des Mitteldarmes | | (»Seitenblinddärme«); De, Darmepithel; Dm, Darmmuscularis ; : Dv, Ösophagus; : dr, Stäbchendrüsen der Analcirren; / E— Es, Eier; ı El, Eilager;; "ep, Körperepithel »Hypodermis«); fl, Gilien; G, Gallerthülle des abgelegten Eies; : g und g,, Blutgefäßstämme; ge, äußere epithelartige Gefäßhaut ; - gm, Muscularis der Gefäßwandung; : go, Geschlechtsöffnung ; gr, Rückengefäß; gs, Gefäßschlinge; ‘hm, Hautmuskelschlauch ; | ‘ie, Epithel der inneren Pharynxwand; iz, innere Lage von Bindegewebszellen des Pharynx ; L, Rückenlamellen ; ' Lb, vorderer Lamellenbeuger; / Lm, querer Lamellenmuskel; Im, hintere Muskeln der Lamellenwurzel; Im,, vordere Muskeln derselben; Ims, die Lamellenwurzel durchsetzende undandieStachelscheideherangehende Muskelfasern ; ‘m, Mund; mdv, dorsoventrale Muskelzüge ; mi, innerste schief gekreuzte Fasern des Hautmuüuskelschlauches; mi, dorsale und ml,, ventrale Längsfasern des Hautmus- kelschlauches; mie, äußere und mii, innere Lage der Retraktorfasern des Pharynx; mm, medianer Rückenlängsmuskel (Pha- rynxretraktor); mg, transversale Muskelfasern des Pha- BuynX; 63 mr, dorsale und mr,, ventrale Ringfasern des Hautmuskel- schlauches; ms, der von den Lamellen frei gelassene dorsale Mittelstreifen ; N, die ventralen Längsnervenstämme; Nı, innerer Ganglienzellenbelag der Bauchganglien; Na, äußerer Ganglienzellenbelag dersel- ben; Na, Faserkern derselben; N,, Unterschlundganglion ; n, periphere Parapodialnerven; n,, Nerven der Rückenlamellen; Nc, Gehirn; nc, Kommissuren der Längsnerven- stämme ; np, Nervenplexus des Pharynx; nr, Schlundringkommissur ; 0, Nervus opticus; P, Parapodien; p, Pigmentballen der Analcirren ; Pc, Parapodialcirre; Pg, Parapodialganglion; ph, Pharynx; phn, Pharyngealnerv,; phr, Retraktorfasern des Pharynx; pht, Pharyngealtasche (Vorder- oder Munddarm); pi, pigmentirte Retinazellen des Auges; Pm, dorsaler äußerer Fixator des Para- podiums; Pm,, Einwärtszieher und innerer Retrak- tor des Parapodiums; Pm», schirmförmige Protraktoren des- selben; Pmz, äußerer Retraktor des Parapo- diums; Pm,, äußerer Protraktor desselben; Pmr, Ringmuskellage des Parapodial- zapfens; Pn, Endästchen des Parapodialnerven; R, Rectum; | rs, Rückenstacheln;; s, bindegewebiges Aufhängeband des Rückenblinddarmes; sb, Stützborsten des Parapodiums; sp, im Mittel- und Blinddarm enthaltene Spongiennadeln; 64 L. v. Grafl, st, in Stäbchen zerfaliender »Gallertkör- Tm, Muskulatur des Rückententakels; per« des Auges; ip, Tastpapille der Lamellenfächer; sz, Stütz- oder Sekretzellen desselben; w, einzelne Hautwarze der Bauchseite; T, unpaarer Rückententakel; ww, zu den Parapodien ziehende ventrale t, Hoden; Warzenwülste; : Z und Z,, »indifferente Zellen«. Die sieben von mir in Schnittserien zerlegten Individuen von Sp. miniaceus participiren folgendermaßen an den Abbildungen. Es stammen von Individuum A (Alaunkarmin gef.): Taf. I, Fig. + und 5, Taf. V, Fig. —5; von Individuum B (Pikrokarmin) Taf. I, Fig. 44, Taf. III, Fig. 7, Taf. IV, Fig. 8 und 9, Taf. V, Fig. 9 bis 14; von Individuum C (Alaunkarmin) Taf. Il, Fig. 4ı—14; von Individuum D (Alaunkarmin) Taf. III, Fig. A—6, Taf. IV, Fig. 10; von Individuum E (Alaunkar- min) Taf. III, Fig. 8; von Individuum F (Alaunkarmin) Taf. IV, Fig. 4 und 2; von Individuum G (Pikrokarmin) Taf. IV, Fig. 3, 6 und 7. (Taf. I—V Spinther miniaceus.) Tafel I. Fig. 4. Ein 1,5 mm langes Individuum von der Rückenseite. Fig. 2. Dasselbe von der Bauchseite. Fig. 3. Ein 2,87 mm langes Individuum von der Bauchseite. Fig. 4. Ein 7,25 mm langes Individuum von der Rückenseite. Fig. 5. Dasselbe von der Bauchseite. | Fig. 6 und 7. Darmtractus zweier Individuen (der Pharynx ph zu klein einge- zeichnet!). Fig. 8. Ei kurz nach der Ablage. , Fig. 9. Dasselbe etwas später mit strahliger Gallerthülle. Fig. 10. Zwei Spermatozoen mit Kopf (*), Mittelstück (**) und Schwanz (xxx). Fig. 44. Stark vergrößertes Stück aus einem mit Pikrokarmin gefärbten Längs- schnitte durch ein © Individuum (Prisma, SEIBERT, Obj. V). Rückenstacheln blau bemalt. Tafel II. Fig. 1—14. Von vorn nach hinten aufeinander folgende Querschnittserie durch ein mit Alaunkarmin gefärbtesQ Thier. Die Schnitte sind nicht genau senkrecht auf die Längsachse geführt, sondern ein wenig schief, woher es z. B. kommt, dass in Fig. 8 die rechte vordere Aussackung des Rückenblinddarmes (Dd,) noch getroffen ist, während der Schnitt auf der linken Seite schon vor das Ende derselben fällt (Prisma, SEIBERT, Obj. 0). Die Blutgefäße sind, so weit als sie gefüllt waren, gelh und die Stacheln der Rückenlamellen sowie der Parapodien blau bemalt. Tafel III. Fig. 1—6. Längsschnitte aus einer Serie durch ein mit Alaunkarmin gefärbtes 5 Thier. Darmwand und Integument, dessgl. in Fig. 2 die Geschlechtszellenanhäu- fungen bloß schematisch eingezeichnet. Die Serie ging etwas schief, so dass in Fig. 4 bereits der After angeschnitten ist, während erst in Fig. 6 der Mund getrof- fen wird. Fig. 7. Vorderende des Längsschnittes durch ein Q@ mit Pikrokarmin gefärbtes Individuum, um die beiden Kommunikationen des Rückenblinddarmes mit dem Ösophagus (x) und dem Hauptdarme (**) zu. zeigen. Auch hier wie in der folgen- den Figur ist das Epithel des Integumentes und des Darmes schematisch ausgeführt. Die Annelidengattung Spinther. 65 Fig. 8. Horizontalschnitt durch ein kleines mit Alaunkarmin gefärbtes Q Indi- viduum. Leibesmuskulatur, Bindegewebe und Geschlechtszellen sind weggelassen und links ist der nach mehreren Schnitten in Dicke und Verlaufsrichtung kombi- nirte Längsnervenstamm eingetragen. Alle Figuren dieser Tafel sind bei 57maliger Vergrößerung (Prisma, Obj. I) ge- zeichnet; die Chitinstacheln blau, die Blutgefäße gelb bemalt. Tafel IV. Fig. 4 und 2. Längsschnitte durch ein $ Individuum, um die Vertheilung der größeren Blutgefäße (gelb) zu demonstriren. Nervensystem, Bindegewebe, Ge- schlechtszellen weggelassen (Prisma, Obj. ]). Fig. 3. Epithel der Innenseite des Pharynx von der Basis desselben. Aus einem mit Pikrokarmin gefärbten Querschnitte (Prisma, Obj. VI). Fig. 4. Hinterende der Ventralfläche eines @, nach dem lebenden Objekte (mit Eintragung der natürlichen Pigmentirung) gezeichnet. Fig. 5. Dieselbe Partie eines anderen Individuums, mit kaum angedeuteten Analeirren (ap). Fig. 6. Gehirn, Augen und Rückententakel aus einem Querschnitte (Pikrokar- minfärbung, Prisma, Obj. V). Fig, 7. Stück aus einem mit Pikrokarmin gefärbten Pharynxquerschnitte (Prisma, Obj. VI). Fig. 8. Blutgefäß aus einem mit Pikrokarmin gefärbten Längsschnitte (Prisma, Dbj. VI). Fig. 9. Querschnitt eines Blutgefäßes, ebendaher. Fig. 40. Analeirre aus einem mit Alaunkarmin gefärbten Längsschnitte (Prisma, Obj. IV). Fig. 44. Analeirre mit durch Druck herausgepressten Stäbehendrüsen (a), eben- solche isolirt (d) und mit hervortretenden Stäbchen (ce). Tafel V. Fig. 4—5. Längsschnitte aus einer mit Alaunkarmin gefärbten Serie durch ein ö Thier. Fig. 1—4 bloß 22 mal vergrößert, wobei die Hodenmassen (t) sich nicht in ihre einzelnen Elemente auflösen; Fig. 5, Theil eines dem in Fig. 2 abgebildeten benachbarten Schnittes bei 57maliger Vergrößerung genauer ausgeführt. Chitin- stacheln blau, Blutgefäße gelb bemalt. Fig. 6. Rückenstacheln, und zwar A, vom Rücken, B, aus dem Lamellenfächer ‚(465 >< vergr.). Fig. 7. Parapodium und Lamellenfächer mit gelb bemalten Stacheln (33>< vergr.). Fig. 8. Hakenapparat des Parapodiums (465 >< vergr.). Fig. 9. Querschnitt durch die Basis des Parapodialzapfens mit dem eingeschlos- senen Hakenstiel (blau bemalt). Pikrokarmintinktion (Prisma, Obj. VI). Fig. 40. Ein eben solches Präparat, aus welchem der Hakenstielquerschnitt her- ausgefallen ist. Fig. 44. Integument der Ventralseite und »indifferente Zellen« aus einem in Pikrokarmin gefärbten Längsschnitt durch ein Q Individuum (Prisma, Obj. V). Fig. 12. Epithel von der Basis des Lamellenfächers, aus derselben Schnittserie (Prisma, Obj. VI). Fig. 43. Das Epithel: von der Fläche besehen. Fig. 14. Epithel des Hauptdarmes und Rückenblinddarmes aus derselben Schnittserie wie Fig, 44 und 42 (Prisma, Obj. V). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 5 66 L. v. Grafi, Die Annelidengattung Spinther. (Taf. VI—VIII Spinther oniscoides.) Tafel VI. Fig. 4—10. Von vorn nach hinten auf einander folgende Querschnitte durch das in Pikrokarmin gefärbte Exemplar, bei circa 23maliger Vergrößerung gezeichnet. Bindegewebe und Geschlechtsprodukte weggelassen und das übrige nur so weit ausgeführt, als zum Verständnis nothwendig ist. Chitinstacheln blau, Gefäße gelb bemalt. | Fig. 44. Hakenspitze mit ihren Bildungszellen bei stärkerer Vergrößerung. Tafel VII. Fig. —3. Längsschnitte, von der Mittellinie gegen den Rand auf einander fol- gend. Pikrokarminfärbung, 33 >< vergr. Chitinstacheln blau, Gefäße gelb bemalt. ° Fig. 4. Ganglien des Längsnerven, aus einem Querschnitte (Prisma, Obj. IV). Fig. 5. Parapodium und Lamellenrand (33 << vergr.). Fig. 6. Integument der Bauchseite aus einem Querschnitte (Prisma, Obj. V). Fig. 7. Stück aus der Schlundringkommissur nr, Fig. 4, Taf. VI (Prisma, Obj.IV). Tafel VIII. Fig. 4. Längsschnitt aus der Randpartie des Körpers (zu der Taf. VII, Fig. A bis 3 abgebildeten Serie gehörig). Fig. 2. Gehirnquerschnitt aus dem Taf. VI, Fig. 2 abgebildeten Schnitte, stär- ker vergrößert (Prisma, Obj. IV). | Fig. 3. Rückenstacheln, 165 >< vergrößert. Fig. A und 5. Zwei Parapodialhaken bei 465maliger Vergrößerung. Fig. 6, Vorderende des Thieres und Fig. 7. Hinterende desselben, von der Bauchseite, bei circa 8maliger Vergröße- rung. f, die mediane Bauchfurche. Fig. 8. Gefäßdurchschnitte (Prisma, Obj. V) und zwar: A, ein Hauptgefäßstamm. quer durchschnitten, B, ein innerhalb der Geschlechtszellenmassen liegendes kapil- lares Gefäß im Querschnitt, C, ein solches im Längsschnitt. Fig. 9. Mitteldarmepithel mit kapillarem Gefäß (gelb) zwischen der Basis der Epithelzellen und der Darmmuscularis (Prisma, Obj. V). Tafel IX, (Spinther arctieus.) Fig. 1. Das Thier von der Bauchseite, circa 6 >< vergrößert. Fig. 2. Abgerissener Pharynx eines anderen Individuums, 6 >< vergrößert. Fig. 3. Parapodialhaken (465 >< vergrößert). Fig. 4 und 5. Rückenstacheln (165 >< vergrößert). Fig. 6. Querschnitt aus einem dritten Individuum. Fig. 7. Längsschnitt durch das Hinterende desselben Individuums. Fig. 6 und 7 zeigen bloß Integument, Septa, Nervensystem und Darm bei circa Smaliger Ver- größerung eingezeichnet. Fig. 8. Ein Stück aus dem in Fig. 7 abgebildeten Längsschnitt (Alaunkarmin- färbung) 29 >< vergrößert mit eingezeichneten Details. Nur das Bindegewebe ist weggelassen. Rückenstacheln blau, Blutgefäße gelb bemalt. Fig. 9. Stück des Bindegewebes mit den Eiern aus letzterer Figur noch stärker vergrößert (Prisma, Obj. V). Der Haftapparat der Batrachierlarven. Von Dr. Johannes Thiele in Berlin. Mit Tafel X und einem Holzschnitt. Allgemeines. Die Larven derjenigen Batrachier, welche ihre Eier in das Wasser ablegen, und welche daher ihre ganze Entwicklung im Wasser durch- machen, also der bei Weitem meisten Thiere dieser Gruppe, haben an ‘ihrer Unterseite in der Nähe des Mundes einen Haftapparat, welcher häufig eine bedeutende Größe erreicht und durch seine verschiedene Form den Thieren ein charakteristisches Unterscheidungsmerkmal ver- leiht. Derselbe ist ein speeifisches Larvenorgan, das nur kurze Zeit — 4 bis 2 Wochen lang — besteht, um dann spurlos zu verschwinden. ‘Nach Barrour ist es wahrscheinlich ein »Überbleibsel derselben primi- tiven Organe wie die Saugscheibe bei Lepidosteus«. Bei den Urodelen- larven dürften ihm vermuthlich die sogenannten »Balancierstangen « homolog sein. Auf Querschnitten durch die Thiere sieht man den Haftapparat aus hohen Drüsenzellen zusammengesetzt, welche mit ihrem äußeren Ende entweder frei hervorragen (s. Fig. 9), oder im Halbkreise um eine rin- nenförmige Vertiefung angeordnet sind, in welche sie ihr Sekret er- ‚gießen. Die ovalen Kerne liegen am inneren Ende oder in der Mitte der Zellen. Diese enthalten meist in ihrer äußeren Hälfte Pigmentein- lagerung, wodurch dann der Haftapparat eine von der Farbe des Thieres abstechende dunklere Schattirung erhält. Das mittlere Keimblatt betheiligt sich in keiner Weise an der Bil- dung des Organs, daher ist jeder Gedanke an eine Wirksamkeit dessel- ben durch Ansaugen zurückzuweisen; auch schon die äußere Form macht in den meisten Fällen eine solche Funktion unmöglich, da die Rinne, wenn überhaupt vorhanden, nur selten ringsum von einem ver- diekten Rande umgeben ist. Trotzdem sind die Bezeichnungen, welche * 3 68 Johannes Thiele, man dem Apparate bisher gegeben hat, meistentheils im Hinblick u eine solche Funktion gewählt; so finden wir ihn bei Ecker! als »Saug- näpfe«, bei BaLrour? als »Saugorgan« bezeichnet. | Die Befestigung erfolgt allein durch ein Ankleben vermittels des‘ von den Drüsenzellen produeirten Schleimes. Man sieht häufig von dem Apparate einen Faden einer schleimigen Substanz ausgehen; auch auf | Durchschnitten nimmt man Theile des Sekretes wahr, die mit den Zel- len noch in Zusammenhang stehen. Darum ist die Bezeichnung Haft- oder Klebeapparat wohl am besten geeignet. | Schon sehr frühzeitig, meist noch vor Schluss der Rückenfurche, zeigt sich die erste Anlage des Haftapparates, der sich dann schnell ver- größert und zur Zeit, wann die Larve das Ei verlässt, die größte Aus- bildung erlangt. Welchen Nutzen haben nun die Thiere von diesem Organ? Man sieht die kleinen unbehilflichen Larven nach dem Verlassen der Eihüllen sich vermittels desselben an den Resten des Laichs be- festigen. So erhalten dieselben eine Ruhelage; meist bleiben sie in dichten Scharen an der Gallertmasse des Laichs vereinigt, was ihnen in so fern von Vortheil sein muss, als das Individuum durch ein Zusam- menleben mit vielen seines Gleichen einen größeren Schutz vor Feinden erlangt, wie das im Thierleben ja so häufig beobachtet worden ist. Später, wenn die Larven sich weiter entwickelt haben, und durch die Ausbildung der Sinnesorgane und des Ruderschwanzes geschickter geworden sind, sich einen passenden Aufenthaltsort zu suchen, wird ihnen doch der Haftapparat noch immer von Nutzen sein, indem er ihnen die Möglichkeit darbietet, durch zeitweise Befestigung am Grunde oder an Wasserpflanzen sich an günstigen Stellen davor zu bewahren, durch Strömungen fortgerissen zu werden oder in tiefem Wasser zu Boden zu sinken, sondern sich mühelos nahe der Oberfläche zu erhal- ten, wo der größere Sauerstoffgehalt ihnen die Athmung erleichtert. Trotzdem erleidet nun mit der Zeit der Haftapparat eine Rückbil- dung. Das hängt mit der Ausbildung eines anderen Larvenorgans zu- sammen, welches die Funktion der Befestigung übernimmt, nämlich des für die Batrachierlarven in späterer Zeit so charakteristischen Lippen- apparates mit den Hornzähnchen. Man sieht die älteren Larven, bei denen der Haftapparat bereits vollkommen rückgebildet ist — eben so die Larven von Alytes, die ihn überhaupt nicht besessen haben — sich mit Hilfe ihres Mundes an den Wänden des Aquariums und an den Pflanzen befestigen. So hängt offenbar die Rückbildung des einen Organs 1 EcKER, Icones physiologicae. 2 Barrour, Handbuch der vergl. Embryologie. Übers. v. VETTER. Bd. II. p. 120. Der Haftapparat der Batrachierlarven. 69 mit der Ausbildung des anderen zusammen, da dieses die Funktion der Anheftung von jenem übernimmt und es überflüssig macht. Es ist leicht verständlich, dass der Haftapparat sich etwas über das Niveau der Bauchfläche erheben muss, um seiner Bestimmung zu ge- nügen. Dass nun aber aus dieser Thatsache van Bamsere ! den Schluss gezogen hat, dass bei Pelobates, wo jener Apparat in Form mehrerer Wülste auftritt, er als provisorisches Respirationsorgan dienen möchte, erscheint mir unberechtigt. In Durchschnitten von solchen Stadien, welche soeben das Ei verlassen haben und die Wülste in größter Aus- bildung zeigen (vgl. v. Bamserr's Pl. III, Fig. 5 und 6), sieht man unter denselben noch nicht die Hohlräume, die van Bamser£ als Beweis für seine Ansicht erwähnt, diese treten vielmehr erst später auf, »a l’endroit ou se forme le coeur«, um bald wieder zu verschwinden. Dadurch, dass die Höhlungen nicht mit den Wülsten entstehen und vergehen, ist es wohl offenbar, dass sie zu denselben in keiner näheren Beziehung stehen, dass beide Gebilde nicht Theile desselben Organs sind. Zudem er- scheint eine solche Annahme auch unwahrscheinlich beim Vergleiche mit anderen Anuren, bei denen die Erhebung fast nur durch die Länge der Drüsenzellen hervorgebracht wird (Hyla). Dass der Apparat schon sehr entwickelt ist, wenn die Larven ihre Eihüllen verlassen, ist er- klärlich, da er dann den Thieren am nöthigsten ist; seine Rückbildung hängt aber nicht, wie van BamBEkE anzunehmen scheint, mit dem Auf- treten der äußeren Kiemen zusammen, vielmehr bestehen beide Organe noch ziemlich lange neben einander, sondern, wie wir gesehen haben, mit der Umbildung des Mundes. Während dieser sich bedeutend er- hebt, sinkt der postorale Theil ein und setzt dadurch den Haftapparat außer Wirksamkeit. Eingehende Mittheilungen über den Haftapparat sind nur von weni- gen Zoologen, die über Anurenentwicklung gearbeitet haben, gemacht worden. Rusconts? Angaben werde ich später zu erwähnen haben. Folgende Stelle aus Reıicnerr’s Arbeit3: »Es (das Hautsystem) dient zur Bildung zweier hornartiger Platten an der Mundöffnung, welche die ein- zigen Fresswerkzeuge der Larve sind,« hat Remar und mit ihm van Bım- BERE fälschlich auf den Haftapparat bezogen, da Reıcnerr hier doch wahr- scheinlich die Kiefer gemeint hat. 1 van BANBERE, Recherches sur le developpement du Pelobate brun. Mem, cour. de l’Acad. roy. de Belgique. 4868, 2 Rusconı, Developpement de la grenouille commune. Milan 1826. 3 REICHERT, Das Entwicklungsleben im Wirbelthierreich. Berlin 4840, 70 Johannes Thiele, RemaX i spricht schon aus, dass man bei Anwendung einer Lupe sich überzeuge, dass die Höcker der Froschlarve nicht zum Ansaugen dienen können, »vielmehr sieht man in der Regel nur einen Rand des breiten Endes mit der Wand der Schüssel in Berührung«. Dem fügt er folgende Betrachtung bei: »Bemerkenswerth ist, dass die Höcker haupt- sächlich durch eine Verdickung des äußeren Keimblattes gebildet wer- den und aus braunen cylindrischen einkernigen Zellen bestehen, welche durch die centrale Lage ihres Kernes an glatte Muskelfasern erinnern. Doch habe ich keine Erscheinungen von Kontraktion an ihnen beobachtet: wahrscheinlich sind sie epitheliale Bildungen, in ihrer Entwicklung den Linsenfasern vergleichbar.«e Auf den Haftapparat des Pelobates ist van BamBERE? näher eingegangen. Er schildert sowohl dessen Anlage wie die spätere Ausbildung, stellt ihn als eine ektodermale Bildung dar, die ein klebriges Sekret liefere, durch das die Larven an den Eiresten und an den Wänden des Gefäßes sich anheften; außerdem spricht er die oben erwähnte Ansicht von einer Wirksamkeit als provisorisches Respirationsorgan aus. GoETTE ? erwähnt nur ganz kurz das morphologische Verhalten bei Bombinator (s. weiter unten) und sagt an anderer Stelle (p. 204): »Diese Verdickungen der Deckschicht oder die Anlagen der sogenannten Haft- organe bleiben eine rein äußerliche Bildung, welche ohne nachweis- baren Einfluss auf die Entwicklung des Kopfes besteht.« Endlich hat H£ron-Royer * nicht nur das Haftorgan des Discoglossus beschrieben, sondern auch eine Nebeneinanderstellung der Formen bei verschiede- nen Arten versucht, doch sind seine Abbildungen leider gar zu mangel- haft und seine Beschreibungen zu letzterem Theile zu kurz, als dass sie die Verhältnisse klar legen könnten. So sagt er p. 15: »la fossette sous- buccale (chez les genres Hyla et Rana) sera, des lors, soud6e dans son milieu, n’en laissant subsister que les commissures« — daraus kann man doch den Sachverhalt unmöglich erkennen. Wenig kennzeichnend ist auch das Folgende: »La fossette sous-buccale (bei Pelobates und Pelo- dytes) reste entiere; elle se reduit graduellement sous la figure d’un V ou d’un Y« und »la fossette sous-buccale (bei Bufoniden we la figure d'un M moyen-äge«. Was mit vorliegender Arbeit beabsichtigt ist, eine Nebeneinander- 1 REmAK, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere. — Über die Entwicklung der Batrachier. Berlin 4851. = lucH 3 GOETTE, Die Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. * H£ron-RovEr, Note sur les amours, la ponte et le developpement du Disco- glosse (Discoglossus pictus Otth) suivie de quelques remarques sur la classification des anoures. Bulletin de la Societe Zoologique de France. t. X. 4885, Der Haftapparat der Batrachierlarven. 71 stellung der Formen des Apparates bei den einheimischen Anuren und seiner Veränderungen während der Dauer seines Bestehens zu geben, ist bisher noch nieht unternommen worden. Doch dürften gerade durch die Formen des Haftorgans bis zur Zeit seiner Rückbildung sich die jungen Larven der Batrachier wohl von einander unterscheiden lassen. Wenn bei nahen Verwandten in manchen Fällen unsere Apparate nur geringe Unterschiede zeigen, so müssen daneben andere Merkmale zur Unterscheidung hinzugezogen werden, vor Allem die Laichzeit und die Verschiedenheit der Farbe. Später sind es die Kennzeichen des Mun- des, die zur Unterscheidung dienen. . Hinsichtlich der Larven von Bombinator igneus und Rana esculenta kann ich mich an die guten Darstellungen von GoETTE und Ruscont hal- ten; die übrigen deutschen Batrachier habe ich größtentheils selbst näher studirt. Von fremdländischen Arten konnte ich nur Discoglossus pietus untersuchen, dessen Entwicklung, wie erwähnt, auch He£ron- Rover beobachtet hat, und ich habe daher diesem Batrachier neben den einheimischen einen Platz in dieser Darstellung gegeben. Specielle Beschreibung. Discoglossus pictus Otth. Schon sehr frühzeitig, noch vor Schluss der Rückenfurche erscheint an der Unterseite des Eies von Discoglossus eine dunkle Linie, welche die Kopfpartie nach hinten abgrenzt. Da dieselbe einen bogenförmigen — oder richtiger, einen stumpf winkeligen — Verlauf hat, mit der Kon- vexität nach hinten gerichtet, so haben ihr französische Autoren (van Ban- BEKE und H£ron-Royer) die Bezeichnung »croissant c&phalique« gegeben (Fig. Aa). Dadurch, dass vor und neben dieser Linie sich das Ektoderm stark verdickt, bildet sich dann an Stelle der halbmondförmigen Linie eine rinnenartige Vertiefung, welche in der Mitte nach hinten zu offen bleibt (Fig. 15), da sich hier ihre hinteren Ränder nicht mit einander vereinigen. So entsteht ein im Ganzen halbkugeliger Wulst, in dessen Mitte eine seichte, von vorn nach hinten verlaufende Einsenkung bemerk- bar ist, mit einer bogenförmigen Furche, die sich an ihren Enden zu kleinen Grübchen erweitern kann. Auf diese Weise hat bereits in den Eihüllen der Haftapparat seine definitive Gestalt und Größe erlangt; in weiteren Entwicklungsstadien sehen wir ihn an und für sich fast unver- ändert fortbestehen, nur seine Umgebung differenzirt sich, wodurch seine Lage eine andere wird. Denn während er bisher den vordersten Theil des Thieres einnahm, wächst nun die dorsal von ihm gelegene Partie nach vorn aus, wodurch der Apparat sich vom Vorderende ent- fernt. Vor ihm tritt dann bald eine mediane Vertiefung auf, die Anlage 72 Johannes Thiele, der Mundöffnung. Auch seitwärts von dem Haftapparate entstehen Aus- wüchse des Kopftheiles, welche zu den äußeren Kiemen werden (Fig. Ic). Immer weiter wächst der Kopf nach vorn, während die Nasengruben und die Anlagen der Augen in ihm sich zeigen, und entsprechend rückt der Apparat nach hinten und nimmt die Stelle der Unterseite ein, wo sich der Kopf vom Rumpfe absetzt, zwischen den nunmehr entwickelten äußeren Kiemen (Fig. Id). Er zeigt noch die ursprüngliche Form, nur ist die in Fig. 1b sichtbare Längsrinne verschwunden. Seine Farbe ist etwas dunkler als die des graubräunlichen Thieres. Weiterhin beginnt sich der Lippenapparat um die bisher einfach runde Mundöffnung aus- zubilden. Das Haftorgan erhebt sich etwas über das Niveau der Bauch- fläche, so dass es in seitlicher Ansicht eine ansehnliche Hervorragung bildet, was H£ron-Rovzr veranlasst hat, das Ganze als »museau« zu be- zeichnen, während er den eigentlichen Klebeapparat »boutoir« nennt. Unmittelbar hinter diesem sieht man den Saum der Hautfalte, welche die äußeren Kiemen überwächst (Fig. le). Weiterhin beginnt die Rück- bildung des Haftorgans. Das äußert sich zuerst in dem Einsinken der postoralen Bauchregion. Der Mund mit seinem Apparat von Hornzähn- chen und seinen aufgewulsteten Lippen erhebt sich dagegen bedeu- tend und rückt immer mehr nach vorn, bis er ganz am Vorderende des Thieres liegt. Der ganze Körper wächst dabei in die Länge und so wird die Entfernung des Haftapparates vom Munde und nach hinten von der Öffnung des Kiemenraumes vergrößert (Fig. 4f). Die Drüsenzellen atrophiren, wodurch sie noch dunkler werden, und bröckeln ab; so verschwindet allmählich der schwärzliche Wulst (Fig. 1 g) und an seiner Stelle ist noch eine Zeit lang ein dunkel gefärbter Fleck, wie eine Narbe sichtbar. Ein dem Haftorgan entstammendes Pigment scheint sich in der Epidermis zu zerstreuen, da man jetzt in der Narbe und ihrer Um- gegend schwärzliche Punkte wahrnimmt (Fig. Ih). Endlich verschwin- det auch diese letzte Andeutung des Haftapparates. Pelobates fuscus Laur. Ganz ähnlich, wie bei Discoglossus, tritt am Ei von Pelobates eine dunkle stumpfwinkelig gebogene Linie als erste Andeutung des Haft- apparates auf (Fig. 2a). Mit einem Einsinken dieser Linie geht eine Aufwulstung der Ränder Hand in Hand (Fig. 2b). Auch hier bleiben die seitlichen Wülste im Anfange von einander getrennt und von der Spitze des Winkels verläuft nach vorn eine Einsenkung, daher sind die jungen Stadien von Pelobates (Fig. 2c und d) den entsprechenden von Discoglossus ziemlich ähnlich, doch bald bilden sich bedeutende Differenzen heraus. Die mediane Furche, welche bei Discoglossus ver- Der Haftapparat der Batrachierlarven. 73 schwand, vergrößert sich hier ansehnlich, so dass zwischen den Schen- keln des Winkels nicht ein kompakter Wulst, sondern der Furche ent- lang ein schmaler winkelförmiger entsteht. Die seitlichen Ränder der Rinne nähern sich einander, doch ehe sie sich in der Medianlinie des Thieres erreichen, ziehen sie eine bald längere, bald kürzere Strecke nach hinten, ehe sie sich mit einander vereinigen, während die Furche sich zwischen sie fortsetzt. So entsteht die »fossette sous-buccale« van BAmBERE'S (Fig. 2e, f), welche eine Eigenthümlichkeit des Pelobates ist und sich bei den anderen hier beschriebenen Anuren nicht wieder findet. In diesem Stadium hat der Haftapparat seine größte Ausbildung erreicht: wir sehen also hier eine Y-förmige Rinne, rings von wulsti- _ gen Rändern umgeben, zwischen den Kiemen und nach vorn bis neben die Mundöffnung reichend, das Ganze bedeutend über das Niveau der Bauchfläche erhoben. Alsdann, während sich der Lippenapparat aus- zubilden beginnt, fängt der hintere Theil des Haftorgans, der Rand der medianen Grube, an, durch Abbröckeln zu verschwinden. Dadurch, dass dieser Vorgang sich weiter nach vorn und dann auch nach den Seiten hin fortsetzt, löst sich der Haftapparat in zwei symmetrische Theile auf, die neben der Mundöffnung beginnend sich nach hinten er- strecken (Fig. 29). Auch diese Wülste bilden sich zurück, so dass in Fig. 2h nur noch durch zwei pigmentirte Streifen die Stellen ange- deutet werden, die jene eingenommen haben. Bufo vulgaris Laur. - Am Ei der Erdkröte tritt im vorderen Theile der Unterseite eine stumpfwinkelig gebogene dunkle Linie als erste Anlage des Haftappa- rates auf, von dem »croissant c&phalique« des Pelobates durch etwas geringere Länge unterschieden. Um sie herum entsteht dann ein wul- stiger Rand durch Verlängerung der Zellen des äußeren Keimblattes (Fig. 3a). Während das Ei sich in die Länge zu strecken beginnt, ver- längert sich die Linie und vertieft sich durch starkes Wachsthum der umliegenden Zellen. Ihre beiden Enden biegen sich dabei nach vorn, so dass im Stadium der Fig. 3b das Organ etwa halbkreisförmig ge- staltet ist. Weiterhin streckt sich dieses noch mehr in die Länge, der Winkel wird spitzer (Fig. 3c). Dadurch, dass sich die ganze postorale Region stark hervorwölbt, erhält der Apparat zu der Zeit, wann die Larve ihre Eihüllen verlässt, die in Fig. 3d, e dargestellte Form. Der hintere Wulst ist in der Mitte, an der Spitze des Winkels, sehr unbedeutend, so dass hier der Zusammenhang seiner beiden Hälften unterbrochen zu sein scheint. 74 Johannes Thiele, So hat der Apparat seine definitive Gestalt erlangt: eine V-förmige Rinne ist vorn und seitwärts von stark wulstigen Rändern umgeben, welche hinter der Mitte derselben sich sehr verschmälern ; das Ganze liegt hinter dem Munde, an welchen die beiden Schenkel des Winkels dicht heranreichen. Ohne weitere Veränderungen erhält sich der Haft- apparat längere Zeit, bis gleichzeitig mit der Ausbildung der Lippen und Hornzähne seine Auflösung damit beginnt, dass in der Mitte seine Kontinuität unterbrochen wird. In diesem Stadium (Fig. 3A) sieht man ihn also aus zwei Theilen bestehen, die nicht so weit nach vorn reichen, wie bei Pelobates, und einen stumpferen Winkel mit einander bilden, als dort, wo sie fast einander parallel sind. Auch diese beiden Reste lösen sich ab und lassen noch eine Zeit lang an ihrer Stelle dunkle Streifen zurück, bis mit diesen schließlich jede Andentung des Haft- organs verschwindet. Bufo viridis Laur. Die Anlage und die ersten Stadien des Haftapparates von Bufo variabilis sind den entsprechenden von Bufo cinereus sehr ähnlich. Der Winkel, den der »croissant c&ephalique« bildet, bleibt hier stumpfer, und vergleicht man das in Fig. 4 a dargestellte Stadium mit der Fig. 3d, so nimmt man als Hauptunterschied wahr, dass dort der vordere Wulst in der Mitte bedeutend breiter ist, als hier, dem entsprechend die vor- dere Begrenzung des Apparates viel weniger gekrümmt. Später wird der Unterschied noch augenfälliger (Fig. 45); während die Spitzen des rgans bei Bufo cinereus bis dicht an den Mund heranreichen, sind sie bei Bufo variabilis eine ansehnliche Strecke von demselben entfernt — der Apparat hat die Form eines Halbmondes. Die Furche berührt mit ihrer Mitte das Hinterende des Wulstes, so dass ihr hier eine hintere Begrenzung fehlt. Die Rückbildung geht hier gleichmäßiger vor sich, so dass die seitlichen Theile nicht bedeutend länger erhalten bleiben als die Mitte. In Fig. 4c sieht man, nachdem die wulstige Erhebung verschwunden ist, die Stelle der Furche durch eine dunkle Linie an- gedeutet, welche der ersten Anlage ähnlich ist. Rana esculental. Am Ei des Teichfrosches nimmt man in zwei keulenförmigen dunk- len Flecken, die mit einander einen stumpfen Winkel bilden und in der Medianlinie zwar etwas heller werden, aber sich hier doch be- rühren, die erste Andeutung des Haftapparates wahr (Fig. 5a). In dem etwas weiter entwickelten Stadium, welches in Fig. 55 dargestellt ist, sieht man den Zusammenhang der beiden Hälften noch deutlicher, da Der Haftapparat der Batrachierlarven. 75 sich nun eine Rinne gebildet hat, welche ununterbrochen in winkel- formigem Verlaufe die Form des »croissant c&phalique« angenommen hat. Bei älteren Larven wulsten sich nach Rusconi die Ränder der Rinne auf, ähnlich wie bei Bufo einereus, dann theilt sich zu der Zeit, in wel- cher die Larven ihre Eihüllen verlassen, die zusammenhängende Anlage in zwei symmetrische Hälften, welche Rusconxı »crochets« nennt, »en egard seulement ä leur usage et non A leur forme«: »A 81 heures les crochets qui &toient r&unis sur la ligne mediane se sont separ6s l’un de l’autre« — in dieser Zeit haben sie ihre Hauptentwicklung erlangt. Am vierten Tage fangen sie bereits an kleiner zu werden, und am fünf- ten Tage »les crochets ont perdu leur forme primitive, ils sont plus petits qu/ils n’etoient, et se sont ramass&s aux angles de la bouche; ils ont la forme de deux cönes dont la base est attachee aux teguments«. Endlich nach sieben Tagen »ont voit encore les vestiges des crochets. Ces organes ont toujours suivi la bouche, et de m&me que celle-ci, se sont portes en avant«. Ranatemporarial. Die im Folgenden beschriebenen Larven waren mir als solche von Rana temporaria bezeichnet. Aus einer kleinen kürzlich erschienenen Arbeit von H£ron-Royzr! ersehe ich, dass diese Larven solche von Rana agilis Thomas gewesen sein müssen, da diejenigen der Rana fusca Rösel nach H£ron-Royzr einen ganz ähnlichen Haftapparat haben, wie Rana esculenta L.; man soll bei ihnen sogar noch eine Andeutung des ursprünglichen Zusammenhanges im Stadium, welches etwa der Fig. 6e entspricht, wahrnehmen: »une ligne courbe A concavit& interne repro- duit en relief, quoique tres effac6s, les contours de la fossette sous- buceale«. Von dem Haftapparat der Rana esculenta und der Rana fusca unter- scheidet sich der der Rana agilis wesentlich schon in der ersten Anlage. Hier sieht man hinter der Anlage des Kopfes an der Unterseite sich zwei seitliche Wülste erheben (Fig. 6«), in welchen zuerst noch keine Spur einer Vertiefung bemerkbar ist. Doch sehr bald nimmt man in ihnen schwache Eindrücke wahr, welche nach hinten und gegen ein- ander so seicht werden, dass man einen Zusammenhang zwischen ihnen nicht bemerken kann (Fig. 6b), vielmehr sind sie durch einen deutlichen Zwischenraum getrennt. Weiterhin vertiefen sich die Gruben, während ihre Ränder sich stärker erheben (Fig. 6c). Nachdem die Larve ihre 1 HERroN-RovEr, Rana fusca et Rana agilis et des principaux caracteres qui les differencient a la periode embryonnaire et branchiale. Bull. de la Soc. zoolog. de France 4886. 76 Johannes Thiele, Eihüllen verlassen hat, zeigt der Haftapparat die Form, welche in Fig. 6d dargestellt ist: hinter dem Munde liegen an der Bauchseite etwas vor den äußeren Kiemen die beiden nasenförmigen Wärzchen, von deren Spitze an ihrer Hinterseite eine Rinne herabläuft. Da sich die Mundöffnung nun bald mit den Lippen umgiebt, werden die Haft- warzen rückgebildet, wovon sich die Spuren bereits bei wenig älteren Thieren zeigen (Fig. 6e), wo sich schon durch die Farbe das Vertrecknen der secernirenden Zellen kund giebt. Diese lösen sich sodann allmäh- lich ab, wodurch die Wärzchen kleiner, die Rinnen undeutlich werden (Fig. 6f), bis schließlich nur noch zwei dunkle Flecken hinter den Mundwinkeln die Stellen andeuten, an welchen die Wärzehen vordem aufgesessen haben (Fig. 69). Hylaarboreal. Sowohl durch geringere Größe, wie durch die helle gelbliche Farbe, unterscheiden sich die Eier und Larven des Laubfrosches von allen an- deren einheimischen Batrachiern. Die Anlage des Haftapparates ist ähnlich wie bei Rana agilis, da sich hier — verhältnismäßig spät — zwei seitliche Wülste zeigen (Fig. 7a), die an der Unterseite zwischen den Kiemenanlagen gelegen sind. Dieselben erleiden im Laufe der Entwicklung nur geringe Veränderungen — namentlich sind in ihnen keine Eindrücke oder Furchen vorhanden, wie bei den Ranaarten. Sie rücken allmählich weiter nach hinten, während vor ihnen die Mund- öffnung entsteht (Fig. 76—d); dabei nehmen sie eine dunklere Farbe an, wodurch sich die Oberfläche der Drüsenzellen von der Umgebung abhebt, und wulsten sich stärker auf. Später (Fig. 7e) rücken sie aus einander, und die Mundöffnung schiebt sich zwischen die beiden halb- kugeligen Wülste, die nun durch bräunliche Färbung ausgezeichnet sind. In dieser Anordnung erhält sich der Haftapparat eine Zeit lang, bis nach Ausbildung des Mundes mit den Lippen seine Funktion erfüllt ist und die Rückbildung eintritt. In Fig. 7f sehen wir als dessen Reste neben dem Munde nur noch zwei bräunliche Flecke, die dann auch bald verschwinden. Bombinator igneus Laur. Aus den drei Figuren (Fig. 8a—c), die nach Goerre’s Abbildungen kopirt sind, entnimmt man die frühzeitige Anlage des Haftapparates als zwei dunkle Flecken hinter der »Anlage der Mundbucht«. Während dieselben sich dann zu Wülsten erheben, nähern sie sich einander hin- ter dem Munde und verbreitern sich. Später sind (GoETTE, 1. c. p. 642) Der Haftapparat der Batrachierlarven. 77 »unter den beiden ventralen Hälften des Unterkieferbogens die beiden vorher aus einander stehenden Haftorgane zusammengestoßen «. Bei den Larven von Alytes obstetricans Laur. habe ich eben so wie H£ron-Rover keine Spur von Haftorganen wahrgenommen. Sie sind bei diesen Thieren überflüssig, da beim Verlassen der Eihüllen bereits der Mund so weit entwickelt ist, dass er die Anheftung der Thiere be- sorgen kann. Schluss. Vergleicht man die soeben beschriebenen Formen des Haftappara- tes unter einander, so ergeben sich folgende Resultate. Wir sahen die erste Anlage bald als eine halbmond- oder Y-förmige Rinne, bald als zwei getrennte Wülste auftreten; dort ist dieselbe einheitlich, hier aus zwei symmetrischen Theilen gebildet. Jener Halbmond (croissant cepha- lique vaw Banpere's) findet sich bei Bufo, Discoglossus, Pelobates und — nach H£eron-Rover — bei Pelodvtes, diese beiden Wülste erscheinen bei Rana agilis, Hyla und Bombinator. Durch Rana esculenta und fusca wird ein Übergang von der einen zur anderen Form gebildet, da die beiden keulenförmigen Flecke sich zuerst berühren und von einer ge- meinsamen Furche durchzogen werden: erst später geht die Trennung in zwei gesonderte Wärzchen vor sich. Durch einen solchen Übergang wird die Annahme nahe gelegt, dass die eine Form des Haftapparates aus der anderen hervorgegangen ist. Wie es mir schon von vorn herein wahrscheinlich war, dass eine einheitliche Anlage als das primäre Verhalten anzusehen ist, so wird diese Annahme aufs Beste durch die Beobachtung der ontogenetischen Entwicklung von Bufo vulgaris und Rana esculenta bestätigt. Nach- dem bei diesen Thieren der Apparat einheitlich angelegt worden, löst er sich in zwei symmetrische Theile auf, was bei Bufo erst gegen das Ende seines Bestehens geschieht und hier wohl als Rückbildungser- scheinung aufzufassen ist, bei Rana esculenta jedoch schon frühe, ehe der Apparat seine Funktion beginnt. Derselbe Vorgang, der sich bei diesen Thieren noch in der ontogenetischen Entwicklung beobachten lässt, hat sich vermuthlich bei Rana agilis, Hyla arborea und Bombina- tor igneus im Laufe der phylogenetischen Entwicklung abgespielt. Jetzt sehen wir bei Rana agilis zwar noch die Reste des »croissant c&phalique« in Gestalt der Grübchen in den Haftwarzen erhalten, doch während ursprünglich die Rinne vor den Wülsten angelegt wurde, hat sich das Verhältnis hier umgekehrt. Bei Hyla und Bombinator sind dann auch die Grübchen rückgebildet, so dass von der ursprünglichen halbmondförmigen Rinne jede Spur verschwunden ist. 78 Johannes Thiele, Warum hat sich wohl der in der Medianlinie des Thieres angelegte Apparat getheilt? Als dasjenige Moment, welches eine solche Theilung der einfachen Anlage bewirkt hat, dürfte die größere Leistungsfähigkeit des doppelten Klebeapparates anzusehen sein. Man kann dessen Funk- tion ähnlich wie die einer Stütze des Körpers auffassen; dann ist es klar, dass, je weiter die äußeren Unterstützungspunkte aus einander liegen, desto sicherer die Ruhelage sein wird, die das Thier dadurch erhält. So tritt zuerst eine Verbreiterung des medianen Apparates auf, die sich bis zur Auflösung des Zusammenhanges in der Mitte fortsetzt; alsdann rücken die beiden Hälften noch weiter aus einander. Daher scheint sich mir unter den von mir untersuchten Thieren bei Disco- glossus der niederste, bei Hyla der höchste Zustand des Haftapparates darzustellen. Während die Übrigen Mittelformen zeigen, ist Bombina- tor durch die Vereinigung der zuerst getrennten Anlagen vom höheren Zustand zum niederen zurückgekehrt. Um die Bestimmung der jungen Larven nach dem Haftapparate zu erleichtern, mögen zum Schlusse an der Hand nebenstehenden Schemas die verschiedenen Formen desselben und seine Lage zum Munde in Kürze neben einander betrachtet werden. u Pelobates ‚Fuseus Bufo Bufo vulgaris viridis m ©) Bana eseu - Ruana Hyla arborea __Bombinator lentwund ‚Fusca agilis iqneus Discoglossus pietus: Haftapparat halbkugelig mit V-förmiger Rinne, hinter dem Munde. Pelobates fuseus: Haftapparat Y-förmig, die vorderen Spitzen reichen bis neben die Mundöffnung. Bufo vulgaris: Haftapparat V-förmig, Spitzen dicht hinter dem Munde. Bufo viridis: Haftapparat halbmondförmig, hinter dem Munde. Rana temporaria und esculenta: zwei Haftwarzen mit Grübchen Der Haftapparat der Batrachierlarven. 79 (bei Rana fusca ist wie bei Rana esculenta ein Zusammenhang ange- deutet, bei Rana agilis nicht), hinter den Mundwinkeln. Hyla arborea: zwei Haftwarzen ohne Grübchen, neben dem Munde. Bombinator igneus: zwei später sich vereinigende Wärzchen, hin- ter dem Munde. Vorliegende Arbeit ist im hiesigen zoologischen Institute im Som- mer 1886 der Hauptsache nach vollendet worden. Herrn Professor F. E. Schu1ze sage ich an dieser Stelle für die Gewährung des Unter- suchungsmateriales meinen wärmsten Dank. Berlin, im Sommer 1887. Erklärung der Abbildungen. Tafel X. Links neben den vergrößerten Thieren sind dieselben Stadien in natürlicher Größe dargestellt. Dieselben sind sämmtlich in der Ansicht von der Bauchseite ‚ dargestellt. | Fig. Aa—h. Discoglossus pictus. Fig. 2a—h. Pelobates fuscus. Fig. 3a—i. Bufo vulgaris (d und e etwas von links). Fig. 4a—c. Bufo viridis. Fig. 5a, b. Rana esculenta (a ein wenig von vorn). Fig. 6a—g. Rana temporaria (agilis). Fig. 7a—f. Hyla arborea. Fig. 8a—c. (Kopie nach GoETTE.) Bombinator igneus. Fig. 9. Durchschnitt einer Haftwarze von Hyla im Stadium der Fig. 7e. 1 Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. Ein Beitrag zur Kenntnis des Baues der Geschlechtsorgane. Von Otto Hamann in Göttingen. Mit Tafel XI. Untersucht man die Geschlechtsorgane der erwachsenen Asteriden oder Echiniden, so kann man unschwer feststellen, dass sowohl die Ei- zellen als die Samenzellen ihren Ursprung nehmen aus den Epithel- zellen, welche die Geschlechtsschläuche innen auskleiden. Somit schien der Schluss gerechtfertigt zu sein, dass Keimstätte und Reifungsstätte bei diesen Thieren zusammenfällt. Prüft man nun aber die Ophiuren näher, so stößt man auf eigen- thümliche Verhältnisse, welche sich mit den bei den genannten Grup- pen vorgefundenen Thatsachen anscheinend nicht vereinen lassen wollen. Es findet nämlich bei diesen Formen eine Wanderung von Zellen statt, welche sich von den an den übrigen Körperstellen vor- kommenden Zellen streng unterscheiden lassen. Diese Zellen erzeugen einestheils Eizellen, anderentheils die Samenmutterzellen. Hierzu kommt noch, dass beiderlei Keimzellen an anderen Orten entstehen als wir es bei den übrigen Echinodermen sehen, nämlich an den so- genannten »Bursae«, den Geschlechtstaschen. So wunderbar nun auch dieser Bildungsmodus zunächst erscheint, wird er doch um Vieles seiner Eigenthümlichkeit beraubt, wenn wir die Crinoiden in den Bereich unserer Untersuchung ziehen. Aus Lupwie’s! schönen Untersuchungen über die CGrinoiden wissen wir, dass die Geschlechtsorgane in einer besonderen Weise ausge- bildet sind. In jedem Arm verläuft ein von ihm als Genitalröhre bezeichnetes Gebilde. Es liegt diese Genitalröhre von einem Blutsinus 1 Lupwıs, Morphologische Untersuchungen an Echinodermen. Bd. I. Beiträge zur Anatomie der Crinoideen. 1877. Diese Zeitschr, Bd. XXX. - Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. S1 umgeben in einem Hohlraum, den ich gleich hier als Schizocölraum charakterisiren will, oder den man auch als Perihämalraum im Lupwic- schen Sinne bezeichnen kann. Doch darauf komme ich weiter unten zu sprechen. Die Reifung der Keimzellen findet nun bei den Crinoiden allein statt in den Pinnulis der Arme, also jenen Seitenzweigen, welche den Armen seitlich ansitzen, während die Zellen in den Genitalröhren steril bleiben, wie man sich ausgedrückt hat. Dass in Wahrheit die eigenartigen Keimzellen in den Genitalröhren eine Wanderung in die Pinnulae antreten und hier entweder zu Eizellen oder Samenzellen sich differenziren, lässt sich leicht beweisen. Diese bei den Crinoiden festgestellten Verhältnisse finden sich wenig modifieirt bei den Ophiuren wieder, und in ähnlicher Weise weiterhin bei den Asteriden und Echiniden. Bei diesen Gruppen, Seesternen, Seeigeln, Schlangensternen und Haarster- nen existiren Genitalröhren, in denen Keimzellen von amöboider Gestalt lagern, welche an bestimmte Stätten wandern und hier reifen. Diese Wanderung und Reifung, sowie die Entstehung der Reifungsorgane, welche als Ovarien oder Hoden bezeichnet werden, werde ich im Folgenden schildern. Zur Untersuchung bediente ich mich ganz junger sowie ausge- wachsener Thiere, die sämmtlich in Schnittserien zerlegt wurden, nachdem sie vorher theilweise oder ganz in 0,3°/,iger Chromsäure ent- kalkt worden waren. Am besten eignen sich von den Ophiuren die in der Ostsee lebenden Formen hierzu wegen ihres geringen Kalkgehaltes. Dasselbe gilt von den Asteriden. Zunächst werde ich die Genitalröhren und ihre Zellen, sowie die Reifungsstätten derselben bei den Crinoiden schildern. Ich thue dies aus dem einfachen Grunde, weil hier Lupwic bereits ausführlich diese Verhältnisse bis zu einem gewissen Grade geschildert hat und mir viel daran liegen muss, die folgenden Angaben, denen man zunächst Zwei- fel entgegenbringen wird, so sicher wie nur möglich zu stellen und nachzuweisen, dass die Anlage der Geschlechtsprodukte bei allen Echi- nodermengruppen die gleiche wie bei den Crinoiden sei. Hieran schließe ich die Ophiuren an, und an diese die Asteriden, Ecehiniden und Holothurien, indem ich an meine früher gegebenen Dar- stellungen über die Entstehung der Geschlechtsorgane anknüpfe. 1, Die Genitalröhren der Crinoiden, ihre Keimzellen und die Reifungsstätten derselben. Schon oben habe ich vorausgeschickt, dass ich Lupwıe’s Angaben nur bestätigen kann, dass nämlich die Geschlechtsprodukte an bestimm- Zeitschrift f.wissensch. Zoologie. XLV1. Bd. 226 82 Otto Hamann, ten Stellen der Genitalröhren entstehen. Dass an diese bestimmten Stellen Zellen aus den Röhren wandern und aus diesen die Eizellen sowie die Spermatozoen hervorgehen, ist von Lupwie noch nicht be- hauptet worden. Dass es sich aber in der That so verhält, werde ich hoffentlich im Folgenden zur vollen Gewissheit beweisen können. In der Gruppe der Crinoiden treffen wir die Genitalröhren in ganz derselben Lagerung wie bei den Ophiuren. Nach Lupwiıc’s - Unter- suchungen! liegt in jedem Arm, umgeben von Blutlakunen, die Genital- röhre mit ihren großen Zellen. Wenn nun von dem genannten Forscher der Hohlraum, in welchem der Blutlakunenstrang mit der central ge- legenen Genitalröhre als ein Abschnitt der Leibeshöhle angesehen wird, so kann ich nach meinen Untersuchungen der übrigen Echinodermen- gruppen damit nicht übereinstimmen. Die Perihämalräume sind immer undüberall Schizocölräume, Lücken in der Bindesubstanz, wie sie sich be- sonders schön bei den Seesternen nachweisen ließen. Übrigens ist diese Ansicht, dass der Genitalkanal in den Armen der Crinoiden eine Binde- gewebslücke sei, bereits von TEusc#£r? ausgesprochen worden, welchem ich mich nur anschließen kann. In welche Hohlräume dieser Genital- kanal, oder besser dieser Perihämalraum, um Lupwıe’s treffende Be- zeichnung anzuwenden, in der Scheibe mündet, ist für uns hier von keinem Belang. Es sei die ausführliche Darstellung meiner größeren im nächsten Jahre (1888) erscheinenden Monographie dieser Gruppe sowie derjenigen der Ophiuren vorbehalten. Zur näheren Bestimmung der Lage unseres Perihämalraumes im Arm sei noch Folgendes hervorgehoben. Ein Querschnitt durch den Arm zeigt uns auf der ventralen Fläche das dem Epithel der Ambula- cralrinne eines Seesternes homologe Epithel, welches, wie ich hier ent- gegen anderer Mittheilungen hervorheben will, aus Stützzellen und Epi- thelsinneszellen besteht; somit ist der darunter liegende Nervenstrang epithelial, nicht subepithelial gelagert. Unterhalb des letzteren liegt das Wassergefäß. Auberdem fallen zwei parallel zur Längsachse gelegene Längskanäle auf, welche als Ven- tralkanal und Dorsalkanal beschrieben werden. In der Scheidewand, welche beide Kanäle trennt, liegt unser Perihämalraum, in ihm aufge- hangen der Bindesubstanzstrang im Centrum mit der Genitalröhre, und den peripheren Blutlakunen (Fig. 9). Die Erkenntnis, dass der in dem Bindesubstanzstrang liegende Kanal ein Verbindungsstrang sei zwi- schen den Geschlechtsorganen in den Pinnulae, verdanken wir W.P. ! Morphologische Studien an Echinodermen. Bd.]I. p. 29. 2 TEUSCHER, Beiträge zur Anatomie der Echinodermen. in: Jenaische Zeitschr. Bd. X. 1876. Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. 83 CARPENTER!, dessen Angaben später Lupwic bestätigt und ergänzt hat. Lupwis hat diese Genitalröhren homologisirt den Geschlechtsorganen der übrigen Echinodermen und findet zwischen beiden eine volle Homo- logie. Ich kann mich dem nicht anschließen, und halte nur den in den Pinnulis gelegenen Theil für homolog den Genitalsäckchen einer Ophiure, eines Echinoides und eines Asteriden, indem ich nachweise, dass den genannten Gruppen ebenfalls Genitalröhren zukommen. In jede Pinnula geht von der Genitalröhre aus eine Ausstülpung, in wel- cher sich die Zellen der Genitalröhre zu Eier- oder Spermazellen aus- bilden.. Den Übergang einer solchen Genitalröhre mit ihren Zellen in eine Pinnula zeigt der Längsschnitt, welcher in Fig. 10 wiedergegeben ist. In den Pinnulis wird die Genitalröhre ebenfalls umgeben von den Blutlakunen (BL). Dass nun in Wahrheit die Eizellen aus den Urkeimzellen der Geni- talröhren hervorgehen, hat Lupwıs ebenfalls festgestellt. Er giebt an, und ich kann das nach eigener Untersuchung bestätigen, dass die Eier durch Wachsthum aus den erstgenannten Zellelementen entstehen. Ich betrachte diese Zellen der Genitalröhre — und hierin weiche ich ab von der bisherigen Auffassung — nicht als fest- sitzende Epithelzellen, sondernals Wanderzellen, welche indie Pinnulae einwandern und welchesich vermehren können und von den sie umgebenden Blutlakunen ernährt werden. Eben so wenig aber, wie bei den übrigen Echinodermen- gruppen sämmtliche Zellen zu Eizellen werden, ist dies hier der Fall. Ein Theil bleibt als Follikelzellen als Rest übrig. Die eigenthümliche nicht zu verkennende Gestalt der Zellen in den Genitalröhren, unserer Urkeimzellen, zeigt uns zunächst deutlich, dass wir es mit kugelig-ovalen Zellen zu thun haben, welche sich amö- ‚boid bewegen. Schon in der von Lupwıc? gegebenen Figur lässt sich dies feststellen. Den ungemein großen kugeligen bläschenförmigen Kern, auf welchen beinahe die Hälfte des Zelldurchmessers kommt, finden wir schon auf der gleichen Figur widergegeben. Somit stimmen diese Urkeimzellen auch in ihrem Bau und Gestalt, sowie in ihrem großen Kern überein mit den später bei den Ophiuren zu schildernden gleichen Gebilden. Hier wie dort entstehen die Geschlechtsprodukte an besonderen Stellen der Genitalröhren aus Urkeimzellen. Die Reifungs- 1 W. P. CARPENTER, Researches on the Structure. Physiology and Development of Antedon rosaceus. in: Philos. Transact. Roy. Soc. London. V. 156. 2 a.a.0. Taf, XIil, Fig. 43. Fr 84 Otto Hamann, stätten derselben werden als die Genitalorgane benannt, und liegen bei Grinoiden in den Pinnulis, bei Ophiuren auf den Bursalwänden. 2. Die Genitalröhren der Ophiuren mit ihren Keimzellen und ihre Reifungsstätten auf der Oberfläche der Genitaltaschen. 1) Die Bursae mit den Genitalsäckchen. Eine eigenthümliche Bildung hat uns Lupwic ! in den Bursalspalten bei den Ophiuren kennen gelehrt. Während die älteren Forscher an- nahmen, dass die Geschlechtsprodukte in die Leibeshöhle entleert würden, und aus dieser durch die äußerlich leicht erkennbaren Geni- talspalten ins Freie gelangten, zeigte er zuerst, wie die Geschlechts- schläuche an eigenartigen Taschen, Einstülpungen der ventralen Kör- perwand, entständen und wie ihre Produkte durch Öffnungen in der Wandung dieser Taschen zunächst in deren großen Hohlraum gelang- ten und von hier aus durch die Bursalspalten nach außen. Betrachtet man eine Ophioglypha albida von der Bauchfläche, so treten die zehn Bursalspalten als schlitzförmige, den Armbasen eng an- liegende Öffnungen auf. Diese letzteren führen in hohle Taschen, welche in der Zehnzahl neben den centralen Armwirbeln sich in die Leibeshöhle hervorwölben und blind geschlossen sind. Sie sind nichts Anderes als Einstülpungen der Körperwand. Zerlegt man eine Ophioglypha in Vertikalschnitte, so kommt man schnell zu einer klaren Einsicht in diese Organe. Die Schnittebene muss senkrecht zu einer Armachse liegen und man zerlegt zunächst diesen an seinem Übergang in die Scheibe in Schnitte, sodann die letz- tere selbst. Fig. 2 zeigt uns einen Arm quer durchschnitten in seinem Über- gange in die Scheibe. Rechts und links von demselben sind Abschnitte der Leibeshöhle der Scheibe dargesteilt, in welche sich die Körperwand von der Bauchseite her eingestülpt hat. Mit BS ist die Spalte bezeich- net, welche in den mit 3 gekennzeichneten blind geschlossenen Sack führt; dieser ist die Bursa genitalis, die Genitaltasche, oder doch wenig- stens der Anfangstheil derselben. Fig. 1 zeigt einen der folgenden Schnitte. Es ist der Zusammen- hang der Bursalwand mit der Rücken-Körperwand noch zu erkennen. Die Bursalwand setzt sich aus einer Reihe von Schichten zusam- men, welche in der Körperwand in gleicher Reihenfolge vertreten sind. Ihre innere Auskleidung ist eine direkte Fortsetzung der äußeren Kör- perepidermis. Sie setzt sich an einzelnen Stellen aus langen Wimper- 1 Lupwis, Morphologische Studien an Echinodermen. I. Bd. VIII. Beiträge zur Anatomie der Ophiuren, Leipzig, Engelmann. 41877—1879. Diese Zeitschr. Bd. X XXI. - Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. 85 zellen zusammen, welche gruppenweise angeordnet stehen. Sie dienen dazu, die Geschlechtsprodukte durch die Genitalspalten nach außen zu befördern. Besonders an letzteren sind solche aus Wimperzellen be- stehende Zellgruppen zahlreich vorhanden. Auf dieses die Auskleidung der Genitaltaschen bildende Epithel folgt die Bindesubstanzschicht. Sie ist von nur sehr geringer Ausdeh- nung. Kalkkörper finden sich in der Wandung der Genitaltaschen nicht vor. Außen überzieht das Enterocölepithel die Wandung der - Genitaltaschen. Es besteht aus kleinen kubischen Wimperzellen. Die Gestalt der Bursae hat Lupwie! bereits ausführlich beschrie- ben. Danach haben wir einen dünnhäutigen Sack vor uns, »welcher an den Rändern der Bursalspalte beginnt, dorsalwärts in die Körper- höhle sich erhebt und an seinem aboralen Bezirke sich in einen Zipfel fortsetzt, welcher sich über den Rand des Magensackes auf dessen Dor- salseite hinüberschlägt «. Auf diesen Taschen sitzen birnförmige Gebilde, welche, wie ich im Gegensatz zu LupwıG hervorheben muss, solid sind. Sie stehen nicht regellos zerstreut auf der Oberfläche der Genitaltaschen, sondern sind in einer Reihe angeordnet. Ihre Stellung und Lagerung richtet sich ganz genau, wie ich weiter unten zeigen werde, nach dem Verlauf der Genitalröhren mit ihren Keimzellen. Nach diesem kurzen allgemeinen Überblick wende ich mich zu- nächst dazu, die Genitalröhren in ihrem Bau und ihrem Verhältnis zu den Blutlakunen genauer zu schildern. 2) Der Verlaufder Genitalröhren und der dorso- ventralen Blutlakunen. Die im Folgenden zu beschreibenden Verhältnisse lassen sich nur auf Vertikalschnitten, denen Horizontalschnitte ergänzend zur Seite stehen müssen, erkennen. Zu dieser Anfertigung von Schnittserien ‚eignet sich Ophioglypha albida der Ostsee (Kiel) in vorzüglicher Weise, da sie nie einen größeren Scheibendurchmesser als 1 cm besitzt und nur wenig Kalk enthält. Die Gewebe bleiben nach der Entkalkung vorzüglich gut erhalten, mögen sie nun vorher mit Osmiumsäure, Pi- krinschwefel- oder Ghromsäure konservirt worden sein. Die Genitalröhren sowohl als die sie umgebenden Blutlakunen verlaufen nur in gewissen Theilen des Rückens der Scheibe. Will man sie hier auffinden, so muss man Vertikalschnitte untersuchen, welche durch die Scheibe und parallel zur Armachse durch einen Arm gehen. In der Rückenwand der Scheibe, und zwar radial gelegen (radia Baar 0. p. 273. 86 Otto Hamann, liegen die in der Armachse gelegenen Organe, interradial die zwischen je zwei Armen gelegenen), ist ein Hohlraum quer durchschnitten wor- den, welcher ein eigenartiges Gebilde trägt, nämlich die dorso-ventrale Blutlakune und in dieser gelegen die Genitalröhre. Der Hohlraum stellt sich als ein Spaltraum in der Binde- substanzschicht dar, welcher die eigentliche Blutlakune umhüllt, mithin als Perihämalraum zu bezeichnen ist. Er wird von einem Endothel — abgeplatteten Zellen, deren Kerne allein in den Hohlraum hervorragen — ausgekleidet. Fig. 5 zeigt diesen Perihämal- raum mit seinen eingeschlossenen Theilen stärker vergrößert. Die Blutlakune stellt sich als ein System von Hohlräumen und Lücken dar, welche in einem bindegewebigen Strange verlaufen, welcher nur noch centralwärts (dem Cölom zugekehrt) mit der Wandung des Perihämal- raumes in Verbindung steht. Hier geht der endothelartige Zellbelag über auf die äußere Wandung dieses bindegewebigen Stranges, wel- cher die Blutflüssigkeit in Lücken und Spalten führt. Die Blutflüssig- keit ist eine leicht gerinnbare Masse und zeigt sich auf den Schnitten mit Karmin gefärbt, als leicht rosa gefärbte fein granulirte Substanz, in welcher stellenweise helle Zellen mit kugeligem Kern eingeschlossen sich finden, die Blutzellen. Sie sind bei unserer Art in recht geringer Anzahl vorhanden. In diesem bindegewebigen Strang. verläuft weiterhin ein stark hervortretende Zellen einschließender Kanal — der von mir als Genitalröhre bezeichnet wird. Seine Wandung ist eine Membran, die der Bindesubstanz angehört. Im Innern dieser Röhre liegen 0,009 bis 0,01 mm große Zellen, deren Zellsubstanz fast homogen erscheint, nur um den Kern eine Granulirung (oder Fadenwerk) zeigt. Der Kern dieser Zellen misst 0,007 mm, ist also verhältnismäßig sehr groß. Er ist ein kugeliges Bläschen, das sich hell rosa tingirt und ein schönes dunkel gefärbtes Netzwerk zeigt. Diese Zeilen sind die Urkeimzel- len. Sie sind bald kugelig, bald oval, bald kann man stumpfe Fort- sätze an ihnen unterscheiden. Je nach dem Zustand, in welchem diese Zellen von der Konservirungsflüssigkeit beim Fixiren getroffen wurden, sind sie erhalten geblieben. Im Leben bewegen sie sich amöboid. Diesen Perihämalraum nebst Blutlakune und Genitalröhre sehen wir nicht (s. Fig. 4) in den Interradien in der Dorsalscheibe, sondern nur immer in den Radien verlaufen, und zwar rechtwinkelig zur Arm- achse. Will man nun erfahren, wohin er sich von hier wendet, so ist am einfachsten Querschnitte durch einen Arm senkrecht zu seiner Achse zu legen und diese Schnitte da, wo der Arm in die Scheibe über- geht zu untersuchen. Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. 87 In Fig. 2 ist ein solcher Querschnitt durch einen Arm dargestellt, welcher in die Scheibe eintritt. Mit RN ist der radiale Nervenstamm, welcher in einem Schizocölraum verläuft, bezeichnet. An beiden Seiten des Armes sehen wir die Bursalspalten mit einem Theil der Bursae, in welche Hodensäcke hineinragen. In der Dorsalseite erblicken wir weiter unseren Perihämalraum mit Blutlakunen und der Genitalröhre quer durch die Rückenwand ziehen. War der Perihämalraum in Fig. 5 quer durchschnitten, so ist er hier der Länge nach vom Schnitt getroffen. Mit Sch ist der Perihä- malraum, mit GR die Genitalröhre im Blutlakunenstrang bezeichnet. Der Schizocölraum endet auf unserem Schnitt an beiden Seiten des Armes blind. In Wahrheit aber macht er hier eine Biegung dem Cen- trum der Scheibe zugewendet und treffen wir ihn auf einem der nächsten centralwärts gelegenen Schnitte in seinem weiteren Ver- laufe an. In Fig. 3 sehen wir den Blutlakunenstrang in die Scheidewand eingetreten, welche die Dorsalwand der Scheibe mit den Armseiten verbindet, und welche auf einem der nächsten Schnitte vollkommen verschwunden ist. Ein Bündel von Längsmuskelfasern spannt sich hier von der dorsalen Körperwand zu der Seitenwand des Armes, die zu- gleich die Bursa B begrenzt. Jenseits dieses Muskelbündels dringt der Schizocölraum, der die Gestalt eines Kanales besitzt, in die Bindesubstanzschicht der Bursal- wand ein. In seinem Hohlraum liegt der Blutlakunenstrang mit der Genitalröhre. Sobald er aber in die Bindesubstanzschicht der Wan- dung eingetreten ist, gabelt er sich, indem der eine Schizocölkanal mit der ebenfalls gegabelten Genitalröhre in der centralen Bursalwand, der andere auf der ventralen herabläuft. Sie steigen beide vom Schei- tel der Bursalwand an in der letzteren herab bis zur Basis, um dann aus derselben auszutreten. Ihren weiteren Verlauf schildere ich später. Verfolgen wir nun im Einzelnen den Perihämalkanal! In Fig. 4 ist ein Querschnitt durch die Bursaiwand wiedergegeben. Der Peri- hämalkanal ist mit Sch gekennzeichnet. Er ist an manchen Stellen ge- schlossen, indem dann die Genitalröhre mit den sie umgebenden Blut- lakunen sein Lumen voll ausfüllen. Im Allgemeimen ist er aber mit seiner endothelartigen Auskleidung leicht zu erkennen. Weiter ragt die Genitalröhre GR mit ihren großen Urkeimzellen der Länge nach durchschnitten deutlich hervor. Die Blutlakunen, welche sie umgeben, sina sehr zusammengedrückt, so dass sie oftmals kaum zu erkennen sind. 83 Otto Hamann, Die Entstehung der Genitalsäckchen ist, wie man aus dem Bau des halb ausgebildeten Organes schließen kann, folgende. Es finden im Verlauf der Genitalröhre Wucherungen der Urkeimzellen statt, welche sich knospenartig bilden und die über ihnen liegende Bursalwand, welche aus einer dünnen Bindesubstanzschicht (bg in Fig. 4) und dem Cölomepithel besteht, mit emporheben. Diese Knospen wachsen mehr und mehr hervor, indem die Urkeimzellen in sie ein- wandern und nun entweder sich durch Wachsthum in die Eizellen differenziren, oder aber die Samenmutterzellen durch Theilung bilden. Bei männlichen und weiblichen Ophiuren sind die Urkeimzellen von genau derselben Größe, demselben Bau und den gleichen Eigenschaf- ten Reagentien gegenüber. Die weiblichen Genitalsäckchen. Betrachtet man einen Schnitt durch ein weibliches Genitalsäckchen zur Zeit, wo die Eier sich noch in den verschiedensten Größen finden, so sieht man ein vollstän- dig prall angefülltes birnförmiges Säckchen, welches mit dem zuge- spitzten stielförmigen Ende der Außenwand der Bursa aufsitzt. Die Wandung des Genitalsäckchens ist äußerst dünn und besteht aus einem seine Oberfläche überkleidenden Plattenepithel dem Cölomepithel zu- gehörig und unterhalb desselben eine sehr gering entwickelte Binde- substanzschicht, in welcher die Blutflüssigkeit eirkulirt. Diese ist aber der Dünne der Wandung wegen bei unserer Art kaum erkennbar. Lakunen sind kaum vorhanden, wie aus den Fig. 6 und 7 hervorgeht. Das Innere des Säckchens zeigt keinen Hohlraum, sondern ist vollge- pfropft von Eizellen in allen Größen. Die größeren liegen meist am kugelig abgerundeten Ende der Säckchen. Zwischen den Eizellen, von denen die größeren 0,07 mm, ihr Keimfleck 0,04 mm messen, liegen die Urkeimzellen noch unverändert wie in den Genitalröhren. Ihr Zell- kern wird zum Keimbläschen der Eizellen. Die größeren Eizellen las- sen eine helle Membran erkennen, welche sie als homogenes Häutchen umhüllt. Diesen Eihüllen liegen Zellen an, welche abgeplattet sind und einen Kern von nur 0,003 mm Durchmesser zeigen, und wohl als Follikelzellen angesehen werden können. Sie gehen aus den Urkeim- zellen hervor, welche sich nicht zu Eizellen entwickelt haben. Um diese Zeit findet man oft Zellen im Zerfall begriffen, deren Zellsubstanz wohl als Nährmaterial für die wachsenden Eizellen dient. Worauf es uns hier besonders ankommt, ist der Nachweis, dass die Eizellen sich aus den Urkeimzellen entwickeln, und zwar in be- sonderen knospenartigen Anlagen, deren centrale Masse von den wach- senden Eizellen gebildet wird. Die Öffnungen, welche von den Genitalsäckchen durch die Bursal- Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. sg wand in.den Hohlraum desselben führen, brechen erst später durch, wenn die Eier ausgereift sind !. Die Hodensäckchen. In gleicher Weise wie die Ovarialsäck- chen legen sich die Hodensäckcehen als solide Knospen an. Beiihnen lässt sich fast noch besser diese Entwicklung der Urkeimzellen, hier zu Samenmutterzellen, veriolgen. In Fig. 7 ist ein Längsschnitt durch ein Hodensäckchen wiedergegeben. Dasselbe ist von birnförmiger Ge- stalt. Es wird überkleidet von dem abgeplatteten Gölomepithel (e?). Unter demselben liegt eine dünne Bindesubstanzschicht, in welcher wir uns die Ernährungsflüssigkeit, das Blut, in Lakunen eirkulirend zu den- ken haben. In dem Stadium der Entwicklung, in welchem die in Fig. 7 abgebildete Hodenanlage steht, ist das Lumen so stark erfüllt von Zel- len, dass die Wandung eng an einander gepresst erscheint. Dazu kommt, dass selbst die die Genitalröhre in ihrem Verlaufe in der Bur- salwand umgebende Blutlakune nur von sehr geringer Ausdehnung und die Blutflüssigkeit kaum erkennbar ist?. — An der Basis sieht man die Urkeimzellen in das Lumen des Hodensäckchen eindringen, und zwar in mehreren Schichten der Bindesubstanzschicht aufliegen, während nach innen kleinere durch Theilung hervorgegangene Zellen liegen, die Samenmutterzellen, und das Centrum von bereits reifen oder reifenden Spermazellen eingenommen wird. Diese sind an den langen Schwänzen und ihrem sich stark tingirenden kugeligen Kopfe leicht erkennbar. Jetzt sind bereits Öffnungen zu erkennen, das heißt aus den Hodensäckchen führt ein enger, von Zellen, welche im Leben wahrscheinlich wimpern, ausgekleideter Kanal durch die Bursawandung hindurch und öffnet sich in den Hohlraum derselben. Durch aktive Bewegung gelangen die Sper- mazellen durch denselben nach außen. Eine Muskulatur, welche etwa durch Kontraktionen die Entleerung der Genitalsäckchen beschleunigen könnte, findet sich bei unserer Art nicht in der Wandung vor, weder in ‘der der männlichen noch in der der weiblichen Genitalsäcke. Der weitere Verlauf der Perihämalkanäle mit denBlut- lakunen und den Genitalröhren. Ich beschrieb oben, wie die Genitalröhre umgeben von dem Blutlakunenring und in einem Perihä- malkanal eingeschlossen in die dorsale Wandung der Bursa eintrat und sich gabelte. Der eine Ast zog in der dorsalen, der andere in der ven- 1 Über diese und andere Erscheinungen behalte ich mir vor in einer ausführ- lichen Monographie der Ophiuren und Crinoiden zu berichten, in welcher alle Theile der Anatomie ausführlich berücksichtigt werden sollen. 2 Dies wird bei größeren Arten wahrscheinlich anders sein. Hierüber hoffe ich in Kurzem nach Untersuchung von größeren Formen aus dem Mittelmeer Aus- kunft geben zu können. 90 Otto Hamann, tralen Seite der Bursalwand herab. Der eine Ast, das heißt derjenige, welcher den Armwirbeln zugewendet liegt, endet blind, während der laterale im rechten Winkel umbiegt, in der ventralen Körperwand ver- läuft, also interradial, und hier an die andere Bursa desselben Interradius hinantritt, in dieser hinanklimmit bis zur dorsalen Seite und von ihr auf der anderen Seite hinuntersteigt. Mit anderen Worten: Die Genitalröhren mit ihren Blutlakunen verlaufen in Perihämal-(Schizocöl-)Kanälen in den Radien in der Rückenwand und in den Interradien der Ventralwand. Es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob ich mit Recht die Lücken in dem Bindegewebsstrang, in welchem die Genitalröhre ver- läuft, als Blutlakunen in Anspruch nehme. Dass man hierzu berechtigt ist, sollen die folgenden Zeilen beweisen. In einem Radius tritt ein Theil dieses Bindegewebsstranges aus seinem Schizocölkanal heraus, ohne dass die Genitalröhre ihn bekleidete, gelangt in die Leibeshöhle und zieht in gerader Linie zum Magendarm. Dieser Strang wird um- hüllt vom CGölomepithel und schließt in seinem Innern in Lakunen eine auf Schnittpräparaten feingeronnene Flüssigkeit ein, eben die Blutflüs- sigkeit. Seine Bindesubstanz geht direkt über in die gleiche Schicht des Darmes, während seine Flüssigkeit zusammenhängt mit der in der hier besonders verdickten Bindesubstanzschicht des Darmes in Lakunen eirkulirenden Blutflüssigkeit. Da sich diese Flüssigkeit in nichts unter- scheidet von der Ernährungsflüssigkeit der Asteriden, Crinoiden und Echiniden und der Zusammenhang zwischen Darm- und dorsaler Ring- lakune nichts Abweichendes vorstellt, so sind wir auch berechtigt sie als Blutflüssigkeit zu bezeichnen. 3. Die Genitalröhren der Asteriden und die erste Anlage der Geschlechtsschläuche (Hoden und Ovarien). In einer größeren Arbeit über die Anatomie und Histologie der Asteriden ! schilderte ich ein eigenthümliches Kanalsystem, welches in der dorsalen Scheibe eingeschlossen im Blutlakunenring verläuft, und welches bisher übersehen worden war. Ich beschrieb in diesem Kanal- system amöboide Zellen mit ungemein großen Kernen und war über die Bedeutung dieser Kanäle zunächst im Unklaren, glaubte aber end- lich nicht fehl zu gehen, wenn ich, zumal es mir gelang einen Zusam- menhang zwischen ihnen und den Hohlräumen des drüsigen Organes (Herz mancher Autoren) aufzufinden, in diesen Kanälen ein exkretori- sches Kanalsystem vermuthete. 1 Hamann, Beiträge zur Histologie der Echinodermen. Heft 2: Die Asteriden anatomisch und histologisch untersucht. Mit 7 Tafeln. Jena, Fischer, 1885. Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. 91 Dass wir in diesem Kanalsystem aber die Genitalröhren vor uns haben, wie sie Crinoiden und Ophiuren uns zeigen, kann ich jetzt mit voller Sicherheit nachweisen, da ich durch neues Material ganz junger Asteriden in den Stand gesetzt wurde, diese Frage zur Erledigung zu bringen. Mit großer Freude kann ich nun bereits die Autorität von Carı Voer für die Richtigkeit dieser Anschauung ins Feld führen. In dem 10. Hefte des Lehrbuches der praktischen vergleichenden Anatomie von Carr Vocr und Yung kommt die Anatomie der Asteri- den zur Darstellung. Indem die genannten Forscher die von mir ge- gebenen Resultate bestätigen, wenden sie sich gegen die Deutung dieses Kanalsystemes und vermuthen vielmehr in ihm ein Homologon der Genitalröhren der Crinoiden. Und zwar mit vollem Rechte, wie -ich jetzt beweisen will. Besonders Horizontalschnitte durch junge See- igel — einerlei welcher Gattung sie angehören — sind geeignet, den Zusammenhang der Genitalröhren mit den jungen Geschlechtsschläuchen zu zeigen. Bevor ich diese Verhältnisse schildere, sei eine kurze Darstellung des analen oder dorsalen Gefäßringes, so weit das zum Verständnis nöthig erscheint, gegeben. Es verlaufen die Gefäßlakunen, das heißt der dorsale Blutlakunen- ring in einem kreisförmigen Schizocöl- oder Perihämalraum der Rücken- wand. Sein Verlauf ist innerhalb dieses Perihämalringraumes nicht ein vollkommen kreisförmiger, sondern zeigt an den Stellen einen ab- weichenden Verlauf, an welchen er durch die fünf (oder mehr) Inter- radialsepta unterbrochen wird. Mit diesem Namen werden die in den Interradien liegenden Verkalkungen zwischen der ventralen und dor- salen Körperwand bezeichnet. An diesen angekommen zweigt sich ein Blutlakunenast ab, um zu den Geschlechtsorganen zu ziehen, während der Lakunenring um das Septum herum zieht, und jenseits eine zweite Lakune zu den jenseitigen Geschlechtsschläuchen zu senden!. Den gleichen Verlauf wie diese Blutlakunen haben die Genital- röhren, und wir könnten desshalb von einem Genitalröhrenring und zehn zu den Geschlechtsschläuchen führenden Seitenzweigen sprechen. Sie zeigen denselben Verlauf, da sie ja in demselben Bindegewebssep- tum, in welchem die Blutlakunen als Lücken und Spalten verlaufen, gelagert sind, wie Fig. 16 zeigt. Dieser Querschnitt durch das Septum zeigt die Blutflüssigkeit mit ihren ovalen bis kugeligen Kernen und die ! Vel. die Figur und Darstellung in : Heft 2 meiner Beiträge zur Histologie der Echinodermen; die Asteriden anat. und histol. untersucht, p. 49. 92 Otto Hamann, beinahe kreisrunde durchquerte Genitalröhre, welche die typischen, nie zu verkennenden Urkeimzellen birgt. An jungen Exemplaren von höchstens 0,7 cm fand ich Folgendes: Die Schizocölräume waren in der Rückenwand sehr gut entwickelt. Dasselbe gilt von dem Bindegewebsseptum, in welchem die Genital- röhren — sowohl der Ring als zehn in den Wänden der Interradial- septen verlaufenden Röhren — als Kanäle sich fanden, die erfüllt sind von 0,009 mm großen Zellen mit deutlich und stark hervortretenden kugeligen Kernen. Um die Röhren selbst zeigte die Bindesubstanz noch keinerlei Lücken, so dass von einer Blutflüssigkeit erst später geredet werden kann, wenn das Septum stärker ausgebildet ist. Wie enden in diesem Entwicklungsstadium, in welchem noch keine Geschlechtsschläuche vorhanden sind, die schon erkennbaren zehn Genitalröhren? Sie lassen sich bis zu jenen Punkten verfolgen, an denen der erste Geschlechtsschlauch sich in späteren Stadien findet, und zwar enden sie hier mit einer Anschwellung, welche erfüllt ist von den großkernigen Urkeimzellen. Eine solche Anschwellung auf dem Querschnitt habe ich bereits früher beschrieben und abgebildet!, ohne jedoch ihren Zusammenhang mit den Genitalröhren erkennen zu können. Mangel an genügendem Material trug hieran die Schuld. Diese Anschwellung dehnt sich gleichsam aus, das heißt, sie wächst mehr und mehr und so vergrößert sich der Hohlraum innerhalb der- selben, welcher bald von den epithelial angeordneten Urkeimzellen ausgekleidet wird (Fig. 13). Die Anschwellung wird endlich zu einem Schlauche, welcher die Bindesubstanzschicht und das Gölomepithel vor sich hertreibt, indem er sich in die Leibeshöhle hervorstülpt. Diese letzteren beiden Schichten werden zur äußeren Hülle, und unterhalb desselben bleibt noch ein Hohlraum in der Wandung erkennbar, in welchem die Ernährungsflüssigkeit sich bewegt. Seitlich sprossen dann an diesem ersten Schlauche die späteren sich mannigfach verästelnden Zweige hervor. Damit ist also auch für die Asteriden nachgewiesen, dass bei ihnen, gleichwie bei Crinoiden und Ophiuren, Genitalröhren sich finden, deren Zellen an bestimmten Stellen, in den Geschlechtsschläuchen reifen und, da die Thiere getrennten Geschlechtes sind, entweder zu Ei- oder Spermazellen heranwachsen. Dass aus diesen Urkeimzellen die die cen- tralen Hohlräume der Geschlechtsschläuche auskleidenden Zellen her- stammen, lässt sich an den verschiedenen Entwicklungsstadien verfol- gen und bedarf hier keines besonderen Nachweises. Die instruktivsten 1 Taf. VII, Fig. 64. Heft 2, der Beitr. zur Histologie der Echinodermen. -Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. 93 Bilder geben Horizontalschnitte durch den Seestern. Dann gelingt es oft auf einem Schnitte den Genitalröhrenring mit seinen zehn sich von ihm abzweigenden Röhren im Schizocölkanal liegend zu verfolgen. An den Enden der letzteren treten dann die ersten Anlagen der künftigen Geschlechtsschläuche als Säckchen auf, wie es für zwei Fig. 14 zeigt. Die Genitalröhren der jungen Echiniden und Holothurien. Während man bei den erwachsenen Asteriden die Genitalröhren umgeben von den dorsalen Blutlakunen antrifft, sucht man bei den ge- schlechtsreifen Echiniden umsonst nach ihnen. Nirgends habe ich am erwachsenen Thier weder einen Blutlakunenring, noch in den zu den Geschlechtsschläuchen führenden Zweigen desselben Genitalröhren ge- funden. In Folge dessen dehnte ich die Untersuchungen besonders auf junge Exemplare aus, welche ich theilweise aus Neapel erhielt. Die 0,5 bis höchstens I cm großen Echiniden wurden nach ihrer Entkalkung in 0,3°/,iger Chromsäure in Vertikalschnitte zerlegt und be- sonders diejenigen Stellen untersucht, an welchen beim erwachsenen Thier die Geschlechtsschläuche liegen und der Ausführgang derselben mündet. An einem jungen Sphaerechinus granularis fand ich nun Folgen- des: In der Dorsalwand liegt bereits vollständig entwickelt ein Schizo- cölring, wie er beim ausgewachsenen Echinus sich ja ebenfalls findet!. In diesem den Periprokt ringförmig umgebenden Spaltraum liegt ein Bindegewebsseptum, in welchem große Zellen auffallen, welche in einem Kanal eingeschlossen sind, der zum größten Theil das Septum erfüllt. Diese Zellen, welche ihn ausfüllen, gleichen in Gestalt und Form jenen ais Urkeimzellen bei Asteriden, Ophiuren und Crinoiden beschriebenen Gebilden. Auch sie fallen sofort durch ihren großen, blasigen, hellen Kern auf, während der Leib der Zelle hier wie dort einer Umhüllungsmembran entbehrt und die verschiedenste Gestalt zeigt, bald mehr oval, bald mehr langgestreckt, je nach dem Zustand der Bewegung. In den fünf Ambulaeren trifft man je eine Ausstülpung von sack- förmiger Gestalt, welche ich schon früher auf Schnittpräparaten, und zwar Vertikalschnitten, beobachtet hatte. Ihr Zusammenhang mit der Urkeimzellen führenden Genitalröhre tritt am deutlichsten auf Hori- zontalschnitten hervor, ist aber, hat man ihn hier konstatirt, leicht auf den vertikalen Schnitten aufzufinden. Diese kleine sackförmige Ausstülpung ist zunächst noch im Schizo- ! Vgl. Hamann, Beiträge zur Histologie der Echinodermen. Heft 3: Die Echini- den, ihre Anatomie und Histologie. Mit 13 Tafeln. Jena, Fischer, 1887. 94 Otto Hamann, cölraum gelegen; bei ihrem Wachsthum wird sie länger und nimmt die Gestalt eines langen Cylinders an, welcher sich in die Leibeshöhle her- vorstülpt. An diesem Gebilde, welches innen erfüllt ist von den Ur- keimzellen, welche sich epithelial anordnen, sprossen seitlich die sich dann immer von Neuem verzweigenden Geschlechtsschläuche, während die ursprüngliche als Stamm zu bezeichnende Anlage dieser Schläuche später zum Ausführgang wird. Diese Verhältnisse lassen sich an größe- ren Echiniden vom I cm Durchmesser und darüber leicht feststellen. Somit wäre das Resultat über die Anlage der Geschlechtsprodukte der Echiniden dieses. In einer in der dorsalen Scheibenwand gelege- nen Genitalröhre liegen Zellen, die Urkeimzellen, in Bau und Gestalt den gleichen Gebilden der Ophiuren, Asteriden und Crinoiden gleichend. Die erste Anlage der Geschlechtsschläuche entsteht als Ausstülpung dieser Röhre. In den sackartigen Neubildungen liegen die Urkeimzel- len, welche sich zu Ei- oder Spermazellen differenziren. Bei der Untersuchung der Holothurien standen mir bisher junge Exemplare ohne irgend welche Geschlechtsschläuche leider noch nicht zu Gebote. Ich bin desshalb nur im Stande über die Verhältnisse zu berichten, wie ich sie bei einer Holothuria tubulosa fand, welche milli- metergroße Schläuche besaß. Leider habe ich diese jungen Organe zu einer Zeit untersucht, wo mir die Wichtigkeit dieser Fragen noch nicht klar vor Augen lag. Ich kann desshalb nur über den Bau der Schläuche, nicht über deren Verbindung mit der Körperwand etc. etwas aussagen. Die Schläuche haben einen kreisförmigen Durchmesser. Ihre Wandung besteht aus einem kubischen Epithel, dem Gölomepithel, unter welchem eine Ringmuskelschicht deutlich (besonders an Längsschnitten) hervor- tritt. Weiter nach innen liegt die Bindesubstanzschicht und ein aus großen Zellen sich zusammensetzendes Epithel (Fig. 8). Diese Zellen haben einen Durchmesser von 0,008 mm und zeichnen sich durch ihren großen blasigen kugeligen Kern von 0,006 mm Durchmesser aus. Der Kern zeigt ein schönes Gerüst, ohne dass ein Kernkörperchen sich fände. Die Zellen selbst liegen in dem Lumen des Schlauches, einer hellen glasigen, wohl zur Bindesubstanzschicht gehörigen Membran auf, und zwar immer so, dass man erkennt: sie sind amöboid beweglich. An einzelnen Stellen liegen mehrere über einander (Fig. 8 UX), wäh- rend an anderen überhaupt keine liegen. Vergleicht man Quer- wie Längsschnitte, so geht zur Evidenz her- vor, dass die Zellen amöboid beweglich sind, bald eine mehr eiförmige Gestalt haben, bald unregelmäßig geformi sind. Ihre Zellsubstanz nimmt einen hellrosa Ton an (nach Karminfärbung) und bietet ein fein gra- nulirtes Aussehen selbst bei stärkster Vergrößerung. Außer diesen Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. 05 großen, als Urkeimzellen zu benennenden Zellen, findet man frühzeitig kleinere Zellen, welche wohl durch Theilung aus ersteren hervorge- sangen sind und später als die sich nicht differenzirenden Innenepithel- zellen zurückbleiben. Ältere Geschlechtsschläuche, in denen Eizellen reifen, habe ich schon früher! geschildert und abgebildet. Vor Allem aber an dieser Stelle die Entstehung der Eizellen aus den Inhaltszellen der Schläuche nachgewiesen, so dass ich hier auf jene Darstellung verweisen kann. Dass aus diesen Urkeimzellen sich sowohl Eizellen als auch Samenzellen entwickeln, zeigt Synapta, bei welcher ja in ein und demselben Schlauche beide Geschlechtsprodukte entstehen !. Zusammenfassung. Aus den soeben niedergelegten Resultaten geht hervor, dass die Geschlechtszellen, die Urkeimzellen, wie ich sie nennen zu müssen glaube, bereits zu sehr früher Zeit im Kreise der Echinodermen sich anlegen. Den Larven fehlen jegliche Geschlechtszellen noch und nach der Entwicklung des jungen Thieres müssen sie sehr früh auftreten. Bei Asteriden von 0,5 cm Durchmesser und Echiniden von 0,5 cm waren sie bereits vorhanden. Ihre Entstehung wird desshalb wohl in die Zeit zu setzen sein, wo der Echinodermenkörper sich im Umkreis des Darmes der Larve anlegt. Über diese Art und Weise der Ent- stehung unserer Urkeimzellen soll ein zweiter Theil dieser Arbeit in Kürze berichten. Die Zeit der Geschlechtsreife eines Asteriden beispielsweise dürfte wohl erst nach einem oder mehreren Jahren erreicht werden, so dass ‚während dieser Zeit die Urkeimzellen mancherlei Veränderungen aus- gesetzt sein werden, vor Allem aber wachsen und durch die sie nach / | und nach umhüllenden Blutlakunen ernährt werden. Für sämmtliche Echinodermen sind wir jetzt berechtigt zu sagen, dass Ei- wie Spermazellen sich entwickeln aus ein und demselben Ele- mente der Urkeimzelle. In dem einen Individuum differenziren sich aus diesen letzteren die Eizellen, im anderen die Spermazellen, oder aber, wenn die Thiere hermaphroditisch sind, wie Synapta, in ein und dem- selben Geschlechtsschlauche beide Geschlechtsprodukte zusammen. Es findet hier also das Gleiche statt, wie unter Anderen bei den Gephyreen, wo sich auf dem Endabschnitt des Bauchgefäßes eine Auflagerung von kleinen Zellenballen findet, die Sprenger ? als Ureier bezeichnet hat. Diese 1 Heft 4 meiner Beiträge zur Histologie der Echinodermen: Die Holothurien. p. 85ff. Figur p. 88. Jena, Fischer, 1884. 2 SPENGEL, Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. Il. Die Organisation desEchiu- rus Pallasii. in: Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. p. 460. 06 Otto Hamann, Zellen ähneln ungemein unseren Urkeimzellen im Bau. Ein unverhält- nismäßig großer heller blasiger Kern zeichnet auch sie aus. Später lösen sich diese sog. Ureier ab von ihrer Bildungsstätte und fallen, in Häufchen zusammenliegend, in die Leibeshöhle. Hier differenziren sie sich entweder zu Eiern oder zu Samenzellen. Das Crinoiden, Ophiuren, Asteriden und Echiniden (Holothurien?) Gemeinschaftliche ist Folgendes: In allen Gruppen findensich Kanäle, die Genitalröh- ren, und zwar bei den Crinoiden in den Armen gelegen, bei Ophiuren theils in der Rückenwand, theils in den Wandungen der Bursae, bei Asteriden und Echiniden in der Dorsalwand der Scheibe. Diese Genitalröhren liegen in einem Bindegewebsseptum, in dessen Maschen in Lücken und Spalten die Blutlakunen lagern. Das Septum selbst hat stets seine Lagerung in Schizocölräumen (Fig. 5 von einer Ophiure, Fig. 9 von einem Crinoiden, Fig. 15 von einem Asteriden, Sch, Schizocölraum; BL, Blutlakunen; GR, Genitalröhre im Septum). Der Inhalt der Genitalröhren bestehtin allen Gruppen aus ungefähr 0,008—0,01 mm großen Zellen, den Urkeim- zellen, welche amöhboid beweglich sind, und eine sich nur sehr wenig färbende Zellsubstanz besitzen. Der Kern, 0,005—0,007 mm groß, stellt sich als helles Bläschen dar, in welchem ein schön entwickeltes Netzwerk, welches sich mit Karmin meist sehr tief färbt, zu erkennen ist. Eine Verschiedenheit lässt sich zwischen den einzelnen Echino- dermengruppen nur in so fern konstatiren, als die Reifungsstätten dieser Urkeimzellen, oder, wie man auch sagen kann, die Reifungs- stätten von Ei und Samenzelle an verschiedenen Orten im Körper ge- lagert sein können. Bei Crinoiden sahen wir die Urkeimzellen in den Pinnulis reifen, seitlichen Ausstülpungen der Genitalröhren. Bei den Ophiuren aber treten unsere Zellen in die Wandungen der Bursae, Einstülpungen der ventralen Körperwand, und differenziren sich hier zu Eiern und Sper- mazellen. Bei Asteriden und Echiniden endlich sehen wir Ausstülpungen der Genitalröhren, welche zu den Geschlechtsschläuchen, später großen traubigen Organen, werden. Die letztgenannte Gruppe, die Echiniden, denen sich vielleicht hierin noch die Holothurien anschließen, verlieren ° die Genitalröhren späterhin und das erwachsene Thier besitzt keine Bildung, welche an sie erinnern könnte. Am Schlusse angekommen, möchte ich noch auf die Übereinstim- mung hinweisen, welche die Echinodermen und Hydroidmedusen bie- ten. Hier wie dort besteht eine Wanderung von Urkeimzellen in | Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. 97 bestimmte Reifungsstätten. Nur in so fern ist diese Übereinstimmung nicht eine vollkommene, als bei den Polypen die Urkeimzellen bereits zu Geschlechtszellen differenzirt in die Reifungsstätten wandern, wäh- rend bei den Echinodermen diese Differenzirung in letzteren selbst stattfindet. Göttingen, im Juli 1887. Erklärung der Abbildungen. In allen Figuren gleiche Buchstaben: GR, Genitalröhre; BL, Blutlakunen; UK, Urkeimzellen; Sch, Schizocölraum ; blz, Blutzellen; bg, Bindesubstanz. Tafel XI, Fig. 4. Vertikalschnitt durch eine Bursa einer Ophioglypha albida (der Schnitt ist interradial gefallen). L.H, Leibeshöhle; M, Muskeln; Ov, Ovarialsäckchen; K.W, Körperwand; flz, Flimmerzellen in der Bursalhöhle. D, Oc. 2 (Zeıss). Fig. 2. Vertikalschnitt durch einen Arm, nahe der Scheibe. In der Rücken- wand lieg‘ die Genitalröhre GR in einem Schizocölraum Sch; RN, Nervenstamm ; LH, Leibeshöhle; H, Hodensäckchen. A, Oc. 4. Ophioglypha albida. Fig. 3. Einer der folgenden Vertikalschnitte, um den Verlauf der Genitalröhre GR zu zeigen. B, Eingang in die Bursa. A, Oc. A. Fig. 4. Theil eines Querschnittes durch die Wandung einer Bursa, stärker ver- größert, um den Verlauf der Genitalröhre zu zeigen. H, Hodensackanlage, ebendaher. Fig. 5. Querschnitt durch das Bindegewebsseptum, in welchem im Centrum die Genitalröhre GR peripher in Lücken die Blutflüssigkeit der (dorsalen) Blutla- kunen BL verläuft. e2, Cölomepithel von einer $& Ophioglypha albida. Chroms. neutr. Essigkarmin. F, 0c.3. Fig. 6. Längsschnitt durch ein Ovarialsäckchen einer Ophioglypha albida, um die Urkeimzellen der Genitalröhre in ihrem Eindringen in dasselbe zu zeigen. Sch = PR, Schizocölraum = Perihämalraum. D, Oc. 3. Fig. 7. Längsschnitt durch ein Hodensäckchen und einen Theil der Wandung der Bursa wie in der vorhergehenden Figur. e2, Cölomepithel. D, Oc. 3. Fig. 8. Querschnitt durch einen 4 mm langen Geschlechtsschlauch einer Holo- thuria tubulosa, welcher mit Urkeimzellen erfüllt ist. F, Oc. 3. Fig. 9. Stück von einem Querschnitt durch den Arm eines Antedon rosaceus, Die Genitalröhre, von den Blutlakunen umgeben, im Schizocölkanal Sch; VK, Theile der sog. Ventralkanäle. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 7 98 Otto Hamann, Die wandernden Urkeimzelien u. ihre Reifungsstätten bei d. Echinodermen. Fig. 40. Übergang der Genitalröhre GR in eine Pinnula. Letztere durchschnit- ten. BL, Blutlakunen; n, Follikelepithel; c, Aufhängebänder des Septums, in wel- chem die Genitalröhre verläuft. Kopie nach Lupwie. Fig. 14. Urkeimzellen eines Sphaerechinus granularis. F, Oc. 3, Fig. 42. Längsschnitt durch eine Genitalröhre eines 0,8 cm großen Asterias rubens. F, Oc. 4. Hämatoxylin. Fig. 43. Erste Anlage eines Geschlechtsorganes (G) eines Asterias, in Gestalt eines Säckchens. 2 Fig. 14. Horizontalschnitt durch die Rückenwand eines Asterias, durch ein Interradialseptum. G, Anlagen der Geschlechtsorgane., Fig. 15. Querschnitt durch Septum, dorsale Blutlakunen und Genitalröhre eines erwachsenen Sphaerechinus granularis. F, Oc. 3. Sämmtliche Figuren (ausgenommen Fig. 44) sind um ein Viertel verkleinert wiedergegeben, um Raum zu sparen. ——— Beiträge zur Kenntnis der Süfswasserbryozoen. Von Max Verworn aus Berlin. Mit Tafel XII und XIII und einem Holzschnitt. Seit den grundlegenden Arbeiten von Arıman!, Hyatt? und NıtscHr ® über den Bau und die Entwicklung der Süßwasserbryozoen hat unsere Kenntnis derselben kaum einen bemerkenswerthen Fortschritt gemacht, während über die Meeresformen eine ziemlich reichhaltige Litteratur entstanden ist. Die wenigen Arbeiten über Süßwasserbryozoen sind zum Theil systematischen Inhalts, wie die »Monographie des Bryozoairs d’eau douce« von JuLLien*, zum Theil fassen sie die früheren Ergebnisse zusammen, wie die letzten Mittheilungen Arıman’s über den »recent progress in our knowledge of the structure and development of the Phylactolaematous Polyzoa«5. Nur eine Arbeit histologischen und ent- wicklungsgeschichtlichen Inhalts liegt seitdem vor von W. REınHARD ®, die mir aber, da sie in russischer Sprache erschienen ist, leider nicht zugänglich war, so dass ich sie nur aus den Abbildungen und einer kurzen Mittheilung des Verfassers im Zoologischen Anzeiger von 1881 kenne. Außerdem hat KrarreLın über seine noch nicht publieirten Untersuchungen der Süßwasserbryozoen auf der Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte zu Berlin 1886 eine kurze Mitthei- 1 G. J. ALLman, »A Monograph of the Fresh-water-Polyzoa.« London 1856. 2 A. Hyatt, »Observations on Polyzoa suborder Phylactolaemata.« in: Proceed. of the Essex Institute (United States) 4865. 3 H.Nıtsche, »Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der phylacto- lämen Süßwasserbryozoen.« Berlin 1868. — »Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen.« Diese Zeitschr. Bd. XXV. Suppl. 4 In Bull. Soc. Zool, France Il. 10. 5 In Journ. of Linn. Soc. Vol. XiV. 6 Oyepks crpoeHia u pasBuTia IPECHOEOAHLIXB MINAHORB. XapbKoBD 1882. 7* 100 Max Verworn, lung gemacht, die im Tageblatt der Versammlung erschienen ist!. Da dieselbe Fragen berührt, welche in der vorliegenden Arbeit zur Be- sprechung kommen werden, so kann ich mich dabei auf diese Mitthei- lung beziehen. Bei solchem Stande unserer Kenntnis der Süßwasserbryozoen war es mir sehr willkommen, als mich mein verehrter Lehrer, Professor F. E. Schutze, aufforderte, die in einigen Seen der Umgegend von Ber- lin sehr häufig vorkommende Cristatella mucedo Cuv. zum Gegenstand einer eingehenderen Untersuchung zu machen. Ich folgte dieser An- regung um so lieber, als einerseits Cristatella den übrigen Süßwasser- bryozoen gegenüber manche abweichende Eigenthümlichkeit aufweist, so dass ich voraussehen konnte, interessante Resultate zu gewinnen; andererseits war es eine allgemeine Frage, welche mir besonders wich- tig erschien, da sie bisher immer noch einen dunklen Punkt in unseren Ansichten über die Fortpflanzung der Thiere vorstellte, nämlich die Entstehung der Statoblasten, welche den Süßwasserbryozoen eigen- thümlich sind. Die vorliegende Arbeit soll daher hauptsächlich die Anatomie, Histologie und die Statoblastenentwicklung von Cristatella mucedo behandeln. Ehe ich an die Darstellung meiner Untersuchungen gehe, will ich indessen erst mit wenigen Worten das Material und die Methoden er- wähnen, welcher ich mich dabei bediente. Mein Material habe ich aus- schließlich aus dem südlich von Berlin im Grunewald gelegenen Schlach- tensee bezogen, woselbst ich die Cristatella in großer Menge auf den im seichten Wasser stehenden Rohrstengeln und auf den Blättern von Stratiotes aloides vom Juni bis Ende Oktober gefunden habe. Trotz vieler Mühe gelang es indessen nicht, die Kolonien länger als 14 Tage im hiesigen zoologischen Institut am Leben zu erhalten. Dagegen habe ich die vom Februar bis Mai aus den Statoblasten schlüpfenden jungen Gristatellen sehr gut und lange halten können, ohne dass sie eingingen. Von den großen Kolonien wurden die meisten sofort nach dem Ein- fangen konservirt, und zwar war dabei die Hauptschwierigkeit, die- selben so zu konserviren, dass die Einzelthiere möglichst im ausge- streckten Zustande blieben. In dieser Hinsicht hat mir die Betäubungs- methode mit 10%,iger Chloralhydratlösung ausgezeichnete Dienste geleistet, so dass ich dieselbe allen anderen Methoden vorziehe. Die Kolonien wurden direkt aus dem Wasser in die Chloralhydratlösung gebracht, wobei sich zunächst die einzelnen Individuen zurückzogen. Allmählich streckten sie sich aber wieder aus und waren in einigen ! Tageblatt der 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin. 1386. Nr. 5. Sitzungsbericht der Sektion für Zoologie, Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 101 Minuten so betäubt, dass sie sich auf Reize nicht mehr zurückzogen. Sie konnten in diesem Zustande bequem in eine gesättigte Sublimat- lösung gebracht werden, ohne dass ihre Gestalt dadurch verändert wurde. Statt des plötzlichen Überführens in eine Chloralhydratlösung habe ich auch öfters mit demselben Erfolge tropfenweise Chloralhydrat hinzugesetzt. Nachdem die Thiere 10 Minuten in Sublimatlösung gelegen hatten, wurden sie 1/, Stunde in Wasser ausgewaschen und schließlich in Al- kohol konservirt. Auf diese Weise habe ich die besten Präparate er- zielt. Eine andere Abtödtungsmethode, die Thiere aus dem Chloral- hydrat gleich in Alkohol zu bringen, hat sich nicht so gut bewährt, und auch das Tödten durch Osmiumsäure nach oder ohne vorhergegangene Chloralbetäubung gelang nur selten in wünschenswerther Weise. Was ferner die Färbung betrifft, so habe ich nach Osmiumsäuretödtung mit Ammon-Pikrokarmin nicht so gute Präparate erhalten, als mit Borax- karmin (mit kleinem Essigsäurezusatz) nach Sublimattödtung. Bei letz- terer Färbung und genügendem Auswaschen mit 70°/,igem Alkohol und einigen Tropfen Salzsäure habe ich Bilder von vorzüglicher Klarheit und Schärfe bekommen, besonders wenn die Schnitte erst auf dem Objektträger gefärbt wurden. Zur Beobachtung am lebenden Thiere schließlich, namentlich zu den physiologischen Untersuchungen hat mir das von F. E. Scnuıze konstruirte Horizontalmikroskop sehr gute Dienste geleistet. Ich glaubte diese Methoden, die ich nach vielem Versuchen als die geeignetsten erprobt habe, anführen zu müssen, um späteren Beobachtern einige Mühe ersparen zu können, und wende mich nun zur Darstellung der Anatomie. | Zunächst mag die ganze Kolonie als solche betrachtet werden. Es fällt dabei am meisten eine für Cristatella äußerst charakteristische Thatsache in die Augen: die einzelnen Individuen sind alle auf einer flachen, fleischigen, circa 3—6 mm breiten Fußscheibe von sehr ver- schiedener Länge in regelmäßiger Weise angeordnet (Fig. I u. 2). Man findet Kolonien, die nur | mm lang sind, aber auch solche von eirca 30 cm Länge. Die Fußscheibe ist an beiden Enden abgerundet und zeigt in allen ihren Theilen dieselbe Breite, so dass die beiden Seiten- ränder parallel neben einander laufen. Der Querschnitt ist ungefähr ein kleines Kreissegment (Fig. 3), bei dem die Sehne der Sohle und . der Kreisbogen der oberen Decke der Fußscheibe entspricht. Die ganze Außenfläche der Fußscheibe ist vollkommen weich und nackt und zeigt keinerlei Gehäuseausscheidung. Auf der oberen Seite der Fußscheibe 102 Max Verworn, sind nun die einzelnen Individuen zu parallelen Längsreihen in der Weise angeordnet, dass zu beiden Seiten einer Mittellinie, welche die beiden Pole der oberen Decke verbindet, gewöhnlich 2—3 Reihen von Einzelthieren stehen, etwas schräg nach oben und außen gestreckt und zwar mit medianwärts gerichtetem Lophophor. Dabei sind die dem seitlichen Umfange der Scheibe am nächsten stehenden Reihen von Einzelthieren die jüngsten, am wenigsten entwickelten, bis zu Knos- pen herab, die an der Mittellinie stehenden die ältesten (Fig. 3). Das Innere der Fußscheibe ist von einem Ende zum anderen, ent- sprechend den zwischen den Reihen der Individuen verlaufenden Zwischenräumen, durch senkrecht von der Decke zur Sohle reichende, sehr dünne Scheidewände in Längsräume geschieden; und diese Längs- räume sind wieder durch eben solche Quersepten in viele kleine Räume getheilt, deren jeder zur Aufnahme eines Individuums dient, das er durch seine Wände von den benachbarten scheidet. Die Längs- und Quersepten sind zwar nicht mit mathematischer Genauigkeit gerichtet, verlaufen aber doch im Großen und Ganzen parallel bezw. senkrecht zu einander. | . Bei der Besprechung des einzelnen Thieres kann ich mich auf die Darstellung der einzelnen Organsysteme beschränken, da der all- gemeine Habitus der Süßwasserbryozoen, sowie die Lage und Bedeu- tung der Organe durch die Arbeiten älterer Forscher hinreichend be- kannt sind. Das Integument des einzelnen Individuums wird gebildet von einer steil emporstrebenden, cylinderförmigen Fortsetzung der oberen Decke der Fußscheibe. Es ist in ausgestrecktem Zustande etwa 4 bis 411/, mm lang, mit sehr dünner, faltbarer Wand und entspricht der Endocyste der übrigen Bryozoen. Den Namen Endocyste verdient dieses Gebilde bei Cristatella nicht, weil ihm hier keine der Ektocyste homologe Bildung zur Seite steht. Eine solche Ektocyste, wie sie die anderen Bryozoen, besonders die Meeresformen in so bedeutender Ent- wicklung zeigen, als ein von der Endocyste ausgeschiedenes festes Ge- häuse, in das sich die Thiere zurückziehen können, fehlt Cristatella vollständig. Bei Cristatella ist sowohl der ganze Stock, als auch die einzelnen Thiere vollkommen nackt. Um daher den Namen »Endo- cyste« zu vermeiden, möchte ich lieber den alten Ausdruck »Cystid« beibehalten, ohne jedoch damit die Ansicht adoptiren zu wollen, dass Cystid und Polypid zwei verschiedene Individuen sind. Eine Duplikatur, wie sie die Endocyste der übrigen Bryozoen zeigt, ist bei Cristatella nicht vorhanden; das Cystid wird vielmehr stets in seiner ganzen Länge und ganz gerade ausgestreckt. Nur die Grenze Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 103 des Cystids und des Lophophors ist durch eine flache ringsherum ver- laufende Einkerbung angedeutet. Der Verdauungstractus gliedert sich in anatomischer Be- ziehung in drei Theile: den Vorder-, Mittel- und Enddarm. Der vom Epistom überdeckte Vorderdarm ist kreisrund auf dem Querschnitt und lässt zwei histologisch scharf von einander gesonderte Theile er- kennen, so dass man an demselben passend einen Pharynx und einen Ösophagus unterscheiden kann. Die Wand des ersteren ist die un- mittelbare Fortsetzung der unteren Seite des Epistoms. Vom Mittel- darm ist der Vorderdarm geschieden durch eine Ringklappe, d. h. durch eine im Darmlumen ringsherum an der Wand befindliche, be- wegliche Leiste. Dieselbe kann kegelförmig nach oben oder unten ge- richtet werden. Nırsche, der nur den letzteren, allerdings häufigeren Zustand beobachtet hat, spricht daher von einer »konischen Projektion«, mit welcher der Ösophagus in den Magen hineinragt. Der Mitteldarm oder Magen, in welchem Arıman zwei Abtheilungen unterscheiden zu können glaubt, nämlich einen Cardial- und einen Pylortheil, ist bei Cristatella ein einheitliches Gebilde und zeigt in seinem Inneren eine * Anzahl von Längsfalten, die an seinem blinden Ende verstreichen. Der Querschnitt des Magens hat daher bei kreisföormigem Umfange ein stern- förmiges Lumen. Sein Längsdurchmesser ist ungefähr vier- bis fünfmal so groß als der des Vorderdarms. Ungefähr in seiner Mitte entspringt mit einer nicht eben großen Öffnung der Enddarm oder das Rectum mit kreisrundem Querschnitt, welches in gefülltem Zustand blasenähn- lich aufgetrieben ist und durch einen verhältnismäßig kleinen Anus an der Cystidwand unterhalb der Lophophorarme nach außen mündet. Ich will hier Gelegenheit nehmen, um einige Ausdrücke einzu- führen, die zur leichteren Orientirung am Thier dienen sollen. ALzman und Nırsche bezeichnen nach Huxıey’s Vorgang diejenige Seite des Thieres, nach welcher sich die Lophophorarme vorstrecken, als Neural- seite, weil hier der Ganglienknoten liegt, die gegenüberliegende Seite als Hämalseite. Da letztere Bezeichnung nur auf einem Vergleich mit den Tunicaten beruht, so trägt Nırscnz zwar Bedenken, diese Bezeich- nungsweise anzunehmen, sieht sich aber schließlich doch dazu ge- nöthigt, da ihm die anderen Bezeichnungen noch unpassender erschei- nen. Ich möchte nun, um diese Schwierigkeit zu beseitigen, vorschla- gen, die Benennung dieser beiden Seiten nach der Eingangs- und Ausgangsöffnung des Darmtractus zu wählen. Derselbe liegt in der Medianebene des Thieres und charakterisirt die eine Seite durch die Ausmündung des Anus als Analseite, während die entgegengesetzte Seite ganz gut als Oralseite bezeichnet werden kann. Man hat dann 104 Max Verworn, den Vorzug, dass diese Benennungen von thatsächlichen Verhältnissen entnommen sind. Im Anschluss an den Ver dakunesikaeuen: sei hier der Lophophor mit der Tentakelkrone angeführt, der wegen seiner Hauptfunktion als nahrungszuführendes Organsystem am besten bei der Besprechung des Verdauungssystems seinen Platz findet. Der Lophophor von Cristatella (Fig. 4) kann besser mit einer Lyra als mit einem Hufeisen verglichen werden, da die Spitzen der Arme nach außen umgebogen sind. Auf den Armen stehen an den Innen- und Außenseiten zusammen etwa 80 his 90 bewimperte Tentakel, die beim ruhig ausgestreckten Thier so gestellt sind, dass diejenigen der beiden Innenseiten mit den Spitzen nach der Mitte zu einander geneigt, die der beiden Außenseiten seit- wärts nach außen gebogen sind. Dabei stehen die Tentakel jeder Reihe in gleicher Richtung. Um das untere Viertel der Tentakel zieht sich auf der Außenseite eine durchsichtige Membran, die sog. Intertentaku- larmembran, welche alle Tentakel unter einander verbindet. Ein Respirationssystem im eigentlichen Sinne fehlt wie bei allen Bryozoen. Möglicherweise aber dienen die Tentakel als respira- torische Organe. Ein differenzirtes Cirkulationssystem ist eben so wenig vor- handen. Doch muss an dieser Stelle bemerkt werden, dass innerhalb der ganzen Leibeshöhle einschließlich der Lophophorhöhle und der Hohlräume der Fußscheibe ein beständiger Wasserstrom eirkulirt, der kleine Körperchen, wie losgerissene Gewebselemente etc. in seinen Strudel hineinzieht und dieselben dann immer in derselben Bahn um- hertreibt. Dieser Strom wird hervorgebracht durch ein Wimperepithel, welches sich in der Leibeshöhle befindet. Das Genitalsystem beschränkt sich auf den Funiculus, der als ein Ovarium zu betrachten ist, in dem sich die Statoblasten entwickeln. Er ist ein dünner Faden, welcher das blinde Ende des Magens mit der gegenüberliegenden Stelle der Fußsohle verbindet. Das Muskelsystem der Süßwasserbryozoen hat Nırscue sehr zweckmäßig in zwei Gruppen gebracht: die eine umfasst diejenigen Muskeln, welche zu Tunicae museulares zusammentreten, und die zweite alle freien, von den Körperwänden getrennten Muskeln. Bei Cristatella sind die Verhältnisse des Muskelsystems sehr einfach. Die erste Gruppe, d. h. also Tunicae musculares, findet sich überall da, wo zwei Gewebsschichten zu einer Fläche zusammentreten. Sie werden bei der Darstellung der histologischen Verhältnisse Erwähnung finden. Die zweite Gruppe umfasst bei Cristatella nur drei Paare von Muskel- bündeln. Erstens die Elevatoren des Epistom (Fig. 20 m, 21 mn), welche Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen, 105 innerhalb des Epistom auf beiden Seiten von der Spitze desselben nach der gegenüberliegenden Leibeswand gehen. Dieselben sind nicht, wie man glaubte, ein einziges Muskelbündel, sondern ebenfalls paarig. Dies ist für die Bewegungen des Epistom von Bedeutung, indem sich näm- lich dasselbe bei dieser Anordnung der Muskeln auch einseitig zu be- wegen im Stande ist. Das zweite und dritte Paar der freien Körper- muskeln bilden die »großen Bewegungsmuskeln des Polypids«, wie NırscHe dieselben nennt. Sie setzen sich zusammen aus dem Bündel- paar der Retractoren, die zu beiden Seiten des Pharynx, etwas anal- wärts, der Mittelebene genähert, direkt unter dem Epistom am Ganglion entspringen, und den Rotatoren der Tentakelkrone, die mehr seitwärts vom Ganglion, der Cystidwand genähert, von der Basis der Tentakel- krone ihren Ursprung nehmen. Weiter abwärts an der Länge des Darmtractus habe ich keine Ursprünge von Muskelfasern, wie sie Nırsche von Alcyonella beschreibt, gefunden. Beide Paare der großen Bewegungsmuskeln des Polypids gehen nach abwärts zur Sohle der Fußscheibe, an der sie sich als starke Längsfäden inseriren. Ein Theil tritt meistens schon vor der Berührung mit der Sohle an die Septen der Fußscheibe und verläuft im unteren Theile derselben dann zur Sohle. Wichtig ist, dass bei Cristatella in Folge des gänzlichen Mangels einer Duplikatur an der Cystidwand weder vordere noch hintere Parietovaginalmuskeln zur Entwicklung kommen. Dagegen befindet sich auf der Oralseite des Thieres, dort, wo die seichte Ringfurche um die Cystidwand herumläuft, inwendig eine dünne Lamelle, welche horizontal zwischen der oralen Hälfte der Cystidwand und der gegen- überliegenden Wand des Pharynx ausgespannt ist. Auf der analen Hälfte fehlt dieselbe. Obgleich sie keine Muskelfasern enthält, dient sie wohl jedenfalls dazu, den Darmtractus, der sonst ganz frei in die Körperhöhle hineinhängt, an der Cystidwand zu befestigen. An der analen Seite ist eine solche Befestigung überflüssig, da hier der Darm- tractus durch den Anus mit der Gystidwand verbunden ist. Das Nervensystem besteht aus einem Ganglion und zwei Ner- vensträngen für die Lophophorarme. Ersteres (Fig. 4 g, 21 g) liegt der analen Wand des Pharynx an, dicht unter dem Epistom. Es ist un- gefähr nierenförmig und mit der konvexen Seite nach außen, mit der konkaven, durch eine tiefe horizontale Furche eingekerbten Seite nach dem Pharynx gewandt. Von den beiden Seiten gehen die Nerven- stränge für die beiden Lophophorarme ab, welche an der oberen Decke der Arme bis an deren Ende verlaufen. Einen Schlundring, wie ihn Nırscne bei Aleyonella beschrieben hat, habe ich bei Cristatella niemals gefunden. Reınnarn giebt einen solchen auch bei Cristatella an, bildet 106 Max Verworn, ihn aber so schematisch ab, dass histologische Details nicht zu bemer- ken sind. Übrigens sei hier noch erwähnt, dass Nırschz selbst später sagt, er habe sich von dem wirklichen Vorhandensein eines Schlund- rings neuerdings nicht wieder überzeugen können!. Es erscheint mir daher das Vorkommen eines solchen mindestens sehr zweifelhaft. Schließlich möge noch ein Wort über die Sinnesorgane Platz haben. Nırscu£ beschreibt bei Aleyonella starre Borsten an den Ten- takeln, welche auf der Außenseite derselben in größeren Abständen von einander stehen. Bei Cristatella konnte ich dieselben nicht auf- finden. Trotzdem aber ist zweifellos, dass die Tentakel sensibel sind, da auf jeden geringen Reiz, der dieselben trifft, mit einer Bewegung des betroffenen Tentakels, bei heftigeren Reizen mit Retraktion des ganzen Thieres geantwortet wird. Diese hohe Reizbarkeit fehlt der ganzen übrigen Körperoberfläche. Ich schließe die Darstellung der Anatomie mit einer kurzen Zu- sammenfassung der für Cristatella eigenthümlichen anatomischen Ver- hältnisse. Dieselben liegen in dem Vorhandensein einer (beweglichen) Fußscheibe, auf der die Individuen in parallelen Reihen angeordnet sind, ferner dem gänzlichen Mangel einer Ektocyste, sowie dem Fehlen einer Duplikatur der Endocyste und dem dadurch bedingten Wegfall der vorderen und hinteren Parietovaginalmuskeln und schließlich der verhältnismäßig großen Zahl von Tentakeln. Die histologischen Verhältnisse. Die beschriebenen Organe bieten nunmehr Gelegenheit, die Dar- stellung, welche Nırschz von Alcyonella gegeben hat, auch bei Crista- tella in vielen Punkten zu bestätigen. Dadurch wird eine genauere Besprechung dieser Punkte überflüssig. In manchen Beziehungen da- gegen wird die Schilderung Nırscue’s modifieirt resp. korrigirt wer- den können, und schließlich wird eine Reihe speciell für Cristatella höchst charakteristischer Eigenthümlichkeiten zur Sprache kommen. Was zunächst die Bezeichnung der Körperschichten in Bezug auf ihre Abstammung von den Keimblättern betrifft, so ist es durch die Untersuchungen von KrarpzLin (l. c.) wahrscheinlich geworden, dass die ganze äußere Zellschicht des Integuments vom Ektoderm, die innere Überkleidung der Körperhöhlen vom Mesoderm, und das innere Epithel des Darmtractus vom Entoderm gebildet wird. Ich will, um überhaupt eine Benennung zu haben, diese Auffassung, die mir auch als die rich- tige erscheint, vorläufig adoptiren, bis eine genauere Untersuchung der 1 H. NiıtschE, »Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen«. in: Diese Zeitschr. Bd. XXV. Suppl. Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 107 Entwicklungsgeschichte, welche bis jetzt noch fehlt, diese Verhältnisse mit Sicherheit klar gelegt hat. An der ganzen Kolonie zeigt die Fußscheibe entschieden die ab- weichendsten histologischen Verhältnisse. Die Wand derselben besteht, an der Decke sowohl wie an der Sohle, aus der für alle Integument- bildungen der Süßwasserbryozoen typischen drei Schichten: einer äußeren Ektodermlage, einer mittleren Muskelfaserschicht und einer mesodermalen Plattenepithellage. Der ektodermale Überzug der oberen Seite der Fußscheibe (Fig. 5 und 6 ec) besteht aus einer einfachen Lage von großen, blasen- förmigen Zellen, die einen wandständigen Kern mit wenig umgeben- dem Protoplasma besitzen. Die Kerne sind wie die Kerne aller Ge- webe elliptisch oder rund, circa 0,003—0,008 mm lang, und besitzen ein sehr deutliches, sich dunkel färbendes Kernkörperchen. Der ganze übrige Hohlraum der durch eine feste Membran begrenzten Zellen ist mit einer durchsichtigen, klaren, schleimigen Masse erfüllt, welche bei Schnittpräparaten durch die angewandten Reagentien zu einem Klum- pen zusammenschrumpft und sich von den Wänden der Zellen zurück- zieht, oft noch im Zusammenhang mit dem Protoplasma und Kern. Diese äußere Umhüllung der Kolonie durch ein Epithel von Schleim- zellen ist das Homologon jener sekretorischen Ektodermhülle der übri- gen Bryozoen, welche die festen, erhärtenden Ausscheidungen zur Bildung der Ektoceyste liefert. Bei Berührungen oder Verletzungen der äußeren Schleimzellenlage ist die Sekretion so stark, dass eine kleine Kolonie an der berührenden Nadel oder Glasröhre kleben bleibt. Die ektodermale Schicht der Sohle (Fig. 7, 8 und 9 ec), mit wel- cher die ganze Kolonie langsam kriechende Bewegungen auszuführen im Stande ist, zeigt außer der eben beschriebenen Art von Zellen zwi- schen diesen noch lange cylinderförmige Drüsenzellen mit verbreiter- ten und sich unter einander berührenden Basen. Diese Cylinderzellen reichen über die ganze Sohle bis hart an die beiden Seitenränder, wo Sohle und obere Decke in einander übergehen. Hier setzen sie ganz plötzlich aus, so dass auf der oberen Decke keine Spur von ihnen zu finden ist. Sie enthalten außer dem meist in der Mitte liegenden Kern einen sich mit Karminfarbstoffen ziemlich dunkel färbenden Inhalt, in dem sich zuweilen eine oder zwei Flüssigkeitsvacuolen vorfinden. In der durch ihre Basen gebildeten dünnen Schicht, welche über die ganze Sohle ausgebreitet ist, befinden sich kleine Poren, die den zwi- schen den CGylinderzellen gelegenen Schleimzellen zum Entlassen des Sekretes dienen. Die CGylinderzellen spielen bei der Bewegung der Kolonie eine große Rolle, indem sie eine dünne, durchsichtige, chitinöse 108 Max Verworn, Gleitmembran von hellgelber Farbe ausscheiden, auf welcher die Kolo- nie langsam fortkriecht. Dadurch ist eine glatte Fläche geschaffen, so dass die Reibung, welche das Kriechen hindern würde, bedeutend ver- mindert wird, und ein mäßiger Kraftaufwand genügt, dieselbe zu über- winden. Ist die Kolonie eine Strecke weit fortgekrochen, so kann man die an die Unterlage (das Blatt ete.) angeheftete Gleitmembran davon ablösen und findet, dass sie in ihrer Breite genau der Breite der Kriech- sohle entspricht. Die Muskelfaserschicht der Fußscheibe (Fig. 6, 8 und 9) ist von dem Ektoderm getrennt durch eine sehr dünne homogene Mem- bran, an welcher die Fasern anliegen. Die letzteren sind von den Zel- len des inneren Mesodermüberzuges ausgeschieden und bestehen aus zwei Lagen, einer die Länge der Kolonie durchziehenden Längsfaser- schicht und einer inwendig darüber liegenden Querfaserschicht. Beide enthalten dünne Muskelfäden, die im Allgemeinen innerhalb derselben Schicht parallel laufen, so dass die Fasern der Längsfaserschicht die der Querfaserschicht ungefähr unter rechtem Winkel schneiden. Die Details dieser Schicht hat Nırschz schon in seiner vortrefflichen Arbeit über Aleyonella so genau angegeben, dass ich füglich auf eine fernere Darstellung derselben verzichten kann. Die mesodermale Epithelschicht zeigt, wie fast im ganzen Thiere, den Charakter einer sehr dünnen Plattenepithellage (Fig. 6, 8 und 9), die nur an den Stellen, wo die flachen Kerne liegen, geringe Erhöhungen besitzt. Wie es scheint, ist der ganze Mesodermüberzug oder doch ein großer Theil desselben mit Wimpern besetzt. Nırsch# hat dieses Flimmerepithel bei Aleyonella ebenfalls gesehen, und zwar hauptsächlich auf der vorderen Partie der Endocyste, während es auf dem hinteren Theile derselben und auf der Tentakelscheide dünner wird, so dass hier die Flimmerhaare in einzelnen Bündeln zerstreut stehen. Auch aus der Wirkung ist das Vorhandensein eines Cilienbesatzes auf den Wänden der Leibeshöhle außer Zweifel gestellt; doch ist es mir nur am äußeren Darmepithel gelungen, denselben wirklich zu beob- achten (Fig. 22 m). Die Flimmerhaare sind sehr kurz und werden dess- halb leicht übersehen. Ich habe sie nur am lebenden Thier beobachten können, bei Präparaten habe ich sie nie mit Sicherheit wahrgenommen. Ganz vom Mesoderm gebildet sind die den Hohlraum der Fuß- scheibe durchziehenden Septen (Fig. 12 und 13), welche sich aus einer hyalinen Stützmembran aufbauen, an die sich zu beiden Seiten eine von oben nach unten verlaufende Längsfaserschicht und das eben be- schriebene Plattenepithel dicht anlegen. Eine Schicht von Querfasern, die in der Ebene des Septum senkrecht zu den Längsfasern verlaufen, Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 109 ist meist so wenig entwickelt, dass sie nur selten zu bemerken ist. Oft fehlt sie ganz. Das Integument des einzelnen Individuums ist die direkte Fortsetzung der oberen Decke der Fußscheibe und besteht in Folge dessen auch aus denselben drei Schichten, deren äußere allerdings eine Veränderung zeigt. Dort, wo die Fußscheibe in die Cystidwand über- geht, werden die Zellen des Ektoderms flacher (Fig. 11 ec), wobei der schleimige Inhalt verschwindet, und bilden nun auf der Cystidwand ein dünnes Plattenepithel, das in der Flächenansicht (Fig. 10) polygo- nale Zellen erkennen lässt mit einem von wenig Protoplasma umgebe- nen Kern. Zwischen den Plattenepithelzellen liegen ab und zu große, rundliche Zelien von blasenförmigem Aussehen, welche die Oberfläche des Cystids weit überragen. Sie sind nicht, wie Nırscue bei Alcyonella gefunden hat, von den ektodermalen Plattenzellen überdeckt, sondern liegen in der That zwischen ihnen und machen zuerst den Eindruck dort angehefteter einzelliger Parasiten. Ihr Vorkommen ist nur auf die Cystidwand und die Tentakelkrone beschränkt, woselbst sie unregel- mäßig zerstreut sind. Sie enthalten einen sehr flachen, wandständigen Kern, der den Charakter der übrigen Zellkerne trägt und dadurch be- weist, dass die Zellen wirkliche Gewebselemente und nicht Parasiten sind. Der Hohlraum dieser Zellen ist ausgefüllt mit einer hellen Flüs- sigkeit, in welcher ein oder mehrere Kügelchen von heller, gelbgrüner Farbe mit doppelter Kontour liegen. Die Zellmembran ist im Gegen- satz zu denen der übrigen Zellen sehr dick. Oft kann man zwei oder mehrere Zellen dieser Art dicht neben einander liegend antreffen, welche offenbar zeigen, dass sie aus Theilung einer einzigen hervorge- gangen sind. Die beiden anderen Schichten des Cystids sind wieder die typi- schen: eine mittlere Muskelfaserschicht, bestehend aus einer äußeren Lage von Ring- und einer inneren von Längsfasern, beide einer homo- genen Membran aufgelagert, und ferner eine innere Mesodermschicht, welche den eben bezeichneten Charakter des mesodermalen Epithels trägt. Ganz dieselben Schichten, welche das Cystid zusammensetzen, bilden auch die Wände des Lophophors und der Tentakelkrone, die daher keine besondere Beschreibung erfordern. Die Tentakel selbst aber verlangen eine genauere Betrachtung. Sie sind als Ausstülpungen der Lophophorhöhle zu betrachten, welche letztere ihrerseits wieder mit der Leibeshöhle kommunieirt. Da der Modus der Ausstülpung nicht ganz einfach ist, so wird eine eingehendere Darstellung desselben am Platze sein. Die Betrachtung beschränkt sich dabei auf einen Lopho- 110 Max Verworn, phorarm. Dieser hat auf dem Querschnitt ungefähr halbkreisförmige Gestalt, der Bogen ist unten, die Sehne oben (a). Die obere Fläche des Armes ist längs der beiden Ränder in der Richtung nach oben in je eine Längsfalte ausgebuchtet (5), deren nach der Mitte des Lophophor- armes gerichteter Rand von der Oberseite gesehen wieder in wellen- förmige Falten gelegt ist, die um so stärkere Faltung zeigen, je mehr man sich von der Oberseite des Armes nach oben entfernt. Noch wei- ter nach oben berühren sich die nach außen konvexen Ränder der Wellenfalten unter einander und bewirken so, dass die nach innen konvexen Ränder zu rund herum abgeschlossenen Hohleylindern wer- den, welche nur noch durch eine dünne Haut mit dem äußeren Rande zusammenhängen. Diese Hohleylinder entfernen sich schließlich ganz aus dem Zusammenhange mit der großen Längsfalte, welche die Inter- tentakularmembran repräsentirt, und verlängern sich fingerförmig nach oben als Tentakel des Lophophors. ©... Q an oo & O9... © D&D, ,© Sr: ©) Se) SNK!) Sie) b 6 d e Fr Fig. a —f. Die histologische Beschaffenheit der Tentakel ist gemäß der eben beschriebenen Verhältnisse ebenfalls in verschiedener Höhe verschie- den. Ganz an ihrer Basis ist ihr Ektodermüberzug aus sehr niedrigen Wimperzellen gebildet (Fig. 15), die aber um so höher werden, je wei- ter sich oben der Schluss der Röhre vollzieht (Fig. 16, 17, 18). Daher erhält man auf Querschnitten in verschiedener Höhe durch die Ten- takel sehr charakteristische Bilder, bei denen die Zahl, Anordnung, Form und Bewimperung der Zellen in gleicher Höhe stets auf allen Tentakeln dieselbe ist (Fig. 15, 16, 17,18, 19). Während bis zu circa !/; der Tentakelhöhe die Wimpern auf dem ganzen Umfang des Tentakels stehen, ist ungefähr von dieser Höhe an die Bewimperung derart ver- theilt, dass nur die nach der Mitte des Lophophorarmes gerichtete Seite der Tentakel bewimpert ist, und eben so wieder die beiden seitlichen nach außen gerichteten Ecken der gegenüberliegenden Wand des Ten- takels, dass dagegen alle dazwischen liegenden Theile der Wimpern Ce nenne en En Zee nn Sec enec n an Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 111 ermangeln. Und zwar sind auf allen Schnitten immer ganz bestimmte Zellen mit Wimpern versehen und andererseits ganz bestimmte Zellen frei von Bewimperung. Dieser histologischen Trennung in der Bewim- perung entspricht auch eine physiologische, indem nämlich auf der inneren Seite des Tentakels der Cilienschlag sich so zusammensetzt, dass er auf der einen Reihe längs des Tentakels herablaufende, auf der anderen Reihe emporsteigende Wellen erzeugt. Der innere Überzug des Tentakellumens ist aus einer Stützmem- bran mit Längsmuskelfasern und daran liegenden Mesodermzellen ge- bildet, welche letzteren ebenfalls eine ganz bezeichnende Lage haben, indem ihre Kerne symmetrisch an den Wänden des Lumens angeordnet sind. Die Intertentakularmembran reicht nur bis zu eirca 1/,—!/, der Tentakelhöhe hinauf, wo die vollständige Lostrennung der Tentakel erfolgt. Sie besteht aus einer doppelten Lage von sehr dünnem Platten- epithel, welche einer Falte des Ektoderms entspricht, in die das Meso- derm nicht mit eingeht. Der Darmtractus ist entsprechend seinen anatomisch unter- scheidbaren Theilen auch histologisch sehr different. Er zeigt ebenfalls die typischen drei Schichten: innen das entodermale Darmepithel, in der Mitte die Muskelschicht und außen das mesodermale Epithel der Leibeshöhle. Das Epistom (Fig. 21 ep) trägt außen eine Schicht Wimperzellen, welche an seiner Oberseite niedrig und mehr breit als hoch sind, auf der Unterseite dagegen eine beträchtliche Höhe erreichen, um so mehr, je näher sie der Basis des Epistoms stehen. Zwischen sich lassen die hohen Zellen der Unterseite schmale Spalträume frei, so dass sie unter einander nur am oberen und unteren Ende im Zusammenhang stehen. Ihre Kerne liegen an der Basis. Der Vorderdarm ist, wie schon früher bemerkt, histologisch in zwei scharf gesonderte Theile geschieden. Der erste, der Pharynx, ist in seinem inneren Epithel die direkte Fortsetzung der Wimperbekleidung des Epistoms und zeigt sehr lange schmale Wimperzellen, die sich eben so wie die des Epistoms ziemlich dunkel färben und durch Spalträume von einander getrennt sind (Fig. 24). Ungefähr in der Mitte des Vorderdarms schneiden die Wimper- zellen plötzlich ab (Fig. 21), und es beginnt das Epithel des Ösophagus. Die Ösophaguszellen (Fig. 25) sind ebenfalls lange, schmale Cylinder- zellen, die aber keine Wimpern tragen und sich im Gegensatz zu den Pharynxzellen nicht färben. Vielmehr enthalten sie einen hellen Zell-. saft, der nur an der Spitze der Zelle etwas körnig wird und dem ganzen ‚Epithel daher einen dünnen, etwas dunkleren Saum verleiht. Auch 112 Max Verworn, liegen die Kerne nicht so regelmäßig an der Basis, sondern erscheinen häufig nach der Mitte gerückt (Fig. 21 und 25). Schließlich sind die Zellgrenzen nicht so geradlinig, wie die der pharyngealen Wimper- zellen, und die einzelnen Zellen liegen dicht an einander, ohne durch Spalträume getrennt zu sein. Diese histologischen Verschiedenheiten dürften genügen, um die Trennung des Pharynx vom Ösophagus zu rechtfertigen. Nach unten ist der Vorderdarm begrenzt durch die Ringklappe (Fig. 21), deren Oberseite noch den Charakter des Ösophagusepithels zeigt, das erst an der Umbiegungsstelle in das Magenepithel übergeht. Das innere Epithel des Magens beansprucht am ganzen Darmtractus entschieden das meiste Interesse. Das Lumen des Magens hat, wie schon erwähnt, auf dem Querschnitt sternförmige Gestalt. Dieselbe wird, wie auch NırscHe an Alcyonella beobachtet hat, dadurch bedingt, dass diejenigen Zellen, welche die Längswülste der Magenwand bilden, an ihrem freien Ende keulenförmig angeschwollen und stark verlängert sind (Fig. 26), während die zwischen den Wülsten stehenden Zellen vorn mehr spitz und verhältnismäßig kurz sind (Fig. 27). Es ist diese Art der Oberflächenvergrößerung in so fern zu beachten, als dieselbe nicht auf einer eigentlichen Faltenbildung beruht. Von größerem Inter- esse aber ist, dass die Zellen, welche auf den Wülsten stehen, sich histologisch und physiologisch von denen unterscheiden, welche die dazwischen liegenden Furchen bilden. Abgesehen von der durch die Wulstbildung bedingten Gestaltsverschiedenheit zeigen die hohen Wulstzellen in ihrer Länge meist ein bis zwei dünne Querwände, die, wie es scheint, durch verhärtete Sekretoberflächen gebildet werden. Diese Eigenthümlichkeit fehlt den niedrigen Furchenzellen. Ferner ist der graue feinkörnige Inhalt der Wulstzellen an ihrem keulenförmigen Ende stets viel dunkler als in dem übrigen Zelllumen; oft ist sogar die obere Zellgrenze von dem feinkörnigen Sekret ganz durchbrochen, so dass das letztere frei in den Magen hineintritt. Die Furchenzellen sind oben und unten stets gleichmäßig von ihrem Inhalt erfüllt und zeigen auch scharfe obere Grenzen. Bei beiden Zellarten liegen die Kerne an der Basis. Dass die physiologische Funktion dieser Zellen eine ver- schiedene ist, tritt auf jedem Präparate mit ungemeiner Deutlichkeit hervor, indem sich nämlich das Sekret der Wulstzellen gar nicht färbt, während die Furchenzellen stets in ihrer ganzen Ausdehnung eine dunkle Färbung annehmen. Dadurch entstehen auf Querschnitten sehr hübsche, regelmäßige Bilder von der größten Zierlichkeit (Fig. 23). Das Sekret der Wulstzellen ist eine schleimige Masse, welche die Speise- theile einhüllt und unter einander zu einem Brei verbindet. Die physio- Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 113 logische Bedeutung der Furchenzellen ist mir nicht unzweifelhaft klar geworden. Übrigens will ich hier bemerken, dass ich das braune Pig- ment, welches Nırscue bei Aleyonella beschreibt, an meinen Präparaten von Cristatella nicht gefunden habe. Im oberen und unteren Theile des Magens ist die Struktur die gleiche, so dass mir eine Sonderung des Magens in Cardial- und Pylortheil, wie sie Arıman macht, nicht nothwendig erscheint. Dagegen ist wieder das Rectum scharf vom Magen gesondert. Die Zellen desselben zeigen unter einander keinerlei Differenzirungen oder Wulstbildungen; der Querschnitt des Rectums ist daher rund. Die Zellen (Fig. 29) sind viel niedriger und etwas breiter als die des Magens, am niedrigsten an der Seite, wo das Rectum mit dem Darm verwach- sen ist. Sie zeigen einen oberen dunkleren Saum und scharfe Zell- grenzen, und gleichen den Wulstzellen des Magens in dem Vorhanden- sein von Querwänden innerhalb des Zelllumens. Die Kerne liegen an der Basis von wenig Protoplasma umgeben. Der Zellsaft ist hell und färbt sich nicht. Sie scheinen ebenfalls noch sekretorischen Charakter zu besitzen. Der Mechanismus der Verdauung, den ich mit dem Horizontal- mikroskop am lebenden Thier sehr gut beobachten konnte, ist folgen- der. Die Diatomeen und Desmidiaceen, welche dem Thier zur Nahrung dienen, werden durch den Strudel, den die Bewimperung der Tentakel- krone im Wasser verursacht, in den Vorderdarm geführt. Am Grunde desselben bleiben sie einige Zeit liegen, bis sich eine größere Menge angesammelt hat. Ist dies geschehen, so wird die Nahrung durch eine _ am Vorderdarm von oben nach unten wellenförmig verlaufende Ein- schnürung durch die Ringklappe in den Magen gedrängt. Hier beginnt die Magenperistaltik. Am oberen Theile des Magens tritt, wie vorher | am Ösophagus eine ringförmige Einschnürung auf und schließt das ‚ Lumen des Magens zu. Indem diese Einschnürung von oben nach unten fortschreitet, wird die Speisemasse vor derselben hergetrieben, bis sie das blinde Ende erreicht hat. Hier kann die Speisemasse nicht weiter. Da aber die Ringwelle nicht sofort erlischt, so tritt eine Spannung des blinden Darmendes ein, die, sobald ihre Kraft die der erlöschenden ‚ Ringwelle übersteigt, den Nahrungsbrei mit großer Heftigkeit durch “die enge Öffnung des zusammengeschnürten Darmlumens wieder in ‚den oberen Theil des Magens zurückspritzen lässt. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrere Male hinter einander in ziemlich regelmäßigen ‚ Zwischenräumen, dann hört die Peristaltik wieder auf. So wird ein sehr gründliches Durchtränken des Nahrungsmaterials mit den Darm- ‚sekreten bewirkt. Nach kurzer Zeit, während welcher der Speisebrei Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. S 114 Max Verworn, ruhig im Magen liegen bleibt, um resorbirt zu werden, tritt eine neue Nahrungsmasse aus dem Ösophagus in den Magen, die dem gleichen Process unterliegt. Bei der weiteren Peristaltik des Magens werden schließlich die Speisereste, die unverdaulich sind, in das Rectum ge- drängt. Die Massen, welche man hier antrifft, haben alle schon den Charakter von Steffen an sich, die der nahrhaften Elemente beraubt sind. Sie bestehen zum größten Theil aus farblosen Diatomeenpanzern und eben solchen Zellhäuten, die durch ein schleimiges Sekret zusam- mengeballt sind. Ob noch eine wirkliche Verdauung, d. h. Durch- tränkung mit Verdauungssekreten und Resorption, im Rectum statt- findet, erscheint danach zweifelhaft. Im Reetum sammeln sich schließ- lich große Mengen der unverdauten Stoffe an, und treiben dasselbe . blasenartig auf, so dass es bei Präparaten mitunter zerreißt. Schließlich werden die Exkremente durch Kontraktionen des Rectums aus dem Anus nach außen gepresst. | Was den mesodermalen Überzug des Darmtractus betrifft, so ist derselbe mit Ausnahme des blinden Endes der gleiche wie an den übrigen Theilen der Leibeshöhle (Fig. 2! m), nur fehlen die Längs- muskelfasern. Das blinde Ende des Magens hat in Einklang mit der eben angeführten physiologischen Leistung eine etwas andere Beklei- dung. Zunächst ist die Ringmuskelschicht sehr stark entwickelt (Fig. 22 mu). Die einzelnen Muskelfasern sind nicht mehr von einander zu unterscheiden, sondern vereinigen sich zu einer homogenen Schicht von ziemlicher Dicke, in der man nur als letzte Andeutung der Ring- fasern eine feine ringsherum verlaufende Streifung bemerkt. Auch die äußere mesodermale Epithelschicht des blinden Magenendes hat ein abweichendes Aussehen. Die Zellen sind kubisch bis eylindrisch geworden und werden erst wieder flach, wo sie zum Funiculus über- treten (Fig. 22 m). Das blinde Ende des Magens ist, wie schon bemerkt, die einzige Stelle, wo ich an der inneren Leibeswand die Bewimperung mit Sicherheit feststellen konnte. _ Nachdem mit der Beschreibung des äußeren Darmepithels zu- gleich die Darstellung des inneren Überzuges der Leibeshöhle beendigt ist, erübrigt es noch ein Wort über die Art und Weise zu sagen, wie dieselbe mit der äußeren Umgebung kommunicirt. An der Basis des inneren Tentakelkranzes, und zwar zwischen den beiden Tentakeln, welche als die innersten im Bogen dem Epistom gerade gegenüber | stehen, liegt eine kleine Öffnung, welche die äußere Mündung zweier ganz kurzer Kanäle repräsentirt, deren innere Öffnungen nach der Leibeshöhle hin dem Ganglion gegenüber liegen. Die beiden Kanäl- chen (Fig. 20a, s), die eigentlich ihrer Kürze wegen kaum diesen Namen Beiträge zur Keuntnis der Süßwasserbryozoen, 115 verdienen, werden von einer einzigen Lage kubischer Mesodermzellen gebildet, welche mit Wimpern besetzt sind. An der inneren Öffnung setzen sie sich unmittelbar in das Mesodermepithel der Leibeshöhle fort, außen grenzen sie an das Ektoderm des Lophophors. Beide Kanäl- chen vereinigen sich kurz vor ihrer äußeren Mündung zu einem ein- zigen (Fig. 20 5). Dieses kleine Organ erscheint desshalb bemerkenswerth, weil Hırscaek das Homologon desselben bei Pedicellina als Exkretionsappa- rat deuten zu können glaubt!. Auch bei anderen Endoprocten hat Jorer? das gleiche Organ aufgefunden und die Ansicht Harscnee’s be- stätigt. Es scheint demnach, als ob in der That diese kleinen Kanäl- chen, die sich übrigens bei den von Harschzk und JoLier untersuchten Endoprocten viel höher ausgebildet zeigen als bei Cristatella, als Homo- ‚loga der im Wurmtypus verbreiteten Segmentalorgane aufzufassen sind, ‚wenn vielleicht auch ihre Funktion eine etwas andere ist. Das Genitalsystem. Wie oben bemerkt, kommt bei seiner Be- ‚sprechung nur der Funiculus in Betracht. Die Untersuchung desselben ergab mir ein von Nıtsene’s Darstellung etwas abweichendes Resultat. Nirsche giebt an, dass der Funiculus » aus einer eylinderförmigen Fort- setzung der homogenen Membran der Tunica muscularis als Grundlage besteht, mit welcher lange Fasern verbunden sind, die den Längsfasern ‚des hinteren Theiles der Endocyste so ähnlich sehen, dass man wohl berechtigt ist, sie für Muskelfasern zu halten. Das Ganze wird von einer Fortsetzung der Epithelschicht des Magens bekleidete. Von den ‚langen Fasern Nırscur’s ist bei Cristatella nichts vorhanden. Noch weni- ger aber kann ich meine Beobachtungen mit der Angabe KrarpeLiv’s in Einklang bringen, der von zwei Schichten des Funiculus spricht, deren ‚eine ektodermal sein soll. Ich habe mit der allergrößten Sicherheit an sämmtlichen Präparaten feststellen können, dass der Funieulus von einer einzigen Zelllage, dem Mesoderm, gebildet wird (Fig. 33 und 3%). Er ist, wie Nırsche sagt, eine »eylinderförmige Fort- setzung der homogenen Membran der Tunica musecularis«, die bekleidet ist mit einer einfachen Schicht des gewöhnlichen Leibeshöhlenepithels. Zellgrenzen sind in der Regel nicht deutlich zu sehen. Werden sie aber durch Reagentien sichtbar gemacht, so bemerkt man, dass die Zellen mehr oder weniger spindelförmig sind, und sich im Übrigen von den anderen Mesodermzellen nicht unterscheiden. Auch vom Vorhanden- 1 B. HaTscHek, »Embryonalentwicklung und Knospung von Pedicellina echi- nata.« Diese Zeitschr. Bd. XXIX. 1877. 2 L. JoLIET, »Organe segmentaire des Bryozoaires 20, « Arch. de Zool. experim. T. VIII. 1879—1880. g* 116 Max Verworn, sein von Muskelfasern im Funiculus habe ich, wie gesagt, weder auf Querschnitten noch auf dem Präparat des ganzen Organes jemals eine Andeutung gefunden. | Das Muskelsystem, welches durchweg den Charakter der von den Gebrüdern Herrw:c als epitheliale Muskulatur bezeichneten Muskel- fasern trägt, kann eine ganz kurze Darstellung erfahren, da ich in histo- logischer Beziehung fast in allen Punkten auf die genauen . Unter- suchungen Nırscue’s verweisen kann, die bei Aleyonella dieselben histologischen Verhältnisse aufgedeckt haben, wie sie bei Cristatella zu finden sind. Nur möchte ich bemerken, dass die Muskulatur von Crista- tella etwas einfacher ist. Zunächst schon dadurch, dass vordere und hintere Parietovaginalmuskeln fehlen. Sodann behalten die Muskeln mit Ausnahme des unteren Theiles der Darmmuskulatur alle ihre pri- mitive Gestalt als Muskelfibrillen bei, und zeigen nirgends flächen- oder bandförmige Ausbreitungen. Am stärksten entwickelt sind die großen Bewegungsmuskeln des Körpers, welche Bündel von dicken, langen Fasern darstellen, an denen ein oder wenige Kerne mit etwas Proto- plasma liegen (Fig. 30). Diese Muskeln endigen in der Sohle, indem ihre Fasern unter spitzen Winkeln sich von einander entfernen und als dünne Fäden in der Muskelschicht der Sohle verlaufen. Dieser Ver- lauf in der Sohle ist, wie später gezeigt werden wird, für die Bewegung der Kolonie von Wichtigkeit. Als Anhang sei hier noch die Lamelle angeführt, welche auf der oralen Seite des Thieres zwischen CGystidwand und Pharynx ausge- spannt ist (Fig. 14). Dieselbe wird nur von zwei flachen Mesoderm- schichten gebildet, die durch eine homogene Membran getrennt sind. Das Ektoderm, welches an der betreffenden Stelle der Cystidwand die ringförmige Einschnürung zeigt, geht nicht mit auf die Lamelle über; eben so wenig enthält dieselbe Muskelfasern. Am Pharynx setzt sich das obere Mesodermblatt der Lamelle in den oberen, das untere in den unteren mesodermalen Überzug desselben fort. Das Nervensystem kann eben so kurz behandelt werden, da in der That den Untersuchungen Nitscur’s kaum etwas hinzugefügt werden kann. Das Ganglion ist ungefähr nierenförmig mit einer von rechts nach links verlaufenden Einkerbung (Fig. 21 g). Bei Osmium- säurepräparaten habe ich auf dem Querschnitt gefunden, dass dasselbe aus einzelnen Zellen besteht, die besonders in der Mitte ziemlich große Kerne besitzen. Durch die Osmiumsäure werden sie etwas gebräunt. Äußerlich ist das Ganglion überkleidet von einer dünnen mesodermalen Hülle, vermöge deren es an dem oberen Theil des Pharynx befestig ist. Zwischen Pharynx und Ganglion ist keine Mesodermschicht, so dass Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. #17 das Ganglion von der Pharynxwand abgeschnürt zu sein scheint. Die letztere wäre dann wahrscheinlich noch als ektodermale Bildung auf- zufassen, und das Entoderm begänne erst am Ösophagus. Die beiden Nervenstämme, welche die Arme des Lophophors versorgen, setzen sich aus einzelnen Fasern zusammen, zwischen denen Zellen zer- streut liegen (Fig. 31 und 32). Auf Längsschnitten erscheinen die Fasern wellenförmig gebogen. In unregelmäßigen Zwischenräumen gehen einzelne Fasern seitwärts ab, lassen sich aber nur bis zur Basis der Tentakel verfolgen. Das Vorhandensein eines Schlundrings bei Crista- tella, welches ja an sich leicht möglich wäre, muss ich nach meinen Untersuchungen bezweifeln. Ich habe an der betreffenden Stelle nie- mals auch nur eine Spur von Nervenfasern oder Ganglienzellen ge- funden. Zum Schluss der histologischen Betrachtung mag mir noch eine Bemerkung gestattet sein, die sich am besten hier anschließt. Es ist bekannt, dass durch die Arbeiten von Frırz Mürzer, SMiTT, Crapartpe und Anderen bei den meisten Seebryozoen ein sogenanntes Kolonialnervensystem aufgefunden worden ist, welches die Indi- viduen eines Stockes unter einander verbindet und die gemeinsamen Lebensäußerungen der Kolonie vermitteln soll. Bei Süßwasserbryozoen ist sonderbarerweise ein solches Nervensystem niemals beobachtet worden. Als ich meine Untersuchungen an Cristatella begann, glaubte ich annehmen zu dürfen, dass, wenn irgend wo unter den Süßwasser- bryozoen ein Kolonialnervensystem vorhanden wäre, es bei Cristatella sein müsste, da hier die ganze Kolonie einheitliche Kriechbewegungen auszuführen im Stande ist. In der Folge aber hat einerseits die histologische Untersuchung gezeigt, dass ein solches Netzwerk von Fadensträngen mit anliegenden Zellen, von dessen Vorhandensein bei Seebryozoen ich mich selbst an Zoobotryon pellucidum Lam. zu über- zeugen Gelegenheit hatte, der Cristatella gänzlich fehlt, und anderer- seits ist mir der Nachweis gelungen, dass die Kriechbewegungen der Cristatellakolonie auf eine Weise zu Stande kommen, die ein Kolonial- nervensystem überflüssig macht. Die Kriechbewegungen der Kolonie sind ungemein langsame, um so langsamere, je größer die Kolonie ist. Bei ganz großen Kolonien habe ich sogar nie eine einheitliche Bewegung in einer bestimmten Richtung beobachten können. Merkliche Bewegungen dagegen waren gut zu beobachten an ganz jungen Kolonien, wenn gleich auch diese nicht so.schnell waren, dass ich sie mit dem Auge wahrnehmen konnte. Ich überzeugte mich aber von der Bewegung dadurch, dass ich an der Stelle des Aquariums, an welcher eine junge Kolonie saß, ein Zeichen 118 Max Verworn, machte und nach bestimmter Zeit wieder nachsah, wie weit sich die- selbe von der markirten Stelle entfernt hatte. Dabei fand ich als die größte Geschwindigkeit in gerader Richtung bei jungen Kolonien mit zwei oder drei Individuen 1—-2 mm in der Sekunde. Größere Kolo- nien kriechen viel langsamer. Um mir über den Mechanismus dieser Kriechbewegungen Aufklärung zu verschaffen, wählte ich also zur Be- obachtung am lebenden Thier möglichst kleine Kolonien mit nur zwei bis vier Individuen, die noch den weiteren Vortheil hatten, dass sie ziemlich durchsichtig waren. Ich bemerkte zunächst, dass die Kriech- bewegung der Fußscheibe nach der Richtung stattfand, nach welcher die Individuen ausgestreckt waren. Waren sie unter spitzem Winkel . divergirend ausgestreckt, so erfolgte die Bewegung ungefähr in der aus den Richtungen der Individuen resultirenden Richtung. Dabei hatte. die Sohle eine längliche Gestalt und war an dem Pol, wo die Indivi- duen saßen, etwas verbreitert, am entgegengesetzten ziemlich spitz ausgezogen. Divergirten die Individuen unter stumpfen Winkeln, so fand nur sehr langsame Bewegung statt, die Fußscheibe war mäßig ver- längert, vorn sehr breit, hinten wenig spitz. Waren die Thiere unge- fähr in entgegengesetzter Richtung ausgestreckt, so ergab sich keine Bewegung, die Fußscheibe nahm dann eine zwischen den Individuen langgestreckte Gestalt an. Waren die Individuen senkrecht zur Ebene der Fußscheibe gerichtet, so fand ebenfalls keine Bewegung statt, die Sohle war dabei meist kreisrund. Daraus geht hervor, dass die Rich- tung der Kriechbewegung abhängig ist von der Richtung der einzelnen Thiere, und dass sie die Resultante ist aus den in der Richtung der Indi- viduen auf die Sohle wirkenden Kräften. Diese Kräfte erkannte ich zunächst in den durch die Verkürzungen der großen Bewegungsmus- keln hervorgebrachten Zugkräften. Bei jeder mehr oder weniger voll- ständigen Einziehung des Individuums wurde in Folge des oben be- schriebenen Endverlaufs der Muskelfasern in der Sohle ein Zug auf die betreffende Partie ausgeübt, welcher eine ganz geringe Verschiebung derselben zur Folge hatte, und so konnte ich unter dem Mikroskop feststellen, dass die Kriechbewegung der Fußscheibe sich zusammen- setzt aus lauter kleinen partiellen Verschiebungen in bestimmter Rich- tung. Dass die Zugkräfte nur sehr gering zu sein brauchen, um eine Wirkung zu erzielen, leuchtet übrigens sofort ein, wenn man sich die histologische Beschaffenheit der Sohle vergegenwärtigt. Die sekretori- schen Zellen derselben werden vermuthlich bei den Kontraktionen der Muskulatur und somit der einzelnen Sohlenpartien zu starker Sekretion veranlasst. Ändert ein Individuum seine Richtung, so ändert sich auch die Gestalt der Sohle und die Richtung der Kriechbewegung. Es ist Me EEE EEE EEE EEE EEE EEE u. EEE EEE. En EEE nn Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 119 ferner anzunehmen, dass auch die Flimmerbewegung der einzelnen Tentakelkronen einen, wenn auch geringen, doch bei der leichten Ver- schiebbarkeit der Sohle ins Gewicht fallenden Zug ausübt. Derselbe wird zwar nicht leicht durch Beobachtung nachweisbar sein, muss aber vorhanden sein, da ja bei anderen Thieren, Infusorien, Rotatorien, Turbellarien ete. durch die Wimperbewegung eine ganz bedeutende Kraftleistung hervorgebracht wird. Dass die Bewegungen größerer Kolonien auf dieselbe Weise zu Stande kommen, braucht wohl kaum noch gesagt zu werden. Die Kriechbewegung der Kolonie ist also die Resultante aus den von den einzelnen Thieren auf dieFußsohle wirkenden Zugkräften und ihre Richtungist bedingt durch die Richtung der einzeinen Thiere. Nachdem die anatomische und histologische Darstellung hiermit ihren Abschluss gefunden hat, wende ich mich nunmehr zur Unter- suchung einer Frage, die von ungemeiner theoretischer Bedeutung ist und die, wie ich gestehen muss, mein Interesse von Anfang an am lebhaftesten in Anspruch nahm, nämlich zur Frage nach der Statoblastenentwicklung. Ehe ich zur Darstellung der Ergebnisse meiner Untersuchung über die Statoblastenentwicklung komme, muss ich indessen erst die Frage, welche dem Gegenstande seine Bedeutung verleiht, etwas präcisiren, da ich gefunden habe, dass zum größten Theil die irrthümlichen An- sichten, welche augenblicklich noch über die Statoblastenbildung herr- schen, auf die wenig scharfe Formulirung gewisser Begriffe zurückzu- führen sind. Es handelt sich dabei hauptsächlich um die ersten An- fänge der Statoblastenbildung. Die Statoblasten, die, wie ALıman sagt: »from the earliest period that the freshwater Polyzoa became an object of study, attracted the attention of observers«, wurden von den Forschern, die vor ALLman Bryozoenuntersuchungen anstellten, für die Eier der Bryozoen gehalten, ohne dass diesen Beobachtern damals die eigentlichen Eier bekannt gewesen wären. Arıman selbst befand sich zuerst in diesem Glauben, bis er bei genauerer Untersuchung die eigentlichen Eier kennen lernte: „Into this error I fell myself; but I have now become convinced that they are on peculiar form of bud, and must on no account be confounded with genuine ova. They are produced in the funiculus, from which they are evidently developed as buds.« Aurman ist also der Erste, der die Statoblasten für Knospen erklärt. Nırsche, der zunächst nach Arıman die Statoblastenentwicklung 120 Max Verworn, untersuchte, kam zu dem gleichen Resultat: »Die Statoblasten ent- stehen am Funiculus als Knospen unterhalb der Epithellage.« Diese Ansichten wurden schließlich allgemein angenommen und gingen auch in die Lehrbücher über. So findet man in dem »Grundriss der vergleichenden Anatomie« von GEGENBAUR: »Bei allen phylactolämen Süßwasserbryozoen entwickeln sich in der Leibeswand, an den Stellen, an welchen Eier entstehen, eigenthümliche aus einem Zellaggregate be- stehende Körper (Statoblasten), die wie die Eier sich ablösen und frei werdende Sprossen vorstellen. « Ganz neuerdings sind wieder eigene Untersuchungen über die Statoblastenentwicklung angestellt worden von Krarpzrin. Derselbe machte darüber auf der Naturforscherversammlung in Berlin 1886 fol- gende Mittheilung: »Die Entwicklung der Statoblasten verläuft im Wesentlichen so, wie NirschE sie geschildert. Hervorzuheben ist nur, dass auch sie aus den beiden Schichten des Funieulus (und somit in- direkt der Leibeswand) angelegt werden, und dass ein Theil des hierzu verwandten ‚Ektoderm‘ die Chitinschale, ein anderer direkt die äußere Schicht der Leibeswand des Statoblastenembryonen bildet, in welchem dann die Knospung der Polypide ganz ähnlich wie beim erwachsenen Stock verläuft.« KrarreLın bestätigt also die Ansicht von der Knospen- natur der Statoblasten durchaus, indem er sie aus zwei Keimblättern hervorgegangen findet. Schließlich geben Carı Vocr und Emıt Yung in ihrem soeben er- scheinenden »Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie« eine auf eigener Beobachtung beruhende Darstellung der Statoblastenent- wicklung, die von den Ergebnissen Niırschr’s und meiner Untersuchun- gen ganz bedeutend abweicht. Voer und Yung haben ihre Beobach- tungen, wie es scheint, an Plumatella repens gemacht und geben von der Entstehung der Statoblasten, die sie für »eiförmige Knospen« erklären, folgendes Bild: »Wir sahen die Statoblasten als abgeplat- tete Aufschwellungen des Funiculus erscheinen, die vom Epithel be- deckt und offenbar nur etwas wolkige Anhäufungen von Protoplasma sind, aber keine Zellennatur besitzen, wie Arıman behauptet etc.« Bei der Statoblastenbildung von Cristatella habe ich nie etwas von »wolkigen Anhäufungen von Protoplasma« unter dem Epithel des Funi- culus bemerken können, im Gegentheil trat mir die zellige Natur der Statoblastenanlage stets mit derselben Deutlichkeit und Klarheit ent- gegen, wie diejenige der anderen Gewebe. Der eben gegebene Überblick über die Auffassungen der ver- schiedenen Beobachter zeigt, dass die Statoblasten nach ihrer Ent- stehungsweise in neuerer Zeit alleemein für Knospen oder Sprossen Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 101 gehalten werden, wenn auch über die Gewebselemente, aus denen sie hervorgehen, keine Einstimmigkeit herrscht. Bei einer genaueren Prüfung der Ansicht von der Knospennatur der Statoblasten würde allein die Auffassung KrarpeLıw’s. bestehen können, vorausgesetzt, dass seine Behauptung von der Zweischichtig- keit des Funieulus richtig wäre. Sie ist es aber nicht; der Funiculus ist vielmehr, wie oben gezeigt und wie von allen anderen Beobachtern beschrieben, aus einer einzigen Zellschicht, dem Mesoderm, gebildet, also muss damit auch die Krarperiw’sche Ansicht fallen. Die anderen Ansichten aber können desshalb nicht bestehen, weil nach allen bis- herigen Erfahrungen ohne Ausnahme mindestens zwei Keimblätter zur Bildung einer Knospe gehören. Da der Funiculus, aus dem sich der Statoblast bildet, nur ein Keimblatt enthält, kann von einer Knospen- natur der Statoblasten keine Rede sein, vorausgesetzt, dass sich die Bildung der Statoblasten so verhält, wie die meisten Beobachter ange- ben, d. h. wenn dieselben nur aus einem Zellaggregat des Funiculus hervorgehen. | Nach unseren Erfahrungen über die Fortpflanzung der Thiere, giebt es nur zwei principiell verschiedene Arten der Fortpflanzung: entwe- der durch Knospung, an welchem Vorgang mindestens zwei Keimblätter betheiligt sind, oder durch Eier, welche immer eine einzige Zelle re- präsentiren. Ist also der Statoblast keine Knospe, so könnte er nur ein Ei sein. Nun soll der Statoblast nach den meisten Beobachtern stets aus einem Zellhaufen hervorgehen, der am Funiculus auftritt, er würde also auch nicht als Ei aufzufassen sein. Will man daher die Angabe aller Beobachter, dass der Statoblast nur aus dem Funiculus gebildet wird, aufrecht erhalten, so sieht man sich vor das Dilemma gestellt, entweder die Theorie, dass es nur zwei Arten der Fortpflanzung giebt, umzustoßen und eine dritte Art anzunehmen, die allen bisherigen Be- obachtungen widersprechen würde, oder zu vermuthen, dass bei den früheren Untersuchungen der Statoblastenbildung ein Irrthum unter- gelaufen ist. Man würde in diesem Dilemma trotz der unbestrittenen Gewissenhaftigkeit der betreffenden Forscher doch wohl eher dem letzteren Falle die größere Wahrscheinlichkeit beimessen. Dann wäre auch noch eine letzte Möglichkeit, die Knospennatur der Statoblasten zu retten, nämlich wenn man annähme, dass außer dem Funiculus noch eine andere Zellschicht an der Bildung der Statoblasten Theil nimmt. Stellte sich auch dies als unrichtig heraus, dann bliebe nur die An- nahme übrig, dass die Statoblasten Eier sind und sich aus einer Zelle entwickeln. Nach diesen Erwägungen wird man also die Frage behuis einer Untersuchung folgendermaßen präeisiren: 122 Max Verworn, Nimmt außer der Zellschicht des Funiculus noch eine andere ge- netisch verschiedene Zellschicht an der Bildung des Statoblasten Theil, oder nur das Mesoderm des Funiculus? Im letzteren Falle würde die Frage weiter lauten: Entwickelt sich der Statoblast in der That aus einem Haufen von Zellen oder entsteht er aus einer einzigen Zelle dieses Haufens? Diese Fragen sollen im Folgenden ihre Beantwortung finden. Um zunächst die erste Frage zu entscheiden, muss festgestellt wer- den, welche Schichten sich außer dem Funiculus möglicherweise an der Statoblastenbildung betheiligen könnten. Es würden hierbei natür- lich nur die beiden Zellschichten in Betracht kommen, mit denen der Funiculus direkt in Berührung steht. Oben also das entodermale Magen- epithel und unten das Ektoderm der Sohle. Ferner muss man sich vor Augen halten, dass, da die Statoblasten meist nicht unmittelbar an der Berührungsstelle des Funiculus mit diesen Zellschichten entstehen, die Betheiligung der letzteren nur durch eine Einwanderung von Zellen in den Funiculus stattfinden könnte. Am oberen Ende, wo der Funi- culus mit dem entodermalen Epithel des Magens in Berührung steht, ist eine solche Einwanderung von vorn herein unwahrscheinlich durch die Beobachtung, dass, wenn mehrere Statoblasten am Funiculus ent- stehen, die jüngsten sich immer von der Sohlenseite her entwickeln. Es müssten also in diesem Falle die eingewanderten Entodermzellen des Magens den langen Weg bis zum entgegengesetzten Ende nehmen und dabei noch die Hindernisse überwinden, welche ihnen die älteren Statoblasten in den Weg legen. Die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Annahme liegt auf der Hand. Ganz anders verhält es sich mit der zweiten Möglichkeit, der Einwanderung von Ektodermzellen der Sohle. Diese Annahme würde von vorn herein einige Wahrscheinlichkeit für sich haben. Es würde sich einerseits dabei die eben angeführte That- sache, dass die ältesten Statoblasten immer am oberen, die jüngsten immer am unteren Theile des Funiculus zu finden sind, gut erklären; andererseits würde auch einer Einwanderung von Zellen der Weg ge- ebnet sein durch das den Funiculus seiner Länge nach durchziehende offene Lumen. Indessen auch diese Annahme lässt sich der weiteren Beobachtung gegenüber nicht halten. Der erstere Punkt verliert schon seine Bedeutung, wenn man erfährt, dass alle Geschlechtsprodukte des Funiculus immer dieselbe Anordnung zeigen: die ältesten oben, die jüngsten unten. Und was den zweiten Punkt betrifft, so zeigt sich mit der größten Deutlichkeit, dass stets bei den ersten Entwicklungsstufen der Statoblasten das Lumen des Funiculus noch frei und leer erscheint; es ist keine Spur von einer eingewanderten Zelle zu sehen. Auch verhält u Eu Sinn Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 123 sich das Ektoderm während des ganzen Verlaufs der Entwicklung voll- kommen passiv. Erst nachdem die Statoblastenbildung begonnen hat, füllt sich das Lumen des Funiculus an der betreffenden Stelle. Schließ- lich muss diese Annahme auch fallen Angesichts der weiteren Entwick- lung der Statoblasten, die in einer Weise geschieht, welche, wie sich gleich zeigen wird, jede Betheiligung zweier Keimblätter ausschließt. Mir scheint daher auch die letzte Möglichkeit, die Annahme von der Knospennatur der Statoblasten zu retten, beseitigt, und ich wende mich zur Entscheidung der zweiten Frage: entsteht der Statoblast aus einem Haufen von Zellen oder nur aus einer einzigen Zelle dieses Haufens? Die erste Anlage des Statoblasten beginnt mit einer Vermehrung der Zellkerne des Funiculus an der betreffenden Stelle (Fig. 35). Aus den Theilungsfiguren kann man erkennen, dass diese Vermehrung durch Theilung der Kerne erfolgt. Anfangs sind es nur wenige Kerne, die an diesem Processe Theil nehmen. Das Lumen des Funiculus bleibt auch an der verdickten Stelle noch ganz frei. In Folge der fortschrei- tenden Vermehrung der Kerne wird die durch ihre Anhäufung be- wirkte Verdickung etwas stärker (Fig. 36); das Lumen des Funiculus verschiebt und krümmt sich etwas mehr, bleibt aber noch leer. Das nunmehr folgende Stadium, dessen Vorhandensein man aus der wei- teren Entwicklung mit Nothwendigkeit schließen muss, habe ich leider mit völliger Sicherheit nicht beobachten können. Es geht aber aus dem darauf folgenden Stadium hervor, wie es beschaffen sein muss. Dies nächste wieder sehr deutlich beobachtete Stadium zeigte nämlich im Lumen des Funiculus zwei von den übrigen Zellen desselben scharf abgegrenzte Zellen, die doch nur aus Theilung einer einzigen entstan- den sein können (Fig. 37). Sie waren sehr groß und enthielten einen sroßen Kern mit stark lichtbrechendem Kernkörperchen, wodurch ihr ‚Charakter als Eifurchungszellen wahrscheinlich wird. Sie lagen in einer Höhlung, die sich nach beiden Seiten in das Lumen des Funicu- lus fortsetzte und nur eine Erweiterung desselben vorstellte. Äußer- lich war die Höhlung umgeben von der Masse der übrigen Zellen, welche die Verdickung des Funiculus bewirkten. Die Gestalt und die gegenseitige Lage der beiden Zellen wies in der augenfälligsten Weise darauf hin, dass beide durch Theilung aus einer einzigen Zelle hervor- gegangen waren, so dass man sich das vorhergehende Stadium daraus wohl rekonstruiren kann. Es wird sich also eine Zelle des Zellhaufens in das Lumen geschoben und in ihrer Absonderung von den Anderen als Eizelle ausgebildet haben, während die übrigen Zellen einen Folli- kel um dieselbe zu bilden begannen. Die Präparate dieses zweizelligen 124 Max Verworn, Stadiums waren von solcher Klarheit, dass an ihrer Deutung kein Zweifel aufkommen kann. Auch die weitere Entwicklung bestätigt dies. Als nächste Entwicklungsstufe traf ich nämlich innerhalb des sich durch Kerntheilung noch immer vergrößernden Follikels eine aus vier Zellen bestehende Furchungskugel, deren Zellen deutlich begrenzt und ebenfalls noch größer waren als die Follikelzellen (Fig. 38). Das Fortschreiten des Furchungsprocesses liefert schließlich eine echte Morula (Fig. 39), bei deren jüngeren Stadien man noch eine regelmäßige Anordnung der einzelnen Furchungszellen wahrnimmt, welche sich bei stärkerer Vermehrung desselben mehr verliert (Fig. 40). Die Kerne haben während dessen auch die normale Größe angenommen, und die Follikelzellen ordnen sich. nun zu einem regelmäßigen einschichtigen Epithel um die Morula an, das sich scharf von derselben abhebt. Das Endstadium des Furchungsprocesses ist also eine solide Morula ohne centralen Hohlraum. Kurz zusammengefasst stellt sich hiernach die erste Statoblasten- entstehung folgendermaßen dar: An einer bestimmten Stelle des Funi- culus vermehren sich die Epithelzellen desselben zu einer kleinen An- schwellung und drängen dadurch gegen das Lumen. Eine Zelle davon tritt in das Lumen hinein und wird zur Eizelle, während die anderen sich zu einem Follikel formiren. Die Eizelle macht einen regelmäßigen Furchungsprocess durch, dessen Resultat schließlich eine solide Morula ist. Wie man sieht, wird also auch durch diesen Furchungsvorgang die Knospennatur der Statoblasten widerlegt. Die weitere Entwicklung des Statoblasten von Cristatella verläuft im Großen und Ganzen in der Weise, wie sie Nitsch£ bei Alcyonella schildert, dessen Untersuchungen bei diesem Entwicklungsstadium ein- setzen.. Indessen muss die Darstellung Nırsche’s in einigen Punkten korrigirt werden, und ferner sind die Processe, welche bei Cristatella zur Entwicklung der Chitinkapsel mit ihren Anhängen führen, viel ver- wickelter als bei Aleyonella, so dass es wohl angebracht ist, auch den weiteren Verlauf der Statoblastenentwicklung noch zu verfolgen. Nachdem die Morula eine gewisse Größe erreicht hat, bemerkt man an ihr in der Nähe des einen Pols, der in der Längsachse des Funiculus nach dem Magenende hin gerichtet ist, eine hellere Fläche, die gewöhnlich senkrecht zur Längsachse des Funiculus steht (Fig. 41). Die Fläche nimmt immer mehr an Helligkeit zu, die Zellkerne treten von ihr mehr und mehr zurück, und schließlich bildet sie sich zu einer schmalen Spaltfläche aus. Die Zellkerne, die Anfangs um diese Spalt- läche noch unregelmäßig herumgelagert sind, ordnen sich allmählich | Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 125 zu einer einzelligen Schicht um dieselbe an. Man bemerkt an ihnen jetzt deutliche Zellgrenzen, und indem sich die nun begrenzten Zellen strecken, bilden sie bald ein Cylinderepithel, welches in einfacher Schicht die Spalifläche umgiebt (Fig. 42). Durch diese Anordnung der Zellen ist eine scharfe Sonderung im Statoblasten eingetreten, welche während der ganzen weiteren Entwicklung bestehen bleibt: Das den Spaltraum umgebende einschichtige Cylinderepithel hat sich von der übrigen noch ungeordneten Zellmasse, in der noch keine Zellgrenzen auftreten, deutlich abgegrenzt. Es mögen daher die beiden Pole des Statoblasten unterschieden werden als oberer, an welchem die Cylin- derepithelschicht liegt, und als unterer, welcher durch die ungeordnete Zellmasse charakterisirt ist. Indem der Statoblast in seinem Wachsthum fortschreitet, entwickelt er sich nach seitwärts schneller als in seiner Höhendimension, so dass er allmählich die Gestalt eines abgeplatteten Kuchens annimmt (Fig. 43). Dabei dehnt sich der Spaltraum mit dem ihn umgebenden Epithel ebenfalls immer mehr nach den Seiten aus, biegt dann hier um und wächst in der Richtung nach unten weiter. Nun beginnt die Bildung der Chitinkapsel. In den Spaltraum hinein wird von der Epithelschicht eine zarte Chitinlamelle ausgeschieden, die durch Anlagerung neuer Massen mehr und mehr an Dicke zunimmt (Fig. 44). Zugleich fangen die Cylinderzellen des inneren Blattes der Epithelschicht an niedriger zu werden und verlieren bald ganz ihren Charakter als Cylinderzellen. Nırscnz bezeichnet nun die Epithelschicht als »eystogene« Schicht und das übrige Zellmaterial als »Bildungsmasse«. Es wird sich indessen später zeigen, dass, wie auch Reınuarp! gefun- den hat, diese Bezeichnung nicht richtig ist. Nachdem die Epithelschicht in ihrem weiteren Wachsthum den unteren Rand des Statoblasten erreicht hat, biegt sie auch hier wieder um und wächst nach der Mitte zu weiter. Während dessen bemerkt man, dass an der Chitinschale zwei Höcker auftreten, die als Wülste rund um die Schale herumlaufen:: einer an der oberen Umbiegungs- stelle der Epithelschicht, der andere ungefähr in der äquatorialen Ebene des Statoblasten. Diesen beiden Wülsten fügt sich bald noch ein dritter hinzu, welcher sich an der unteren Umbiegungsstelle ent- wickelt. Auch das von der Epithelschicht umwachsene Zellmaterial, Nırscar’s »Bildungsmasse«, zeigt bald bemerkenswerthe Veränderungen. Die Kerne haben schon etwas früher begonnen, sich zu undeutlichen - Gruppen zu lagern, welche locker unter einander zusammenhängen. Nun tritt die Erscheinung ein, dass die Kerne allmählich ihr Kern- 1 Zool. Anzeiger. 1881. Vorläufige Mittheilung. 126 Max Verworn, körperchen verlieren und etwas stärker lichtbrechend werden, so dass man während der nächsten Entwicklungsstufen zwischen zahlreichen Kernen ohne Nucleolus nur noch wenige Kerne mit solchem antrifft (Fig. %5). Die bisher geschilderten Vorgänge in der Cylinderepithelschicht dienten lediglich zur Bildung der Chitinkapsel selbst, des sog. Discus. Jetzt beginnt eine Reihe komplicirterer Processe, welche die Bildung des Schwimmrings und des Hakenkranzes bewirken. Dieselben ver- laufen nur in dem äußeren Blatte der Cylinderepithelschicht, während das innere Blatt keinen Antheil daran nimmt. An der Stelle, wo der obere Ringhöcker auf der Chitinschale ent- standen ist, beginnt eine Vermehrung der Zellen, die eine Verschiebung in der Weise zur Folge hat, dass die oberhalb des Höckers gelegenen Zellen über die unterhalb gelegenen seitwärts herüberwachsen (Fig. 46). Zugleich wird auf der zwischen beiden entstandenen Grenze eine dünne Chitinlamelle ausgeschieden. Ganz derselbe Vorgang spielt sich zu gleicher Zeit an dem mittleren äquatorialen Ringhöcker ab. Die hier entstandene chitinöse Grenzlamelle geht vom Höcker aus ziemlich gerade nach unten. Komplieirt wird an dieser Stelle die Entwicklung noch dadurch, dass auch die zwischen der Grenzlamelle und dem Discus liegenden Zellen sich theilen und so eine Falte bilden, deren eines Blatt der Grenzlamelle anliegt, während das andere den Discus bedeckt (Fig. 46). Auch’an dem untersten Höcker entwickelt sich durch Aus- scheidung der Zellen eine kurze Chitinleiste, bei deren Bildung aber keine Verschiebung der Zellen stattfindet. Die zwischen der oberen und mittleren Lamelle eingeschlossenen Zellen scheiden bald darauf an ihrer äußeren Seite sowohl wie zwischen einander Chitinschichten ab, so dass schließlich jede Zelle ringsherum von einer Chitinhülle um- geben ist. Dieses so entstandene Chitingebilde stellt den Schwimmring vor (Fig. 47). Die oberste Zellschicht des Statoblasten, welche sich über diese Schwimmringzellen hinüberzuschieben begann, hat mittlerweile durch Fortschreiten dieses Vorganges die unteren durch den Schwimm- ring abgespaltenen Zellen erreicht und setzt sich nun direkt in das äußere Blatt der zwischen Discus und mittlerer Chitinlamelle entstan- denen Falte fort (Fig. 47). Der Umwachsungsprocess der centralen Zellmasse durch die Cylin- derepithelschicht erleidet bald, nachdem er an der Unterseite bis zu einem bestimmten Punkte vorgerückt ist, eine Modifikation. Das äußere Blatt nämlich spaltet unten kurz vor der Umbiegungsstelle in das innere Blatt eine Zelllage nach der Mitte hin ab und der Zusammenhang beider Blätter der Epithelschicht löst sich (Fig. 47). Um den Verschluss des Beiträge zur Kenntnis der Süißwasserbryozoen. 127 Diseus dann zu vervollständigen, wächst jedes der beiden Blätter von den Seiten her nach der Mitte vollständig zu, wobei die Chitinausschei- dung zwischen ihnen fortdauert, bis der Discus ringsherum verschlossen ist. Wie schon oben angedeutet, ist hierbei entgegen der Darstellung Nırsca®’s hervorzuheben, dass das innere Blatt der Cylinderepithel- schicht nicht aufgelöst wird, sondern die centrale Masse umgiebt und seine Kerne mit Kernkörperchen behält. Es muss noch das Verhalten der centralen Masse während der letz- ten Entwicklungsstufen geschildert werden. Die Kerne, welche sämmt- lich ihre Kernkörperchen verloren und stärkeres Lichtbrechungsver- mögen bekommen haben, ordnen sich zu rundlichen, lappenförmigen Territorien an, welche durch hellere Zwischenräume von einander getrennt sind (Fig. 46 und 47). Diese Lappen der Gentralmasse werden durch den Umwachsungsvorgang immer mehr zusammengedrängt und hängen etwas aus der unteren Öffnung des Discus heraus. Wird die Öffnung durch Chitinausscheidung zuletzt ganz geschlossen, so geschieht es bisweilen — nicht immer —, dass ein Theil der Gentralmasse durch die Chitinlamelle aus dem Zusammenhang mit der Hauptmasse abge- schnürt und ausgeschlossen wird. Derselbe wird dann zurückgebildet und verschwindet allmählich ganz. Die Gentralmasse verharrt in sol- chem Zustand den ganzen Winter über. Die äußere Chitinschale da- gegen erfährt noch einige Modifikationen. An dem unteren Ringhöcker des Discus bilden sich aus Ausstülpungen der nun den ganzen Stato- blasten einschichtig umgebenden Zelllage des äußeren Blattes in be- stimmten Zwischenräumen dünne cylinderförmige Chitinfortsätze, welche die den Statoblasten noch immer umgebende Follikelschicht des Funiculus vor sich herschieben und von dem Statoblasten an den Seitenrändern abheben. Indem diese Fortsätze dicht um die untere Hälfte des Schwimmringes nach oben wachsen, und dann von der Mitte an nach außen umbiegen, bilden sie sich zu den Haken des Haken- kranzes aus, die an ihrem Ende zuletzt einen Anker von gewöhnlich vier Armen bekommen. Die Follikelschicht wird dadurch in der Äqua- torialebene vom Körper des Statoblasten abgehoben und ist wie eine Schwimmhaut zwischen den einzelnen Haken ausgespannt (Fig. 48). Endlich erhält noch die gesammte Oberfläche des Statoblasten eine Skulptur dadurch, dass zwischen den einzelnen Zellen der äußeren Chitinschicht Chitingrenzen ausgeschieden werden, die den Statoblasten von oben gesehen eine polygonale Felderung verleihen. Nach oben werden die Zellen nicht verschlossen, so dass die Chitinmasse kleine nach oben offene polygonale Kästchen bildet. Der Statoblast ist nun zum Überwintern fertig und es erübrigt nur noch zu sagen, dass alle 123 Max Verworn, protoplasmatischen Elemente, welche außerhalb der festen Kapsel des Discus liegen, aufgelöst werden und verschwinden, ein Schicksal, wel- chem die Zellen im Schwimmring am ersten verfallen. Was die Weiterentwicklung der Statoblasten im Frühjahr betrifft, so hatte ich noch Gelegenheit die Beobachtung ReınuArp’s zu bestätigen, dass sich das Ektoderm des jungen Thieres aus dem in den Discus mit eingeschlossenen inneren Blatt der ursprünglichen Cylinderepithel- schicht entwickelt, und ich kann hinzufügen, dass sich das Mesoderm aus der Centralmasse anlegt, in der spärlich zerstreut Zellkerne mit Kernkörperchen auftreten, welche nach dem äußeren Rande wandern und sich mit wenig Protoplasma als Mesoderm an die Ektodermschicht anlegen. Weiter reichen meine sicheren Beobachtungen zur Zeit nicht. Ich glaube nur noch bemerkt zu haben, dass sich in diesem zweischich- tigen Zellsack die Individuen als Einstülpungen anlegen, gerade so, wie sich die Knospen an der Wand des erwachsenen Stockes entwickeln. Es verläuft also die Statoblastenentwicklung im Wesentlichen so, wie KrAEPELIN die Entwicklung der befruchteten Eier geschildert hat. Durch die Untersuchung der Statoblastenentwicklung ist daher die zweite Frage, ob die Statoblasten aus einem Zellhaufen oder nur aus einer einzigen Zelle hervorgehen, nach letzterer Seite hin ent- schieden und damit die Einatur des Statoblasten erwiesen. Es ist in- dessen noch nicht hervorgehoben worden, dass dieselben nicht als be- fruchtete Eier aufzufassen sind, da sie sich zu einer Zeit am Funiculus entwickeln, wo kein Sperma mehr im Thier erzeugt wird. Ich habe die Stöcke mit Statoblasten in allen Entwicklungsstufen noch am 31. Oktober gefunden und zur Untersuchung verwerthet, während die geschlechtliche Entwicklung Ende Juni bis Juli stattfindet. Somit komme ich also zu folgendem Ergebnis: Die Statoblasten sind als parthenogenetische Win- tereier aufzufassen, welche sich im Gegensatz zudenbe- fruchteten Eiern am Funiculus entwickeln. Berlin, im Juli 1887. Dann En nn nn m nn m an m m Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. 129 Erklärung der Abbildungen. Tafel XII und XIII, Fig. 4. Kolonie von Cristatella mucedo von der Seite. Fig. 2. Kolonie von Cristatella mucedo von der Sohle. Fig. 3, Schematischer Querschnitt durch die Kolonie. Fig. 4. Der Lophophor. g, Ganglion; ep, Epistom; o, Mundöffnung, Fig. 5. Ektoderm der oberen Decke einer Kolonie in Flächenansicht. Fig. 6. Querschnitt durch die obere Decke. ec, Ektoderm;; m, Mesoderm. Fig. 7. Ektoderm der Sohle im Flächenschnitt. Fig. 8. Querschnitt durch die Sohle. ec, Ektoderm ; m, Mesoderm. h) Fig. 9. Querschnitt durch die Sohle, stärker vergrößert. ec, Ektoderm; m, Mesoderm. Schleimsekret der mittleren Ektodermzelle durch Reagentien ge- schrumpft. Fig. 40. Ektodermales Plattenepithel des Cystids mit Blasenzellen. Flächen- ansicht. Fig. 41. Gystidwand im Querschnitt. ec, Ektoderm ; m, Mesoderm. Fig. 12. Querschnitt durch ein Septum der Fußscheibe. Fig. 43. Septum der Fußscheibe in Flächenansicht. Fig. 44. Querschnitt durch die Aufhängelamelle zwischen Cystidwand und Pha- rynx. ec, Ektoderm der Cystidwand; ph, Pharynxepithel; m, mesodermales Epi- thel der Leibeshöhle, die Lamelle bildend. Fig. 45—-19. Querschnitte durch die Tentakel in verschiedener Höhe und die Intertentacularmembran. ec, Ektoderm; m, Mesoderm. Fig. 20a. Querschnitt durch die Segmentalorgane. ss, Segmentalorgane; ep, Epistom; mu, Muskelfäden des Epistom (Elevatoren) ; te, Tentakel. Fig. 20b. Äußeres Ende der vereinigten Segmentalorgane. Querschnitt. Fig. 21. Längsschnitt durch den oberen Theil des Darmtractus. ep, Epistom; mu, Muskelfäden des Epistom (Elevatoren); g, Ganglion;, ph, Pharynx; oe, Ösopha- gus; v, Magen; m, mesodermales Epithel der Leibeshöhle; s, Aufhängelamelle des Pharynx an der Cystidwand. Fig. 22. Unteres blindes Ende des Magens. m, Mesodermüberkleidung; mu, Muskelschicht; f, Funiculus. Fig. 23. Querschnitt durch den Magen. Fig. 24. Zellen des Pharynx. Fig. 25. Zellen des Ösophagus. Fig. 26. Wulstzellen des Magens auf dem Querschnitt gesehen, Fig. 27. Furchenzellen des Magens auf dem Querschnitt, Fig. 28. Wulstzellen des Magens auf dem Längsschnitt. Fig. 29. Zellen des Rectums. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 9 130 Fig. 30. Fig. 31. Fig. 32, Mesoderm. Fig. 338. Fig. 34. Max Verworn, Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen, Muskelfasern der großen Bewegungsmuskeln des Polypids. Nervenstrang der Lophophorarme. Flächenansicht. Nervenstrang der Lophophorarme. Querschnitt. ec, Ektoderm; m, Funiculus. Funiculusquerschnitte. Fig. 35—48. Statoblastenentwicklung. Fig. 35—44 plastische Bilder, Fig. 42 bis 48 Querschnitte. Fig. 43—48 sind in der lithographischen Ausführung etwa um die Hälfte verkleinert. Von A. Fleischmann, Assistenten am zoologischen Institute Erlangen. Mit Tafel XIV. Nachdem durch die Arbeiten Serenka’s die Furchungsvorgänge bei verschiedenen Echiniden genauer bekannt geworden waren, erschien es von Interesse auch über die Entwicklung irregulärer Seeigel Klar- heit zu gewinnen. Während eines Ferienaufenthaltes in der zoologi- schen Station zu Neapel um Ostern 1887 hatte ich die Freude, ge- schlechtsreife Individuen der Gattung Echinocardium zu erhalten und einem Rathe Serenka’s folgend, die ersten Vorgänge ihrer Eientwicklung zu verfolgen. Dieser Seeigel gehört zu den im Golfe nicht gerade sel- tenen Thieren, allein es kostet viele Mühe, eine größere Anzahl der- selben in kurzer Zeit zusammenzubringen, und ich schulde dem Konservator der zoologischen Station, Herrn Logıanco, ganz besonderen Dank, weil ich durch seine Fürsorge gegen Mitte April in den Stand gesetzt wurde, bei einer ansehnlichen Zahl von reifen Echinocardium ‚die künstliche Befruchtung auszuführen. Andere irreguläre Seeigel, welche außerdem im Golfe von Neapel vorkommen, wie z. B. Brissus und Brissopsis, konnten nicht in genü- gender Anzahl beschafft werden, um die ersten Vorgänge ihrer Eient- "wicklung mit dem Befunde bei Echinocardium zu vergleichen. | Da sich Echinocardium in den Aquarien nie lange gesund erhalten lässt, so schritt ich sofort, nachdem die Fischer mit der Ausbeute an Seeigeln zurückgekehrt waren, zur künstlichen Befruchtung: Rasch öffnete ich die eben gebrachten Thiere und isolirte die Hoden und Ovarien in zwei, wenig Meerwasser enthaltenden Schälchen. Sobald ich dann mit Nadeln die Ovarien zerriss, quollen die reifen Eier aus den Geschlechtsdrüsen heraus und bildeten am Boden des Schälchens Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 40 192 A. Fleischmann, einen hellröthlichen, feinkörnigen Belag, über welchen die großen Fetzen der zerrissenen Ovarien lagen. Hierauf goss ich frisches See- wasser zu, um mit leichter Mühe die isolirten Eier von den zerrissenen Ovarialresten in ein reines größeres Glasschälchen abzuspülen. Dazu wurde ein Tropfen reifen Spermas gesetzt und durch mehrmaliges Um- rühren Eier und Sperma in innige Berührung gebracht. Es ist rathsam möglichst wenig Sperma zuzufügen, da bei der Anwesenheit einer allzu großen Anzahl von Spermatozoen diese sich so massenhaft in den Gallertmantel der Eier einbohren, dass die Beobachtung der Eient- wicklung durch sie unangenehm gestört wird. Nachdem Eier und Sperma kurze Zeit in der kleinen Schale ge- blieben waren, wurde der ganze Inhalt in eine große Schale gegossen, welche ganz frisches, durchlüftetes Seewasser und grünen Schmuck lebender Algen enthielt. In einigen Fällen leitete ich während der ganzen Eientwicklung einen ziemlich beträchtlichen Luftstrom durch das Wasser, ein anderes Mal begnügte ich mich mit der von den grünen Algen gelieferten Sauerstoffzufuhr ; diese Variation der Existenzbedingungen hatte keinen bedeutenden Einfluss. In beiden Fällen durchliefen die Eier den nor- malen Entwicklungsgang, in Folge der besseren Durchlüftung des Was- sers wurde nur die Dauer der einzelnen Phasen etwas abgekürzt, d.h. die Entwicklung des Eies selbst etwas beschleunigt. Die Beobachtungen wurden meist am lebenden Materiale ange- stellt und zu diesem Behufe stets mehrere Eiproben aus dem großen Glasgefäße entnommen, welche am hängenden Tropfen in SELENKA’S feuchte Kammer gebracht und gleichzeitig verfolgt wurden. Die Zeich- nungen sind ebenfalls dem lebenden Eie nachgebildet und am konser- virten Materiale kontrollirt. Zur Konservirung verwandte ich fast ausschließlich 10/,ige Os- miumsäure, nur selten salzhaltige Pikrinschwefelehromsäure. Durch vorsichtigen Zusatz von schwachem Alkohol und durch ganz allmähliche Steigerung seines Procentgehaltes gelang es, die Eier ohne merkliche Schrumpfung in Kanadabalsam einzulegen. Farbstoffe wurden nur ausnahmsweise verwandt, da die Impräg- nation mit Osmiumsäure zur Erkenntnis der Struktur völlig ausreichte. Das befruchtete Ei erscheint als eine ganz gleichmäßige, fein- körnige Protoplasmakugel, welche sich in eine Dotterhaut und einen ziemlich dicken Gallertmantel einhüllt; es ist hell, farblos und zeigt an keiner Stelle ein gröber differenzirtes Plasma oder eine gefärbte Zone. Ungefähr anderthalb Stunden, nachdem Ei und Sperma mit einander Die Entwicklung des Eies von Echinocardium cordatum. 133 gemischt wurden, erscheint die erste Furchungsebene, sie halbirt nicht gleichmäßig die ganze Kugel, sondern schneidet an einer Seite oder, besser gesagt, an einem Pole des Eies früher und rascher ein, als auf der entgegengesetzten Seite. Leider habe ich nicht mit genügender Sicherheit verfolgt, ob der Pol, an welchem zuerst die Theilungsfurche sichtbar wird, etwa der Stelle entspricht, an welcher die Richtungs- körper ausgetreten und das Spermatozoon eingedrungen, doch ist das ziemlich wahrscheinlich. Bevor sich das Ei zur Theilung anschickt, legt es seine Kugelgestalt ab und wird etwas elliptisch langgezogen. Die Flächen, in welchen später die Pole der ersten Theilungsebene liegen werden, erscheinen "nicht mehr rund, sie sind flacher geworden. Ungefähr in der Mitte der einen Polfläche schiebt sich eine gleich beim Beginne scharf charakteri- sirte schmale Rinne gegen das Eicentrum vor, während auf der gegen- überliegenden Fläche nur eine ganz sanfte Einsenkung das Umgreifen der Theilungsebene verkündet, die zuerst eindringende Rinne schreitet rascher und energischer, mit einem spitzeren Winkel vor und hat bei- nahe die Mitte des Eies erreicht, ehe die Einknickung an der entgegen- gesetzten Seite sich schärfer rinnenartig ausgebildet hat. Später rückt zwar die letztgenannte Rinne ebenfalls bis zum Gentrum vor, allein ihr bleibt eine gewisse Schwerfälligkeit der Bewegung anhaften, so dass die beiden Furchungskugeln am einen Pole schon kollabirt sind, aber am anderen Pole durch die Furchungsrinne noch von einander getrennt erhalten werden. Diese Verschiedenheit im Umgreifen der ersten Furchungsebene ! charakterisirt sich nicht allein in der zeitlichen Differenz ihres Auf- trittes an den beiden Polen, sondern auch in der Form der eingreifen- den Theilungsrinne. Letztere knickt an dem Pole, wo sie zuerst er- scheint, mit fast eckigen Kanten ein, schiebt sich wie ein spitzwinkeliger Keil gen innen und wird seitlich so komprimirt, dass sie bald als schmaler Spalt erscheint. Am anderen Pole dagegen senkt sie sich als etwas breitere, stumpfwinkelige, nach den Seiten rundlich aus- streichende Furche ein, deren Wände nie so stark einander genähert werden. Der Collaps der beiden Blastomeren beginnt natürlich an dem Pole, wo die Furchungsebene zuerst und rascher einschnitt, früher als an dem anderen, wo noch längere Zeit der Theilungsspalt bestehen bleibt. Nachdem auch dieser durch den Collaps geschwunden, weichen die beiden Eihälften zwar an beiden Polen wieder etwas aus einander, 1 SELENKA, Zool. Studien. IJ. beschreibt dasselbe für Echiniden und giebt Ab- | bildungen von Ophiuriden. / | N 10* 134 A. Fleischmann, allein ein Unterschied ist immerhin zu konstatiren. Denn der Spalt, welcher künftighin die beiden Blastomeren trennt, ist an dem zuerst gefurchten Pole etwas schmäler und von fast parallelen Wänden be- grenzt im Gegensatze zum anderen Pole, wo er breiter und keilförmig erscheint. Die Eihälften selbst sind am erst gefurchten Pole deutlicher abgerundet, am anderen dagegen eckig und weniger gut geglättet. Im Verlaufe der weiteren Entwicklung stellt sich klar heraus, dass die beiden Pole, wie sie durch die erste Furchungsebene klar erkenn- bar werden, den Polen der späteren Gastrula entsprechen und zwar giebt sich der Pol, an welchem die Theilung zuerst und rascher ver- läuft als animaler, der entgegengesetzte als vegetativer Pol zu erken- nen. Die Achse der ersten Theilungsebene fällt also mit der Gastrula- achse zusammen. Die erste Furchungsebene ist übrigens, abgesehen von ihrem ungleichmäßigen Vordringen, dadurch bemerkenswerth, weil die durch ihre Thätigkeit gelieferten Theilprodukte nicht gleiche Größe erhalten. Sie schneidet die beiden ersten Furchungshälften ungleich als ein größeres -und kleineres Theilstück ab, die größere Hälfte ist mehr ab- gerundet und besitzt eine stärkere Wölbung, als die kleine Furchungs- kugel, deren Wand etwas platt gespannt ist. | Sofort nach der Theilung springt dieser Unterschied sehr deutlich in die Augen, durch den Collaps gleicht er sich etwas aus, aber er bleibt immer noch erkennbar bestehen. Eine solche Größendifferenz der beiden Furchungskugeln war mir im ersten Momente eben so auffallend, wie dem Leser, und ich hatte gewichtige Zweifel gegen die Richtigkeit der Beobachtung. Desshalb verfolgte ich möglichst viele Zweitheilungen in statu nascendi und kam schließlich zur sichern Überzeugung, dass schon die erste Ebene ungleichförmige Hälften am Eie gliedere. Dieses Verhältnis erkennt man besonders sicher, wenn man das Ei entweder von dem einen Pole aus oder senkrecht zur ersten Theilungsachse betrachtet. Im ersten Falle sind die Querschnittsflächen der Furchungskugeln ohne Zweifel ungleich groß, im anderen Falle er- | hält man Längsschnitte durch eine plattere und eine stärker gewölbte Hälfte. Die erste Furchungsebene trittalsozuerstamanima- | len, später am vegetativen Pole des befruchteten Eies auf, sie vollendet in Folge dessen die Theilung am animalen Pole rascher. Die Theilhälften sind vom Beginne an un- gleich. 50 bis 60 Minuten nach dem Auftreten der ersten Ebene erscheint die zweite vertikale Furchungsebene; vorher sind die beiden Die Entwicklung des Eies von Echinoeardinm cordatum. 135 Furchungskugeln wieder etwas aus einander gewichen. Die zweite Ebene, welche senkrecht zur erst erschienenen Theilfläche steht, schneidet eben so wie diese am animalen Pole mit scharf ausge- sprochener Rinne zuerst in das Ei und ich konnte, wie Lupwic! bei Asterina gibbosa konstatiren, dass sie die kleinere Furchungskugel rascher theilt als die größere Hälfte, welche erst dann von der Thei- lungsfurche erreicht wird, nachdem diese die kleine Hälfte vollkon- men durchgefurcht hat. Man darf also auch bei Echinocardium von einem dreizelligen Furchungsstadium sprechen; freilich ist dasselbe nur kurze Zeit beständig und bald darauf ist durch die Theilung der größeren Hälfte das vierzellige Stadium erreicht. Die Achse der zwei- ten Theilfläche fällt natürlich mit der Gastrulaachse zusammen. Auch jetzt lassen sich noch die Abkömmlinge der beiden un- gleichen Furchungshälften nach ihrer Größe unterscheiden, doch ist diese Thatsache in Folge der komplieirteren Gestalt des Eies etwas schwerer erkenntlich. Unzweifelhaft aber sehen die vier Furchungs- zellen mit verschieden geformten Enden gegen die beiden Pole: sie neigen sich mit spitzerem Ende gegen den animalen Pol und begren- zen mit abgerundeten Flächen den Hohlraum am vegetativen Pole. Denn, was ich bis jetzt nicht erwähnte, mit der Vollendung der zweiten Furchungsphase ist zwischen den vier Furchungskugeln ein deutlicher, obwohl schmaler Hohlraum aufgetreten; er stellt die erste Anlage der vom Gallertkern erfüllten Furchungshöhle dar. Dieser Zwischen- raum hat nicht eine gleichmäßige, etwa röhrenartige Form, sondern, indem die Zellen am animalen Pole näher zusammenstehen und ein kleineres Spaltloch begrenzen, während sie am unteren Pole weiter aus einander weichen, erhält die Furchungshöhle die Gestalt eines ab- gestumpften Kegels. Aber dessen Wände sind nicht vollkommen ge- rade, vielmehr bauchen sie sich nahe der großen Grundfläche am vegetativen Pole gegen die Furchungszellen aus, so dass die Höhlung mehr die Form einer Kochflasche erhält. Das Ei entfernt sich seit dem Beginne der Theilung immer mehr von der reinen Kugelgestalt; schon die von der ersten Ebene gelieier- ten Eihälften ergänzen sich nicht zur idealen Kugelform und nach dem Ablaufe der zweiten Theilungsphase ist es streng genommen inkorrekt den bildlichen Vergleich mit »Furchungskugeln« fernerhin durchzu- führen. Die Form der vier Theilstücke entspricht, wenn man mathe- matisch denken will, nicht etwa den Kugelquadranten, vielmehr wur- den sie in der Richtung der zusammenfallenden Achsen der ersten und 1 Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. p. 6. 136 A, Fleischmann, zweiten Ebene etwas ausgedehnt und können sich nicht mehr zur Kugel ergänzen. Ich hebe diese Kleinigkeiten nur desshalb hervor, um mit aller Schärfe darauf hinzuweisen, dass die Ei- oder Gastrulaachse mit dem Verlaufe der Furchung sich in die Länge streckt und man ihr suc- cessives Wachsthum vom Beginne an verfolgen kann. | Das Auftreten der dritten äquatorialen Furchungsebene, welche etwa 40 Minuten später erscheint, wird schon vorher dadurch angedeutet, dass die vier Zellen weiter aus einander treten und die Furchungshöhle größer wird. Die Theilungsfurche selbst, welche senk- recht zu den beiden ersten Theilungsflächen gerichtet ist, knickt dann zuerst an der Seite der Zellen ein, welche gegen die Höhlung gewandt ist; sie greift viel später auf die äußere Peripherie über, dringt also vom Eicentrum nach außen vor. Auch ihr kommt die Eigenthümlich- keit zu, dass sie nicht gleichzeitig alle vier Zellen zum Schauplatz ihrer Thätigkeit macht, sondern dass sie successive von einer Zelle auf die andere überspringt. Dem Beispiele der zweiten Ebene folgend führt sie ihren trennenden Eingriff schneller und energischer gegen die bei- den Zellen aus, welche von der ersten kleineren Furchungshälfte stammen, und umfasst zaudernd die Abkömmlinge der großen Hälfte. Ihre Bewegunssrichtung ist dabei keine einseitige; denn sie theilt nicht, einem größten äquatorialen Kreise folgend, die Zellen nach einander in je zwei Segmente. Vielmehr schlingt sie sich, von einem äquatoria- len Punkte, der in der ersten vertikalen Ebene liegt, ausgehend, zu- nächst nach einer Richtung um die beiden kleineren Quadranten; hernach umspannt sie, vom gleichen Ausgangspunkte nach entgegen- gesetzter Richtung vorschreitend, die beiden größeren Zellen. Wenn man die Theilung während ihres Verlaufes verfolgt, so beobachtet man häufig Eier, deren erster und zweiter Quadrant völlige Durchschnei- dung, deren dritter und vierter fast keine Spur einer Einkerbung zeigt. Man könnte desshalb ganz wohl von einem Sechs- und sogar von einem Siebenzellenstadium sprechen, die nur wegen ihrer geringeren Dauer seltener zu Gesicht kommen. Während der Theilung hatte ich öfters den Eindruck, als ob durch die äquatoriale Ebene ungleiche Segmente abgegliedert würden und auch am vollendeten Achtzellenstadium fand ich an den Zellen einen Größenunterschied wahrnehmbar, je nachdem sie gegen den animalen oder den vegetativen Pol gewandt waren. Die kleineren Zellen, welche von besser gerundeten Wänden begrenzt waren, schienen stets am animalen Pole um die enge äußere Öffnung der Furchungshöhle zu liegen, während deren Mündung am vegetativen Pole von den größeren, mehr eckigen Segmenten umrandet wurde. Ich habe die Angaben Die Entwicklung des Eies von Echinocardium cordatum. ar: über die von der verschiedenen polaren Lage bedingte Größendifferenz der acht Segmente in etwas limitirender Fassung gemacht, weil ich mich überzeugte, wie schwer es sei, eine geringe Größenverschieden- heit an Furchungszellen, die man stets nur in verschiedener Lagerung, d. h. theils von der Fläche, theils im Quer- oder Längsschnitte gesehen, vergleichen kann, unzweifelhaft nachzuweisen. Nach der Theilung ist die Furchungshöhle zwischen den acht Seg- menten ziemlich groß, aber bald wird sie enger, da die Zellen näher gegen einander rücken. Die beiden Pole bleiben durch die verschie- den weite Mündung der Höhle charakterisirt. Zur weiteren Furchung des Eies verbinden sich von jetzt ab immer zwei Ebenen, welche fast gleichzeitig in die Zelllager einschneiden; sie sind entweder der vertikalen oder der äquatorialen Ebene parallel ge- richtet. Da es zu weitläufig wäre, wollte ich stets die entsprechende parallele Ebene zur Erklärung des Verlaufes einer neuen Theilungs- fläche herbeiziehen, so werde ich künftighin Ebenen, welche der verti- kalen parallel sind, als Orthoplane, und solche, die dem Äquator parallel laufen, als Isoplane bezeichnen. (In anderen Fällen, wo schräg gerichtete Theilungsebenen auftreten, dürfte sich die Bezeichnung Klinoplane empfehlen.) Nach ungefähr dreiviertel Stunden erscheinen zwei neue Thei- lungsebenen, die vierte und fünfte Isoplane. Zuvor hat sich die Fur- ‚chungshöhle mehr erweitert, indem die acht Segmente an dem Äquator weiter vom Centrum gerückt sind. Dies geschieht also, dass der spitze Winkel, unter welchem je vier Zellen im Achtkugelstadium an einem Pole zusammenstanden, nun stumpfer wird und die Furchungshöhle am Äquator, die Zellen centrifugal treibend, sich ausbaucht. Beide Ebenen treten wieder an der inneren Seite der Segmente in der Furchungshöhle auf und knicken erst später an der äußeren Peripherie ein. Sie theilen mit der zweiten und dritten Ebene die Tendenz, mit schnellerem Zuge die Theilprodukte der ersten kleineren Furchungshälfte zu zerschneiden, und verschmähen eine gleichmäßige Ausbreitung ‚über alle Zellen. Diese Eigenschaft kommt auch den späteren Theilungsflächen zu. Die vierte Isoplane unterscheidet sich von der fünften durch ihr etwas früheres Auftreten; sie erscheint nämlich in den gegen den ani- malen Pol gewandten Zellen und spaltet von denselben vier kleine Pol- zellen ab, ehe die fünfte Isoplane in der anderen vegetativen Eihälfte ' über eine schwache Einbuchtung hinaus gekommen ist. Man kann | wiederum von einem sehr vergänglichen Zwölfzellenstadium sprechen. Die auf diese Weise entstandenen Polzellen erhielten nach ihrer 138 A. Fleischmann, Lage sicher verschiedene Größe und es übertreffen die am vegetativen Pole abgeschnürten Zellen an Masse bei Weitem die animalen Polzellen; in Folge dessen sind auch die unterliegenden Polmutterzellen different. Das Ei besteht dann nach Vollendung der vierten und fünften Theilungsphase aus vier über einander geschichteten Kränzen zu je vier Zellen: Am oberen animalen Pole liegen vier kleine Polzellen, darunter vier große Polmutterzellen, dann jenseits des Äquators vier kleinere Zellen, unten die vier großen vegetativen Polzellen!. Was die gegenseitige Lage der 16 Zellen betrifft, so kann man über das Ei, nicht zwei Meridiankreise legen, deren Peripherie mit den Grenzen von je vier bezw. acht über einander liegenden Zellen zusammenfiele. Es zeigt sich vielmehr, dass nur die Zellen der beiden mittleren Kränze direkt auf einander geschichtet sind, während die Elemente der pola- ren Kappen gegen die unterliegenden Mutterzellen um etwa 450 ge- dreht sind. Ihre Zellgrenzen treffen stets gegen die Mitte der anstoßen- den Mittelzellen und umgekehrt. Ich habe nicht verfolgen können, auf welche Weise eine solche Verschiebung zu Stande kommt, doch fiel sie mir schon kurze Zeit nach der Theilung auf. Aus dieser Lage- rung der 16 Segmente lässt sich schon im Voraus der Verlauf der nächsten Spaltungsflächen ableiten. Denn man darf wohl behaupten, dass von jetzt an neue meridionale Ebenen außer Stande sein müssen, die verschieden gestellten Zellkränze zu durchfurchen. Und in der That greifen die bald entstehende sechste und siebente Ortho- plane nur in die beiden mittleren Zelllagen ein. Es entsteht also ein Furchungsstadium von 24 Zellen, die in vier Reihen, zwei kleineren, vier-zellenstarken, polaren Kreisen und zwei äquatorialen Ringen von je acht Elementen aufgeschichtet sind. Die folgende achte und neunte Isoplane gliedert die polaren Kreise in je zwei Ringe von je vier Zellen und führt so zum Stadium der 32 Zellen, die in sechs Stufen aus zwei äquatorialen Ringen von je acht, und vier polaren Kreisen von je vier Zellen aufgethürmt werden. Die nachfolgenden Theilungsebenen konnte ich nicht mehr so genau verfolgen; desshalb fahre ich gleich mit der Darstellung der Mesen- chymentwicklung fort. ! Dieser Furchungsmodus ist bis jetzt bei keinem Echinodermen beschrieben. SELENKA (l. c.) giebt an, dass die vegetative Hälfte zunächst von orthoplanen Ebenen gefurcht werde und zeigt in den Abbildungen die Theilungsspindeln parallel dem Aquator liegend als zwingenden Beweis für die meridionale Richtung der fünften und sechsten Ebene. Ich sah dagegen bei Echinocardium die Theilungsspindeln der vegetativen Zellen deutlich vom Aquator gegen den Pol gerichtet als Beweis für ihre isoplane Theilung. Die Entwicklung des Eies von Echinocardium cordatum. 139 Wenn die Furchung abgelaufen ist, wirft die Blastula! die allzu enge gewordene Dotterhaut ab und steigt in wirbelnder schraubenarti- ger Bewegung an den Wasserspiegel, um dort ein freies Leben zu führen. Kurze Zeit später sieht man gegen den, wie bei anderen Echi- niden aus stark verlängerten Gylinderzellen bestehenden vegetativen Pol von der Furchungshöhle aus eine trichterförmige Einsenkung vor- schreiten. Die anfänglich radiär geordneten Zellen weichen an dieser Stelle seitlich aus einander, so dass die Spitze der Trichtersenkung bis in die nächste Nähe der Oberfläche reicht. Der Boden des Trichters wird von den vier Urmesenchymzellen geschlossen. Diese liegen also am aboralen Pole, wo schon in den ersten Furchungsstadien vier große Polzellen deutlich zu unterscheiden waren; diese wurden späterhin durch isoplane Theilung immer mehr verkleinert und durch die aus lebhafter Theilung der nächstliegenden Zellkreise folgende Vermehrung und Zusammenschiebung der Nachbarzellen so an den Pol gedrückt, dass sie nicht mehr sicher erkennbar waren. Die Vermuthung liegt also sehr nahe, dass die Urmesenchymzellen die letzten deutlichen Reste der vegetativen Polzellen seien, welche entsprechend dem wäh- rend der Furchung kund gegebenen Verhalten den Theilungsprocess langsamer abspielten als die raschlebigen Zellen des animalen Poles, deren Individualität schon längst in der Mehrzahl gleicher animaler Elemente untergegangen ist. Die Urmesenchymzellen schnüren nun bei lebhafter Rotation der Keimblase in den Hohlraum des Trichters die Mesenchymzellen ab, welche sich rechts und links in zwei parallele Reihen stellen und die Höhlung desselben so ausfüllen, dass man sie kaum als gesonderte Bildung erkennen möchte. Man kann leicht verfolgen, wie sich die Mesenchymzellen successive vermehren und als zwei bilateral sym- metrisch geordnete Streifen über den Trichterrand allmählich in die Furchungshöhle eindringen. Dabei beschleunigt die Blastula stetig ihre Rotationsgeschwindigkeit. Die Mesenchymkeime behalten nicht lange Zeit ihre stabförmige Gestalt; denn bald nachdem sie frei ins Blasto- derminnere schauten, treten sie aus einander und legen sich an die gegen den vegetativen Pol sanft abfallende Wand der oblongen Keim- blase. Die kegelige Ausbuchtung der Höhle bleibt auch nach der Aus- breitung der Mesenchymzellen noch etliche Zeit erhalten, so dass die Mesenchymzellen in ihrer gesammten Anordnung das Bild eines ausge- spannten Regenschirmes gewähren, dessen Spitze im vegetativen Pole steckt, während seine Wand dem Ektoderm sich anschmiegt. Diese An- 1 Abbildungen hat SeLexkA (Keimblätter und Organanlage der Echiniden) diese Zeitschr. Bd. XXXIII, Taf. VII gegeben. 140 A. Fleischmann, ordnung und Koncentration der Mesenchymzellen um den oralen Pol tritt typisch an jeder jungen Keimblase hervor.. Eine Abschnürung von Zellen an anderen Stellen der Blastulawand konnte ich an normalen Eiern nicht beobachten, desshalb muss ich entgegen den Angaben von BereH! und GrerrFr? energisch dafür eintreten, dass die Keimstätte des Mesenchyms einzig und allein in den am oralen Pole gelegenen Ur- mesenchymzellen zu suchen sei. Bei der Beobachtung sowohl von lebenden als auch gefärbten Blastulen bekam ich häufig den Eindruck, als falle die Lage der Ur- mesenchymzellen nicht scharf mit der durch die beiden ersten Ortho- planen gegebenen Achse zusammen, sondern sei seitlich gegen dieselbe verschoben. Dies wäre wohl verständlich, wenn man die Verlagerung der Achse im Pluteusstadium ins Auge fasst; dieses Ereignis würde auf diese Weise seinen Schatten voraus in jüngere Entwicklungssta- dien werfen. Aber strikte konnte ich das Verhältnis nicht eruiren. Sobald das Mesenchym über die untere Hälfte der Blastulawand ausgespannt ist, flacht sich die Keimblase unten ab, darauf erscheint eine kleine Einsenkung, welche die langgezogene Blastula eindrückt und allmählich in das Stadium der Gastrula überleitet. Diese besitzt, um einen Ausdruck Serenka’s zu gebrauchen, die Form eines »Spitz- hutes mit verdicktem Rande«. Der Urdarm wächst als schlauchförmi- ges Rohr in die Furchungshöhle ein und lässt bald eine Abbiegung nach der Seite erkennen, wenn er an seinem oberen Ende die Vasoperito- nealblase (Hydrocölomblase) abschnürt. Dieses Säckchen liegt nämlich nie direkt unter der animalen Polverdickung, sondern ist, noch ehe völlige Abschnürung geschah, zur Seite geschoben, gegen die Stelle, wo eine kleine Ektodermeinsenkung die Bildung des funktionirenden Larvenmundes andeutet. Der untere Wulst der Gastrula treibt später als zwei Höcker die hinteren Arme des Pluteus hervor, während vor der Mundeinstülpung die animale Platte sich zum präoralen Lappen ausbreitet. Die weiteren Veränderungen zu verfolgen, hinderte mich der Ablauf der Ferien und der Tod der gefangenen Pluteuslarven. Das Ei von Echinocardium liefert ein ausgezeichnetes Beispiel für die »äquale Furchung mit polarer Differenzirung«°; denn während bei den von Serenkı untersuchten Echiniden die Unterscheidung der Scheitelzellen nur am animalen Pole scharf ausgesprochen ist, wird bei Echinocardium auch die vegetative Eihälfte unter die Herrschaft der polaren Gliederung gestellt und beide Eihälften werden zwar in nach einander folgenden Zeitabschnitten, aber von gleich gerichteten ! Videnskab. Meddelels. Naturhist. Forening. Kjebenhavn 1879—80. 2 Sechste Mittheil. 4879. p. 51—62. 3 SELENKA, Studien. II. p. 41. Die Entwicklung des Eies von Echinocardium cordatum. 141 Ebenen durehschnitten. Treten orthoplane Theilungsfurchen auf, so übergreifen dieselben nur die mehr äquatorial gelegenen Zellkreise und dringen nie bis an die Pole vor, eine Thatsache, welche durch die um 45° gegen die unterliegenden Zellkreise gedrehte Stellung der Pol- zellen genügend illustrirt wird. Die bisher bei den Echinodermen beobachteten Furchungsweisen lassen immer noch nicht eine bestimmte Beziehung zu einander erkennen. Ich gebe eine übersichtliche Zu- sammenstellung derselben. 8 16 ey: Bes SL Te M 2 9 [A EEE mm HE GE Synapta digitata oo Sal . I 8 Ophioglypha lacertosa: 2 4 — — [A Pa BEL RISRERR ve: a a ph hiniden: De en aamuas NTERESTRBE FEOTS #810 Sr 4 BERN A ee 5 2 A EEE me UEMEEE IE Echinocardium: - 77 TTS Während bei Synapta in jeder Furchungsphase alle Zellen insge- sammt getheilt werden, werden bei den Echiniden am animalen Pole vier Zellen abgeschnürt, die von. der gemeinsamen Theilung ausge- schlossen werden und erst in späterer Zeit (siebente Phase) legen sich auch um den oralen Pol vier Polzellen, die noch längere Zeit dort er- kennbar bleiben. Bei Echinocardium tritt die polare Differenz frühzei- tig am unteren Pole auf und wird weiterhin beibehalten. Wollte man diese Beziehungen urgiren, so ließe sich zwischen regulärer und äqua- ler Furchung mit polarer Differenzirung leicht eine Brücke schlagen durch die Vorgänge bei Echiniden, und man müsste die polare Unter- scheidung der Furchungszellen bei Echinocardium als Endergebnis eines bei Echiniden begonnenen Vorganges auffassen. Diese Folgerung wird aber durch die anderweitig bekannten anatomischen und paläontologi- ‚schen Thatsächen nicht bestätigt. Dieses negative Resultat der Ver- ‚gleichung zeigt wiederum, dass weder einfache noch komplieirte Arten der Furchung schlechthin als phylogenetische Hinweise zu betrachten sind. 142 A. Fleischmann, Die Entwicklung des Eies von Echinocardium cordatum. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIV. Die meisten Figuren sind direkt nach dem lebenden Eie mit der Camera lucida entworfen, nur Fig. 43, 44, 49 sind nach Osmiumpräparaten gezeichnet. Die Ver- größerung ist für Fig. 1—18 durchgängig 370fach. j Fig. 1—5. Successive Momentzeichnung des Auftretens und Vordringens der ersten Furchungsebene. Der animale Pol ist nach unten gestellt. Fig. 6. Auftreten der zweiten Furchungsebene, vom animalen Pole gesehen. Die Theilungsfurche schneidet an der linken kleineren Hälfte schneller ein, rechts ist kaum eine leise Einsenkung zu erkennen. Fig. 7. Dasselbe Ei, nachdem die Viertheilung vollendet ist. Die schmale Mün- dung der Furchungshöhle am animalen Pole ist sichtbar. Fig. 8. Vier Blastomeren, schräg von der Seite gesehen, im Inneren die un- gleich weite Furchungshöhle. Fig. 9. Theilungsstadium von sechs Zellen, die dritte Ebene hat nur die klei- neren hinteren Quadranten durchschnitten, die vorliegenden zeigen ganz schwache Einkerbungen. Fig. 40. Dasselbe Ei nach vollendeter Theilung, acht Zellen, der animale Pol ıst nach oben gewandt. Fig. 11. 46 Blastomeren vom animalen Pol gesehen. Die Zahlen in den kleinen Polzellen bezeichnen die Reihenfolge der Abschnürung. Fig. i2. Dasselbe Ei vom vegetativen Pole gesehen. Fig. 43. 24 Blastomeren im optischen Längsschnitte, Fig. 14. 24 Blastomeren vom vegetativen Pole, Fig. 45. 32 Zellen vom animalen Pole. Fig. 46. 32 Zellen im optischen Längsschnitte. Fig. 17. Schematische Darstellung des Verlaufes der ersten Furchungsebenen. Fig. 18. Freischwimmende Blastula. Man sieht schräg von oben in die trichter- förmige Verlängerung der Furchungshöhle. Fig. 49. Blastula, die Urmesenchymzellen liegen am oralen Pole, die Mesen- chymzellen haben sich schon an der unteren inneren Wand der Blastula ausge- breitet, Trichter noch deutlich erkennbar. Fig. 20. Pluteus 445h nach der künstlichen Befruchtung. Beitrag zur Kenntnis des Megastoma entericum. Von B. 6rassi und W. Schewiakofl. Mit Tafel XV. Die endoparasitische Flagellate, welche den Gegenstand dieser Ar- beit bildet, wurde von B. Grassı zuerst unter dem Namen Dimorphus muris(6) und später als Megastoma entericum (8u. 9) beschrieben. Bei der Aufstellung des Systems der Mastigophora fand Bürscatrı (12; p. 843), dass Lauer (2 und 3) dieses Protozoon schon früher beob- achtet, jedoch die Geißeln nicht bemerkt hatte. Lauer hielt es für den im Menschen häufig vorkommenden, sogenannten Monocercomonas ho- minis Day. spec. (Cercomonas Autorum) und bezeichnete es daher fälsch- lich als Gercomonas intestinalis. Diese Auffassung erhielt sich in den Handbüchern der Parasiten- kunde des Menschen bis auf die jüngste Zeit, obgleich Stein schon 1878 (5; p- 80) auf die Verschiedenheit des Lanmsr’schen Flagellaten von Cercomonas und auf seine wahrscheinlichen Beziehungen zu Tetramitus und Hexamitus hinwies. Nach dem Erscheinen der Grassr’schen Arbeit wies dann, wie bemerkt, zuerst BürscaLı auf die Identität des LameL- schen Parasiten mit dem Grassr'schen Megastoma hin, welcher Ansicht später auch Lruckarr beitrat. Bei der Tafelerklärung seines Protozoenwerkes nennt BürscaLı das Thier Megastoma intestinalis Lambl spec. Da aber der Name Mega- stoma entericum in den medieinischen Büchern sich schon eingebürgert hat, so wollen wir denselben beibehalten und führen, der Übersicht wegen, die Synonymie an. Cercomonas intestinalis Lambl (2; p. 51, Taf. I, Fig. 2 z; auch 3; p- 360—365, Taf. XVIH, Fig. A, 1-—17). Dimorphus muris Grassi (6; p. 8). Megastoma entericum Grassi (8; p. I—4; auch 9; p.37—41, Taf. II, Fig. 1—11). 144 B. Grassi und W. Schewiakofl, Megastoma intestinalis Lambl spec. Bütschli (12; p. 843, Taf. XLVI, Fig. 3). Lamblia intestinalis R. Blanchard (15; p. 91 —94). Megastoma intestinalis R. Leuckart (16; p. 967—968). Im August dieses Jahres verweilte B. Grassı einige Zeit in Heidel- berg und untersuchte im zoologischen Institute daselbst den Darm von Ratten und Mäusen auf Tänien und deren Embryonen; bei dieser Ge- legenheit fand er im Dünndarme der erwähnten Säugethiere sein Megastoma in großer Anzahl vor. Auf seinen Vorschlag entschloss sich SCHEWIAKOFF, welcher schon seit längerer Zeit über Protozoen in dem erwähnten Institut arbeitet, das Megastoma mit Grassı von Neuem zu untersuchen. Eine Neuuntersuchung war um so mehr erwünscht, weil einige, in der Organisation des Megastoma zweifelhaft gebliebene Punkte (Geißeln, Kern und kontraktile Vacuolen) aufzuklären waren. Die Feststellung der Bauverhältnisse erschien von großer Wichtigkeit nicht nur wegen des Interesses, welches das Thier in medicinischer Hinsicht bietet, son- dern namentlich wegen der näheren Beziehungen desselben zu den verwandten Organismen. Aus diesem Grunde wurde die Arbeit sofort in Angriff genommen, wobei wir auf die vorgeschrittenere Technik und die besseren optischen Hilfsmittel einige Hoffnungen legten. Wir halten für angemessen, kurz die Methode der Untersuchung anzuführen, da man beim Studium dieses Parasiten auf gewisse Schwie- rigkeiten stößt, die sich bei der angewandten Methode leicht beseitigen lassen. Werden die Thiere in ein anderes Medium gebracht, so verlassen sie ihre Befestigungsstelle. schwimmen umher, und gehen ziemlich schnell zu Grunde. Um diesem Umstand vorzubeugen, wurden die Zotten des Dünndarms, an deren Epithelzellen die Megastomen sitzen, abgeschabt und in einer eiweißhaltigen Flüssigkeit, welche dem Blut- serum entspricht, zerzupft. Diese Flüssigkeit bestand aus 20 cem Ei- weiß und 1 g Kochsalz, die in 200 com Wasser aufgelöst wurden. Zum Abtödten benutzten wir die Dämpfe 1°%/,iger Osmiumsäure, welche da- hei mäßig erhitzt wurde, um durch die beschleunigte Gasentwieklung den Tod momentan erfolgen zu lassen. Ein nachheriger Zusatz von 10%/yiger Sodalösung ermöglichte uns die Zahl, sowie die Ansatzstellen der Geißeln festzustellen. Letzteres Verfahren empfiehlt sich besonders in allen den Fällen, wo es sich um das Studium der Cilien, Geißeln und undulirenden Membranen handelt und wurde von SchewIakorr bei der Untersuchung von Infusorien mit gutem Erfolge angewandt. Kern- Beitrag zur Kenntnis des Megastoma entericum. 145 färbungen lassen sich schwer anstellen und verlangen eine lange Ein- wirkungszeit («—5 Stunden) ; am besten erwiesen sich Brass’sche saure Karminlösung (13; p. 303) und Hämatoxylin, wobei eine vorherige Be- handlung mit dem Frenning’schen Chromosmiumessigsäure Gemisch sich nicht ohne Nutzen erwies. Wir wenden uns nun zur Besprechung der Resultate, die sich aus unserer Untersuchung ergeben haben. Die Gestalt des Megastoma ist, wie schon Lauer und Grassı richtig beschrieben haben, birnförmig mit ziemlich spitz zulaufendem Hinter- _ ende (Fig. 1). Auf der einen Seite der Vorderhälfte ist der Körper schief ‚nach vorn abgestutzt und ausgehöhlt. Diese Aushöhlung ist bei einigen Exemplaren tiefer (Fig. 2), bei anderen dagegen flacher (Fig. 3), was mit der Wölbung der entgegengesetzten Seite in Zusammenhang zu stehen scheint und wahrscheinlich von den Kontraktionen des Thieres abhängt. Die Ränder der Aushöhlung erheben sich unbedeutend über die Körper- oberfläche (was auch von Lamer |3; Taf. XVII, Fig. A, 1, 8, 9 und 11] auf seinen Zeichnungen dargestellt und von Grasst [9; p. 37] beschrie- ben wird) und laufen hinten in einen kleinen Fortsatz aus, der frei über der Aushöhlung etwas nach vorn hervorsteht. Dieser Fortsatz ist nicht ‚ starr, sondern beweglich und kann unter gewissen Verhältnissen, wie wir weiter unten sehen werden, nach hinten umgeschlagen werden (Fig. 6 und 7). Da das Thier immer mit der ausgehöhlten Seite den Epithelzellen ansitzt (Fig. 6), so sind wir vollkommen berechtigt diese ‚ Aushöhlung mit einem Peristom zu vergleichen, wobei ein eventuell ‚ vorhanden gewesener Mund in Folge der parasitischen Lebensweise ‚ verloren gegangen sein kann. Durch diese Aushöhlung hat sich eine Bauchfläche ausgebildet und das Thier einen deutlich bilateral symme- trischen Bau erlangt — eine Erscheinung, auf die schon Bürscnui (12; ' p. 664) seiner Zeit hingewiesen hat und die nicht zu den verbreitetsten ‚ unter den Flagellaten gehört. Die bilaterale Symmetrie spricht sich | auch in den Geißeln und der Lage und Gestalt des Kerns aus (Fig. A u. &). | Die Länge der beobachteten Thiere beträgt 0,01—0,046 mm, bei der Breite von 0,005—0,0075 mm. | Das Protoplasma ist hyalin und sehr fein granulirt. Bei der Be- handlung mit Fixirungsflüssigkeiten (Fig. 4 und 8) erscheint es deut- licher gekörnt, als im lebenden Zustande; diese Körnchen werden auch ‚ von den Färbungsflüssigkeiten stärker tingirt. Bei dieser Behandlung gewahrt man auch eine äußerst feine Hülle entsprechend dem »invoglio ‚ ehitinoide« Grasst's (9; p. 37) (Fig. 4 e), welche ganz homogen erscheint ‚und fast gar nicht tingirt wird. Dieselbe ist bei lebenden Thieren gleich- ‚ falls sichtbar und erscheint im optischen Querschnitte als ein äußerst 146 B. Grassi und W. Schewiakofl, schmaler, durchsichtiger, stärker lichtbrechender Körpersaum. Dem- nach wäre man berechtigt bei Megastoma von einer Differenzirung des Plasma in zwei Regionen zu sprechen. Wie schon Grassı richtig beobachtet hat, besitzt das Megastoma acht Geißeln (Fig. 1—4), die in vier Paare aber folgendermaßen angeordnet sind. Das erste Geißelpaar (g,) entspringt am vorderen Körperpol, außer- halb des aufgetriebenen Peristomrandes. Diese beiden Geißeln ver- laufen in der Rinne, welche von der Körperoberfläche und dem Peri- stomrande gebildet wird, begeben sich nach hinten und stehen an den Seiten des Körpers frei nach außen. Es fällt ziemlich schwer die An- satzstelle dieses vorderen Paares von Geißeln zu erkennen, weil sie in der vorderen Körperhälfte in der beschriebenen Rinne verborgen blei- ben, bei der Bewegung nach hinten gerichtet sind und niemals nach vorn geschlagen werden. Es hat vielmehr den Anschein, als ob die Geißeln von den Seitenrändern der Peristomaushöhlung entspringen würden, was auch früher von Grassı (9; p. 38) vermuthet wurde. Je- doch gelingt es, namentlich bei Anwendung von Sodalösung und einer passenden Drehung des Objektes, sich von der Richtigkeit der eben ge- schilderten Auffassung zu überzeugen. Besonders gut ersieht man es aus gewissen Seitenansichten (Fig. 6 g,), oder noch besser aus Frontal- ansichten (Fig. 10 g,), d. h. solchen Ansichten, welche sich bei den auf das Hinterende aufgestellten Exemplaren ergeben. Letztere Manipula- tion gelingt, nach einiger Übung, durch Verschieben eines mit Wachs- füßchen versehenen Deckgläschens. Das zweite Geißelpaar (9) entspringt von der Spitze des Fortsatzes, welcher am hinteren Rande des Peristomausschnittes nach vorn hervor- ragt. Diese Geißeln liegen an ihrer Befestigungsstelle so nahe an ein- ander, dass der Fortsatz am Ende knopfartig verdickt erscheint. Ge- nannte Geißeln sind ebenfalls nach hinten gerichtet und unterscheiden sich von den anderen drei Paar Geißeln wesentlich sowohl in ihrer Ge- stalt, wie in der Art der Bewegung. Was ihre Form anbetrifft, so sind sie bedeutend dicker als die übrigen und aus diesem Grunde auch besser sichtbar. Zuweilen verkleben sie mit einander und geben den Anschein einer sehr dieken Geißel. Namentlich ist dieses oft bei todten Exemplaren der Fall, weleher Umstand auch Grassı in seiner früheren Arbeit (9) bewogen hat, von einer Längsrippe zu sprechen, die in der Mittellinie der Bauchseite vom hinteren Körperende bis zur Peristom- aushöhlung hinziehen sollte. Wir konnten nichts von dieser Längsrippe sehen und Grassr glaubt jetzt, dass sie durch die beiden verklebten Geißeln vorgetäuscht wurde. Auch wird sie von Grassı nur auf Zeich- Beitrag zur Kenntnis des Megastoma enterieum. 147 nungen von todten, aus Fäces des Menschen stammenden, Exemplaren angegeben (9; Taf. III, Fig. 3 und 4), an welchen die übrigen Geißeln nicht zu sehen waren. Die Bewegung dieses Geißelpaares ist auch eine eigenthümliche. Während die anderen Geißeln ziemlich langsam wellenförmig bewegt werden und bei sessilem Zustande sogar oft unbeweglich bleiben, be- finden sich diese in einer fortwährenden, ziemlich schnellen Bewegung, wobei sie sich nicht etwa einfach schlängeln, sondern in Schraubenwin- dungen sich zusammenziehen. Diese Verhältnisse führten uns zur Ver- muthung, ob wir es hier nicht mit undulirenden Membranen zu thun hätten, welche nach den Untersuchungen Bürscaurs (12; p. 674—676) und Brocamanv’s (11; p. A3 und 45) bei gewissen parasitischen Flagella- ten vorkommen sollen. Jedoch gelang es uns nicht von der Richtigkeit dieser Vermuthung uns zu überzeugen, aus welchem Grunde wir die Organe als Geißeln bezeichnen wollen. Jedenfalls ist sicher, dass es keine Gebilde sind, die den undulirenden Membranen, welche bei eini- gen ceiliaten Infusorien (Gyclidium, Lembadion, Uronema etc.) vorkom- men, entsprechen. Die Geißeln des dritten Paares (g,) entspringen in der Nähe des zweiten und :zwar ebenfalls am Hinterrande der Peristomaushöhlung, aber seitlich vom Fortsatz in den beiden Ecken des Peristomrandes; sie begeben sich seitlich und nach hinten. Das vierte Paar von Geißeln (g,) endlich entspringt am Hinterende des Körpers und bildet so zu sagen die Fortsetzung des Schwanzes. Sie sind gleichfalls nach hinten gerichtet und haben auch die Neigung theil- weise oder vollständig zu einer Geißel zu verkleben, so dass man unter todten Megastomen Exemplare mit zwei Schwanzgeißeln, mit einer mehr oder weniger gespaltenen (Fig. 8 9,) und mit einer Geißel sehen kann. Sämmtliche Geißeln sind ziemlich gleich lang (ea. 0,009—0,044 mm); das zweite und dritte Geißelpaar ist unbedeutend kürzer. Der Kern (Fig. 1—4 n) liegt in der Vorderhälfte des Körpers und zwar in der peristomartigen Aushöhlung. Bei lebenden Thieren gewahrt man in der Tiefe der Aushöhlung zwei helle und runde Körper, welche früher von Lauer (3; p. 361) und Grasst (9; p. 38) beobachtet und vom Ersteren als helle Bläschen (kernartige Gebilde), von Letzterem da- gegen als helle Flecke bezeichnet wurden, wobei er die Vermuthung aufstellte, ob es nicht vielleicht Vacuolen wären!. Diese Körper sind der Kern. Bei tiefer Einstellung sieht man zwischen denselben einen Verbindungsstrang, so dass wir also nicht zwei, sondern einen Kern 1 »Due machioline (vacuoli ?) chiare.« Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 44 148 B. Grassi und W, Schewiakofl, besitzen. Manchmal rücken die beiden verdickten Kernhälften näher an einander (Fig. 9); dann wird der Verbindungsstrang auch dicker und deutlicher, so dass der Kern eine nahezu hufeisen- oder bandför- mige Gestalt bekommt. Wir vermuthen, dass diese Erscheinung mit der Vorbereitung zur Theilung in Beziehung steht, nach Analogie mit den Erscheinungen, welche bei den mehr oder weniger ähnlich ge- bauten Infusorienkernen (Stylonychia, Vorticella, Urocentrum), die sich zur Theilung anschicken, vorkommen. Diese Vermuthung scheint um so mehr berechtigt, da von Lausr zuweilen nur ein Kern (helles Bläschen) gesehen wurde. Der Kern erscheint homogen und ziemlich stark lichtbrechend; behandelt man das Thier mit Fixirungs- und Färbungsflüssigkeiten (Fig. 4 n), so kommt am Kerne eine äußerst feine Hülle und in jedem verdickten Kernende ein kleines, dunkler erscheinendes Kernkörper- chen zum Vorschein ; um die letzteren sieht man einzelne, äußerst kleine Körnchen, wogegen der übrige Inhalt hell und homogen erscheint. So- mit würde auch der Kern des Megastoma den Bau besitzen, welcher gewöhnlich als der bläschenförmige bezeichnet wird. Schließlich sei noch einer Erscheinung gedacht, welche, obgleich selten, doch einige Mal von uns beobachtet wurde. Bei einigen Exem- plaren fanden wir im Innern des Körpers, in der Nähe des Fortsatzes, noch ein kleines, rundliches Gebilde (Fig. 8 x), welches homogen er- schien und von Färbungsflüssigkeiten tingirt wurde, ohne jedoch die Erscheinungen aufzuweisen, welche dem Kerne des Megastoma zukom- men. Wir vermögen nichts Bestimmtes über die Natur und Bedeutung dieses räthselhaften Gebildes zu sagen. Ein Mund fehlt vollkommen; die Nahrung scheint von der ganzen peristomartigen Aushöhlung aufgenommen zu werden, da die parasi- tirenden Megastomen immer mit der Aushöhlung (Fig. 6) den Epithel- zellen der Darmzotten anliegen. Die Nahrung muss im flüssigen Zustande, also auf osmotischem Wege aufgenommen werden, da wir nie feste Nahrungsbestandtheile im Innern des Körpers sehen konnten. Eine = kontraktile Vacuole fehlt. Theilung ist von uns nicht beobachtet worden. Dagegen fanden wir im Colon encystirte Exemplare. Die Gysten (Fig. 11 und 12) sind oval und besitzen eine ziemlich dicke Hülle. Ihre Länge beträgt bis 0,04 mm, bei der Breite von 0,007 mm. Bei seitlicher Lage der Cysten (Fig. 12) gewahrt man deutlich das eingeschlossene Megastoma. Die Bewegungen des Megastoma sind ziemlich rasch. Mit dem Vorderende voran, schwimmt es lebhaft umher unter fortwährender Bewegung der Geißeln. Dabei nehmen das vordere (erste — g,) und Beitrag zur Kenntnis des Megastoma enterieun. 149 das an den Ecken des hinteren Peristomrandes entspringende (dritte) Geißelpaar (9;) eine Lage ein, die mit der Längsachse des Thieres einen Winkel von nahezu 45° ausmacht; diese Geißeln führen peitschenartige, schlängelnde Bewegungen aus. Das an der Spitze des Fortsatzes ent- springende (zweite) Geißelpaar (g5) ist nach hinten gerichtet, bewegt sich sehr schnell und wird in Schraubenwindungen zusammengezogen. Das am Hinterende des Körpers entspringende (vierte) Geißelpaar (9,) macht sehr schwache Bewegungen und wird vom Thiere, so zu sagen nachgeschleppt. Nur bei Veränderung der Bewegungsrichtung sieht man an ihm stärkere Bewegungserscheinungen auftreten. Es ist nicht unmöglich, dass diese Geibeln zum Steuern dienen können. Sehr wahr- scheinlich ist es auch, dass dieselben noch eine Funktion besitzen, die den sogenannten Fühlborsten (früher Springborsten) einiger Infu- sorien (Urotricha, Cyclidium, Uronema etc.) zukommt. Wir sahen öfters an Exemplaren, welche ruhig an einem Platze lagen, dass, sobald irgend etwas ihre hinteren Geißeln berührte, sie sofort davonschwammen; an umherschwimmenden Exemplaren konnte man in solchem Falle eine deutliche Beschleunigung der Bewegung wahrnehmen. Wie gesagt, können die Thiere auch ruhig an einem Platze liegen und dann ziemlich langsam um ihre Längsachse rotiren; beim Umher- schwimmen dagegen kommen Rotationserscheinungen sensu striecto nicht vor — die Thiere können höchstens ihre Lage verändern, indem sie von der Bauchfläche sich auf die Seite legen. Auch können sie auf einer Unterlage, ähnlich den hypotrichen Infusorien, dahin gleiten, wobei sie mit der Bauchfläche stets nach unten gekehrt sind. Das freie Umherschwimmen ist aber nicht der normale Lebenszu- stand des Thieres; es schreitet nur dann zur Bewegung, wenn es auf die eine oder andere Weise gezwungen wird seine Ansatzstelle zu verlassen. In solchem Falle sucht es sich einen neuen Befestigungsort auf. So fanden wir im Chylus des Darmes nur wenige Thiere, wogegen die Epi- thelzellen der Zotten fast kontinuirlich mit einem Überzug von Thiereı bedeckt waren (Fig. 5) — eine Beobachtung, die auch seiner Zeit vo Grassı (9; p. 40) gemacht wurde. Setzt sich das Thier fest (Fig. 7), so kehrt es den Fortsatz des hin- teren Peristomrandes nach außen um und legt sich zuerst mit der ven- tralen Fläche desselben an die Epithelzelle der Zotten an. Gleichzeitig damit umgreift es mit dem etwas hervorstehenden Peristomrande, wie mit Lippen, einen Theil der Epithelzelle (Fig. 6) und richtet den Hinter- theil seines Körpers nach oben auf. Diese Kontraktionsfähigkeit des Peristomrandes ist besonders auffallend und nicht uninteressant und wurde auch von Lausr (3; p. 361) an ruhenden Exemplaren beobachtet. a1* 150 B. Grassi und W. Schewiakofl, In dem eben geschilderten sessilen Zustande werden nur die dickeren Geißeln (das zweite Paar — g,) stark bewegt; der aufgerichtete hintere Körpertheil sammt den Schwanzgeißeln (g,) macht schwache pendel- artige Bewegungen, wogegen die übrigen Geißeln (g, und g,) fast un- beweglich sich verhalten. Auch kann der ganze Körper Krümmungen und schwache Kontraktionen ausüben, aus welchem Grunde er auch nicht als starr zu bezeichnen ist. Wir kommen nun zu der interessanten Frage nach der systemati- schen Stellung des Megastoma. - In seinem System der parasitischen Flagellaten errichtete Grassı (3; p. 10—11) für Megastoma eine besondere Familie der Megasto- midea, welche er zwischen die Familien Gercomonas und Lopho- monadidea einreihte. Bürscnuı (12; p. 842—843) vereinigte dagegen Megastoma mit Hexamitus und Polymastix zu einer Familie der Poly- mastigina (Unterordnung Isomastigoda). Die Aufstellung dieser Fami- lie wurde, wie schon ihr Name bezeugt, dadurch begründet, dass die Repräsentanten derselben, außer den vier Geißeln, welche den Vertre- tern der nächst verwandten Familie der Tetramitina zukommen, noch zwei, am Hinterende des Körpers befestigte, Geißeln besitzen. Wegen dieser beiden hinteren Geißeln sollte sich zunächst das Mega- stoma (12; p. 664) dem Hexamitus anschließen; auch sprachen die übrigen Geißelverhältnisse, so weit sie bekannt waren, ebenfalls für den Anschluss an Hexamitus. Die Organisationsverhältnisse, welche wir feststellten, erlauben einige weitere Schlüsse über die verwandtschaftlichen Beziehungen des Megastoma zu anderen Flagellaten zu ziehen. Leider stimmen unsere Ansichten über diesen Punkt nicht völlig überein, so dass die im Folgen- den dargestellte Auffassung nur von SCHEWIAKOFF vertreten wird. Das Megastoma scheint sich unmittelbar an Hexamitus anzu- schließen, und zwar speciell an H. inflatus Duj., bei welchem nach Bür- scaLts Beobachtungen (4; p. 238—240, Taf. XIV, Fig. 20) möglicherweise Ihenfalls acht Geißeln vorkommen im Gegensatz zu den beiden anderen Hexamitusarten H. intestinalis Duj. und H. rostratus Stein, die nach den Beobachtungen Sreiv’s (5; Taf. III, Abth. V, Fig. 1—7 und Abth. VI, Fig. 1 —5), Kenr's (7; p. 318—320, Taf. XIX, Fig. 55 u. 60—62), Serico’s (1%; p. 148—150, Taf VII, Fig. 1—3) und anderer nur sechs Geißeln haben. Die: Richtigkeit der Bürsenırschen Beobachtung vorausgesetzt, welche übrigens auch von Seuıco (14; p. 450) bestätigt wird, würde der H. inflatus eine große verwandtschaftliche Beziehung zum Megastoma besitzen, so dass sich eine Ableitung der zweiten Gattung von der ersten versuchen ließe. Beitrag zur Kenntnis des Megastoma entericum. 151 Einen besonderen Anknüpfungspunkt, abgesehen von der Zahl, bietet noch die Stellung der Geißeln. Nach den Untersuchungen Bür- scaırs (4; p. 239 Anm.) sollten die acht Geißeln von Hexamitus inflatus folgendermaßen angeordnet sein: zwei Geißeln entspringen am Hinter- ende (Sehwanzende) des Körpers, zwei Geißeln im entgegengesetzten Punkte des Vorderendes und die übrigen vier Geißeln stehen paarweise dicht beisammen, etwas weiter nach hinten, jedoch ziemlich nahe dem Vorderende, um je 90° von den ersterwähnten Geißeln entfernt. Bei dem Megastoma ist das vordere (erste — g,) und hintere (vierte — g,) Geißelpaar vollkommen unverändert geblieben, nur sind die bei- den anderen Geißelpaare (das zweite — 9, und dritte — g,) mit der Aus- bildung der peristomartigen Aushöhlung weiter nach hinten gerückt und haben somit ihre Befestigungsstelle am hinteren Ende des Peri- stoms gefunden, wo sie gleichfalls dicht zusammen stehen. In ähnlicher Beziehung zum Megastoma steht noch eine andere Flagellate, welche von Künsızer (10; p.52—54, Pl.II, Fig. 1—4) im Darme von Kaulquappen des Frosches gefunden und mit dem Namen Giar- dia agilis bezeichnet wurde. Die Gestalt dieser Flagellate ist länglich, vorn kopfartig erweitert, nach hinten verschmälert und in ein zugespitztes Schwanzende aus- laufend. Die Zahl der Geißeln beträgt wohl zweifellos acht!, die in vier Paaren angeordnet sind. Zwei Geißeln entspringen am Hinterende, zwei am Vorderende der nach hinten herübergebogenen kopfartigen Erweiterung und die übrigen zwei Paar Geißeln stehen seitlich jeder- seits der erwähnten Erweiterung. Ein Mund oder eine peristomartige Aushöhlung scheint nicht vorhanden zu sein; der Kern wurde auch nicht beobachtet. Die Verwandtschaft des Megastoma mit diesem Flagellaten wäre noch inniger, da hier ebenfalls nur zwei Geißeln am vorderen Körper- pol stehen, wogegen die anderen zwei seitlich stehenden Paare weiter nach hinten (vgl. 10; Fig. 4) gerückt sind. Man dürfte sogar ernstlich daran denken, die Giardia mit Megastoma zu vereinigen. Demnach würde sich Megastoma entericum von den beiden be- sprochenen Flagellaten hauptsächlich durch die Ausbildung des Peri- stoms unterscheiden, in Folge deren wahrscheinlich eine Verschiebung der Ansatzstelle der Geißeln und eine Gestaltsveränderung des Kerns eingetreten ist. Was die beiden sechsgeißeligen Hexamitusarten betrifft, so zeigen sie ihrerseits gewisse verwandtschaftliche Beziehungen zu der Familie ! Doch blieb KünstLer über die Zahl etwas zweifelhaft (10; p. 53). 152 B. Grassi und W, Schewiakoff, u Tetramitina. In Folge der vier, am vorderen Körperpol entspringenden, Geißeln wären sie von den Vertretern der Familie Tetramitina, nament- lich von Monocercomonas Grassi (9; p. 12—24, Taf. I, Fig. 1—18, Taf. I, Fig. 36—38) und Tetramitus rostratus Perty (1; p. 170, Taf. XIV, Fig. 4 auch 5; p. 100, Taf. III, Abth. I, Fig. 1—11) abzuleiten, bei denen nur vier Geißeln vorkommen, die ebenfalls aus einem Punkte des Vorder- endes entspringen. Die andere Tetramitusart, T. deseissus Perty (1; p. 170, Taf. XIV, Fig. 3, auch 5; p. 100, Taf. II, Abth. X, Fig. 1—5) besitzt wiederum ge- wisse verwandtschaftliche Beziehungen zum Megastoma. Die Gestalt des T. deseissus ist der des Megastoma auffallend ähnlich, da namentlich die Vorderhälfte des Körpers schief nach vorn abgestutzt und ausgehöhlt ist. Der Unterschied in der Geibelzahl ist dagegen sehr ausgesprochen, da dieselbe, wie bei allen Tetramitinen, vier beträgt. Demnach würde unser Megastoma zum Hexamitus inflatus in eben solcher Beziehung stehen, wie der Tetramitus deseissus zu T. rostratus und anderen Gattungen der Familie Tetramitina. Wenn ferner die Ver- einigung des Tetramitus mit Monocercomonas und anderen zu einer Familie der Tetramitina berechtigt erscheint, so muss das Gleiche auch für die Vereinigung von Hexamitus mit Megastoma zur Familie der Polymastigina gelten, wobei eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen den beiden besprochenen Familien nicht zu verkennen ist. Das Megastoma lebt parasitisch in Säugethieren in ungemein großer Anzahl und kommt sehr häufig in ganz Italien vor. Bis jetzt wurde es von Grassi (9; p. 39—40) in Mus musculus, M. rattus, M. decumanus und M. sylvestris, in Arvicola arvalis, in Katzen, Hunden, Schafen und Kaninchen gefunden. Auch kommt es nach der Beobachtung Grassr’s durchaus nicht selten in Menschen verschiedenen Alters vor; beim letz- teren wurde es auch zuerst von Lauer (3) gesehen. In Heidelberg fan- den wir es in Mus decumanus, Arvicola arvalis und A. amphibius. Das Megastoma parasitirt im Duodenum und Jejunum; im übrigen Theile des Dünndarms in viel geringerer Menge. Im ersten Theile des Diekdarms erscheint es schon encystirt. Im eneystirten Zustande wird es mit den Fäces eliminirt, kann jedoch auch in denselben im freien Zustande erscheinen, wenn die von Megastoma befallenen Menschen oder Thiere an Diarrhöe leiden. Bei der Schilderung der Lebensweise des Megastoma sahen wir, dass dasselbe sich mit seiner peristomartigen Aushöhlung an die freie Oberfläche der Epithelzellen der Zotten festsetzt, um auf Kosten der- selben zu leben. In Folge der sitzenden Lebensweise hat es sich an Beitrag zur Kenntnis des Megastoma entericum. 153 den Parasitismus besser angepasst, als andere Flagellaten, wie z. B. Monocercomonas, Hexamitus und andere, welche von Grassı bloß als unschädliche Commensale betrachtet wurden. Das Megastoma ist da- gegen unzweifelhaft für schädlich zu erklären, weil es die Epithelzellen der Zotten vollkommen überdeckt (Fig. 5 und 6) und auf diese Weise vielleicht eine normale Resorption verhindern kann. -Selbstredend wird seine Schädlichkeit nur dann bemerkbar, wenn es in großer Menge im Darme auftritt. Nach den Beobachtungen Grassr's ist es wahrscheinlich, dass das Megastoma beim Menschen Diarrhöen und Anämie erzeugen kann. Zur Diagnose des Leidens genügt die Untersuchung der Fäces, in welchen dann entweder der Parasit selbst oder Cysten vorgefunden werden. Diese Arbeit wurde im Zoologischen Institut zu Heidelberg gemacht. Wir fühlen uns verpflichtet, dem Direktor des Instituts, Herrn Professor Dr. ©. BürscaLı, unseren innigsten Dank für die freundliche Erlaubnis zum Arbeiten während der Ferienzeit auszusprechen; auch verdankt im Besonderen der Eine von uns (ScHEWIAKOFF) demselben mehrfache Unter- stützung bei Beurtheilung der systematischen Stellung des Megastoma. Heidelberg, im Oktober 1887. Litteraturverzeichnis. 4. M. Perry, Zur Kenntnis kleinster Lebensformen. Bern 1852. 2. W. Lauer, Mikroskopische Untersuchungen der Darmexkrete. Vierteljahrsschr. f. die prakt. Heilkunde. Bd. LXI. 1859. 3. W. LameL, Die parasitischen Organismen des Darmkanals. Aus dem Franz Joseph Kinder-Spital in Prag. Th. I. 1860. 4. O. Bürscarı, Beiträge zur Kenntnis der Flagellaten und verwandter Organismen, Diese Zeitschr. Bd. XXX. 1878. 5. F. v. Stein, Der Organismus der Infusionsthiere. Bd. III. Der Organismus der Flagellaten oder Geißelinfusorien. 4. Hälfte. 4878. 6. B. Grassı, Dei Protozoi parassiti e specialmente di quelli che sono nell’ uomo. Gazz. medica ital. Lombard. 1879. No. 435. 7. W. SavıLLe Kent, A manual of the Infusoria. London. Vol. I, 41880—4881. 8. B. Grassı, Di un nuovo parassita dell’ uomo Megastoma entericum. Gazz. degli ospitali 1881. Anno II. No. 13—15, 9, B. Grassı, Intorno ad alcuni protisti endoparassitici. Atti della soc. Ital. di scienze natur. Vol. XXIV. 1882. ‚40. J. KünstLer, Histoire naturelle des Infusoires parasites. Ann. d. scienc. natur, de Bordeaux et du Sud-Ouest. 4e Serie, No. 4. 4883. 154 B. Grassi und W. Schewiakoff, Beitrag zur Kenntnis des Megastoma entericum. 44. F. BLoOCHmAnNn, Bemerkungen über einige Flagellaten. Diese Zeitschr. Bd. XL, 1884. 12. O. BürscaLı, Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Protozoa. 4884 13. A. Brass, Mittheilungen zur mikroskopischen Technik. Zeitschr. f. wissensch. Mikroskop. Bd. il. 4885. 44, A. SELIGO, Untersuchungen über Flagellaten. Conn’s Beiträge zur Biol. d. Pflan- zen. Bd. IV. Heft II. 4886. 45. R. BLancHaArp, Zoologie medicale. Paris 1886. 16. R. LEUCKART, Die Parasiten des Menschen. II. Aufl. Bd. I. 1879—4886. Erklärung der Abbildungen. Tafel XV. Sämmtliche Abbildungen, mit Ausnahme von Fig. 4, 8,10, 43 und 44 sind nach lebenden Thieren skizzirt worden. Fig. 4, 8 und 40 sind nach Präparaten entwor- fen, und zwar: Fig. 4 und 8 nach Chromosmiumessigsäure und Hämatoxylin-, Fig. 40 nach A0/yiger Osmiumsäure und Soda-Präparaten. Fig. 43 und 44 sind nach todten Exemplaren, die in Fäces vorkamen, gezeichnet. — Die Vergrößerungen betragen: Fig. —4 circa 4860; Fig. 5 circa 370; Fig. 6—42 circa 4070 und Fig. 43 und 44 circa 530. n, bezeichnet überall den Nucleus; gı, das vordere (erste), 99, das zweite, gg, das dritte, ga, das hintere (vierte) Geißelpaar. Fig. 4. Ansicht eines Individuums von der Ventralseite. Fig. 2 und 3, Seitliche Ansichten. Fig. 4. Ein fixirtes und gefärbtes Exemplar. Man sieht die differenzirte Außen- schicht des Plasma e und den Kern n mit zwei Kernkörperchen. Fig. 5. Epithelzellen der Dünndarmzotten mit ansitzenden Megastomen. Fig. 6. Eine Epithelzelle mit parasitirendem Megastoma (stärker vergrößert). Fig. 7. Ein Individuum, welches im Begriffe ist, an eine Epithelzelle sich anzu- Setzen. Fig. 8. Ein fixirtes und gefärbtes Exemplar enthaltend das räthselhafte Gebilde x, welches tingirt ist, jedoch einen anderen Bau als der Kern besitzt. Die Schwanz- geißeln 94 bis aufs Hinterende verklebt. Fig. 9. Ein Individuum mit einem Kerne abweichender Gestalt. Fig. 40, Frontalansicht; man sieht die Befestigungsstelle des vorderen Geißel- paares gı. Fig. 44. Cyste aus dem Dickdarm stammend. Fig. 42. Seitenansicht des encystirten Megastoma. Fig. 43. Ein abgestorbenes Thier, aus den Fäces stammend; man sieht nur das zweite, verklebte Geißelpaar 9a und den Kern n. Wichtig für die Diagnose. Fig. 14. Dessgleichen;; Seitenansicht. Beiträge"zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane | einiger Cestoden. Von Ferdinand Schmidt (Dorpat). (Aus dem Zool. Institut der Universität Rostock.) Mit Tafel XVI und XVII. — Die Cestoden und speciell die den Menschen und die Hausthiere ' bewohnenden Arten waren seit langer Zeit Objekte eingehender ana- tomischer und entwicklungsgeschichtlicher Studien. Der neueren Zeit aber war es erst vorbehalten, Dank den vollkommeneren Unter- suchungsmethoden, eine einigermaßen befriedigende Kenntnis der Ana- tomie dieser interessanten Thierformen zu begründen, während die ' Entwicklungsgeschichte auch noch augenblicklich nur erst bei den wenigsten Arten bekannt ist, und zwar nur die Entwicklungsgeschichte in den allgemeinsten Zügen, die Metamorphose, die auch aus prakti- schen Gründen höchstes Interesse beansprucht. Die Entwicklung der einzelnen Organe und Organsysteme des ausgebildeten Thieres wurde in der Regel nur beiläufig berührt; in dieser Hinsicht harren die ; meisten Fragen noch der Lösung. Die Untersuchungen, deren Resultate in vorliegender Arbeit der Öffentlichkeit übergeben werden, haben die Entwicklung der Ge- schlechtsorgane zum Gegenstande und beschränken sich ausschließ- lich auf dieses Organsystem, nur gelegentlich auf andere Fragen ein- » gehend, die mit der speciellen Aufgabe der Arbeit mehr oder weniger ‚ direkt im Zusammenhange stehen. Es war anfänglich meine Absicht, eine möglichst große Zahl ver- ‚ schiedener Cestoden zu untersuchen. Wenn nun in den folgenden , Blättern eigentlich nur eine einzige Form, Bothriocephalus latus, eine gründlichere Bearbeitung gefunden hat, Triaenophorus nodu- ‚ losus nur kurz behandelt und der Tänien nur in wenigen Worten ‚ Erwähnung gethan wurde, so ist der Grund hierfür in dem Umstande 156 Ferdinand Schmidt, zu suchen, dass mir einerseits nur von der zuerst genannten Form ge- nügendes Material zu Gebote stand, von den übrigen Arten nur unvoll- ständige oder noch nicht geschlechtsreife Gliederketten, andererseits aber auch die Verhältnisse zum Abschluss der Arbeit drängten. Wenn ich dennoch meine Beobachtungen in dieser gewissermaßen unvoll- ständigen, nicht abgerundeten Form veröffentliche, geschieht es in der Überzeugung, dass die Untersuchung auch einer weit größeren -Anzahl von Cestoden doch nicht zu wesentlich Neuem führen dürfte, denn die uns hier interessirenden Entwicklungsvorgänge scheinen bei allen Formen ganz gleichförmig zu verlaufen und die bei den einzelnen Arten vorkommenden Abweichungen sich durch die abweichenden Verhält- nisse im Bau des entwickelten Geschlechtsapparates erklären zu lassen. Die Untersuchungen wurden im zoologischen Institute der Universität Rostock ausgeführt. Es sei mir an dieser Stelle ge- stattet, dem Direktor des Institutes, Herrn Prof. Dr. M. Braun, für das liebenswürdige, mir und meinen wissenschaftlichen Arbeiten während meiner ganzen Studienzeit und auch bei Abfassung der vorliegenden Abhandlung wieder in reichsteem Maße entgegengebrachte Interesse meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen. Wie ich schon andeutete, wurde die uns hier interessirende Frage bisher noch nicht zum alleinigen Thema einer speciellen Untersuchung gemacht, welcher Umstand mich hauptsächlich dazu bewog, die vor- liegenden Untersuchungen zu unternehmen. Schon was wir bisher über den in Frage stehenden Gegenstand durch frühere Arbeiten über die Anatomie und Entwicklung der Ce- stoden erfahren haben, berechtigte kaum zu der Hoffnung, dass eine gründliche specielle Untersuchung zu Thatsachen führen könnte, die weitgehende allgemeine Schlüsse, die ja einen wesentlichen Bestand- theil ähnlicher moderner Arbeiten bilden, erlaubten. Es ist dieser Umstand sehr wohl erklärlich, denn einerseits sind unsere Kenntnisse von der Entwicklung der Geschlechtsorgane wie auch der meisten an- deren Organsysteme überhaupt bei den den Cestoden nächst verwandten Thierformen noch so äußerst dürftige, dass eingehende Vergleiche und durch solche gewonnenen Resultate von allgemeiner Bedeutung fürs » Erste noch nicht möglich sind — worauf ich im Schlussabschnitt noch zurückkommen werde — und andererseits sind gerade die Cestoden vielleicht am wenigsten dazu geeignet, als Ausgangspunkt für weit- gehende Schlussfolgerungen zu dienen, da sie in ihrem ganzen Bau eine so außerordentliche Anpassung an die parasitische Lebensweise zeigen, dass alle bei ihnen gefundenen Organisations- und Entwick- lungserscheinungen nur mit Rücksicht auf diese Thatsache beurtheilt Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Üestoden. 157 und nur mit größter Vorsicht — in mancher Hinsicht gar nicht — in Parallele mit den entsprechenden Verhältnissen und Vorgängen bei nahe verwandten, aber nicht die gleiche Lebensweise und also auch nicht deren Folgen theilenden Thierformen gestellt werden können. Das Thema dieser Arbeit konnte daher kaum als ein vielversprechen- des gelten, zumal die einschlägigen Fragen durch die dasselbe, wenn auch nur flüchtig oder doch nur gelegentlich berührenden älteren Unter- suchungen zum Theil schon beantwortet worden waren. Es soll daher in den folgenden Blättern — und dieselben sollten auch nur von diesem Gesichtspunkte aus beurtheilt werden — nur eine zusammen- hängende Darstellung eines Abschnittes aus der Entwicklungsgeschichte der Gestoden, der bisher weniger berücksichtigt wurde, geboten werden. Es ist üblich, bei Untersuchungen wie der vorliegenden, als Ein- leitung eine Übersicht über das schon durch frühere Arbeiten bekannt Gewordene zu geben. Ausführlichere, jedoch auf die histologischen Vorgänge nicht eingehende Beschreibungen der Entwicklung der Ge- schlechtsorgane besitzen wir nur in Betreff des Bothriocephalus latus und der beiden großen, den Menschen bewohnenden Tänien, eine Reihe mehr oder weniger detaillirter Beobachtungen in Betreff verschiedener anderer CGestoden. Da meine eigenen Untersuchungen hauptsächlich an Bothriocephalus latus ausgeführt wurden, beginne ich mit einer kurzen Zusammenfassung dessen, was wir über diese Form mit Rück- sicht auf die uns hier interessirende Frage schon erfahren haben, und zwar durch LeuckArrt erfahren haben, dem die Wissenschaft ja auf allen Gebieten der Helminthologie grundlegende Untersuchungen verdankt. Ich gehe dann — so scheint es mir am zweckmäßigsten — sogleich zur Darstellung meiner eigenen an dieser Art gemachten Beobachtungen über, bespreche im folgenden Abschnitt Triaenophorus nodulosus und ‘zum Schluss die Tänien, für welch letztere hauptsächlich die bekann- ‚ten Untersuchungen Sommer’s ! in Betracht kommen. | LeuerAart? erkennt in den noch jugendlichen Proglottiden des | Bothriocephalus latus eine Anhäufung von zelligen Elementen als erste Anlage der Geschlechtsorgane — eine auch schon von EschricHt ge- machte Beobachtung. Diese primäre Anlage streckt sich in die Länge ‚und zwar derart, dass sie in der Längsachse der ganzen Bandwurm- ! Sommer, Über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane von ' Taenia mediocanellata (Küchenmeister) und Taenia solium (Linne). Diese Zeitschr. Bd. FAN. 1874, | 2 LeuckArt, Die Parasiten des Menschen und die von ihnen herrührenden Krankheiten. II. Aufl. p. 897—900. | | 158 - Ferdinand Schmidt. kette liegt; ihr vorderes Ende schwillt kopfartig an und wird zum Cirrusbeutel, während die langgestreckte Zellmasse in drei Stränge zerfällt, die Anlagen der Vagina, des Uterus und Samenleiters. Als An- hänge und Ausläufer der streifenförmigen Geschlechtsorgananlage ent- stehen in ihrem hinteren Abschnitt die Schalendrüse und die flügel- artigen Eierstöcke, während zerstreut im Parenchym die Hodenbläschen und Dotterstöcke auftreten. In wie fern mit diesen Angaben meine Beobachtungen übereinstimmen, und worin sie zu abweichenden Re- sultaten geführt, werden die folgenden Blätter zeigen. Bothriocephalus latus Brems. Bevor ich auf die Darstellung der Entwicklungsvorgänge eingehe, die aus den primären Anlagen den so komplieirten Bau des ausgebil- deten Geschlechtsapparates hervorgehen lassen, muss ich mit der Untersuchung des Mutterbodens, dem oder dessen Elementen die in Frage stehenden Organe sämmtlich entsprossen, beginnen — dem Paren- chym des Bothriocephalenkörpers. Wer einmal mit der Histologie eines parenchymatösen Wurmes, etwa eines Turbellars oder Cestoden sich beschäftigte, weiß die Schwierigkeiten zu schätzen, die der richtigen Auffassung des Körpergrundgewebes, dem alle Organe eingelagert sind, im Wege stehen; es ist sehr wohl erklärlich, dass so widersprechende Darstellungen vom Bau dieser Gewebe gegeben wurden. Erschöpfende histologische Untersuchungen müssen sowohl am konservirten, und zwar auf verschiedene Weise konservirten, als auch am lebenden Ge- webe angestellt werden; die Darstellung, die ich hier vom Parenchym des Bothriocephalus latus gebe, stützt sich nur auf die Untersuchung konservirter Thiere!, mir standen lebende Exemplare nicht zur Ver- fügung. Dennoch muss ich ausführlich auf die Resultate meiner Unter- suchungen eingehen, weil sie von denen der früheren Untersucher des Bothriocephalus latus in erheblichem Grade abweichen, mit den An- gaben neuerer Arbeiten aber, die verwandte Cestoden behandeln, mehr oder weniger übereinstimmen. Ein Querschnitt durch eine noch jugendliche Proglottis von etwa i Als Konservirungsmittel war heiße, koncentrirte Sublimatlösung angewandt worden, die Härtung in üblicher Weise durch Alkohol geschehen. Als Färbungs- mittel benutzte ich nach verschiedenen Versuchen mit ammoniakalischem und Pikrokarmin — welches letztere recht schöne Tinktionen gab — ausschließlich Alaunkarmin, das als vorzügliches Kernfärbemittel nicht genug geschätzt werden kann. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 159 1,5—2,0 mm Breite! zeigt bei schwacher Vergrößerung in einer schein- bar homogenen Grundmasse eine große Zahl durch Alaunkarmin stark gefärbter Kerne, die unregelmäßig durch die. ganze Gewebemasse zer- streut liegen ; die Kerne sind rundlich, oval, zuweilen an beiden Enden etwas zugespitzt. Untersucht man nun den Schnitt mit starken Ver- größerungen, so findet man Folgendes: die Kerne sind von spärlichem, feinkörnigem oder stellenweise homogen erscheinendem Protoplasma umgeben, das in Form von zarten und gröberen Lamellen vom Kern aus nach allen Richtungen sich fortsetzt, mit den Lamellen benachbar- _ ter Zellkörper — wenn wir einen Kern mit dem umgebenden Proto- plasma so bezeichnen dürfen — in Verbindung steht und so als feines Maschenwerk die Grundmasse der ganzen Proglottis bildet. An dicke- ren Schnitten kann man sich durch verschiedene Tubuseinstellung davon überzeugen, dass das Maschenwerk in der That durch feine Lamellen, nicht durch einzelne Fasern gebildet wird. Die Lamellen umgrenzen kleinere und größere rundliche oder polyedrische Räume, die von einer fast gänzlich ungefärbten, homogen erscheinenden Masse erfüllt sind. In vielen dieser Hohlräume lagern scheinbar Zellkerne, die von den eben beschriebenen nicht unterschieden sind. Diese Kerne liegen in der That nur scheinbar in den Hohlräumen; eine genaue Untersuchung ergiebt, dass die Maschenräume nie Kerne enthalten, dass die scheinbar in ihnen lagernden der protoplasmatischen Wan- dung angehören, welche sie an einzelnen Stellen stark vorwölben und daher, wenn der Schnitt die Wand tangential trifft, gleichsam in den Hohlraum zu liegen kommen. Selbst bei Anwendung der stärksten mir zu Gebote stehenden Vergrößerungen — Wasser- und Ölimmersionen — gelang es mir nicht, zu den Kernen gehörige, scharf begrenzte »Zell- ‚ körper« nachzuweisen; sämmtliche Kerne liegen in der ganz kontinuir- ‚ liehen, netzartig angeordneten protoplasmatischen Grundsubstanz ein- ' gebettet. In älteren Gliedern sind die protoplasmatischen Lamellen fester, stärker geworden; während sie in den jüngeren Proglottiden ‚ stellenweise nur durch eine Schicht äußerst feiner protoplasmatischer Körnchen gebildet erscheinen, nehmen sie später das Aussehen homo- ' gener, strukturloser Membranen an. Vergleichen wir nun die hier gegebene Darstellung mit früheren Angaben. 1 Diese und alle folgenden Maßangaben beziehen sich auf das todte, konser- ‚ virte Thier, sind also nur von relativer Richtigkeit, da der Kontraktionszustand “ der einzelnen Proglottiden und vielleicht auch der verschiedenen Theile ein und derselben Proglottis ein ungleicher ist. 160 Ferdinand Schmidt, Stıepa! bezeichnet bei Bothriocephalus die »Grundsubstanz« als yeinfache zellige Bindesubstanz«. »Es besteht dieselbe aus einer Menge dicht an einander gelagerter Zellen von etwa 0,009—0,045 mm im Durchmesser, welche fest an einander gekittet, nicht isolirbar sind und einen Kern von 0,003—0,0045 mm besitzen.« Nach Sommer und Lanpoıs? besteht das Parenchym aus bindegewebiger Grundsubstanz, welche »aus großen, äußerst zahlreichen, rundlichen oder ovalen Zellen (Taf. VII, Fig. 4 e) und einer wenig reichlichen Intercellularsubstanz gebildet« wird. »Erstere besitzen eine Größe von 0,046—-0,022 mm und einen Kern von 0,005 mm Durchmesser; ihr Protopiasma hat eine gallert- artige Konsistenz und ein trüb-molekuläres Aussehen. Die andere er- scheint als ein Abscheidungsprodukt der Zellen und hat wie diese ein blasses, feinkörniges oder trüb-molekuläres Aussehen.« Monızz3 kommt zu folgendem Resultat: »de la euticule dorsale a la cuticule ventrale, et du cöte droit au cöte gauche, s’&tend un meme reticulum conjonctif, qui presente cä et la, en nombre variable, des noyaux de cellules fusi- formes ou arrondies« (p. 428). In der zweiten Auflage seines klassi- schen Lehrbuches* sagt LzuckArr (Bd. I, Lief. 2, p. 365): »Die binde- gewebige Natur der Grundsubstanz (d. h. der Bandwürmer) ist seit den von mir in der ersten Auflage dieses Werkes veröffentlichten Unter- suchungen allseitig anerkannt, obgleich die histologische Beschaffenheit derselben keineswegs überall in gleicher Weise geschildert wird. Meinerseits glaube ich übrigens noch heute die Ansicht vertreten zu können, dass sie den zelligen Bindegewebsformen zugehört. Die Zellen sind allerdings nur selten mit deutlicher Hüllhaut versehen, vielmehr gewöhnlich bloße kernhaltige Haufen eines hellen Protoplasma und nicht selten sogar (besonders in den sog. reifen Gliedern) bis auf die Kerne zu einer zusammenhängenden Masse unter sich verschmol- zen. :...« »In anderen Fällen unterscheidet man zwischen den Zellen eine deutliche Zwischensubstanz, und zwar meist in Form eines mehr oder minder scharf gezeichneten kubischen Netzwerkes von Platten und Fasern, in deren Maschen dann die Zellen in wechselnder Größe (bis 0,04 mm) eingelagert sind. Hier und da liegen die Kerne so dicht I StıepA, Ein Beitrag zur Anatomie des Bothriocephalus latus. Arch. für Anat,, Phys. u. wiss. Med. Jahrg. 4864. 2 Sommer und Lanpoıs, Über den Bau der geschlechtsreifen Glieder bei Bothrio- cephalus latus Bremser (Beitrag zur Anatomie der Cestoden). Diese Zeitschr. Bd. XXI. 3 MonıEz, M&moires sur les Cestodes. Paris 1884 (Travaux de l’Institut zool. de Lille. T. III. Fasc. 2). * LEUCKART, Die Parasiten des Menschen und die von ihnen herrührenden Krankheiten. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 161 an der Zwischensubstanz an, dass man die Fasern leicht für die Aus- läufer besonderer Kernzellen halten könnte.« Bei der speciellen Be- schreibung des Bothriocephalus latus heißt es dann weiter (p. 874): »Die Zellen der bindegewebigen Grundsubstanz sind bei unserem Wurme von ungewöhnlicher Größe und schärfer gezeichnet, als das sonst bei den Cestoden der Fall zu sein pflegt....« »Am deutlichsten und schönsten ist das großblasige Gewebe in dem Mittelfelde, beson- ders in der Umgebung des Cirrusbeutels, wo die Zellen nicht selten bis 0,026 mm und darüber heranwachsen« — ich werde später auf diese auffallend großen Zellen noch einmal zurückkommen. Während also Stiepa so wie Sommer und Lanvoıs ein fibrilläres Netzwerk nicht erwähnen !!, sondern die Parenchymzellen direkt an einander gelagert schildern oder — wie die beiden letzteren Autoren — nur durch eine schwach entwickelte Intercellularsubstanz von »feinkörnigem oder trüb-molekulärem Aussehen« von einander getrennt sein lassen, be- schreiben Monızz und LeuckAarr ausdrücklich ein aus bindegewebigen Fasern und Strängen gebildetes Netzwerk. Es sind nun in neuester Zeit noch eine Anzahl gründlicher Untersuchungen erschienen, die unsere Kenntnis vom feineren Bau des Gestodenkörpers wesentlich ge- fördert haben und die auch von Lruckarr in den Nachträgen am Schlusse des Abschnittes über die Gestoden (p. 969) noch besprochen werden. LeuckArr bleibt bei der Ansicht, dass die »Grundsubstanz zu- nächst aus einer dicht gedrängten Zellenmasse bestehe«, worüber die Untersuchung junger Glieder keinen Zweifel aufkommen lasse. »Aber die Zellen differenziren sich schon früh nach zweierlei Richtungen, in- dem die einen ihre ursprüngliche runde Form behalten, während die anderen sich verästeln und zu einem Reticulum zusammentreten, das sich zwischen die ersteren einschiebt und sie in seine Maschenräume ‚aufnimmt. Dieses Reticulum ist dasselbe, was ich früher als Zwischen- substanz bezeichnet habe.« Es scheint mir nun kaum zweifelhaft, dass die zu einem »Reticu- lum« zusammentretenden Zellen mit der von mir beschriebenen Grund- substanz identisch sind, während die »ihre ursprüngliche runde Form« behaltenden Zellen entweder gar nicht existiren, d. h. einer Täu- ‚schung ihr Dasein verdanken — sie wären dann nichts Anderes als die von einer homogenen Masse erfüllten Hohlräume, in denen zuweilen, 1 StıepaA macht nur die folgende Angabe: »Die Chromsäure übt einen völlig verändernden Einfluss auf die zarten Zellen aus, so dass man an Schnitten, die in .wässeriger Chromsäurelösung erhärteten Gliedern entnommen sind, nur eine fein sranulirte hier und da netzförmig oder streifig aussehende Grundsubstanz er- kennt.« 162 Ferdinand Schmidt, wie ich oben ausführte, scheinbar Kerne lagern — ‘oder durch eine irrthümliche Deutung von Elementen, die gar nicht dem Parenchym angehören, zu erklären sind — worauf ich später noch einzugehen habe. Was also bisher als Zwischensubstanz beschrieben wurde ist das eigentliche Parenchym, die Parenchymzel- len der älteren Arbeiten die Hohlräume resp. Elemente, diedem Parenchym nicht angehören!. Ich will nun noch auf die Untersuchungen GrizssAacnH’s? eingehen. GRIESBACH — als Untersuchungsobjekt diente Solenophorus — kommt zum Resultat, dass »wir es in der Körpersubstanz der Cestoden, wie in der der Acephalen mit embryonaler Gewebesubstanz, welche von Koıt- mann als Gallertgewebe bezeichnet wird«, zu thun haben; in der Kör- persubstanz lagern die Kerne, bald isolirt, bald von einer gering ent- wickelten Protoplasmamasse umgeben, der eine Zellmembran fehlt. GRIESBACH unterscheidet also protoplasmatische Zellen und das Gallert- gewebe der Körpergrundsubstanz. Ich muss dagegen betonen, dass ich eine derartige Differenzirung bei Bothriocephalus nicht konstatiren konnte, dass nach meinen Beobachtungen die ganze Grundsubstanz von einer einheitlichen Masse gebildet wird, die ich als feingranulirtes Protoplasma bezeichne; es ist mir nie gelungen, in der Umgebung der Kerne eine Substanz — die also mit dem Protoplasma GRrIESBACH’S identisch wäre — zu erkennen, die in irgend einer Beziehung von der der Lamellen des Maschenwerkes verschieden wäre. Ich fasse das Parenchym als ein protoplasmatisches Maschenwerk auf, in dem die Grenzen der dasselbe bildenden einzelnen Zellen entweder mit den modernen Hilfsmitteln der Untersuchung nicht erkennbar sind oder in dem eine solche Differenzirung gar nicht vorhanden ist. 1 Man vergleiche ferner die Angaben Pıntser’s in seinen schönen »Untersuchun- gen über den Bau des Bandwurmkörpers, mit besonderer Berücksichtigung der Tetrabothrien und Tetrarhynchen. Arb. a. d. zool. Inst. Wien etc. Tom. III. 4. Heft. 1880. p. 59. »In einer gänzlich strukturlosen, gailertartigen Grundmasse liegen zahlreiche, kleine, scharf kontourirte Kerne, die, mit geringen Vergrößerungen betrachtet, frei in diese Grundmasse eingebettet erscheinen. An stark gefärbten Exemplaren und feinen Schnitten sieht man sie von einem spärlichen homogenen Protoplasma umgeben, das nach allen Seiten platten- oder strangähnlich, aber immer in sehr dünnen, membranartigen Schichten sich fortsetzt und dadurch zahl- lose, dicht an einander liegende bläschen- oder wabenförmige Räume bildet, die den Eindruck machen, als wären sie bei mangelndem Plasma mit einer gallertarti- gen Masse erfüllte Zellen.« 2 GrIEsBAH, Bindesubstanz und Cölom der Cestoden. Biol. Centralblatt. III. Bd. 1884. — GRIESBACH, Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Cestoden. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXI. Beiträge zur Kenntnis der Entwieklung der Geschlechtsorgane einiger Öestoden. 163 Als embryonales Gewebe oder passender als Gewebe von em- bryonalem Charakter lässt sich das Parenchym sehr wohl bezeichnen, wenigstens das der jugendlichen Proglottiden. Es ist ein Gewebe, dessen Elemente noch nicht differenzirt sind, dessen Elemente, sich rege vermehrend, dem gesammten Geschlechtsapparate den Ursprung geben und zum Theil als Bestandtheile des Parenchyms andere Umwand- lungen durchmachen, denn in den älteren Proglottiden ist das Körper- grundgewebe verschieden von dem der jüngeren Glieder: das Maschen- werk besteht aus festeren, derberen Lamellen, die Kerne sind zum sroßen Theil gänzlich geschwunden. GRIESBACH fasst die durch das Maschenwerk der Körpergrundsub- stanz gebildeten Hohlräume, das ganze »Lakunensystem«, als Gölom auf und vermag sich nicht »der noch kürzlich von Harscnark (Arbeiten a. d. zool. Institut Wien, Bd. I, Heft 3) vertheidigten Ansicht, die Plathel- minthen seien parenchymatöse Thiere«, anzuschließen. GRriEsBAcH stützt seine Auffassung durch den Nachweis, dass die Trichter des Exkretions- systems in den lakunären Hohlräumen liegen. Zwar sind die Trichter, wie Pınrner an verschiedenen Cestoden gezeigt, durch eine Zelle völlig geschlossen, welche Schlusszellen auch GrizspacH wenigstens in Resten bei dem von ihm untersuchten Solenophorus erkannt zu haben glaubt. »Durch diese Zellen ‚« schreibt GRIESBACH, »nun ist zwar eine direkte, - aber keine indirekte Kommunikation des Gefäßsystems mit der Leibes- ' höhle ausgeschlossen. Die Zellen sind, wie Pınrner selbst hervorhebt, ' membranlos und fungiren wie eine einzellige Drüse. Wenn nun eine solche Schlussvorrichtung der Trichter wirklich vorhanden ist, wie noch weitere Untersuchungen am lebenden Thiere festzustellen haben, dann dienen diese Zellen dazu, aus der in den Lakunen fließenden ' koncentrirten Ernährungsflüssigkeit mit Hilfe von Wimpervorrichtun- gen die Zersetzungsprodukte in die Trichter und von da in die Kanäle zu führen, welche als Sammelröhren dieselben in die Hauptstränge zu ‚leiten hätten.« Ich habe mich nun vergeblich bemüht, in den Maschen- räumen bei Bothriocephalus Trichter zu finden, kann jedoch auf diesen ' negativen Befund, der vielleicht nur eine Folge der ungeeigneten Kon- servirung ist, den positiven, auf jedenfalls sehr genauen und gründ- ‚ lichen Untersuchungen basirenden Angaben Grisssacn’s und Pıntner’s ' gegenüber natürlich kein Gewicht legen und muss daher den Ausfüh- ‚ rungen Grisspacu’s durchaus beistimmen. Wie aber bei den Cestoden ‚ diese » Leibeshöhle « — mit welchem Ausdruck bisher oft sehr Hetero- ‚genes bezeichnet wurde — genauer zu charakterisiren ist, ob sie als ‚JEnterocöl oder ein Pseudocöl (und zwar ein beginnendes Schizocöl) | im Sinne der Gebrüder Herrwis« zu betrachten ist, darüber dürfte in Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd, 12 164 Ferdinand Schmidt, der That ein Entscheid nicht möglich sein, so lange unsere Kenntnisse von der Entwicklungsgeschichte der Plathelminthen im Allgemeinen und der der Cestoden im Speciellen noch so äußerst dürftige sind. Die ganze Masse des Körperparenchyms wird in der bekannten Weise von Muskelzügen durchzogen. Obgleich nun die Muskula- tur mit dem speciellen Gegenstande dieser Untersuchungen nicht im Zusammenhange steht, muss ich doch etwas näher auf sie eingehen. Nach den übereinstimmenden Angaben der bisherigen Untersucher be- steht die Muskulatur des Bothriocephalus latus aus langen, glatten, kern- losen Fasern; ich bin zu anderen Resultaten gelangt. Betrachten wir zunächst die Sagittalmuskeln und zwar an einem Querschnitt durch - | eine jüngere Proglottis, die zwar schon alle Theile des Geschlechts- apparates in voller Entwicklung besitzt, deren Uterus aber noch keine Eier enthält: schon bei schwacher Vergrößerung erscheint die ganze Mittelschicht! von großen, meist spindelförmigen Zellen durchsetzt (vgl. Fig. 12), die in dorsoventraler Richtung einander parallel gelagert sind. Die Untersuchung mit stärkeren Vergrößerungen zeigt mit voller Klar- heit den Zusammenhang dieser Zellen mit den sagittalen Muskelfasern. in den Fig. I, 2 und 3 sind einige dieser Muskelzellen abgebildet (man vgl. die Tafelerklärung): der große, aus feingranulirtem Protoplasma bestehende Zellkörper sitzt gleichsam an der Faser, welche nie den Zellkörper durchsetzt, sondern stets an der Peripherie desselben hin- zieht; zuweilen hat die Zelle fast Kugelgestalt und steht dann nur an einem Punkte mit der Faser in Verbindung. Während in einer solchen, schon älteren Proglottis die Fasern stets scharf kontourirt sind, nicht etwa da, wo sie an den Zellen hinziehen, gleichsam einen Theil des Protoplasmas derselben bilden, liegen die Verhältnisse in den ganz jugendlichen Gliedern anders. In einer Proglottis von etwa 1,0—1,5 mm Breite und 0,2—0,4 mm Dicke besteht die gesammite Sagittalmuskula- tur noch aus schlanken, spindelförmigen Zellen, deren beide Enden in lange, zarte Fasern auslaufen (vgl. Fig. 2). Sehr instruktive Bilder geben Flächenschnitte durch ältere Glie- der, auf denen die dorsoventralen Muskelzellen natürlich im Querschnitt erscheinen (vgl. Fig. 8). In das Maschenwerk des Parenchyms einge- i In Übereinstimmung mit GrisssacH und v. Rosoz (ZoLTÄn von Rosoz, Beiträge zur Kenntnis der Cestoden. Diese Zeitschr. Bd. XXXVII) muss ich betonen, dass die allgemein übliche Eintheilung des Parenchyms in Mittel- und Rindenschicht eine durchaus künstliche ist, da die so gewonnenen Regionen morphologisch keineswegs verschieden sind. Da aber diese Eintheilung gewiss von praktischem Werthe ist, weil die Lagerung verschiedener Organe mit ihrer Hilfe bequem ange- geben werden kann, will ich sie im Folgenden beibehalten, Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 165 bettet liegen die auffallend großen runden oder ovalen — weil im Querschnitt getroffenen — Zellen, an deren Peripherie an einer Stelle seharf umgrenzt der Querschnitt der zugehörigen Muskelfaser sichtbar ist. Bei Betrachtung mit schwächeren Vergrößerungen könnte man sich versucht fühlen, in diesen Zellen Elemente des Parenchyms zu sehen und in der That hielt ich dieselben anfänglich für solche, bis ich mich von ihrer wahren Natur überzeugt hatte. Es ist nicht denkbar, dass diese so auffallend großen Zellen, die auch an Schnitten durch Proglot- tiden, deren Uterus schon mit Eiern gefüllt ist, noch deutlich zu er- kennen sind', den früheren Untersuchern gänzlich entgangen sind; sie sind wohl, vielleicht in Folge ungeeigneter Konservirungsmethoden nicht genügend erhalten, auch als Parenchymzellen gedeutet worden — man vergleiche die oben schon citirten Worte Leuckarr's: »Die Zel- len der bindegewebigen Grundsubstanz sind bei unserem Wurme von ungewöhnlicher Größe ....« mit der hier von mir gegebenen Darstel- lung des Parenchyms und der Muskulatur, um meine Annahme erklär- lich zu finden. Ganz ähnliche Muskelzellen hat Hamann? bei Taenia lineata Goeze gefunden und genau beschrieben und früher schon SALEnsky®? bei Amphilina nachgewiesen; ferner hat Pınrner in der schon erwähnten Arbeit eine äußerst ausführliche und sorgfältige Darstellung vom Bau der Gestodenmuskulatur, der Fasern und der Myoblasten — als solche lassen sich die großen Zellen ja mit Recht bezeichnen — : gegeben. An Schnitten durch jugendliche Proglottiden der Taenia cras- ‘ sicollis finde ich die Myoblasten und dessgleichen bei Triaenophorus nodulosus, für welche Art sie auch schon von Zograr* beschrieben und abgebildet wurden. Bei beiden Formen sind die Myoblasten schlanke, - zarte Spindeln mit lang ausgezogenen Enden. Was ich bisher über die Muskulatur des Bothriocephalus latus mit- getheilt, bezog sich nur auf die Sagittalmuskeln. Ob den Ring- 1 In einer vollständig reifen Proglottis aus dem hinteren Theil einer Bothrio- cephaluskette gelang es mir nicht mehr sie nachzuweisen ; die dorsoventrale Musku- latur wurde hier durch ganz homogene, gleichmäßig dicke, kernlose Fasern ge- bildet. 2 Hamann, Taenia lineata Goeze, eine Taenie mit flächenständigen Geschlechts- Öffnungen. Ein Beitrag zur Kenntnis der Bandwürmer. Diese Zeitschr. Bd. XLII. 1885. 3 SALENSKY, Über den Bau und die Entwicklungsgeschichte der Amphilina Wgn. (Monostomum foliaceum Rud.). Diese Zeitschr. Bd. XXIV. 1871. * In den, in russischer Sprache erscheinenden Berichten der naturforsch. Ge- sellschaft in Moskau, Bd. XXIII, referirt von LEuckArr im Bericht über die wissen- schaftlichen Leistungen in der Naturgesch. niederer Thiere (Archiv für Naturgesch. ‚, Bd. XXVIII. 4877); ferner von Hover (Diese Zeitschr. Bd. XXVII). 12% 166 Ferdinand Schmidt, und Längsfasern derartige Myoblasten zukommen, vermag ich nicht mit Bestimmtheit anzugeben, doch sprechen einige Beobachtungen da- für. Die Untersuchung der dicht an einander liegenden Fasern ist schwieriger als die der isolirt hinziehenden Sagittalmuskeln. An mehre- ren Präparaten fand ich zwischen den Fasern der Ringmuskulatur große spindelförmige Zellen, die mit ihrer Längsachse den sie umgebenden Fasern parallel gelagert waren; doch war es mir nicht möglich, ihren Zusammenhang mit einer Faser nachzuweisen!. Eine genaue Unter- suchung der gesammten Muskulatur — eine solche lag nicht in meiner Absicht, ich theile nur gelegentliche Beobachtungen mit — wird viel- leicht für alle ihre Elemente den gleichen Bau nachweisen; es ist mög- lich, dass die Fasern der Längs- und Ringmuskulatur früher auf Kosten der Myoblasten ihre Entwicklung abschließen als die Sagittalfasern. Von Interesse wäre es ferner, den Ursprung dieser Myoblasten zu er- mitteln, ihr Verhältnis zu den noch nicht differenzirten Elementen des Parenchyms festzustellen. Es muss ja in dem Anfangstheil einer Band- wurmkette, d. h. dem als »Halstheil« bezeichneten Abschnitt, eine rege, fortwährende Bildung von Muskelzellen und Fasern resp. eine fort- währende Umwandlung noch indifferenter Elemente zu muskulösen stattfinden. Ich wende mich nun zum speeciellen Theil meiner Untersuchungen, der Entwicklung der Geschlechtsorgane. Als erste Anlage der Geschlechtsorgane bemerkt man in den jüngsten Proglottiden eine Ansammlung von Zellkernen, die in der Mitte des Gliedes gelegen, am gefärbten Quetschpräparat bei schwacher Vergrößerung als dunkler, rundlicher Fleck durchschimmert. Auf Schnitten sehen wir den Fleck aus dichtgedrängten Kernen mit nur spärlichem, zwischen denselben gelegenem Protoplasma bestehen; die Zellkerne sind in keiner Hinsicht von denen des übrigen Parenchyms unterschieden, auch ist die ganze Kernanhäufung keineswegs scharf gegen das umgebende Parenchym abgegrenzt, wie ein Blick auf Fig. 12 deutlich zeigt, die zwar einen Schnitt durch eine bedeutend ältere Pro- glottis darstellt, doch im Wesentlichen noch ganz dieselben Verhält- nisse aufweist. Das protoplasmatische Maschenwerk mit den oben be- schriebenen Hohlräumen ist in den jüngsten Proglottiden noch nicht ! Ich will hier noch anführen, dass Hauans bei Taenia lineata die Myoblasten der Ringmuskelfasern gefunden hat, während ihm der Nachweis derselben an den Längsfasern nicht gelungen ist. Hauans theilt die gesammte Muskulatur einer Pro- glottis nach ihrem Bau in zwei Gruppen: »In die erste Gruppe gehören Muskel- fasern, bei denen die Bildungszelle erhalten geblieben ist, in die zweite Gruppe Muskelfasern, welche keinen Rest ihrer Zelle mehr zeigen.« Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 167 so deutlich ausgebildet, wie in den älteren Gliedern. In der Kernan- häufung, die zur primären Anlage der Geschlechtsorgane wird, sind die Hohlräume gar nicht nachweisbar; die Kerne liegen in einer gleich- förmigen, feingranulirten Protoplasmamasse. In diesem Zustande ver- harrt die Kernanhäufung längere Zeit! hindurch, sich allmählich durch Vermehrung ihrer Elemente weiter ausdehnend. Dann streckt sie sich, während die Proglottiden mit weiterem Wachsthum breiter werden, in die Länge, so dass ihre Längsachse mit der der gesammten Bandwurm- keite zusammenfällt. Es beginnt nun auch die erste Differenzirung der bisher ganz gleichförmigen Masse: ihre Elemente ordnensich zu -dreiüber einander liegenden, anfänglich einander paral- "lelen Strängen an, von denen der ventral gelegene? am frühesten - sichtbar wird (vgl. Fig. 4, 5 und 12); er wird zur Vagina, der dorsale Strang zum Vas deferens und die breite Zellmasse zwischen ihnen : zum Uterus. Die einzelnen Kernstränge sind übrigens zuerst durchaus nicht - scharf umgrenzt, fließen an vielen Stellen zusammen und zeigen gegen das Parenchym gleichfalls keine bestimmte Abgrenzung. Am hinteren ‚ und vorderen Rande der Proglottis verschmelzen sie zu einer undiffe- ‘ renzirten Masse dichtgedrängter Kerne. | Die nächste auffällige Veränderung besteht in der mächtigen Ver- ‘ mehrung der Zellkerne am vorderen Ende der Genitalanlage — so will ‚ ich kurz die ganze primäre Anlage der Geschlechtsorgane, aus der übri- gens nicht das gesammte Organsystem hervorgeht, bezeichnen — wo- - durch dasselbe kopfartig anschwillt: die erste Andeutung des ' Girrusbeutels. Wir wollen jetzt die weitere Entwicklung der bisher | angelegten Organe im Einzelnen verfolgen. Das Vas deferens mit dem Cirrusbeutel. Die erste Anlage des Samenleiters wird, wie schon bemerkt, durch einen Strang gebil- "det, der in gerader Richtung unter der dorsalen Ringmuskellage hin- | zieht (vgl. Fig. 4). Die erste weitere Differenzirung besteht nun darin, | dass in dieser langgestreckten Masse von Kernen ein centraler ' Strang sich absondert, so dass wir auf Querschnitten eine rundliche . | ft | 1 Ich ziehe es vor, während der Schilderung der nun beginnenden Entwick- j lungsvorgänge nicht anzugeben, wann oder in der wievielsten Proglottis diese oder ‚jene Erscheinung auftritt, da das fortwährende Einschieben von Zahlen- und | Längenangaben nur störend wirken kann; am Schlusse gebe ich eine gedrängte ‚ Übersicht der gesammten Entwicklungsvorgänge mit Angabe derProglottidenzahlen, ‚in denen sie im Einzelnen vor sich gehen. | 2 Ich bezeichne nach üblicher Weise die Fläche, auf der die Geschlechtsöff- nungen gelegen sind, als ventrale, die entgegengesetzte als dorsale. 168 Ferdinand Schmidt, Gruppe dichtgedrängter Kerne finden, die von einer Schicht gleicher Kerne ringförmig umgeben wird (Fig. 5). Die eentrale Masse erscheint an einzelnen Stellen durch eine feine Linie scharf gegen die Umgebung abgegrenzt; es handelt sich hier jedoch nicht um eine Membran, son- dern wahrscheinlich nur um eine durch die Konservirung hervorge- rufene Erscheinung. Dieser centrale, anfänglich ganz solide Strangliefert das Epithel des Vas deferens, während die ihn umhüllenden Massen zur Muskulatur des Organes werden. Während diese ersten Veränderungen in der bisher ganz gleichförmigen Samenleiteranlage vor sich gehen, beginnt der in gera- der Richtung hinziehende Strang sich zu schlängeln und sich mit seinen Schlingen denen des gleichzeitig sich entwickelnden Uterus parallel zu lagern. Es macht den Eindruck, als ob der ganze Strang in Folge der lebhaften Vermehrung seiner Elemente und der dadurch bedingten Massenzunahme in der verhältnismäßig viel langsamer wachsenden Proglottis nicht mehr den erforderlichen Raum finde, um in der bisher eingehaltenen geraden Richtung sich weiter auszudehnen und so aus mechanischen Gründen gezwungen werde, die Windungen zu be- schreiben. Ä . In der Lagerung der Elemente des Epithelstranges tritt all- mählich eine Änderung ein: die Kerne rücken aus einander und lager sich in einschichtiger Lage um ein central auftretendes Lumen, das aber nicht gleichzeitig im Verlauf des ganzen Stranges sichtbar wird; an einzelnen Stellen bilden die Elemente des Epithelstranges noch eine im Querschnitt runde, ganz kompakte Masse, während wenige Schnitte weiter schon ein Lumen vorhanden ist. Bald aber ist dieses ein ganz kontinuirliches geworden und der Samenleiter besteht auf diesem Sta- dium aus einem feinen Kanal mit einschichtiger epithelialer! Wandung und einer dieses Epithelrohr äußerlich umgebenden Masse von Kernen in spärlichem Protoplasma. Es ist schwierig, eine klare Vorstellung zu erlangen über die Art und Weise, wie aus dieser äußeren Wand- schicht die Muskulatur sich entwickelt. Meine Beobachtungen ergaben Folgendes: während anfänglich der Epithelstrang von einer dichtge- ! Ich glaube diesen Ausdruck sowie die Bezeichnungen »Epithelstrang« und »Epithelrohr« hier wie auch weiterhin bei Besprechung der Vagina und des Uterus anwenden zu können. Die innerste Auskleidung der genannten drei Organe — ich verweise hinsichtlich der beiden letzteren auf die folgenden Seiten — besteht in einer zarten Schicht gleichförmigen Protoplasmas, in das in verschieden weiten Zwischenräumen Kerne eingelagert sind, welche stellenweise die Protoplasmalage stark in das Lumen vorwölben. Zellgrenzen vermochte ich zwar nicht nachzu- weisen, doch ist dadurch ja keineswegs die Möglichkeit, dass solche in der That sich bilden und nur schwer erkennbar sind, ausgeschlossen. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 169 drängten Masse von Zellkernen umgeben wird, tritt bald zwischen diesen und dem zum epithelialen Rohr gewordenen Strange eine Schicht feingranulirten Protoplasmas auf, in der allmählich, anfänglich nur vereinzelt und schwer erkennbar, bald aber deutlich sichtbar werdend, feine Fasern erscheinen — die Ringmuskulatur des Samen- leiters. Querschnitte (wie Fig. 6) durch das Vas deferens auf dieser Entwicklungsstufe zeigen also die folgende Anordnung der Elemente: das Epithelrohr, das jetzt ein überall deutlich ausgebildetes Lumen umschließt, wird außen von einer Lage feiner Muskelfasern umgeben, in der keine Kerne sichtbar sind; um die Muskelschicht aber lagert, in spärliches Protoplasma eingebettet, eine Masse noch verhältnismäßig dicht gedrängter Kerne. Während nun die Schicht der Muskelfasern sich allmählich stärker entwickelt, scheint die Zahl der sie umgebenden Kerne sich zu verringern. Es ist schwer zu entscheiden, ob wirklich Kerne zu Grunde gehen, während das Protoplasma zu Muskelfasern umgewandelt wird, oder ob die Abnahme der Kerne nur eine schein- bare ist, dadurch hervorgerufen, dass der ganze Samenleiter durch Wachsthum der Muskelschicht an Umfang zunimmt und so die Zellkerne der Wandung weiter aus einander gedrängt werden. Ich glaube das Erstere annehmen zu müssen, denn am älteren Vas deferens findet man im Querschnitt die äußerste Lage der Wandung, d.h. die freien Zellkerne nur so spärlich vorhanden, dass hier von einer Anhäufung der Elemente dem umgebenden Parenchym gegenüber gar nicht mehr die Rede sein kann. | Am hinteren Ende des Samenleiters entwickeln sich die Sammel- gänge, die bekanntlich in beschränkter Zahl in das sackartig aufge- triebene Ende des Vas deferens münden. Diese cisternenartige Er- weiterung ist übrigens am jugendlichen, noch nicht funktionirenden, d. h. noch kein Sperma enthaltenden Samenleiter nicht vorhanden. Was die Entwicklung der Sammelgänge und ihrer feineren Verzwei- gungen, die durch die letzten, zarten Endäste mit den Hodenbläschen in Verbindung stehen, betrifft, so ist vor Allem hervorzuheben, dass sie sich nicht als Sprossungen oder Wucherungen des Samenleiters bilden — ich will schon an dieser Stelle betonen, dass sich die Ge- schlechtsorgane überhaupt nicht aus einer einzigen, primären Anlage herausbilden, sondern zerstreut im Parenchym des Körpers, der Lage der reifen Organe entsprechend, aus dem Körpergrundgewebe sich entwickeln. Die Sammelröhren entstehen derart, dass im Parenchym Zellkerne zu Strängen zusammentreten, in denen dann allmählich ein ‘ feines Lumen sichtbar wird, während die Zellkerne mit dem sie um- gebenden Protoplasma ein Plattenepithel bilden (vgl. Fig. 28). Die 170 Ferdinand Schmidt, feineren Verzweigungen sind sehr zarte Röhren, von einer dünnen Membran gebildet, an der hin und wieder Zelikerne lagern. Falls die Sammelröhren mit den Hodenkanälchen durch Sprossung aus dem zu- erst angelegten Samenleiter hervorgingen, müssten sie vom hinteren Ende des letzteren ausgehend sich allmählich, immer neue Sprossungen bildend, durch das Körperparenchym ausbreiten und von Anfang an ein zusammenhängendes Ganze bilden. So weit meine Untersuchungen in dieser schwierigen Frage zu Resultaten geführt, ist dieses aber nicht der Fall; die Stränge, aus denen das Kanalsystem hervorgeht, treten zerstreut im Parenchym auf als ganz regellose Kernanhäufungen, die anfänglich keineswegs überall mit einander im Zusammenhange stehen, sondern erst nach und nach zusammenfließen. Vor dem Eintritt in den Cirrusbeutel schwillt die Wandung des Samenleiters zu einem kräftigen muskulösen Bulbus an, der »dazu dient, den oftmals in beträchtlicher Menge darin angesammelten Samen in den Cirrusbeutel überzutreiben« (LevckArr). Die Ringmuskulatur, deren Entwicklung nicht von der des übrigen Vas deferens abweicht, ist außerordentlich stark, das Epithel auch hier gut ausgebildet 1. Im Cirrusbeutel beschreibt das Vas deferens eine Anzahl Spiral- touren und mündet mit fast ganz gerade verlaufendem Endstück nach außen; ich habe auf diese bekannten Verhältnisse der reifen Proglottis nieht näher einzugehen und will nur in Kürze ihre Entwicklung schildern. Bevor noch die erste Anlage der Geschlechtsorgane in die drei Stränge sich sondert — aus denen der Samenleiter, der Uterus und die Vagina hervorgehen — ist das vordere Ende derselben zu einer knopfartigen Masse angeschwollen, die bald eiförmige Gestalt gewinnt und mit der Spitze der »Bauchfläche« der Proglottis zu wuchert; an ihrem dorsalen, stumpfen Ende steht sie mit dem unterdessen ange- legten Strang in Verbindung, aus dem der Samenleiter entsteht. Im Inneren dieser eiförmigen Masse gruppiren sich die Elemente in sehr charakteristischer Weise zu einer etwa biskuitförmigen Ansammlung äußerst dicht gedrängter Kerne (vgl. Fig. 25 und 26), aus der das Epi- 'thel des Endstückes des Samenleiters hervorgeht. Während die Anlage des Cirrusbeutels nur langsam an Umfang zunimmt, wächst in ihrem Inneren die centrale Kernmasse in die Länge und lagert sich, zu einem Strange ausgedehnt, in die bekannten Spiralwindungen. Mit dem sich 1 Moxızz erwähnt in der schon citirten Arbeit (p.144) kräftiger Cilien im Inneren des Bulbus, die von deutlich zelliger Beschaffenheit sein sollen (»les cils sont volu- mineux, leur nature cellulaire ne peut &tre mise en doute«; mir ist es eben so wenig wie LEUCKART gelungen, eine Spur derselben zu entdecken. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 171 gleichzeitig differenzirenden Epithelstrang des außerhalb des Cirrus- beutels gelegenen Samenleiters steht der Endabschnitt in kontinuir- liechem Zusammenhange. Das Lumen tritt in der schon geschilderten Weise durch Auseinanderrücken der Elemente auf; kurz vor der Aus- mündung fand ich das Lumen — jedoch nicht in jeder Proglottis — stark erweitert. Das Epithel des im Cirrusbeutel verlaufenden Samen- leiters macht in seinem äußersten Endabschnitte eine eigenthümliche Metamorphose durch. Über diesen Abschnitt des Vas deferens (d.h. des vollständig entwickelten Organes) macht Leuckarr (p. 879) die folgende Angabe: »Dieser vordere, theils gestreckt, theils auch ziekzackförmig zusammengelegte Abschnitt des Samenleiters nun ist es, der durch den Muskeldruck des Cirrusbeutels nach außen sich ausstülpt und mit seiner Umhüllung dann den sog. Cirrus bildet. Histologisch ist er nur in so fern von dem hinteren Abschnitt verschieden, als er im Inneren von einer ziemlich festen doppelt kontourirten Cuticula bekleidet ist, die sich an der Außenöffonung direkt in die Cuticula der Geschlechts- kloake fortsetzt, und, wie diese, einer deutlichen subeuticularen Zellen- lage aufliegt. Mit der Subeutieularschicht der Körperbedeckungen hält dieselbe freilich kaum einen Vergleich aus. Sie hat eine nur unbe- deutende Dicke und geht nach hinten, gegen die Samenblase hin, all- mählich verloren.« Diese »doppelt kontourirte Cutieulac wird vom Epi- ' thel abgeschieden; sie tritt zuerst als feine, scharf gezeichnete Linie auf, nimmt aber schnell an Dicke zu, während gleichzeitig das Epithel immer mehr schwindet. Schließlich ist von letzterem keine Spur mehr zu finden, das gesammte Protoplasma ist in CGuticulasubstanz umge- bildet worden, während die Kerne zu Grunde gingen. In den Fig. 20 und 21 sind zwei Schnitte durch das Endstück des Samenleiters auf verschiedenen Entwicklungsstufen gezeichnet. Es bleibt mir nun noch ' übrig, über die Entwicklung des Cirrusbeutels so wie der Ge- schlechtskloake Einiges anzuführen. Der aus bindegewebigen und muskulösen Elementen bestehende Cirrusbeutel hat bekanntlich die Aufgabe, den vorderen Abschnitt des Samenleiters »nach außen vorzutreiben und dadurch zur Begattung geschickt zu machen«, was durch eine zweckentsprechende Anordnung der Muskelfasern — auf die ich hier nicht näher einzugehen habe — erreicht wird. Die erste Anlage des Organes besteht in der schon erwähnten, etwa eiförmigen Masse von Zellkernen (vgl. Fig. 25 und 26), die in gering entwickeltes Protoplasma eingebettet sind. Ein Theil dieses letzteren nun wird zu ' Muskelfasern umgewandelt, der Rest wird, um die Kerne Zellkörper bildend, zu den Bindegewebselementen des Organes. Die Muskelfasern treten zuerst als feine, geschlängelt oder auch gerade verlaufende Linien 172 Ferdinand Schmidt, auf, die an Dieke zunehmend zu den kräftigen Fasern werden. Als Geschlechtskloake oder Sinus genitalis lässt sich, wie es auch üblich ist, ganz passend die grübchenartige Vertiefung oder Einsenkung der äußeren Körperfläche bezeichnen, in deren Grunde der Samenlei- ter und die Vagina nach außen münden. Die ersten Anfänge dieser Vertiefung werden bemerkbar, sobald die der Körperoberfläche zu- wuchernden Anlagen des Cirrusbeutels — mit dem in ihm verlaufen- den Vas deferens — und der Vagina bis dicht unter die äußere Cuti- cula gelangt sind. Während nun in den beiden soliden Strängen sich die Lumina ausbilden und schließlich nach außen durchbrechen, ver- tieft sich die anfänglich ganz flache Einsenkung zur deutlichen Ge- schlechtskloake. Es fragt sich nun, durch was für einen Vorgang dieser Sinus sich bildet? Mir scheint die folgende Erklärung die unge- zwungenste und wahrscheinlichste: während die Proglottis in ihrem Wachsthum, d. h. in ihrer Volumzunahme stetig fortschreitend sich nach allen Dimensionen des Raumes ausdehnt, hört an dem einen Punkte ihrer Oberfläche, an dem die wachsenden Anlagen des Cirrus- beutels und der Vagina sie erreichen, diese Ausdehnung auf und zwar wohl in Folge eines Zuges, den die nur noch langsam in die Länge wachsende embryonale Gewebemasse auf diesen mit ihr verbundenen Punkt der Körperoberfläche ausübt; dieses Stück der Oberfläche wird daher in Kurzem von der Umgebung umwachsen, umwallt werden, es wird scheinbar einsinken. Ich vermeide es absichtlich, von einer »Ein- stülpung« der Körperoberfläche zu reden, ein Ausdruck, der bei ähn- lichen Vorgängen oft gebraucht wird. Es könnte dieser Ausdruck gar zu leicht die Vorstellung erwecken, als handele es sich bei der Bildung des Sinus entweder um eine von außen her auf einen Theil der Körper- oberfläche einwirkende und diesen einstülpende Kraft — welche nicht vorhanden ist — oder um ein aktives Vordringen des betreffenden Abschnittes der Körperoberfläche gegen das Parenchym — ein gänzlich unverständlicher Vorgang. Die Vagina. Von den drei Strängen, in die die primäre Genital- anlage zerfällt, tritt der ventrale, die Anlage der Vagina, zuerst als ge- sondertes, selbständiges Gebilde auf (vgl. Fig. 4). Der Strang beginnt vorn an der knopfartig angeschwollenen Anlage des Cirrusbeutels und geht am hinteren Ende der Genitalanlage in die noch nicht differenzirte Masse von freien Zellkernen über. Was ich über die Entwicklung des Vas deferens angeführt, trifft im Allgemeinen auch für die Vagina zu. Auch hier sondern sich die Elemente des Stranges in eine centrale Masse, diein derschon geschilderten Weise zum Epithelrohr wirdund eine dieses umgebende Schicht, aus I F I | | { 1 Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Üestoden. 173 der die Muskulatur des Organes hervorgeht. Der Strang der Vaginaanlage zieht in fast ganz gerader Richtung durch die Proglottis und behält bekanntlich auch im ausgebildeten Zustande dieselbe Rich- tung. Nur am hinteren Ende treten leichte Schlängelungen auf, wäh- rend das vordere mit scharfen Winkeln nach der Ventralfläche abbiegt und in die Geschlechtskloake mündet. Nach Leucrart wird die innere Auskleidung des Kanales »von einer dünnen, aber scharf gezeichneten Cuticula gebildet, die sich am Scheideneingange in die CGuticularbedeckung des Körpers fortsetzt«. Diese Angabe bezieht sich auf das entwickelte Organ. In jungen Pro- glottiden suchte ich in der Vagina vergeblich nach einer Cutieula, ja auch in Gliedern, deren Uterus schon Eier in beträchtlicher Anzahl enthielt. Auf Querschnitten durch eine ganz reife Proglottis aber er- kannte ich die Cuticula in der Vagina als scharfe, feine Linie; das die- selbe ausscheidende Epithel scheint aber nicht — wie dieses im End- abschnitt des Samenleiters der Fall ist — gänzlich zu schwinden!. Im hinteren Abschnitt ist die Vagina auch schon in jungen Proglottiden stark erweitert, eine »Samentasche (Receptaculum seminis)« bildend. Der Uterus. Erst nach Differenzirung der beiden Stränge, aus denen der Samenleiter und die Vagina in der schon geschilderten Weise hervorgehen, nimmt die zwischen ihnen liegende Masse von Kernen (vgl. Fig. 4 und 5) die Gestalt eines deutlicher begrenzten Stranges an, die Anlage des Uterus. Die weiteren Veränderungen führen zur Ausbildung eines Epithelrohres und der dasselbe umhüllenden Schicht von Kernen, Vorgänge, die in keiner Hinsicht von den schon oben bei Gelegenheit der Entwicklungsgeschichte des Samenleiters ausführlich dargestellten, abweichen. Die mächtig wachsende und sich ausdehnende Masse beginnt von der bisher eingehaltenen geraden Richtung abzu- weichen, abwechselnd nach rechts und links Windungen zu beschrei- “ben, wodurch die für das ausgebildete Organ so charakteristischen Schleifen, noch bevor die ersten Eier ins Lumen eintreten, zu Stande kommen. In der schönen, schon erwähnten Untersuchung über Bothrioce- phalus latus theilt Stıepa über den Uterus Folgendes mit: »An Gliedern, deren Uteruscanal mäßig mit Eiern gefüllt ist, erscheint das Lumen des- selben mit einer oder zwei Reihen von Zellen ausgekleidet. In dem vollständig durch Eier ausgefüllten Kanal ist diese Zelllage nicht mehr ! Monıez macht (p. 448) die Angabe: »Le vagin du Bothriocephale est garni de eils qui se prolongent jusqu’a la partie initiale du receptaculum seminis,« eine An- ' gabe, die ich eben so wenig zu bestätigen vermag, wie die schon erwähnte dessel- ben Autors über die Cilien im Lumen des Samenleiters. 174 | Ferdinand Schmidt, zu sehen. — Die nächste Umgebung des Kanals ist bei mäßiger Fül- lung mit Eiern von Muskelfasern frei und wird nur durch die Binde- substanz gebildet, was Escnrıcnr als Kapsel oder kapselartige Umhül- lung des Eibehälters beschrieb. Mit der Ausdehnung des Kanals schwindet nicht allein die oben erwähnte Zellenlage, sondern auch die in der Umgebung befindliche Bindesubstanz, so dass schließlich der Kanal nur von Muskelelementen umgeben erscheint. Für die Entlee- rung der Eier muss dieser Umstand gewiss von Wichtigkeit sein.« Gleich Srıepa beschreibt auch Monızz zellige Wandungen des Uterus. Levckarr äußert sich folgendermaßen (p. 888): »Die Wand des Uterus wird von einer offenbar sehr dehnbaren und strukturlosen Haut ge- bildet, die namentlich in den engeren Windungen ihre Selbständigkeit deutlich erkennen lässt, mit zunehmender Weite aber zarter wird und immer weniger gegen die umgebende Bindesubstanz sich absetzt. Eine Epithelialbekleidung, wie Stıepa und Monızz sie annehmen, fehlt... .« »Nach außen wird die CGuticularbekleidung des Fruchthälters von einer Zellenschicht umgeben, deren Konstituenten sich durch reichen Proto- plasmagehalt, geringe Größe und dichte Gruppirung von den gewöhn- lichen Bindegewebszellen unterscheiden. Bisweilen erinnern dieselben durch Aussehen und Form an die Subeuticularzellen. An den nur mäßig gedehnten Strecken des Kanales sind sie weit schärfer ausge- prägt, als an den weiten, und so massenhaft entwickelt, dass EscarichT die von ihnen gebildete Umhüllung als ein besonderes Organ (»Kapsel der Gebärmutter«) in Anspruch nehmen konnte.c Ich muss nun im Gegensatz zu Leuckarr nochmals betonen, dass der Üterus in der That eine epitheliale Auskleidung besitzt, die selbst dann noch zu erkennen ist, wenn das Lumen des Organes durch An- sammlung von Eiern schon ganz beträchtlich erweitert wurde; die Entstehung! des Epithelrohres aus dem ursprünglich soliden Strange wurde schon oben erwähnt. Das Epithelrohr wurde umgeben von einer 1 Nach MosıEz, dem wir eine Reihe von Angaben über die Entwicklung der Geschlechtsorgane verschiedener Cestoden verdanken, tritt das Lumen in der soli- den Uterusanlage, wie auch in der des Samenleiters und der Vagina (bei Leuckartia) durch Zerfall der centralen Zellen auf: »Le rudiment du vagin et celui du sperma- ducte se differencient tres töt. Ils se creusent d’un canal rempli de granulations diverses, dues sans doute, a la destruction des cellules centrales. ...« »Matrice. Les cellules qui forment le rudiment centrale, cessent de se multiplier et toute sa partie centrale subit un degenerescence granuleuse (Pl. III, Fig. 8 et 9), les parois qui restent ne sont plus formees que par une couche celluleuse peu Epaisse.« Ich habe für Bothriocephalus latus eine andere Art der Lumenbildung in den betreffen- den Organen beschrieben ; eine Degeneration, einen Zerfall der central gelegenen Elemente der Stränge habe ich nicht konstatiren können. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 175 mächtigen Schicht dicht an einander lagernder Kerne (vgl. Fig. 18). Das zwischen den Kernen gelegene Protoplasma nimmt bald, während die Kerne nach außen rücken und so einen größeren Raum zwischen sich und dem Epithelrohr lassen, ein eigenthümlich streifiges Aussehen an. Durch allmähliche Ansammlung von Eiern im Uterus werden seine Wandungen ausgedehnt, die Kerne der äußeren Wandschicht rücken in Folge dessen weiter aus einander und es wird nun auch möglich, einzelne Zellkörper zu unterscheiden. Die ganze Wandung des Uterus, die also aus zwei Schichten, einer äußeren und dem inneren Epithel besteht, macht im Verlauf der weiteren Entwicklung eine vollständige Metamorphose durch. Das ganze Epithel schwindet — in vollständig reifen Proglottiden, deren Uterus strotzend mit Eiern gefüllt ist, ver- mochte ich keine Spur mehr desselben zu finden; eine feine Guticula, zweifellos ein Umwandlungsprodukt des früheren Epithels, kleidet das Lumen aus. Im Endabschnitt des Samenleiters sahen wir gleichfalls das Epithel bei allmählicher Ausscheidung einer dicken Cuticula schwin- den; im Uterus aber erreicht die Membran nie eine solche Mächtigkeit. Was das Schicksal der äußeren Wandschicht betrifft, so vermag ich keine positiven Angaben zu machen, vermuthe jedoch, dass die Ele- mente derselben — wenigstens zum Theil — in Muskelfasern umge- bildet werden. Die primären Anlagen des Samenleiters, der Vagina und des Uterus zeigen die größte Übereinstimmung in ihrem Baue: ein centraler Kernstrang wird von einer äußeren Schicht in spärliches Protoplasma gebetteter Kerne umgeben; aus dem centralen Strang geht bei allen drei Organen in übereinstimmender Weise ein Epithelrohr hervor, aus der äußeren Schicht sahen wir beim Vas deferens und der Vagina Muskelelemente sich entwickeln. Es liegt daher nahe, schon a priori anzunehmen, dass auch beim Uterus die analoge Schicht den gleichen Umwandlungsprocess durchmache. Ich kann diese Ansicht nur durch Folgendes stützen: während der Uterus sich nach allen Sei- ten hin ausdehnt, drängt er die dorsoventralen Muskelfasern vor sich her; die Fasern legen sich den Uterusschlingen an, wobei sie oft stark bogenförmig von ihrer ursprünglichen geraden Richtung abgedrängt werden. Der Uterus erhält so gewissermaßen muskulöse Wände, wel- cher Umstand für die Entleerung der Eier »gewiss von Wichtigkeit« ist. In den ganz reifen Gliedern findet man nun aber die Wandungen des Uterus durch so zahlreiche Muskelfasern gebildet, dass dieselben wohl kaum auf die dorsoventrale Muskulatur der Proglottis allein zurückzu-. führen sind; es kommt noch der Umstand hinzu, dass zugleich die Kerne in der ursprünglichen äußeren Wandschicht immer mehr schwin- 176 Ferdinand Schmidt, den. Es scheint mir daher sehr wahrscheinlich, dass eine Umwandlung der äußeren Schicht zu muskulösen Elementen stattfindet. Im hinteren Theil der Proglottis treten bekanntlich die Vagina, und zwar ihr als »Samentasche« bezeichneter, stark erweiterter Ab- schnitt und das hintere Ende des Uterus durch einen Verbindungs- kanal, der den gemeinschaftlichen Ausführungsgang der Ovarien so wie den der Dotterstöcke aufnimmt, in kontinuirlichen Zusammenhang. Wenn der Untersuchung und richtigen Erkenntnis dieser Verhältnisse schon im vollständig entwickelten Gliede große Schwierigkeiten im Wege stehen — wofür die widersprechenden Angaben der Autoren und die erst allmählich erzielte Einigung der Anschauungen beredtes Zeugnis ablegen — so gilt dieses in noch viel höherem Grade für die Untersuchung des Entwicklungsganges. Ich will die Resultate meiner Beobachtungen in Kürze anführen. Während die Uterus- und Vagina- anlage im größten Theil ihres Verlaufes schon deutlich die Differenzi- rung in das centrale Epithelrohr und die äußere Wandschicht zeigen, gehen sie an ihrem hinteren Ende in eine noch ganz gleichförmige Masse diehtgedrängter Kerne über. In dieser Masse sondert sich nun, dem Verlauf des späteren Verbindungskanales zwischen Uterus und Vagina entsprechend, ein Kernstrang ab, der in bekannter Weise zum Epithelrohr wird, während die dasselbe umgebenden Elemente in Muskelfasern umgewandelt zu werden scheinen. Der Epithelstrang tritt jedoch nicht in seinem gesammten Verlaufe sofort als zusammenhängen- des Ganze auf, sondern — und dieser Umstand erschwert sehr die Orientirung — in Gestalt einzelner unregelmäßiger Kernanhäufungen, die allmählich erst zusammenfließen. Aus gleichen Kernansammlun- gen, die zu Strängen werden, bilden sich die in den Verbindungskanal mündenden Endstücke der Drüsenausführungsgänge — der ÖOvarien und Dotterstöcke. Die Drüsen des Geschlechtsapparates. Da die erste Anlage der Hoden, der Ovarien und Dotter- stöcke eine so vollständig übereinstimmende ist, dass es ganz unmög- lich wäre zu entscheiden, ob aus dieser oder jener primären Anlage etwa Elemente des Hodens oder der Dotterstöcke sich entwickeln, falls nicht der Ort der Entstehung einen sicheren Anhalt böte, will ich zu- nächst in allgemeinen Zügen die Entstehung der Drüsen überhaupt charakterisiren. Schon in sehr jungen Proglottiden von etwa 1,5 bis 2,0 mm Breite erkennt man die ersten Drüsenanlagen in kleinen An- häufungen von Kernen; in der Rindenschicht entstehen sie der späte- ren Lage der Dotterstöcke entsprechend, in der Mittelschicht der der Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 177 Hodenbläschen und — jedoch erst später auftretend — der der Ova- rien. Die Kerne unterscheiden sich in keiner Hinsicht von denen des übrigen Parenchyms, dieDrüsen entwickelnsich gleich allen übrigen Bestandtheilen des gesammten Geschlechtsappa- ratesaus der Körpergrundsubstanz der jungen Proglotti- den, diesem »Gewebe von embryonalem CGharakter«. Um die einzelnen Kerne sondert sich ein Zellkörper aus dem um- gebenden Protoplasma ab und eine jede derartige Zellanhäufung wird von einer äußerst zarten Membran umgeben, an der hier und da wie- der Parenchymkerne lagern. Auch die feinen Ausführungsgänge dieser so gebildeten Bläschen besitzen als Wandung eine gleiche Membran, ein Produkt des sie umgebenden protoplasmatischen Parenchyms. Die Zahl der Elemente in solch einem Bläschen wächst schnell an; es ist mir nicht möglich gewesen, an meinen Präparaten Theilungsvorgänge direkt zu beobachten, doch findet zweifellos eine lebhafte Vermehrung statt. — Was nun die weiteren Schicksale dieser primären Anlagen be- trifft, so gehe ich hier auf die Entwicklung der Spermatozoen nicht näher ein; es erfordert diese Frage eine ganz specielle Untersuchung. Ich will jedoch der Vollständigkeit wegen anführen, zu welchen Resul- taten Monızz, der diesen Gegenstand in einem besonderen Kapitel seiner großen Arbeit behandelt, gelangt ist. Nach Monızz geht aus den Hodenzellen — die Beobachtungen sind hauptsächlich an Taenia cucu- merina gemacht — durch einen Akt endogener Zellbildung eine große Zahl von Tochterzellen hervor; von diesen erzeugt eine jede in dersel- ben Weise eine Anzahl Zellen und diese erst werden zu Spermatozoen. Die Umwandlung der parenchymatösen Elemente zu Dotterzel- len lässt sich ohne erhebliche Schwierigkeiten verfolgen. Die anfäng- lich rundlichen oder ovalen Zellen werden durch gegenseitigen Druck polyedrisch; ihr Protoplasma erscheint getrübt und es treten in dem- selben bald stark lichtbrechende Tröpfehen und Körnchenbildungen auf, die schließlich das ganze Protoplasma derart erfüllen, dass der Kern gar nicht mehr oder nur schwer erkennbar ist. In ganz ähnlicher Weise geht die Bildung der Eizellen vor sich, nur dass hier das Protoplasma der enorm an Umfang zunehmenden Zellen stets fein granulirt bleibt. Es wird durch Alaunkarmin intensiv gefärbt, so dass auf Schnitten die Eizellen den Eindruck dunkler Scheiben machen. Während die Hoden- und Dotterbläschen stets isolirt bleiben, fließen die primären Ovarial- anlagen zu langen, vielfach gewundenen Schläuchen zusammen, deren Wand an einzelnen Stellen durch eine Eizelle stark vorgewölbt wird, daher man auf Schnitten oft Eizellen findet, die ringsum von einer 178 Ferdinand Schmidt, feinen Membran umgeben sind, also allein in einem kleinen Bläschen zu liegen scheinen (vgl. Fig. 10). Die Hoden, Ovarien und Do Werätueke treten durchaus unabhängig von der primären Genitalanlage auf. Für die Hoden und Dotterstöcke gilt dieses zweifellos; schwieriger liegen in dieser Hinsicht die Verhältnisse in Betreff der Ovarien, da diese Organe in unmittelbarer Nähe des hinteren Endes der Genitalanlage auftreten. Doch glaube ich auch für diese Drüsen die selbständige Entstehung behaupten zu können. Die ersten Ovarialbläschen, die allmählich zu Schläuchen und größeren Massen zusammentreten, erscheinen zerstreut im Parenchym und nicht als Sprossungen der primären Genitalanlage. Die Ausführungsgänge entstehen in ihren Endabschnitten, wie schon oben erwähnt, als Stränge, in denen allmählich ein Lumen erscheint; doch auch diese Stränge sind nicht Wucherungen oder Sprossungen der Anlage des Verbindungskanales zwischen Uterus und Vagina. Und nun zum Schluss das Wenige, was ich über die Schalen- drüse anzuführen habe: während der Verbindungskanal zwischen Uterus und Vagina sich allmählich entwickelt, treten in seiner Umge- bung die ersten Elemente der Drüse als auffallend blass tingirte Zellen auf. Da hier die Parenchymkerne äußerst dicht gedrängt liegen, ist es mir nicht gelungen, genauer die Umwandlung der Parenchymelemente — denn um eine solche handelt es sich ja zweifellos — zu den birn- oder eiförmigen Drüsenzellen zu verfolgen. Wie im Vorhergehenden ausführlich erörtert wurde, entwickelt sich das gesammte Geschlechtsorgansystem aus dem Parenchym. Die erste Anlage tritt in einer Entfernung von etwa i cm hinter dem Kopfe auf, streckt sich allmählich in die Länge und noch »in einer Entfernung von etwa 10 cm hinter dem Kopfe sieht man dieselbe als einen dunklen, wenig begrenzten Längsstreifen in der Mittellinie der Glieder hinziehen. Später, wenn (3—4 em weiter ab- wärts) die Kontouren schärfer hervortreten, bemerkt man am Vorder- ende des Streifens dicht hinter dem Gliedrande eine rundliche An- sammlung von Zellen, die kopfartig der übrigen Masse aufsitzt (LEuUcKART).« In den folgenden Proglottiden beginnt die Differenzirung der »späteren Geschlechtswege mit den zugehörigen Ausführungsapparaten« und in einer Entfernung von etwa 45—50 cm hinter dem Kopfe konnte ich deutlich die äußeren Geschlechtsöffnungen erkennen — eine Angabe, die mit der LeuckAarr’s gut übereinstimmt. Dass die Hoden und Dotter- stöcke schon sehr frühzeitig in ihrer ersten Anlage erkennbar werden, hob ich schon bei Besprechung der Drüsenentwicklung hervor; später Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 179 treten die Ovarien auf; in einer Entfernung von 30 cm hinter dem Kopfe sind sie schon sichtbar. Triaenophorus nodulosus Rud. Die Entwicklung der Geschlechtsorgane stimmt in allen wesent- lichen Fragen so vollständig mit den bei Bothriocephalus latus gefun- denen und schon ausführlich geschilderten Verhältnissen überein, dass ich, um Wiederholung zu vermeiden, nur das Wichtigste kurz zusam- menfassen will !. Die Anatomie der Geschlechtsorgane ist in der schon genannten Arbeit Zocrar's eingehend behandelt worden, auch finden sich in der- selben Angaben über die Entwicklung des in Frage stehenden Organ- systems. Wie bei Bothriocephalus finden wir auch bei Triaenopho- rus drei Geschlechtsöffnungen, eine flächenständige für den Uterus und am Seitenrande gelegen die des Vas deferens und der Vagina — wodurch Triaenophorus an die Tänien erinnert. In der Lagerung der Drüsen stimmt Triaenophorus auch darin mit Bothriocephalus überein, dass die Dotterstöcke der Rindenschicht, die Ovarien und Hodenbläs- chen dem Parenchym der Mittelschicht eingelagert sind. Die Hoden- kanälchen vereinigen sich in dem gewundenen Vas deferens, das den muskulösen Cirrus durchsetzend nach außen mündet. Das zweilappige Ovarium sowie die Dotterstöcke entleeren ihre Produkte in den knäuel- artig gewundenen Eileiter, der einerseits in die Vagina übergeht, andererseits mit dem kurzen, dicken, etwa birnförmigen Uterus in Ver- bindung steht. Als erste Anlage der Geschlechtsorgane erscheint — in etwa 2 em Entfernung hinter dem Kopfe — eine Anhäufung von Paren- chymzellkernen, die bald zu einem schmalen Querstreif wird. Die wei- teren Veränderungen lassen sich auf den in Fig. 22—24 dargestellten Flächenschnitten verfolgen. In Fig. 22 sehen wir eine Anzahl der er- wähnten primären Anlagen, die alternirend nach beiden Seiten ge- richtet sind. Schon an dem mit « bezeichneten Streif sehen wir eine Verdickung auftreten, die sich allmählich stärker entwickelt und bei p als rundliche, von dem Querstreif gesonderte Kernmasse Öd deutlich zu unterscheiden ist; der ursprünglich einheitliche Kernstreif wird gleich- sam in zwei Abschnitte gegliedert, deren einer dem Seitenrande des Körpers zuwuchert — die gemeinsame Anlage des Cirrus und der ! Die von mir untersuchten Exemplare waren sämmtlich noch nicht vollstän- dig geschlechtsreif; ich kann daher im Folgenden nicht auf die histologischen Ver- hältnisse des Geschlechtsapparates so ausführlich eingehen, wie es bei Bothrioce- phalus geschah. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 13 150 Ferdinand Schmidt, Vagina — während der andere, mehr im Centrum der Fläche gelegene, an seinem Ende stark anschwillt — die erste Anlage desEileiters (el) mit dem kurzen birnförmigen Uterus (u). Die oben mit Öd bezeichnete Kernanhäufung repräsentirt die An- lage des Ovariums sowie des stark gewundenen Abschnittes des Ei- leiters. Verfolgen wir nun im Einzelnen die weiteren Umwandlungen der so kurz charakterisirten Gebilde. | Der Theil der primären Anlage, aus dem der Cirrhus und die Vagina hervorgehen, zerfällt in zwei neben einander hinziehende Stränge; dieselben sind schon auf dem Stadium der Fig. 23 deutlich von einan- der gesondert, auf der Figur aber nicht beide sichtbar, da sie nicht in einen Flächenschnitt fallen; die Anlage der Vagina liegt hinter der hier allein getroffenen des Cirrhus. In jedem der beiden Kernstränge grup- piren sich die Elemente zu einem centralen soliden Strang und einer diesen umgebenden Schicht, aus denen in der schon bei Bothriocepha- lus geschilderten Weise ein centrales Epithelrohr und die Ele- mente der Wandunghervorgehen. Unterdessen entwickelt sich aus dem mittleren Theil der oben mit ö bezeichneten Kernanhäufung ein außerordentlich stark gewundener Strang, der Eileiter, der sowohl mit der Vaginaanlage als auch mit dem Uterus durch den kurzen, fast ganz gestreckt verlaufenden Strang el in Verbindung steht. Die Eileiteranlage zeigt in ihrem gesammten Verlaufe sehr bald den so charakteristischen, zum Epithelrohr werdenden Strang und die denselben umgebende Wandschicht. Der Uterus besteht auch auf den letzten Schnitten meiner Serien noch aus einer birnförmigen Masse von dicht gedrängten Zell- Kernen, die von einer aus gleichen Elementen gebildeten Schicht um- geben ist; das stumpfe, abgerundete Ende steht mit dem Eileiter in Verbindung, während das spitze der Außenfläche des Körpers zu- wuchert. Während der Knäuel der Eileiterwindungen aus dem mittleren Theil der Anlage ö sich hervorbildet, dehnen sich die seitlichen Theile derselben flügelartig aus — die Anlage des lappigen Ovariums. Unter- sucht man diese Verhältnisse nur an Flächenschnitten und bei schwa- cher Vergrößerung, so hat es den Anschein, als wüchsen diese »Flügel« aus der recht scharf begrenzten Anlage hervor, als seien alle Elemente des späteren Ovariums auf die der ersten einheitlichen Genitalanlage zurückzuführen. Die genaue Untersuchung mit stärkeren Systemen aber lässt eine solche Auffassung nicht zu. Die Anlage der Ovarien wächst dadurch, dass allmählich in ihrem Umfange immer mehr Ele- mente des indifferenten Parenchyms zu Eiern und Eischläuchen umge- wandelt werden. Man findet in der Umgebung der noch gering ent- Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 181 wickelten Ovarien im Parenchym zerstreut isolirte Kerngruppen, die allmählich zu Eischläuchen werden und zusammenfließend die Anlage der Ovarien vergrößern, während im umgebenden Parenchym der gleiche Umwandlungsprocess stetig fortschreitet. Ein Theil der späte- ren Ovarien ist gewiss aus der Kernanhäufung Ö hervorgegangen, d.h. es beginnt hier zuerst die Umbildung von Parenchymelementen zu Ei- zellen. Ich betone dieses Alles, um auch an dieser Stelle der Auffas- sung entgegenzutreten, dass die Geschlechtsorgane der CGestoden von ganz bestimmten Zellgruppen herzuleiten seien, aus einer bestimmten einheitlichen Anlage etwa durch Sprossung hervorwüchsen, eine Auf- fassung, zu der eine weniger eingehende Untersuchung, zumal wenn sie nur an Quetschpräparaten geführt wird, wohl verleiten könnte. Über die Entwicklung der Dotterstöcke aus Parenchymelementen der Rinden- und der Hodenbläschen aus solchen der Mittelschicht habe ich nichts ‚zu berichten, was mit dem über Bothriocephalus Mitgetheilten nicht Übereinstimmung zeigte. Zum Schlusse fasse ich jetzt die Angaben zusammen, die wir über die Entwicklung der Geschlechtsorgane bei Tänien be- sitzen. Es kommen hierbei hauptsächlich die an den beiden großen, den Menschen bewohnenden Tänien gemachten Beobachtungen Sonm- ' mer’s! und LeuckArr's in Betracht. In kurzer Fassung hat Leuckarr die in Frage stehenden Vorgänge folgendermaßen geschildert (p. 564—566): Die ersten Anzeichen der beginnenden Geschlechtsentwicklung trifft ‘man bei Gliedern von ungefähr 2,5 mm Breite und 0,3 mm Länge, die in einer Entfernung von etwa 6—10 cm hinter dem Kopfe liegen und der ersten Hälfte des dritten Hunderts angehören. Man sieht in diesen ' Gliedern von der Mitte bald der einen, bald auch der anderen Seite einen ziemlich breiten Parenchymstreifen in querer Richtung bis zur ' Medianlinie hinziehen.« Es verdickt sich dann das mediale Ende des ' Parenchymstreifens und wächst zu einem Längsstreifen aus, »der in der ' Mittellinie des Gliedes fast bis zum Vorderrande sich verfolgen lässt und augenscheinlicherweise das erste Rudiment des Fruchthälters dar- stellt. In dem Querstreifen haben wir dagegen nicht etwa bloß die spätere Scheide oder den Samenleiter vor Augen, sondern die gemein- same Anlage dieser beiden Gebilde, wie man auf das Bestimmteste daran erkennt, dass die Ränder des Streifens durch Aufhellung der Zwischen- substanz und gleichzeitige saumartige Verdickung allmählich immer be- ' stimmter sich in zwei strangförmige Organe aus einander legen, die, 1 Sommer, Über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane von Taenia mediocanellata (Küchenmeister) und Taenia solium (Linne). Diese Zeitschr. ' Bd. XXIV. 1874. 13* 182 | Ferdinand Schmidt, wenn auch einstweilen nur unvollständig getrennt und mit der Masse | des Fruchthälters noch in Zusammenhang, doch jetzt schon deutlich als \ Vas deferens und Vagina sich zu erkennen geben«. Etwa im 400. Gliede | erscheinen dann die ersten Anlagen der keimbereitenden Organe. »Sie | | markiren sich zunächst dadurch, dass das bis dahin fast homogene und | durchsichtige Parenchym ein mehr körniges Aussehen annimmt. Die Zellgruppen, von denen dasselbe herrührt, sind Anfangs allerdings nur klein und überall von gleichem Aussehen, in der oberen und unteren Hälfte der Glieder aber verschieden angeordnet, so dass man schon frühe die männlichen und weiblichen Keimorgane von einander unter- scheiden kann.« Was ich auf Grund eigener Untersuchungen über die Entwicklung der Geschlechtsorgane bei den Tänien anzuführen habe, ist nur gering. Mir standen Taenia cucumerina, die ein ungünstiges Objekt ist — die Differenzirung der Geschlechtsorgane beginnt schon in den noch sehr jugendlichen Proglottiden, in denen die Elemente außerordentlich dicht gedrängt liegen, wodurch die Untersuchung sehr erschwert wird — sowie einige unvollständige Gliederketten der Taenia erassicollis zur Verfügung. Da meine Beobachtungen an diesem Mate- rial lückenhafte sein mussten, gehe ich auch nicht näher auf die Resul- tate derselben ein; ich hätte übrigens dem bisher über Bothriocephalus und Triaenophorus Mitgetheilten nichts Wesentliches hinzuzufügen — nur einen Punkt werde ich noch zu berücksichtigen haben. Wenn ich jetzt zum Schlusse die wesentlichsten Resultate meiner Untersuchungen kurz zusammenfasse, so habe ich erstens nochmals die Thatsache hervorzuheben, dass der gesammte Geschlechts- apparat der Gestoden!, also sowohl die Ausführungsgänge und Geschlechtswege als auch die keimbereitenden Or- gane, aus Parenchymelementen, d.h. Elementen des als Gewebe von embryonalem Charakter charäkterisirten Parenchyms der jungen Proglottiden hervorgeht. Dieselbe Anschauung vertritt Monizz und scheint auch das Resultat der neuesten Untersuchungen ZscHokkE’s? zu sein. Zweitens betone ich, dass die Geschlechtsorgane nicht aus einer einheitlichen Anlage sichentwickeln, nicht auf eine bestimmte Zellgruppe zu- rückzuführen sind, sondern im Allgemeinen der Lage der ausgebildeten Organe entsprechend alszumTheil von ein- 1 Mir scheint diese Verallgemeinerung der von mir durch die Untersuchung nur weniger Formen gewonnenen Resultate berechtigt. | 2 ZSCHOKKE, Studien über den anatomischen und histologischen Bau der Cesto- den. Vorl. Mittheilung. Centralbl. für Bacteriologie und Parasitenkunde. 1. Jahrg. 188721. Bd Nr Gzundd. Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Cestoden. 183 ander ganz unabhängige Anlagen im Parenchym auftre- ten. Ich habe bei dieser Thatsache — denn dafür halte ich die eben ausgesprochene Ansicht — noch einen Augenblick zu verweilen, da Leuckart anderer Anschauung zu sein scheint. LEUCKART sagt (p. 898) bei Besprechung der Entwicklung des Geschlechtsapparates bei Bothrio- cephalus latus, dass neuere Untersuchungen ihn davon überzeugt hätten, dass die auch von ihm früher gehegte und bei Gelegenheit seiner »Darstellung von der Genitalentwicklung der Taenia saginata (p. 564)« ausgesprochene Ansicht, dass die primäre Anlage der Ge- schleehtsorgane »zunächst nur in die Leitungsapparate sich umwandle, und die keimbereitenden Genitalien, die anscheinend selbständig ent- standen, denselben erst nachträglich sich anfügten«, irrthümlich sei, dass »vielmehr auch die keimbereitenden Geschlechtsorgane den Zellen der ersten Anlage ihren Ursprung verdanken«. »Mit aller Sicherheit« — fährt Leuekart fort — »kann ich das allerdings zunächst nur für die Ovarien und den Dotterstock der Taeniaden behaupten, doch lässt der Umstand, dass auch die Vasa efferentia, wenigstens die größeren Stämme derselben, durch Ausstrahlungen des Samenleiters ihren Ur- sprung nehmen, für die Hodenbläschen ein Gleiches vermuthen.« Was nun zunächst die Dotterstöcke betrifft, so habe ich in vor- liegender Arbeit gezeigt, dass diese Organe bei Bothriocepha- lusund Triaenophorus durchaus unabhängig von der pri- mären Genitalanlage entstehen, dass ihre ersten Anlagen zer- streut im Parenchym der Rindenschicht erscheinen zu einer Zeit, da die primäre Genitalanlage in der Mittelschicht noch keineswegs weit- gehende Differenzirungen erfahren hat, zu einer Zeit, da die Ausfüh- rungsgänge der Dotterstöcke, die doch den Zusammenhang zwischen den später aus der primären Genitalanlage sich hervorbildenden Or- ‘ganen und den Dotterstöcken bilden, überhaupt noch gar nicht sich entwickelt haben. Es ist leicht, auch für die Hodenbläschen mit voller Sicherheit den gleichen Nachweis, d.h. der selb- ständigen Entstehung im Parenchym derMittelschicht an guten Schnittserien zu führen. Auf diese sicheren Thatsachen gestützt, ließe sich schon a priori folgern, dass nicht nur für die beiden genann- ten Formen, sondern auch für die übrigen Cestoden eine Entwicklung der Geschlechtsorgane aus einer einzigen, einheitlichen Anlage nicht die Regel sei. In der That muss ich auch für die Tänien behaupten, dass die Hodenbläschen wie bei Bothriocephalus und Triaenophorus, d. h. unabhängig von der primären Genitalanlage entstehen. Was die Ovarien betrifft, so ist es schwieriger, ihre Entstehungsweise zu er- mitteln, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie in unmittel- 184 Ferdinand Schmidt, barer Nähe der primären Genitalanlage entstehen, nicht wie z. B. die Dotterstöcke bei Bothriocephalus in einer von dieser weit abliegenden Region der Proglottis. Zunächst will ich daran erinnern, dass wir in der ersten Anlage der Geschlechtsorgane, der »primären Genitalanlage« nicht ein scharf begrenztes Gebilde zu sehen haben, das etwa zu dem umgebenden Parenchym, aus dessen Elementen es ja hervorgeht, in einem morphologischen Gegensatz stände. Ein solcher Gegensatz ent- wickelt sich erst, wenn die Geschlechtsanlage, die bisher nur eine An- häufung von Parenehymelementen, durch eine lokale besonders starke Vermehrung derselben hervorgerufen, darstellt, sich zu verschiedenen Organen zu differenziren beginnt. Die primäre Genitalanlage wächst nicht oder doch nicht nur durch Vermehrung ihrer Elemente, sondern auch dadurch, dass immer neue Elemente des umgebenden Parenchyms rege proliferirend mit ihr verschmelzen. Wenn nun in der Peripherie der sich so stetig ausdehnenden Genitalanlage einzelne Elemente sich zu Bestandtheilen des späteren Ovariums umwandeln, so wird es ganz unmöglich sein zu entscheiden, ob diese aus der primären Genitalan- lage oder aus: dem Parenchym, unabhängig von jener, entstehen. Ich konnte daher, als ich oben die Entwicklung der Ovarien bei Triaeno- phorus besprach, angeben, dass diese Organe gewiss zum Theil aus dem Abschnitt ö der primären Genitalanlage hervorgehen, während sie durch allmähliches Hinzutreten anfänglich isolirt erscheinender Anlagen im umgebenden Parenchym weiter anwachsen. Es beginnt eben bei dieser Art, bei der die Ovarien in so unmittelbarster Nähe des gewun- denen Eileiters liegen, auch die Entwicklung der Drüsen in der näch- sten Umgebung des letzteren. Bei Bothriocephalus liegen die Ovarien freier; ich sah dem entsprechend ihre ersten Anlagen zerstreut im Parenchym in der Umgebung des hinteren Endes der Genitalanlage auftreten. Ich fasse also, was ich in Betreff der Entwicklung des Geschlechts- apparates der Cestoden ermittelte kurz in folgender Weise zusammen: Die Entwicklung der Geschlechtsorgane beginnt mit der Anlage des Leitungsapparates; die keimbereitenden Or- ganetretenspäterauf, undzwarentsprechendihrer Lage in der ausgebildeten Proglottis bald in mehr oder weni- gerinnigem Zusammenhangemit der Anlage des Leitungs- apparates, bald gänzlich unabhängig von dieser. Es bleibt mir nun noch die Aufgabe, die hier gewonnenen Resul- tate mit dem aus der Ontogenie verwandter Thierformen Bekannten zu vergleichen. Unsere Kenntnisse von der Entwicklungsgeschichte der Plathelminthen sind in der That noch äußerst unbefriedigende, und im Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger Gestoden. 185 Besonderen gilt dieses für die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Organe und ganzer Organsysteme, wie für die hier in Betracht kommen- den Geschlechtsorgane. Eine kurze Zusammenstellung der mir zu Ge- bote stehenden Angaben weist unter den nur spärlichen Beobachtungen noch höchst widersprechende auf; es ist daher nicht möglich, zu weit- sehenderen Schlüssen zu gelangen, so lange das thatsächliche Beobach- tungsmaterial nicht durch weitere Untersuchungen vergrößert wor- den ist. Angaben über die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Trematoden hat in neuester Zeit Schwarze! gemacht; es sind Beobachtungen über die ersten Genitalanlagen und deren weitere Differenzirung bei Cercarien. Der Autor beschreibt bei Cercaria armata v. Sieb. einen im Centrum des Körpers gelegenen Haufen von »kleinen, dichtgedrängten Zellen« als erste Anlage des Geschlechtsapparates. Dieser ursprünglich runde Genitalzellenhaufen streckt sich in die Länge und »zerfällt schließlich in drei gesonderte Gruppen, von denen jedoch die beiden hinteren durch schmale Stränge mit der vorderen in Verbindung stehen«. Durch Vergleichung der Cercarie mit dem jungen Distomum endolobum kommt der Autor zur Überzeugung, dass die vor- dere Zellgruppe »als die Anlage des späteren Ausführungsapparates, welcher zum größten Theil durch den Cirrusbeutel repräsentirt wird, anzusehen ist«. »Diese Deutung wird unterstützt durch das Verhalten dieses Organes bei der Cercaria ornata.« Weiter heißt es dann: »Der mittlere, aus dem ursprünglich einfachen Genitalzellenhaufen hervorge- gangene Zellenkomplex bildet die Anlage des weiblichen Genital- systems, des Ovariums und der Schalendrüse...... Am weitesten nach hinten gerückt ist die Hodenanlage, welche unter dem centralen Ex- kretionsorgan, ungefähr wo die Blase sich gabelt, liegt. Ursprünglich ein einfacher Haufen, zerfällt diese Hodenanlage später in zwei ge- sonderte Zellgruppen durch eine mediane Spaltung. Der ganze Kom- plex der Hodenanlage ist kleiner, als der des Ovariums; die einzelnen Zellen sind jedoch, entsprechend dem früheren Eintritt der männlichen Geschlechtsreife, etwas größer als bei jenem. Im Übrigen gewähren die Zellen aller drei Gruppen einen völlig übereinstimmenden An- blick.« Also auch hier gehen im Grundgewebe des Körpers aus völlig gleichen Elementen die verschiedenen Theile des Geschlechts- apparates hervor, jedoch sind sie sämmtlich auf eine einheitliche An- lage zurückzuführen. Es finden sich auch sonst noch vereinzelte An- gaben über Geschlechtsorgane bei Cercarien. So beschreibt LeuckArr 1 SCHWARZE, Die postembryonale Entwicklung der Trematoden, Diese Zeitschr. Bd. XLIII. 1886. 186. = Ferdinand Schmidt, bei Distomum duplicatum die Anlage von Hoden, Eierstöcken und Ge- schlechtsöffnungen. Ferner erwähnt pr FıLırri bei Cercaria lophocerca »des rudiments d’organes sexuels sous la forme de trois masses vesicu- laires«!. Auch ZıeeLer? beschreibt bei Bucephalus » mehrere Gruppen dicht gedrängter Zellen, deren Kerne sich intensiver färben als die der gewöhnlichen Zellen«. Er vermuthet darin »die noch undifferen- zirten Anlagen der Fortpflanzungselemente produeirenden Organe«. Über Turbellarien liegen einige, einander gänzlich widersprechende Angaben vor: so giebt Harızz? für Mierostoma lineare und Stenostoma leucops an, dass die Ovarien aus dem Darmepithel hervorknospen, - die Hoden vielleicht aus dem Ektoderm, wogegen A. Lang! Dotter- stöcke, Hoden und Ovarien — bei Planaria torva — auf das Darm- epithel zurückführt, welcher Ansicht Iıma5 auf das entschiedenste entgegentritt. Nach Angabe des letzteren Autors entstehen die Ge- schlechtsorgane im Körperparenchym aus mesodermalen Elementen. Dass auf Grund so weniger, einander noch widersprechender An- gaben weitgehendere allgemeine Schlüsse nicht möglich sind, ist wohl verständlich. Rostock, August 1887. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVI und XVII. Die Figuren wurden sämmtlich in ihren Kontouren mit der Camera lucida ent- worfen; die Fig. 1, 2, 3 und 8 bei Vergrößerung mit Öl-Immers. 1/48 Zeıss; die Fig. 10, 41,43, 44, A5 und 46 bei Vergrößerung mit Syst. E, die Fig. 22, 23 und 24 mit Syst. AA; die sämmtlichen übrigen Figuren bei Vergrößerung mit Syst. DD. In allen Figuren bedeutet: U, Uterus; V, Vagina; Vd, Vas deferens; Ct, Cuticula; Ep, Epithel. Die Fig. 22—24 stellen Schnitte durch Triaenophorus dar, alle übrigen solche, oder einzelne Theile derselben durch Bothriocephalus latus. 1 FıLıppı, M&moire pour servir a l'histoire genetique des Tr&matodes. 1854. 2 ZıEGLER, Bucephalus und Gasterostomum. Diese Zeitschr. Bd. $XXXIX. 1883. 3 P. Harrez, Contrib. a l’hist. nat. des Turbell. Lille 4879. p. 40—44 (Trav. de Y’Inst. zool. de Lille et de la Stat. marit. de Wimereux. I). * Lane, Der Bau von Gunda segmentata und die Yerwandtschatt der Plathel- minthen mit Coelenteraten und Hirudineen, Mitth. a. d. Zool. Station zu Neapel. Bd. III. 41882. 5 Isao Iısına, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklungsgeschichte der Süßwasser-Dendrocoelen (Tricladen). Diese Zeitschr. Bad. XL. 4884. i | Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger (estoden. 187 Fig. 1. Einzelne dorsoventrale Muskelfasern (Mfs) mit den’ Myoblasten (My) aus einer älteren Proglottis; Mk, der Myoblastkern. Fig. 2. Dieselben Elemente aus einer sehr jungen Proglottis. Fig. 3. Einzelne, fast kugelförmige Myoblasten aus einem älteren Gliede. Fig. 4 und 5. Theile von Querschnitten durch junge Proglottiden; in Fig. 4 be- ginnende Differenzirung der drei Stränge, in Fig. 5 Ausbildung des Epithelstranges in jedem derselben. Fig. 6 und 7. Zwei auf einander folgende Querschnitte durch den vorderen Theil der Genitalanlage; der Epithelstrang ist in der Anlage des Vas deferens und der Vagina schon zum Epithelrohr geworden: Fig. 6; in Fig. 7 ist die Umbiegungs- stelle der Vaginaanlage zur Ventralfläche der Proglottis getroffen. Fig. 8. Theil eines Flächenschnittes durch eine Proglottis, die schon alle Theile des Geschlechtsapparates erkennen lässt. Die Myoblasten der dorsoventralen Muskelfasern erscheinen im Querschnitt getroffen. Pp, das protoplasmatische Maschenwerk des Parenchyms; Pk, die Parenchymkerne. Coel, die durch das Maschenwerk gebildeten Hohlräume, das Cölom. Fig. 9. Theil eines Querschnittes durch eine Proglottis vom Alter der Fig. 6 “und 7. Es ist die Stelle getroffen, an der das Vas deferens zum muskulösen Bulbus (MB) anschwillt. Fig. 40 und 41. Theile eines reifen Ovariums. Fig. 12. Querschnitt durch eine jugendliche Proglottis; die Kernanhäufung in der Mitte des Gliedes, die primäre Genitalanlage zeigt die ersten Anfänge der sich später differenzirenden drei Stränge; die ganze Mittelschicht durchsetzt von den dorsoventralen Muskelfasern mit den deutlich erkennbaren Myoblasten. Fig. 43. Dotterkanäle mit in ihnen sich fortbewegenden Dotterelementen. Fig. 44. Junger Ovarialschlauch. Fig. 45 und 16. Dotterzellen auf verschiedener Entwicklungsstufe. Fig. 47. Eintritt der Dotterelemente aus einem Dotterkanälchen in das weite Sammelrohr., Fig. 48. Theil eines Querschnittes durch die Region der Uterusmündung, Fig. 49. Ein dem vorigen entsprechender Schnitt durch eine bedeutend ältere Proglottis. Fig. 20 und 21. Das im Cirrusbeutel verlaufende Endstück des Vas deferens auf zwei verschiedenen Entwicklungsstufen (vgl. den Text). Fig. 22—24. Flächenschnitte durch Triaenophorus nodulosus (vgl. die Erklä- rung im Text). ; Fig. 25. Theil eines Medianschnittes. CB, der Cirrusbeutel; Vdep, das Epithel des Vas deferens und Vep, das der Vagina; ein Lumen ist in beiden Organen noch nicht erkennbar. Fig. 26. Querschnitt durch den Cirrusbeutel. Fig. 27. Theil eines Medianschnittes durch eine Proglottis, deren Geschlechts- organe schon in allen Theilen ausgebildet sind. RS, der als Receptaculum seminis bezeichnete Abschnitt der Vagina. Fig. 28. Theil eines Querschnittes durch ein Glied vom Alter der vorigen Figur. HC, ein in den Sammelgang (Sg) mündendes Hodenkanälchen. Studien über Gordiiden. (Zweite Mittheilung!.) Von Professor Dr. Franz Vejdovsky in Prag. Mit Tafel XVII. Die eigenthümlichen Verhältnisse des weiblichen Geschlechtsappa- rates, auf welche ich in meiner ersten Arbeit aufmerksam gemacht habe, erweckten in mir den Wunsch, dieselben auch weiter zu verfol- gen, vornehmlich um mich zu überzeugen, ob die dort geschilderten Verhältnisse sich auch in den im Freien lebenden Würmern finden. Bekanntlich habe ich die in ungemein großer Anzahl paarweise ange- ordneten und an den Mesenterien befestigten Eierstöcke in solchen Weibchen entdeckt, welche früher die Eierklumpen in den Versuchs- gefäßen abgelegt haben und dann wieder mit neuen Geschlechtsdrüsen ausgerüstet erschienen. Durch einen glücklichen Zufall kam ich neuerdings in den Besitz eines zahlreichen und günstigen Materiales von Gordius tolosanus, wel- chen ich Ende Juni dieses Jahres in mehr als 100 Exemplaren gefun- den habe; dieselben befanden sich zu einem einzigen Knäuel zwischen den Pflanzenwurzeln und Konferven verwickelt, die in einem durch Schmutzwässer einer Zuckerfabrik stark verunreinigten und übel- riechenden Bache vegetirten. Ich erwähne die letztere Thatsache dess- halb, weil ich bisher gewohnt war, die Gordiiden nur in reinen Wäs- sern zu suchen. In dem erwähnten Knäuel befanden sich nun die Männ- chen und Weibchen fast in gleicher Anzahl vertreten, welchen letzteren ich bisher meine Hauptaufmerksamkeit gewidmet habe, während die Untersuchung der Männchen einer späteren Zeit vorbehalten wurde. Unter den Weibchen fand ich nun Exemplare, deren Eierstöcke in i Vgl. Zur Morphologie der Gordiiden. Diese Zeitschr. Bd. XLIII. p. 369—433. Mit 2 Tafeln. Studien über Gordiiden. II. 1859 sämmtlichen Entwicklungsstadien vorhanden waren, aber auch ein Individuum, dessen Samentasche noch nicht mit Spermatozoen ange- füllt war, während die Eierstöcke in den ersten Anlagen sich befanden. Die Cuticula des letzterwähnten Exemplares war aber übereinstim- mend mit Areolen versehen, wie bei den vollständig geschlechtsreifen Weibchen. In dem vorliegenden Aufsatze theile ich also einige Angaben mit, welche die nicht näher erklärten Verhältnisse nicht nur des weiblichen Geschlechtsapparates, sondern auch einiger anderer Organe und Ge- webe von Gordius tolosanus genauer beleuchten sollen. 4) Die äußere homogene Cuticula der meisten eingehend unter- suchten Individuen war mit den verdickten Areolen verziert, deren Anordnung und Gestalt im Allgemeinen derselben entsprach, welche für die Weibchen der in Rede stehenden Art als charakteristisch in meiner ersten Arbeit hervorgehoben wurde und welche neuerdings auch Camzrano! darstellt. Bei einigen Weibchen fand ich dagegen, dass die euticulare Felderung in ganz regelmäßigen Reihen hervortrat, indem die Areolen dicht neben einander angeordnet und von den vorhergehen- den und nachfolgenden Reihen durch breitere Zwischenräume der glatten Cuticula geschieden waren. Derartige Areolenreihen bildeten bald ringförmige Zonen um den Körper, bald verliefen sie in mehr oder weniger schräger Richtung, wobei sie schließlich in die unregelmäßige, ' für die meisten Weibehen von Gordius tolosanus charakteristische An- ordnung übergingen. Wenn bereits in dieser Hinsicht eine Variabilität in der Anordnung der cuticularen Areolen für unsere Art bezeichnend ist, so tritt die- selbe um so ausgesprochener bei einem Weibchen hervor, das sich zwischen der großen Anzahl der normal oder unbedeutend abweichend areolisirten Individuen nur in einem einzigen Exemplare vorfand und ‚ welches sowohl in den äußeren Gestaltsverhältnissen, als in der inne- ' ren Organisation mit den übrigen untersuchten Exemplaren der ge- nannten Art übereinstimmt, während es durch das Vorhandensein - größerer Doppelareolen von denselben abweichend ist. Hätte ich dieses ‚ Exemplar nicht in Gesellschaft mit Gordius tolosanus gefunden, so ‚ möchte ich dasselbe nach der Struktur der Cuticula vielleicht als eine ‚ andere Art betrachten. Die cuticulare Felderung dieses abweichenden ‚ Weibchens ist auf Fig. 4 abgebildet. Zwischen den normalen, kleinen ‚ und vereinzelt zerstreuten Areolen (ka), die für die weitaus meisten ‚ weiblichen Individuen von Gordius tolosanus charakteristisch sind, treten 1 Ricerche intorno alle specie italiane del genere Gordius. AttiR,. Acad, Scienze Torino. Vol. XXII, (1886) 4887. Fig. 47. 190 ‚Franz Vejdovsky, größere Gebilde hervor, welche durch ihre dunklere Färbung die Auf- merksamkeit des Beobachters sofort auf sich lenken. Es sind meist - sechsseitige zu zwei vorkommende Areolen (ga), die in sehr vielen Fäl- len gänzlich zusammenfließen, seltener durch eine schmale farblose Furche von einander getrennt sind. Meist sind diese Doppelareolen von ungleicher Größe und in der Vertiefung zwischen beiden Gebilden befindet sich die äußere Mündung der Porenkanälchen, welche auf der Oberfläche als ein glänzendes, kreisförmiges Feldehen mit centraler Öffnung erscheint. Von hier aus verlaufen mehr oder weniger regel- mäßige Radien, wodurch die Areolen auf der Oberfläche wie zerfurcht erscheinen. Bei tieferer Einstellung sieht man die durch das Ausein- andertreten der Cuticularfasern verursachten Kreuzchen (Fig. 2 pa), wie ich dieselben bereits in meiner ersten Arbeit dargestellt habe, und wie neuerdings von CamerAno! bestätigt wurde. Der genannte Forscher hat die Kreuzchen vornehmlich bei Gordius tricuspidatus beobachtet, be- merkt aber, dass sie bei allen Arten vorkommen. Es ist mir nur auf- fallend, dass die Stellung der beiderseitigen Achsen der Kreuzchen bei Gordius tricuspidatus, wie sie CAmErAnNo (l. c. Fig. 1, 2) darstellt, eine andere ist, als bei Gordius tolosanus und Preslii, wo die Achsen .der Kreuzchen in sehr schiefer Stellung zu einander sich befinden, wäh- rend die von Gordius tricuspidatus beinahe vertikal sich durchschnei- den. Ich muss diese Thatsache um so mehr hervorheben, da der Ver- lauf beider Fasersysteme der Subecuticula bei der letztgenannten Art ein anderer als bei den übrigen Gordiiden sein müsste, falls die Dar- stellung CAMERANo’S richtig ist. Bei der erwähnten abweichenden Form von Gordius tolosanus © befinden sich nun die Porenkanälchen nicht nur in der Vertiefung zwi- schen beiden Areolen, sondern auch zwischen den kleineren Feldchen, so dass in dieser Hinsicht auch hier keine Regel eben so wie bei den Männchen derselben Art gültig ist. Die vergrößerten Doppelareolen fehlen bloß in der medialen Bauchlinie, dort nämlich, wo der Bauchstrang verläuft. Nach der Struktur der Guticula könnte man also leicht dafür halten, dass man es in dem geschilderten Exemplare mit einer anderen Art, als Gordius tolosanus, zu thun hat; die übrigen Organisationsverhältnisse desselben lassen aber eine derartige Auffassung nicht zu. Es ist nun ersichtlich, dass die eutieularen Areolen der Weibchen sowohl in der Vertheilung als Gestalt einer bedeutenden Variation unterliegen können und sich im Großen und Ganzen den Verhältnissen anschließen, die 1 Nota intorno alla struttura della cuticula del Gordius tricuspidatus (L. Duf.). Boll. Mus. Zool. Anat. Comp. Universita Torino. Vol. II 4887. Studien über Gordiiden. II. 191 beı den Männchen derselben Art seit lange bekannt sind. Wie oben bemerkt, habe ich den letzteren bisher keine eingehendere Aufmerk- samkeit widmen können und berufe mich desshalb auf das bereits Mitgetheilte. Vergleicht man die Abbildungen der Cuticularfelderung von Gordius tolosanus G', zum Beispiel nur diejenigen, welche Rosa !, CanE- RANO ? und ich ? geliefert haben, so muss es auffallen, wie bedeutend dieselben von einander abweichen. Ich bilde fünf- bis sechslappige geschlossene Rosetten ab und so erscheinen die großen verschmolzenen Areolen bei allen Exemplaren, die ich aus Bechowie erhalten habe. Wie verschieden davon ist die Abbildung von Rosı und diejenige von CAMERANO, so dass man leicht glauben könnte, dass man nach meiner Darstellung es mit einer anderen Art zu thun habe. Thatsächlich aber sehen wir hier nur die Variabilität in der Gruppirung der größe- ren Areolen bei Männchen. Dasselbe wird sich wohl, wenn auch nicht so häufig, bei den Weibchen wiederholen und ich meine, dass einige Arten, welche als selbständig betrachtet werden, nichts Anderes als in der äußeren Cuticularverzierung variirende Individuen von Gordius tolosanus vorstellen. Vornehmlich ist es Gordius pustulosus ; unter diesem Namen beschrieb Baırn eine Art, die ihm nur in einem einzigen Exem- plare vorlag und deren Cuticula in derselben Art und Weise mit eroßen Doppelareolen versehen war, wie bei der von uns geschilderten Form. Erst neuerdings ist »Gordius pustulosus« wieder von VıiLLor! gesehen worden, und zwar ebenfalls nur in einem weiblichen Exem- plare, wovon er eine Beschreibung des Wurmes, sowie einige Abbil- dungen des Vorder- und Hinterkörpers, der Cuticula ete. liefert. Was die Areolen der Cuticula anbelangt, so scheint mir die Abbildung von Vırzor allzu schematisch, als dass ich die von demselben und mir unter- suchte Form beurtheilen könnte. Der Vorderkörper von »Gordius pustu- losus« scheint etwas mehr zugespitzt, im Wesentlichen aber weicht er nicht von dem des Gordius tolosanus ab. VırLor weiß keinen anderen Grund für Gordius pustulosus anzuführen, als die Form des Hinter- körpers, welcher sich ganz anders gestalten soll als derjenige von Gor- dius tolosanus; hier ist derselbe kreisförmig, dort »subpentagonal« — ein gewiss schwacher Speciescharakter. Bei Gordius tolosanus @ ist das Hinterende des Körpers äußerst variabel; man braucht nur die Abbildung in meiner ersten Arbeit (l. e. Taf. XV, Fig. 9) mit der jetzigen 1 Nota intorno al Gordius Villoti e al Gordius tolosanus. Atti Acad. Sc. Torino. Vol. XVII. 1882. Fig. 3. 2.Ricerche etc. Fig. 48. Else Harı XV, Fig. 13. * Revision des Gordiens. Ann. Sc. nat. 7e Serie. T, I. 1886. 192 Franz Vejdovsky, (Fig. %) zu vergleichen. Ich habe neuerdings zahlreiche Individuen in dieser Hinsicht verglichen und gefunden, dass man selten zwei Indi- viduen zu Gesicht bekommt, die übereinstimmen würden. Vıirror konnte sich demnach seine Bemerkung ersparen, die er zu meiner oben eitirten Abbildung macht: »lextremite posterieure de la femelle a &t& faite probablement d’apres un individu difforme«. Ich habe ferner den Hinterkörper von Gordius iolosanus Q auch von der Bauchseite abge- bildet und verweise auf den Unterschied in dessen Form im Vergleich mit der Abbildung von Ross (l. ce. Fig. 5). Nach Baırp und Vırıor ist ferner für Gordius pustulosus eine Ringe- lung der äußeren Cuticula charakteristisch; leider aber erfahren wir nicht, wodurch dieselbe verursacht wird. Es ist möglich, dass hier die Areolenreihen bedeutender von einander entfernt sind, als wir dies für einzelne Individuen von Gordius tolosanus hervorgehoben haben. Bei der von mir untersuchten Form mit großen Doppelareolen findet man keine äußere Ringelung, die somit auf die Bezeichnung »Gordius pustu- losus« keine Ansprüche machen kann. Ä Mit der Art und Weise, wie Vırzor die Gordiidenspecies zu behan- deln versucht, kann ich überhaupt nicht übereinstimmen; auf der einen Seite stellt er Arten nach einem einzigen Exemplare auf, andererseits glaubt er aber die von anderen Forschern gut charakterisirte Species mit den älteren identificiren zu können. So ist es mit dem von mir in der ersten Arbeit aufgestellten Gordius Presslü der Fall, den ich ge- wiss nur nach reifem Überlegen, und nachdem ich 84 sowohl in der äußeren Gestalt als in der inneren Organisation übereinstimmende Exemplare vergleichen konnte, als eine selbständige Art in die Wissen- schaft eingeführt habe. Ohne aber einen einzigen Grund anzuführen, proklamirt Vıror Gordius Pressliü für ein Entwicklungsstadium (!) von Gordius violaceus. Das hat Camerano !, der die in Rede stehende Art in denselben Gestalts- und Organisationsverhältnissen wie ich”? auch in Italien entdeckte, richtig zurückgewiesen, indem er hervorhebt, dass ein Gordius mit gefülltem Receptaculum, mit Eibehältern und Samenleitern kein Entwicklungsstadium vorstellen kann. Man braucht übrigens nur die Abbildungen, welche Vırror (l. c.) von Gordius viola- ceus liefert, mit den meinigen und Camerano’s von Gordius Pressliil zu 1 Osservazioni sui caratteri diagnostici dei Gordius e sopra alcune Specie di Gordius d’Europa. — Bolletino Mus. Zool. Anat. Comp. Universita Torino. Vol. I. 41887. — Ricerche intorno alle spec. italian. del Gordiusl. c. 2 Irrthümlich habe ich die Länge der cuticularen Börstchen von Gordius Presslii 0,006 mm angegeben. Sie sind noch kürzer als CAMERANO (0,004 mm) an- giebt. Studien über Gordiiden. II. 193 vergleichen, um sich zu überzeugen, wie Vırzor den Artbegriff von Gordius behandelt. 2) Das Cölom sämmtlicher (16) in Bezug auf die Eierstöcke unter- suchter Weibchen war sehr mächtig entwickelt und in keinem Falle mit dem sog. Zellgewebe in der vorderen und mittleren Körperregion erfüllt; überall wurde die Muskelschicht des Leibesschlauches mit einem peritonealen einschichtigen Epithel ausgekleidet (Fig. 7, 9, 10 pt). Nur der hintere Theil der Leibeshöhle, wo die Ausführungsgänge der weiblichen Geschlechtsorgane gelagert sind, war mit dem gewöhnlichen Zellgewebe erfüllt (Fig. 11). Bei keinem einzigen Individuum fand ich die Elemente des Peri- tonealepithels in Theilung begriffen, woraus man folgern kann, dass zur Zeit der Geschlechtsdrüsenentwicklung und der Produktion der Eier die Vermehrung der Peritonealelemente, d. h. die Bildung des Zellge- webes nicht stattfindet. Als eine Eigenthümlichkeit der Peritonealzellen muss ich ein Ge- bilde hervorheben, das neben dem Kerne in der Zellsubstanz hervor- tritt und in jeder Zelle, namentlich an Flächenpräparaten ohne größere Schwierigkeiten zu finden ist. Die Kernsubstanz, namentlich die Nucleinkörperchen und das Gerüst färben sich im Pikrokarmin intensiv roth und somit treten die Kerne in dem hyalinen Zellinhalte sehr schön hervor (Fig. 14 k). Das erwähnte Körperchen färbt sich aber nur schwach rosaroth, so dass es nur bei stärkeren Vergrößerungen auffallend ist; einmal aber sichergestellt, lässt es sich ohne Schwierigkeiten und auch bei schwachen Vergrößerungen in jeder Zelle des Peritoneums konsta- tiren (Fig. 14 x). Seine äußeren Umrisse sind unregelmäßig, meist lappenförmig, der Inhalt fast homogen, nicht gekörnelt, nach außen ohne schärfere Umrisse; seine Größe 0,003—0,005 mm. Überhaupt macht das Gebilde den Eindruck eines Wölkchens, welches bald in der Nähe, bald weiter vom Kerne entfernt sich befindet. ich habe vernachlässigt die peritoneale Umhüllung der Leibes- höhle auch im lebenden Zustande zu untersuchen, um mich von der Beschaffenheit der geschilderten Körperchen auch in lebenden Zellen zu überzeugen; eigentlich wurde ich erst durch die gefärbten Präpa- rate auf das Vorhandensein derselben aufmerksam gemacht, zu welcher Zeit ich aber über lebendes Material nicht mehr verfügte. Somit kann ich mich über die Bedeutung des Körperchens nicht äußern; allem An- schein nach ist es eine verdichtete Partie der Zellsubstanz. Die Mesenterien entstehen einzig und allein aus dem Peritoneum (Fig. 9, 10 ms), d. h. sie sind eine bloße Fortsetzung des modifieirten ‚ Epithels. Sie umschließen von rechts und links den medianen Peri- 194 Franz Vejdovsky, intestinalraum, oder den Exkretionskanal, wie ich bereits in meiner Arbeit dargestellt habe. In dem letzteren kann man die Exkretionssub- stanz in der Form einer bräunlichen, feinkörnigen Masse wahrnehmen, welche an allen Stellen der Mesenterienwandungen anliegt (Fig. 9 ex). Nirgends dringen die Elemente des peritonealen Epithels zwischen die Muskelelemente des Leibesschlauches ein, vielmehr trennt -sich das Peritoneum in den mit Reagentien behandelten Würmern faltenförmig von der Muskelschicht los. 3) Bezüglich des Nervensystems habe ich zu dem in der ersten Arbeit Mitgetheilten einige den feineren Bau desselben betreffende Zu- sätze nachzutragen. Es handelt sich in erster Reihe um das Ver- hältnis der Ganglienzellen zu der sog. Punktsubstanz. In meiner ersten Arbeit habe ich gezeigt, dass die Ganglienzellen nur den unteren Theil des Bauchstranges einnehmen, und dass einige (zwei bis vier) von ihnen ihre Fortsätze in die Punktsubstanz entsenden. Bei Gordius Presslü habe ich aber auch über quere Kommissuren berichtet, welche an eini- gen Querschnitten in der Punktsubstanz hervortreten. Über den Ur- sprung der letzteren konnte ich aber keine Aufschlüsse geben. Betrachtet man nun eine Serie der feinen Querschnitte durch den Bauchstrang von Gordius tolosanus, so treten die Ganglienzellen in den oben erwähnten Gestalts- und Lageverhältnissen an allen hinter ein- ander folgenden Präparaten hervor. An einer Reihe von Querschnitten (zwei bis drei), welche hinter einander folgen, kommen keine Querkommissuren in der Punktsub- stanz zum Vorschein. Der nächstfolgende Schnitt (Fig. 15) zeigt aber, dass zu beiden Seiten desselben je eine Ganglienzelle liegt, die ihren Fortsatz gegen die Punktsubstanz entsendet; die beiderseitigen Fort- sätze verschmelzen und bilden die oben erwähnte Querkommissur. Dieselbe wiederholt sich immer nach einer Reihe von Querschnitten, die der Querkommissur entbehren, und so können wir annehmen, dass die seitlichen Ganglienzellen sammt den Querkommissuren nach einer bestimmten Regel sich im Bauchstrange wiederholen, eine Thatsache, welche für die Morphologie der Gordiiden von Bedeutung ist, zumal wir bereits wissen, dass die Ovarien segmentweise in der Leibeshöhle angeordnet sind. ; Noch deutlicher treten diese Verhältnisse in der gangliösen An- schwellung des Bauchstranges in der hintersten Körperregion auf. In Fig. 16 und 17 sehen wir zwei hinter einander folgende Querschnitte der besagten Anschwellung, in welcher die Ganglienzellen nicht nur die untere Fläche, sondern auch die Seitentheile bogenförmig einnehmen, In Fig. 16 erscheint keine Querkommissur, die dagegen auf Fig. 17 sehr EEE pen en Studien über Gordiiden. II. 195 deutlich zum Vorschein kommt. Die feinere Struktur der Ganglienzel- lenfortsätze, sowie der Querkommissuren, lassen sich nicht mit der ge- wünschten Genauigkeit ermitteln. Das peripherische Nervensystem der Gordiiden habe ich in meiner ersten Arbeit in der sog. neuralen Lamelle erkannt zu haben geglaubt. An dem günstigeren Material, das mir neuerdings zu Gebote steht, muss ich diese Angabe berichtigen, indem ich erkenne, dass an einzelnen Querschnitten keine »Lamelle« erscheint (Fig. 17), welche zwischen dem Bauchstrang und der Hypodermis hinziehen sollte. Namentlich an feinen Querschnitten durch das »Schwanzganglion« wiederholen sich derartige Bilder öfters als an dem Bauchstrange der übrigen Körper- 'theile. Somit ist anzunehmen, dass das periphere Nervensystem nicht durch eine kontinuirliche Medianlamelle, sondern durch vereinzelte, dicht hinter einander folgende Nervenstiele repräsentirt ist. Über den Ursprung dieser Nerven geben die Querschnitte keinen verlässlichen Aufschluss; gelingt es aber die medialen vertikalen Längsschnitte durch den Bauchstrang herzustellen, wie es Fig. 18 veranschaulicht, dann ' kann man das Verhältnis der peripheren Nerven (nf) zu dem Bauch- “ strange ermitteln. Einzelne Ganglienzellen (gz) entsenden ihre Fort- sätze gegen die Hypodermis, eingeschlossen in eine homogene scheiden- artige Membran, die sich als eine Fortsetzung der kapselartigen Um- | hüllung der Ganglienzellen verräth. Die eben geschilderten Verhältnisse des peripheren Nervensystems waren übrigens bereits Vırror! bekannt, der sich darüber folgender- ‘ maßen ausspricht: »les fibres du plexus ventral ne sont autre chose que le prolongements d’une partie des cellules du cordon ventral, et que ces prolongements se continuent dans !’'hypoderme«. Die Abbil- dung aber, welche VırLor von dem ventralen Nervenplexus liefert, ist nur schematisch und unrichtig (l. ec. Pl. IV, Fig. 9); von den Kernen, die der genannte Autor an jedem Ganglienzellfortsatze zeichnet, kann keine Rede sein. Schließlich erlaube ich mir einige Bemerkungen über die sog. Punktsubstanz im Allgemeinen anzuknüpfen; ich habe dieselbe früher als »Fibrillen- oder Fasersubstanz« bezeichnet, während sie neuerdings unter eben so verschiedenen Namen angeführt wird, als es Ansichten giebt, die sich über deren Ursprung und Bedeutung hören lassen. Ich führe von den letzteren nur einige an, da ich hoffe in meinem dem- ' nächst erscheinenden Buche über die Entwicklungsgeschichte der Oligo- ‚ chäten dieser Frage ein besonderes Kapitel widmen zu können. ! Nouv.rech, s. l’organis. et le develop. des Gordiens. Ann, Sc.nat, 6° Ser..p. 27. Zeitschrift f.wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 44 196 ‚Franz Vejdovsky, Die »Punktsubstanz« ist neuerdings vornehmlich an Mollusken und Würmern untersucht worden. B. Harzer ! und Rawırz? berichten über die fragliche Substanz der Mollusken (Rhipidoglossen und Acephalen), Ronupe? über die der Polychäten. Der erstgenannte Autor bezeichnet die Leynie’sche Punktsubstanz als »eentrales Nervennetz« und giebt über deren Ursprung an, dass die Fortsätze der Ganglienzellen sich innerhalb des Gentralnervensystems in die feinsten Endäste auflösen und zu einem Netze, welches polyedrische Maschen bildet, zusammentreten. Nach dem Vorgange Dirrr’s nennt Rawırz die uns beschäftigende Ner- venmasse »Marksubstanz«, welche nach diesem Autor gebildet wird: a) »von dem centralen Nervennetz, welches durch die Verflechtung der Theilungsprodukte der Markfortsätze (der multipolaren Zellen) entsteht«, b) »von den Nervenfibrillen, welche sich aus den Maschen des Nerven- netzes bilden« {?), c)»von einer dem Nervenmark der Wirbelthiere ähnlichen, die charakteristischen Myelinformen bildenden Substanz, welche die Fäden des Netzes und die Fibrillen von einander isolirt«. Nach Ronpe soll man die »Punktsubstanz« als » Gentralsubstanz« bezeichnen und behauptet der genannte Autor, dass dieselbe durch die pinselförmige Auflösung der Fortsätze aller Ganglienzellen entsteht; dadurch gehen die Fortsätze in die feinsten Fibrillen über, welche aber nicht mit einander anastomosiren. Ich habe dieser Frage vornehmlich in entwicklungsgeschichtlicher Beziehung meine volle Aufmerksamkeit geschenkt und muss zunächst meine frühere Bezeichnung der fraglichen Nervenmasse als »Fibrillen- oder Fasersubstanz« aufgeben, da ich mich überzeugt habe, dass man es hier thatsächlich mit einem Netze zu thun habe. Ich möchte dem- nach künftighin diese Substanz als »neurales Reticulum« oder einfach als »Nervennetz« bezeichnen. Die histologischen Verhältnisse des Molluskennervensystems, namentlich aber dessen Entwicklung und Differenzirung zu Ganglienzellen und Reticulum, sind mir nicht näher bekannt, und ich kann mich demnach über die Richtigkeit der Angaben B. Haırzer’s und Rawırz’ nicht aussprechen; glaube aber so viel mit Sicherheit annehmen zu dürfen, dass das neurale Reticulum der Mol- lusken, Würmer und Arthropoden durchaus homologe Gewebe vor- stellt. Was die Chätopoden anbelangt, so muss ich von vorn herein die Auffassung Ronpe’s, nach welcher die »Fibrillen der Gentralsubstanz« nieht unter einander anastomosiren, zurück weisen. 1 Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. Morph. Jahrb. 1886. 2 Das centrale Nervensystem der Acephalen. Jenaische Zeitschr. 1887. p. 423, 3 Hist. Untersuchungen über das Nervensyst. der Chätopoden. Zool. Beiträge. Bd. II.. 41887, . Studien über Gordiiden. II. 197 Es ist gewiss, dass das neurale Reticulum bisher nur am vollstän- dig entwickelten Nervensystem untersucht wurde, wobei höchst wahr- scheinlich die ersten Anlagen desselben nicht einmal näher berück- sichtigt wurden; somit glaube ich, dass die Untersuchung des neuralen Retieulums nicht mit genügender Kritik vorgenommen wurde. Man muss sich nämlich zunächst vergegenwärtigen, dass die ersten Ganglienan- lagen des Centralnervensystems, z. B. der Annulaten, aus einer viel größeren Anzahl der nicht differenzirten Nervenzellen bestehen, als die- selben in Form von Ganglienzellen in den vollständig entwickelten Gan- glien vorkommen. Man braucht nur die diesbezüglichen entwicklungs- geschichtlichen Arbeiten über das Nervensystem des Regenwurmes von KowaLevskv, Bucinsky etc. mit den histologischen von CLAPAREDE etc. zu vergleichen, um sich in der angegebenen Richtung zu unterrichten. Wenn also in den vollständig differenzirten Ganglien eine viel geringere Anzahl der Ganglienzellen vorhanden ist als in den früheren Ganglien- - anlagen, noch bevor sich die ursprünglichen Elemente zu echten Ner- ı venzellen zu differenziren beginnen, so muss man die Frage aufwerfen, welche Metamorphose die in den ersterwähnten Ganglien nicht mehr vorhandenen Zellen erfahren haben? Ich habe diese Frage bereits in meinem Werke, »System und Mor- phologie der Oligochäten« (p. 93), kurz berührt und angegeben, dass sich an der Bildung des neuralen Reticulums in jeder Bauchstrangs- ' hälfte vier obere Zellreihen betheiligen. Die ursprünglichen Nerven- ‘ zellen »sind bedeutend angeschwollen, ihr Protoplasma wird grobkör- niger, die Zellmembran wird allmählich resorbirt« ete. Kurz und gut, ich betone mit Nachdruck, dass das neurale Reticulum unabhängig von ‘ den unteren und seitlichen Ganglienzellen entsteht, welche letzteren freilich noch ihre Fortsätze in dasselbe entsenden können, wie ich es auf Taf. XIV, Fig. 16 (l. c.) von Dendrobaena (nicht von Dendrocoelum, wie irrthümlich Ronpe anführt) abbilde. Für Rorpe ist diese meine „Ansicht eine höchst merkwürdige und ihm nicht recht klar gewordene«. Ferner sagt er (l. c. p. 22): »Welche Bedeutung die centralen, längs verlaufenden, der fibrillären Leynıe’schen Punktsubstanz entsprechen- den Nervenfibrillen, welche außer jeden Zusammenhanges mit den Ganglienzellfortsätzen stehen und sich in ihrem histologischen Verhal- ten wesentlich von diesen unterscheiden, im Nervensystem nach VrJ- ‚ Doysky haben sollen, ist mir vollständig unklar.« Meiner Ansicht nach ‚ wäre es dagegen viel vortheilhafter, wenn sich der Zurechtweisende ‚ nicht über die Bedeutung der Dinge ausgesprochen hätte, welche an sich selbst so schwierig zu ermitteln sind und über welche er offenbar keine klare Vorstellung zu haben scheint. Doch betrachte ich es als 14% 198 Franz Vejdovsky, überflüssig mich an dieser Stelle in eine Polemik einzulassen und will lieber einige Mittheilungen über den Ursprung des neuralen Reticulums machen. Ich habe, wie gesagt, mich mit dieser eben so wichtigen als inter- essanten Frage eine längere Zeit befasst und die Resultate meiner Be- obachtungen bereits vorläufig in einem kurzen, böhmisch geschriebenen Aufsatze! niedergelegt. Um der weiteren Konfusion in der Auffassung des neuralen Reticulums ein Ende zu machen, theile ich aus der eitir- ten Arbeit Nachfolgendes mit: Bei den Oligochaeten (Rhynchelmis und Lumbriciden) betheiligen sich an der Bildung des fraglichen Nervengewebes in jeder Bauch- strangshälfte je vier obere Zellreihen der ursprünglichen Ganglienan- lagen. Unter gleichzeitiger Vergrößerung der Zellen resorbiren sich die Zellmembranen sämmtlicher acht Zellen (nach den Querschnitten beurtheilt) und es entsteht in jeder Ganglienhälfte ein Syneytium mit je vier Kernen. Die letzteren verlieren ebenfalls ihre Membranen und schwellen bedeutend an, so dass die hinter einander regelmäßig ange- ordneten Kerne sich berühren. Die Anschwellung der Kernsubstanz schreitet fort, die Nucleolen resorbiren sich und das Kernreticulum tritt sehr schön hervor. Das die Kerne umgebende Cytoplasma gestaltet sich Anfangs als ein breiter hyaliner Hof, in welchem die Fäden des Gerüstes nur undeutlich zum Vorschein kommen. Mit dem fortschrei- tenden Wachsthum des Kernnetzes wird der umliegende Plasmahof nach und nach undeutlicher und später sogar nur schwierig nachweis- bar, während die Fasern der Reticula der hinter einander folgenden Kerne verschmelzen. Schließlich fließen die oberen zwei Reihen der Kernnetze zusammen, und das neurale Reticulum liegt fertig vor. Das- selbe erscheint dann an den Querschnitten jeder Ganglienhälfte in Form von je drei netzartigen Feldern, zwei unteren (einem äußeren und einem inneren) und einem oberen, welches das größte ist, da es der Verschmelzung zweier Kernreihen seinen Ursprung verdankt. Die unteren Felder sind von dem oberen durch das Cytoplasma geschieden und gerade hier können die Fortsätze der Ganglienzellen der rechten und linken Ganglienhälfte verlaufen, um die Querkommissuren zu bil- den. Auf der tibrigen Peripherie des neuralen Reticulums tritt das Cytoplasma, wie erwähnt, in äußerst spärlicher Menge hervor, viel deutlicher dagegen in den peripheren Nerven, und zwar als eine äußere i Vyvoj a morfologicky vyznam t. zv. fibrilläre Punktsubstanz (Die Entwick- lung und morphologische Bedeutung der sog. »fibrillären Substanz«). Sitzungsber. kön. böhm. Gesellsch, Wiss. Prag. 1887. 44, Jänner. Studien über Gordiiden. II. 199 hyaline Schicht, während die Achsensubstanz dieser Nerven aus dem neuralen Reticulum besteht. Eine eingehendere, mit Abbildungen begleitete Schilderung dieses, für die morphologische und physiologische Bedeutung höchst wichtigen Gewebes werde ich erst in einer späteren Arbeit liefern können. Im Bauchstrange der Gordiiden lässt sich nicht mit Sicherheit be- stimmen, welche Anzahl der ursprünglichen Neuralzellen sich an der Bildung des Reticulums betheiligte ; um die netzförmige Natur des letz- teren sicherzustellen, muss man die Würmer mit einer Chrom-Essig- säuremischung behandeln und zur Untersuchung des genannten Ge- webes äußerst feine Querschnitte wählen. Die allgemeine Beschaffenheit des Leibesschlauches der Gordiiden bringt es mit sich, dass der Bauchstrang einer elastischen Stütze — des Neurochords — entbehrt. Unter dem letztangeführten Namen habe ich bekanntlich bei den meisten Oligochäten einen Apparat beschrie- ben, der früher meist als kolossale Nervenfasern aufgefasst wurde. Meine Deutung des in Rede stehenden Organes stößt indessen auf starke Opposition von Seiten Leyvic’s!, der seine ursprüngliche Auf- fassung dieser Organe als Nervenfasern durch einige neue histologische Thatsachen aufrecht zu erhalten versucht. Ich habe bisher auf die Dar- stellung Leynie’s nicht erwiedern wollen, da ich die zu gleicher Zeit angekündigte Arbeit Ronpe's® über die kolossalen Nervenfasern der Polychäten abzuwarten beabsichtigte. Nun ist die letztere in vollem Inhalte erschienen; doch nach den hier mitgetheilten Thatsachen finde ich durchaus keinen Anlass, meine Auffassung des in Rede stehenden Organes als Neurochord aufzugeben, sondern erhalte dieselbe um so mehr aufrecht, als ich nicht nur die Entwicklung, sondern auch die physiologische Funktion desselben genau kenne. Es ist selbstver- ständlich, dass das Organ innervirt sein muss, da ihm eine höchst wichtige Funktion zugetheilt ist. Die Innervirung geschieht durch eine - große Anzahl langer, zur Bildung eines Nerven zusammenfließender ' Fortsätze besonderer Ganglienzellen. In dieser Beziehung kann ich die ‚ Angaben Rnonr’s bestätigen, ja dieselben auch dahin ergänzen, dass die von ihm als »merkwürdige Nervenelemente« beschriebenen Gebilde, , welche er auf Fig. 84 a—d mit x bezeichnet, Öffnungen, beziehungsweise ‚ durchgeschnittene Löcher darstellen, durch welche die Ganglienzellfort- sätze in die Neurochordröhren eintreten. Die letzteren selbst sind aber keinesfalls nervöser Natur, sie haben ihr eigenes Cytoplasmareticulum | 1 Die riesigen Nervenröhren im Bauchmark der Ringelwürmer. Zool. Anzeiger ‚ 4886. Nr. 234, p. 591. 2:lsie. 300 - Franz Vejdovsky, und Wandungen, an denen die Kerne (wie dieselben Roupe richtig ab- bildet) der ursprünglichen Zellen vorhanden sind; aus diesen Zellen sind nämlich die Neurochordröhren entstanden. An dieser Stelle vermag ich übrigens auf die Struktur und Ent- stehung dieser interessanten Gebilde nicht näher einzugehen und muss dasselbe einer späteren Gelegenheit überlassen. Dagegen erlaube ich mir nur noch Nachfolgendes zu bemerken: Wer einmal die Wirkung des Neurochords während der Kontraktion des Wurmes im lebenden Zustande gesehen hat, dem wird gewiss niemals einfallen, die Neuro- chordröhren für »kolossale Nervenfasern« etc. zu halten. Es ist mir nicht bekannt, dass es irgend einem Forscher gelang, diese Funktion zu beobachten, und ich theile demnach das von mir an jungen Rhynchelmis Wahrgenommene in aller Kürze mit. Bei der Kontraktion des Wurm- körpers ziehen sich auch die Bauchstrangsganglien zusammen, was sich auch am Neurochord kund giebt. Das letztere besteht bekanntlich aus drei Röhren, einer mittleren und zwei seitlichen. Die erstere macht nun bei der Kontraktion schraubenförmige Windungen von rechts nach links, während die seitlichen Röhren sich in umgekehrter Richtung, von links nach rechts, ebenfalls schraubenförmig winden. Der Mechanismus der Röhren lehrt also, dass die Zusammenziehung des Bauchstranges nur bis zu einem gewissen Grade gehen kann, und dass die gegenseitige Wirkung der mittleren Röhre einerseits und der seitlichen andererseits die plötzliche Zusammenziehung nicht nur des Bauchstranges, sondern vielleicht auch des allzu kontraktilen Körpers von Rhynchelmis ver- hütet. 4) Jetzt komme ich zu dem eigentlichen Gegenstand meiner Beob- achtungen, nämlich zur Darstellung des weiblichen Geschlechtsappara- tes von Gordius tolosanus. Die jüngsten Eierstöcke fand ich bei dem oben erwähnten Exemplare von 8 cm Länge, dessen Receptaculum bis- her leer war, wobei die Wandungen des letzteren in Falten zusammen- gelegt erschienen. Die vordersten Eierstöcke beginnen etwa in der Region, wo der Darmkanal aus der centralen Lage in der Leibeshöhle sich zur Bauchseite begiebt (Fig. 3), erscheinen als unbedeutende Läpp- chen zu beiden Seiten der Mesenterien (Fig. 6 ov) und wiederholen sich paarweise dicht hinter einander, allmählich an Größe zunehmend. Diese Größenzunahme manifestirt sich vielleicht nicht so sehr in der Differenzirung der Elemente, als vielmehr dadurch, dass die letzteren sich bedeutend vermehren und an der Oberfläche der Eierstöcke als lappenförmige Anhänge erscheinen; Die Struktur der jüngsten Eierstöcke ist ziemlich schwierig zu er- mitteln, da sich das Plasma der jüngsten und kleinsten Eizellen fast Studien über Gordiiden. Il. 201 eben so intensiv färbt, wie die Kernsubstanz. Die Kerne zeichnen sich nur durch ihren starken Glanz aus. Man muss desshalb zur Ermittelung . dieser Verhältnisse die feinsten Schnitte wählen, um die Struktur der jüngsten Eizellen zu erkennen. Auf stärkeren Schnitten scheint es, als ob in dem gemeinschaftlichen granulösen Protoplasma mehrere Kerne eingebettet seien, was sich aber an günstigeren Präparaten als unrichtig herausstellt. Thatsächlich hat man es in den jüngsten Eierstöcken mit gesonderten Zellen zu thun, die einen runden, scharf kontourirten Kern besitzen. Die feinere Struktur des Kerngerüstes und des sog. Nucleo- lus! sind nicht näher zu ermitteln. Für die jüngsten Eierstöcke ist also charakteristisch: der Mangel an Seitenlappen und Eierstockshöhle. Die älteren Stadien der Ovarien sind schon leichter zu finden: nicht nur in den älteren Würmern, als das eben geschilderte Stadium, sondern auch in den die Eier bereits producirenden Weibchen, in denen die Eierstöcke nicht auf gleicher Stufe der Entwicklung sich befinden. Während nämlich bei solchen Individuen die einen Ovarien be- reits eine Masse der Eier producirt haben, bleiben die anderen Eier- stöcke in der Eibildung weit zurück und stehen bisher in dem Sta- dium der Sterilität. Schließlich kommen sehr oft Fälle zu Gesicht, dass die Eierstöcke der einen Körperseite, bald der ganzen Länge nach, bald nur an kurzen Strecken eine Zeit lang unthätig sind, während die Ele- mente der anderen Körperseite gewaltig zu Eiern wuchern und eine Unzahl derselben produeiren (Fig. 10, 7). Derartiges Verhalten der Eierstöcke manifestirt sich, wie wir unten näher darstellen wollen, be- sonders an der Gestalt der Eibehälter. Die älteren Ovarien (als die oben geschilderten) gestalten sich als läppenförmige Gebilde und jeder Lappen hat, da er aus gleichwerthigen Zellen besteht, eine traubenförmige Gestalt (Fig. 7 ovl, Fig. 8). In die- sem Stadium sind die Eierstöcke nicht mehr solid, sondern hohl, wie man sich an den geeigneten, sehr feinen Querschnitten am verlässlich- sten überzeugen kann. Derartige Schnitte zeigen auch, dass die Eier- stockshöhle mit dem Lumen der Eibehälter direkt kommunicirt, indem die Wandungen der letzteren als Fortsetzungen des Eierstocksepithels sich erweisen. Ein durchgeschnittener Eierstock (Fig. 7) hat die Gestalt eines 1 Das unter diesem Namen bekannte Gebilde erweist sich an den entwickelten Eiern von Rhynchelmis als ein Knäuel, welcher in eine dickwandige poröse Hülle eingeschlossen ist. Meist trifft man in einem Ei zwei derartige Gebilde, aber auch drei und vier, die sämmtlich durch Theilung des ursprünglichen strukturlosen »Nucleolus« entstanden. 202 Franz Vejdovsky, Fächers mit acht bis zwölf, aber auch mehreren oder wenigeren Lappen, von denen die meisten hohl sind, andere dagegen sich noch als solide Auswüchse der ursprünglichen Ovarialanlage ergeben. Die Wandun- gen dieser Lappen bestehen aus gleichwerthigen Epithelzellen (Fig. 8), die ein feinkörniges, intensiv sich färbendes Plasma und einen scharf kontourirten, runden Kern mit einen »Nucleolus« besitzen. In diesen Gestaltsverhältnissen befinden sich die Ovarien zur Zeit, wo sie bisher keine, oder nur wenige Eier produeiren, d. h. wo die Epithelzellen, aus denen die Lappen bestehen, sich noch nicht zu Eiern differenzirt haben. Die Eibildung selbst findet aber nicht in sämmt- lichen Lappen statt, sondern nur in einigen wenigen, gewöhnlich in vier bis sechs, so dass die mit reifen Eiern erfüllten Ovarien nur mit wenigen deutlichen Lappen versehen sind, während die nicht thätigen Lappen als mehr oder weniger deutliche und meist solide Seitenzweige erscheinen. Möglicherweise kommen auch diese Lappen zur Thätigkeit, nachdem nämlich die zuerst geschilderten Lappen ihre Funktion be- endet haben; es ist aber auch möglich, dass einzelne Lappen überhaupt steril bleiben, da an den mit Eiern vollgepfropften Ovarialschläuchen nicht selten kleine, zellige Anhänge zum Vorschein kommen (Fig. 9 ov/), an denen Spuren einer eintretenden Degeneration wahrzunehmen sind. Die Eibildung ist allen Umständen nach sehr einfach; einzelne Epithelzellen der Ovariallappen wachsen bedeutender heran, indem ihr Protoplasma sich zu Dotterkörnchen modifieirt, während der Kern sich unbedeutend vergrößert. Die Umwandlung der Epithelzellen zu Eiern muss aber sehr rasch vor sich gehen, da ich an meinen zahl- reichen Präparaten die jüngsten Stadien bereits in fortgeschrittener Entwicklung besitze. Ferner ist es auffallend, dass die ersten, in der Entwicklung begriffenen Eier nicht nach außen, d. h. richt in die Leibeshöhle fallen, sondern in die Höhlung der Eierstockslappen zu liegen kommen. Die jüngsten derartigen Stadien, wenn sie sich frei im Lumen der Lappen befinden (Fig. 7 0’), haben eine tropfenförmige, ellipsoidische, oder überhaupt sehr wechselnde Gestalt; dann wachsen sie rasch zu ihrer definitiven Größe heran, indem die Dottersubstanz in Form von gröberen, stark lichtbrechenden Körnchen sich vermehrt. Die feinere Struktur dieser Eier, wie die Bildung der Plasmanetze ete., ist nicht näher zu ermitteln. Es ist höchst wahrscheinlich, dass sich mehrere Epithelzellen gleichzeitig zu Eiern umbilden können, was zur Folge hat, dass die ge- sammte Lappenhöhle von den Eiern eingenommen wird, wo die letz- teren an einander einen Druck ausüben und eine schildchenförmige oder polyedrische Gestalt annehmen. Dann gestalten sich die ursprüng- Studien über Gordiiden. II, 203 lich schlanken Ovariallappen als mächtig angeschwollene Schläuche, welche in die Leibeshöhle hineinragen. Obwohl nun die Schläuche eine bedeutende Größe erlangen können, so berühren sie doch niemals das die Leibeshöhle auskleidende Peritonealepithel (Fig. 10 ov). Das geräumige Cölom genügt immer den Ovarialtrauben, indem die reifen Eier aus den Lappen direkt in die Eibehälter übergehen. An geeigne- ten Querschnitten, d.h. an solchen, welche direkt die mit den Eibe- hältern kommunicirende Eierstockshöhle treffen (Fig. 7, 9), sieht man nämlich, dass die Eier direkt in die Eibehälter eintreten, indem sie von den hinteren, bald vollständig entwickelten, bald in der Entwicklung begriffenen gegen dieselben verdrängt werden. An den vollständig angefüllten Eierstocksschläuchen sind die äuße- ren Epithelzellen viel spärlicher als an den jüngeren Lappen und auch « ganz abgeplattet (Fig. 9). Etwas höhere Epithelzellen sind nur stellen- ‘ weise auf der Oberfläche der Lappen nachzuweisen. Man fragt sich nun, ob sich die Eier auch jetzt aus den spärlichen Epithelzellen entwickeln können? Darüber kann kein Zweifel sein, ‚ denn wie Fig. 9 veranschaulicht, sind hier die Eibehälter ganz mit ı reifen Eiern vollgepfropft und eben so enthält der innere Raum der " @varialschläuche sowohl ganz reife oder der Reife nahe Eier. Diesel- ' ben treten offenbar erst allmählich in die Eibehälter ein, nachdem die ' hier befindlichen Eier durch die Eileiter zur Ablage gelangen. Trotz- ‘ dem dauert die Eibildung auch später fort, doch können die sich ' bildenden Eier nicht in das Lumen der Eierstockslappen, um so mehr in die Eibehälter eindringen; sie fallen demnach direkt in die Leibes- höhle. Dieses Verhalten ist auf Fig. 9 dargestellt; namentlich auf den ‚ äußeren Enden der Eierstockslappen findet man traubenförmige Ei- ‘ gruppen (o), die nicht mehr in das Eierstockslumen eintreten, sondern frei in die Leibeshöhle hineinragen. In der äußeren Gestalt weichen , diese Eier von den früher besprochenen ab, indem sie ganz kugelig sind, was dadurch zu erklären ist, dass sie nicht mehr auf einander ‚ irgend welchen Druck ausüben. Die Überreste des Eierstocksepithels ' haften noch in Form einzelner sehr abgeplatteter Zellen an einzelnen ‚ Eiern (ep) und vornehmlich ist es der intensiv sich färbende Kern, ' welcher das Vorhandensein derartiger Elemente verräth. Die kugeligen Eier lassen auch ihre Struktur genauer erkennen; an der Peripherie ‚ des grobkörnigen Dotters zieht eine hyaline Plasmaschicht, welcher eine ‘ ziemlich resistente Dottermembran anliegt. Auch die runden, scharf ‚ kontourirten Kerne mit Reticulum und einem Chromatinkörperchen ‚ treten namentlich an ungefärbten Präparaten mit aller Deutlichkeit . hervor. 204 Franz Vejdovsky, Diese, äußerlich von den Eierstockslappen sich bildenden Eier fallen also in die Leibeshöhle und sammeln sich allmählich in den hin- teren Theilen derselben an, bei den älteren Weibchen aber füllt sich die gesammte Leibeshöhle mit derartigen Eiern, welche schließlich von den Produkten der Peritonealzellen umhüllt werden. Und wenn sich die Epithelzellen der Eierstöcke insgesammt zu Eizellen herausgebildet haben, findet man keine Spur der ursprünglichen Ovarien mehr, und nur einzelne kleinere Epithelzellen, die an den Eiern hier und da haften, sind als Überreste der ursprünglichen Ovarien anzusehen. Hier- durch erscheint die Leibeshöhle beiderseits von den Mesenterien mit Eiern erfüllt und nach außen von den Elementen des Zellgewebes be- grenzt. Das sind also die Organe, welche ich in meiner ersten Arbeit als »Eiersäcke« bezeichnet habe. Nun ließ ich die Eier der Eierstöcke zuerst in diese »Eiersäcke« fallen und von da sollten dieselben erst nachträglich in die Eibehälter gelangen. Das ist offenbar eine irrthüm- liche Auffassung, welche ich jetzt gern zurücknehme; denn nach den gegenwärtigen Beobachtungen gelangen die Eier aus den Ovarien direkt in die Eibehälter und erst die später sich entwickelnden Elemente fallen, aus Mangel an genügendem Raume in den Eierstockslappen, in die Leibeshöhle. Ich möchte demnach die »Eiersäcke« als besondere und zur Entwicklung der Eier nothwendige Organe fallen lassen, zumal ich auch nicht im Stande bin, anzugeben, auf welche Weise die in der Leibeshöhle befindlichen Eier in die Eibehälter gelangen könnten. Es ist überhaupt noch die Frage, ob die besprochenen Eier zur Ablage kommen, oder einem Degenerationsprocesse in der Leibeshöhle unter- liegen. Sie sind immer mit glänzenden Kernen, Kerngerüsten und Chromatinkörperchen versehen, während die Eier der Eibehälter der Kerne durchaus entbehren, wenigstens gelang es mir dieselben nicht zu finden. Ich glaube somit, dass die das Ovarium verlassenden Eier auf dem Wege in die Eibehälter ihre Reife durchmachen, so dass die in den letzteren Organen befindlichen Elemente nichts von den ursprüng- lichen Kernen erkennen lassen. Allerdings ist es höchst schwierig die vermeintliche Kernmetamorphose an solchen kleinen und mit undurch- sichtigem Dotter versehenen Elementen, wie die Eier der Gordiiden, zu verfolgen. Ferner muss ich noch auf eine Angabe meiner ersten Arbeit, be- ziehungsweise auf die Schilderung von Meissner und v. SIEBOLD zurück- kommen. Ich erwähne nämlich eigenthümliche Gruppirungen der un- reifen Eier, die bald zu zwei, bald zu mehreren vereinigt, in einem »aus flachen Zellen gebildeten Follikel« eingeschlossen, in den »Eier- säcken« sich befinden. Diese Angabe findet offenbar eine befriedigende Studien über Gordiiden. II. 205 Erklärung in der Darstellung der zerfallenden Eierstöcke und deren Verhalten in der Leibeshöhle. Und auch das, was Mkıssner mittheilt, ist durch die vorliegenden Beobachtungen erklärt; der genannte For- scher fand nämlich, dass »die fast reifen Eier meist zu 8—20 vereinigt traubenförmige Gruppen« bilden, freilich aber ist hier keine Spur der Mikropylen, von welchen Meissner berichtet, nachzuweisen. 5) Die entwickelten Eier gelangen also aus den Eierstocksschläu- chen direkt in die Eibehälter. Die unter diesem Namen bekannten Organe erklärte ich in meiner ersten Arbeit als Röhren, welche durch Spaltung der Mesenterien zu Stande kommen. Eine solche Entstehung der Geschlechtsausführungsgänge erschien mir äußerst auffallend und nach späterem Überlegen annäherungsweise unmöglich; die Umbildung der ursprünglichen Mesenterienanlagen zu Röhren schien mir auch un- wahrscheinlich. Somit trachtete ich auch diese Frage an dem frisch konservirten Materiale zu entscheiden; thatsächlich erwiesen sich meine Einwände als begründet, zumal es mir sicherzustellen gelang, dass die Eibehälter ihre eigenen Wandungen haben, welche nach außen von den Mesenterien umgeben werden. An den mit Härtungs- und Ent- wässerungsreagentien behandelten Präparaten, namentlich derjenigen Würmer, deren Eibehälter nur mit einer kleinen Anzahl der Eier er- füllt sind (Fig. 7 o), stehen die Mesenterien (ms’) von den Wandungen der erwähnten Organe bedeutend ab (eb’), welche aus sehr flachen Zellen gebildet sind und an denen eine Muskelschicht nicht nachweis- bar ist. Die dünne Epithelschicht ist der eigentliche histologische Cha- rakter der Eibehälter, welche in dem Zustande, als sie mit großer Menge der Eier angefüllt sind, bedeutend anschwellen und mittels ihrer Wan- _ dungen sich unmittelbar an die Mesenterien anlegen. Dadurch werden die Zellen der Eibehälterwandungen noch mehr abgeplattet, eben so ' wie deren Kerne, und in diesem Falle ist es sehr schwierig, ja unmög- lich, eine besondere Eibehälterumhüllung nachzuweisen (Fig. 9 eb). Die hier angesammelten Eier erscheinen in einer sehr zierlichen Anordnung, namentlich, wenn die Eibehälter in voller Anfüllung sich befinden (Fig. 9). Man findet nämlich eine äußere periphere, dann eine mittlere und zuletzt die centrale Eierschicht, welche letztere eine ein- fache Eireihe vorstellt. Somit sind die Eier koncentrisch angeordnet. Die Verfolgung dieser Anordnung von mehreren Stadien ergiebt, dass sich die Eier zuerst in der centralen Reihe ansammeln (Fig. 7 o) und koncentrisch um diese Reihe gruppiren sich die äußeren peripheren ' Schiehten. Die Uteruseier haben durchaus gleiche Dimensionen, und da sie sich dicht an einander legen, nehmen sie eine polyedrische Ge- stalt an. 206 Franz Vejdovsky, Der Verlauf der Eibehälter in den Mesenterien scheint mir von wichtiger morphologischer Bedeutung; es geht daraus hervor, dass diese Kanäle sich frühzeitig anlegen und erst nachträglich von den sich bildenden Mesenterien umgeben werden. Zu den Organen, die sich | sehr früh anlegen, ja früher als das Nervensystem während der Ent- wicklung zum Vorschein kommen, gehören nach meinen eigenen Er- fahrungen die Exkretionsorgane. Über dieselben wissen wir bei den Gordiiden so viel wie nichts, denn der Periintestinalraum, welchen ich in meiner ersten Arbeit als Exkretionsorgan deutete, lässt sich, wie ich besonders hervorgehoben habe, mit keinem der unter so verschiedenen Namen bekannten Exkretionsorgane vergleichen; es ist ein Organ »sui generise. Aus dem Grunde allein, dass die Eibehälter sehr früh, — wenigstens früher als es zur Bildung der Mesenterien kommt, — an- legen und vielleicht in anderer Richtung funktioniren, betrachte ich sie als modificirte Exkretionsorgane. Diese Frage ist allerdings erst durch sorgfältige embryologische Untersuchungen der Gordiiden definitiv zu beantworten. 6) Die Struktur der mit den Eibehältern in Verbindung stehenden Eileiter habe ich bei Gordius Presslii in dem Sinne erklärt, dass die Wandungen dieser Organe aus schönem Epithel bestehen; diesen Bau habe ich bei der genannten Art nur auf dem absteigenden Endabschnitte derselben sichergestellt, während die Wandungen der oberhalb des Receptaculums verlaufenden Kanäle lichtbrechend und von elastischer Natur, Zellkerne in ihnen nicht mehr vorhanden sein sollten. Ich habe diesen Theil allerdings noch zu den Eibehältern gezählt, während der histologische Bau derselben Kanäle von Gordius tolosanus eines Anderen belehrt. Nicht nur der absteigende, stark verengte Theil, son- dern auch der bedeutend erweiterte und oberhalb des Receptaculums verlaufende zeigt dieselbe Struktur, indem die Wandungen aus schönen kubischen Zellen mit großen Kernen zusammengesetzt sind (Fig. A1 ovd). Ich muss demnach auch die über der Samentasche verlaufenden Theile der weiblichen Ausführungsgänge als Eileiter bezeichnen. Dieselben verlaufen Anfangs als gerade Röhren, um sich plötzlich zu beiden Seiten des Ausführungsganges des Receptaculums nach unten zu begeben (Fig. 4, 5 ovd); dann steigen sie wieder zur Rückenseite, um hier in die angeschwollenen drüsenwandigen Hörner des Atriums überzu- gehen (Fig. 4,5 c). Ich muss diese Thatsache besonders hervorheben, da ich dadurch meine frühere irrthümliche Angabe berichtige, wonach die Eileiter gemeinschaftlich mit den paarigen Ausführungsgängen des Receptaculums in das Atrium einmünden sollten. Das Atrium von Gordius tolosanus weicht in Bezug auf die Struktur nicht von dem des Studien über Gordiiden. II. 207 Gordius Presslii ab, nur sind die drüsigen Zotten beim ersteren etwas größer. In das Atrium mündet auch die Samentasche, allerdings aber nicht mittels zweier Kanäle, wie ich irrthümlich bei Gordius Presslii angegeben habe, sondern durch einen unpaarigen Gang, dessen Wandungen aus einem schönen Cylinderepithel bestehen, welche aber in Längsfalten zusammengelegt sind; durch die letztere Beschaffenheit kann man sich an den durchscheinenden Präparaten dazu verführen lassen, die Falten für besondere Wandungen zweier neben einander verlaufender Kanäle ‘zu betrachten. Somit stehe ich nicht an meine frühere Angabe über die doppelte Ausmündung der Samentasche mit den Eileitern in das Atrium zurückzunehmen. Bei Gordius tolosanus fand ich auch die günstige Gelegenheit mich von der Struktur der Wandungen des Receptaculums zu belehren. Die- selben sind nämlich nichts Anderes als die Fortsetzung des Ausführungs- sanges; somit hat man es hier mit einem Epithel zu thun, das aber in hohem Grade modifieirt ist. An Querschnitten der vollständig ent- wickelten, d. h. mit Samen angefüllten Samentaschen, sieht man, dass die Wandungen ziemlich niedrig sind, aus einer gemeinschaftlichen, körnigen und streifigen Grundsubstanz bestehen, in welchen spärliche Kerne eingebettet erscheinen (Fig. 11 rs). Die Flächenpräparate be- lehren sehr instruktiv von der Beschaffenheit der Receptaculumwan- dung; die protoplasmatische Grundsubstanz ist in ringförmigen oder halbringförmigen Zonen vorhanden, in der die Kerne in entsprechender Anordnung eingebettet sind (Fig. 13); die Grenzen der ursprünglichen Zellen sind jedoch nicht zu erkennen. Einzelne Zonen sind durch eine ziemlich dicke cuticulare Membran von einander geschieden, die vor- ' nehmlich an gefüllten Samentaschen durch ihren Glanz hervortritt, an ‚den Querschnitten durch ihre Streifung auffallend ist, während an der leeren Samentasche diese cuticulare Zwischenmembran die Faltenbil- dung verursacht. Allem Anschein nach muss diese Membran dehnbar und elastisch sein, und sie ist es wahrscheinlich, welche veranlasst, dass das Receptaculum während der Füllung mit Sperma sich zu einem mächtigen Schlauche erweitern kann. Das Receptaculum hat also seine eigenen Wandungen, was sich allerdings nur an gut konservirtem Materiale nachweisen lässt; die Angabe in meiner ersten Arbeit, wonach die Wandungen der Samen- tasche aus den Mesenterien gebildet werden, erweist sich als nicht zu- treffend. Betrachtet man nun den Bau des Atriums, der Eileiter und der Samentasche, so erkennt man, dass diese Organe. aus denselben, wenn 208 Franz Vejdovsky, auch bedeutend modificirten Elementen bestehen; höchst wahrschein- lich haben sie einen gleichen Ursprung, indem sie nämlich der Hervor- stülpung des Enddarmes ihren Ursprung verdanken. Bei dem Mangel an entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen erkläre ich mir die Ent- stehung der erwähnten Organe so, dass aus dem Enddarme sich zu- nächst an der Bauchseite ein schlauchförmiger Sack ausstülpte, welcher sich durch fernere Differenzirung seiner Elemente weiter nach vorn zur Samentasche und deren Ausführungsgange, seitlich zu Eileitern und nach hinten zum Atrium umgebildet hat. In diesem Falle müsste aber auch bei den Weibchen eine Kloake existiren, wie man dieselbe bei den Männchen kennt. Richtig hat die- selbe GrEnAcHErR auch bei den Weibchen erkannt, während ich dieselbe bei Gordius Presslii ihrer unbedeutenden Dimensionen wegen ganz über- sehen habe. Viel deutlicher tritt die Kloake bei Gordius tolosanus auf, wenn sie auch sehr niedrig ist (Fig. 4, 5 cl), so dass man dieselbe auch hier sehr leicht übersehen kann. Bei der Betrachtung der Würmer von der Bauchseite (Fig. 5) sieht man, dass die Kloakenöffnung (a) in eine kurze trichterförmige Höhle übergeht, deren Wandungen aus schönen Epithelzellen bestehen, die sich nach vorn direkt an das Drüsenepithel des Atriums anschließen. Das kloakale Epithel ist eigentlich eine Fort- setzung der Leibeshypodermis, wie namentlich die medianen vertikalen Längsschnitte zeigen. Die eigentliche Fortsetzung der Kloake in den Darm, welcher letztere oberhalb des Atriums verläuft, ist ungemein schwierig nachzuweisen; das Atrium selbst steht aber in keinem Falle mit dem Lumen des Darmes im Zusammenhange; aber die geschilderten Verhältnisse beweisen zur Genüge, dass das Atrium und die Samen- tasche durch die ventrale Ausstülpung des Enddarmes zu Stande kamen und sich auf dessen Kosten zu enormen Organen herausgebildet haben. Der unbedeutende Rest des Enddarmes wird dann zur Kloake. % Der vorliegende Aufsatz wurde bereits zum Drucke fertig gestellt, als mir eine der neuesten Arbeiten VırLor’s »Sur l’anatomie des Gor- diens«! zu Gesicht kam. Der Verfasser berichtigt, oder nimmt die meisten seiner älteren Angaben zurück, vornehmlich aber erwiedert er auf die kritischen Bemerkungen, die ich über seine Arbeiten in meiner ersten Abhandlung angeknüpft habe. Die genannte Arbeit Vırror's enthält aber so zahlreiche und mir unerklärliche Irrthümer, dass sie im Stande ist, neue Verwirrungen in die bisherigen Kenntnisse über Gor- diiden einzuführen. Ich erlaube mir einige, in schroffem Gegensatze 1 Ann. Sc. nat. 1887. —— ie ge Studien über Gordiiden. II. 309 zu dem in den voranstehenden Zeilen Mitgetheilten stehenden Angaben _ Yırror's kritisch zu beleuchten. a) Ich behandle zuerst den in der vorliegenden Arbeit am aus- führliehsten besprochenen Gegenstand, nämlich den weiblichen Ge- schlechtsapparat, wie derselbe von VırLor neuerdings geschildert wird. Es soll nur ein Paar Eierstöcke vorhanden sein, aber ein jedes Ovarium theilt sich in zwei röhrenförmige Äste, einen seitlichen und einen am Rücken verlaufenden; und der in meiner ersten Arbeit erwähnte Rückenkanal soll nichts Anderes sein, als die fünfte Röhre, in welcher man am besten nachweisen kann, dass die Bildung der Eiröhren durch Modifikation und Destruktion der Parenchymzellen stattfindet. Der hin- tere Theil jeder seitlichen Röhre öffnet sich in die Rückenhöhle, und die letztere verlängert sich nach hinten in einen engeren Kanal, in den Ovidukt. Ich kann mir aus dieser ganzen Darstellung nicht einmal klar vor- stellen, wie sich das ursprüngliche einzige Eierstockspaar gestaltet, und um so weniger die Art und Weise, wie sich diese zwei Eierstöcke zu fünf Röhren umbilden können. Es ist aber Alles, was Vırror über Ovarien berichtet, durchaus falsch, denn er hat die Geschlechtsorgane offenbar an alten Weibchen untersucht, deren Leibeshöhle mit Eiern angefüllt war, und das, was er »quatre tubes ovariens« nennt, ist nichts Anderes als die Eibehälter und die in der Leibeshöhle ange- : sammelten Eier, die ich früher als Eiersäcke bezeichnete. = Aber auch die Art der Eibildung in diesen Röhren ist, wie sie VıLLor schildert, sehr wunderbar; sowohl in den Rücken- als Seitenröhren giebt es ein schönes Epithel. »Les ovules naissent par bourgeonne- ment de la membrane d’enveloppe et proliferation du noyau de ces cellules &pitheliales.« Diese Angabe ist zwar auch unrichtig, aber sie zeigt einen bedeutenden Fortschritt gegen die ersten Arbeiten Vırror's, der offenbar jetzt endlich die wunderliche Geschichte, nach welcher die Eier und Spermatozoen aus gewissen Embryonalzellen zu Stande kommen, aufgegeben hat!. Merkwürdig aber, dass neben den »par bourgeonnement« ent- stehenden Eiern, gewisse »grappes ovigeres« sich bilden, » qui restent adherents par leur base A la paroi interne du tube ovarien«. Auch aus diesen bilden sich Eier; die ganze Darstellung dieses Processes aber, 1 Trotzdem scheint aber VırLor doch keine klare Vorstellung von der Bildung der Geschlechtsorgane zu haben; er sagt nämlich auf p. 209: »Une partie de ce corps cellulaire est employee a la formation du systeme musculaire ; une autre partie est absorbee par le developpement des ovaires, des testicules et du receptacle seminal.« Wie sich diese Angabe zu der oben angeführten verhält, ist mir unverständlich. 210 ‚Franz Vejdovsky, wie sie Vırror schildert, ist eben so sonderbar wie falsch. Es ist mir unmöglich, und ich möchte es als einen Zeitverlust betrachten, mich mit diesen weiteren Angaben zu befassen. Dagegen hoffe ich, dass der Verfasser des besprochenen Aufsatzes aus der vorliegenden Arbeit ge- nügende Belehrung von dem faktischen Verhalten der Eierstöcke und der Eibehälter schöpfen wird. Falls er aber einige Zweifel über meine Angaben hegen wollte, so stehen ihm, wie Jedermann, der sich mit dem Studium der Gordiiden befassen will, meine Präparate zur Dis- position. b) Es ist erfreulich, dass Vırnor doch einmal das voluminöse Re- ceptaculum seminis erkannt und dasselbe nicht mehr mit dem Atrium (seiner Kloake) verwechselt hat; dagegen muss ich bedauern, dass er dessen Bau nicht richtig erkannt hat, und bloß das schildert, was ich in meiner ersten Arbeit angegeben habe. Richtig hat Vırıor dagegen erkannt, dass der Ausführungsgang des Receptaculums unpaar ist. Es ist mir aber durchaus unklar, was VırLor in dem Satze: »Le r&eceptacle seminal est un organe morphologiquement homologue aux ovaires« ver- stehen will. c) Vırror wiederholt noch seine Ansicht, dass das von mir als Atrium bezeichnete Organ eine weibliche Kloake vorstellt, in welcher er zwei Bestandtheile : »Uterus« und »Vestibulum« unterscheidet. Es ist ihm offenbar unklar geblieben, dass das Atrio-Receptaculum aus dem Enddarme nur durch Ausstülpung in die Leibeshöhle entstehen und der Rest des Enddarmes sich zur Kloake gestalten konnte. Die Atrial- hörner münden nach Vırror auf der Bauchseite in das Atrium. Anstatt sich zu bekennen, dass er auf diese Hörner durch meine Arbeit auf- merksam gemacht wurde, äußert sich Vırror folgendermaßen: »deux dilatations assez volumineuses, que je designerai sous le nom de cornes de P’uterus«; .... »ils ont et& places par lui (Veıpovsky) dans la region dorsale, ce qui est tout a fait inexact«. Ich hoffe, dass Vırıor diese grundlose Behauptung zurücknehmen wird, falls er nur mit größerer Sorgfalt auf das Studium der Gordiiden eingehen wird; die bisherigen Methoden und leichtfertigen Behauptungen muss er allerdings verhüten. d) Es ist selbstverständlich, dass den großen Atrialdrüsen eine bedeutende physiologische Funktion zugetheilt ist, indem sie ein be- deutendes Quantum eines Sekretes ausscheiden. Nun glaubt Vırror, dass dieses Sekret nur für die Erhaltung und Bewegung der Sperma- tozoen wichtig ist. Merkwürdigerweise soll nach Vırror die zähe und dicke Um- hüllung, mittels welcher die abgelegten Eigruppen umgeben sind, in seinem »Vestibulum« gebildet werden. Dieses »Vestibulum« ist aber Studien über Gordiiden. II. 3141 nichts Anderes als die oben dargestellte Kloake, deren Wandungen aus einfachen kubischen oder eylindrischen Epithelzellen bestehen, wie meine Präparate am deutlichsten zeigen. Nach Vırror verhält es sich aber anders: »Cette seconde partie du cloaque«, d.h. das »Vestibulum«, est interieurement reyetue d’une cuticule, qui a la m&me structure que la euticule tegumentaire, .... Au-dessous de cette cuticule.... se trouve une couche de cellules tubulaires, pourvues chacune d’un conduit exereteur, qui traverse la cuticule et vient s’ouvrir dans la cavite du vestibule par un petit pore en forme de mamelon. Ces glandes mono- cellulaires, aux quelles on peut donner le nom de glandes du vestibule, seeretent le liquide.«c Also die kolossalen Atrialdrüsen haben für die abzulegenden Eier keine Bedeutung, freilich aber das einfache kloakale Epithel! Leider muss ich Vırror aufmerksam machen, dass von der drüsigen Beschaffenheit dieses Epithels keine Rede sein kann, somit auch nicht von den Poren etc. Das Geheimnis der Vırror'schen Dar- stellung liegt darin, dass er den Bau seines »Vestibulums« nach schrägen Schnitten beschreibt. Wie wir nun oben angegeben haben, ist die Kloake so unbedeutend, dass ihr kaum eine andere physiologische Funktion zugetheilt werden kann, als die Eier nach außen durchzulassen. e) Wie ich bereits Eingangs dieser Arbeit bemerkt habe, stellte ich bisher keine neuen Beobachtungen über die Männchen an, somit will ich die Angaben Vırror’s nicht berühren, welche er in dieser Beziehung mittheilt. Sie sind aber eben so unbestimmt, was die Beschaffenheit der Hoden anbelangt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass Vırnor auch in dieser Beziehung keine klare Vorstellung hat. Bezüglich der Musku- latur der männlichen Kloake muss ich aber meine früheren Angaben, nachdem ich meine Präparate genau durchmustert, aufrecht erhalten. Vırror befindet sich in entschiedenem Irrthume, wenn er den Muskel- apparat der Kloake für identisch mit jenen Elementen betrachtet, die ‘ in der Umgebung des Darmkanales im vorderen Körper vorkommen; ‚ denn die letzteren sind keinesfalls von muskulöser Natur, sondern sie ‚ stellen modificirte Elemente des Zellgewebes vor, wie ich eben in meiner ‚ ersten Arbeit dargestellt habe. Übrigens wird Vırror den Sachkundigen vergebens mit seiner Angabe zu überzeugen versuchen, dass er »le muscle constrieteur du cloaque«, wie früher GrENACHER, richtig beschrie- ' ben und abgebildet hat; seine Darstellung ist nur eine ungediegene ‚ Koneeption, die in der Wirklichkeit gar nicht existirt. Ich hoffe, dass der genannte Autor nach sorgfältigerer Untersuchung zu demselben Re- ‚ sultate gelangen wird. | Einen Ausspruch VırLor’s muss ich aber mit aller Entschiedenheit Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Ba. 45 912 Franz Vejdovsky, zurückweisen; derselbe sagt nämlich: »VEIDovsKy croit etre le premier observateur qui ait decrit et figure les canaux deferents (Samenleiter). Il nous suffira, pour faire justice de cette assertion, de renvoyer le lec- teur aux figures 18 de GRENACHER et 23 de ma Monographie de Drago- neaux, oU ces organes se trouvent tr&s bien representes.« Diese Äußerung zeugt eben von der immensen Leichtfertigkeit des Autors, mit welcher er meine Arbeit studirte. Obwohl ich auf meine Entdeckung kein großes Gewicht lege, so muss ich mit aller Bestimmt- heit wiederholen, dass es Niemand von meinen Vorgängern gelang die wahren Samenleiter zu beobachten; denn das, was ich als Samen- leiter darstelle, hat weder GRENACHER, noch viel weniger VıLLor gesehen. Der Letztere sagt einfach, was ich auch in meiner ersten Arbeit hervor- gehoben habe, dass die Eileiter und Samenleiter nichts Anderes sind, als eben verengte Theile der Ovarien und Hoden (»les oviductes et les canaux deferents ne sont que le prolongement des ovaires et des testi- cules et n’en different que par leur calibre plus petit«). Ich mache den Zurechtweisenden aufmerksam auf die Fig. 8 df und 47 vd meiner ersten Arbeit, wo er sich vielleicht von seinem Irrthume überzeugen wird. f) Die Arbeit Vırzor's liefert somit keine neuen Beiträge zur Kennt- nis der,Gordiiden; sie berührt aber fast sämmtliche Punkte, auf welche der Verfasser durch meine Arbeit aufmerksam gemacht wurde, indem er meine Angaben bald zu korrigiren, bald zurückzuweisen versucht. Ich finde aber, dass es vergebens wäre, mit VırLor in eine Diskussion einzugehen, da er meist nur die Ansichten vertritt, die er in seinen früheren Arbeiten aufstellte, deren Werth ich aber bereits in’ meinem ersten Aufsatze hervorgehoben habe. So äußert sich VırLor auch neuer- dings über das » Parenchym«;}die hier vorgetragenen Ansichten könnten die Zoologen vielleicht vor 20 Jahren interessiren, heut zu Tage aber, nachdem die Entwicklungsgeschichtej so bedeutende Fortschritte ge- macht hat, ist es unmöglich sich mit/den Darlegungen Vırror's zu be- fassen. {Übrigens wird der Verfasser, die ‚Gelegenheit finden, sich in der vorliegenden Arbeit überzeugen zu können, wie schön das von einer Epithelschicht ausgekleidete Cölom vorhanden ist, und wie die Eibehälter von den Mesenterien umgeben sind. Sonst ersehe ich aus den übrigen Abschnitten des Aufsatzes VırLor's, dass eine Diskussion mit ihm weiter nicht möglich ist; denn derselbe ist der Ansicht, dass man die Cutieularschichten als »derme« und »epi- derme« bezeichnen soll; ferner erkennt er keine Hypodermis an, ja stellt die Existenz derselben in Abrede. Freilich aber ist aus seinen weiteren Auseinandersetzungen evident, dass Vıror keine klare Vor- stellung über diese Leibesschicht zu haben scheint, da er auf p. 193 die Studien über Gordiiden. II. 913 Hypodermis in Abrede stellt, und auf p. 197 sich wieder auf Fig. 12, 43, 44 seiner zweiten Arbeit beruft, wo »la cuticule, ’hypoderme, et la couche musculaire « dargestellt sein sollen. g) In den früheren Arbeiten Vırror's giebt es Angaben, die ich ihrer völligen Unrichtigkeit wegen nicht einmal berührt habe, da ich dafür hielt, dass man dieselben überhaupt nicht zu widerlegen brauche. Vielleicht aus diesem Umstande tritt VıLor von Neuem mit denselben auf, so dass mir endlich doch die undankbare Aufgabe zufällt, mich mit derartigen Darstellungen zu beschäftigen. Es sind dies die Hypodermis- kerne, die nach meiner ersten Arbeit in der körnigen Matrix zerstreut sind. Für VırLor sind es aber eigenthümliche bläschenartige Organe, die mit den Porenkanälchen in engem Zusammenhange stehen sollen ete.; Vırror schreibt darüber: »Ces soi-disant noyaux sont des organes vesiculaires en rapport avec les pores de l’epiderme et les canali- cules aquiferes qui traversent le derme.« Diese sonderbaren Organe, deren Funktion erst VırLor — freilich aber nur er — erkennen musste, stehen ferner in engem Zusammenhange mit anderen »Wasserkanäl- chen«, welche in einem Perimysium der Muskelschicht verlaufen sollen. Vırror äußert sich über die letzteren folgendermaßen: »Quant aux soi-disant noyaux intermusculaires, deecrits et figures par le na- turaliste de Prague, ils n’ont rien A voir avec le tissu musculaire; ils ne representent autre chose que la coupe des canaux aquiferes qui tra- versent le perimysium.« Sapienti sat! Aus der gegenwärtigen Abbildung (Fig. 7 m) wird hoffentlich Vırıor seinen Irrthum erkennen und sich überzeugen, dass jede Muskelfaser ihren Kern führt, und ferner, dass es kein Perimysium giebt, welches nach ihm zwischen die Muskelfasern eindringen sollte. h) Was das Nervensystem anbelangt, so halte ich fest an dem früher Mitgetheilten; dagegen muss ich bekennen, dass sich ein un- angenehmer Fehler in meine erste Arbeit eingeschlichen hat. Ich führe nämlich als den ersten Beobachter des Nervensystems der Gordiiden Bürsenui an, welcher es thatsächlich ist, indem er den Bauchstrang in seiner Arbeit »Giebt es Holomyiarier« 1873 annäherungsweise richtig abbildet und als »Bauchstrang« deutet. Gleichzeitig habe ich aber die andere Arbeit Bürscuur's über das Nervensystem der Nematoden studirt, um dasselbe mit dem der Gordiiden zu vergleichen. Nun eitire ich unbegreiflicherweise diese letztere Arbeit Bürscnırs, als ob in ihr die oben erwähnte Darstellung des Nervensystems der Gordiiden ent- halten sei. So viel zur Erklärung meines Irrthumes und zu der Be- hauptung VırLor’s, dass derselbe zuerst das Nervensystem der Gordiiden entdeckt hätte. Ä | 15* 14 ‚Franz Vejdovsky, Nachtrag. Erst in der letzten Zeit habe ich mich theilweise mit den reich- haltigen Arbeiten Nansen’s! über das Nervensystem von Myzostoma be- kannt gemacht. Ich werde dieselben erst in meiner späteren Abhand- lung über die Entwicklung des Nervensystems umfassender behandeln können; derzeit begnüge ich mich mit einigen Hinweisen der uns in dem vorliegenden Aufsatze beschäftigenden Fragen. Was zunächst das neurale Reticulum anbelangt, so wird dasselbe auch von Nansen als »fibrilläre Masse« und »Fibrillenmasse« bezeichnet und dahin gedeutet, dass es aus zwei Hauptbestandtheilen zusammengesetzt wird: a) aus durchlaufenden Nervencylindern und b) einem durch die ganze Masse ausgebreiteten Fibrillengeflecht. Die Fibrillen resultiren angeblich aus verschiedenen Zellenausläufern, die sich in diesem Geflecht auflösen. Was die »Nervencylinder« anbelangt, so haben wir es in Wirklichkeit mit keinen solchen zu thun, es sind einfach größere und kleinere Maschen des Reticulums, die sich nicht selten auch zu längeren Röhren erweitern können. Dass sich zwischen dem Reticulum die plasmatischen Fortsätze gewisser Ganglienzellen verzweigen können, habe ich bereits in meinem. Werke auf Taf. IV, Fig. 16 abgebildet und hervorgehoben. An dieser Stelle ist es übrigens unmöglich, auf alle die Details ein- zugehen, mit denen uns die Arbeiten des nordischen Forschers bekannt machen; ich erlaube mir derzeit nur darauf aufmerksam zu machen, dass die Unterscheidung eines »Spongioplasma« und »Hyaloplasma« weiterhin nicht haltbar sein wird, zumal wir entwicklungsgeschichtlich nachgewiesen haben, dass das Erstere vorzugsweise das Kernreticulum der ursprünglichen Zellen vorstellt, während das Hyaloplasma mit dem Kernsaft identisch ist; die »Nervenfasern« sind nur Fortsetzungen dieser heiden Kernbestandtheile. Was die Neurochordröhren anbelangt, so ist Nansen der Ansicht, dass sie unzweifelhaft nervöser Natur sind. Die Ganglienfortsätze, welche in jeder Röhre zu einem langen Nerven zusammentreten, be- schreibt Nansen, wie unlängst Leypıg, an Querschnitten als ein feines Reticulum, welches von quergeschnittenen feinsten Spongioplasmaröhren herrührt (2). Hätte nun Nansen den wahren Sachverhalt, d. h. die Natur dieses in jeder Röhre hinziehenden Ganglienzellfortsatzes erkannt, so könnte er einen überzeugenden Beweis liefern, dass die »riesigen Nervenfasern« 1 Friptsor NAnsen, Anatomie und Histologie des Nervensystems der Myzosto- men. Jenaische Zeitschr, f. Naturw. Bd. XXI. p. 267. 1887. Studien über Gordiiden. II. 215 unter dem Einflusse der motorischen Nerven stehen, wie die letzteren von Gorsı und Nansen selbst definirt werden, dass sie somit einen kon- traktilen Stützapparat versehen. (Die letzte Arbeit von Nansen »Structure and Combination of the histological Elements of the central nervous System. Bergen 1887« bekam ich bisher nicht zu Gesicht.) Prag, im December 1887. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVIII. Fig, 4. Cuticulare Areolen eines abweichenden Weibchens von Gordius tolosa- nus. ka, kleine Areolen; ga, große Doppelareolen; db, Börstchen, Fig. 2. Dieselben bei niedrigerer Einstellung. pa, Porenkanälchen. Fig. 3. Der Vorderkörper eines jungen Weibchens im optischen Längsschnitte. d, der Darm; bg, Bauchstrang; ov, Ovarien ; eb, Eibehälter; rk, Rückenkanal. Fig. 4. Der hintere Körpertheil in optischer Profilansicht, um die Anordnung der Geschlechtsgänge zu veranschaulichen. ovd, Eileiter; ce, Atriumhörner; at, Atrium; cl, Kloake; a, Kloakenöffnung; rs, Ausführungsgang des Receptaculums. Fig. 5. Der hintere Körpertheil in der optischen Ventralansicht, rs, Samen- tasche ; ovd, Eileiter ; c, Atriumhörner; at, Atrium; cl, Kloake; a, Kloakenöffnung. Fig. 6. Die jüngsten Eierstöcke ov; eb, Eibehälterhöhle. Fig, 7. Theil des Querschnittes’durch ein Weibchen mit den in weiterer Ent- wicklung begriffenen Eierstöcken (vgl. Fig. 10). cu, Cuticula des Leibesschlauches ; m, Muskelschicht; pt, peritoneales Epithel; rk, Rückenkanal; ms, Mesenterien; ms’, Theil der Mesenterien, welcher die Eibehälter umgiebt; eb, Eibehälterwand; 0, Eier; ovl, Ovariallappen; ep, Epithel der Ovariallappen; o’, das sich bildende Ei. Fig. 8. Theil der Ovariallappen, von denen der eine zwei Eier enthält. Fig. 9. Querschnitt durch ein Weibchen, deren Eibehälter bereits mit den Eiern - vollgepfropft erscheint. Der Schnitt wurde etwas schräg geführt, so dass das Ova- rium der einen Seite nicht getroffen wurde. pi, peritoneales Epithel; rk, Rücken- kanal; ms, Mesenterien ; ms’, Theil derselben, welcher die Eibehälter einschließt; eb, die in Eibehältern enthaltenen Eier; ovl, degenerirender (?) Ovariallappen; o, Eier der Ovariallappen; o’, die in die Leibeshöhle fallenden Eier; ep, Überbleibsel des Epithels an den letzteren; ex, Exkretionsmasse; d, Darmkanal. Fig. 40. Querschnitt des Weibchens, um die Lage der Organe zu veranschau- lichen. rk, Rückenkanal; eb, Eibehälter; ms, Mesenterien; ov, Ovariallappen ; pt, Peritoneum ; m, Muskelschicht des Leibesschlauches;; hp, Hypodermis; cu, Guti- cula. Fig. 44. Querschnitt durch das hintere Körperende. pt, m, hp, cu, wie in der voranstehenden Figur; bg, Bauchstrang; d, Darm; rs, Receptaculum seminis ; ovd, Wandung der Eileiter, 316 Franz Vejdovsky, Studien über Gordiiden. II. Fig. 42. Längsschnitt durch die Eibehälter ed, wobei die seitlichen Ovarien 0v getroffen wurden. Fig. 43. Wandung der Samentasche. in der Flächenansicht, Fig. 44. Peritoneales Epithel in der Flächenansicht. k, Kern ; x, wölkchenarti- ges Körperchen. Fig. 15. Querschnitt des Bauchstranges aus der mittleren Körperregion. u, un- tere Ganglienzellenschicht; s. seitliche Ganglienzellen; com, Querkommissur. Fig. 16. Querschnitt durch die Bauchstrangsanschwellung, Fig. 47. Der nachfolgende Schnitt. Buchstabenbezeichnung wie in Fig. 45. Fig. 48. Medianer Längsschnitt durch die Bauchstrangsanschwellung. pt, neu- rales Reticulum; gz, Ganglienzellschicht; nf, Fortsätze der Ganglienzellen gegen die Hypodermis. Zur Kenntnis der Fauna des Süfsen und Salzigen Sees bei Halle ajS. Von Dr. Otto Zacharias zu Hirschberg in Schl. Im Nachstehenden theile ich die Ergebnisse einer faunistischen Exkursion mit, welche ich im Juli v. J. an die beiden zwischen Halle und Eisleben gelegenen Salzseen unternommen habe. Die ansehnliche Größe dieser Wasserbecken und der Umstand, dass man in den um- liegenden Dörfern jederzeit eine provisorische Beobachtungsstation einrichten kann, ließ einen längeren Aufenthalt angezeigt erscheinen. Diesen habe ich dazu benutzt, um so zu sagen das faunistische Inventar beider Seen aufzunehmen, damit Fachgenossen, welche künftighin diese Gegend zu besuchen gedenken, einen Begriff davon erhalten, was sie hier vorfinden können und was nicht. Erklärlicherweise bin ich nicht der Erste gewesen, der auf die Idee kam, hierher zu reisen und zoologische Studien zu machen. Vor mir haben bereits Tu. EngELmann (1860), O. Reınnaror (1870), W. Mar- suaLL (1882), R. LADENBURGER (1883) und H. Reugere (1883) ihre Netze hier ausgeworfen, um die Fauna des salzigen Wassers kennen zu ler- nen. EnGELMmanN fahndete auf Protozoen, ReınHArpt auf Mollusken, Mar- sHarLı auf Cölenteraten, LADENBURGER fischte nach Entomostraceen und Reugere nach Vertretern derselben Thiergruppe, insbesondere jedoch nach Muschelkrebschen. Jeder von diesen Beobachtern hat mit dazu beigetragen, dass wir die niedere Thierwelt der beiden Mansfelder Seen jetzt ziemlich gut kennen. Selbstverständlich habe ich die An- gaben meiner Vorgänger zur Vervollständigung meiner Verzeichnisse mit verwerthet, bin aber auch in der Lage über zahlreiche neue Funde zu berichten. Hauptsächlich betreffen dieselben das Vorkommen von Protozoen und Würmern. MARSHALL, der seinerzeit in Roilsdorf sein Observatorium aufge- schlagen hatte, entwarf in seiner Abhandlung! eine sehr enthusiastische 1 Diese Zeitschr. Bd, XXXVII. 1883, p. 664. 218 Otto Zacharias, Schilderung von der Fauna des von ihm untersuchten größeren Sees, indem er schrieb: »Dieselbe ist außerordentlich reich. Die Schilfsten- gel am Rande sind oft dieht mit Cordylophorarasen überwuchert, ver- schiedene Formen von Spongilla sind zahlreich, Räderthiere, die ver- schiedensten Protozoen und niedere Algen von der wunderbarsten Schönheit habe ich in ähnlicher Fülle nur aus Hollands süßen Gewäs- sern gesehen. Wenn ich ferner erwähne, dass am See viele merk- würdige und ihm ausschließlich eigene Insekten vorkommen, deren Larven zum Theil in seinem Wasser leben, dass Planarien etc. nicht selten sind, dass die Brakwasserfauna wahrscheinlich ziemlich gut vertreten ist (finden sich doch sogar zwei Hydrobiaarten), so wird hoffentlich ein oder der andere Fachgenosse angeregt werden, einmal anstatt nach Neapel oder Triest zu pilgern, dem vaterländischen Binnensee seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die CGarcinologen möchte ich ganz be- sonders auf ihn hinweisen. Wenige Züge mit dem Schwebnetz genüg- ten, um dasselbe mit faustgroßen Klumpen eines lebenden rosigen Muses zu füllen, das einzig und allein aus Millionen kleiner Copepoden und Phyllopoden, darunter reizende und wahrscheinlich neue Formen mit prächtigen Schmuckfarben, bestand. « Ich bekenne, dass diese begeisterte Schilderung es gewesen ist, welche in mir das brennende Verlangen erweckte, jene Seefäuna aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Freilich bemerkte ich schon nach wenigen Bootfahrten, dass meine Erwartungen zwar erfüllt, aber keineswegs übertroffen wurden. Marsnaır’s Beschreibung ist — wie ich ausdrücklich hervorhebe — vollkommen richtig; aber die Hoffnun- gen, welche sich unwillkürlich an dieselbe knüpften, erwiesen sich als trügerisch. Eine derartige Fauna, wie sie in den von Giza Entz durchforschten Kochsalztümpeln Siebenbürgens zu finden ist, zeigte sich nicht. Eben so wenig waren Anklänge an die niedere Thierwelt des Meeres zu konstatiren; vielmehr konnte überall nur in beiden Seen das Vorhandensein einer unzweifelhaften Süßwasserfauna festgestellt werden. Es entsprach dieser Befund auch dem äußerst schwachen Salzgehalt der beiden Wasserbecken. Alle bisherigen Beobachter haben sich denselben viel beträchticher vorgestellt, als er in Wirklichkeit ist. LADENBURGER, welcher sich auf Analysen aus dem Jahre 1858 bezieht, führt zwar an, dass sich in den oberen Wasserschichten des größeren Sees nur ein Salzgehalt von 0,1 Procent nachweisen lasse, aber er be- merkt, dass dieser Procentsatz mit zunehmender Tiefe ansteige, und bei 70 Fuß 0,9 Procent betrage. MarsHALr spricht in seiner Abhandlung von 0,5 Procent Salzgehalt, ohne jedoch die Quelle zu nennen, aus der er diese Angabe geschöpft hat. Zur Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a/S. 219 Ich bin dem gegenüber in der Lage das Ergebnis einer neueren sorgfältigen Analyse mitzutheilen, welche Dr. Wırzı Urr zu Halle im vorigen Frühjahre ausgeführt hat. Es wird von Interesse sein, speciel- lere Kenntnis von dem Resultate zu nehmen, welches Herr Ur£ erzielt hat. Die darauf bezüglichen ziffernmäßigen Angaben sind mir von dem Genannten in zuvorkommendster Weise geliefert worden, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank abstatte. Zunächst sei daran erinnert, dass der größere von beiden Seen — der »Salzige« — einen buchtartigen Ausläufer besitzt, welcher Bin- dersee heißt. Mit diesem zusammen hat das ganze Wasserbecken eine Flächenausdehnung von 8797 qkm. Die durchschnittliche Tiefe beträgt 7—8 Meter. Der nördlich davon gelegene »Süße See« ist bei Weitem kleiner als sein Nachbar; er ist nur 2619 qkm groß und 6 bis 7 Meter tief. Sein Niveau ist aber um 5 m höher gelegen, und dem- gemäß fließt der Bach, welcher beide Seen mit einander verbindet, mit ziemlicher Geschwindigkeit. Unmittelbar bei Rollsdorf ergießt sich der Abfluss des Süßen Sees in den Bindersee. Letzterer ist von einem hohen Schilfwall umsäumt, und nur an wenigen Stellen leicht zugäng- lich. In Bezug auf alle drei Seen war das Ergebnis der Urr'schen Ana- lyse folgendes. In 100000 Theilen Wasser sind enthalten: Salziger See Binder-See Süßer See Gew.-Theil | Proc. Gew.-Theil | Proc. Gew.-Theil | Proc. = getrocknet bei 4500| 453,375 447,500 307,500 Rückstand !geglüht 136,600 131,500 282,500 Glühverlust 16,775 16,000 25,000 Specifisches Gewicht 1,0045 1,0044 1,0026 Chlornatrium (NaCl) 75,424 |49,62| 74,544 |50,52 | 475,006 [56,95 Chlorkalium (KC]) 8,712 | 5,73 6,142 | 4,16 | 54,760 |47,84 Kaliumsulfat (Ka SO4) 47,347 |a1,41 | 48,989 |12,87 0,363 | 0,42 Magnesiumsulfat (Mg SO,) 15,027 1737975 18,810 | 6,12 Calciumsulfat (Ca SO,) 15,997 |10,52 | 43,583 | 9,24 | 38,626 |192,56 , Calciumnitrat (Ca[NO3]>) — — _ — 4,142 | 0,36 . Caleiumcarbonat (Ca CO;) 18,059 |14,88 18,762 112,72 44,848 | 4,83 40,192 Freie Kohlensäure (CO;) | 42,079 10,395 kmareanı Die in vorstehender Tabelle aufgeftihrten Procente sind unter Zugrundelegung des bei 150° getrockneten Rückstandes berechnet wor- den. In 100 Theilen Wasser aus dem Salzsee sind in Summa enthal- ten 0,15 Procent Salze, im Süßen See 0,30 Procent. Letzterer führt also diesen Namen in demselben Sinne wie lucus a non lucendo. Der Bindersee kommt ungefähr dem größeren Wasserbecken an Salzge- halt gleich. Für die Analyse des Wassers vom Salzsee wurden von Dr. Urz fünf 220 Otto Zacharias, verschiedene Proben verwendet; davon waren zwei auch aus’ der Tiefe geschöpft. Alle diese Proben ergaben die fast gleiche Menge von Rück- stand, wodurch die Ansicht widerlegt wird, dass der See stellenweise einen verschieden starken Salzgehalt besitze. Auch die Größe des specifischen Gewichts und der Gehalt an Chlor zeigte bei den fünf Proben eine entsprechende Übereinstimmung. | Während (wie aus obiger Zusammenstellung ersichtlich ist) das Wasser des Salzigen Sees und dasjenige des Bindersees eine ziemlich gleiche chemische Beschaffenheit zeigt, ist der Süße See durch einen erößeren Procentsatz von Chloralkali charakterisirt. Dagegen finden wir im Wasser dieses Wasserbeckens bedeutend geringere Procente von schwefelsauren Salzen. Auch die Menge des Caleiumcarbonates ist im Süßen See kleiner als in den beiden anderen Becken. Der Ursprung des Salzgehaltes der Mansfelder Seen dürfte auf zahlreiche salzige Quellen zurückzuführen sein, die aus den Gips- und Salzlagern des Zechsteins, der das ganze Gebiet der Seen unter- teuft, hervorkommen. Darauf weist schon die Zusammensetzung des Salzes hin. Außerdem aber ist durch Bohrungen direkt gezeigt worden, dass der unter dem See lagernde Buntsandstein von salzigem Wasser durchsetzt ist. | Dass der Süße See, der noch vor dreißig Jahren süßer war als der Salzige, gegenwärtig einen so starken Salzgehalt aufweist, hat seinen Grund in der Thatsache, dass zu Anfang der siebziger Jahre viele Millionen Kubikmeter stark salzigen Wassers aus den Mansfelder: Kupferbergwerken in denselben hineingeleitet worden sind. Im Jahre 1876 war das Wasser des Sees durch diese Zuflüsse so salzig geworden, dass die Bäume am Ufer eingingen und die Fische im See abzusterben begannen. Der starke Procentsatz an Chloralkali so wie das Vorhanden- sein salpetersaurer Salze ist ein Beweis für den theilweisen Ursprung des Salzgehaltes aus den zugeleiteten Stollenwässern. Dabei ist es aber sehr wahrscheinlich, dass der Süße See auch schon vorher, ja ver- muthlich immer, salzig gewesen ist, wenn auch in geringerem Maße als sein Nachbar. In Betreff der Entstehung der Seen theilt Dr. Ur im Wesent- lichen die Ansicht, welehe darüber in den Erläuterungen zur geologi- schen Speecialkarte von Preußen (Blatt »Teutschenthal«) ausgesprochen ist. Bei seinen Untersuchungen darüber ist er zu dem Schluss gekom- men, dass die Mansfelder Seen ihre Entstehung zunächst einer heben- den und somit das Wasser in den Flussthälern aufstauenden Boden- bewegung verdanken; dass sie ferner aber auch durch die auslaugende Wirkung des Wassers auf die unter dem Buntsandstein befindlichen Zur Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a/S. 321 Gips- und Salzlager und der damit verbundenen Senkung des Bodens verursacht worden sind. Zur weiteren allgemeinen Charakteristik dieser Seen und zur Be- stätigung der bereits von Marshall gemachten Beobachtung, dass in denselben zahlreiche Algenspecies zu finden seien, möge erwähnt wer- den, dass der Reichthum an niederen pflanzlichen Organismen sich in der That bei näherer Nachforschung als bemerkenswerth herausstellt. Aus einem mir von den Herren P. Rıcater und H. Reıcaerr in Leipzig freundlichst mitgetheilten Verzeichnisse der in den Mansfelder Seen vorfindlichen Algen ersehe ich, dass der größere von beiden besonders reich an Diatomeen ist, (45 Species), während im Süßen See davon nur 30 Species konstatirt wurden. Außerdem enthält der Salzige See, dem ich (eben so wie die früheren Untersucher) die meiste Aufmerksam- keit gewidmet habe, 12 Arten Cyanophyceen und 20 Arten Chloro- phyllophyceen. Hauptsächlich häufig sind in beiden Wasserbecken Nitzschia-, Navicula- und Pleurosigma-Species. Von Desmi- diaceen ist es Closterium lunula und Scenedesmus obtusus, welche sich in jeder Schlammprobe konstatiren lassen. Herr Dr. W. MıcuLı (vom pflanzenphysiol. Institut in Breslau) hatte die Güte, Algenmaterial, welches ich ihm frisch aus den Salzseen zusandte, einer genauen mikro- skopischen Durchsicht zu unterwerfen, aber er hat darin außer Campy- lodiseus noricus Ehrb. nur die bereits von anderen Beobachtern nach- gewiesenen Formen entdecken können. Dieser Fülle von niederen Pflanzenspecies entspricht eine nicht minder reich entwickelte Thierwelt; vorwiegend eine solche, welche durch zahlreiche Species von Proto- zoen, Würmern und Entomostraken vertreten ist. Daneben kommen auch noch eine Anzahl von Wassermollusken und einige Arten von Hydrachniden vor, durch welche die Mannigfaltigkeit der Fauna in diesen landschäftlich so schön gelegenen Seen noch beträcht- ‘ lich erhöht wird. | Ich werde im Folgenden über jede der genannten Thiergruppen gesondert berichten und zunächst mit den Protozoen beginnen. I. Urthiere. Schon Tu. EngeLmann, der den Salzigen See im Mai 1860 besuchte, berichtet: dass die Infusorienfauna desselben eine sehr reichhaltige sei; er fügt aber auch gleich hinzu, dass sie sich nicht wesentlich von der unserer süßen Binnengewässer unterscheide!. ! Ta. EnGELMAnN, Zur Naturgeschichte der Infusionsthiere. Diese Zeitschr. Bd. XI, 1862. p. 387. 222 Otto Zacharias, Ich habe die meisten der von EnGEeLmann namhaft gemachten Spe- cies entweder direkt aus dem See gefischt, oder nach einiger Zeit in den angelegten Kulturen auftreten sehen. Daneben konnte ich aber noch eine Anzahl von dem genannten Forscher nicht erwähnter Formen konstatiren. Dies kommt wahrscheinlich auf Rechnung der wärmeren Jahreszeit, in der ich meine Exkursion ausführte. Ich gebe zuvörderst das Verzeichnis der einzelnen Species: Amoeba limax Du)., Euglena oxyuris Schm., Paranema trichophorum Du). Enchelys arcuata Cl. u. L., Lacrymaria olor O. Fr. M., Coleps hirtus O. Fr. M., Lionotus fasciola Ehrb., Panophrys flava St., Paramaecium bursaria Ehrbh., ) Aurelia O. Fr. M., Colpidium colpoda Ehrb., Glaucoma seintillans Ehrh,., Cinetochilum margaritaceum Ehrb,., Pleuronema chrysalis Ehrb., Cyelidium glaucoma Ehrb., Trochilia palustris St., Chilodon cueullulus O. Fr. M., Stentor polymorphus Ehrb,., Urostyla Weissti St., Stichotricha secunda Pty., Uroleptus agilis Engelm., Oxytricha pellionella O. Fr. M., ) fallax St., Stylonychia pustulata O. Fr. M., ) mytilus O. Fr. M., Euplotes Charon Ehrb., ) patella Ehrb., Aspidisca lynceus Ehrb,., ) costata Du)., Trichodina pediceulus Ehrb. (auf Hydren), Vorticella mierostoma Ehrb., » convallaria L., » nebulifera Ehrb., Zur Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a/S. 223 Carchesium polypinum L., Zoothamnium affıne St., Opercularia stenostoma St., | Cothurnia cristallina Ehrb. Das sind im Ganzen 37 Arten. Rhizopoden und Flagellaten scheint Engermann überhaupt nicht angetroffen zu haben. Ich fand aber Amoeba limax und Euglena oxyuris außerordentlich zahlreich im Tiefenschlamm des Bindersees. Dagegen kam mir der von Eneermann entdeckte Uro- leptus agilis nicht allzu häufig ins Gesichtsfeld des Mikroskops. Wir haben es in diesem Thierchen mit einem Mittelgliede zwischen den Gattungen Uroleptus und Oxytricha zu thun, in so fern es sich der ersteren im ganzen Körperbau, der anderen aber mehr durch die Be- wimperung annähert. Eine genaue Beschreibung dieser Art (nebst Abbildung) findet man in der bereits citirten Abhandlung EnGELMAnNN’S. Der Süße See ist seiner stark beschilften Ufer wegen viel schwerer zugänglich als der Salzige. Indessen habe ich bei wiederholten Boot- fahrten in der Richtung von Schloss Seeburg nach Amsdorf den Schlamm- schöpfer über den Grund gehen lassen, und auf solche Weise hinläng- liches Material erhalten, um die Überzeugung zu gewinnen, dass es durchweg die nämlichen Protozoenformen sind, welche in beiden Seen vorkommen. Indessen fand ich in dem Seeburger Becken weder Amö- ben noch Flagellaten, ein Umstand, welcher vielleicht mit der chemi- schen Zusammensetzung des Wassers in Verbindung zu bringen ist. Wie schon oben erwähnt wurde, enthält dasselbe ansehnliche Mengen von salpetersauren Salzen gelöst. Aus obigem Artenverzeichnis wird sofort ersichtlich, dass exqui- sit marine Protozoen (wie vielfach vermuthet worden ist!) in den Mansfelder Seen nicht existiren; wohl aber sind in denselben eine An- zahl von Species anwesend, welche sowohl im Meere als auch in süßen Gewässern vorkommen. Dazu gehören: Cyelidium glaucoma, Pleuro- nema chrysalis, Chilodon cucullulus, Aspidisca Iynceus, Euplotes cha- Ton etc. Als negativen Befund, der aber immerhin Erwähnung verdient, habe ich anzuführen, dass in den Eislebener Seen die in allen stehen- den Gewässern so häufig zu findenden Arcellen und Difflugien fehlen. Hierin liegt der einzige, allerdings nur wenig bedeutsame An- klang, den jene salzhaltigen Wasserbecken an die Verhältnisse des Meeres darbieten, wo die genannten Rhizopodengattungen bekanntlich gleichfalls nicht vorkömmlich sind. 224 Otto Zacharias, II. Würmer. Vor Allem häufig sind in beiden Salzseen Räderthiere. Dabei ist aber die Zahl der Arten nicht bedeutend. Ich konstatirte deren nur acht, nämlich: Lepadella ovalis Ehrb., Rotifer vulgaris Ehrb., Philodina megalotrocha Ehrb., Furecularia gracilis Ehrb., Pterodina patina Ehrb., Monocerca cornuta Ehrh., Dinocharis pocillum O. Fr. M., Notommata (Lindia) torulosa Duj. Dazu kommt noch die behend schwimmende Ichthydine Chaeto- notus larus Ehrb. | Von Oligochäten fielen durch besondere Massenhaftigkeit Nais proboseidea O. Fr. M. und Nais elinguis O. Fr. M. auf. Als selteneren Fund aus dem Salzsee- habe ich das schön goldgelb gefleckte Aeolo- soma variegatum Vejd. anzuführen. | Die Turbellarienfauna ist in beiden Seen nur durch wenige Species vertreten. Es konnten von mir lediglich die folgenden nachge- wiesen werden: | Stenostoma unicolor O. Sch., » leucops O. Sch., Microstoma lineare Oe., Mesostoma viridatum M. Sch., Vortex truncatus Ehrb. Polycelis nigra O. Fr. M., Dendrocoelum lacteum Oe. Im Grundschlamm des Bindersees war Microstoma lineare | außerordentlich zahlreich vorzufinden. An Exemplaren, welche ich aus einer Tiefe von 6 Meter heraufholte und näher untersuchte, konsta- tirte ich eine Verkümmerung der als Augen fungirenden rothen Pig- | mentflecke. Es waren bei vielen Individuen nur noch Spuren dieser epithelialen Organe vorhanden. Höchst wahrscheinlich ist dieser Be- ' fund in seinen Ursachen auf das Leben in nur trübe beleuchteten ' Wasserschichten zurückzuführen. Im Anschluss an die vorstehenden Mittheilungen will ich noch er- | wähnen, dass von Cölenteraten nurHydra fuscaL. und Cordylo- phora lacustris Allm. von mir angetroffen wurde, und zwar in jedem | Zur Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a/S. 225 von beiden Seen. Der .zierliche Brakwasserpolyp war bisher bloß aus dem Salzigen See bekannt. Er existirt aber in noch üppigerer Entfaltung am schilfigen Seeufer bei Aseleben. _ Die von W. Marsnarı im Salzigen See (in der Nähe von Rollsdorf) entdeckte neue Form der Hydra viridis (var. Bakeri)!, welche nur eine Länge von 1—4,5 mm besitzt, konnte ich trotz eifrigen Suchens nicht auffinden, obgleich ich ganz die nämliche Uferstrecke abfischte, welche mir als der ursprüngliche Fundort derselben bezeichnet worden war. Die Arme sind bei dieser Varietät auffallend kurz, nur etwa von halber Körperlänge. Marsnauı berichtet das interessante Faktum, dass diese winzigen Hydren ihre Tentakeln öfters auch zum Kriechen ge- brauchen, etwa so wie es ein Gephalopode zu thun pflegt, wenn er, ohne zu schwimmen, den Ort wechseln will. Ich habe überhaupt in den Mannsfelder Seen lediglich braune Hydren angetroffen, nicht ein einziges Exemplar von der grünen Species. III, Entomostraken. In der pelagischen Region beider Seen konstatirte ich eine Ge- sellschaft von niederen Krebsthieren, welche aus nur wenigen Species zusammengesetzt war. Es tummelten sich dort Daphnella brachyura Liev., Daphnia longispina Leyd. und Diaptomuslaticeps Sars. Dazwischen fanden sich, wenngleich nur wenig häufig, auch noch Cyelops pulchellus Koch und Cyclops oithonoides Sars. Aber diese wenigen Arten sind in ungeheurer Individuenzahl vor- handen, so dass Marsuarı vollkommen Recht hat, wenn er sagt, dass der Boden des Schwebnetzes sich alsbald mit einem wimmelnden Brei an- fülle, selbst wenn man auch nur ein Stück weit in die Mitte der Seen hinausfährt. Von hauptsächlichem Interesse ist das massenhafte Vorkommen des Diaptomus laticeps in den Salzseen, weil dieser Kruster bisher nur in Norwegen und Schweden beobachtet worden ist. Das Verdienst, _ diese Art bestimmt und genau identificirt zu haben, gebührt Herrn S. A. Poppz in Vegesack, der darüber bereits früher Näheres publi- eirt hat ?. In der Nähe des Littorals ließen sich folgende Species in beiden Seen konstatiren: | Daphnia pulex de Geer, Ceriodaphnia reticulata Jur., 1 W. MaArsuALL, Über einige Lebenserscheinungen der Süßwasserpolypen und über eine neue Form von Hydra viridis. Diese Zeitschr. Bd. XXXV1l. 1882. 2 Cf, Zool. Anzeiger, Nr. 476, 1884. p. 499. 226 Otto Zacharias, Simocephalus vetulus O. Fr. M., Pleuroxus truncatus O. Fr. M., Alona rostrata Koch, Chydorus sphaericus O. Fr. M., Argulus foliaceus Jur., Cyelops coronatus Ql., » agilis Koch, » tenuicornis Ql. Aus dem Verzeichnis des Herrn Porpe, welcher seinerzeit-das von MArsnALL gesammelte CGrustaceenmaterial durchmusterte, theile ich speciell für den Salzigen See noch folgende Arten mit: Cyelops strenuus Fischer, » Jueidulus Koch, ) fimbriatus Fischer, Canthocamptus lueidulus Rehb., Cypris vidua Müll., » pubera Müll., » monacha O. Fr. M., » ornata Müll., » acuminata Fischer, » punctata Jur. Aus dem größeren Wasserbecken sind somit bis jetzt 25 Arten von Krebsthieren bekannt; aus dem Süßen See dagegen nur 15 Arten. Die schwierige Bestimmung der Cypris-Species ist von Herrn Dr. H. Rengerg, einem trefflichen Kenner der Muschelkrebse, vorgenommen worden, so dass bezüglich einer genauen Identificirung derselben gar kein Zweifel bestehen kann. Auffällig ist die Nichtanwesenheit von Leptodora hyalina in den Mansfelder Seen. Der vorhandene Salzgehalt des Wassers bietet dafür keine ausreichende Erklärung dar, denn Professor C. Cuun hat neuerdings nachgewiesen, dass diese Daphnide im Frischen und Kuri- schen Haff enorm zahlreich ist, wo sie je nach den Windrichtungen bald im reinen Seewasser, bald im Süßwasser lebt1. Hiernach scheint also Leptodora für den Aufenthalt in mäßig salzhaltigem oder in rein süßem Wasser gleich gut befähigt zu sein. Ihr Nichtvorkommen in den beiden Eislebener Seen ist somit nur durch die Launenhaftigkeit des Zufalls zu erklären, von welchem ja die geographische Verbreitung nie- derer Thiere im hohen Grade abhängig ist, in so fern Dauereier, Stato- hlasten und Gysten durch wandernde Sumpfvögel weithin weggetragen ! C. Caun, Über die geogr. Verbreitung der pelagisch lebenden Seethiere, Zocl. Anzeiger Nr. 214. 1886. p. 57, Zur Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a/S. 327 und nur gelegentlich dahin verpflanzt werden, wo sich die für ihre Entwicklung erforderlichen Bedingungen vorfinden. Hierdurch wird es allein begreiflich, dass wir jene in fast allen größeren Seen zahlreich vorkommende Daphnide in den Mansfelder Becken nicht antreffen, wo sie sonst gewiss eben so gut gedeihen würde, wie die anderen pelagi- schen Entomostraken,: welche dort in stupender Individuenzahl vor- handen sind. Es ist leicht möglich, dass mit Aufzählung der genannten Species die Krusterfauna jener Seen noch keineswegs erschöpft ist; insbeson- dere dürfte in der Nähe des Ufers noch diese oder jene (bisher über- sehene) Form anzutreffen sein. Leider ist der Süße See fast in seinem ganzen Umkreise von mächtigen Schilfwällen umgeben, welche das Ab- fischen des Littorals ungemein erschweren. Aber auch sonst ist die Untersuchung von Wasseransammlungen, deren Flächenausdehnung mehr als 1000 Morgen beträgt, keine leichte Sache. Es gehört dazu vor Allem ein sicheres geräumiges Boot, bei dessen Benutzung man nicht beständig der Möglichkeit des Kenterns ausgesetzt ist. Dergleichen Fahrzeuge sind aber weder in Seeburg noch in den Dörfern Aseleben oder Wormsleben zu haben. Es giebt überall nur ganz primitive Klotz- kähne, deren Lecke man meistentheils erst eigenhändig mit geölten Lappen verstopfen muss. Hierdurch wird es erklärlich, dass der Sal- zige See weit besser durchforscht ist, als sein Nachbar, denn in den Badeanstalten zu Wansleben und Unter-Röblingen bietet sich jeder Zeit Gelegenheit zur Erlangung vorzüglicher Böte dar. Hierzu kommt noch der günstige Umstand, dass man in den ge- nannten Ortschaften Räumlichkeiten antrifft, in denen man für einige Tage sein Observatorium aufschlagen kann. Das Restaurant zur Braue- rei in Rollsdorf ist ganz besonders für diesen Zweck geeignet, weil dasselbe ganz dicht am See gelegen ist. Überdies ist der Inhaber des- selben (Herr G. Drescher) ein verständiger und sehr gefälliger Mann, ‘ dem ich vielfache Förderung bei meinen Exkursionen zu verdanken habe. Auch Marsnarı hat bereits in seinem Bericht auf die Vorzüge von Rolls- dorf aufmerksam gemacht. Ich halte es nicht für überflüssig, auf dergleichen äußere Umstände in dieser Abhandlung hinzuweisen, denn wer selbst Studienausflüge ' gemacht hat, wird wissen, wie sehr deren Erfolg von solchen Neben- | dingen abhängig werden kann. IV. Hydrachniden. Den Wassermilben der Salzseen ist von meinen Vorgängern keine ‚ specielle Aufmerksamkeit zugewendet worden. Und doch stellen diese Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 416 228 Oito Zacharias, Thiere ein beträchtliches Kontingent zu der Fauna jener beiden Wasser- becken, ja einzelne Species treten zu Zeiten in solcher Massenhaftigkeit auf, dass man Hunderte von Individuen mit einem einzigen Netzzuge erbeuten kann. Dies war im Julimonat v. J. vorwiegend mit Diplodon- tus despiciens O. Fr. M. der Fall. Ganze Strecken in der Uferzone des Salzigen Sees waren scharlachroth gefärbt, und es lief sich leicht nach- weisen, dass diese Erscheinung lediglich von der massenhaften An- wesenheit der genannten Hydrachnidenspecies herrührte. Diplodontus despiciens wurde aus beiden Mansfelder Seen von mir gefischt, doch war sie in dem größeren Becken zahlreicher vorhanden, als in dem kleineren. Im Salzigen See kommen außerdem folgende Arten von Wassermilben vor: Limnesia histrionica Herm., Limnesia maculata ©. Fr. M., Nesaea variabilis L. Koch und Nesaea rotunda Kra- mer. In dem buchtartigen Ausläufer (Bindersee), dicht bei Rollsdorf, kam hierzu noch Hydrochoreutes ungulatus L. Koch und die seltene Species Arrenurusaffinis Könike, welche ich im Sommer 1886 zu- erst aus dem Karraschsee bei Deutsch-Eylau (Westpr.) fischte. Mein hochgeschätzter Mitarbeiter, Herr Fern. Könıke in Bremen, hat diese interessante Form im Anschluss an meinen Bericht über die Fauna westpreußischer Binnengewässer (Schriften der naturforsch. Ge- sellschaft zu Danzig. Bd. VII. 4. Heft. 1887) ausführlich beschrieben und abgebildet. Diese neue Species besitzt eine zinnoberrothe Farbe, ähnelt in ihrer Körpergestalt dem weit häufiger vorkommenden Arren. maculator O. Fr. M. und hat in den männlichen Exemplaren eine Größe von 0,9 mm. Das Weibchen ist beträchtlich stärker gebaut. Es misst etwa 4,25 mm in der Länge und reichlich I mm in der Breite (Genital- region). Dem Scharfblick des Herrn Könike gelang es, diese seltene Art aus dem konservirten Material, welches ich ihm von Rollsdorf aus über- sandte, herauszufinden, und mit der westpreußischen Hydrachnide zu identificiren. Im Süßen See konstatirte ich außer zahlreichen Exemplaren von Diplodontus despiciens und Nesaea rotunda auch die Anwesenheit von Nesaea uncata, einer gleichfalls seltenen Art, in Betreff deren mir Herr Könıke mittheilt, dass er dieselbe bisher nur von einem Fundort aus Norddeutschland kenne. Somit hat es sich immerhin verlohnt, die in Rede stehenden Seen auch einmal bezüglich ihrer Wassermilben zu inspiciren. Entomologische Beobachtungen habe ich mit meinem Ausfluge nicht verbunden; nach dieser Richtung sind beide Mansfelder Seen schon mehrfach von Speecialisten durchforscht worden. Der gleichzeitig mit mir in Rollsdorf anwesende Coleopterolog, Herr Pastor MüLLer (Grom- Zn Zur Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a/S. 229 menau), theilte mir jedoch einen Fund mit, dessen Anzeige auch für die weiteren Fachkreise von Interesse sein dürfte. Der Genannte fand näm- lich im Salzigen See auf Potamogeton pectinatusL. einen Käfer (Haemo- nia Curtisii Lac.), der am Strande von Pommern und bei Danzig an Potamogeton marinus vorkommt und der allem Anschein nach für die Fauna des Mansfelder Seekreises noch neu ist. V. Mollusken. Bezüglich dieser Thiergruppe stelle ich im Nachfolgenden das zu- sammen, was Herr OÖ. Gorpruss (Halle a/S.) durch zahlreiche Exkursio- _ nen an den Süßen und den Salzigen See im Laufe der verflossenen sechs Jahre ermittelt hat. Der genannte Malakozoolog hat mir seine Notizen bereitwilligst überlassen und so in dankenswerther Weise dazu beige- tragen, meinen Bericht über die faunistischen Verhältnisse der Mans- felder Seen zu vervollständigen. Außerdem ist Herr Dr. ©. REınHAarDT (Berlin) so freundlich gewesen, und hat mir diejenigen Arten von Wasser- mollusken namhaft gemacht, welche er bei einem im Jahre 1870 (in Ge- ' meinschaft mit Professor E. v. Martens) unternommenen Ausfluge in jenen Seen sammelte. Auf Grund solcher authentischer Mittheilungen sind die nachfolgenden beiden Verzeichnisse zusammengestellt worden. A. Wassermollusken des Salzigen Sees. Limnaea stagnalis L. G. R., ) » var. turgida Mke. G., » » var. lacustris Stud. G., » ovata Drap. G., ) palustris Müll. G. R., ) ) var. turricula Held. G., ) » var. fusca C. Pfeiffer. R., » truncatula Müll. G. R., » aurieularia L. G. R., Physa fontinalis L. R., Planorbis marginatus Drap. (= umbilicatus Müll.) G. R., » eontortus.L. G. R., » glaber Jeffr. (= laevis Ald.) G. R., ) crista L., var. nautileus L. G. R., Ancylus lacustris L. G., Bithynia tentaculata L. G. R., Hydrobia sp., Valvata piscinalis Müll. G. R., » antiqua Sow. G. R., 16* 230 - Otto Zacharias, Valvata cristata Müll. G., Neritina fluviatilis L., var. halophila Klett. G. R., Calyculina calyculata Drap. v. M., Pisidium pusillum Gmel. G., Anodonta piseinalis Nils. G. Die beigefügten Buchstaben G., R. und v.M. beziehen sich auf die Ermittler der betreffenden Arten, d. h. auf die Herren GoLpruss, Reın- HARDT und v. MARTENS. B. Wassermollusken des Süßen Sees. Limnaea stagnalis L., » ovata Drap., ) palustris Müll.,. ) ) var. turricula Held, Planorbis marginatus Drap., Neritina fluviatilis L., var. halophila Klett., Hydrobia sp., Anodonta piscinalis Nils. Im Bindersee wurden von Goıpruss, der diesen Theil des Salzigen Sees sehr gründlich untersucht hat, lediglich vier Species konstatirt, nämlich: Limnaea stagnalis L., L. palustris Müll., Neritina halophila Klett. und Anodonta piseinalis Nils. Was die in den obigen Verzeichnissen aufgeführte Hydrobia- Species anlangt, so ist dieselbe bald für Hydrobia ventrosa Mtg., bald für Hydrobia vitrea Drap. gehalten worden. MarsHALL spricht seinerseits von zwei verschiedenen Arten der genannten Gattung!, was seinen Grund jedenfalls in der Schwierigkeit hat, welche die Bestimmung der aufgefundenen Gehäuse darbietet. Es wurden bisher stets nur leere (halb verwitterte) Schalen von Hydrobia, oder gar nur die Fragmente von solchen aufgefunden, auf Grund deren eine sichere Bestimmung natür- lich kaum ausgeführt werden kann. Ich habe nun, um zu erforschen, ob nicht doch noch lebende Hy- drobien in den Mansfelder Seen vorhanden seien, ansehnliche Strecken des Grundes mit dem Schleppnetz untersucht, aber gänzlich ohne Erfolg. Der Tiefenschlamm des Süßen sowohl wie des Salzigen Sees enthielt nur Schalenfragmente der problematischen Species. Es scheint demnach, dass wir es in der vorliegenden Hydrobia mit einer bereits ausgestor- benen Art zu thun haben; wenigstens ist die Wahrscheinlichkeit dieser Ansicht, welche auch von vielen Malakozoologen getheilt wird, durch 1 Ch.1.c, p. 664. Zur Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a/S. 331 das negative Resultat meiner Schleppnetztouren erheblich gewachsen. Nach Cıessın steht die Hydrobia aus den Mansfelder Seen der H. baltica Nils. nahe, ohne jedoch mit ihr identisch zu sein. Ich muss es den Specialforschern überlassen, sich über diese Bestimmungsfrage zu eini- gen; mir kam es nur darauf an, zu erforschen: ob die fragliche Species noch gegenwärtig in lebenden Vertretern aufgefunden werden könne. Diese Möglichkeit muss ich — wie schon gesagt — auf Grund meiner speciell darauf gerichteten Bemühungen in Abrede stellen. Nach Beendigung meiner faunistischen Studien an den Salzseen machte ich von Halle aus einen Abstecher nach der weiter südlich an der Saale gelegenen Königl. Saline Dürrenberg. Ich wollte hier Ge- legenheit nehmen, die stark salzhaltige Soole in Bezug auf etwa darin enthaltene Organismen zu untersuchen. Ich fand bei meinem Besuche in den Leitungsrinnen des Gradirwerkes Soolwasser von 8,907 Procent Salzgehalt, welches seit etwa drei Tagen ruhig gestanden hatte. Die Oberfläche des aufgestauten Salzwassers war mit einem gelblichbraunen, schlüpfrigen Überzug bedeckt, von dem ich eine kleine Quantität sofort an Ort und Stelle mikroskopisch untersuchte. Ich konstatirte, dass diese gallertartige Masse fast ausschließlich aus Diatomeen bestand. Herr Professor Fern. Conn in Breslau hat später die Güte gehabt, die be- treffenden Arten zu bestimmen. Danach war es Synedra notata Kütz,., welche fast ganz ausschließlich diese üppige Vegetation eines gelben Rasens auf der Soole verursachte. Dazwischen fanden sich ganz ver- einzelt noch Exemplare von Nitzschia amphioxys, Achnanthes ovalis und Navicula eryptocephala. Die von mir angestellte Untersuchung ergab dann weiter die mas- senhafte Anwesenheit von Tipulidenlarven in jenem Diatomeen- schlamme, der ganz damit durchsetzt zu sein schien. Auch einige wenige Protozoenarten fanden sich bei sorgfältiger Untersuchung vor. Hauptsächlich Peranema trichophorum Duj., Euplotes charon Ehrb. und ein anderes hypotriches Infusorium, welches ein Mittelding zwischen den Gattungen Stichotricha und Uroleptus darstellte. Eine nähere Bestimmung desselben war mir aus Mangel an Litteratur auf der Reise unmöglich. Im Hinblick auf den Umstand, dass wir noch sehr wenige Er- fahrungen darüber besitzen, bis zu welchem Procentgehalt an Chlor- natrium Sool- oder Seewasser noch geeignet ist, Organismen zu beher- bergen, dürfte die obige Mittheilung, dass in Salzwasser von nahezu 9 Procent zahlreiche Insektenlarven und Protozoen in Gesellschaft von 232 Otto Zacharias, Zur Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a/S. Kieselalgen zu gedeihen vermögen, immerhin Anspruch auf wissen- | } "schaftliches Interesse haben. Zum Schluss dieser Berichterstattung habe ich noch der Königl. \ Preuß. Akademieder Wissenschaften in Berlin meinen verbind- " lichsten Dank für die Subvention abzustatten, welche mir von daher "behufs Fortsetzung meiner Untersuchungen über die niedere Fauna | binnenländischer Gewässer abermals zu Theil geworden ist. Hirschberg i/Schl., im Oktober 1887. Über den Geschlechtsapparat des Diplozoon paradoxum. Von Dr. Ernst Zeller in Winnenthal. Mit Tafel XIX. Schon lange trug ich mich mit dem Vorhaben meine bereits vor vielen Jahren zu Ende geführten Untersuchungen über die äußere Gestalt und die Anatomie des erwachsenen Diplozoon para- : doxum der Öffentlichkeit zu übergeben, ohne dass ich aber zur Aus- ftihrung desselben gelangen konnte. Auch jetzt vermag ich dies nicht im ganzen-Umfang zu thun und bedaure mich auf die Darstellung des Geschlechtsapparates beschränken zu müssen. Diese aber zu geben kann ich nicht mehr umhin, nachdem ich Herrn Professor LEuCKART auf seinen Wunsch eine Abbildung davon für die »zoologischen Wand- tafeln« zur Verfügung gestellt habe, dabei jedoch nur eine kurze Er- ' klärung geben und unmöglich Gelegenheit zu einer eingehenderen ' Beschreibung, welche doch beinahe nothwendig ist, finden konnte. — Meine Darstellung stützt sich auf eine große Zahl durch mehrere Jahre fortgesetzter mühsamer Untersuchungen meistens am lebenden Thier, ‚ welche aber, wie die schon früher in dieser Zeitschrift! von mir ver- öffentlichten Untersuchungen über die Entwicklung des Diplozoon paradoxum auf die kleinste auf Phoxinus laevis lebende Art sich be- ' schränken mussten. Wie in allem Übrigen, so sind die beiden in dem Diplozoon ver- einigten Thiere sich durchaus gleich auch in Betreff des Geschlechts- ‚ apparates, des Baues und der Anordnung seiner einzelnen Organe. Beide Thiere sind hermaphrodit, befruchten sich gegenseitig und bringen Eier hervor. 1 Bd. XXI. p. 168 ff. 234 Ernst Zeller, = Der männliche Geschlechtsapparat besteht aus einem einzigen Hoden mit einem einfachen Samenleiter, während der weibliche sich °,usammensetzt aus dem Eierstock mit seinem Ausführungsgang, dem Dotterstock mit seinem Ausführungsgang, dem Laurer’schen Kanal, dem Uterus mit dem Eiergang und einer äußeren Geburtswarze. Der Hoden (A) ist zu hinterst im Hinterleib gelegen, von ansehn- licher Größe und rundlicher leicht gelappter Gestalt. Er zeigt sich, ab- gesehen von einer mäßig starken Umhüllungsmembran, durchaus zu- sammengesetzt aus sehr hellen Zellen, welche eine durchschnittliche Größe von 0,015 mm im Durchmesser besitzen und durch den gegen- seitigen Druck eine unregelmäßig polyedrische Form angenommen haben. Jede Zelle schließt einen ganz auffallend großen den Zellenraum nahezu erfüllenden Kern ein. Dieser ist von länglich runder Gestalt und bläschenförmig, seine Hülle auffallend dick, häufig wie doppelt erscheinend, sein Inhalt eine gleichmäßige, nicht körnige Flüssigkeit, aus welcher das kleine vollkommen runde und bläschenförmige, wahr- scheinlich wandständige Kernkörperchen glänzend hindurchscheint. Die Samenfäden sind lang. — Der Ausführungsgang des Hodens (SL) ist lang und verläuft über die Rückenfläche des Eierstockes weg nach vorn ziehend in einem großen Bogen nach der Bauchfläche des Thieres und zwar nach dem Winkel hin, welchen diese in Folge der ge- kreuzten Verwachsung mit der Rückenfläche des anderen Thieres bildet, um hier auf eine kurze Strecke sich verengend unmittelbar an den Laurer’schen Kanal des letzteren sich anzuschließen — nicht, wie wir dies sonst zu finden gewohnt sind, nach außen sich zu öffnen!. Der Eierstock (Ov) nimmt die vordere Hälfte des Hinterleibes ein. Er ist von länglicher Gestalt, dabei in eigenthümlicher Weise ge- knickt und zusammengebogen, so dass sein Anfangs- und sein Endstück neben einander zu liegen kommen, worauf schon van BEn£Den ? aufmerk- sam gemacht hat. — Die jüngsten Ovula sind sehr klein und nur un- deutlich zu erkennen. So wie sie nach vorwärts rücken, werden sie größer und erreichen schließlich einen recht ansehnlichen Umfang. Das reife aus dem Eierstock ausgetretene Ovulum hat eine kugelrunde Ge- ! Den Hoden hat vAn BENEDEN zuerst aufgefunden, von seinem Ausführungs- gang aber jedenfalls nicht mehr als das Anfangsstück gekannt (vgl. dessen Mem. sur les vers intest. Paris 1858. p. 43). — Man erkennt den vollen Umfang des Ho- dens am besten bei noch jungen Thieren, welche die vierten Klammerpaare eben erst angelegt haben, doch auch sehr gut bei erwachsenen Thieren zur Zeit der Wintermonate. — Während des Sommers sind die Zellen des Hodens kaum zu unterscheiden, wohl aber die Kerne immer ohne Schwierigkeit aufzufinden, wenn auch durch die zahlreichen frei gewordenen Samenfäden vielfach verdeckt. 253.820. p-2432 | | | | | Über den Geschlechtsapparat des Diplozoon paradoxum. 235 stalt und besteht aus der dicken, dabei sehr elastischen Hülle, einer Dottermasse von sehr feinkörniger Beschaffenheit, dem mit einer hellen klaren Flüssigkeit gefüllten Keimbläschen, und dem Keimfleck, welcher letztere wiederum in weicher Masse einen einzelnen größeren oder mehrere kleinere Hohlräume in sich schließt. Das Ovulum misst im Durchmesser 0,04 mm, das Keimbläschen 0,026 mm, der Keimfleck 0,018 mm und der Hohlraum desselben bis zu 0,008 mm!. - Der Ausführungsgang des Eierstockes (OD) ist verhältnismäßig eng, aber sehr dehnbar und nimmt nach kurzem Verlauf zuerst den Laurer’'schen Kanal (ZX) und dann das Ende des Dottersackes (DS) in sich auf, um nach einem weiteren nur wenig längeren Verlauf in den Uterus (U) einzumünden. Der Dotterstock (DSt) ist ein mächtig entwickeltes Organ und seine rundlichen Drüsenläppchen erfüllen den größten Theil des Vorder- leibes, dem sie, indem sie sich zwischen und über die Verzweigungen des Darmkanales lagern, ein bei durchfallendem Licht eigenthümlich grauliches Aussehen geben. Sie werden zusammengesetzt aus mehr oder weniger rundlichen Zellen, welche eine körnige Masse und einen bläschenförmigen kugelrunden Kern mit verhältnismäßig großem Kern- körperchen einschließen?. — Die Menge der Läppchen ist eine so außer- ordentlich große und ihre Zusammenhäufung eine so dichte, dass es mir nicht möglich gewesen ist einen Ausführungsgang in der Masse der Drüse selbst aufzufinden. Wo derselbe (DG) am hinteren Ende die Drüse verlässt, ist er nur einfach vorhanden. Er erreicht von da in ! Mit dem Eintritt der kälteren Jahreszeit hört die Eierbildung auf und der Eierstock zeigt sich während der Wintermonate untersucht zusammengezogen und unscheinbar, nur noch wenige und kleine Ovula enthaltend, 2 Während der Wintermonate sind die Dotterzellen nicht leicht zu erkennen, da Kern und Kernkörperchen zwar nicht kleiner als sonst sind, die Zellhaut aber dieselben eng umschließt und von einer körnigen Masse nichts oder höchstens ‚Spuren vorhanden sind. 3 Pauzson spricht in seiner Abhandlung »Zur Anatomie von Diplozoon para- doxum« in: Mem. de l’acad, imp. des sciences de St.-Petersbourg. VIIle Ser. T. IV. No. 5. 1862 auf p. 10 von zwei Dotterstöcken und von zwei Ausführungs- sängen, welche dann nach hinten zu einem gemeinsamen Gang verschmelzen sollen. — Auch schon von NorpmAnn, der das Thier entdeckt und im ersten Heft seiner mikrographischen Beiträge zur Naturgesch. der wirbell. Thiere, Berlin 1832, be- schrieben hat, hatte zwei Dotterstöcke — seine Ovarien — und zwei Ausführungs- gänge angenommen, welche letztere aber zweifellos nichts Anderes als die beiden Hauptstämme des exkretorischen Gefäßsystems sind. — van BEnEDENn endlich spricht (a. a. 0. p. 42) von einem Dotterstock schlechtweg und von zwei nach unten sich vereinigenden Dottergängen, zeichnet jedoch in der Fig. 4 auf Taf. IV nureinen die Mitte der Drüse einhaltenden Ausführungsgang. 236 Rrost Zeller, gestrecktem Verlauf den oberen Rand des Eierstockes und gelangt hier in einem scharfen Winkel umbiegend auf die Bauchfläche des letzteren, erweitert sich sodann beträchtlich und bildet einen eigenen $-förmig gewundenen Abschnitt (DS), der passend schon von van BEnzDEn als Dottersack (vitellosac) bezeichnet worden ist und dessen Ende in den Ausführungsgang des Eierstockes einmündet. Der Uterus (U) bildet einen Hohlraum von ansehnlicher Größe und kommt, wenn er leer ist, an die äußere Seite des Dottersackes zu liegen. Er trägt auf seiner inneren freien Fläche eine große Anzahl heller, sehr diekwandiger und halbkugelförmig hervorspringender Zellen, welche einen kleinen blassen Kern enthalten und ist sehr kräfti- ger peristaltischer Bewegungen fähig. In ihm geschieht die Formung des Eies und die Bildung seiner Schale mit ihrem anfänglich ganz kurzen, schnabelförmigen, bald aber zu einem langen Faden sich ausziehenden Anhängsel!. — An das obere Ende des Uterus schließt sich der enge aber außerordentlich dehnbare Eiergang (EG) an, welcher auf seiner freien Fläche dieselben Zellen, die wir im Uterus gefunden haben, trägt, wie bei jungen Thieren am deutlichsten zu erkennen ist, und welcher in querem, leicht gewundenem Verlauf den Eierstock, den Dottersack und den Laurer’schen Kanal kreuzt und alsdann mit einem weiteren Bogen die gleiche Richtung mit dem Ausführungsgang des Hodens ein- schlagend nach dem Winkel sich hinzieht, welchen die Bauchfläche des Thieres mit der Rückenfläche des anderen Thieres bildet. In seinem Endstück erfährt er eine beträchtliche Erweiterung und lässt auf dem Boden der letzteren eine kleine knopfförmige Hervorragung erkennen, die in der Mitte eine kleine Delle trägt und durch einen engen und kurzen Kanal in Verbindung steht mit einem rundlichen und warzen- förmigen, durchbohrten Körperchen (GW), welches genau in jenen Winkel, welchen die Bauchfläche des Thieres mit der Rückenfläche des anderen bildet und zwar auf dem Grunde einer seichten taschenförmi- gen Einsenkung der allgemeinen Körperbedeckung zu liegen kommt und durch welches das reife Ei aus dem Körper ausgetrieben wird — eine äußere Geburtswarze, auf welche ich schon in meinen Unter- suchungen über die Entwicklung des Diplozoon aufmerksam gemacht habe?. In nächster Nähe von der Geburtswarze des anderen Thieres beginnt der Laurer’sche Kanal (LK), der aber bei Diplozoon nicht, wie i Das Nähere über die Bildung des Eies habe ich schon in meinen Unter- suchungen über die Entwicklung des Diplozoon paradoxum angegeben und darf wohl darauf verweisen (a. a. ©. p. 169, 470). 2 2.2. ©. p. 170, Über den Geschlechtsapparat des Diplozoon paradoxum, 237 ‚dies sonst der Fall ist, mit einer freien Mündung von der Rückenfläche des Körpers seinen Ursprung nimmt, sondern unmittelbar an den Aus- führungsgang vom Hoden des anderen Thieres sich anschließt. Der Kanal trifft nach kurzem Verlauf auf den Dottergang, da wo dieser die oben erwähnte scharfe Knickung macht und öffnet sich in ihn, um ihn aber auch sofort auf der entgegengesetzten Seite wieder zu verlassen und in zahlreichen Schlängelungen über den Eierstock hinweg nach hinten ziehend in den Ausführungsgang des letzteren einzumünden. — Man findet zur Zeit der geschlechtlichen Thätigkeit lebhaft sich be- wegende Samenfäden in seiner ganzen Länge und kann sehr schön das Zuströmen derselben aus dem Kanal in den Ausführungsgang des Eier- stockes beim Vorbeipassiren eines Ovulums auf seinem Weg vom Eier- stock nach dem Uterus beobachten, wie ich schon in meinen Unter- suchungen über die Entwicklung des Diplozoon angegeben habe. — _ Wie aus der gegebenen Darstellung zu ersehen ist, sind die Ver- hältnisse keineswegs so außerordentliche als vielleicht zum Voraus hätte vermuthet werden mögen. Vielmehr stimmt die Anlage des Ge- schlechtsapparates im Ganzen, wie die Anordnung und der Bau der einzelnen Organe, insbesondere auch der Verlauf ihrer Ausführungs- und der Zuleitungskanäle bei Diplozoon im Wesentlichen damit überein, wie wir dieselben auch bei anderen Trematoden zu finden gewohnt sind und es beschränkt sich abgesehen von dem Fehlen eines Begattungs- organes — welches Fehlen aber auch nicht so ganz vereinzelt dasteht — und der Eigenthümlichkeit, dass der Laurer’sche Kanal den Dottergang durchsetzt, die Abweichung in der Hauptsache darauf, dass der Aus- führungsgang des Hodens sich nicht auf der Bauchfläche nach außen öffnet und dass der Laurer’sche Kanal nicht mit einer freien Mündung von der Rückenfläche des Körpers seinen Ursprung nimmt, sondern dass in dem Winkel, den in Folge der kreuzweisen Verwachsung die Bauch- ‚ fläche des einen Thieres mit der Rückenfläche des anderen bildet, das Ende vom Samenleiter des ersteren und der Anfang vom Laurer’schen I a.a. ©. p. 170. — Paurson (a. a. O. p. 14) hat den unteren Abschnilt des LAU- RER'Schen Kanales und seine Einmündung in den Ausführungsgang des Eierstockes gekannt, ihn auch mit Sperma gefüllt gefunden, betrachtet und zeichnet ihn jedoch rrthümlicherweise als ein nach oben blindsackartig geschlossenes »Receptaculum seminis«. — Isına aber (Zool. Anzeiger, VII. Jahrg., Nr. 182, p. 635, »Über den Zu- sammenhang des Eileiters mit dem Verdauungskanal bei gewissen Polystomeen«), der den Laurer'schen Kanal gleichfalls, doch eben auch nur in seinem unteren Theil gesehen hat, glaubt eine offene Kommunikation desselben mit dem Darm annehmen zu sollen und erklärt ihn, wie bei Polystomum integerr. den inneren Samen- leiter als »Abführweg der überflüssigen Geschlechtsprodukte« Seine Annahme ist für den einen wie für den anderen Fall gleich unriehtig. 238 Ernst Zeller, Kanal des zweiten auf einander treffen und in geschlossenem und dauerndem Zusammenhang unmittelbar in einander übergehen. Dieses letztere so eigenthümliche Verhalten muss aber noch eine besondere Bedeutung gewinnen in so fern es uns gestattet einen Schritt weiter zu gehen und gerade in der Ausnahme den Hinweis auf die Regel zu erkennen, wie wir uns auch sonst bei den Trematoden die Begattung zu denken haben mögen — so zwar, dass bei diesen in dem einzelnen Akt eine vorübergehende Verbindung je zwischen dem Samenleiter des einen und dem Laurzr’schen Kanale des anderen Thieres zu Stande komme, wie wir sie als eine dauernde bei Diplo- zoon angetroffen haben. Es muss nicht nur die bisher noch so vielfach angefochtene Annahme, nach welcher dem Laurer'schen Kanal die Be- deutung und Funktion einer Vagina zukomme, der Cirrus aber bei der Begattung vermuthlich in den engen Kanal nicht eingeführt, sondern nur auf dessen Mündung aufgesetzt werde, eine Unterstützung von, wie ich glaube, entscheidender Wichtigkeit finden, sondern es wird des Weiteren angenommen werden dürfen, dass die Begattung auch eine gleichzeitige gegenseitige sei und dass dabei eine in ähnlicher Weise wie bei Diplozoon gekreuzte Stellung der beiden Körper zu einander stattfinde. Um beides zu ermöglichen, werden bei den mit einem Cirrus versehenen Trematoden, welche ja die überwiegende Mehr- zahl ausmachen, eben die beweglichen und ausziehbaren Cirri von wesentlichem Nutzen sein, und es werden die Thiere neben einander zu liegen kommen, die Distomen und Polystomen, indem sie dabei mittels ihres Bauchnapfes oder ihres am Hinterleibe gelegenen Haftor- ganes und im Wesentlichen so, wie ich es bei Polystomum integerri- mum beobachtet, und beschrieben und abgebildet habe', die Monosto- men aber, indem sie mittels ihres Mundnapfes auf der Unterlage sich | festhalten. Ist meine Annahme richtig, 'so verlangt sie freilich noch ihre Be- stätigung durch die direkte Beobachtung, wird diese aber mit der Zeit auch gewiss finden. Winnenthal, im December 1887. ! Vgl. E. ZELLer, Weiterer Beitr. zur Kenntn. der Polystomen. in: Diese Zeitschr, Bd. XXVII. p. 252 u. Fig. 45 auf Taf. XVII. Über den Geschlechtsapparat des Diplozoon paradoxum. 9) Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX. Die Thiere sind in einer Lage gezeichnet, in welcher unter der Belastung des Deckgläschens das eine (I) seine Bauchfläche, das andere (II) seine Rücken- fläche dem Beschauer zugewendet hat. Fig. 4 stellt die Geschlechtsapparate der beiden Thiere in ihrer ganzen Zusam- mensetzung dar, während in Fig. 2 von den Vorderleibern nur der hintere Abschnitt und damit nur ein kleiner Theil der Dotterstöcke gezeichnet ist. H, Hoden; SL, Ausführungsgang desselben; Ov, Eierstock; OD, Ausführungs- gang desselben; DSt, Dotterstock; DG, Dottergang; DS, Dottersack. U, Uterus; EG, Eiergang; G W, äußere Geburtswarze; LK, Laurer'scher Kanal, Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. Von Dr. Johann Cuceati, Assistent am Laboratorium der mikroskopischen Anatomie und Embryologie in Bologna. Mit Tafel XX und XXI. Die Veröffentlichung meines vorläufigen Berichtes „Über die Organisation des Gehirns der Somomyaerythrocephalak«, welcher im verflossenen Mai gedruckt wurde, veranlasst mich, auch das letzte Resultat meiner Untersuchungen als einen bescheidenen Bei- trag zur Kenntnis der komplieirten anatomischen Organisation der Arthropoden mitzutheilen. | Wer sich überhaupt mit dem Nervensystem beschäftigt, weiß die zahlreichen und beträchtlichen Schwierigkeiten zu ermessen, welche besonders das Studium des Gehirns von Insekten darbieten kann, sei es hinsichtlich der Verfahrungsweise, dass die Flüssigkeiten, die zur Härtung dienen, sofort auf diesen zarten Theil einwirken, sei es, dass das Gehirn durch die mannigfachen Behandlungsweisen, die hierzu er- forderlich sind, möglichst wenig alterirt werde. Und doch bringe ich ohne jedes Zögern meine Beobachtungen zur öffentlichen Kenntnis, denn ich habe die volle Bestätigung der von mir beobachteten Thatsachen bei den Arthropoden gefunden, und freue mich dessen um so mehr, als ich bemerke, wie sich fort und fort neue Ähnlichkeiten in der Organisation von Insekten verschiedener Ord- nungen herausstellen, so dass man in nicht allzu ferner Zeit auf siche- rer Grundlage einen allgemeinen Typus des Gehirns der Arthropoden wird feststellen können. Dann werden alle Verschiedenheiten, die wir antreffen, und die ich fast für nothwendig erklären möchte, natürlicher- weise mehr oder weniger zahlreicher ausfallen, je nach dem Platze, den das Thier in der zoologischen Stufenleiter einnimmt. i Bullettino della societa entomologica italiana. — Anno 49. Trimestre I, I. Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 341 Auch dürfen wir nicht zurückweichen, wenn wir bei der Orien- tirung des Gehirns großen Schwierigkeiten begegnen, oder uns, auch wenn wir sie gehörig orientirt haben, beim ersten Anblick ein nutz- bringendes Studium fast unmöglich erscheint. Ich bin der Meinung, dass mittels der neuen jetzt bekannten Methoden, zum Beispiel jener, die ich in meiner Arbeit! über die Or- thoptera beschrieben habe, und welche ich weiter unten noch ausführ- licher zu schildern gedenke, es mit einiger Geduld vielleicht möglich sein wird, die innere Organisation des einen, auf die innere Organisa- tion des anderen vollkommen zurückzuführen. Und diese meine Annahme wird durch die Thatsache bekräftigt, dass ich zwischen den Ordnungen der Orthopteren und der Dipteren von so verschiedener Gestalt schon jetzt sehr viele Ähnlichkeiten in der Organisation ihres Gehirnes entdeckt habe, und zwar nicht nur in ihrer äußeren, sondern auch in ihrer inneren Gestaltung. Die Lücken, welche sich leider in der vorliegenden Arbeit vorfin- den, dürften durch das vergleichende Studium des Gehirns anderer In- sekten leicht auszufüllen sein. Jene Thatsachen, welche in dem Gehirn der Orthoptera nicht nach- zuweisen sind, oder besser gesagt, welche ich nicht beobachtet habe, und die ich allenfalls in Zukunft bei aufmerksamer Beobachtung fin- den könnte, überlasse ich der Erforschung Anderer, mit der Bemer- kung, dass ich nie im Voraus gefasste Ideen verfolgt, und dass ich mich stets bestrebt habe, von Thatsachen, welche ich nachstehend zu be- sprechen gedenke, mich jedes Mal wiederholt zu überzeugen. Präparationsmethode. Sie besteht aus zwei Theilen. Der eine betrifft die Weise, durch ‚ welche die härtende Flüssigkeit schnell in das Gewebe eindringt, und ‚ die Elemente in kürzester Zeit abtödtet, ohne sie zu verändern. Der ‚ andere betrifft die Wahl der Flüssigkeit, Behufs eben der Tödtung der | \ i Elemente. Um das erste Resultat zu erzielen, verfahre ich folgendermaßen: ‚ Ich nehme das Insekt, durchsteche mit zwei Nadeln, die in einer Ent- fernung von 2 mm von einander in einem Stiele befestigt sind, den ‚ Thorax des Insekts und verschaffe mir auf leichte Weise die Gelegen- ‚ heit auch weitere Beobachtungen anzustellen. Indem ich das solchergestalt durchstochene Insekt in der Hand ‚ halte, schneide ich, in drei Schnitten, mit einer sehr scharfen Oku- i Bologna 1887. Käuflich bei H. Löscher in Turin. Verlagsbuchhandlung. 242 Johann Ouccati, listenschere einen Theil der Hornhäute und der vorderen Mundpartie dermaßen weg, dass sich vorn die unter den Augen sowie rechts und links vom Munde liegenden Lufthöhlen öffnen. Auf diese Weise bahne ich dem Reagens den Weg, dass dasselbe das Gehirn fast unmittelbar berühre. Nun löse ich mit der Schere den Kopf vom Thorax und tauche ihn auf 24 Stunden in die FLemuing’sche Flüssigkeit. Doch ist zu bemerken, dass ungeachtet dieser Manipulationen das Gehirn zu spät den Einfluss der befestigenden Flüssigkeit verspüren würde, und zwar wegen der Behaarung des Kopfes und wegen der Luft, womit die zahlreichen Tracheen angefüllt sind, welche es größten- theils auf der Oberfläche der Flüssigkeit halten würden; desshalb ist es nothwendig, mit irgend einem Instrumente den Kopf in der Flüssig- keit gänzlich untergetaucht zu halten. Zu diesem Zwecke gieße ich die Flüssigkeit in ein Probirröhrchen, führe die Köpfe in dasselbe ein und übe mittels kleiner durchlöcherter Hollunderscheiben einen leichten Druck darauf aus, um sie größten- theils unter der Flüssigkeit zu erhalten. Nachdem die Köpfe einen Tag lang in dieser verblieben sind, wasche ich dieselben während einer Viertelstunde mit Wasser, darauf setze ich sie eine halbe Stunde lang unter Alkohol von 36°, dann eben so lange Zeit unter Alkohol von 40°, endlich, während einer Stunde, in rektificirten Alkohol, darauf eine ganze Nacht über in eine gleich- theilige Mischung von rektificirtem Alkohol und Chloroform; den näch- sten Morgen kommen sie in den Ofen, bei einer beständigen Tempera- tur von 60°, und zwar in einem kleinen gut geschlossenen Gefäße, um sie mit Paraffin zu tränken. Nachdem alle Vorsichtsmabregeln angewendet sind, damit die Durchdringung ganz allmählich und gleichmäßig vor sich gehe, und das erziele ich, indem ich den Stöpsel des Gefäßschens langsam lüfte, benutze ich den Augenblick, wo alles Chloroform sich verflüchtigt hat, um das flüssige Paraffin und mit ihm die Köpfe aus dem Gefäße, in welchem sie sich bisher befanden, in ein Uhrgläschen auszuschütten, welches vorher in demselben Ofen angewärmt worden war. — Nach- dem ich die Präparate passend orientirt habe, schneide ich sie mit dem Tnoma’schen Mikrotom. Ich verwendete 28 Gehirne der Somomya erythrocephala und zer- schnitt dieselben in den verschiedensten Richtungen, und zwar in hori- zontaler, in vertikal-longitudinaler, in vertikal-transversaler und in schräger Richtung von oben und hinten nach unten und vorn. Die Schnitte, durchschnittlich 60 an der Zahl für jedes Gehirn, Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 243 klebte ich nach Mayzr’s Methode auf den Objektträger und färbte sie mit saurem Fuchsin, welches ich in folgender Mischung verwendete: saures Fuchsin 338, H,O 100 ecm, Chloralhydrat N. Die Präparate sind mir sehr klar gelungen und desshalb scheint es mir passend, mit größter Umständlichkeit die Methode zu beschrei- ben, welcher ich mich bei deren Darstellung bediente. Nachdem ich die Schnitte mittels des oben beschriebenen Ver- fahrens ordentlich auf das Glas des Objektträgers aufgeklebt habe, er- wärme ich es leicht an der Flamme, bis das Paraffin zu schmelzen be- sinnt. Nun wasche ich dasselbe wiederholt mit Benzin, mit rektifieirtem Alkohol, mit gewöhnlichem Alkohol und !/, Alkohol. — Mit einem Läpp- chen wische ich so viel als möglich von dem überflüssigen Alkohol ab und tauche den Objektträger in ein Glas destillirten Wassers. Eine viertel Stunde später entferne ich denselben aus dem Glas, trockne den Objektträger von unten und rings um die Sektionen herum sorgfältig ab und schütte alsdann die Fuchsinlösung darüber. Nach einer halben Stunde entferne ich das Fuchsin mittels eines schwachen Wasser- strahles und indem ich den Objektträger einigermaßen schräg halte. Ich trockne denselben darauf ab und lege ihn auf 10 Minuten unter Wasser. Nachdem ich denselben dem Wasser entnommen, wasche ich ihn während einiger Sekunden mit Alkohol und dann eben so lange mit absolutem Alkohol. Den Überfluss an letzterem entferne ich mit- tels Löschpapier, und ehe die Schnitte abtrocknen, übergieße ich die- selben mit Nelkenöl. Sobald ich bemerke, dass die Schnitte durch- sichtig werden, entferne ich den Überfluss des letzteren und schließe sie mit in Chloroform gelöstem Kanadabalsam. Außer der Fremming’'schen Flüssigkeit benutzte ich diesmal auch die von Rıgr angegebene und hat sich mir dieselbe nützlich erwiesen, : so dass ich deren Gebrauch Jedem anrathe, der sich dergleichen Unter- suchungen unterzieht, da ich mich überzeugt habe, dass das eine Ver- fahren das andere stützt. Die besten Präparate erzielte ich jedoch nach vorhergehender An- wendung der Freumine’schen Flüssigkeit. In beiden Fällen bildete stets das in Wasser gelöste saure Fuchsin das Färbemittel. Ich will den Versuch einer kurzgefassten Geschichte, welche die Einleitung meiner Arbeit über die Organisation des Gehirns gewisser Orthoptera bildet, nicht wiederholen. Andererseits ist, so viel ich weiß, kein anderes Werk erschienen, welches mich veranlasste, das damals Gesagte zu ändern oder das mich zwänge, etwas hinzuzufügen. Nach Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 47 244 Johann Guceati, dieser Erklärung gehe ich an die Schilderung meiner Beobachtungen, indem ich dabei dieselbe Reihenfolge wie früher beobachte, da kein Grund vorhanden ist, den einmal eingeschlägenen Weg zu verlassen, welcher mir der kürzeste und beste scheint. Ehe ich aber beginne, muss ich noch bemerken, dass ich alle mit den der Orthoptera homologen Theile des Gehirns mit den nämlichen Buchstaben bezeichnet habe, um deren Vergleichung zu erleichtern. Pilzhutförmige Körper bestehen aus dem Hut und dem Stiel, welche eine mittlere Anschwel- lung und eine Endanschwellung darstellen. Der Hut hat beinahe eine hemisphärische Form, die von hinten nach vorn etwas zusammen- gedrückt erscheint und besteht aus einem äußeren Deckel, der aus kleinen Zellen gebildet ist und aus einer inneren Masse (Mark), welche aus einer faserigen netzförmigen Substanz besteht (Taf. XXI, Fig. 3). Die Zellen sind sämmtlich von gleicher Größe mit ein wenig kör- nigem Protoplasma und einem an chromatischen Körnern reichen Nucleus. Von dem geringen Protoplasma einer jeden Zelle geht eine schmale Verlängerung aus, welche in die netzförmige Fasermasse eindringt und sich mit der Masse selbst vermischt, ohne dass man ihr zu folgen ver- möchte. Es ist wahrscheinlich, dass alle diese ceytoplasmatischen Verlänge- rungen, wenn sie in die Marksubstanz eingedrungen sind, sich zer- theilen, und nochmals zertheilen, mit den nächstliegenden vereinigen und einen großen Theil jener dichten Verzweigung bilden. Die Zellen sind eingenistet in einem dichten Bindegewebsnetz, welches reich an Neurogliazellen ist. Diese letzteren unterscheiden sich von den Zellen nervöser Natur dadurch, dass sie lebhaft mit Fuchsin gefärbt sind. Markmasse. Sie besteht aus einer netzförmigen, faserigen Sub- stanz. In dem oberen Hintertheil nimmt sie eine, durch den konkav- konvexen Deckel bedingte Form an, welche aus Zellen besteht, die den oberen Theil des Hutes bilden. Auf der äußersten, konvexen Seite ist die netzförmige, faserige Substanz nicht homogen, wie in den übrigen, inneren und unteren Theilen. Diese Verschiedenheit hat ihren Grund darin, dass vieleFasern, besonders jene, welche aus den oberen Zellen herrühren, kleine Spiralen bilden (Taf. XXI, Fig. 1, 4 8 T), welche im Querschnitt das Bild einer Centralfaser geben, die von mehreren Reihen feinerer Fasern umringt ist. Vom Centrum der Markmasse, so wie auch von deren Peripherie gehen Fasern aus (Taf. XXI, Fig. 3), welche den Hirnstiel bilden, in dem Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 245 man unterscheidet: einen Stiel, eine mittlere Anschwellung und eine Endanschwellung. Der Stiel — auf jeder Seite einer — sitzt rechts und links von der Medianlinie und nimmt eine Centralstelle im Gehirne ein. Er hat eine schiefe Lage, die sich von unten nach oben von außen nach innen krümmt. Er besteht aus dichter und dünner gestellten Fasern, welche beim Durchschnitt den Eindruck einer Anzahl in einander geschobener Röhrchen gewähren. Die dünner gestellten Fasern, nehmen den Raum zwischen den Röhren, welche von dichten Fasern gebildet sind, ein. Aber außer diesen, wie man in der Fig. 12 der Taf. XX fip sieht, giebt es wirkliche Gruppen von drei bis vier starken Fasern, welche die Achse des Stieles einnehmen. An den Stiel reiht sich allmählich die mittlere Anschwellung (Taf. XX, Fig. I rit), welche aus netzförmigen faserigen Substanzen be- steht, in denen sich die Fasern verlieren, welche den Stiel bilden. Die Form derselben ist etwas verschieden von der des Acridium, wogegen sie sich mehr jener der Gryllotalpa v. nähert. Da, wo die mittlere Anschwellung beginnt, löst sich von der vorderen, oberen Partie ein Cylinder von Nervensubstanz ab und dringt in die Gehirn- masse ein, welcher sich deutlich unterscheidet und welcher das An- sehen des Hirnstieles hat (Taf. XXI, Fig. 1, 4, 8, 9 pcf), weil er die gleiche Beschaffenheit besitzt. Die Cylinderchen, zu beiden Seiten der mittleren Linie gelegen, erreichen den oberen vorderen Theil der Oberfläche des Gehirns, gleich unter den Zellen, welche die Hirnrinde bilden, und sind hier von einer Kommissur von Nervenfasern umwickelt, die, obgleich ohne Zusammen- hang mit ihnen, sie doch eng umspannen, indem die Fasern, aus denen sie besteht, dieselben umkreisen. Beim Ursprung dieser Cylinder beginnt somit die mittlere An- schwellung, welche nicht homogen ist, sondern schichtweise von "Substanzen gebildet wird, welche mehr oder weniger dick, und mehr oder weniger fähig sind, die Färbung des Fuchsin anzunehmen. Diese Schichten haben eine im Verhältnis zur normalen Lage des Insektes horizontale durchschneidende Richtung (rit). Die Form der mittleren Anschwellung ist unregelmäßig. Bogenförmig, konkay nach innen, konvex nach außen, ist diese Anschwellung schräg in der Richtung von außen nach innen gelegen. Diese Mediananschwellung beginnt abzunehmen, indem sie sich nach unten wendet, und zwar dergestalt, dass sie zu beiden Seiten der Me- dianebene wieder zu einem Cylinder anwächst und zwar in der Gestalt einer Birne. Sein geschwollenes Ende hängt mit dem auf der anderen Akt 246 Johann Guceati Seite gelegenen Cylinder durch ein dichtes Bindegewebe zusammen, nicht aber durch Kommissuren von Nervenfasern (rgt). Antennenanschwellungen. Zwei dieser Anschwellungen nehmen den oberen, hinteren Theil des Gehirns zu beiden Seiten der Medianlinie ein, und zwar sind sie rechts und links von derselben gelegen. Sie sind außerordentlich ent- wickelt, so dass, obgleich das Gehirn der Somomya erythrocephala viel kleiner ist, als das des Acridium, die Antennenanschwellungen bei beiden von der gleichen Größe sind. Ihre Gestalt (Ol) ist die einer etwas unregelmäßigen Kugel und zwar rührt diese Unregelmäßigkeit von den Ballen der Antennen- anschwellungen verschiedener Größe her, welche vorzugsweise die äußerste Stelle der Antennenanschwellung einnehmen, ferner rührt diese Unregelmäßigkeit daher, dass die Antennenanschwellungen rings- um, besonders aber nach hinten zu, von einer beträchtlichen Anzahl von Fasern umgeben sind, welche ansehnliche Kommissuren bilden, wie wir Gelegenheit haben werden, noch näher zu beobachten, wenn von den Antennennerven die Rede sein wird. | So viel in Bezug auf die Gestalt. Was die innere Organisation be- trifft, so kann ich nur zu dem bereits Gesagten hinzufügen, dass die Ballen der Antennenanschwellungen stets viel stärker sind als die der Orthopteren und dass die netzförmige Substanz, welche man als Grund- substanz betrachten darf, vorzugsweise das Gentrum der Kugel, einen sphärischen Raum, welcher der Ausdehnung, den die Ballen annehmen, gleichkommt, einnimmt. Diese Grundsubstanz wird von einem dichten Netz feiner Fasern gebildet, welche sich mit fortgesetzter Theilung ins Kleinste zertheilen und ein Netz von außerordentlich feinen Maschen bilden. Mit einer bedeutenden Vergrößerung (1000 Diameter) und mittels eines Immersionsobjektives betrachtet zeigen sich die Ballen der An- tennenanschwellungen als aus der nämlichen netzförmigen Substanz zusammengesetzt, aus welcher die Grundsubstanz besteht, mit dem Unterschied, dass bei diesen Ballenanschwellungen die Maschen des Netzes unvergleichlich dichter sind. Sowohl die Ballen der Antennenanschwellungen, wie die netzför- mige Grundsubstanz, stehen in direktem Zusammenhang mit den An- tennennerven und mit den Zellen, welche die Antennenanschwellungen äußerlich bekleiden (Taf. XXI, Fig. 3 pl). Ich bin sogar der Ansicht, dass ein großer Theil der Fasern, aus denen sie gebildet sind, von den Verlängerungen der Zellen gegeben Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 947 sei, welche sich in den Antennenanschwellungen wieder und wieder zertheilen. Wie ich bereits in meinem vorläufigen Bericht bemerkte, sind die Ballen der Antennenanschwellungen oft mittels zarter Fasern, welche von einem naheliegenden Ballen zum anderen gehen, unter einander befestigt und verbunden, oder auch sind die Ballen der einen Antennen- anschwellung durch Fasern von gleicher Länge mit Ballen der anderen Anschwellung zusammenhängend und bilden auf diese Weise Kom- missuren, oder es giebt auch Fälle, wo die Ballen einer Anschwellung mit nicht gleichgelegenen Ballen der anderen in Verbindung stehen, und vollziehen die Fasern Kreuzungen, welche auf der Medianlinie stattfinden. Hinter und vor den Antennenanschwellungen sitzen zwei starke Kommissuren (Taf. XXI, Fig. 3 Olc, Taf. XX, Fig. 2, 3 Olc‘), deren aus- führliche Schilderung ich nachstehend machen werde. Fächerförmiger Körper. Er nimmt das Centrum des Gehirns ein und sitzt in der Mitte der Medianlinie (cv) mit seiner schrägen Hauptachse von vorn nach hinten, von oben nach unten gerichtet; er besteht aus einer körnigen, netzför- migen Substanz, in welcher Fasern verlaufen oder dieselbe nur durch- laufen. Es sind an ihm deutlich zwei Theile zu unterscheiden, wovon der eine der hintere, der andere der vordere Theil ist. Der hintere Theil bietet eben den Anblick eines offenen Fächers, doch nur wenn die Schnitte perpendikulär an seiner Hauptachse gemacht werden. Doch ist schwer, genau anzugeben, aus wie vielen Theilen der fächer- föormige Körper besteht, weil dieselben nur angedeutet sind. Jedenfalls scheinen es nicht mehr als sieben zu sein, und ist diese Eintheilung vom Durchgang der Fasern gegeben, welche von dem hinteren Theil des Gehirns ausgehen, nicht aber durch eine thatsächliche Theilung desselben. Der vordere Theil ist durch einen Körper dargestellt, den ich auch jetzt eine»elliptische Sektion« nennen will (Taf. XXI, Fig. 3, 6,7 a, Taf. XX, Fig. 1, 2, 9), weil er in derselben Weise geformt ist, wie der- jenige der Orthopteren. Ein wenig von oben nach unten zusammengedrückt hängt er mit dem oberen Theil durch feine Schlingen zusammen, die aus faseriger, netzförmiger Substanz bestehen. Dieser Körper theilt sich in zwei Zweige, welche sich nach unten zu rückwärts biegen und allmählich schwinden. 248 Johann Cuceati, Gabelförmiger Körper. Im Verhältnis zu der Kleinheit des Gehirns ist derselbe sehr ent- wickelt. Er befindet sich rittlings auf der Medianlinie und in einer vertikalen Fläche, welche querüber nach hinten gelegen ist (fe). Er sitzt in dem oberen Theil des Gehirns und ist oben, nach hinten, stark aus- gehöhlt; flach nach vorn und nach unten. Er besteht gleichfalls aus Fasern und körnigen, netzförmigen Substanzen, und laufen die Fasern vorzugsweise der Länge nach gehend. Die beiden Zinken desselben sind von gleicher Länge und bestehen aus der nämlichen Substanz. Sie lösen sich vom Körper der Gabel ab und eine schräge Fläche nach: hinten durchlaufend, verlieren sie sich in der Nervenmasse des Gehirns. Stielballen. Ich nenne Stielballen jene Masse von netzförmiger Substanz, welche den Schlund gleich wie mit einem Ringe umgiebt, und welche weiter unten dem Hirnstiele seinen Ursprung giebt. Sie sind von mehr oder minder dichten Schichten von Nervenzellen verschiedener Größe umgeben, welche besonders in dem inneren unteren Theile vorkommen. Ganz verschieden von denen der Orthoptera sind dieselben in der Somomya erythrocephala sehr kurz und dick und unter dem Schlunde fest zusammengefügt. Zwischen ihnen gehen Fasern hin- durch, welche entweder in die Gehirnmasse eindringen, oder nach dem Stiele zu verlaufen. Es giebt jedoch auch Anhäufungen von netzförmiger Substanz, welche sich leicht unterscheiden lassen, und welche den Ausgangspunkt der Fasern bilden, die nach dem Gehirnstiel gehen. Gehirnstiel. Er kommt in der Somomya erythrocephala nur einmal, und zwar sehr entwickelt vor (pc); man kann denselben als das Resultat der Fusion von zwei Hirnstielen betraehten, welche sich auf der Me- dianlinie in einen verschmelzen. Der Ursprungspunkt derselben ist in den Stielballen, begrenzt von einer leicht angedeuteten Verengung, die man auf den ersten Blick bemerkt, und welche den einen von dem anderen trennt; er unterscheidet sich übrigens auch dadurch, dass in ihm die körnige netzartige Substanz des Gehirns aufhört und sich in ihm nur Nervenfasern finden. Der Gehirnstiel besteht lediglich aus Fasern, welche vom Gehirn oder von den Stielballen ausgehen. Die dicken Fasern laufen vorzugs- weise in dem oberen Theile des Stieles, das heißt in jenem Theile, der mit dem unteren Theile des Schlundes fast in Berührung steht. Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 249 Ballenmassen. -Dieselben bestehen aus körniger netzförmiger Substanz. Man kann sie größerer Bequemlichkeit wegen bei der Schilderung als zwei, rechts und links von der Medianlinie sitzende betrachten, doch könnte man sie auch für allein dastehend erklären, wenn man ermisst, dass in dem oberen hinteren Theile des Gehirns zwei Zünglein aus körniger netz- förmiger Substanz sich berühren und weiter unten in den Stielballen die beiden Massen sich gänzlich verschmelzen. Diese Massen haben nicht überall eine übereinstimmende Organi- sation. Oft findet man in ihnen Zonen, in denen die Substanz sich ver- diehtet oder auch verdünnt hat, und welche die Räume abgrenzen, in denen Nervenbündelchen verlaufen oder ihren Ursprung nehmen. Es ist unmöglich, deren Zahl anzugeben, weil sie oft ganz allmäh- lich in einander übergehen, gleichsam schwinden, während einige davon eine starke und hervorstechende Färbung annehmen, welche sie ent- schieden abgrenzt. Augenanschwellungen. Sie befinden sich an beiden Seiten des Gehirns (Taf. XX, Fig. 7 Lo) und sind von diesem durch eine Demarkationslinie getrennt, welche da beginnt, wo die körnige, netzförmige Substanz aufhört, welche die bei- den groben Ballenmassen des Gehirns bildet. Vergleichende Studien belehren uns jedoch, dass diese Linie zum Theil nur in unserer Einbil- ‘ dung besteht, weil, wie wir später sehen werden, auch eine im Inneren ‚ jener Linie gelegene Ballenmasse entschieden zu den Augenanschwel- lungen gehört (Mb, Taf. XX, Fig. 2). Sie sind, wie das Gehirn, von einer gerieften Scheide umgeben, welche zwei Oberflächen bietet: die äußere und die innere. Auf der inneren Oberfläche findet man hier und da Zellen verstreut, die eine wenig bestimmte Form haben, auf den Riefen festsitzen, einen großen Nucleus und wenig Cytoplasma besitzen. Die Augenanschwellun- gen haben die Form einer Spindel mit abgerundeten Extremitäten, deren Achse senkrecht zur Länge des Körpers gerichtet ist. Die dickste Stelle jener Spindel liegt nicht in der Mitte ihrer Länge, sondern etwas weiter nach unten. Auf der konvexen äußeren Oberfläche und auf einer der Achse der Spindel parallel laufenden Ebene dringen, sich kreuzend, die Fasern ein, welche den Augennerv bilden (Taf. XX, Fig. 3 No); diese Fasern gleichsam zu einem Bande vereinigt, setzen sich in den Augenanschwel- lungen auf einer longitudinalen Linie fest, die den unteren ?/, der 250 Johann Ouceati, Achse der Spindel (eine geringe untere Portion ausgenommen) ent- spricht. An der inneren Seite verliert die Spindel ihre Regelmäßigkeit, ist von vorn nach hinten gedrückt, und verdünnt sich von oben nach unten in der Weise, dass sie ein Streifchen bildet (Taf. XXI, Fig. 5, Taf. XX, Fig. 3 y), welches parallel zu der Hauptachse der Spindel ge- legen dazu dient, um die Augenanschwellungen mit dem eigentlichen Gehirn zu verbinden. Dieses Streifehen ist einigermaßen von konvex-konkaver Gestalt, mit hinterer Konvexität und vorderer Konkavität, und bezeichnet den Scheidepunkt zwischen den Augenanschwellungen und dem Gehirn. Die Augenanschwellungen bestehen aus Zellen, Fasern und der körnigen netzförmigen Substanz, welche zwei besondere Massen bildet, und zwar: die zwei geschichteten Körper, deräußere und der innere (Berroxcn), oder die äußere und innere Mark- substanz (VıaLLanss). Äußerer geschichteter Körper. Er befindet sich mitten in der Achse der Augenanschwellungen, bildet deren Hauptbestandtheil (ecs), und besteht aus Nervenfasern und körniger netzförmiger Substanz, welche von den Fasern des Augen- nerves durchschnitten wird. Gelegentlich des Augennerves ist es hier am Platze, die irrthümliche Ansicht Bercer’s und Anderer zu er- wähnen, welche den Augennerv mit dem vorerwähnten Streifchen, das die Augenanschwellungen mit dem Gehirn verbindet, verwechselt haben. Jetzt besteht kein Zweifel mehr in dieser Beziehung, und viele vergleichende Beobachtungen beweisen es, dass unter der Bezeichnung Augennerv jene Kreuzung der Fasern zu verstehen ist, welche aus den Retinaschichten herrühren und welche dazu dienen, jene mit den Augenanschwellungen zu verbinden. Zu dem äußeren geschichieten Körper zurückkehrend, be- merke ich, dass derselbe in zwei verschiedene Theile getheilt ist und dass die Substanz, welche ihn bildet, bekanntlich rinnenförmig in einan- der gehend in der Weise geordnet ist, dass deren Konvexität nach außen, deren Konkavität nach innen fällt. Es sind vier dieser Rinnen vorhan- den und zeichnen sich dieselben durch eine beträchtliche Verdichtung der netzförmigen Substanz aus. Drei derselben, unter einander verbunden, bilden den stärksten und äußersten Theil des geschichteten Körpers; ein anderer vierter Theil bildet einen dünneren inneren Theil und ist mit den anderen durch eine klare Zone vereint, welche wenig Bindefasern hat, und von Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 2351 einer netzförmigen, dünnen Nervensubstanz geformt ist, die sich be- trächtlich von der in den anderen Theilen unterscheidet. In dieser klaren Zone sind die Fasern, welche von dem Augennerven ausgehen, sehr ersichtlich, eben so wie jene vertikalen, longitudinalen Fasern, welche ein kleines Bündelchen bilden, von dem späterhin zu reden ich mir vorbehalte (Taf. XX, Fig. 3 s). Der stärkste Theil des geschichteten Körpers besitzt, wie wir gesehen haben, rinnenartige, höckrige Platten, parallel laufend mit dem äußersten Rande der Augenanschwellungen und von einander durch klare Zonen geschieden. Woher rührt nun die Verdichtung und die höhere Färbung der Platten? So wenig Fleiß man auch bei der Beobachtung anwenden mag und selbst bei Benutzung einer nur mäßigen Vergrößerung bemerkt man doch gleich, dass jene Platten durch die Nachbarschaft kleiner Partikel- chen bedingt werden, die in der Richtung der vertikalen Achse, durch welche‘die Spindel geht, aufgeschichtet sind und inmitten deren viel- leicht auch die Fasern des Augennerven verlaufen!. Wer nun versuchen möchte, diese Vergrößerung zu erklären, welche beim Durchgang der Fasern stattfindet, könnte glauben, dass sich ein Theil der Fäserchen von der Faser löse, um sich mit der körnigen, netz- förmigen Substanz mittels Auflösung der Fäserchen in die Netzhaut in Verbindung zu setzen, während die anderen, zu einem Bündel vereint, weiter dringen; oder auch, dass diese Fasern bei ihrem Durchgang die Seitenzweige verlassen und sich mit der körnigen, netzförmigen Sub- stanz verbinden, so wie man auch vermuthen könnte, dass jene Par- tikelchen aus Bindegewebe bestehen, durch welches die Fasern des Augennerves durchgehen. Der feinste Theil ist auf die gleiche Weise wie der andere be- schaffen. Er weist jedoch nur eine Platte auf, welche mit der anderen parallel gebogen ist, auf und an welche einerseits die Augenfasern reichen, während sie auf der anderen Seite von dieser Stelle ausgehen, um nach dem Gehirn zu gehen. Innerer geschichteter Körper. Er besteht aus zwei Theilen, einem hinteren und einem vorderen, welche innerlich durch die körnige, netzförmige Substanz vereint sifd und deren Hauptachse dem äußeren geschichteten Körper parallel liegt. 1 Berroncı hat beobachtet, dass bei der gewöhnlichen Fliege die Zahl dieser Partikelchen der Anzahl der Retinulae entspricht. Bei der Somomya war es mir nicht möglich nachzuzählen. 352 | Johann Cuecati, Der hintere Theil, der längere von den beiden (Se), ist von hinten nach vorn zusammengedrückt und unten so wie oben platt; krümmt sich $-förmig nur in seinem mittleren Theile und; während einer Strecke, welche der Hälfte seiner Länge entspricht. Der vordere Theil ist kürzer als der andere, und hat die Form eines eiförmigen Körpers (Co). Dieser eiförmige Körper ist nach außen und nach hinten von einer feinen, aber dichten Schicht körniger, netzartiger Substanz (Pr) begrenzt, welche hier und da große und kleine Löcher aufweist, durch welche starke und feine Fasern durchgehen, die im Verein mit denen des äußeren geschichteten Körpers eine innere Kreuzung vollziehen (chi). Der übrige Theil besteht aus zwei oder drei Schichten von faseriger, netzartiger Substanz, die abwechselnd mehr oder weniger dicht sind (Co), wovon er auch hier seinen Namen eines geschichteten Körpers hat, obgleich diese Schichten nicht immer so ersichtlich sind wie z. B. bei der Squilla, bei welcher die Schichtung des homologen Körpers auffallend ist. — Diese beiden äußerlich und innerlich geschichteten Körper sind unter einander durch feine und dünne Fasern verbunden, über deren-Natur ich mich nicht auszusprechen wage. Vielleicht sind, diese Fasern nur Bindegewebe, oder nur nervöser Natur, oder auch von dem einen und dem anderen Gewebe. So viel ist sicher, dass zwischen dem inneren konkaven Theil des äußerlichen geschichteten Körpers und den konvexen Grenzen der Querfasern, welche die innere Kreuzung bilden, esandere, querüber durchgehende Fasern mit zahlreichen großen Zellen giebt, welche außer durch ihren Anblick auch desshalb als dem Bindegewebe angehörig sich erweisen, weil sie von dem Gewebe aus- gehen, welches die Unterlage der Nervenzellen der Augenanschwel- lungen bildet und welches Gewebe Neurogliazellen besitzt. Derinnerliche geschichtete Körper verändert sich in dem A Theile, welcher nach dem Gehirn zu gewendet ist, zu einem Netz mit hreiten Maschen, von welchem aus verschiedene Nervenbündel ihren Anfang nehmen (Bündel tr’, Taf. XX, Fig. 1, 14; Taf. XXI, Fig. 1,2,7,8; Bündel g, Taf. XXI, Fig. 1, 2, 8, 9; Taf. XX, Fig. 4). Beide Theile be- stehen aus Fasern und aus körniger, netzförmiger Substanz, und sind von einander durch das Nervenbündel, das vom äußeren geschichteten Körper herrührt, getrennt, welches Bündel man eine Fortsetzung des Augennerven nennen könnte. hs Nervenzellen. Es giebt deren große und kleine. Die kleinen Nervenzellen sind in bedeutender Anzahl vorhanden und umgeben die ganze hintere Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 353 und äußere Oberfläche der geschichteten Körper, so wie einen Theil der inneren, vorderen Oberfläche derselben. Diese Zellen befinden sich in den Maschen eines Neuroglianetzes. Der innerliche geschichtete Kör- per ist außer von Nervenzellen noch von verschiedenen Schichten kleinerer Zellen umwickelt, welche nach hinten eine Art äußerer Kap- ee bilden (Taf. XX, Fig, 1,2, 3,4, 5,7, 144; Taf. XXI, Fig. 1,5, 7 oc). Diese Zellen gehören vielleicht zum Bindegewebe: denn sie verhalten sich gegenüber den Reagentien ganz anders als die vor ihnen liegenden Nervenzellen; doch könnten sie eben sowohl nervöser Natur sein, und es könnten durch starken gegenseitigen Druck in ihrem Protoplasma und im Nucleus Veränderungen vor sich gegangen sein, welche nicht nur ihre Form, sondern auch ihr Verhältnis zu den Farbstoffen beeinflussten. Die großen Nervenzellen haben einen Diameter, welcher etwa das Doppelte jenes der kleinen Zellen ist und sind gruppenweise geord- net. Diese Zellen liegen an der äußersten Grenze nach hinten des äußeren geschichteten Körpers; am inneren vorderen Rande, und end- lich und zwar am dünnsten gesäet im triangularen Prisma (Ecken- ganglien Vıarzangs), welches letztere zum großen Theil aus Nervenzel- len besteht und mit seiner konkaven Base auf der konvexen Oberfläche des äußeren geschichteten Körpers ruht (Taf. XXI, Fig. 7 gco). Wenn ich nicht sehr irre, so glaube ich an einigen der größten Zellen, wie in den Augenanschwellungen der Squilla Mantis (Ber- Lonci), eine Verlängerung beobachtet zu haben, welche in den äußeren geschichteten Körper eindringt. Das Zellenprisma, dessen ich oben erwähnte, scheint auf die- selbe Weise gestaltet zu sein, wie der Verlauf der Fasern des Augen- nerves, die sich beinahe fächerförmig öffnen und jene Zellen in sich ‚ einschließen, aber das Prisma eben sowohl wie die äußeren hinteren und äußeren vorderen Zellengruppen sind nach meiner Meinung ein und dasselbe Ding, und die Grenzlinie zwischen diesen beiden äußeren hinteren und äußeren vorderen Gruppen und dem Prisma ist nach meinem Ermessen nur durch die topographische Nothwendigkeit bedingt; das heißt, dass die Fasern, welche von einem einzigen Punkte ausgehen (dem Kreuzungspunkt der Fasern des Augennerves) und eine konvexe Oberfläche zu erreichen haben (den äußeren geschichteten Körper), da die Ecken, welche sie bilden, je mehr sie sich dem Gipfel nähern desto spitzer werden, um die Tangente zu bilden, sich nothwendiger- weise einander mehr nähern müssen, welche Annäherung verhindert, dass inmitten der Fasern auch Zellen eingeschlossen seien. So entsteht die Bildung eines kompakten Bündels (fno). Eine Gruppe sehr starker Zellen befindet sich am vorderen kon- 254 Johann Cueceati, vexen Rand des äußeren geschichteten Körpers, deren zu erwähnen ich bei der Besprechung der Nervenbündel Gelegenheit haben werde (Taf: XX, Fig. 3,5; Taf: XXL, Fig. 1, 7 ro). ——— Bündel feiner Fasern, welche die Antennenanschwellungen mit anderen Centren verbinden. Fe an rn nen Was über die Organisation der Apienuenau De un zu be- merken ist, habe ich bereits oben gesagt. Jetzt komme ich zur Besprechung ihres Zusammenhanges mit an- deren, dem Hirn näher oder ferner liegenden Theilen. Vor Allem be- sinne ich mit der Erwähnung des sehr ee. s- | Bündel (Taf. XX, Fig. 3, 9; Taf. XXI, Fig. 3, 6, 7 oo), welches zuerst ' durch Berronxcı von der Elietale lerne beschrieben wurde, und welches sich auch bei anderen Orthopteren entwickelt vor- findet. | Dieses Bündel geht vom Centrum der Antennenanschwellungen | aus, entspringt aus demselben und hinter demselben und läuft schräg | von unten nach oben, von außen nach innen. Auf diese Weise vor- | rückend, nähert es sich einigermaßen der Medianlinie, entfernt sich | dann etwas scharf nach hinten abweichend, bis es auf den Ursprung | der beiden Zinken des gabelförmigen Körpers trifft. Hier wickelt | es sich um sich selbst, indem es sich nach außen umbiegt. Bei dieser | Bewegung erhebt es sich einigermaßen, öffnet sich und tritt vorn am Stiel der pilzhutförmigen Körper durch. In dem konvexen Theil dieses Bogens sieht man ein Faserbündelchen, welches sich in der! faserigen, netzförmigen Masse des Hutes der pilzhutförmigen Körper! verliert (Taf. XX, Fig. 2 of) und welches Bündelchen ursprünglich einen | gemeinsamen Stamm mit dem Opticus-Olfactorius-Bündel hatte. | Das Bündel oo verfolgt in seinem Verlauf eine aufsteigende Rich- | tung, biegt sich nach vorn, bis es in der faserigen netzförmigen Masse | verläuft Mb (Taf. XX, Fig. 2), welche ich als einen Theil der Augen- | anschwellungen betrachte. Bündel Fo: Taf. XX, Fig. 7 geht von dem äußeren, seitlichen Theil | der Antennenanschwellungen aus und besteht aus wenigen feinen Ner- venfasern. Von hier aus dringt es in die Gehirnmasse ein, indem es sich auf der Medianlinie mit seinem ihm entsprechenden Seitenstück von | der anderen Seite kreuzt. Nach dieser Kreuzung verfolgen die Fasern | ihren Weg, zuerst abweichend und nachher sich nach rückwärts krüm- | mend. Auf ihrem Wege durchlaufen sie eine horizontale Fläche, die | ein wenig über der Achse des Körpers liegt und endigen zuletzt in der | | | Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 255 netzförmigen Masse Mb (Taf. XX, Fig. 2). — Dieses Bündel wurde von Beıroncı (5) bei der Fliege geschildert. Faserbündel, welche von den Augenanschwellungen herrühren. Bündel d (Taf. XX, Fig. !). Dieses Bündel bildet eine Kommissur, welche sich in dem hinteren Theil des Gehirns vorfindet. Die Fasern, welche dieselbe bilden, haben ihren Ursprung im eiförmigen Kör- per. Diese Fasern durchschneiden im Verein mit anderen jene in ver- tikaler Richtung, welche von dem äußeren geschichteten Körper her- rühren, und vollziehen somit die innere Kreuzung. Sie gehen durch den S-förmigen Körper und dringen zu einem Bündel vereint ins Gehirn. In Übereinstimmung mit dem optischen Streifen biegen sie sich etwas nach unten und verfolgen dann ihren Weg auf einer vollkommen hori- zontalen Ebene. Bündelep (Taf. XX, Fig. 7) ist nach meiner Ansicht nur aus Nerven- fasern gebildet, obgleich ich weiter oben, von der inneren Kreuzung redend, die Meinung ausgesprochen habe, dass sich in dem äußeren ge- schichteten Körper, sowohl wie in dem innerlichen geschichteten Körper außer jenen Fasern auch noch Bindegewebsfasern vorfinden. Obgleich nun durch die bloße Beobachtung die einen von den anderen sich nicht unterscheiden lassen, und obgleich zur Feststellung dieses Unterschie- des die chemischen Mittel viel zu wünschen übrig lassen, bin ich doch der Meinung, dass sie die innere Grenze des inneren geschichteten Körpers nicht überschreiten. Die Fasern, welche sonach zusammengenommen das Bündel ep bil- den, dringen in das Gehirn ein und biegen sich nach hinten. Doch ehe sie in das Gehirn eindringen, biegen sie sich ein wenig nach unten und vereinen sich, wie mir scheint, mit jenen von der anderen Seite, somit ' eine Kommissur bildend. Ich sage »wie mir scheint«, weil es mir un- möglich war, deren Verlauf genau zu verfolgen, wegen der vielen an- deren Bündel, die hier bei einander liegen. Bündelsr, op (Taf. XXI, Fig. 5) haben ihren Ursprung im eiför- migen Körper. Wie bei dem vorher beschriebenen gehen die Fasern von vorn nach hinten durch den $-förmigen Körper, vereinigen sich zu einem einzigen Bündelchen, und bilden ein Bündel, welches in ' Übereinstimmung mit dem optischen Streifchen sich in zwei theilt, ‚ gleichzeitig nach vorn und nach unten rückend, um in den zwei kleinen ‚ Ballenmassen zu endigen ed, ed’ (Taf. XXI, Fig. 5). Bündel at (Taf. XXI, Fig. 5). Dieses dünne Bündelchen entspringt ‚ in der inneren Seite des eiförmigen Körpers und dient dazu, den letzte- ‚ ren mit der kleinen, netzförmigen Masse ed’ zu verbinden. Es hat seinen 256 Johann Cuecati, Lauf von oben nach unten, von vorn nach hinten, von außen nach innen. | Bündel s (Taf. XX, Fig. 4,3,5, 14; Taf. XXI, Fig. 5, 6, 7) besteht aus einem starken Bündel von Fasern, welches seinen Ursprung von der klaren Zone des äußeren geschichteten Körpers herleitet. Kaum | hervorgetreten, krümmen sich die Fasern nach rückwärts und bilden auf der horizontalen Medianebene des Gehirns eine Kommissur, welche auf dem hinteren Theile des Gehirns liegt. — Auf ihrem Wege durch- laufen sie eine horizontale Ebene, indem sie sich nach der inneren Seite des Gehirns bis zu dem optischen Streifehen wenden. Auf diesem Punkte erheben sie sich zu einem Bogen, mit der Konkavität nach unten; darauf krümmen sie sich wieder nach der Medianebene des Gehirns, um die Kommissur zu bilden. Ich füge hier die Erwähnung einer Eigen- thümlichkeit hinzu, welche darin besteht, dass einige Fasern, welche das Bündel bilden — wie mir verschiedene mikroskopische Präparate ' klar darthaten — auch von jenen optischen Fasern herrühren, welche ' sich an dem äußersten Ende der anderen Grenze des äußeren ge- | schichteten Körpers befinden (Taf. XXI, Fig. 7’). EEE EEE - — TE Zu Vor dem Ausgangspunkte dieser Bündel finden sich verschiedene starke Zellen (Taf. XX, Fig. 3, 5, 11; Taf. XXI, Fig. 1, 7), welche Ver- längerungen in die klare Zone des äußeren geschichteten Körpers ent- senden, während vom hinteren Theile desselben feine Fasern ausgehen, welche nach dem ihm zugeneigten S-förmigen Körper zu verlaufen RAIN Biere 2). Bündelir’ (Taf. XXI, Fig. 1, 2,7,8; Taf. XX, Fig. 1,11) besteht aus einem dünnen Bündelchen, welches den eiförmigen Körper mit der netzförmigen Masse ir’ (Taf. XXI, Fig. 7) vereint. Von einem oberen Kreisabschnitt des eiförmigen Körpers gehen verstreute Fasern aus, um sich dann zu einem kompakten Bündel zu vereinen. Dasselbe steigt | schräg nach unten und nach vorn, sich nach dem Inneren des Gehirns wendend, somit eine Kurve beschreibend, deren Konvexität nach | vorn, deren Konkavität nach hinten fällt. Nach dieser Kurve steil] es schräg abwärts und endigt in der kleinen Masse tr’ (Taf. XXI, | Fig. 7). | Bündel g (Taf. XXI, Fig. 1, 2, 8, 9; Taf. XX, Fig. 4). Dem Bündel ir’ parallel laufend, nimmt es seinen Anfang gleichfalls im eiförmigen‘ Körper, durchläuft jedoch eine weit kürzere Strecke. In einem einzi- gen Schnitt sieht man das Ganze. — Wie bei den anderen Bündeln sind | die Fasern bei ihrem Ursprung fächergleich geöffnet, vereinigen sich dann zu einem verhältnismäßig dieken Bündel und verlaufen in der netzförmigen Masse ev, welche sich in dem vorderen Theile des Gehirns | | Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala, 257 gleich vorn am Ausgang des Cylinders befindet, welcher gleichsam eine Nebengasse des Stieles des pilzförmigen Körpers bildet. Bündel ac (Taf. XX, Fig. 1) hat einen etwas verwickelten Lauf und bildet eine große Kommissur, welche die direkte Verbindung zwischen dem eiförmigen Körper der einen Seite und dem der anderen Seite herstellt; nimmt auf der Medianlinie die Stelle gleich hinter dem fächerartigen Körper ein. Fasern, welche aus den Stemmata herrühren. Die Stemmata sind drei an der Zahl und stehen auf dem hinteren Theil des Kopfes zwischen den zusammengesetzten Augen. Alle drei hängen an einem zarten Stielchen (dem Stemmatanerven), welches im Gehirn festsitzt (om). Dieses Stielchen, welches aus feinen und aus starken Fasern besteht, wie dies Craccıo (8) von Gastrophilus hae- morrhoidalis und von Chrysops marmoratus Rossi darthut, schließt in sich ein kleines Ganglion ein (Cg), das durch große Nerven- zellen gebildet wird, diese Zellen sind bipolar, ihre Ausläufer laufen mit den Nervenfasern parallel in entgegengesetzter Richtung zu ein- ander. Ich unterlasse es, von den feineren Fasern in Bezug auf deren Ende zu sprechen, da dieselben dermaßen blass und fein sind, dass sie sich der aufmerksamsten Beobachtung entziehen; wahrscheinlich gehen sie wie bei den Orthopteren, in den gabelförmigen Körper. In Bezug auf ' die starken Fasern bemerke ich, dass sie, nachdem sie in das Gehirn eingedrungen sind, dasselbe von oben nach unten und von vorn nach ‘ hinten durchlaufen. An einem gewissen Flecke und in derselben Weise wie bei den Orthopteren, theilen sie sich in zwei verschiedene Bündel, welche in den Stielballen eindringen, den Schlund umgeben und sich stets in dem hinteren Theile des Gehirns aufhalten. Unter dem Schlund ‚ durchgegangen, vereinigen sie sich von Neuem, um sich in die Hirn- stiele zu verlieren. Antennennerven. Sie bestehen aus feineren und etwas stärkeren Fasern (Nat), welche zu Bündelchen vereint, sich in einer Umhüllung befinden, welche die Fortsetzung derjenigen ist, die das Gehirn umgiebt. Die mittelstarken Fasern nehmen die Achse des Nerven ein, die feineren umgeben dieselben ringsum. Die Antennennerven dringen in ‚ den vorderen, unteren Theil der Anschwellungen gleichen Namens ein (Nat) und setzen sich mit den Ballen der Antennenanschwellungs- ‚ masse, welche sie umgiebt, in Verbindung. 258 Johann Cuccati, Aber manche ihrer Fasern kreuzen sich, ehe sie in die Antennen- anschwellungen eindringen, in der Weise unter einander, dass z. B. die inneren in den Antennennerven zu äußeren werden, im Verhältnis zu den Ballen selbst (Taf. XX, Fig. 8 ez), während andere direkt ihren Weg verfolgen (ez‘). Viele dieser inneren Fasern bilden eine große, vordere Kommissur 'Taf. XX, Fig. 2, 3 Olc'), ein Theil aber der äußeren und unteren bildet eine große hintere Kommissur (Taf. XX, Fig. 2, 3; Taf. XXI, Fig. 3 Ole), einige endigen in zwei netzartigen Massen (Taf. XX, Fig. 8 be), welche sich gleich hinter und außer den Antennenanschwellungen befinden, ein Theil geht vorwärts und eine schräge Richtung nach hinten und nach innen verfolgend, dringen diese in den Hirnstiel ein (Taf. XX, Fig. 8 a’), nachdem sie durch den Stielballen passirt sind. Vom unteren Rande der Antennennerven lösen sich jedoch (Taf. XX, Fig. 6, 13 :g) einige Fasern ab, welche sich schräg nach unten und nach außen begeben, um einen Theil des kleinen Bewegungsnerven der un- teren Lippe zu bilden (Taf. XX, Fig. 13 af), an dessen Bildung aber auch andere Fasern Theil nehmen, welche von starken Zellen herrühren (sf), die unmittelbar am Ausgang des kleinen Nerven gelegen sind, in dessen Verlauf man hier und da kleine Gruppen von Ganglienzellen bemerken kann, nebst Verlängerungen, welche der Richtung der Achse des Nerven selbst folgen. Bündel, welche Ballenmassen mit einander verbinden. Nothwendigerweise habe ich deren bereits einige beschrieben, als ich von dem Zusammenhang der Augenanschwellungen mit dem Gehirn redete. Nunmehr werde ich derjenigen erwähnen, die nicht vom eigent- lichen Gehirn im strengen Sinne des Wortes ausgehen, und zwar von jener Nervenmasse, welche zwischen den beiden optischen Streifchen vorhanden ist. ‚Bündel il (Taf. XX, Fig. 5) findet sich ungefähr in der Medianfläche selbst des Gehirns vor. Die Fasern, aus denen es besteht, rühren von den zwei netzartigen Massen Bher und erreichen sie etwas zurück- weichend. Während sie sich in der Medianebene kreuzen, krümmen sie sich gleichzeitig nach unten und nach rückwärts. Nachdem die Kreuzung vollzogen ist, vertheilen sich die Bündel mehr nach hinten, EEE bis ihre Fasern in der großen hinteren und seitlichen Masse des Gehirns | verlaufen. Bündel cn (Taf. XXI, Fig. 6) besteht aus wenigen, zarten Fasern, welche vorn am fächerförmigen Körper und hinter der großen Olfaetorius- kommissur stehen. Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala, 359 Dieses Bündelchen dient dazu, die beiden netzförmigen Mas- sen en’, en’’ zu verbinden. Bündel ze (Taf. XX, Fig. #) ist ein dünnes Bündelchen von Fasern, welche von der netzartigen Masse ze’ ausgehen. Diese Masse be- findet sich in dem vorderen Theile des Gehirns, gleich unter den Hirn- häuten. Seine Fasern laufen nach rückwärts in schräger Richtung, und zwar von außen nach innen, den äußersten Rand des fächerartigen Körpers streifend. Hier verfolgen sie während einer großen Strecke denselben Weg mit den Fasern des Olfactorius-Opticus-Bündels 00 (Taf. XX, Fig. 5 ze), nachher aber senkrecht nach unten drängend, bis sie sich, mit einem anderen, sehr ansehnlichen Bündel vereint, in ihrem weiteren Verlaufe jeder Beobachtung entziehen. Bündel i (Taf. XX, Fig. 2; Taf. XXI, Fig. 9) besteht aus ganz feinen Fasern. Befindet sich unmittelbar hinter dem fächerförmigen Körper und vor dem gabelförmigen Körper. Obgleich der Lauf dieses Faserbündels weniger verwickelt ist, als der seines Seitenstückes bei den Orthopteren, habe ich mich doch überzeugt, dass es demselben voll- kommen entspricht und dazu dient, die beiden homologen Massen tr zu verbinden, welche sich unmittelbar vor der netzförmigen Masse Mb befinden, in der das Bündel Opticus-Olfactorius oo verläuft. Bündel ir (Taf. XXI, Fig. 3) befindet sich in einer tiefer, als die des vorhergehenden, gelegenen Ebene und hat seinen Platz gleichfalls zwischen den gabelförmigen und den fächerartigen Körpern. Ist nach rückwärts gekrümmt, konvex nach hinten, und dient dazu, zwei andere kleine netzförmige Massen ir zu verbinden, welche zwischen dem fächerförmigen Körper und dem konkaven Theil des Stieles des pilzhut- . förmigen Körpers gelegen sind. Unter dieser Rubrik führe ich auch das Bündel r an, welches in der Ballenmasse ed (Taf. XXI, Fig. 2) entspringt. Seine Fasern rich- ' ten sich schräg nach unten und nach vorn, auf der Höhe der Antennen- anschwellungen angekommen steigen sie in vertikaler Richtung herab; ‚ alsdann öffnen sie sich, krümmen sich nach rückwärts mit ihrer ande- ‚ ren Konkavität, und verlaufen im Hirnstiel. In ihrem Laufe werden sie von den Fasern begleitet, welche ihren Ursprung in der Zellen- gruppe or haben (Taf. XXI, Fig. 2, ). Zellengruppe, welche den Ursprung eines Nerven bildet. Mit jenen Bündeln beginnend, welche ihren Ursprung aus Zellen- gruppen herleiten, die sich im äußersten Theile des Gehirns befinden, "und nach und nach mich jenen anderen Gruppen zuwendend, welche Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLV1. Bd. 18 260 Johann Quceati, in den unteren Flächen stehen, glaube ich, auf diese Weise, eine ge- wisse Ordnung zu befolgen, welche uns sofort einen annähernden Be- griff von dem Verhältnis, in denen die einen zu den anderen stehen, gewähren kann. Die Gruppe or (Taf. XXI, Fig. 2). Während bei den Orthopteren die gleichen Zellen, welche das homologe Bündel der Somomya bilden, in zwei verschiedene Gruppen getheilt sind, sind dieselben im Gegen- theile hier zu einer einzigen Gruppe eng verbunden, welche rittlings auf der Medianlinie sitzt. Aus diesen Zellen entspringt das Bündel n. Obgleich dessen Endi- gung verschieden ist von der, welche sich bei den Orthopteren befindet, haben sich doch zwei Thatsachen von großer Bedeutung in meiner Ansicht von der erwähnten Homologie bestätigt. Diese zwei Thatsachen sind: 1) die Ableitung des Bündels, 2) der Verlauf desselben im Gehirn. In der That entspringt das Bündel aus Zellen, die sich im oberen Theile des Gehirns befinden. Seine Fasern sind ferner nach vorn und nach unten gerichtet, indem sie eine Kreu- zung auf der Medianlinie, wie bei den Orthopteren, bilden. Darauf aus dem Gehirn, gerade an der inneren Seite der Stielballen aus- tretend, begleiten sie den Rüssel, und hier besteht ein Unterschied, da diese Fasern bei den Orthopteren in die Retroschlundganglien über- gehen. : Um nun die Bildung der Kreuzung zu erklären, welche durch Fasern vollzogen wird, die ihren Ursprung in einer einzigen Zellen- gruppe haben, muss man erwägen, dass diese in der That einzige Gruppe doch in einen oberen und einen unteren Theil zerfällt, von denen ver- schiedene Fasern ausgehen. Und zwar spreche ich von einem obe- renundeinemunteren Theil,undnicht von linksseitigen und rechtsseitigen, weil es gerade inmitten des Gehirns Zelien giebt (Taf. XXI, Fig. 4 or), von denen sich nicht bestimmen lässt, ob sie mehr rechts oder links von der Medianlinie ihren Platz einnehmen. Zeilengruppen, welche den intracerebralen Nervenbündeln Urprung geben. Gruppe Z’ (Taf. XXI, Fig. 8). Besteht aus starken Zellen, die am äußeren Rande des Hutes der pilzförmigen Körper sitzen, und von denen das Bündel Z ausgeht. Die Fasern, aus denen es besteht, be- geben sich nach vorn, in der Richtung der Medianlinie. Sie krümmen sich nach unten in schräger Richtung, sich immer mehr der Median- | linie nähernd. An einer gewissen Stelle drängen sie sich noch mehr Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 361 nach vorn, um sich dann rückwärts zu krümmen und somit eine Kurve, deren Konvexität nach vorn fällt, zu bilden. Bei dieser Wendung tauschen die Bündel einige Fasern aus, welche auf der Medianlinie eine Kreuzung vollziehen, dann vereinigen sie sich vorn mit den noch nicht gekreuzten Fasern, steigen etwas hinan, von einander mehr und mehr abweichend, bis sie in dem eiförmigen Körper der Augenanschwellungen verlaufen. Gruppe 4 (Taf. XX, Fig. 9). Indem ich jetzt von dieser Zellen- gruppe zu reden beginne, bin ich genöthigt, auch den fächerförmigen Körper zu besprechen. Aus diesem Grunde habe ich mich eben vorher nicht bei dem letzteren aufgehalten, wohl wissend, dass ich jene Grup- pen nicht ohne die Fasern, welche zu ihnen gehören, erwähnen könnte, und welche sowohl mit dem fächerartigen Körper, wie mit dem Körper elliptischer Sektion in innigem Zusammenhang stehen. — Diese Gruppen befinden sich in dem hinteren, oberen Theile des Ge- hirns, zwischen den beiden Zinken des gabelförmigen Körpers. Sie bestehen aus großen und aus kleinen Zellen, die auf ungleichmäßige Weise vereint auf der Medianlinie durch eine starke Scheidewand von Bindegewebssubstanz getheilt sind. Diese Zellen senden grobe und feine Ausläufer aus. Die starken Ausläufer bilden, ehe sie in den fächerartigen Körper eindringen, ein ansehnliches Geflecht von Kreuzungen (Taf. XXI, Fig. 7 0’); sie durch- laufen ihn von hinten nach vorn, und verfolgen aus einander weichend die Richtung der Augenanschwellungen (Taf. XXI, Fig. 6 2). Die feineren Verlängerungen dagegen durchlaufen den fächerför- migen Körper und vollziehen in und außerhalb desselben Kreuzungen, um, kaum aus dem fächerförmigen Körper herausgekommen, in der netzförmigen Masse % zu verlaufen (Taf. XXI, Fig. 3 und 7). Gruppe N (Taf. XXI, Fig. 7). Diese Gruppe besteht aus Zellen mittlerer Größe, welche in dem vorderen Theile des Gehirns, vor der Mediananschwellung der pilzhutförmigen Körper sitzen. Es gehen Fa- sern von hier aus, welche hinter dem Stiele der pilzhutförmigen Körper durchgehen, und sich auf dem Punkte Q, mit den feinen Fasern kreu- zen, welche aus dem fächerförmigen Körper hervorkommen, worauf sie den Körper elliptischer Sektion umwickeln, in welchem einige derselben verlaufen; andere dagegen gehen, ehe sie in denselben ein- dringen, und nachdem sie aus demselben nach hinten ausgetreten sind, Kreuzungen ein; die gekreuzten Fasern verlaufen sämmtlich im flächen- förmigen Körper. Das Vorstehende ist das Resultat wiederholter Beobachtung von Durchschnitten, die ich in allen hierzu passenden Richtungen ausführte. 18* 262 Johann Cuceati, Dieser Punkt des Gehirns ist der heiklichste für meine gegenwärtigen Forschungen, wie bei meiner früheren Arbeit gewesen, und sollte es mich nicht wundern in dieser Beziehung in Ungenauigkeiten, viel- leicht auch in Irrthum verfallen zu sein. Gruppe A (Taf. XXI, Fig. 6). Dieselben befinden sich unmittelbar außerhalb der Zinken des gabelförmigen Körpers. Die von ihnen aus- gehenden Fasern durchlaufen eine lange Strecke einer schrägen Fläche, von oben nach unten und von hinten nach vorn, halten sich dabei auf dem äußersten Rande des Olfactorius-Opticus-Bündels. Auf der Median- linie des Gehirns und unmittelbar unter dem Körper elliptischer Sek- tion vollziehen die Fasern eine Kreuzung und verlaufen alsdann in den beiden netzförmigen Massen en’, en”. Gruppe (Taf. XX, Fig. 11). Diese Gruppen sind vorn, unmittel- bar unter derHirnrinde an der äußeren Seite der endlichen Schwellung der pilzhutförmigen Körper und außerhalb der Antennenanschwellun- gen gelegen. Die Fasern, welche von ihnen ausgehen, biegen sich nach rück- wärts, erheben sich ein wenig, um vor den Stielen der pilzhutförmigen Körper zu passiren; indem sie eine, nach oben konvexe Kurve bilden, und im weiteren Verlauf ihres Weges nach unten gehen sie immer mehr rückwärts, in der Richtung der Medianlinie; darauf, immer ab- steigend, gehen sie allmählich schräg nach vorn, bis sie in die Anten- nenanschwellungen eindringen. Gruppe D (Taf. XX, Fig. 7). Sie besteht aus wenigen Zellen, wel- che hinter den Antennenanschwellungen angebracht sind. Diese Zellen entsenden schmale Verlängerungen, in der Richtung der Medianlinie. Es ist mir unbekannt, wo sie endigen, da sie nicht nur sehr dünn sind, sondern auch derart mit anderen Fasern verschlungen, dass sie voll- ständig unkenntlich werden. GruppeE (Taf. XX, Fig. 7). Dies ist eine Zellengruppe, welche in Anbetracht der Stelle, die sie einnimmt, derjenigen gleicht, die ich weiter oben beschrieben habe (Gruppe or Taf. XXI, Fig. 2). Hier bilden die Zellen ein innig zusammenhängendes Ganze, sitzen aber rittlings auf der Medianlinie, und die auf der einen Seite befindlichen, entsenden nach der entgegengesetzten Seite Ausläufer, welche abweichend sich nach dem hinteren seitlichen Theil des Hirnes wenden und zwar in der Richtung der Augenanschwellungen oder we- nigstens in der Richtung der Ballenmassen, welche sich unter jenen symmetrischen Massen befinden, inmitten deren das Bündel oo, das Bündel Fo und die Fasern H’ verlaufen. Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 263 Zuletzt will ich bemerken, dass es außer jenen beschriebenen noch Zellengruppen in verschiedener Höhe des vorderen Theiles des Gehirns, unmittelbar im Inneren des optischen Streifens giebt, welche Ausläufer aussenden, die nach dem Eintritt in die Gehirnmasse sich nach außen krümmen und in den deutlich zu unterscheidenden Ballen- massen verlaufen, welche ihren Sitz an den äußersten Seitengrenzen des Gehirns haben. Nach rückwärts giebt es dagegen andere Gruppen, welche eben- falls auf verschiedenen Höhen gelegen sind, und ihre Ausläufer nach vorn entsenden, welche vorwiegend die Richtung der Medianlinie ein- halten, und daher nach außen konvexe Kurven bilden. Noch sei er- wähnt, dass es andere Kommissuren giebt, deren Ursache und Vorhan- densein zu ergründen ich mir nicht die Mühe genommen habe, weil sie mir von nur geringer Bedeutung erschienen (Kommissur Z Taf. XXI, Fig. 6; Taf. XX, Fig. 11; Kommissur !', !”, !” Taf. XX, Fig. 8). Schluss. Um in wenigen Worten die wichtigsten Thatsachen zusammenzu- fassen, mit Umgehung der umständlichen Beschreibungen, welche sich im vorstehenden Texte vorfinden, erkläre ich: 4) Im Gehirn der Somomya erythrocephala ist das Olfactorius- Optieus-Bündel Berroncr's vorhanden (Taf. XX, Fig. 9 00) nebst dem Bündel, weiches die Antennenanschwellungen mit der faserigen, netz- förmigen Substanz des Hutes der pilzförmigen Körper verbindet. 2) Es befindet sich daselbst auch das gekreuzte Olfactorius-Op- ticus-Bündel Berroncıs (Taf. XX, Fig. 7 Fo). 3) An die Antennenanschwellungen reichen Bündel, welche von Zellengruppen herrühren, die vorn unter der Bindesubstanz des Ge- hirns sitzen und zwar außerhalb der Mediananschwellung der pilzhut- förmigen Körper und außerhalb der Antennenanschwellungen (Taf. XX, ‘ Fig, 14 h). 4) Die Antennenanschwellungen sind unter einander durch zwei große Kommissuren vereint, eine vordere (Taf. XX, Fig. 3 Olc’) und eine hintere (Taf. XXI, Fig. 3 Olc) sowie durch dazwischen eingefügte kleinere Kommissuren, zwischen denen Fasern bestehen, welche sich kreuzen (Taf. XXI, Fig. 3). 5) Die Antennennerven bestehen aus feinen äußeren, und aus grö- ' beren inneren Fasern (Taf. XX, Fig. 7 Nat). 6) Die Antennennerven stehen durch Nervenfasern in Verbindung mit dem Hirnstiel (Taf. XX, Fig. 6 und 8 a’) und mit den Bewegungs- nerven der unteren Lippe (Taf. XX, Fig. 43 af). 264 Johann Guecati, 7) Die Augenanschwellungen stehen durch Kommissuren mit ein- ander in Zusammenhang (Taf. XX, Fig. 3 s). 8) An die Augenanschwellungen grenzen Fasern, welche von den Zellen herrühren, die hinter dem gabelförmigen Körper liegen, und die vorher den fächerförmigen Körper durchlaufen haben (Taf. XXI, Fig. 6). 9) Die Augenanschwellungen senden ein gekreuztes Bündel aus | (Taf. XX, Fig. 5 il), dessen Fasern in den zwei netzförmigen Massen B verlaufen. 10) Die Augenanschwellungen sind in direktem Zusammenhange mit den vorderen cerebralen Ballenmassen und mit anderen, hinteren Ballenmassen (Taf. XXI, Fig. 5 op; Taf. XXI, Fig. 2 ir.’g). AA) Die zwei netzförmigen Massen der Augenanschwellungen, die äußerliche wie die innerliche, sind unter einander durch Fasern ver- bunden, welche auf die des Augennerven folgen (Taf. XXI, Fig. 1 chi). 42) Im Gehirn giebt es Kommissuren in großer Anzahl und auf verschiedene Flächen (Taf. XX, Fig. 8 /, !", "; Taf. XXI, Fig. 6 L). 13) Im Gehirn giebt es gekreuzte Bündel, welche von den Zellen herrühren, welche auf der Medianlinie sitzen und welche Fasern in die Richtung der Augenanschwellung entsenden (Taf. XX, Fig. 7 E). 14) Es giebt ferner das Bündel cz, welches von der Gruppe A her- rührt (Taf. XXI, Fig. 6), welches hinter dem Körper elliptischer Sektion durchgeht, sich auf der Medianlinie kreuzt und in den zwei Ballen- massen en’, en” verläuft. 15) Es giebt wie bei den Orthopteren zwei Bündel n + r, wovon das eine aus Zellen (or), das andere aus der netzförmigen Masse (cd) hervorgeht (Taf. XXI, Fig. 2); das erstere dient dazu, um den Rüssel zu versorgen, während das andere in dem Hirnstiel verläuft, nachdem es vorher durch die Stielballen gegangen ist. 16) Es giebt hier einen einzigen Hirnstiel, während die Stielballen | zwei an der Zahl sind und gleich einem Ringe den Schlund umgeben | (Taf. XX, Fig. 8 pe). 17) Der Nerv der Stemmata (Taf. XX, Fig. 10 0x) hat feine und starke Fasern. Die feinen Fasern gehen vielleicht, wie bei den Orthopteren, in den gabelförmigen Körper, die starken Fasern dagegen begeben sich in den hinteren Theil des Gehirns, weichen aus einander an der Stelle, wo der Schlund durch die Stielballen geht und verlieren sich im Hirnstiele. 18) Es giebt Zellengruppen, welche Ausläufer in den fächerförmi- | gen Körper und in den Körper elliptischer Sektion aussenden. 19) Andere Zellengruppen, an verschiedenen Stellen des Gehirns | gelegen, senden Ausläufer nach verschiedenen Richtungen aus, je nach dem Platz, den sie einnehmen. — U un - - a a SS lau u ig Sl en nn nn LA nn u u le nu NL ul Lg u un en | \ | Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 265 20) Es giebt endlich ein Bündel Z (Taf. XXI, Fig. 8), welches von der Zellengruppe Z’ ausgeht, die außerhalb der faserigen netzförmigen Masse der pilzhutförmigen Körper gelegen ist und es besteht aus Fa- sern, welche unter einander eine Kreuzung vollziehen und aus Fasern, welche sich nicht unter einander kreuzen (Taf. XXI, Fig. 4 Z). Alle diese Fasern, welche in dem vorderen Theile des Gehirns sich gegen die Augenanschwellungen krümmen, endigen in dem eiförmigen Körper. Bologna, 18. November 1887. Verzeichnis der benutzten Werke. 4. G. BErroncı, Morfologia del sistema nervoso centrale della Squilla Mantis. An- nali del museo civico di Genova. Vol. XII. 4878. 3. —— Sistema nervoso ed organi de’ sensi dello Sphaeroma serratum. Reale Accad. de’ Lincei 1881. 3. —— Nuove ricerche sulla struitura del ganglio ottico della Squilla Mantis. Accademia delle scienze di Bologna 1882. 4%. —— Intorno alla struttura e alle connessioni dei lobi olfattori negli Artropodi superiori e nei vertebrati. Reale Accad. de’ Lincei 1884 —4882. 5. —— Intorno al Ganglio ottico degli artropodi superiori. Aus der internationa- len Monatsschrift. Bd, III. 4886. 6. E. BERGER, Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Ar- thropoden. Wien 1878. 7. G. V. Ciaccıo, Della minuta fabbrica degli occhi de’ Ditteri. Accademia delle scienze di Bologna 1880, 8. G. Cuccarı, Sulla struttura dei Ganglio sopraesofageo di alcuni ortotteri. Casa editrice Ermanno Loescher. Torino 1887, 9, M. J. Dietz, Die Organisation des Arthropodengehirns. Innsbruck 4876. 40. J. H. L. FLöce, Über den einheitlichen Bau des Gehirns in den verschiedenen Insektenordnungen. Diese Zeitschr. Bd. XXX. (Supplementbd.) 1878. 41. R. KoEHLER, Recherches sur la structure du cerveau du Gammarus pulex. Jour- nal intern. mensuel d’Anatomie et Physiologie. Tome IV. fascicule I. 1887, 42. —— Recherches sur la structure du cerveau de la Mysis flexuosa Müll. 13. K. R, Krieger, Über das Centralnervensystem des Flusskrebses. Leipzig 1879. 14. Leyoıe, Tafeln zur vergleichenden Anatomie. 1864, 15. A. S. Pıckarp, On the structure of the brain of the sessile-eyed crustacea. Washington 1884. 16, H. VıarLanes, Le ganglion optique de la Languste. 17. —— Le ganglion optique de la Libellule. 18. —— Le ganglion optique de quelques larves de Dipteres. 266 Johann Cuccati, 19. H. VIALLANES, Sur la structure de la substance ponctuee des insectes. Paris1885. 29. —— Sur la structure du cerveau des Hymenopteres. 34. —— Sur la morphologie compar&e du cerveau des Insectes et des Crustaces. 22. — Le cerveau de la Gu£pe (Vespa crabro et Vespa vulgaris). Erklärung der Abbildungen. Allen Figuren gemeinschaftliche Bezeichnungen: a, Körper elliptischer Sektion; Ol, die Antennenanschwellungen ; | cf, pilzhutförmiger Körper; pc, Hirnstiel; | chi, innere Kreuzung der Augenanschwel- pcf’, Cylinder des Stieles der pilzhutför- lungen; migen Körper; | cv, fächerförmiger Körper; pcf, Stiel der pilzhutförmigen Körper; | ecs, äußerer geschichteter Körper; q, cf. p. 252, 256; | esf, Schlund; rit, Mediananschwellung des Stieles der i fe, gabelförmiger Körper; pilzhutförmigen Körper; | fno, kompaktes Bündel des optischen rg, ef.p. 2534; Nerven; rgt, geschwollenes Ende des Stieles des Ip, Stielballen; pilzhutförmigen Körpers; Nat, Antennennerven; s, cf. p. 251, 256; No, optische Nerven; Se, innerer a Körper; nr, cf. p. 260, 264; Co,/ teter Körper, jeiförm. Körper; oc, cf. p. 253; ir", ci.ip. 252, 256: | oim, Nerv der Stemmata; > Tafel XX. Sämmtliche Figuren dieser Tafel sind mittels des neuen Prisma von NAcHET gezeichnet und bei einer Vergrößerung von 30 Diameter, ausgenommen Fig. 12, welche mit einer Vergrößerung von 70 Diametern gezeichnet wurde. Fig. A. Horizontalschnitt (halbschematisch). d, Kommissurbündel, welches den inneren geschichteten Körper der | einen Seite mit demjenigen der anderen verbindet; | ac, Kommissur, welche die beiden eiförmigen Körper verbindet; | tr', Bündelchen, welches von dem eiförmigen Körper nach der netzför- " migen Masse ir’’ geht (siehe Taf. XXI, Fig. 7); rit, Mediananschwellung der Stiele der pilzhutförmigen Körper ; s, Ursprung des gleichnamigen Bündels, das eine hintere Kommissur bil- det, welche die zwei geschichteten äußeren Körper mit einander ver- bindet (siehe Fig. 3 und 5), | Fig. 2. Schrägschnitt von oben nach unten und von hinten nach vorn, oo, Bündel Olfactorius-Opticus (BELLoNcT) ; | of, Bündelchen, welches nach der faserigen netzförmigen Masse des Hutes | des pilzförmigen Körpers geht; | t, Kommissur, welche hinter dem fächerförmigen Körper liegt; Olc, große, hintere Kommissur der Antennenanschwellungen; Ole‘, große, vordere Kommissur derselben. | | \ | Fig. Fi 4 8 Fig Fig Fi u Fi u Fig Fig, Fi _ &. £. g. Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 267 3. Horizontalschnitt (schematisch). il, siehe Fig. 5; rg. Zellengruppe, welche Verlängerungen in die klare Zone des äußeren geschichteten Körpers entsendet. 4. Horizontalschnitt. ze’, Ursprung des Bündels ze. 5. Horizontalschnitt (halbschematisch). il, gekreuztes Bündel, welches in den beiden netzförmigen Massen B entspringt, deren Fasern sich nach rückwärts krümmen, in der Richtung der Augenanschwellungen in der großen hinteren Seiten- masse des Gehirns, 6. Schräger Längsschnitt nach der Linie &—x (Taf. XX, Fig. 3). a', Fasern, welche von den Antennennerven nach dem Hirnstiel dringen ; .iq, Fasern, weiche von den Antennennerven nach den beiden Bewegungs- nerven der Unterlippe gehen. 7. Horizontalschnitt. D, cf. p. 262; Fo, gekreuztes Bündel, das von den Antennenanschwellungen in die | Augenanschwellungen geht (BELLoNcı) ; E, Zellengruppe, welche gekreuzte Ausläufer in der Richtung der Augen- - anschwellungen entsendet; Nat, Antennennerven, inmitten deren sich stärkere Fasern, als jene der Peripherie, unterscheiden lassen; ze, cf. p. 259. 8. Etwas schräger Schnitt von oben nach unten, von vorn nach hinten. v, u, |Kammissutasern, welche in demhinteren Theil der Stielballen sitzen; 17, ez, Fasern der Antennennerven, die sich kreuzen; be, Ballenmassen, zwischen denen sich ein Theil der Fasern der Antennen- nerven verliert. 9, Schrägschnitt von oben nach unten, von hinten nach vorn. oo, Bündel Olfactorius-Opticus, welches mit dem kleinen Bündel of ver- bunden ist, das von den Antennenanschwellungen in den Hut der pilzförmigen Körper geht; H, Zellengruppe, hinter dem gabelförmigen Körper gelegen, welche Ver- längerungen nach dem fächerförmigen Körper aussendet; Co, eiförmiger Körper, in welchem die Schichtung der Substanz dessel- ben leidlich bemerkbar ist. 40. Vertikaler Längsschnitt median. oi, starke Fasern der Stemmata, welche nach dem Hirnstiele gehen; Ip, Sektion eines Stielballen. 41. Wie Fig. 7, Achse des Körpers. L, dünne Kommissuren, welche oben die beiden größeren Ballenmassen des Gehirns vereint; Pn, Zellengruppen, welche Verlängerungen in dieGehirnmasse entsenden; h. Zellenursprung des gleichnamigen Bündels, welches, wie man bei der Fig. 7 sieht, in dem Centrum der Antennenanschwellungen endigt; fin, gekreuzte Fasern, welche durch den fächerförmigen Körper gehen. 368 Johann Cuccati, Fig. 42. Querdurchschnitt des Stieles des pilzhutförmigen Körpers. fip, starke Centralfasern in Bündeln; ct, feine äußere koncentrische Fasern (DietL). Fig. 43. Schräger Längsschnitt nach der Linie ——x (Taf. XX, Fig. 3). Oc, Stemmata, im Schnitt haben sich nur zwei derselben vorgefunden; oi, starke Fasern; oim, Nerv der Stemmata ; Cg, Ganglienzellen ; . af, Nerv, welcher in die Unterlippe geht; iq, Fasern, welche von den Antennennerven ausgehen ; sf, Zellengruppe, welche mit ihren Verlängerungen an der Bildung des Nerven der Unterlippe betheiligt ist. Tafel XXI. Sämmtliche Figuren wurden mittels des neuen Prisma von NAcHer nach 60 Dia- meter Vergrößerung gezeichnet. Fig. 4. Horizontalschnitt parallel der Längsachse, der durch den oberen Theil des äußeren Chiasma geht. ep, Fasern, welche eine hintere Kommissur bilden ; d', d’', d’’’, Mediankommissuren ; oc, Bindegewebszellen, welche hinter den Nervenzellen des S-förmi- | gen Körpers der Augenanschwellungen stehen; ir], Bündel, das vom eiförmigen Körper nach der netzförmigen Masse | ev geht; pef1, Cylinder, welcher von der Mediananschwellung des Stieles der pilz- | hutförmigen Körper ausgeht. Fig. 2. Schrägschnitt von oben nach unten, von hinten nach vorn. or, Zellengruppe, in welcher das Bündel n entspringt; cd, Ballenmassen, von welchen die zwei Bündel r ausgehen ; rit, Mediananschwellung der pilzhutförmigen Körper, in der man die faserige netzförmige Substanz, aus welcher sie bestehen, schichtweise geordnet findet; Ol, Antennenanschwellungen, in denen sich zwei Ballen befinden. Fig. 3. Schrägschnitt gleich dem vorstehenden. cf, faserige, netzförmige Substanz des Hutes der pilzförmigen Körper; ir, Kommissur, welche die beiden netzförmigen Massen ir’ vereint; rgt, endliche Anschwellung der pilzförmigen Körper; pl, Zellen, welche Verlängerungen in die Antennenanschwellungen ent- | senden; Ole, Hintere Kommissur der Antennenanschwellungen ; G, netzförmige Masse, in welcher feine Fasern verlaufen, welche aus den Zellen, die hinter dem gabelförmigen Körper liegen, kommen. Fig. 4. Horizontalschnitt wie in Fig. 1. T, Spiralfasern der Peripherie der faserig-netzförmigen Substanz des | Hutes der pilzförmigen Körper; Z, theilweise Kreuzung von Fasern (Fig. 8). Fig. 5. Schrägschnitt wie in Fig. 2. nv, Neurogliazellen; sr, Bündel, das vom eiförmigen Körper herrührt; Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. 269 op, anderes Bündel, welches im eiförmigen Körper entsteht und dann gleichfalls durch die $-förmigen Körper geht und in den zwei Massen ed, ed’ verläuft; at, Faserbündel, das in die netzförmige Masse geht, ed’; cc, große Bindegewebszellen, welche zwischen den Fasern der inneren Kreuzung liegen. Fig. 6. Schrägschnitt wie in Fig. 5. L, obere Mediankommissur ; fe, die beiden Zinken des gabelförmigen Körpers; A, Zellengruppen mit Verlängerungen, die sich am elliptischen Körper kreuzen und in den Massen en’, en’' verlaufen ; cv, Überrest des fächerförmigen Körpers; H', starke Fasern, welche aus dem fächerförmigen Körper nach den Augenanschwellungen gehen; cn, Kommissurfasern, welche die beiden netzförmigen Massen en’, en’’ mit einander vereinigen. Fig. 7. Medianer Horizontalschnitt. x, Fasern, welche aus der klaren Zone des äußeren geschichteten Kör- pers kommen; .a', Fasern, welche vom Augennerv kommen und nach dem Bündelsgehen; pn, Zellengruppen, welche Verlängerungen ins Gehirn entsenden; 0’, starke Fasern, welche eine Kreuzung vollziehen, ehe sie in den fächer- förmigen Körper eindringen, und vor demselben herauskommen, um sich nach den Augenanschwellungen zu wenden (siehe Fig. 6 H’); N, Zellgruppen, in denen die Verlängerungen in die Körper elliptischer Sektion und in den fächerförmigen Körper gehen, auf dem Punkte O© eine Kreuzung vollziehend, und zwar mit dem Bündel, welches aus n dem fächerförmigen Körper nach den netzförmigen Massen G geht. Fig. 8. Horizontalschnitt wie in Fig. 1. T, spiralförmige Fasern der faserigen netzförmigen Masse des pilzförmi- gen Körpers; Z, Bündel, welches bei der Zellengruppe Z' entspringt (siehe Fig. 4) ; nr, Vereinigung der Fasern, welche ihren Ursprung in der Zellengruppe or und in den beiden netzförmigen Massen cd haben (siehe Fig. 2). Fig. 9. Horizontalschnitt wie in Fig. 1, in welchem man jenes Stück des Bün - Gels Z sieht, welches sich rückwärts mit a Fig. 8, nach vorn mit der Fig. 4 der- selben Tafel vereinigt. t, gleichnamiges Bündel (Taf. XX, Fig. 2); fe, gabelförmiger Körper. Über die sogenannten Augen von Tridacna und das Vorkommen von Pseudochlorophylikörpern im Gefäfssystem der Muscheln. Von J. Brock in Göttingen. Mit Tafel XXII. Seit den Untersuchungen von L. VaızLant wird Tridacna gewöhn- lich unter den Augen tragenden Muscheln mit aufgezählt. Da 22 Riesenmuscheln, wenigstens ihre kleineren Arten, zu den häufigsten | Bewohnern der indischen Korallenriffe gehören, so lag die Veranlas- | sung für mich nahe genug, als ich im Jahre 1885 mich im indischen Archipel aufhielt, eine nähere Untersuchung dieser vermeintlichen Augen vorzunehmen. Bei der Fülle der sich mir an Ort und Stelle dar- | bietenden Aufgaben kam ich schließlich nur dazu, einiges wohl konser- virte Material mit nach Europa zu bringen, welches der folgenden Dar- stellung allein zu Grunde gelegen hat. | | Bekanntlich sind die Mantelränder der lebenden Tridacna-Arten ' prachtvoll gefärbt. Die lebenden Thiere auf ihren natürlichen Stand-' orten zu beobachten, ist eines der entzückendsten Schauspiele, welche das an schönen Formen und glänzenden Farben so reiche Korallen- riff zu bieten vermag, und die enthusiastischen Schilderungen älterer und neuerer Reisender (Quoy und Gamarn!, Cummng ?, VAILLANT), wie, ich aus eigener Erfahrung versichern kann, in diesem Punkte nicht im geringsten übertrieben. Einen nicht geringen Antheil an dieser Schönheit haben nun die i sogenannten Augen. Sie heben sich von dem bald ultramarinblauen, | \ I i Voyage de l’Astrolabe, Zoologie par Quoy et GamaArn. T. III. Paris 1835. \ p. 488. 2 REEVE, Conchologia iconica. Part XIV. Monograph. d. Tridacna. | 3 L. VAILLANT, Recherches sur la famille des Tridacnides. Annal. sc. nat. zoolog. Ser, 5. 1.4. p. 73. 1865. | Über die sogenannten Augen von Tridacna etc, 371 bald smaragdgrünen Mantelrande! als eine unregelmäßige Reihe anders, bald schwarz, bald braun gefärbter? Punkte ab, so dass man den Ein- druck bekommt, als hätte die Natur zur Erhöhung des glänzenden Schauspiels dem kostbaren Materiale, aus welchem sie die Mantelrän- der bildet, noch anders gefärbte Edelsteinchen aufgesetzt. Schon bei oberflächlicher Betrachtung erkennt man leicht, dass diese abweichend gefärbten Flecken die Gipfel niedriger stumpf konischer Erhebungen zieren, welche Vaıttant dann geradezu als Augententakel (»tentacules oeuliformes« 1. ce. p. 83) bezeichnet. Mit welchem Rechte, wird uns die nähere Betrachtung ihres Baues zeigen. Bei der beträchtlichen Größe, welche die Thiere bekanntlich er- reichen, und der Mühe, womit ihre Erlangung verknüpft ist — sie mussten aus den Madreporenblöcken herausgemeißelt werden 3 — war Beschränkung in der Mitnahme des Materials von selbst geboten. Meine Untersuchungen sind daher ausschließlich an drei Exemplaren ange- stellt, da dieselben mir aber einige hundert » Augen« zur Untersuchung ‘ darboten, so dürfte höchstens der Mangel ganz junger und vollständig ‚ ausgewachsener Exemplare für die Vollständigkeit der Darstellung störend empfunden werden. Mein größtes Exemplar, das längs des Mantelrandes 18 cm maß, war in sehr verdünnter Chromsäure (0,250/,) abgetödtet, dann successive mit stärkerem Alkohol behandelt, von einem zweiten etwa eben so großen war der Mantelrand vom leben- den Thier abgetrennt und nach einander in sehr verdünnter Osmium- lösung, dann in Alkohol gehärtet worden, bei einem dritten kleinen . Exemplar hatte ich mich einfach mit der Alkoholhärtung begnügt. Wie wir später sehen werden, haben sich diese verschiedenen Konservi- 1 Bei Tridacna crocea Lam. nach Quoy und GAımArn ultramarinblau, bei Tr. elongata Lam. grün, bei der von mir beobachteten Tr. squamosa Lam. am häufig- sten ebenfalls grün, doch fanden sich alle Schattirungen zum Blauen bis zu rein ' blauen Thieren sehr häufig. Übrigens ist der metallische Glanz der Farben so stark, dass, wie VAILLANT richtig bemerkt (l. c. p. 73), nur der Vergleich mit Edelsteinen eine einigermaßen zutreffende Vorstellung von ihnen geben kann. Der ausschließ- . liche Sitz des Pigmentes ist nach VAILLANT (l. c. p. 86) das Mantelepithel. Jedenfalls verschwindet die Färbung in Alkohol sofort spurlos; auch verdient bemerkt zu ‚ werden, dass von einer sog. »Flitterschicht«, wie sie sich z. B. bei Fischen mit Me- tallelanz so allgemein verbreitet findet, nichts vorhanden ist. 2 Schwarz bei der von VAıLLAnt beobachteten Tr. elongata (was Mögıus [Beitr. zur Meeresfauna d. Insel Mauritius u. d. Seychellen. Berlin 1880. p. 322] bestätigt), gelblich grün bei Tr. crocea nach Quoy und GAIMArD, eben so auch nach meiner persönlichen Erinnerung bei Tr. squamosa. Eine bestimmte Angabe kann ich leider nicht mehr machen, da versäumt wurde eine Farbenskizze anzufertigen. 3 Die Lebensweise der Tr. squamosa scheint also mit der der Tr. crocea, wie Quoy und GamarD sie schildern (l. c. p. 488), vollständig übereinzustimmen, 272 J. Brock, rungsmethoden in sehr vortheilhafter Weise für die Untersuchung gegenseitig ergänzt. Damit können wir dann zur Betrachtung der » Augententakel« selbst übergehen. Gleich beim ersten Blick auf den Mantelrand einer Tridacna bemerkt man eine Reihe von unregelmäßig geformten, im All- | gemeinen aber stumpf kegelförmigen Höckern oder Warzen (vgl. Fig. i), welche in wechselnder Entfernung vom Mantelrande auf der inneren oder Kiemenfläche des Mantels eine mit dem Rande ungefähr. parallele Reihe bilden, und zwar zähle ich an meinem größten Exemplar von eirca 18 cm Mantelrandlänge jederseits etwa 50 dieser Gebilde. Der Abstand derselben unter sich und vom Mantelrande ist nicht weniger unregelmäßig als ihre Größe und Form. Während die Entfernung vom Mantelrande gewöhnlich zwischen 2—5 mm schwankt, findet man ein- zelne Warzen noch weit nach innen, sogar bis zu einer Entfernung von 15 mm. Eben so wechselt der Abstand der Warzen unter sich. Findet man auch Gruppen von sechs bis acht Stück in dichtgedrängter Reihe neben einander, so ist doch eine mehr unregelmäßige Anordnung in kleinen Gruppen von zwei bis drei mit wechselnden Abständen der einzelnen Gruppen unter einander das bei Weitem häufigere Verhalten. Die Form der größeren Erhabenheiten lässt sich im Allgemeinen mit einem flachen Hügel vergleichen, welcher aber der Mantelober- fläche nicht gerade, sondern in der Art schräg aufgesetzt erscheint, dass die Spitze nach dem Mantelrande zu sieht. Bei den größten Gebilden dieser Art ist der Längsdurchmesser (worunter ich den senkrecht zum Mantelrand verstehe) meist etwas größer als der Querdurchmesser (parallel zum Mantelrande), welchen er um ein Drittel übertreffen kann, bei mittelgroßen sind beide Gebilde ziemlich gleich und bei kleineren kann sich das Verhältnis zu Gunsten des Querdurchmessers umkehren. Bei den größten von mir beobachteten Warzen erreichten‘ die bezüg- lichen Durchmesser die Länge von 3, resp. 2 mm. Für die Gestalt aller Warzen, gleichviel welcher Größe, ist charakteristisch, dass ihre dor- sale Seite sich sehr sanft und allmählich in die innere Manteloberfläche verflacht, während die ventrale (dem Mantelrande zugekehrte) Seite steil abfällt, und zwar bis unter das Niveau der Mantelfläche, da jede Warze an ihrer ventralen Seite von einer halbkreisföormigen Furche umgeben ist, die sich zu ihr ähnlich verhält, wie der Wallgraben einer Befestigung zu der Bastion. Nur selten ist dieser Graben schwach aus- geprägt oder ganz verstrichen. Zwischen der Reihe größerer Warzen und dem anhand findet sich nun eine Reihe von kleineren Gebilden eigenthümlicher Art (vgl. Fig. I ja), deren Größe bis an die Grenzen der Sichtbarkeit mit bloßem Über die sogenannten Augen von Tridaena etc. 373 8 Auge geht. Bisweilen aber nicht häufig finden sich die jetzt zu be- schreibenden Gebilde auch zwischen den größeren Warzen oder gar jenseits derselben, ihre große Mehrzahl bildet aber eine fortlaufende Reihe zwischen den größeren Warzen und dem Mantelrande, welche genau dieselben Unregelmäßigkeiten der Anordnung zeigt, als jene. Auf den ersten Blick scheinen beide Bildungen wenig mit einander zu thun zu haben, häufig erscheinen die kleineren als bloße narbenartige grubige Einziehungen der Mantelfläche ohne jede sichtbare Erhebung über das Niveau der Mantelfläche. Aber weiter fortgeschrittene Bil- ‚ dungen, bei welchen jene narbigen Einziehungen schon einen leicht gewölbten Hügel umziehen, zeigen uns den Übergang zu typisch ge- formten Warzen an. Jene kleineren Gebilde sind in Entwicklung be- - griffene Warzen; das einzige Auffällige an dem Entwicklungsgange ist der Umstand, dass zuerst die halbkreisförmige Furche, welche die Warze ventralwärts umgürtet, sich in die Mantelfläche einsenkt, und dann erst vom dorsalen Abhang dieses »Wallgrabens« aus die Warze sich über die innere Manteloberfläche emporwölbt. Diese Auffassung findet auch durch die Untersuchung von Querschnittreihen ihre volle Bestätigung (Fig. %, 5). Im Allgemeinen sind die eben beschriebenen kleineren Bildungen in der Nähe des Mantelrandes selbst an Chromsäurepräparaten so wenig ‚ auffällig, dass im Leben die durch sie bedingten leichten Reliefver- schiedenheiten wohl schwerlich überhaupt hervortreten werden. Da- gegen scheint aus der Darstellung von VaızLant hervorzugehen, dass auch diese Bildungen während des Lebens Sitz einer intensiven Pig- mentirung sein. und dadurch sehr in die Augen fallen müssen. Unser Autor äußert sich darüber (l. c. p. 83): » Im Umkreis des freien Mantel- randes bildet die grüne Färbung einen ununterbrochenen Saum, der mit einer Reihe von schwarzen, sehr regelmäßig angeordneten Flecken verziert ist; ihnen benachbart, aber weiter einwärts, finden sich dazu noch dicke vorspringende ebenfalls durch einen schwarzen Pigment- fleck ausgezeichnete Warzen; sie sind zahlreicher in der Nähe der Kiemenöffnnng und stellen die Augententakel vor.« Während über die Identität dieser letzteren Gebilde, welche übri- gens noch an einer anderen Stelle p. 135 eine nähere Beschreibung ‚ erfahren, mit den von mir beschriebenen größeren Warzen ja kein Zweifel aufkommen kann, ist die Übereinstimmung der jüngeren Bil- dungen mit Vaızzinr's Reihe von Pigmentflecken längs des Mantelrandes , bedeutend unsicherer. Zu Gunsten dieser Vermuthung lässt sich Gleich- heit der Lage und Anordnung anführen, wenngleich eine so regelmäßige , Stellung, wie sie VaızLant beschreibt und abbildet (l. ce. Pl. VIH, Fig. 1), 274 J. Brock, für meine Objekte nicht zutrifft, ferner der Umstand, dass die größeren Warzen ganz sicher pigmentirt sind. Meine persönliche Erinnerung lässt mich leider in diesem Punkte vollständig in Stich. Um den feineren Bau aller dieser Mantelrandgebilde kennen zu lernen, wurden passend ausgewählte Stückchen des Mantelrandes nach vorhergängiger Färbung in Alaunkarmin in Querschnittserien von 0,0125—0,01 mm Dicke nach verschiedenen Richtungen zerlegt. Das Resultat war ein sehr überraschendes. Nach den spärlichen Äußerun- gen von Vaıtant hätte man erwarten sollen, dass die histologische Untersuchung ein hoch organisirtes Auge enthüllen würde. »Trotz des Volumens dieser Organe, « so heißt es bei Vaızranr (]. c. p. 135), » welche bei großen Thieren nicht weniger als 2—3 mm Durchmesser in ihrer Basis messen, gelang es mir wegen der Dicke und der geringen Durch- sichtigkeit der Gewebe, welche die Zergliederung. sehr erschweren, nicht die Bestandtheile darin bestimmt wiederzufinden, welche man bei einigen anderen Mollusken, und im Besonderen bei den Pekten- arten beschrieben hat. In der Nähe des Gipfels der Warze findet sich ein Fleck von dunklem Pigment, den man als Chorioidea auffassen kann; weiter sieht man an gelungenen Präparaten,. wenn man eine solche Warze von der Seite betrachtet, eine gewölbte durchsichtige Schale, die man wohl mit einer Cornea vergleichen könnte.« Diese mit großer Vorsicht gemachten Äußerungen stimmen nun in der That so wenig mit dem wirklichen Verhalten überein, dass es schwer ist zu sagen, was VAILLANT eigentlich gesehen hat. Wir wollen zu seiner Ent- schuldigung hervorheben, dass seine Untersuchungsmethoden ihn noth- wendig den gröbsten Täuschungen preisgeben mussten. Betrachten wir zunächst die größeren warzenförmigen Erhebun- gen, welche entfernter vom Mantelrande stehen. Hier lehrt nun der erste in beliebiger Richtung durch eine solche geführte Schnitt die wichtige Thatsache, dass die Warzen selbst gar keine Augen oder an- dere besondere Organe irgend welcher Art sind, in so fern als ihr Bau vollkommen mit dem des Mantels übereinstimmt. Aber in den Warzen selbst finden sich in geringer Anzahl mikroskopisch kleine, sehr eigen- thümlich gebaute Organe, welche vielleicht wohl Augen sein könnten und hier zunächst etwas näher betrachtet werden müssen. Die in Rede stehenden Organe (Fig. 2 fo, Fig. 3) haben im Allge- meinen die Gestalt einer niedrigen Flasche mit weitem Bauch und kur- zem weitem Halse. Sie liegen dicht unter dem Epithel und sind so orientirt, dass der Bauch nach innen, der Hals nach außen sieht, ihre Längsachse also senkrecht zur epithelialen Oberfläche steht. Auch auf den größten Warzen findet man nicht mehr als 10—12 solcher Organe, auf Über die sogenannten Augen von Tridacna ete. 375 kleineren im Verhältnis weniger. Mit seltenen Ausnahmen, wo man einzelne Organe an der äußersten Peripherie einer Warze findet, be- vorzugen sie durchaus die mittleren Regionen; ihr Lieblingssitz ist die nach der halbmondförmigen Furche steil abfallende, dem Mantelrand zugewendete Seitenfläche der Warze. Hier findet man etwa 75°/, ihrer Gesammtsumme, während der Rest sich ziemlich gleichmäßig über die höchste Erhebung der Warze vertheilt. Ausnahmsweise trifft sich auch einmal ein flaschenförmiges Organ an dem äußeren Abhang der halbkreisförmigen Furche, also eigentlich außerhalb des Bereiches der Warze selbst. Gewöhnlich stehen die »flaschenförmigen Organe«, wie wir sie zunächst einmal nennen wollen, in Gruppen von zwei bis - drei Stück nahe bei einander, gar nicht selten aber auch vereinzelt. Ihre Größe variirt wenig. Den größten Längsdurchmesser eines gut ausgebildeten Organs fand ich zu 0,2 mm, während der größte Quer- durchmesser 0,15 mm betrug. Das wäre noch genügend, um ihre Er- kennung auch bei der Zerzupfung eines frischen Präparates unter der Lupe zu ermöglichen, vorausgesetzt, dass sie sich genügend von dem umgebenden Gewebe abhöben, was ich stark bezweifele. Der feinere Bau eines flaschenförmigen Organs ist ein verhältnis- mäßig einfacher. Das Ganze wird von einer dünnen Membran umge- ben, die an Schnitten als starker Kontour sichtbar ist und stellenweise spindelförmige Kerne eingelagert enthält (vgl. Fig. 3). Den Hauptinhalt ‘ bilden große, im Leben wahrscheinlich annähernd runde, an meinen ‘ Präparaten der doch nicht ganz zu vermeidenden Schrumpfung wegen unregelmäßig polygonale Zellen (Fig. 3 ız). Auch diese Zellen besitzen « eine deutliche, als dieken Kontour wahrnehmbare Membran, ihr Proto- ‚ plasma ist durchaus frei von körnigen Einschlüssen, und im Leben wahrscheinlich vollkommen transparent und stärker lichtbrechend. An , meinen Chromsäure- und Osmiumpräparatenhattees ein fein netzförmiges Wesen angenommen — ohne Zweifel wohl eine Gerinnungserscheinung, während sich an den Spirituspräparaten eine mattglänzende fettähn- liche Substanz in großen Tropfen ausgeschieden hatte. Der auffallend ‚ kleine ganz kugelrunde Kern liegt vollkommen excentrisch, an einer ‚ Stelle der Membran an. Der größte Durchmesser dieser »transparenten Zellen« beträgt 15—25 u, der ihrer Kerne 3—5 u. Diese transparenten Zellen werden wie ein Kern von der Schale, ' von einer Schicht etwas anders beschaffener umschlossen, die un- mittelbar nach innen von der äußeren Grenzmembran sich ausbreitet. Diese » Außenschicht« (Fig. 3 az) ist dadurch charakterisirt, dass sie am vollständigsten an dem (der Manteloberfläche abgewandten) Boden des bauchigen Theils des flaschenförmigen Organs entwickelt ist, von Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 19 276 J. Brock, hier aus schiebt sie sich nach vorn vor, ohne aber jemals den vorder- sten Theil, also um bei dem Vergleiche zu bleiben, die Mündung der Flasche zu erreichen. Im Ganzen zeichnet sich diese Zellschicht durch große Unregelmäßigkeit aus. Nicht nur, dass die einzelnen sie zusam- | mensetzenden Zellelemente oft unregelmäßig in den Binnenraum der Flasche vorspringen, erleidet ihre Anordnung auch Unterbrechungen; es finden sich in ihr größere und kleinere Lücken, in welche die trans- parenten Zellen eindringen und mit der Grenzmembran in unmittelbare Berührung gerathen. Im Gegensatz zu den transparenten Zellen er- scheinen die Zellen der Außenschicht durch ein grobkörniges Proto- plasma stark opak, sie sind etwas kleiner, als die transparenten Zellen (10—15 u), lassen keine Membran wahrnehmen und sind polygonal gegen einander abgeplattet. Ihr runder Kern von durchschnittlich 3 bis 5 u Durchmesser liegt nicht excentrisch, sondern mehr in der Mitte. Es ist höchst auffällig und verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass ich niemals einen Nerven zu einem flaschenförmigen Or- gan habe treten sehen. Mit dem vorderen halsförmigen Theil reichen die Organe häufig bis unmittelbar unter das Epithel, eben so oft schiebt sich aber die dünne Bindesubstanzschicht zwischen sie, welche die Grenzschicht der Mantelgewebe gegen das Epithel bildet. Letzteres ist das mäßig hohe einschichtige flimmernde Cylinderepithel mit basalen Kernen und dün- ner stark lichtbrechender Cuticula, das vom Mantel der Muscheln zur Genüge bekannt ist. An der Außenseite des Mantels (Schalenseite) mündet zwischen dem Epithel eine große Anzahl langgestreckter flaschenförmiger einzelliger Schleimdrüsen, welche bei Färbung mit Alaunkarmin die neuerdings von List! und mir an diesen Elementen beschriebene Gerüstsubstanz sehr deutlich zeigen. Die flaschenförmigen Organe springen häufig mehr oder minder stark nach außen vor, so dass sie das überziehende Epithel zapfen- förmig vorwölben. Diese Eigenthümiichkeit ist bei denjenigen Organen, welche wir auf den kleineren (und wohl auch jüngeren) Warzen an- treffen, durchschnittlich weit besser ausgebildet als bei denjenigen, welche größeren und älteren Bildungen angehören. Auch in Bezug auf ihren Epithelüberzug lässt sich ein Unterschied feststellen. Derselbe ist durchgängig über den flaschenförmigen Organen etwas abgeflacht, bei den jüngeren aber in weit höherem Grade als bei den älteren. Während bei letzteren der Unterschied gegen das normale Epithel 1 J. H. List, Zur Kenntnis der Drüsen im Fuße von Tethys fimbriata L.. Diese Zeitschr. Bd. XLV. p. 284 und a. a. O. Brock, Diese Zeitschr. Bd. XLIV. p. 333. Über die sogenannten Augen von Tridacna etc. 377 gering, oft kaum merklich ist, sinkt der Epithelüberzug über den jünge- ren Bildungen zu einem im Profil kaum sichtbaren Pflasterepithel herab. Wir haben eben von älteren und jüngeren Warzen gesprochen, und das giebt uns jetzt Gelegenheit, auf das Verhältnis beider Bildungen, die wir bei der Beschreibung zunächst getrennt behandelt haben, etwas näher einzugehen. Untersuchen wir eine jener unentwickelten Bildungen nahe dem Mantelrande, welche dem bloßen Auge mehr als narbig ein- gezogene Vertiefung erscheinen, auf ihren feineren Bau, so ergiebt sich bald, dass principielle Verschiedenheiten gegen die größeren Warzen nicht bestehen (vgl. Fig. 4, 5). Auch hier finden wir flaschenförmige Organe in der typischen Lagerung an der Innenwand des »Wallgrabens « oder seltener auf der noch sehr flachen Kuppe der sich eben wölben- “ den Warze. Aber ihre Zahl ist eine geringere und dürfte nur zwischen 4—3 schwanken, und außerdem springen sie, wie schon erwähnt, stärker über die Oberfläche vor und wölben das stark abgeflachte Mantelepithel an dieser Stelle buckelartig hervor (Fig. 5). In Bezug auf Größe und Einzelheiten des feineren Baues ist aber - absolut kein Unterschied gegen die flaschenförmigen Organe der größe- ; ren Warzen festzustellen. Betrachten wir das äußere Relief dieser ‚ Jüngeren Bildungen genauer, so ist es nicht schwer, offenbare Anfangs- ‘ stadien zu finden, bei denen nur eine tiefe schmale Einstülpung des ‘ Mantelepithels die Anlage des künftigen Wallgrabens repräsentirt (Fig. +), während nach einwärts davon der künftige Höcker noch gar nicht (Fig. #) ‚ oder nur durch eine ganz breite flache kaum merkliche Erhebung an- - gedeutet ist (Fig. 5). Von diesen Anfangsstadien bis zu typisch ausge- bildeten Warzen lassen sich nun alle möglichen Zwischenformen leicht ‘ finden, und es unterliegt daher für uns keinem Zweifel, dass die kleine- ren Bildungen nahe dem Mantelrande Entwicklungsstadien der typi- ‚ schen größeren Warzen sind. Ist dieser Schluss richtig, so hat diese ' Entwicklung allerdings die bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit auf- zuweisen, dass sich zuerst der die Warze nach der Seite des Mantel- randes umgebende »Graben« einsenkt und dann erst die Warze über die Manteloberfläche sich emporzuwölben beginnt. Fügen wir noch hinzu, dass unser jüngeres Tridacna-Exemplar, welches nur 13 cm Länge am Mantelrande misst, nur solche jüngere Organe nahe dem Mantelrande, und zwar in ziemlich geringer Anzahl zeigt — im Gan- zen wurden etwa 50 an jedem Mantelrande gezählt —, dagegen noch nicht eine einzige deutlich vorspringende Warze, so ist der Schluss nicht ungerechtfertigt, dass während des ganzen Lebens des Thieres ‚ fortwährend Neubildung von Warzen vom Mantelrande aus stattfindet. 1 Bisweilen erreicht die Ausbildung der Warze einen solchen extremen Grad, 19* 378 J. Brock, In Bezug auf die Bildung der flaschenförmigen Organe liegen direkte Beobachtungen leider nicht vor. Aus dem Umstande indessen, dass sie schon in den jüngsten Warzen in typischer Ausbildung auftreten, geht wenigstens das Eine mit Sicherheit hervor, dass ihre Bildung der der Warze voraufgeht. Da also der Ort, wo ein flaschenförmiges Organ neu entsteht, äußerlich durch keine Reliefveränderung der Oberfläche irgend welcher Art markirt ist, so ist es klar, dass nur ein sehr glück- licher Zufall über die Entstehung eines flaschenförmigen Organs beim erwachsenen Thier Licht verbreiten könnte. Allerdings kann ja zuge- geben werden, dass in den größeren Warzen noch lange eine Neubil- dung von solchen Organen stattfinden muss, denn eine Vergleichung der Anzahl der flaschenförmigen Organe größerer Warzen mit der sehr viel geringeren jüngerer Bildungen lässt nur die Alternative zwischen dieser Annahme und der sehr viel unwahrscheinlicheren einer nach- träglichen Verschmelzung mehrerer kleinerer Warzen zu einer größe- ren; aber auch hier habe ich merkwürdigerweise niemals ein flaschen- förmiges Organ in statu nascendi beobachten können. Übrigens will ich gern zugestehen, dass ich nicht sehr viel Zeit mit Suchen danach verschwendet habe, da für das Hauptinteresse, das sich an diese räth- selhaften Organe knüpft, ihre Funktion, auch von der Entwicklungs- geschichte keine Erleuchtung zu erwarten steht. Überhaupt befinden wir uns jedem Versuch gegenüber, diesen Organen eine bestimmte Funktion zuzuweisen, in einer selten ungün- stigen Lage. Erstens, weil keine Erfahrungen über das Verhalten des lebenden Thieres vorliegen, über unzweifelhafte Sinneswahrnehmungen oder dgl., die wir mit den flaschenförmigen Organen in Verbindung bringen könnten. Dann weil wir nichts Näheres über das im Leben, -wie wir sehen, unzweifelhaft vorhandene Pigment und dessen Anord- nung in Bezug auf die Organe wissen — ein Punkt, den jeder Deu- tungsversuch in erster Linie zu berücksichtigen hätte. Endlich, weil wir auch die histologischen Elemente, welche die flaschenförmigen Organe zusammensetzen, nur in konservirtem Zustande kennen. Wir wissen nicht, ob die transparenten Zellen im Leben wirklich so stark lichtbrechend sind, als wir nach unseren Präparaten annehmen, wir wissen nichts über die Beschaffenheit der Zellen der »Außenschicht« während des Lebens. So muss ein ernsthafter Deutungsversuch von vorn herein in der Luft schweben. Immerhin glauben wir nicht fehl zu gehen, wenn wir eine Deutung unserer Organe als Augen entschieden dass sie sich von dem Mutterboden abzuschnüren beginnt und Anlass zu kurzgestiel- ten keulen- oder pilzförmigen Gebilden giebt. Einen solchen Fall veranschaulicht Fig. 6. Über die sogenannten Augen von Tridacna etc. 279 59) in Abrede stellen. Was man allein zu Gunsten dieser Deutung anführen könnte, ist die Ähnlichkeit der »transparenten Zellen« mit manchen Linsen Wirbelloser, und vor Allem die einer Gesichtswahrnehmung äußerst günstige Lage der Organe, aber wie viele und gewichtige Gründe sprechen nicht dagegen! Vor Allem jedenfalls der Mangel eines größeren zu dem Organ tretenden Nervenstammes und einer pereipiren- den Schicht, denn die »Außenschicht« für eine Retina erklären zu wollen, das möchten wir selbst der kühnsten Phantasie nicht zutrauen !!. Näher liegt es die flaschenförmigen Organe als Leuchtorgane zu deuten. Haben die Zellen der Außenschicht die Fähigkeit zu leuchten, so würden die »transparenten Zellen« etwa wie Prismen wirken können. Viel kommt allerdings darauf an, ob die Vertheilung des Pigmentes, die wir nicht kennen, eine solche Deutung unterstützt. Ob im Leben wirk- lich eine Lichtentwicklung stattfindet, ist nicht bekannt? und nicht ein- 1 Es ist uns nicht unbekannt, dass gerade bei Mollusken mehrfach » Augen« beschrieben worden sind, an denen sich größere hinzutretende Nervenstämme nicht nachweisen lassen; in allen diesen Fällen hat aber die Deutung, wenn auch an- greifbar, doch eine gewisse Berechtigung, sei es, dass die fraglichen Organe in ihrem Bau in hohem Grade mit unzweifelhaften Augen übereinstimmten (Patella, vgl. P.Fraısse, Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. Diese Zeitschr. Bd. XXXV. p- 468; übrigens hat neuerdings HıLcer, wie ich nachträglich finde, den Nerv des Auges von Patella nachgewiesen, s. Morphol. Jahrb. Bd. X. 1884. p. 358), oder dass wenigstens das physiologische Experiment eine außerordentlich große Licht- empfindlichkeit bei dem Thiere nachwies (so besonders in den neuerdings von B. Suarp und PATTEN beschriebenen Fällen, vgl. B. Suarp, On the Visceral organs in Lamellibranchiata. Mittheil. Zool. Station Neapel. Bd. V. p. 447 und W. PATTEN, Eyes of Molluscs and Arthropods. Ibid. Bd. VI. p. 542). Eine besondere Licht- empfindlichkeit lässt sich nun bei Tridacna absolut nicht nachweisen. Tridacna ist überhaupt so wenig sensibel, dass sie meist erst auf unmittelbare Berührung die Mantelränder einzieht, resp. ihre Schale schließt. 2 Allerdings glaubte ich einer einschlägigen Beobachtung auf der Spur zu sein, als ich in der von O. Scauıpr besorgten Bearbeitung der Wirbellosen (exkl. Insekten) in Breuw’s Thierleben las (l. c. 2. Aufl. Bd. X. p. 387): »Außer manchen seltsamen Dingen, wie z. B., dass die Gienmuschel (Tridacna), wenn sie sich zur Nachtzeit öffne, ein helles Licht oder einen fernhin bemerkbaren Glanz von sich gebe; .... außer diesen Dingen führt unser Holländer (Runpr) noch einige Beispiele von der Größe und Kraft der Tridacna gigas an« etc. etc. Vergleichung des Originals ergab aber, dass O. Scumipt die betreffende Stelle entweder flüchtig gelesen oder missverstanden hat. RuupHivs schreibt auf p. 432 seiner Amboinschen Rariteit- kamer (Erste Amsterdamer Ausgab. v. 4705): »Men verhaalt veel zeltzaams van een grote Bia garu (Tridacna gigas), dewelke op en binnenmeir van ’t Eiland Timor Laut zoude te zien zyn, dewelke haar by nacht openende een klar licht of schyn van zich zoude geeven, 't welk men ook van verre erkennen kan.« Also nur ein anmuthiges Märchen der Eingebornen. — Beiläufig bemerkt, war Ruupnıus be- kanntlich ein Deutscher, aus Hanau gebürtig, wie schon auf dem Titel seiner Rari- teitkamer, ferner unter seinem Portrait hinter demselben zu lesen steht, wenn auch 280 J. Brock, mal wahrscheinlich, da bei der Häufigkeit der Tridaenen im ganzen indopacifischen Gebiet eine so auffallende Erscheinung schwerlich bis jetzt hätte unbemerkt bleiben können. Vielleicht dass mein verehrter Freund Dr. Srumer, wenn ihm diese Zeilen zu Gesicht kommen, Veran- lassung nimmt, darüber einige Beobachtungen anzustellen. Beziehungen zu den Leuchtorganen der Scopeliden finden jedenfalls mit Ausnahme von einigen oberflächlichen und trügerischen Ähnlichkeiten nicht statt. Das einzige Organ, das in seinem Bau eine entschiedene Ähnlichkeit mit den flaschenförmigen Organen aufweist, die sogenannten »Augen« an den Tentakeln von Cardium (vgl. die Abbildung bei Pırren, 1. ce. Taf. XXXI, Fig. 412) sind leider ihrer Funktion nach äußerst zweifelhaft, ob- gleich die Ansicht, dass es Leuchtorgane sind, noch keineswegs als widerlegt zu betrachten ist!. Bekanntlich hat die von Gezı Entz und K. Branpr entdeckte Sym- biose einzelliger Algen mit Evertebraten der verschiedensten Klassen nicht aufgehört, Gegenstand des lebhaftesten Interesses der betheiligten Kreise zu sein. Ich glaube mir daher den Dank Vieler zu verdienen, wenn ich den bekannten Fällen dieser Symbiose einen neuen hinzu- füge, der um so größeres Interesse in Anspruch zu nehmen berechtigt ist, als von Mollusken überhaupt erst ein Fall der Art in der Litteratur existirt. Schon der erste Schnitt, den ich durch den Mantelrand einer Tridaena legte, zeigte mir zu meiner Verwunderung alle verfügbaren Gewebelücken mit »grünen Zellen« (Pseudochlorophylikörperchen) dicht angefüllt, und wie ich im Laufe meiner Untersuchung erfuhr, war dieses Verhalten bei allen meinen Exemplaren und in allen Theilen des Mantels das nämliche. Freilich wird das Interesse, das sich sonst an diesen Fund knüpfen würde, wiederum bedeutend durch den Umstand abgeschwächt, dass er nur an konservirten Thieren gemacht ist. Da der streng wissenschaftliche Nachweis, dass der Farbstoff dieser grünen Zellen Chlorophyll ist, nicht mehr erbracht werden kann, möchten allzu »Totus Belga fide et calamo«, wie die ihn feiernden Distichen unter letzterem mit zierlichem Kompliment auf sein Adoptivvaterland hinzufügen. Dain meinen Augen Rumpn, obgleich Dilettant, doch ein Naturforscher ersten Ranges ist, der nicht nur an Genauigkeit der Beobachtung, sondern auch an Schärfe der Kritik die meisten zeitgenössischen Fachgelehrten weit übertraf, so möchte ich die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, einen Irrthum zu berichtigen, der durch ein so populäres Werk wie Breau’s Thierleben, besonders da er sich hier durchgehends findet, leicht die weiteste Verbreitung erfahren dürfte. 1 CARRIERE (Die Sehorgane der Thiere. München 4885. p. 97) beobachtete aller- dings bei Abschluss des äußeren Lichtes keine selbständige Lichtentwicklung, in- dessen braucht eine vom Nerveneinfluss abhängige Funktion, die das Leuchten doch ist, durchaus nicht zu jeder Zeit statizufinden. Be Se a SIT nn nern a a Sn Se ee en — N Pe gt DEE TEE EEEETEETETERE 7” SI a era - a Über die sogenannten Augen von Tridacna etc. 381 Pj kritisch angelegte Leser leicht geneigt sein, damit über die neue Ent- deckung zur Tagesordnung überzugehen. Dem gegenüber möchte ich hervorheben, dass hier weiter gar nichts beabsichtigt wird, als ganz kurz die gemachten Beobachtungen mitzutheilen, wozu ich wohl be- rechtigt, in einem gewissen Grade sogar verpflichtet bin. Ist einmal erst die Aufmerksamkeit auf diese Dinge gelenkt, so wird die Unter- suchung des fraglichen CGhlorophylis an frischem Material wohl nicht allzu lange mehr auf sich warten lassen. Die fraglichen »Chlorophylikörper« (Fig. 2,3 pchk, Fig. 7,8) sind jeden- falls echte Zellen, da sie ohne Ausnahme einen annähernd central gelege- nen kleinen Kern mit deutlichem Kerngerüst besitzen, der sich in dem _ angewendeten Tinktionsmittel (Grexacner’s Alaunkarmin) sehr tief färbt. - In der Regel ist der Kern kugelrund, bisweilen oblong oder nierenför- mie, gar nicht selten besonders an Spirituspräparaten, worauf mich ‘ Professor GrAr Sorms aufmerksam machte, ausgezeichnet sternförmig. Auch die häufig zu beobachtende Vermehrung durch Quertheilung ließe - sich wohl unter den Kriterien der Zellnatur mit aufführen. Im Übrigen : sind es kugelrunde Körper von 6—8 u Durchmesser (Kern 2 u), deren i Kontour so scharf und bestimmt auftritt, dass die Annahme einer beson- deren (Cellulose-?) Hülle! wohl gerechtfertigt erscheint. Das Proto- , plasma hat von den zahlreichen Vacuolen, die es durchsetzen, ein schau- miges Wesen; gewöhnlich umgiebt ein Kranz größerer Vacuolen den ‘ Kern, zwischen welchen und der Membran sich noch zahlreiche klei- ‘ nere finden. Doch kommen auch die mannigfaltigsten anderen Anord- ‘ nungen vor. Der grüne Farbstoff, welcher durch Chromsäure fixirt, durch Alkohol dagegen ausgezogen wird, ist nicht diffus im Protoplasma verbreitet, sondern auf kleine runde Körperchen (Chlorophyllträger 9 lokalisirt, welche in wechseinder aber schwer zu bestimmender Anzahl " durch die Zelle vertheilt sind. Jedenfalls genügt ihre Menge, um bei ‚ schwächeren Vergrößerungen die ganze Zelle lebhaft grün erscheinen zu lassen. Ob die grünen Körner in den Vacuolen oder im Protoplasma ‚ liegen, lässt sich an Schnittpräparaten allein schwer entscheiden, doch ‚ halte ich das Letztere für weit wahrscheinlicher. | Andere Punkte im Bau der Pseudochlorophylikörper sind mir un- ' klar geblieben. An Spirituspräparaten wo, wie schon gesagt, der grüne ‚ Farbstoff sehr vollständig ausgezogen ist, sind auch die Protoplasma- körner, welche Träger des Farbstoffes sind, sehr undeutlich geworden, da ihr Lichtbrechungsvermögen sich zu sehr dem des übrigen Proto- plasmas nähert. Nur wo sie (im mikroskopischen Bilde) über einer ' größeren Vacuole liegen (vgl. Fig. 7 c) sind sie ausgezeichnet gut sicht- 1 Die Chlorzinkjodreaktion gelang nicht in unzweideutiger Weise. 282 J. Brock, ‚bar. Die Vacuolen, ihre Form und Vertheilung sind dagegen an Spiritus- präparaten, wo der störende Farbstoff wegfällt, ausgezeichnet klar sichtbar. Feinste stark lichtbrechende fast staubartige Körnchen, die ich bisweilen im Zellprotoplasma vertheilt fand, sind mir ihrem Wesen und ihrer Bedeutung nach völlig räthselhaft geblieben, doch will ich nicht unerwähnt lassen, dass als ich zu einem ganz anderen Zwecke (vgl.p. 285) Schnitte der in Osmium gehärteten Tridaena mit Jodjodkaliumlösung behandelte, in vielen der grünen Zellen feine staubähnliche, aber deut- lich blauviolette Körnchen erschienen, während Chlorzinkjod an Spiri- tuspräparaten den ganzen Zellinhalt tief blauschwarz färbte. Wie sich diese beiden Befunde mit einander vereinigen lassen, und ob die blauen Körnchen mit den oben erwähnten Granulationen identisch sind, weiß ich nicht, jedenfalls dürfte aber sicher sein, dass der Zellinhalt Stärke enthält. Der Sitz der grünen Zellen ist nicht auf den ersten Blick zu be- stimmen, Freilich ist sofort klar, dass sie niemals intracellulär, wie z. B. die gelben Zellen der Actinien, vorkommen. Dazu sind die Mollus- kengewebe auch viel zu kleinzellig. Aber obin den Gewebeinterstitien oder in der Blutbahn, ist ohne Injektionen schwieriger zu entscheiden. Glücklicherweise helfen uns die massenhaft mit ihnen untermischt auf- tretenden Blutkörperchen auf die rechte Fährte: es kann sich nur um Bluträume handeln, was überdies auch Form und Vertheilung der von den grünen Zellen erfüllten Räume fast allein schon sicher macht. Häufig ist die Injektion mit denselben eine so vollständige, dass sie uns ein deutliches Bild des Lakunensystems im Mantel geben und man von der subepithelialen Schicht des Mantelgewebes bisweilen Bilder erhält, die einigermaßen an die jüngst von P. ScHienexz ! gegebenen erinnern. Wir werden auf diese Weise belehrt, dass die fJaschenförmigen Organe von großen Blutsinus umgeben sein müssen, da regelmäßig eine ganz ungeheuere Anhäufung von grünen Zellen um dieselbe stattfindet (vgl. Fig. 2, 3). In den größeren Gefäßen mit selbständigen Wandungen, die sich im Mantel verbreiten, habe ich dagegen niemals grüne Zellen ge- troffen. Die einzige Beobachtung über das Vorkommen von Pseudochlo- rophylikörpern bei Mollusken, welche die Litteratur aufzuweisen hat, rührt von K. Branpr her und betrifft Elysia viridis?. Sie liegen hier im »kontraktilen Röhrensvstem des Mantels«; was Branpt damit sagen will, ist etwas dunkel, doch dürften wir mit der Annahme nicht fehl gehen, 1 PAULUS SCHIEMENZ, Über die Wasseraufnahme bei Lamellibranchiaten und Gastropoden. II. Mitth. Zool. Stat. Neapel. Bd. VII, Heft 3. Taf. XVI, Fig. 8, 9. 2 K. Branpt, Über die morphologische und physiologische Bedeutung des Chlorophyils bei Thieren. Mitth. Zooi. Stat. Neapel. Bd. IV. p. 243. Über die sogenannten Augen von Tridacna ete. 283 dass das Gefäßsystem darunter gemeint ist. Das würde mit Tridacna stimmen, sonst unterscheiden sich aber die grünen Zellen von Elysia nach Branpr's Beschreibung und Abbildung (l. e. Fig. 90—93) recht be- - trächtlich. Sie sind viel kleiner, als die der Tridacna, von viel unregel- ‘ mäßigerer Gestalt, und der spangrüne Farbstoff ist nicht auf einzelne Körnchen lokalisirt, sondern durchtränkt das Protoplasma gleichmäßig. Bekanntlich hat Schutz! neuerdings den Nachweis geführt, dass - die alte Annahme, das Chlorophyll sei bei den einzelligen Algen gleich- mäßig im Protoplasma verbreitet, unrichtig ist; vielmehr haben alle echten Algen nach ihm geformte Chlorophyliträger. Wir können uns ‚ nieht versagen, diese Arbeit wenigstens beiläufig zu erwähnen, da un- sere eigenen Beobachtungen so gut mit ihr übereinstimmen; übrigens ist bekannt, dass bei der Mehrzahl der in Thieren gefundenen »grünen Körper« das Chlorophyll auf besonderen Chlorophyliträgern lokalisirt ist. ' Die Frage, ob die grünen Zellen der Tridacna echt einzellige Algen oder nur Entwicklungszustände solcher sind, dürfte sehr überflüssig sein, ‚ wo nicht einmal die pflanzliche Natur jener Gebilde vollkommen sicher- - gestellt werden konnte. Darum sei hier nur im Vorübergehen dar- " auf hingewiesen, dass die letztere von Gezı Entz herrührende Mei- ‚ nung, auf Grund derer Branpr seinen Gattungsnamen Zoochlorella wie- ‘ der fallen ließ, neuerdings von Kırss wieder auf das entschiedenste ' bestritten wird? Und es lässt sich nicht leugnen, dass von der Dia- gnose, welche Kırzss (l. c. p. 332) für die Gattung Pleurococeus giebt Vieles auf die grünen Zellen der Tridacna passt. Dass wir darum aber ‚dieselben nicht sofort für eine neue Pleurococcus-Art erklären wollen, " braucht wohl kaum ausdrücklich bemerkt zu werden °®. Ungewöhnlich ist der Ort, an welchem wir bei Tridacna die grü- nen Zellen antreffen. Der gewöhnliche Aufenthaltsort der pflanzlichen - Symbionten sind ja die Gewebe, resp. die Zellen des Wohnthieres: in Hohlräumen seines Leibes frei flottirend hat man sie bisher nur selten gefunden. Deuten wir Branprs Ausdrucksweise richtig (vgl. p. 282), 1 F.Scunıtz, Die Chromatophoren der Algen. Verhandl. naturhist. Verein preuß. Rheinlande Westfalen. XL. Jahrg. Bonn 4883. p. 1. 2 G. Kızss, Über die Organisation einiger Flagellatengruppen und ihre Be- ziehungen zu Algen und Infusorien. Unters. botan. Institut Tübingen. Bd.I. p. 233. 3 Jedenfalls sind — worauf mich Professor Graf Sorus ebenfalls aufmerksam zu machen die Güte hatte — die grünen Zellen der Tridacna schon durch die große Anzahl und kugelige Gestalt ihrer Chlorophyliträger von den grünen Zellen anderer Thierklassen durchaus verschieden. Die grünen Zellen der Hydra haben einen einzigen kappenförmigen Chlorophyllträger und vermehren sich durch Tetradenbil- dung (vgl. z.B. die Abbildung bei Hauann, Diese Zeitschr. Bd.XXXVI. Taf. XXVI, ‚ Fig. 4—7), wie auch die der Infusorien. 284 J. Brock, so gehört auch Elysia viridis hierher; bei den Ephyren von Cotylorhiza fand Craus! chlorophyllartige Algen im Gastrovascularraum frei flot- tiren, Cuun? berichtet von gelben Zellen in den Gefäßen der Velella, und Sırıman 3? sah in einer nordamerikanischen Süßwasserturbellarie, Meso- stoma viviparum Sill., Algen den Intercellularräumen des Körperparen- chyms eingelagert. Weitere Fälle derart sind mir nicht bekannt gewor- den. Jedenfalls beweist aber die Algenvegetation in dem Blutlakunen- system des Tridacna-Mantels, dass von einer nennenswerthen »Strömung« des Blutes in ihnen keine Rede sein kann. Im Übrigen ist nicht zu ver- kennen, dass Algen — immer vorausgesetzt, dass es wirklich welche sind — eine sehr werthvolle Bereicherung jedes thierischen Blutes ab- geben, da der Sauerstoff, den sie unter direkter Beleuchtung ent- wickeln, sofort vom Blutplasma absorbirt werden und so dem Thiere in größter Ausdehnung zu Gute kommen muss. Dass von einer auch nur zeitweisen oder theilweisen Ernährung durch die pflanzlichen Symbion- ten bei einem Thiere von der Größe und dem Nahrungsbedürfnis einer Tridaena auch nicht entfernt die Rede sein kann, leuchtet von selbst ein, auch wenn diese von G. Extz und Branpr aufgestellte Theorie nicht überhaupt als stark erschüttert betrachtet werden müsste. Einige kleine gelegentlich obiger Untersuchung gemachte Beobach- tungen, welche mit denselben weiter in keinem Zusammenhange stehen, mögen hier zum Schluss ihren Platz finden. Eine meiner Bemerkungen gilt den Blutkörperchen. Ich fand dieselben an meinen Präparaten durchgehends in der eigenthümlichen Weise fixirt, wie ich es in Fig. 75 und 8 wiederzugeben versucht habe. Das Protoplasma hatte sich deutlich in zwei verschiedene Bestandtheile geschieden, einen vollkommen hyalinen Theil, in welchem immer excentrisch der Kern lag, und einen »protoplasmatischen«, der eine sehr ausgesprochene faserige Gerinnung zeigte. Das Eigenthümliche war, dass bei allen meinen drei Tridacnen, die doch mit ganz verschiedenen Reagentien behandelt waren, nämlich Chromsäure, Alkohol und Osmium sich die Blutkörperchen in dieser Weise verändert zeigten, und zwar in jedem Präparate sämmtliche ohne Ausnahme, nicht nur die der tieferen Gewebsschichten, sondern auch die den subepithelialen Schichten angehörenden, welche doch, wie man denken sollte, von dem angewendeten Reagens fast momentan hätten 1 C.Craus, Die Ephyren von Cotylorhiza und Rhizostoma und ihre Entwicklung zu achtarmigen Medusen. Arb. Zool. Institut Univ. Wien, Bd. V. 2 C. Chun, Über die geographische Verbreitung der pelagisch lebenden See- thiere. Zool. Anzeiger 1886. Nr. 215. p. 72. 3 SıLLıman, Beobachtungen über die Süßwasserturbellarien Nordamerikas. Diese Zeitschr. Bd. XLI. p. 62. Über die sogenannten Augen von Tridacna etc. 285 getödtet und fixirt werden müssen. Eine Erklärung dieser eigenthüm- liehen Erscheinung zu geben, sehe ich mich vorläufig außer Stande. Mehr Interesse dürfte folgende Eigenthümlichkeit des Tridacna- Blutes beanspruchen können. Meines Wissens kennt man von geformten Bestandtheilen des Blutes bei Mollusken nur die gewöhnlichen amö- boiden Blutzellen. Es gelang mir nun bei Tridacna, wenn auch sehr spärlich, ein zweites recht charakteristisches Zellelement des Blutes auf- zufinden. Es waren rundliche, oder ovale, gelappte oder sonst wie un- regelmäßig geformte Zellen, deren ganz hyalines Protoplasma durchweg mit fettähnlich glänzenden, stark lichtbrechenden Körnchen so vollge- stopft ist, dass selbst ein Zellkern von mir nicht gefunden werden konnte. Die Inhaltskörnchen durchschnittlich von 0,5—4 u Durch- messer, sind mehr unregelmäßig polygonal, als rundlich, sie bräunen sich in Osmium etwas stärker als das Protoplasma und nehmen auch in Boraxkarmin eine satte Färbung an. Wir treffen diese »Körnchenzellen«, welche meist die zwei- bis dreifache Größe der gewöhnlichen Blutzellen erreichen, mit ihnen und den Algen untermischt in den Bluträumen, wo sie mit Vorliebe den Wänden anliegen, oft in Recessus-artigen Ausbuchtungen. Wird eine solche Ausbuchtung im Schnitte von der Seite getroffen, so entstehen eigenthümliche Bilder, als ob die Zelle frei in dem interlakunären Ge- webe läge und hierdurch verführt, glaubte ich eine Zeit lang mit echten Wanderzellen zu thun zu haben; ich bin von dieser Ansicht indessen zurückgekommen, weil ich fand, dass die oben gegebene Deutung voll- kommen ausreichend ist. | Die Häufigkeit der Körnchenzellen ist sehr wechselnd. Keinem meiner drei Individuen von Tridacna fehlen sie ganz; während sie aber bei dem Chromsäure- und Alkohol-Exemplar immer nur vereinzelt und so spärlich auftreten, dass ich oft mehrere Schnitte durchmustern musste, ‚um nur eine zu treffen, traten sie bei dem Osmiumexemplar in solcher Häufigkeit auf, dass jeder Schnitt mindestens ein halbes Dutzend von ihnen zeigt. Die Gründe dieser Erscheinung sind mir vollkommen un- bekannt. Für das Verständnis dieser eigenthümlichen Zellen ist es in erster Linie nothwendig, die chemische Natur ihrer Inhaltskörnchen kennen zu lernen. Ausnaheliegenden Gründen dachte ich zunächst an Glycogen, aber es gelang mir nicht, mit einer nach der Vorschrift von Barrurrn ! bereiteten Jodjodkaliumlösung die charakteristische Glycogenreaktion zu erzielen. Ob die Härtung mit Osmium oder die Proceduren der Paraffin- 1 D. BARFURTH, Vergleichend-histochemische Untersuchungen über das Glyco- gen. Arch, für mikr. Anat. Bd. XXV. p. 260. 356 J. Brock, einbettung den Misserfolg verschuldet hat, mögen bessere Chemiker als ich entscheiden, jedenfalls war ich bei der Seltenheit der »Körnchen- zellen« in meinen beiden anderen Tridacnen für die mikrochemische Reaktion nur auf das Osmium-Exemplar angewiesen. Sehr auffallend ist die Ähnlichkeit der Körnchenzellen mit ge- wissen Zellen der interstitiellen Bindesubstanz der Pulmonaten, welche von Seuper entdeckt, von mir vor einigen Jahren bestätigt und genauer beschrieben worden sind!. Auch die Reaktion der Inhaltskörnchen gegen Osmiumsäure und basische Farbstoffe stimmte bei beiden Zell- arten genau überein. Auch bei den Pulmonaten wurde seiner Zeit der Nachweis des Glycogens nicht geführt, dass es sich aber wohl doch um Glycogen oder einen ähnlichen Körper handelt, ist zum mindesten wahr- scheinlich, seitdem wir durch BArrurtH wissen ?, dass Glycogen bei den Pulmonaten zeitweise massenhaft in den Plasma- oder Lryvig’schen Zellen der interstitiellen Bindesubstanz aufgestapelt wird. Die vielbesprochene Frage der Intercellularräume des Epithels der Mollusken hat jetzt, wie wir glauben, in der jüngst erschienenen Arbeit von Sc#iemenz? ihre definitive Erledigung gefunden. Die Intercellular- räume sind keine Kunstprodukte, wohl aber ihre angeblichen Stomata, sie erreichen nicht die Oberfläche des Epithels, sondern endigen zipfel- förmig zugespitzt blind geschlossen zwischen den Epithelzellen. Wenn durch Injektionen (Schiemenz, NaLera) und durch Beobachtungen an frischen Objekten (Leyvıc etc.) die Existenz von Intercellularräumen außer allem Zweifel ist, so verdiente einmal die Frage Beachtung, wie weit Intercellularräume durch härtende und schrumpfende Reagentien künstlich erzeugt werden können. Schon Scenımenz hat diese Frage angeregt, indem er diesen selben Einwand gegen meine Beobachtungen von Intercellularräumen im Epithel der Fußdrüse der Pulmonaten er- hob. In diesem speciellen Falle sind nun zwar Schemenz’ Bedenken unbegründet, denn Niemand wird zweifeln, dass Intercellularräume, die regulär als Drüsenausführungsgänge fungiren und vielfach mit Drüsen- sekret erfüllt getroffen werden, auch im Leben präformirt sind®. Aber 1 J. Brock, Untersuchungen über die interstitiellen Bindesubstanzen der Mol- lusken. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883. p. 40. 2 BARFURTA, 1. c. p. 225 sqq. 3 PAULUs SCHIEMENZ, Über die Wasseraufnahme bei Lamellibranchiaten und Gastropoden. II. Mitth. Zool. Stat. Neap. Bd. VII, 3. Heft. * SCHIEMENZ, 1. c. p.428. 5 Wenn ich an demselben Orte die Intercellularräume des Fußdrüsenepithels als Beweis für die Existenz solcher Bildungen überhaupt aufgeführt habe, so kann | davon, nachdem wir jetzt die wahre Natur der stets geschlossenen typischen Inter- | cellulargänge kennen gelernt haben, keine Rede mehr sein, Beides sind ganz ver- | schiedene Dinge, die wohl aus einander zu halten sind. Über die sogenannten Augen von Tridacna ete. 387 in der Sache selbst hat er unzweifelhaft Recht. .Von meinen drei Tri- dacnen zeigten das Osmium- und das Chromsäure-Exemplar ein palis- sadenförmig fest an einander schließendes Epithel ohne die geringste Lücke zwischen den einzelnen Zellen, während das Spiritus-Exemplar das ganze Epithel mit zahlreichen großen typischen Intercellularräumen durchsetzt hat. Eines von beiden kann nur dem natürlichen Verhalten entsprechen und nach den herrschenden Ansichten von dem Werth der drei angewendeten Reagentien dürfte man sich wohl einmüthig gegen das Spiritus-Exemplar und die Intercellularräume erklären. Auch An- dere scheinen ähnliche Beobachtungen gemacht zu haben. In einer neueren französischen Arbeit über die Histologie der Muscheln ! findet man das Epithel durchweg geschlossen gezeichnet, nur eine Figur zeigt genau, wie mein Spiritus-Exemplar der Tridacna, das Epithel von zahl- reichen »Intercellularräumen« durchsetzt. Es genügt im Vorübergehen darauf hingewiesen zu haben. Göttingen, im Januar 1888. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXII. Fig. 4. Ein Stück vom Mantelrande einer Tridacna von 48 cm Mantelrandlänge unter Lupenvergrößerung betrachtet. Das abgebildete Stück zeigt zwei größere Warzen (»Augen« der Autoren) weiter vom Rande: entfernt und in der Nähe des Bandes (mr) verschiedene jüngere Entwicklungsstadien derselben (ja). Man be- merkt an den größeren Warzen den » Wallgraben«, der sie von der Mantelrandseite umgiebt. Um diesen gut zur Ansicht zu bringen, musste auf das ganze Stück des Mantels, während der Rand mit Nadeln fixirt war, ein nach innen gerichteter Zug ausgeübt werden. In Folge dessen haben sich die beiden großen Warzen etwas nach innen (in der Figur unten) umgelegt, und ihre Innenfläche scheint steiler in die Ebene der Manteloberfläche abzufallen, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Fig. 2. Ein auf der Ebene des Mantels und dem Mantelrande senkrechter Schnitt, der durch den »Wallgraben « und den angrenzenden Theil der Innenfläche einer größeren Warze gelegt ist, bei schwächerer Vergrößerung (Wınke, Obj. IV, 02.2). Es ist eine kleine Gruppe von »flaschenförmigen Organen « (fo) getroffen, von denen das mittlere etwa in der Medianebene durchschnitten erscheint, so dass es sich in seiner typischen Flaschengestalt präsentirt, während die beiden Organe rechts und links mehr seitlich angeschnitten wurden, so dass nur der dem Bauch der Flasche entsprechende Theil auf dem Bilde erscheint. Besonders stark seitlich ist der Schnitt bei dem rechten Organ gefallen, wo die Zellen der »Außenschicht« ganz in der Fläche getroffen wurden. Alle drei Organe sind von starken Ansamm- lungen von Pseudochlorophylikörpern (pchk) umgeben. ! L. Rourz, Recherches histologiques sur les Mollusques lamellibranches. Journ. de l’anat. et de physiol. XXIII. 1887. p. 31. Die betr. Figur findet sich Taf. V, Fig. ®. 283 J. Brock, Über die sogenannten Augen von Tridacna etc. fo, flaschenförmige Organe; pchk, Pseudochlorophylikörperchen ; m, Muskeln; ep, Mantelepithel. Fig. 3. In demselben Sinne und durch denselben Ort gelegter Schnitt wie der vorige, aber bedeutend stärker vergrößert (WınkEL, Wasserimm. A, Oc. 4), um die histologischen Details des flaschenförmigen Organs zu zeigen. iz, transparente Zellen des Innenkörpers; az, körnige Zellen der »Außenschicht«; ep, Mantelepithel; m, Muskelbündel im Längsschnitt; m’, Muskelbündel im Quer- oder Schrägschnitt; pchk, Pseudochlorophylikörper. Fig. 4 und 5 stellen in demselben Sinne geführte Schnitte durch junge Anlagen der Warzen dar, um die Entwicklung derselben zu zeigen. Vergrößerung (wie auch in Fig. 6) ganz schwach, gewebliche Details sind nicht gezeichnet. In Fig. 4 hat sich zu dem flaschenförmigen Organ (fo) schon die erste Anlage des »Wallgrabens« (r) gesellt, während von einer Wölbung des Hügels, welcher die künftige Warze bil- det, noch nichts zu sehen ist. In Fig. 5 hat das flaschenförmige Organ das Epithel (ep) schon in einem flachen Buckel über die Oberfläche vorgewölbt und an der Innenseite des » Wallgrabens« (r) beginnt sich die Warze (w) zu wölben. Fig. 6 zeigt noch schwächer vergrößert den seltenen Fall, wo die die flaschen- förmigen Organe tragende Warze sich zu einem gestielten keulenförmigen Gebilde abschnürt. Auf der Kuppe derselben ein flaschenförmiges Organ (fo). ep, Mantelepithel. Fig. 7a. Drei Pseudochlorophylikörperchen aus einem Chromsäurepräparat des Mantelrandes kz. Eine » Körnchenzelle« ebendaher. Vergrößerung sehr stark (Wıx- KEL, homog. Immers. 4/24, Oc. A). Fig. 7b. Rechts zweiPseudochlorophylikörperchen ebendaher mit feinen, staub- ähnlichen, stark lichtbrechenden Inhaltskörnchen unbekannter Natur. Links zwei durch das Reagens eigenthümlich veränderte Blutzellen. Vergr. wie Fig. 7a. Fig. 7c. Zwei Pseudochlorophylikörperchen aus einem Spirituspräparat. Ver- srößerung wie Fig. 7a. Fig. 8. Von einem Osmiumpräparat. Schnitt senkrecht zur Mantelfläche und zum Mantelrande. Das abgebildete Stück ist der subepithelialen Schicht entnommen. Vergrößerung sehr stark, wie Fig.7a. Links oben und rechts unten sind Bluträume angeschnitten, in denen Blutzellen (bz) und Pseudochlorophylikörper (pchk) in bun- tem Gemisch liegen. Die Mitte der Zeichnung nimmt ein sie trennender Bindesub- stanzbalken (bs) ein. In demselben liegen vier Körnchenzellen (kz), scheinbar ganz im Gewebe, in Wirklichkeit wohl an den Wänden seitlich angeschnittener Blut- lakunen, wie das für die Körnchenzelle rechts unten unzweifelhaft ist. Kenner der Molluskenhistologie werden bemerken, dass der Bau der Bindesubstanz mit ihrem Flechtwerk feinster Fäserchen, das gleich gut an Osmium- und Spiritus-, weniger gut an Chromsäurepräparaten hervortrat, und eingestreuten oblongen Kernen wenig zu den gangbaren Vorstellungen über den Bau der Bindesubstanz des Lamellibran- chiatenmantels passt. Da ich die Sache aber nicht weiter zu verfolgen gedenke, habe ich diese kurze Bemerkung darüber in die Tafelerklärung verwiesen. Pr Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. . Von h i Dr. H, Henking, Privatdocent und Assistent in Göttingen. Mit Tafel XXIII—XXVI und 3 Holzschnitten, In magnis et voluisse sat est. PROPERZ. Das gereifte Ei der Schmeißfliege ist in jüngster Zeit wiederholt untersucht worden, zuletzt von BLocumann (4), der unter Anderem auch an diesem Materiale zu dem Resultate gekommen war, dass zu jeder Zeit ein Kern im Ei vorhanden und somit »freie Kernbildung« ausge- schlossen sei. Meine Untersuchungen am Ei der Phalangiden hatten mich zu einem anderen Resultate geführt. Brocnmann (1) hat dieselben für un- genau erklärt, weil ich nicht auch nach den ihn damals gerade inter- essirenden Richtungskörpern gesucht habe. | Es musste mir nun natürlich daran liegen, an einem Materiale, welches die von mir angenommenen Erscheinungen nicht zeigen sollte, mich selbst von meinem Irrthume zu überzeugen. . Wenn ich gerade das Ei der Schmeißfliege hierzu auswählte, so liest das einfach darin, dass mir so aus der Beschaffung des Materials keine Schwierigkeiten erwuchsen. Was die Methoden anbetrifft, so habe ich in gleicher Weise wie Brocamann zur Färbung ausschließlich Boraxkarmin nach GrENACHER an- gewendet. Während Brocumann aber auf dem Objektträger färbte, habe ich (5) aus den von mir bereits anderwärts angedeuteten Bedenken eine vorherige Durchfärbung des am stumpfen Ende angestochenen Eies vorgezogen: Wenn die Durchfärbung auch nicht immer gleich intensiv ausfällt, was man übrigens bald kontrolliren lernt, so geht doch auch ‚nicht so leicht etwas verloren und man wird auch nicht leicht durch ' Fremdkörper irre geführt. | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 20 290 H. Henking, Sonst hat Brocnmann über den von ihm eingeschlagenen Weg der Konservirung nichts mitgetheilt, so dass ich da möglicherweise eine an- dere Methode als jener benutzt habe. Bekanntlich geht die Entwicklung des Fliegeneies mit so über- raschender Schnelligkeit vor sich, dass nach etwa 24 Stunden die Larve hervorkommt, deren hoch entwickelte Organe und Gewebe in. so kurzer Zeit sich aus dem gleichförmigen Plasma- und Dottermaterial gebildet haben. Hieraus erhellt, dass die einzelnen Entwicklungssta- dien nur eine ganz geringe Dauer haben können. Es war desshalb ge- boten, ein Fixirungsmittel zu wählen, welches augenblicklich den Ent- wicklungsvorgängen ein Ende macht. Nun wird sich weiter unten zeigen, dass die hier besonders interessirenden Stadien im Ei zum Theil bereits auf dem Wege vom Ovarium bis zum Moment der Ablage eintreten. Dadurch war aber die Benutzung von Konservirungsflüssig- keiten zu diesem Zweck so gut wie völlig ausgeschlossen; denn die Abtödtung der Eier musste bereits im Innern des Thieres stattfinden. Wenn ich auch den Leib des Thieres rasch öffnen konnte, so verstrich doch noch eine unkontrollirbare Zeit, bis das Reagens durch die Wan- dung der Ausführungsgänge des Geschlechtsapparates und durch die doppelte Hülle bis zum Inhalte des Eies vordrang. Die Schwierigkeit wurde beseitigt durch Anwendung hoher Temperatur. Ich fing die Fliegen ein, während sie mit dem Ab- legen der Eier beschäftigt waren und tauchte sie alsdann sofort in ein Gefäß mit kochendem Wasser und hielt sie einige Zeit untergetaucht. ‘So wurden die Eier, welche sich im Ovidukt und im Uterus befanden, durch Erhitzen der sie normal umspülenden Feuchtigkeit rasch abge- tödtet. Weiter ging ich dann so vor, dass ich den Hinterleib des Thieres ' eröffnete und dasselbe in 70°/,igem Alkohol härtete und später in | 90°/,igem aufbewahrte. Zum Zweck der Färbung präparirte ich dann ' Oviduct und Uterus frei, stach das Ei am stumpfen Pole an, färbte mit ' Boraxkarmin während 15—30 Stunden, entfärbte mindestens eben so lange mit durch Salzsäure schwach angesäuertem 70°/,igem Alkohol und behandelte weiter nach der von mir bei den Phalangideneiern befolgten Methode. Die abgelegten Eier tödtete ich ebenfalls durch Übergießen mit | heißem Wasser, benutzte aber vielfach auch noch Fremmine’s Chrom- I Osmium-Essigsäure. Wirkt diese etwa 1 Stunde und länger ein, so findet ein hässliches Schrumpfen des Eies und eine Anhäufung von | Vacuolen, besonders an den Polen desselben, oder zuweilen auch eine l unnatürliche Plasmaansammlung im spitzen Pole statt. Um die Ein- I wirkung des Fremmine’schen Gemisches möglichst rasch und sicher | r3 | | | | Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 291 eintreten zu lassen, habe ich es auch so gemacht, dass ich die Eier und das Gemisch in ein Probirröhrchen füllte und letzteres in kochendes Wasser eintauchte. Nach kaum einer Minute verrieth dann die Dunke- lung des Eies, dass die Säure nach innen gewirkt habe. Nach gutem Auswaschen erfolgte Färbung wie oben. — Ich erhielt so durch eine oder, wenn man will, zwei andere Methoden eine werthvolle Bestäti- gung dessen, was ich mit der ersten Methode gesehen habe. Ich betone nochmals, dass meine Untersuchungen der Hauptsache nach an Eiern angestellt wurden, welche auf die zuerst beschriebene Weise konservirt sind!. Eine derartige einheitliche Behandlung schien mir desshalb werthvoll zu sein, weil dadurch bewiesen wird, dass auf- fallende Veränderungen im Laufe der Entwicklung nicht als absolute Kunstprodukte betrachtet werden dürfen, sondern als wirkliche Vor- gänge im Leben des Geschöpfes. Eine einzige Methode kann jedoch nicht allen Anforderungen ge- nügen, dessen bin ich mir wohl bewusst. Da nun aber bei einer so raschen Entwicklung schon ein ganz bedeutendes Material dazu gehört, um nur erst einmal ein Bild von der Zeitfolge der Vorgänge zu er- halten, und da die Herbeischaffung der geeigneten Stadien doch nicht ohne Schwierigkeiten ist, besonders wenn man seine Zeit nicht aus- schließlich einer derartigen Untersuchung widmen kann, so habe ich in diesem Jahre ausgedehntere Kontrolluntersuchungen nicht vor- nehmen können. Wenn ich aber dennoch jetzt schon zur Veröffent- lichung der erhaltenen Resultate schreite, so hat das folgenden Grund: Frische Eier würden mir erst im Sommer wieder zur Verfügung stehen und würde also das Erscheinen der Resultate eine Verzögerung von mindestens einem Jahre erfahren, und das schien mir doch nicht räth- lich zu sein. Ja, ich muss hinzufügen, ich kann nicht einmal mein konservirtes Material zu Ende untersuchen, da ich genöthigt bin, mit Beginn des neuen Jahres an die Zoologische Station zu Neapel zu gehen. Ich muss also um Nachsicht bitten, dass ich die eine oder andere der nachfolgen- 1 Dass man mit Anwendung von heißem Wasser und nachheriger einfacher Alkoholbehandlung sehr gute Resultate erhält, habe ich bereits in meinen Unter- suchungen über die Entwicklung der Phalangiden (p. 89, 142 etc.), sowie in meinen technischen Mittheilungen zur Entwicklungsgeschichte (p. 472) hervorgehoben. Ich freue mich, mittheilen zu können, dass unabhängig von mir G. PLArner (15) kürz- lich zu dem gleichen Resultate gekommen ist. Derselbe hat die gleiche Methode bei Untersuchungen an den Eiern von Ascaris megalocephala angewandt und fand, »dass dieselbe in geschickter Weise benutzt, alle anderen Methoden übertraf«. PLArner hat in den Ascariseiern Details in der Struktur der chromatischen Elemente erkannt, »die bisher allen Beobachtern entgangen sind « (p. 352). 20* 292 H. Henking, den Beobachtungen jetzt noch nicht so gut erklären kann, wie ich wohl möchte. | Ich bemerke, dass die Eier der Schmeißfliege für eine sichere Entscheidung der beregten Frage recht ungünstig sind. Zwar bieten sie in Bezug auf das Schneiden gar keine Schwierigkeiten, verhalten sich also viel günstiger als die Eier der Phalangiden, aber sie haben zwei große Fehler. Das Keimbläschen, welches in Fig. 10 kbl von einem noch unreifen Ovarialeie dargestellt ist, enthält nur im Keimfleck (kf) eine ganz geringfügige Menge von Chromatin. Hiervon geht möglicher- weise bei der Bildung der Richtungskörperchen die Hälfte oder gar drei Viertel verloren. Mit völliger Sicherheit aber darüber zu entschei- den, ob das winzige Reststückchen sich auflöst, oder sich unendlich fein zertheilt oder nur durch einen unglücklichen Zufall einmal nicht aufzufinden ist, das halte ich für unmöglich. Dann kommt hinzu, dass die Entwicklung so ungeheuer rasch von statten geht. Wichtige Veränderungen treten so schnell ein, dass es zu- weilen kaum möglich ist, zu entscheiden, welches Stadium das zeitlich vorangehende, welches das nachfolgende sei. Ich maße mir daher durch- aus nicht an, in jedem Falle sogleich das Richtige getroffen zu haben. In Bezug auf die Abbildungen gebe ich noch an, dass dieselben mit wenigen, wohl sofort kenntlichen Ausnahmen, unter Benutzung genau der gleichen Vergrößerung gezeichnet sind. 1. Das unreife Ei. Als Beispiel eines noch nicht erwachsenen Ovarialeies verweise ich auf Fig. 10. Man sieht, wie das Keimbläschen (kbl) als farblose Kugel in dem deutlich vom Karmin gefärbten Eiinhalte schwebt. Das- selbe hat eine scharfe einfach kontourirte Wandung, enthält im Innern feinste Körnchen und einige heile Bläschen, sowie excentrisch den kleinen deutlich gefärbten und mit Vacuolen versehenen Keimfleck (kf). Weiter zeigt die Abbildung noch Folgendes: Oberhalb der bereits deutlich angelegten Schale (s) folgen vier Bildungszellen für den Mikro- pylenapparat, sowie die großen Nährzellen des Eies (nz). Eine der- selben steht mit dem Eiinhalte in direkter Kommunikation (Fig. 10 c) und erinnert an ein von den Aphiden bekanntes Verhalten der Nähr- zellen. Besonders auffällig sind die großen Kerne der Nährzellen (X). Sie sind intensiv gefärbt, also sehr chromatinreich. Sie zeigen vielfach wie eingefressene Stellen (e). Ist das Ei gereift, so sind die Nährzellen mit ihren großen Kernen bis auf einen ganz kleinen Rest verschwunden. Wo ist dann aber das Chromatin derselben geblieben? Ich glaube, ein Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 293 Jeder wird mir ohne Weiteres zugeben, dass es von der Eizelle aufge- nommen sei; jedenfalls ist es verschwunden. Hier hat sich also eine große Menge von Chromatin ganz unverkennbar im Zellinhalte aufge- löst; das Ei nimmt auch den Platz ein, den früher die Nährzellen inne hatten. 2. Das reife Ei. Das erwachsene Ovarialei hat das Rudiment des Keimbläschens in der Nähe des oberen Poles, und zwar seitlich rechts oder links von der weiter unten noch zu erwähnenden Schalenrinne. Man kann nur noch von einem Rudiment sprechen; denn die stattliche Blase (Fig. 10 kbl) fehlt. Man findet ein etwa ovales Körperchen (Fig. 1 X) und in dessen Umgebung einen homogenen Hof (Fig. I h). Das Innere des Keim- körperchens enthält einige Vacuolen (Fremmine’s Gemisch). Unverändert sind die Verhältnisse gelegentlich bei einem den Ovarialtuben (Fig. 13 {) entnommenen Eie (Fig. 12). Auch hier ist das kleine ovale Keimkörperchen deutlich gefärbt, lässt im Innern ein zar- tes Netzwerk erkennen und liegt in einem kleinen homogenen Hofe (Fig. 12 Ah). Ganz dasGleiche kann man noch bei einemEi finden, welches bereits in den Uterus (Fig. 13 ut) übergetreten ist (Fig. 6 k), ja auch wohl gar bei einem bereits abgelegten Eie (Fig. 4 k). Den letzteren Fall habe ich im Ganzen viermal angetroffen, drei von den Eiern stammten von dem- selben Thiere ab, das vierte von einem anderen. An allen diesen zeigte die Untersuchung, dass sie entschieden unbefruchtet waren: im Innern des Eies waren keine Andeutungen von Spermatozoen zu bemerken, bei dem einen Eie waren allerdings über der Mikropyle einige Samen- fäden sichtbar. Bei einem Eie war die Mikropyle anscheinend normal, bei zweien ' etwas abweichend gestaltet, bei dem vierten nicht mit im Präparate. Ob der Bau der Mikropyle eine Befruchtung verhindert hatte, ob das Thier nicht mit genügend Sperma versehen war, oder welche Ursache sonst bewirkt haben mochte, dass die Eier parthenogenetisch abgelegt wurden, vermag ich nicht zu sagen. Weiter habe ich auch keine Beob- achtungen darüber, ob derartige Eier entwicklungsfähig sind oder nicht. Als ich auf die mitgetheilte Thatsache aufmerksam wurde, war die Jahreszeit zu weit vorgerückt, als dass ich noch nach etwaigen »tauben« Eiern hätte suchen können. Das in Fig. 6 abgebildete, im Uterus befindliche Ei ist ebenfalls noch unbefruchtet. Fig. 7 zeigt bei m einen Schnitt durch die Mikro- pyle desselben. 294 H. Henking, Das Keimkörperchen im reifen Ei von Lucilia Caesar ist ganz ähn- lich dem eben beschriebenen von Musca vomitoria. Ich gebe in Fig. 11 die Abbildung eines solchen. Auch hier liegt das Keimkörperchen an der Peripherie und ist von einem hellen Hofe umgeben. Es enthält im Innern deutlich gefärbte Pünktchen. Das Ei war dem Oviduct entnommen. 3. Das Vordringen der Samenfäden bis zur Mikropyle des Eies. Das Eindringen des Sperma in das Ei findet ausnahmslos in jenem oberen Theile der weiblichen Legeröhre statt, welche als Uterus be- zeichnet werden mag (Fig. 6, 13 ut). An jener Stelle, wo der Oviduct (od) in den Uterus übergeht, sitzen außer zwei hellen Anhangsdrüsen (ah) die gestielten Receptacula seminis. In den dunklen, mit derben chitinartigen Wandungen versehenen Behältern (Fig. 13 rs) liegen die Samenfäden aufgeknäuelt. Die Eier, welche mit dem stumpfen Pole voran aus dem Ovarium abwärts gleiten, müssen gleich beim Eintritt in den Uterus an den Ausführungsgängen der Receptacula seminis’ vor- bei passiren (Fig. 6 a.rs). Dass ein großes Bündel von Spermatozoen im Uterus in die Mikro- pyle des Eies einzudringen pflegt, ist zuerst von Meissner (14) und Leuckart (13) beobachtet worden. Ich kann den Darstellungen dieser Forscher über den am frischen Objekt zu beobachtenden Vorgang kaum etwas Neues hinzufügen. Von ihnen wurde bereits der eiweißartige Überzug des Eies (Fig. 5, 14 ew), sowie die rundliche Haube über der Mikropyle (Fig. 5, 14 ha) und das radienartige Eindringen der Sperma- tozoen durch die Haube in die Mikropyle (Fig. 14 spa) beschrieben. ' Meıssner (14) sah auch schon, wie bereits in das Ei eingedrungene Samenfäden eine Spur in der Mikropylenkappe zurückließen. Ich kann das Alles bestätigen. Eine Reihe von das Licht anders brechenden Fleckchen deutet den Weg an, welchen das Samenfädchen beim Durch- dringen der Mikropylenkappe eingeschlagen hatte. Hinzufügen möchte ich nur noch, dass von dem Mikropylenhöckerchen vor der Befruchtung dunkle Körnchen sternartig ausstrahlen (Fig. 5 mı), als wollten sie von der Kopulationsbereitschaft des Eies Zeugnis ablegen. Nun bietet das Ei an seiner Oberfläche noch eine sonderbare Bil- dung, welche von Heron (7) zuerst gesehen und von LeuckArr näher beschrieben wurde. Das ist die Schalenrinne. Sie reicht vom vorderen Pole über etwa 5/, der Eilänge hin (Fig. 3 rf). Hrrorp (7) wusste sie nicht zu deuten und machte nur darauf aufmerksam, dass unter ihr die Stigmen der Larve lägen. Nach Leuckarr (13) hat die Furche möglicher- weise nur die Aufgabe, das Ausschlüpfen des Embryo zu erleichtern. Ich glaube, dass sie zum Mikropylenapparat zu rechnen ist. Sie mündet Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 295 direkt auf die Mikropyle (Fig. 3 m) unter Verbreiterung aus und Beob- achtungen überzeugten mich, dass sie auch zum Fortleiten von Samen- massen dient. Das in Fig. 5 abgebildete Ei war erst ein Wenig mit dem stumpfen Pole aus dem Oviduct in den Uterus vorgedrungen. Eine Untersuchung desselben in ganz schwacher Salzlösung ergab, dass das Ei noch unbe- fruchtet war; aber im unteren Ende der Schalenrinne steckten drei Spermatozoen (Fig. 5 spı, Spa). Sie waren bereits abgestorben, wie die Samenfäden denn überhaupt in Wasser und bis 1/9°/,iger Salz- und Zuckerlösung sogleich ihre Beweglichkeit verlieren. Die aus dem Uterus selbst entnommenen, mit Spermaschopf in der Mikropyle versehenen Eier bargen ebenfalls Samenfäden in der Schalenrinne, jetzt aber in dem der Mikropyle zugewandten Theile (Fig. 14 sp,). Auffallend ist es auch, dass der Überzug des Chorions (Fig. 5, 14 ew) nicht über die Schalenrinne einfach fortzieht, sondern oben und unten an derselben aufhört (Fig. 14 a, b). Dass die Schalenrinne wirklich ein Erleichterungsmittel für die Befruchtung ist, scheint mir ganz einleuchtend zu sein. Schon HrroLp theilt mit, dass der Rücken der Made unter der Furche sich befinde, und dass er beim Ablegen »mit dem Rücken des Fliegenweibchens eine völlig parallele Lage hat«. Hierbei ist dann aber die Furche des im Uterus befindlichen Eies den Ausführungsgängen der Recepta- cula seminis zugewandt. Nur einmal habe ich eine davon abweichende Stellung des Eies wahrgenommen. Das Ei, welches mit dem dicken Ende voran in den Uterus eintritt, nimmt Sperma in das untere Ende der Schalenrinne auf, und dieses vermag selbst dann zur Mikropyle vorzudringen, wenn auch die ge- spannte Uteruswandung sonst das Ei dicht umschließt. Man wird vielleicht einwerfen, die Samenfäden würden dennoch leicht den Zugang zur Mikropyle finden, und zwar in dem Augenblicke, in welchem der spitze Eipol an den Ausführungsgängen der Recepta- eula vorüberglitte. Da stimme ich sofort zu. Es ist jedoch noch ein anderer Fall in Erwägung zu ziehen. Es ist etwas sehr Gewöhnliches, dass man aus dem Uterus unserer Schmeißfliege nicht ein auf frühester Entwicklungsstufe stehendes Ei, "sondern eine völlig ausgebildete Larve herauspräparirt. Das hat bereits LeuckAarr (13) erfahren und auch Srunımann (16) hat es beobachtet. Es ist aber stets nur eine Larve vorhanden, die übrigen Eier verhalten sich wie gewöhnlich. — Es ist bekannt, dass die Fliegen sich ihrer Eier sehr rasch entledigen; während ein Ei noch im Uterus steckt, befindet sich ein anderes bereits wieder im Oviduet. Nun sind die Fliegen aber 296 H. Henking, auch sehr scheu, sie unterbrechen die Ablage bei der geringsten Stö- rung sofort und fliegen davon. Was geschieht dann mit den Eiern? Das noch zum Theil im Oviduct steckende Ei gleitet völlig in den Uterus und bleibt hier liegen. Dieser ist aber auch sehr gut zum Warten ein- gerichtet, er besitzt am oberen Ende eine blinde Aussackung (Fig. 6 ut), in die sich der spitze Pol des Eies eindrückt. Die so gebildete Aus- sackung hat aber eine Einrichtung, welche verhindert, dass sich die Ute- ruswand der Mikropyle fest auflegt. Das ist erstens ein derber cuticularer Überzug der Uteruswand an jener Stelle (Fig. 7, 21 cu) und weiter eine große Menge starker Borsten auf demselben (Fig. 7, 24 st). Es können also auch bei einem so eingeschlossenen Eie dennoch Spermatozoen zur Mikropyle gelangen, und in diesem Falle, wie ich glaube, ganz beson- ders durch Vermittelung der Schalenrinne. Gleichzeitig ist sehr wohl möglich, dass letztere in Folge ihres zarteren, von dem übrigen Chorion abweichenden Baues (Fig. 4, 8 rf), außer dem Vortheile für das Aus- schlüpfen der Larve auch noch respiratorische Bedeutung hat. Welche von den hier erwähnten Verwendungen die von LeuckaArr (13) beschrie- benen, so höchst bizarren Ausgestaltungen der gleichen Anlage bei an- deren Fliegen, z. B. Scatophaga stercoraria, Drosophila cellaris, Leptis punctum, beibehalten haben mögen, darüber lässt sich jetzt noch nichts sagen. Das im Uterus befindliche Ei wird also befruchtet und beginnt sich zu entwickeln. Findet die bei der Ablage gestörte Fliege nicht so bald wieder ein passendes Substrat, um den Rest ihrer Eier darauf nieder- zulegen, so wird das befruchtete Ei sich im Uterus bis zur Larve ent- wickeln können. Kommt es früher zur Ablage, so zeigt es ein Zwischen- stadium. Auch hiervon habe ich Beispiele gefunden. Dass die Samenfäden, durch irgend eine unbekannte Kraft geleitet, direkt der Mikropyle zueilen, ließ sich bereits äußerlich feststellen. Welchen Weg nehmen sie nun aber weiter? BrocHmann (1) meint (p.557), dass sie gewöhnlich nicht an der Spitze des Eies eindringen. Wäre derselbe nicht allem Anscheine nach ein so großer Verächter der älteren Litteratur, so würde er schon aus den Arbeiten von Mkıssxer (14) und Leuerart (13) haben ersehen können, dass diese seine Meinung doch wohl nicht richtig sei. Meissner (14) berichtet nämlich (p. 274), dass die Dotterhaut unter der Mikropyle dem Chorion fest anhafte und außerdem von einer Öffnung durchbohrt sei, welche der Mikropyle an Größe gleichkomme und auch Leverart hat das Gleiche beobachtet!. Ich kann das völlig bestätigen. 1 LEUCKART (43) sagt (p. 144): »Im Umkreis der Mikropyle adhärirt die Dotter- haut an dem Chorion, so dass die Öffnung durch beide Häute hindurchgeht. « Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 2397 Ja, es besitzt die Dotterhaut nicht nur ebenfalls eine Mikropyle, son- dern auch um dieselbe eine Zeichnung, welche mit der der Chorion- mikropyle eine große Ähnlichkeit hat, ohne allerdings so vollkommen und ausgebildet zu sein. Ich gebe in Fig. 17 (md) eine Abbildung davon. An Schnitten habe ich mich dann zur Genüge davon überzeugen können, dass das Eindringen der Samenfäden nicht nur an der Spitze des Eies, sondern sogar direkt unter der Mikropyle stattfindet. Zur Ulustrirung des Vorganges brauche ich wohl nur auf Fig. 21 zu ver- weisen. 4. Über Richtungskörper. In dem gereiften Eie war das Keimbläschen bis auf ein kleines sich färbendes Keimkörperchen und einen hellen Hof um dasselbe ge- schwunden (Fig. I, 12). Entsprechend dem Verhalten bei anderen Thieren muss sich nun bis zum Augenblick der Befruchtung die Bil- dung von Richtungskörpern einstellen. BrLocamann (1) hat dieselbe beobachtet. Nach ihm wandelt sich das Keimbläschen in den von ihm auf Fig. 29 abgebildeten Richtungsam- phiaster um, welcher den in Fig. 34 und 35 abgebildeten Richtungs- kernen! den Ursprung geben soll. Wie sich weiter unten zeigen wird, kann ich der von ihm ver- tretenen Auffassung nicht beipflichten. Seinen Richtungsamphiaster halte ich für den ersten Furchungskern. Dagegen habe ich einige Beobachtungen gemacht, welche sich vielleicht eher zu Gunsten von Richtungskörpern verwenden ließen. Aber ich drücke mich mit aller Reserve aus: Die Ungunst des Materia- les, die Kleinheit und das sonderbare Verhalten der fraglichen Gebilde haben es mir nicht gestattet, zu einem abschließenden Urtheile zu "kommen. Dass der Eikern fädige Differenzirungen seiner Länge nach be- Sitze, wie BLochmann angiebt, ist nicht das gewöhnliche Verhalten; aber es mag eine Vorbereitung zur Bildung der Richtungskörper sein. Als ein dem entsprechendes Stadium könnte Fig. 4 aufgefasst werden; man sieht, dass gegen Fig. 1 und 12 eine Veränderung mit dem Keimkörper- chen vor sich gegangen ist. Diese Veränderung könnte schließlich endigen mit der Bildung einer Spindelfigur, wie sie in Fig. 21 (rsp) 1 Merkwürdig ist, dass die in Fig. 34 und 35 bei BLocumAann abgebildeten Rich- tungskerne trotz ihrer verschiedenen Lagerung zu einander das gleiche Präparat darstellen sollen laut Tafelerklärung. Welches von beiden Bildern ist denn das Richtige? 298 H. Henking, dargestellt ist. Die Spindel besteht in jeder Hälfte nur aus zwei Chro- matinkörnchen, welche etwa birnförmig gestaltet und mit ihren Spitzen einander zugewandt sind. Es darf nicht auffallen, dass die Figur an- scheinend so weit im Innern des Eies liegt: Der Schnitt ist ein wenig tangential gefallen, die Spindel würde also nicht seitlich, sondern der dem Beschauer zugewandten Seite des Eies schräg zustreben, ein Ver- halten, welches in der Zeichnung wiederzugeben, mir nicht recht ge- lingen wollte. — Dass die Spindel wirklich aus dem Keimkörperchen hervorgegangen sei, dafür kann ich keinen direkten Beweis erbringen. Es spricht dafür, dass ich auf den Schnitten durch das Ei sonst nichts von einem Keimkörperchen habe auffinden können. Das Ei befindet sich im Uterus und der in der Mikropyle befindliche Spermaschopf zeigt, dass die Befruchtung unmittelbar bevorsteht. Konservirung mit heißem Wasser. In Fig. 9 gebe ich bei rsp eine Spindel, welche wohl mit Recht der vorigen gleichgestellt werden dürfte. Sie stammt aus einem Eie, welches mit Fremmines CGhrom-Osmium-Essigsäure (kalt) Konservirt wurde. Das Ei steckt noch in der Ovarialhaut. Auch hier haben wir wieder die vier Chromatinkörnchen und außerdem eine Andeutung von achromatischen Fäden. Von einem Keimkörperchen, oder einer Figur, die für ein Umwandlungsprodukt desselben gehalten werden könnte, habe ich in dem Eie nichts bemerkt. Die Dotterkugeln sind durch die Säure völlig aufgelöst, nur das an deren Stelle vacuolisirte gefärbte Plasma ist zurückgeblieben. Und nun biete ich in Fig. 2 bei rk abermals eine Spindel, und seh im Voraus, dass sie ohne Schwierigkeit als Richtungsspindel anerkannt werden wird. Hier ist die Hälfte der Spindel nach außen gestoßen. Das Richtungskörperchen besteht aus zwei Kügelchen, welche deutlich außerhalb der Eiperipherie liegen. Im Ei sind zwei Körnchen zurück- geblieben. Auch in diesem mit heißem Wasser konservirten Präparate sind achromatische Fäden zu bemerken, wenn man die die Chromatin- körnchen verbindenden Strichelehen überhaupt so nennen will. Unter- halb des Richtungskörperchens befindet sich ein deutlich gefärbter Streifen, als ob die Oberfläche des Eies in Berührung mit der Kernsub- stanz selbst chromatisch geworden wäre. | Aber die Sache hat eine sehr eigenthümliche Seite. Das Ei wurde erst etwa eine halbe Stunde nach der Ablage konservirt. Ich war da- her nicht wenig verwundert, in einem relativ bereits so alten Eie noch ein Richtungskörperchen zu finden, noch mehr aber, als ich bemerkte, dass sich dasselbe unweit des stumpfen Eipoles angesiedelt hatte. Meine Verwunderung wich schließlich aber einem, ich muss gestehen, Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 399 Anfangs nicht besonders angenehmen Gefühle, als ich nun gar sah, dass am spitzen Pole die Entwicklung bereits begonnen hatte, denn dort lag am Rande schon der gefärbte Kern, die » Richtungskernmasse « Brochmann’s, dort zeigten sich im Innern schon die bekannten plasma- tischen Anhäufungen mit den farblosen Kernen, Alles in gewöhnlicher Weise. Es fällt mir nun aber gar nicht ein, einer derartigen vereinzelten Beobachtung irgend welchen großen Werth beizulegen; aber ich habe doch geglaubt, ihre Mittheilung nicht unterdrücken zu dürfen. Ich hätte es gern gesehen, wenn die Spindel sich als ein Fremdkörper hätte erkennen lassen ; jedoch liegt sie zu genau in der Ebene des Schnittes und auch zu genau auf dem Rande desselben. Wo sollte auch ein so genau mit Fig. 9 und 21 (rsp) übereinstimmender Fremdkörper her- kommen. Jedenfalls ist die Sache nicht klar. Ein anderes Bild, dessen ich noch Erwähnung thun möchte, ist mir ebenfalls nicht zu völliger Klarheit gekommen. Ein Ei, welches bereits in den Ovarialtuben steckte, zeigte an Stelle des Keimkörperchens das in Fig. 8 annähernd wiedergegebene Gebilde. Unweit des Eirandes ' liegt eine dichtere plasmatische Masse, welche getheilt ist und je mehrere gleichverlaufende verwaschene Chromatinstreifen aufweist. Ganz undeutliche Chromatinstreifchen ziehen mehr der Eimitte zu. — Ob wir hier etwas Normales vor uns haben, etwa die Bildung eines ersten Richtungskörperchens, oder nur einen pathologischen Zustand, vermag ich nicht zu entscheiden. Die verwaschene Färbung, sowie die ungewöhnlich starke Schrumpfung des Eies sind immerhin etwas be- 'denklich. Bei dh hat sich die Dotterhaut weit vom Eiinhalte abgehoben. Es sieht aus, als wenn sich das Chromatin im Eie vertheilen wollte. 5. Die Befruchtung. » Wir hatten gesehen, dass die Samenfäden direkt durch die Mikro- pyle von Chorion und Dotterhaut hindurchschlüpfen. Damit sind sie in das Innere des Eies gelangt. Zunächst kommen sie in einen Vorraum, welcher als Empfängnisfleck bezeichnet werden mag (Fig. 21 ef). Dieser halbkugelige helle Raum entsteht nicht etwa vor den eindringenden Spermatozoen, sondern ist im reifen unbefruchteten Eie ebenfalls in gleicher Form und Lage vorhanden. Es dürfte damit wohl der letzte Zweifel schwinden über die Frage, wo die Sperinatozoen in das Ei ein- zutreten pflegen. Übrigens ist der Empfängnisfleck bereits von StuuL- MANN (p. 52 resp. 152) gesehen, wenn auch auf seine Bedeutung nicht näher untersucht. Dass die Samenfäden an der erwähnten Stelle wirklich eindringen, 300 H. Henking, davon kann man sich an günstigen Präparaten leicht überzeugen. An Fig. 21 sieht man, wie zwei derselben gerade in Begriff sind, durch den Empfängnisfleck hindurch das Plasma des Eies zu gewinnen. Letz- teres tritt ihnen in einer etwas stärkeren Anhäufung von meist etwa kegelförmiger Gestalt unter dem Empfängnisflecke entgegen, oder mit anderen Worten: Unter der Mikropyle liegt eine meist von Dotterbe- standtheilen, wenn auch nicht völlig, gemiedene Plasmamasse. Im vor- liegenden Präparate war sie gegen den Empfängnisfleck durch eine Schicht kleiner Vacuolen (v) abgegrenzt. Im Dotter verändern die Spermatozoen in auffallender Weise ihre Gestalt. Sie treten uns als kleine kugelige Kerne entgegen (Fig. 20 sp). Wie es kommt, dass das lange fadenförmige Samenthierchen eine derartige Umwandlung erleidet, vermag ich leider nicht anzugeben. Ich habe keine den Vorgang aufklärende Bilder. In meinen Präparaten erstrecken sich die intensiv gefärbten Samenfäden stets bis unmittelbar an das Eiplasma; im Innern des Eies habe ich niemals mit Sicherheit ein fädiges Gebilde bemerkt, sondern stets nur die fertig gebildeten Samenkernchen. Zuweilen fand ich allerdings auf einer Reihe auf ein- ander folgender Querschnitte in einer Plasmaansammlung an entspre- chender Stelle ein Pünktchen und dieses Pünktchen machte zum Schluss einem etwas größeren roth gefärbten Fleckchen Platz, so dass ich auf den Gedanken kam, Querschnitte des Samenfadens vor mir zu haben, welcher am Ende bereits zur rundlichen Kernform zusammenzuschmel- zen begönne ; doch habe ich keine Gewissheit darüber erhalten, auch durch Längsschnitte nicht. Einen vollgültigen Beweis für Identität von Faden und Kern kann ich also nicht erbringen, sondern nur einen in- direkten. | In Fig. 15 ist zu sehen, wie von der Gegend der Mikropyle her (der Schnitt geht nicht durch die Mitte des Eies) eine Wolke von Plasma (wp,) der Tiefe des Eies zuströmt. Auf einem anderen Schnitte der gleichen Längsschnittserie, also in einer anderen Gegend desselben Eies ist eine entsprechende Wolke von Plasma bereits in größerer Tiefe angekommen (wps). Eine dritte Wolke (wp,) aus einem entfernten Schnitte habe ich, um das Bild der kombinirten Zeichnung nicht un- deutlich zu machen, nur durch eine gestrichelte Figur angedeutet. In Fig. 22 befindet sich nun am Grunde einer entsprechenden Plasmawolke ein rothes Körperchen (sp). Es entstammt dieser Schnitt zwar einer anderen Art, nämlich der Lucilia Caesar; aber ich besitze auch von Musca vomitoria die gleichen Längsschnittbilder. Was Fig. 20 und 24 bei sp darbieten, ist ebenfalls nichts Anderes als Quer- schnitte durch das von der Mikropyle abgewandte Ende solcher Plasma- Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 301 wolken, welche bald näher bald ferner von der Mikropyle anzutreffen sind. Die Gründe, welche mich veranlassen, die erwähnten Kerne als mit eingedrungenen Spermatozoen in einem näheren Zusammenhang stehend anzunehmen, sind demnach folgende: 4) Die beschriebenen Wolken von Plasma trifft man nur in Eiern, welche den Uterus erreicht oder ihn bereits verlassen haben. 2) Die gefärbten Spermakerne trifft man nur in dem der Mikro- pyle abgewandten Theile der Plasmazüge. Ihre Gestalt ist sehr eigen- thümlich (vgl. unten). | 3) Analoge Verhältnisse aus der späteren Entwicklung des gleichen Thieres und auch anderer berechtigen zu dem Schlusse, dass ein Wan- dern des Kernes nach derjenigen Richtung hin stattfindet, welcher sie in der Plasma-Ansammlung am meisten zugewandt sind. Sie wandern also von der Mikropylengegend fort. 4) Eier, welche ganz unzweifelhaft befruchtet sein mussten, da viele Samenfäden in der Mikropyle steckten und bis zum Eiplasma hin- abreichten, ließen dennoch in ihrem Innern niemals ein fadenförmiges Spermatozoon erkennen. 5) Die Wolken von Plasma waren von ihrem Anschluss an den Empfängnisfleck bis successive viel weiter in das Innere des Eies zu verfolgen. 6) Die Wolken von Plasma sind unabhängig von den weiblichen Kernbestandtheilen und kommen vor vergesellschaftet mit verschiede- nen Entwicklungszuständen derselben (vgl. unten). 7) Theilungszustände habe ich an derartigen Kernen nicht beob- achtet. 8) Die ersten Furchungskerne sehen ganz anders aus und ver- halten sich anders. 9) Andere Gebilde, welche in Konkurrenz mit den genannten mög- licherweise als Spermakerne aufgefasst werden könnten, kamen über- haupt nicht zur Beobachtung. Es ist demnach keine Wahl. Es ist das Wahrscheinlichste, dass ein jedes der kleinen Sperma- kerne im Eie nur einem einzigen Samenfaden entspricht. Wird das vorausgesetzt, so kann ich über die Anzahl der eingedrungenen Samenelemente ziemlich genaue Angaben machen. In den meisten Fällen habe ich deren vier beobachten können. Wasistinzwischen aus der weiblichen Chromatinsubstanzgeworden? Darüber kann ich leider keine genaue Auskunft geben. Ich besitze eine ziemlich große Anzahl gut gelungener Präparate, an denen die einen deutliche Samenfäden in der Mikropyle tragen, die anderen bereits jene 302 | H. Henking, plasmatischen Wolken aufzeigen, aber von weiblichem Chromatin ver- mag ich nichts zu entdecken. Doch obgleich die Stelle, wo der Rest des Keimbläschen liegen müsste, unschwer ziemlich genau festzustellen ist, obgleich daselbst oft eine deutliche plasmatische Ansammlung! ohne jede chromatophile Substanz bemerkbar wird, so wage ich dennoch nicht mit Sicherheit ein völliges Schwinden des Keimbläschenrestes zu be- haupten, wenn ich auch die Möglichkeit davon offen halten muss. Halten wir die oben beschriebenen Gebilde für Richtungskörper, so sind ja die zwei schließlich übrig gebliebenen Chromatinkörnchen so winzig klein, dass sie durch ein Dotterkörnchen, durch ein Schmutzpartikelchen ver- deckt werden können, dass ein etwas dickerer Schnitt an der entschei- denden Stelle hinreicht, um sie übersehen zu lassen. Hinzu kommt, dass ich bei dem nun zu beschreibenden Befruchtungsvorgange das weibliche Chromatin sehr wohl als vorhanden annehmen kann. Als ein der Kopulation der Kerntheile unmittelbar voraufgehendes Stadium fasse ich nämlich Fig. 16 auf. Das Ei war mit erwärmter Chrom-Osmium-Essigsäure nach dem Herauspräpariren aus dem Uterus getödtet und mit Boraxkarmin gefärbt. Der Schnitt ist der 28. von 149, liegt also !/; der Eilänge hinter der Mikropyle. In der charakteristischen Stellung zur Schalenrinne (rf) ist unmittelbar unter der Eioberfläche ein kleines rothgefärbtes Körperchen zu bemerken (Ok), welchem ich die Bedeutung des durch Verschmelzung der beiden Chromatinkörnchen entstandenen resp. ganz neu gebildeten weiblichen Kernes zuschreiben möchte. Nach dem Innern des Eies zu erstreckt sich von hier aus ein von Dotterkörnchen ziemlich freier Plasmahof, und in ihm liegen abermals ‘zwei rothgefärbte Kerne hinter einander. Ihrer ganzen Gestalt und ihrem Verhalten nach muss ich dieselben für Spermakerne erklären. Ein ganz ähnliches Bild bietet Fig. 20. Das Ei war durch Hitze abgetödtet, wurde mitsammt dem Uterus geschnitten nach vorheriger Färbung mit Boraxkarmin. Auch hier liegt am Rande eine plasma- tische Ansammlung mit zwei Spermakernen (sp,, sp) und näher am Rande ein weiblicher Kern (Q%). Letzterer erscheint hier größer als in Fig. 16 und ist etwas weiter in das Ei gerückt, als wollte er den Spermakernen entgegen wandern. Fig. 20 stellt gleichzeitig den ein- zigen von mir beobachteten Fall dar, in dem die Schalenrinne des Eies weiter als gewöhnlich von der Gegend des Keimbläschens entfernt liegt. Der Schnitt ist von 98 der zwölfte. Ich glaube, die soeben vorgetragene Auffassung ist die einfachste. Man könnte vielleicht vermuthen, der mit ©% bezeichnete Kern sei die 1 Vgl, hierüber auch weiter unten. Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 303 Richtungsmasse, der mit sp, bezeichnete der weibliche und sp, der männliche Vorkern. Dagegen spricht (Fig. 16), dass letztere beiden einander sehr ähnlich sind, während doch sonst mehr sp, dem Q%k gleichen müsste. Eine andere Möglichkeit wäre, dass alle drei Kerne (Fig. 16, 20 Q%, sp,, sp) als Spermakerne angesehen würden, wofür ja ihre allgemeine Ähnlichkeit (besonders in Fig. 20) sprechen könnte. Ich für meine Person habe dagegen nichts einzuwenden. Es würde damit er- klärt, aus welchem Grunde ich nichts von weiblicher Chromatinsubstanz nach der Bildung der Richtungskörper habe auffinden können und gleichzeitig das völlige Schwinden des Keimbläschens anerkannt. In welcher Weise die Vereinigung der drei Kernmassen stattfindet, habe ich nicht beobachtet, sondern nur Vorbereitungen dazu. Ich glaubte bestimmt, dass die Brocnwann’schen (1) Richtungskörper hierher gehören. Er giebt deren drei an, und ihre aufgeblähte Gestalt mit den wenigen Chromatinfäden rechtfertigt wohl die Annahme. Denn an einer größeren Anzahl mit Frenmine’scher Flüssigkeit behandelter Eier, welche zum Theil dem Uterus entnommen waren, zum Theil sofort nach der Ab- lage konservirt wurden, fand ich am Rande drei ganz homogene Kerne, welche im Allgemeinen Dotterkugeln sehr ähnlich waren. Eine Ver- wechselung mit solchen konnte jedoch nicht stattfinden, da das kalt an- gewandte Fremminesche Gemisch die Dotterkugeln auffallend in der Weise verändert hatte, dass nur ein kleines Reststückchen in einer großen Vacuole zurückgeblieben war (Fig. 29 do). Das Ansehen und Verhalten der drei randständigen Kerne wird durch Fig. 29 illustrirt. Ich vermuthe, dass sie hier sich dicht vor ihrer Vereinigung befinden; denn sie sind sehr aufgebläht und liegen sehr dicht neben einander. Außerdem treten sie in dem deutlich gefärbten Plasma nur wenig her- vor, jedenfalls viel weniger als die beiden anderen Kerne sp, und sp.. Auch hier möchte ich wieder auf die Nähe der Schalenrinne (rf) hin- weisen. Mit den eben beschriebenen Körpern sind offenbar diejenigen identisch, welche am Rande von Fig. 37 abgebildet sind. Beide ent- halten Chromatinfäden, wie sie BLocumann in seine Richtungskörper ein- gezeichnet hat. Den oberen Kern möchte ich für weiblich halten, den unteren für männlich (sp); denn letzterer hat noch einen homogenen Schwanzanhang, welcher wohl aus dem Anhange des Spermatozoons hervorgegangen ist. Das andere Samenelement ist möglicherweise, falls es nicht bereits aufgelöst ist, durch Schmutzpartikelchen, von denen ich eines eingezeichnet habe, zufällig verdeckt. Das Präparat war mit erwärmter Chrom-Osmium-Essigsäure gehärtet. Das in gleicher Weise behandelte Präparat zu Fig. 25 zeigt ein 304 H. Henking, etwas anderes Stadium, welches vielleicht mit dem zuerst besproche- nen in näherem Zusammenhange steht. Die drei stark aufgeblähten Kerne liegen wieder in der randständigen Plasmamasse zur Seite der Schalenrinne rf. Chromatinfäden waren in ihnen nicht. vorhanden, son- dern sie waren am Rande dunkel, nach der Mitte zu hell gefärbt. Der mittlere der drei Kerne ist viel weniger deutlich als die beiden anderen: es sieht aus, als ob er verschwinden wolle. Die bedeutende Aufquellung der genannten Elemente in Fig, 25 und 37 könnte vielleicht Misstrauen erregen, wenn man zum Vergleiche die Figuren 18, 19 oder gar 20 und 16 heranzieht. Da kann ich nur her- vorheben, dass ich eine gewisse Aufquellung bei allen drei von mir an- gewandten Methoden zu dieser Zeit beobachtet habe. Allerdings ist sie bei Benutzung von erhitztem FLeuninge schen Gemische am bedeutendsten. Dass dasselbe zuweilen eine übernatürliche Aufblähung des gesammten Eies verursacht, wird dadurch kenntlich, dass öfter die Schalenrinne an solchen Eiern nicht mehr zu sehen ist, weil ihre zusammengelegten Ränder durch den Druck der inneren Massen ausgedehnt wurden und nun verstrichen sind. | Ich halte jene drei Gebilde also für aufgeblähte männliche und weibliche Kerntheile vor der Kopulation. Will man sie nicht dafür halten, so weiß ich sie nicht zu erklären. Für ihre Entstehung aus der Spindel (nach BrocHnmann) spricht nach meinen Präparaten nichts: ich habe keine Zwischenstadien für diesen Vorgang, eben so wenig, wie ich jemals etwas bemerkt habe, was für die Annahme einer direkten Verschmelzung der drei Gebilde zu einem A randständigen Kerne verwerthet werden könnte. Einen Schritt weiter in der Entwicklung finden wir von deutlich erkennbaren Kernen an der Eiperipherie nichts mehr vor. Die Schalen- rinne führt uns immer bald wieder an die Stelle, an welcher sie zu suchen wären und die plasmatische Ansammlung ist auch noch vorhanden. Sie ist vielleicht ein wenig mehr in die Tiefe gerückt (Fig. 15, 22 pl) aber unbedeutend, bei Fig. 22 steht sie auf dem nächsten Schnitte mit der Oberfläche in Verbindung. Im Innern dieser plasmatischen Ansammlung befindet sich ein heller Fleck, welcher zwar scharf gegen seine Umgebung abgesetzt ist, ohne jedoch eine Membran zu besitzen. Fig. 15 f stellt das Stadium aus Musca vomitoria dar, Fig. 22 f aus Lucilia Caesar. Beide Eier wurden in gleicher Weise durch Hitze getödtet. Von irgend einem färbbaren Be- standtheile ist in dem hellen Flecke absolut nichts wahrzunehmen, ob- gleich das gesammte Plasma, besonders in Fig. 15, sich intensiv gefärbt hat. Da die Eier stets die gleiche Behandlung erfahren haben, so muss Die ersten Entwieklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 305 ich annehmen, dass auch hier eine Färbung stattgefunden haben würde, wenn überhaupt etwas Färbbares vorhanden wäre. Der Fleck ist völlig homogen. Ich muss mich demnach auch hier der Ansicht zuwenden, dass die Embryonalkerne durch »freie Kernbildung« entstehen, denn ich elaube kaum, dass jener nucleo-plasmatische Hof (Fig. 15, 22 f) irgend welchen Anspruch auf den Namen eines Kernes hat; er besitzt weder eine Membran noch wahrnehmbares Chromatin. Es ist das also eine Bestätigung der von mir bei der Entwicklung der Phalangiden ausge- sprochenen Ansicht !. Das für die Fig. 15 benutzte Ei bietet in einer Weise noch eine Ausnahme von der sonst allgemeinen Regel. Es liegt dasselbe nämlich verkehrt im Uterus, nicht so, dass die Schalenrinne (deren eine Seite in rf abgebildet ist) den Ausführungsgängen der Receptacula seminis zu- gewandt ist, sondern so, dass dieselbe gerade abgewandt ist. Zwar ist eine Befruchtung eingetreten, wie die Wolken von Plasma im Eiinnern zeigen, aber in der eingeschrumpften Mikropylenhaube (ha) stecken nur ganz wenige Spermatozoen, im Vergleich z. B. mit Fig. 21. Das auf das chromatinlose Stadium folgende Entwicklungsbild bietet Fig. 27. Der chromatinlose Fleck (f)) hat sich wieder mehr der Peripherie genähert, ist zwar immer noch deutlich begrenzt, nun aber schon wie- - der dunkler, d. h. ein wenig färbbar geworden. Seine innere Längs- achse wird von einer deutlichen chromatischen Figur eingenommen. Diese Figur ist gestreckt nach der Längsachse des Eies zu (fi). Ihre Wandung ist in ziemlich regelmäßiger Weise schwach ausgebuchtet, ihr ' Lumen ist der Länge und der Quere nach von einigen gefärbten Fäden durchzogen und deutliche Chromatinkörnchen sind an diese ange- schlossen. Der Zwischenraum zwischen Fäden, Körnchen und Wandung ist ungefärbt. Die Figur erinnert mich ganz ungemein an gewisse der Kernbildung bei Phalangiden voraufgehende Stadien und bitte ich in meiner Abhandlung auf Taf. VIII die Fig. 24, 31, 32, besonders aber ' Fig. 19 einmal darauf hin anzusehen. Die weitere Entwicklung geht alsdann so vor sich, dass die in der beschriebenen Figur noch etwas verworren ziehenden Fäden und Körnchen beginnen, eine mehr parallele Lage zu einander einzunehmen. I Auf einen Irrthum möchte. ich hinweisen, der mir sowohl in meiner Ab- handlung über die Entwicklung der Phalangiden (4) als auch in derjenigen, »Giebt es freie Kernbildung« (6), passirt ist. Ich spreche dort stets von dem Verschwin- den des Keimbläschens. Das ist, genau genommen, nicht richtig; denn ich glaubte ja eine vorhergehende Befruchtung im Ovarium annehmen zu müssen. Da kann also von einem Keimbläschen nicht mehr die Rede sein, Der Fall würde dem- nach ähnlich liegen wie bier. Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLV1. Bd. 21 306 H. Henking, Hat das stattgefunden, so beginnt das der Mitte des Schnittes zugewandte Ende der Figur mehr in das Innere des Eies hineinzurücken. Schließ- lich resultirt auf diese Weise eine wunderschöne Spindel: Wir haben zwei Pole, an denen sich die Chromatinfäden bogig vereinigen, wir haben eine äquatoriale Gegend, auf welche die freien Enden gerichtet sind (Fig. 24 fp). Ganz ungemein deutlich ist an den chromatischen Fäden ihre Zu- sammensetzung aus den BausIanı-Prirzuer’schen Körnchen zu sehen, und das Alles an Eiern, welche durch Hitze getödtet, durch Alkohol ge- härtet und durch Boraxkarmin gefärbt waren. Die Fäden in jeder Spindelhälfte sind verschieden lang; was ihre Lagerung anbetrifft, so fällt auf, dass sie ziemlich parallel neben einander liegen. Die Fäden der beiden Seiten stehen noch mit einander durch eine zarte unge- färbte Streifung in Verbindung; ich weiß nicht, ob man da von achro- matischen Fäden sprechen darf. Vier Chromatinfäden erkennt man jederseits leicht, ob ein oder zwei außerdem sichtbare noch hierher oder schon zu der rückläufigen Gegenseite gehören, ist schwer zu ent- scheiden. | Dass die Spindel ein so ungemein zierliches Aussehen hat, rührt noch von dem hellen homogenen Hofe her, in welchem sie liegt. Der- selbe hat Anfangs die Gestalt eines Rhombus und die Pole werden von den spitzwinkeligen abgerundeten Ecken gebildet. Der Rhombus streckt sich in die Länge, wie die chromatischen Figuren aus einander rücken. Man kann es dem hellen Hof gewissermaßen ansehen, ob und nach welcher Richtung die Chromatinfäden zu wandern streben. Denn wie ein Schiff vor dem Buge eine Welle aufwirft, deren seitliche Bahn unter der Gestalt einer Parabel nach hinten zu verstreicht, so ist es mit den beiden Chromatinmassen: Die Grenzlinie des homogenen Hofes ist am deutlichsten an den Polen, sie wird schwächer und schwächer nach den mittleren Ecken des Rhombus zu. Das ist also der Brocumann’sche Richtungsamphiaster. Während die chromatischen Spindelhälften mehr und mehr aus einander rücken, verändert der helle Hof seine Gestalt etwas. Es strebt nämlich der mittlere Theil desselben gewissermaßen danach, wieder zur Form eines kürzeren Rhombus zurückzukehren. In Fig. 23 ist das bereits angedeutet, in Fig. 28 deutlich ausgebildet. Auch die Chroma- tinfäden erleiden einige Veränderungen. Fig. 23 zeigt, wie sie aus der gestreckten Form in Fig. 24 sich unter Knickung verkürzt und mehr verknäuelt haben. In Fig. 28 hat sich die innere Chromatinportion be- reits getheilt, bei der äußeren habe ich nichts davon wahrgenommen. Leider war hier die Färbung des Chromatins in der Spindelfigur etwas _—— [hen Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 307 schwach, so dass ich über den feineren Bau desselben keine genaueren Mittheilungen machen kann. — In einem anderen Präparate hatte sich möglicherweise auch der äußere Kern getheilt. Am Rande lag ein kleiner länglicher, aus deutlichen verschlungenen Chromatinfäden ge- bildeter Kern und weiter nach der Mitte zu anscheinend drei getrennte Chromatinhäufchen, über deren Zusammensetzung ich wegen ihrer schwachen Färbung nichts Genaueres angeben kann. Das der Peripherie zunächst liegende Stück, die Richtungsmasse " Brocumann’s (1), bleibt in der von genanntem Autor bereits beschrie- benen Gestalt noch lange am Rande liegen. Was schließlich daraus wird, habe ich nicht verfolgt. An eine Ausstoßung nach außen glaube | ich nicht, sondern vermuthe vielmehr, dass wir in ihm einen Reserve- ' kern zu erblicken haben, dessen Bestandtheile zu einer späteren Zeit ' zum Aufbau des Organismus noch mit herangezogen werden. 6. Schicksal der überzähligen Samenelemente. Wir hatten erfahren, dass zwei Spermakerne sich mit dem weib- N lichen Vorkerne vereinigt hatten. Nun habe ich aber oben bereits ‚ mitgetheilt, dass wohl die Vierzahl als Regel für die im Dotter auf- ‚ı tretenden Spermakerne anzusehen sei. Man findet nämlich neben den soeben beschriebenen Verhältnissen und gänzlich unberührt von ihnen ' fast ohne Ausnahme zwei plasmatische Wolken, welche von einge- ‘ drungenen Spermatozoen herrühren. Fig. 15 und 22, bei welchen also nach meiner Annahme die Befruchtung durch zwei Spermakerne be- ı reits vollzogen ist, veranschaulichen die Lage und die Gestalt der plas- ‘ matischen Wolken im Längsschnitt, kombinirt aus verschiedenen Gegen- den der Eispitze. Auf einem Querschnitte gewähren sie ein Bild, wie es Fig. 20 z. B. darstellt. Hier habe ich die Schnitte für die Abbildung gleichzeitig so gewählt, dass das untere Ende der Wolken mit den bei- den Spermakernen darin (sp,, sp,) zur Anschauung gebracht wird. Dass wir es in ihnen wirklich mit gleichen Gebilden wie den bisher betrach- teten (Fig. 16, 20 sp,, spz) zu thun haben, lehrt der Augenschein. Zwischen den Spermakernen verschiedener Eier ist allerdings ein gewisser Größenunterschied vorhanden; doch kann das nicht sehr Wunder nehmen, und besonders dann nicht, wenn man die Verände- rungen in Betracht zieht, welche die Spermakerne nach und nach im Eie durchmachen. Dennoch sind sie unter allen Umständen als solche ‚ leicht zu erkennen. Wie sind aber die Spermakerne gebaut, und welche Veränderun- gen gehen mit ihnen vor? Ich glaube eine ziemlich normale Ansicht von ihnen zu finden in einem Präparate, welches aus einem mit Chrom- 21* 308 | H. Heuking, Osmium-Essıgsäure behandelten Uteruseie hergestellt war. Das Ei ent- hielt eine randständige Plasmaansammlung neben der Schalenrinne, aber ohne dass ich mit Sicherheit etwas von © Chromatin oder von einer bereits stattgefundenen Copulation erkennen konnte. Im Innern des Eies befanden sich die beiden bekannten Plasmawolken und eine jede derselben enthielt einen gut gefärbten Spermakern. Der eine der- selben ließ nun ganz deutlich einen dreieckigen, etwas anders gefärb- ten, vielleicht ein wenig längsgestreiften Fortsatz erkennen (Fig. 19 sp), der, in etwas anderer Fokaleinstellung liegend, vermuthen ließ, dass der vermeintliche Spermakern etwa die Gestalt eines Pilzes, mit dem Anhange als Stiel, haben möchte. Hierdurch aufmerksam geworden, vermochte ich unschwer zu sehen, dass der Spermakern in der anderen Plasmawolke gerade so gestaltet sei; das Geschick war mir sogar gün- stig, er lag auf der Seite (Fig. 18 sp). Da zeigte es sich denn, dass der Kopf des Spermakernes auf der einen Seite etwas abgeflacht war und dort saß der Schwanzanhang, ein kurzer, etwas hellerer Fortsatz von kommaähnlicher Gestalt. Nachdem ich so den unzweifelhaften Bau des Kernes kennen ge- lernt hatte, gelang es mir auch, den Schwanzanhang an weniger gün- stigen Objekten zu sehen, so an den beiden randständigen Spermato- zoen in Fig. 16 sp,, spa, einem Objekte, welches gleichfalls mit heißem Freumineschen Gemische behandelt war. Schwieriger gestaltete es sich an den mit heißem Wasser gehärteten Eiern; doch glaube ich nicht zu irren, wenn ich den Spermakernen in Fig. 24 und 28 (sp) ebenfalls einen derartigen wahrnehmbaren Schwanzanhang vindieire. Damit wird mir auch der Bau des Spermakernes von Lucilia Caesar klar. Auch hier haben wir einen Kopftheil und einen zarten Schwanzanhang fest- zustellen (Fig. 22 sp). Dieser Bau des Körperchens erhebt es doch fast zu völliger Ge- wissheit, dass wir in ihnen die wahren Spermakerne vor uns haben. Gleichzeitig lehrt dann der Anblick der Fig. 24 und 28, dass wirklich überzählige Samenfäden in das Ei eingedrungen sind; denn hier be- ginnen die Richtungsspindeln bereits ihre Thätigkeit, hier ist also die normale Befruchtung bereits vollendet, und dennoch birgt der Eiinhalt noch Spermakerne. Was geht mit ihnen weiter vor? Schon oben bei der Vereinigung von männlichen und weiblichen Kerntheilen hatte ich darauf hinge- wiesen, dass sie wohl unter vorheriger Aufquellung der genannten Elemente stattfinde. Ich hatte auf die BLocnmann’schen Richtungskörper und auf meine eigenen Beobachtungen hingedeutet. Die Vermuthung liegt nahe, dass die inneren Spermakerne sich nicht sehr abweichend Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 309 verhalten werden und so ist es in der That. Auch hier findet ein Auf- blähen unter gleichzeitigem Verlust der Färbbarkeit statt. Man könnte sagen, die Färbbarkeit bleibt dieselbe, nur vertheilt sich die gleiche gefärbte Substanz auf einen größeren Raum. Das ist mir auch recht ich glaube nur nicht, dass man ganz damit durchkommt. Ich verweise auf Fig. 29, aus einem mit kaltem Fremmixnge’schen Gemisch behandelten Eie herstammend; dort findet man die gewohn- ten beiden plasmatischen Ansammlungen im Innern des Eies, und in ihnen die beiden sehr deutlichen groß aufgeblähten Spermakerne (sp;, spa). Sie erscheinen bis auf ein Pünktchen und einige undeutliche Fäd- chen ganz homogen, gelblich in dem roth gefärbten Plasma. Doch würde ich auf dieses Präparat und die anderen auf gleiche Weise behandelten nicht viel Werth legen, wenn ich nicht sonst noch Bestätigung dafür hätte. Denn man könnte meinen, eben so gut wie die Dotterkugeln könnten ja auch die Kerntheile in diesem Falle stark verändert sein. Nun biete ich aber, stets bei gleicher Vergrößerung, in Fig. 26 ein ent- sprechendes Stück aus einem durch Hitze konservirten Eie und man wird sehen, dass der Unterschied nicht gerade bedeutend ist: Auch hier liegt in dem intensiv gefärbten Plasmahaufen ein heller aufgebläh- ter Kern (sp) mit einem dunklen Pünktchen im Innern, das Umwand- lungsprodukt des Spermakernes. Etwas Ähnliches ist noch in Fig. 27 bei wp; und ps, in Fig. 23 bei wp, zu sehen: Der helle Kern hat noch eine ziemlich scharfe Um- grenzung, das dunkle Pünktchen ist auch noch da. Anders ist es schon bei wp, in Fig. 23: Der Kern hat die scharfe Grenzlinie verloren; noch mehr ist es der Fall in Fig. 24 bei wp, da sieht man nur noch eine etwas unregelmäßige hellere Stelle in dem gefärbten Plasmanetz. Ich vermag diese letzteren Bilder nicht anders zu erklären als entstanden durch Auflösung eines Spermakernes. Ich weiß nicht, wie ich mir anders helfen soll gegenüber der Thatsache, dass das unzweifelhafte Chromatin in dem gleichen Eie, so in Fig. 24 und 23 die Spindelfigur, ganz intensiv gefärbt ist. Ich muss demnach annehmen, dass auch in der Wolke wp in Fig. 22, sowie in wp, und wp; in Fig. 15 der Spermakern bereits der Auflösung anheimgefallen ist. Besonders für Fig. 15 ist das in einer Weise recht unangenehm, da hier ja auch der randständige helle Fleck f, nach meine: Annahme, durch Vereinigung der g’ und © Chromatinelemente ent- standen, gerade das chromatinlose Stadium repräsentirt. Man kann da leicht den Einwurf machen, dass hier keine genügende Färbung statt- gefunden habe. Dem gegenüber kann ich nur wieder hervorheben, dass das Plasma sehr intensiv gefärbt ist, und dass ich, bei der durch- 310 H. Henking, aus gleichmäßigen Behandlung der Objekte, wirklich keinen Grund einsehe, wesshalb sich gerade hier das Chromatin nicht gefärbt haben sollte. Zeigen doch auch die von dem eindringenden Farbstoff möglichst weit abliegenden, in der Mikropylenhaube (ha) steckenden Samenfäden (sp) eine sehr intensive Tinktion, von den Zellen der Uteruswand gar nicht zu reden. Gelegentlich habe ich auch wohl eine geringere Anzahl von Sperma- kernen als vier wahrgenommen, aber niemals in anderen Eiern als solchen, welche sich bei der Tödtung noch im Uterus befanden. Sie haben daher weiter kein Gewicht; denn wahrscheinlich war noch nicht alles Sperma eingedrungen. Wenigstens steckte noch Sperma in der Mikropyle. Zwei plasmatische freie Wolken fanden sich dagegen immer dann, wenn die Entwicklung der randständigen Chromatinmassen schon ein wenig begonnen hatte. Drei plasmatische Wolken neben bereits vollzogener randständiger Copulation habe ich nur einmal gesehen, und zwar in dem Eie Fig. 15. Zwei derselben treten deutlich hervor bei wp, und wps, die dritte wp; ist nur durch Striche angedeutet, da ihre Einzeichnung das Bild gestört haben würde. Wir würden in diesem Ausnahmefalle also fünf Samen- fäden mit dem Eie verschmolzen denken müssen. Dass die beiden Spermatozoen sich an Ort und Stelle verändern, dafür spricht Mehreres. Die plasmatischen Netzwerke, denn solche, und zwar von feinster Gestalt, bilden die Wolken, behalten ihre isolirte Stellung bei, mögen sie einen Spermakern enthalten oder nicht. Wei- ter verschwinden die Kerne zu den verschiedensten Zeiten. In Fig. 16 sind sie schon fort!, ehe noch die männlichen und weiblichen rand- ständigen Chromatinmassen sich vereinigt haben. In dem sonst ganz gleichen Stadium der Fig. 20 sind sie beide noch vorhanden. In Fig. 27 und neben der Spindelfigur Fig. 23 sind bereits beide verschwunden, neben der Spindelfigur in Fig. 24 ist noch einer da, ja sogar in Fig. 28 behauptet ein Spermakern (sp) noch seine Existenz, obgleich die Spin- del schon weitere Theilungen eingegangen ist. Jedenfalls dürfte hieraus hervorgehen, dass. ein direkter Zusam- menhang zwischen den männlichen Kerntheilen am Rande und in der Mitte des Eies nicht besteht. Das Verschwinden der Spermakerne steht auch nicht mit der Tiefe in Verbindung, bis zu welcher sie von der Mikropyle her in das Ei ein- gedrungen sind. So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, in Fig. 24 der Kern in der Wolke wp bis zum 19. Schnitte von oben bereits zerstoben, während sein Gefährte sp in Schnitt 21 noch unversehrt vorhanden ist. 1 Vgl. hierzu die Tafelerklärung. I | Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 311 Im Verhältnis zu den randständigen Ghromatintheilen kommt eben- falls durchaus keine Gleichmäßigkeit vor. Bald sind die mittleren Spermakerne schon über die Zone der Randfigur hinaus in die Tiefe des Eies eingedrungen, ohne verschwunden zu sein, wie in Fig. 20, bald erblassen sie schon unweit der Mikropyle, ohne die Höhe resp. Tiefe des randständigen Chromatins erreicht zu haben, wie in Fig. 27. In einem anderen Falle wieder liegt das Ende der einen Plasmawolke über, das andere unterhalb der Region der ersten Spindel, wie in Fig. 15, und die Spermakerne sind in beiden Wolken gleichmäßig ver- schwunden. So bietet Fig. 22 abermals eine andere Kombination, kurz, wir mögen die Verhältnisse permutiren wie wir wollen, wir werden für alle Fälle Beispiele finden. 7. Entstehung der Dotterzellen. Es würde ohne Zweifel das Einfachste sein, dass man die Dotter- zellen von der auf Grund der Copulation entstandenen randständigen Spindel ableitete (Fig. 24 fp). Leider fehlen für diese Annahme weitere Anhaltspunkte. Schon oben hatte ich mitgetheilt, dass die innere Hälfte der Spindel und möglicherweise auch die äußere noch Theilstücke abgeben. Als solehe Bildungen fasse ich auch die Fig. 31, 32, 33 bei Brocumann (1) auf. Die Trennung in die Theilstücke geht nun aber nicht unter Aus- bildung besonderer Figuren vor sich, sondern es ist mehr ein Zerfall der Chromatinmassen. Das scheint mir bereits ein Anzeichen dafür zu sein, dass mit dem Chromatin eine Veränderung vorgeht. Jedenfalls ist so viel sicher, dass diejenigen Chromatintheile, welche nicht am Rande des Eies bleiben, sondern in das Innere desselben rücken, spurlos ver- schwinden. Ob sie sich nur fein vertheilen oder eine chemische Um- wandlung erleiden, will ich hier außer Acht lassen. Eine weiter unten folgende Betrachtung wird auch hierauf vielleicht einiges Licht werfen. Außer der Spindel und deren Abkömmlingen hatten wir an un- verkennbarem Chromatin noch die beiden überzähligen Samenfäden kennen gelernt. Auch sie hatten ihre Färbbarkeit eingebüßt, wie sie in das Ei eingedrungen waren und dort längere oder kürzere Zeit ver- weilt hatten. Man könnte vielleicht sagen, wie sie sich auflösten, hatten sie kopulirt mit jenen Kerntheilen, welche im Eiplasma in Auflösung sich befanden. Die ersten Dotterzellen bilden sich nun indenbeiden Plasmawolken durch freie Zellbildung. Ich glaube in Fig. 28 bei pi die erste Anlage eines solchen Urkernes zu sehen. Wir haben 312 H. Henking, einen hellen scharf umschriebenen Hof und darin eine Zone von Chro- matin!. Zufällig befindet sich die den hypothetischen Urkern einschließende Plasmawolke nicht nur in der Nähe, sondern auch in der Richtung der Spindel und könnte man also vermuthen, er sei durch Abschnürung aus der Spindel hervorgegangen. Der Einwurf, dass wir in dem Falle über das Schicksal des ursprünglich in der Wolke liegenden Sperma- kernes im Unklaren blieben, würde ja wenig zu bedeuten haben. Aber da besitze ich noch andere Präparate, welche ganz unzwei- felhaft darthun, dass die ersten Dotterzellen nicht aus der Spindel ihren Ursprung genommen haben können. Ich verweise auf Fig. 37. Dort liegen am Rande noch die Kerntheile vor der Copulation, und so ist es auch in Fig. 25. Hier soll die Spindel also erst gebildet werden; aber trotzdem finden wir bereits die ersten Kerne im Innern des Dotters. Die neugebildeten Zellen sind ziemlich groß und haben das Aussehen der späteren Dotterzellen (vgl. Fig. 35). Sie sind hell in Bezug auf ihre Umgebung, haben eine ovale Gestalt (Fig. 25 pt, Fig. 37 pt,) und führen eine äquatoriale Platte von Chromatinfäden. Das Gebilde pt, in Fig. 37 ist etwas größer und runder, sonst aber eben so wie pt,. Sie liegen am Ende ganz gleicher Plasmawolken, wie die eindringenden Spermatozoen (vgl. Fig. 37 mit Fig. 15 und 22), sie sind auch in der Zweizahl vor- handen, kurz, wir gehen gewiss nicht fehl, wenn wir die genannten Plasmawolken überhaupt für identisch halten. Ein Zusammenhang zwischen der Wolke pt in Fig:25 und von pt, in Fig. 37 mit dem randständigen Plasma existirt nicht. Allerdings ist in Fig. 37 in der Richtung von pi, nach dem Rande hin undeutlich eine Plas- -mastrahlung zu erkennen, ich halte dieselbe nicht für wichtig und höch- stens von einem Marsche eines Spermatozoons nach dem Rande zu her- rührend. Denn wäre wirklich der Kern in pt, vom Rande her entstan- den, so müsste die Plasmawolke von rechts nach links ziehen anstatt von oben nach unten. Sonst pflegt doch hier stets die Erstreckung der -plasmatischen Umgebung den Weg anzuzeigen, den der Kern einge- schlagen hat. Da das eben sonst ganz sicher ist, so ziehe ich es auch hier der anderen unsicheren Annahme vor, besonders da die Plasmawolke pt, weder mit der anderen’ Plasmawolke noch mit dem kernhaltigen Rande in irgend welcher Verbindung steht. pt, liegt nämlich in einer ganz anderen Region des Eies, ist von der anderen Wolke und der Plasmamasse am Rande durch 12 Schnitte getrennt. 1 Vielleicht könnte man jedoch auch bereits solche Stadien, wie sie in Fig. 23 bei wp» und in Fig. 27 bei wp; und wpa abgebildet sind, als Vorläufer für die freie Kernbildung auffassen, | Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 313 In Fig. 25 liegt der neugebildete Kern ebenfalls vom Rande weit ab. Von einem zweiten Kerne habe ich hier nichts gesehen. Derselbe wird schon vorhanden gewesen sein, hat aber ohne Zweifel viel näher nach -der Mikropyle zu gelegen. Leider hatte ich die Spitze des Eies durch "eine Unvorsichtigkeit im Mikrotom abgeschnitten. Ein anderes Präparat von der gleichen Mutter wie die beiden vo- rigen trug ebenfalls am Rande die aufgeblähten, mit centralen Chroma- tinfädchen versehenen Kerne und im Innern des Eies, von einander und von jenen getrennt, zwei Plasmawolken, deren jede einen freige- ‘bildeten Kern enthielt. Der näher an den randständigen Kernen gele- ‘gene Protokaryon befand sich mehr in der Tiefe des Eies als jene, der ‘zweite viel weiter entfernte Urkern dagegen in größerer Nähe der Mi- kropyle. Auch das spricht gegen eine Abstammung der Binnenkerne von den Randkernen; denn stets rücken die ersten Dotterzellen nach dem hinteren Eipole zu. Da nun aber der entferntere Kern unzweifelhaft -der ältere sein würde, vorzüglich da alle drei Stellen in einer nur ‚schwach gebogenen Linie zu einander liegen, so müsste er auch bereits in eine größere Tiefe gewandert sein, als der jüngere. So hat er aber ‚noch nicht einmal das Niveau der randständigen Kerne erreicht. Aus der Erstreckung der Plasmawolken von der Gegend der Mi- *kropyle nach dem hinteren Eipole zu, aus ihrer Unabhängigkeit von einander und von der randständigen Plasmaansammlung, aus ihrer La- 'gerung zu einander und zu letzterer sowie aus ihrer Zahl schließe ich, ‘dass hier eine freie Kernbildung vorliegt. Es kommt noch hinzu, dass von Spermakernen nichts zu sehen ist ‚sobald die Protocyten aufgetreten sind, und außer den beiden Wolken, in welchen nun die freigebildeten Kerne liegen, findet sich nichts der- ‚gleichen im Ei. — Die Meinung, es hätten sich die Samenfäden direkt in die vorliegenden Zellen umgewandeit, dürfte kaum ernstlich ausge- “sprochen werden; denn alsdann müsste ja das gesammte Chromatin des 'Fliegenkörpers männlichen Charakter haben. Außerdem haben wir ‚oben die Veränderungen der Spermakerne abgehandelt. Die oben ‘besprochenen aufgeblähten und verschwindenden Bilder der Sperma- ‚kerne (vgl. Fig. 23, 24, 26, 27) dürfen nicht als bereits fertige und , nur nieht gefärbte erste Dotterzellen aufgefasst werden; denn auch ‚ "bei Behandlung mit heißem Wasser pflegen sich die Theilungsstadien ‚ “derselben eben so gut zu färben, wie es das der Fig. 25 und 37 zu | Grunde liegende, mit heißem Fremmine’schen Gemische konservirte, ‚ "Präparat gethan hat. ; In den Plasmawolken der Fig. 37 fallen noch kleine helle Gebilde auf, welche zuweilen wohl den Anschein erwecken können, als wenn 314 dort kleine Kernchen oder Zellchen vorlägen. H. Henking, Zuweilen sieht man etwas in ihnen, wie eine einfache oder doppelte dunklere Platte, zu- weilen aber auch im Querschnitt einen Punkt, von dem drei Streifen nach dem Rande ausgehen. Fig. A. Schematische Darstellung eines etwa 1/2 Stunde nach der Ablage mit heißem Wasser konservirten Eies von Musca vomitoria. — Vorhanden 5 Dotter- zellen. Das Ei war in 125 Querschnitte zerlegt, welche in dem Schema durch die Querlinien ausgedrückt sind. Der Inhalt des Eies an Kern- und größeren Plasma- massen ist auf die Ebene dieses schema- tischen Längsschnittes projieirt. Die Be- grenzung der plasmatischen Ansammlun- gen ist gestrichelt gezeichnet, die hellen Stellen resp. Kerne in deren Innern mit geschlossener Linie. Die Einzeichnung ist überall nur nach Augenmaß erfolgt. Die Gestalt der Eier ist vom Holzschneider nicht gut wiedergegeben. k, Reservekern; b, freie Kernbildung? Sie liegen öfter in dichten Haufen zusam- men, sind oft mehr oft weniger kennt- lich. Was sie zu bedeuten haben ist mir unbekannt. 8. Fortgang der Furchung. Die beiden ersten Furchungskerne traten uns in dem Bilde entgegen, dass sie, als sonst helle Gebilde, eine äqua- toriale Zone deutlicher Chromatinfäden erkennen ließen (Fig. 37). Wir sehen darin bereits ein Stadium der Theilung vor uns. Die Theilungen erfolgen offen- bar sehr rasch. Der Holzschnitt A zeigt ein noch nicht weit entwickeltes Ei in schematischer Darstellung. Der dunkle Fleck am Rande, umgeben von einem hellen Hofe und in der bekannten plas- matischen Randansammlung liegend, ist das Reststück der Spindel. In Fig. 36 rn ist dasselbe genauer abgebildet. Der Holzschnitt A zeigt dann noch, wie die plasmatischeRandansammlungsich noch eine Strecke weit nach hinten und innen zu erstreckt und schließlich verschwin- det. Wir irren wohl nicht, wenn wir diese Plasmazunge uns verursacht den- ken durch die Randspindel, deren nach innen gewandte Theile durch Auflösung verchwunden sind. Ihre Produkte mö- gen bei dem Aufbau der Dotterzellen wieder zum Vorschein kommen. Jeden- falls glaube ich, dass bei dieser Auffas- sung es einleuchtend ist, dass trotz der abweichenden Entwicklung in der Zu- sammensetzung der Dotterzellen durch- aus keine Verschiedenheiten hervortreten. Das Chromatin ist nicht die Seele, sondern nur ein Baustein der Zelle. Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 315 Bereits etwas hinter dem randständigen Reservekern liegend bietet Holzschnitt A fünf Dotterzellen, welche wohl aus der Theilung der ersten beiden Urzellen hervorgegangen sind. Holzschnitt B und C zeigen ältere Stadien. Die Dotterzellen haben sich bedeutend vermehrt, sind immer weiter nach hinten im Ei gewandert und bilden eine centrale Fig. ZB. Schema des Inhaltes eines 20 Minuten nach der Ablage mit heißem Wasser konservirten Eies. — Eine große centrale Säule von Dotterzellen vorhanden. Da dieselben kreisförmig im Ei angeordnet sind, so entspricht die Darstellung der sich theilenden Kerne an der rechten und linken Seite nicht der Wirklichkeit. Man würde die Äquatorialplatte eigentlich nicht sehen. Sie ist der Deutlichkeit wegen in dieser Stellung eingezeichnet. — Ob die plasmatischen Ansammlungen genau die gezeichnete Gestalt, und die Kerne genau die angegebene Richtung haben, dafür will ich nicht fest einstehen. Es ist für den beabsichtigten Zweck auch: nicht wesentlich, Die Holzschnitte machen keinen Anspruch auf absolute Naturtreue. — Vgl. Holzschnitt A. k, Reservekern; a, nur eine Plasmaansammlung auf dem Querschnitte vorhanden; b, frei gebildeter Kern?; c, jüngster Kern der Säule, Fig. ©. Erklärung dieselbe wie bei Holzschnitt 3, c, schwach gefärbte Streifen im Plasma. Zellsäule. Die Gruppirung der Zellen ist aus einer derartigen schema- tischen Abbildung nicht richtig zu verstehen. Man muss Querschnitt- bilder zu Hilfe nehmen. Fig. 35 ist das mittlere Stück eines Quer- Schnittes aus Holzschnitt ©. Noch deutlicher erkennbar wird das Bild durch Betrachtung der allerdings etwas älteren Stadien in Fig. 30 und 36. 316 H. Henking, Es gewährt fast den Anschein, als ob noch jetzt zu erkennen sei, dass die centrale Zellsäuie ursprünglich sich von zwei Zellen herleite. In Holzschnitt B und auch € ist nämlich auf der Höhe von a eine Unter- brechung in der Kontinuität der Zellsäule vorhanden, derart, dass man dort auf einem Querschnitt nur eine einzige Dotterzelle antrifft, wäh- rend man vor- und nachher mehrere derselben vor sich sieht. Es kam mir unwillkürlich der Gedanke, wir möchten dort vielleicht die Grenze der beiderseitigen Zellregionen vor uns haben. Unentschieden würde dabei allerdings immer noch sein, welche von den beiden Urzellen mit ihren Abkömmlingen das Hinterende des Eies auszufüllen bestimmt sein möchte. Ich glaube nicht, dass nur die beiden ursprünglichen Urzellen aus freier Bildung entstehen. Man trifft nämlich auch später noch Gebilde an, welche mit einfacher Zelltheilung erklären zu wollen kaum auf glatte Weise gelingen dürfte. Bereits Brocnmann (1) hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Dotterzellen eines Eies sämmtlich fast stets das gleiche Ausbildungs- stadium erkennen lassen. Das ist in der That so. Die centrale Zellsäule sowohl in Holzschnitt B wie auch in C besteht aus Zellen, deren Kerne sämmtlich in ganz gleicher Weise den Aster des Mutterkernes entwik- kelt haben. Ähnlich ist es mit Holzschnitt A. Hier sind die erwähnten fünf Dotterzellen in »Ruhe«; allerdings lassen die beiden am weitesten nach hinten liegenden Kerne, besonders der hinterste, einen geringen Vorsprung gegen die tibrigen erkennen. Nun liegt zwischen den fünf Dotterzellen und der Mikropyle, jen- seits des Reservekernes (k) abermals eine dotterzellenartige Plasmaan- häufung (b). Sie enthält aber keinen fertigen Kern, sondern nur zwei hellere Stellen ohne scharfe Umgrenzung. Ich glaube hierin eine freie Kernbildung erblicken zu müssen; denn ein Zusammenhang mit dem Reservekern und dessen Plasmahofe ist nicht vorhanden. Wollte man aber annehmen, die entstehende Dotterzelle sei aus Theilung einer der anderen Dotterzellen hervorgegangen, so würde nicht zu verstehen sein, wesshalb der Kern nicht eben so ausgebildet sei, wie der Schwe- sterkern. | | Etwas Ähnliches zeigt Holzschnitt B. Dort steht die letzte Dotter- zelle (c) durch einen zarten, aber wohl erkennbaren plasmatischen ‚Strang mit dem Gebiete des Reservekernes (k) in Verbindung. Diese letzte Dotterzelle mag auch wohl durch freie Bildung auf Grund der ‚Spindelderivate entstanden sein; jedenfalls hat sie die gleiche Ausbil- dung wie die übrigen Dotterzellen bereits erreicht. Aber wiederum in ‚erheblicher Distanz nach der Mikropyle zu treffen wir eine langgezogene | Dr | Te ne ee “ ei fr .—gur wu Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 317 Plasmaanhäufung () und in ihrem nach hinten gerichteten Ende eine helle Stelle, offenbar den Beginn einer freien Kernbildung. Der Plasma- strang steht in keiner erkennbaren Verbindung mit dem randständigen Reservekern. Der Strang dehnt sich in der Richtung von der Mikropyle nach dem Hinterende des Eies und hat die Gestalt offenbar dadurch erhalten, dass das karyogenetische Ende desselben das Bestreben hat, tiefer in das Innere des Eies zu wandern. Noch ein etwas anderes Bild zeigt Holzschnitt C. Hier sehen wir, dass zwischen Mikropyle und centraler Zellsäule, wiederum in bemer- kenswerther Distanz von letzterer, sich eine einsame Dotterzelle (b) befindet; aber diese Zelle hat die übrigen in ihrer Entwicklung bereits eingeholt. Mit der marginalen Plasmazone steht sie gar durch einen zarten doppelten Plasmastrang in Verbindung, und geht daraus hervor, dass auch sekundär eine Dotterzelle Beziehung zu dem Randplasma, resp. dem Reservekern (k), erhalten könne. Bemerkenswerth erscheint mir noch, dass in dem oberen der bei- den Plasmastränge sich unweit des Reservekernes (k) eine Stelle befin- det, wo das Plasma eine Anzahl schwach gefärbter Streifen (c) enthält. Ob das etwas Zufälliges ist, ob verschwindende oder auftauchende Kernsubstanz, vermag ich nicht zu entscheiden. Derartige undeutliche Streifen sind mir öfter in den Präparaten entgegengetreten. Die Präparate der etwa hierher zu beziehenden Stadien zeigen die verschiedensten Variationen. Zuweilen schließen die Dotterzellen unmittelbar an den Reservekern an, meist beginnen sie erst in erheb- lichem Abstande hinter demselben, dann aber liegt zwischen ihnen und dem Reservekerne wohl immer eine einsame Dotterzelle, oft von gleicher, oft von abweichender Form der Entwicklung. 9. Die Theilung der Dotterzellen. Die rasche Entstehung der Fliegenlarve ist eine Folge der Häufig- - keit und Schnelligkeit in den Theilungen der Embryonalzellen. | Die Dotterzellen theilen sich Anfangs mit so großer Geschwindig- ‚ keit, dass das Stadium des ruhenden Kernes gewissermaßen ausfällt. | Wenigstens wird sich zeigen, dass dasjenige, was man hier einen ru- | henden Kern nennen müsste, ganz erhebliche Unterschiede von dem ‚ darbietet, was man sonst unter dieser Bezeichnung versteht. Ein verhältnismäßig häufiges Stadium ist der Aster des Mutter- ‚ kernes. In Fig. 35 ist es abgebildet. Da ist die Gleichförmigkeit der ‚ Dottermassen unterbrochen von plasmatischen Anhäufungen (p). Kann ‚man am Rande derselben noch sehr wohl erkennen, -dass wir ein ganz ‚ feinmaschiges Netzwerk vor uns haben, so wird das nach der Mitte zu 318 H. Henking, immer schwerer; dort findet eine Verdichtung statt. In der Mitte dieser Verdichtung fällt ein ovaler heller Hof (ho) unschwer in die Augen und darin, ihn zwar an Breite nicht aber an Länge erreichend, ein ziemlich scharf umgrenzter ebenfalls ovaler Kern (Ak). Der Kern ist sonst farblos, enthält jedoch eine äquatoriale Platte, welche aus ungemein deutlichen Chromatinfäden zusammengesetzt ist. Die Zahl derselben festzustellen ist bei der Kleinheit der Gebilde mir nicht gelungen, vielleicht erscheint sie in der Fig. 35 etwas zu groß. Ein bereits viel weiteres Theilungsstadium sehen wir in Fig. 32 vor uns; wir werden es wohl richtig als Dyaster bezeichnen. Die Hälf- ten sind schon ziemlich weit aus einander gerückt. Auffallend ist die Länge und geringe Anzahl der Chromatinstreifen. Außer dem Rand- kontour ist jederseits nur eine Schleife mit Deutlichkeit zu erkennen. Polwärts treffen wir jederseits vor der chromatischen Figur eine helle Stelle (Fig. 32 ho), welche vielleicht dem vorhin erwähnten hellen Hofe entspricht. Die Figur ist in der Gegend ihres Äquators ziemlich breit, ist dort auch merklich gekrümmt. Innerhalb des Winkels der Krüm- mung ist die Trennung der beiderseitigen Territorien bereits angebahnt: dort strömt das netzförmige Plasma der Umgebung bereits hinein (Fig. 32 kr). | Bald kommt es zur völligen Trennung der beiden Hälften, welche schräg aus einander rücken. Wie sie sich fortbewegen, bleibt zwar das polare Ende in etwa gleicher Gestalt bestehen, aber das andere geht aus der Anfangs stark ausgebreiteten Form gerade in das Gegen- theil über: es nimmt die Gestalt einer Spitze an. Wir müssen uns vor- stellen, dass der Inhalt der Tochterkerne weich ist; denn wie dieselben sich im Ei fortbewegen, werden sie durch den Widerstand der plasma- | tischen Massen an dem abgewandten Ende zusammengedrückt. Sie bekommen so eine ganz charakteristische Thränenform (Fig. 30, 36 ir), das stumpfe Ende wandert voran. In Fig. 36 ist aus der Stellung der beiden seitlich gesehenen hier farblos erscheinenden »Kerne« (tr, ir) noch deutlich zu erkennen, dass es Geschwisterbildungen sind. Auch in Fig. 30 ist immer noch ohne große Mühe herauszufinden, dass drei Geschwisterkernpaare abgebildet sind, von denen das eine Paar eine abweichende Richtung inne hatte, so dass sie im Querschnitt getroffen sind (frı, {r3). Von einem hellen Hofe ist hier nichts mehr zu sehen. Will ein derartiges Gebilde sich weiter theilen, so nimmt es an Volum zu und rundet sich mehr ab. Gleichzeitig wird im Innern ein Anfangs nur mit Mühe wahrnehmbares lockeres Netzwerk (Fig. 36 ir, , {rs) deutlicher und reicher (Fig. 33, 34 tr). Schließlich treten sogar einige Pünktchen mehr hervor, welche wohl als Chromatinkörnchen aufzu- Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 319 fassen sind (Fig. 34 tr). Noch später bekommen wir wieder eine Figur, wie wir sie gleich Anfangs kennen gelernt hatten. Ein ovales deutlich abgegrenztes Körperchen (Fig. 31 k) ist an seinen Polen von einem hel- len Hofe (ho) umgeben, wie der Saturn von seinen Ringen. Senkrecht zur Längserstreckung des ganzen Gebildes ziehend, findet sich bereits eine zarte Andeutung einer Äquatorialplatte. Von deutlichen Chroma- tinfäden ist nichts zu bemerken; jedenfalls muss das Gebilde auch noch wachsen, ehe es sich theilt. Die Größe von Fig. 35 ist noch nicht er- reicht. Von dem Stadium der Fig. 31 besitze ich nur das eine Bild. Es ist aus dem Ei entnommen, welches im Holzschnitt A (p. 314) dargestellt ist. Es ist die dem Hinterende des Eies am meisten genäherte Dotter- zelle, während Fig. 34 die darauf folgende desselben Eies ist. Auch hieraus ist zu entnehmen, dass Fig. 31 älter als Fig. 34 ist. Dann be- kommt man aber aus den beiden Figuren den Eindruck, dass aus dem hellen Gebilde in Fig. 34 sowohl der ovale Binnenkern von Fig. 35 als auch der helle Hof desselben entstanden sei. Hieraus folgt, dass wir die tropfenförmigen Gebilde nicht einfach als Tochterkerne bezeichnen dürfen, da der eigentliche Kern sich erst aus ihnen heraus bildet; die tropfenförmigen Kerne entsprechen dem halben Kerne % {Fig. 35) + der Hälfte des hellen Hofes ho. 10. Über den Chemismus bei der Theilung der Dotterzellen. Frenming (3) hat bereits in seinem Buche über die Zelle es ausge- sprochen, dass der Kern »ein morphologisch und chemisch besonderer und eigenartiger Theil der Zelle« sei (p. 94). Vorzüglich charakteristisch ‘für den Zellkern ist im Auge des Morphologen das Chromatin, im Auge des Chemikers das Nuclein. Bereits FLemming betonte, dass möglicher- weise beide Substanzen identisch seien (p. 129). “Man kann nicht mehr daran zweifeln, dass im lebenden Kerne so- ‚ wohl im Zustande der Ruhe als auch bei der Theilung jene Strukturen wirklich vorhanden sind, welche nach Einwirkung von Reagentien und ‚ Färbemitteln so deutlich hervortreten; denn sie sind von Fırrmmin (3) ‚und Anderen in der lebenden Zelle gesehen worden. | Jedenfalls ist es aber ein Fehler, die durch Reagentien und Färhe- ‚mittel hervorgebrachte Struktur chemisch für identisch zu halten mit ‚dem, was die lebende Zelle zeigt. Alkohol, Säuren und dgl. bewirken ‚höchst wahrscheinlich stets eine Veränderung der chemischen Zusam- ‚mensetzung. Wird doch schon die einfache Gerinnung von Eiweiß von ‚den meisten Chemikern als ein chemischer Process aufgefasst; denn sie ‚lässt sich nicht rückgängig machen. 320 H. Henking, Durch Freunine (3) ist ebenfalls betont worden, dass längere Ein- wirkung gewisser Reagentien, oder überhaupt das lange Aufbewahren richtig behandelter Präparate Veränderungen der Strukturen veran- lasse. Das ist doch nur dadurch zu erklären, dass die chemische Um- setzung in solchen Präparaten fortschreitet. Ganz das Gleiche gilt von den »guten Tinktionen«. Es muss doch seinen Grund haben, dass manche Objekte sich unsicher färben!. Es ist dann eben der richtige Zeitpunkt im Verlaufe einer sich abspielenden chemischen Umsetzung nicht getroffen. Dass hierin die Zellen der Organismen sich sehr mannigfach ver- halten, ist nicht wunderbar, wenn wir bedenken, dass Untersuchungen der Nucleine verschiedenen Ursprungs eine oft sehr verschiedene quantitative Zusammensetzung für das Nuclein ergeben haben (nach, KLINKENBERG, 40 p. 566). Es ist jedoch irrthümlich, anzunehmen, dass nur in den Kernen Nuciein vorkäme. Bereits von Mizscher wurde im Dotter des Hühner- eies eine besondere Substanz aufgefunden und als Nuclein bezeichnet. Bunge fand Eisen in derselben und nannte sie Hämatogen. Jüngst ist A. Kosser (11) zu dem Resultate gekommen, dass das Nuclein des Dot- ters in chemischer Beziehung nicht mit dem Nuclein der Zellkerne übereinstimme; denn »bei der Zersetzung des Dotternucleins durch siedende verdünnte Säuren bilden sich die stickstoffreichen Basen nicht, die aus dem Kernnuclein stets entstehen « (p. 249). Weiter ist in der Milch ein Nuclein enthalten, welches dem Dotter- nuclein sehr ähnlich ist. Bemerkenswerth ist, dass beide als Nahrung für den wachsenden Organismus dienen. Es dürfte demnach wohl das Wahrscheinlichste sein, dass die großen Kernmassen, welche aus den Nährzeilen in das Ei der Schmeiß- fliege. übergingen (Fig. 10), desshalb nicht mehr nachzuweisen sind, weil sie in die andere Modifikation des Nuclein, in das Dotternuclein, sich umgewandelt haben. Nach Kosser (14) geht das Nuclein des Dotters in solches der Kerne über, indem eine stickstoffreiche Atomgruppe an ersteres angefügt wird (p- 249). Dass eine Neubildung von Nuclein und Chromatin wirklich statt- findet, bedarf keines Beweises. Das ergiebt sich aus dem Vergleich der Kernmenge des Eies und des erwachsenen Thieres. Es fragt sich nur, wann und wo das geschieht. In Fig. 35 sehen wir in den zur Theilung sich anschickenden Dotterzellen eine Zone deutlicher Chromatinfäden. Das Ei ist mit heißem Wasser gehärtet. Ganz das Gleiche zeigen die entsprechenden Zellen Dei ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 32 in Fig. 25 und 37 aus Präparaten, welche mit heißer Fremminxe’scher Flüssigkeit behandelt sind. In allen den Fällen ist die Chromatinzone in einem hellen Raume, welcher völlig homogen ist und im Verhältnis zur Umgebung auch ungefärbt. Die chromatischen Fäden sind noch in dem Stadium der Fig. 32 vorhanden, wenn auch nicht mehr in voller Deutlichkeit. Sie ver- schwinden jedoch völlig, sobald die Tochterhälften sich getrennt haben (Fig. 36). Alle die mit heißem Wasser behandelten Eier zeigen stets das gleiche Verhalten: Die jungen Tochterkerne sind völlig farblos, haben ihr Chromatin gänzlich verloren; denn das kaum sichtbare Netz- werk in ihrem Innern verdient nicht, chromatisch genannt zu werden, es hat keinen Farbstoff aufgenommen. Dass aber das vorhandene Chro- matin wirklich gefärbt wird, beweist der demselben Präparate ange- hörende Reservekern (Fig. 36 rn). Ein etwa gleichalteriges Stadium habe ich auf Fig. 30 abgebildet. Das Präparat war mit FLemmine’s Gemisch in der Hitze konservirt. Hier sind die »Tochterzellen« intensiv rothbraun gefärbt. Von Chromatin- fäden, welche in den eben so behandelten Fig. 25 und 37 so deutlich hervortraten, ist auch hier keine Spur mehr vorhanden. Der Inhalt der Gebilde ist nicht homogen, zuweilen bemerkt man dunklere Streifen, welche vielleicht den oben erwähnten zarten Netzstrukturen in Fig. 36 entsprechen. Meist rührt eine Zeichnung der Gebilde von Sprüngen her, welche die Substanz der Gebilde durchsetzen. Dann ersehen wir aber aus einem Vergleiche der Fig. 36 und 30 unter einander und mit Fig. 35, 37, 25, dass mit den Dotterzellen eine gewaltige chemische Umsetzung vor sich gegangen ist: Die im Stadium des Aster befindlichen Zellen sind völlig ungefärbt bis auf die Platte der Chromatinfäden. Die » Tochterzelle« ist nach Einwirkung des FLen- ‚ mung’schen Gemisches homogen gefärbt, die Chromatinfäden sind ver- ı schwunden. Dass die Chromatinfäden sich nicht einfach fein vertheilt ‚ haben, dafür spricht Fig. 36. Hätte nur eine Vertheilung des Chroma- tins stattgefunden, und keine chemische Umsetzung, so müssten die » Tochterzellen« in Fig. 36 ebenfalls gefärbt sein; denn deren Mutter- zellen in Fig. 35 enthalten eben so deutlich und eben so viel Chromatin, ‚ wie die Mutterzellen von Fig. 30 in Fig. 37 und 25. Die tropfenförmigen Gebilde, die » Tochterkerne«, sind aber auch in ihrer chemischen Beschaffenheit von dem umgebenden Plasma ver- ‚ schieden. Sie sind offenbar der Ort, an welchem sich das Dotternuclein ‚ umsetzt. Aus ihnen gehen durch freie Kernbildung die chromatin- ‚ haltigen Kerne hervor. Somit habe ich für die von mir früher ausgesprochene Ansicht, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 22 322 H. Henking, dass ursprünglich bei der Theilung » die Bruchstücke des Chromatins dem Auge völlig entschwinden« (Henkıne 4 p. 138), eine werthvolle Bestätigung erhalten. Die soeben beschriebene Dunkelung sich theilender Zellkörper nach Behandlung mit Chrom-Osmium-Essigsäure steht nicht allein. Fremming (3) schreibt von den Epithelflächen der Salamanderlarve, dass sie an den so behandelten Präparaten mit dunklen Flecken besät sind, von denen jeder einer sich theilenden Zelle entspricht (p. 207). Die Dunkelung steigert sich mit dem Weiterschreiten der Theilungsstadien, erreicht ein Maximum und nimmt ab, wie sich die Tochterformen bilden. Nun sind aber in; diesen Zellen die Chromatinfäden von einem hellen Hofe umgeben. Da liegt die Vermuthung nahe, dass es eben die Chromatinfäden sind, welche ihre Umgebung hell machen, indem an oder in sie neu gebildete chromatische Substanz herantritt. Auch bei | den Dotterzellen der Fliegen wird die Substanz hell, sobald die Chro- matinfäden völlig ausgebildet sind. Die Dunkelung der tropfenförmigen Gebilde dheah das FLENMInG- sche Säuregemisch gestattet einen Rückschluss auf den bei der hier | vorliegenden Zelltheilung sich abspielenden chemischen Process. Die Dunkelung rührt wohl von der Osmiumsäure her, welche an den Inhalt der tropfenförmigen Gebilde Sauerstoff abgegeben hat, wodurch sie gleichzeitig zu metallischen Osmium, Osmiumoxydul oder Osmiumoxyd redueirt wurde. Von einem dieser letzteren durch Reduktion entstan- denen Körper rührt eben die dunkle Färbung der Tropfen her. Auch von der Chromsäure ist es bekannt, dass sie oxydirend wirkt unter Übergang zu Chromoxyd. Die im Theilungsstadium des Aster befindliche Dotterzelle (Fig. 37 plı, plo) wird nun aber nicht in der Weise vom gleichen Säuregemisch |, oxydirt, so dass wohl der Schluss gestattet ist, dass die Zelltheilung | | hier unter dem Vorgange einer Reduktion stattfindet. Zur Bildung neuen | Chromatins würde demnach Sauerstoff (unter Anderem) nöthig sein. Es ist das interessant in Hinblick auf die Thatsache, dass z. B. Spaltpilze | nach Hopr£-SeyLer (8) und Bierhefe nach Brerero sich nur bei Anwesen- | heit von Sauerstoff vermehren. 11. Über die im Fliegenei vorkommende freie Kernbildung. Man könnte gegen die von mir gegebene Darstellung einwenden, dass bei der Theilung der Dotterzellen von einer »freien Kernbildung« nicht die Rede sein könne, da ja die neuen Kerne stets aus den Tochter- | hälften der Mutterzelle hervorgingen. | \ | a ee #kW#PEREDEWEBEDENASEEESESEEESSEEE Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 323 - Da ist zunächst zu entscheiden, was »freie Kernbildung« ist. Ich verstehe darunter alle die Fälle von Kernbildung, bei welcher die Sub- stanz des Mutterkernes nicht direkt und unverändert in die Tochter- kerne übergeht. Demnach dürfen wir die tropfenförmigen Gebilde nicht mit dem gleichen Namen wie die chromatinhaltigen Kerne bezeichnen, weil da- durch die fälschliche Vorstellung chemischer Identität erweckt werden würde. Von chromatinlosen Kernen zu sprechen hätte aber etwa den- selben Sinn wie der Ausdruck » viereckige Kugel« oder dergleichen. Ich glaube nicht, dass man den Aschenhaufen eines niederge- brannten Waldes einen Wald nennen wird, nur aus dem Grunde, weil die Asche an der Stelle des früheren Waldes liegt und weil dort ein neuer Wald entsteht. Ähnlich ist es auch hier: die tropfenförmigen Gebilde nehmen etwa die Stelle ein, wo vorher das Chromatin sich be- fand. Das ist aber auch Alles. Im Übrigen sind sie etwas ganz Anderes. Sie besitzen auch keine Membran, so dass sie theoretisch sehr wohl sich im Plasma zertheilen könnten. Dass sie es nicht thun, ändert an dem wesentlichen Vorgange, dem Auftreten einer anderen chemischen Ver- bindung, gar nichts. Das darf man von einer »freien Kernbildung« natürlich nicht er- warten, dass dabei die Kerne aus jeder beliebigen Substanz oder wo- möglich aus nichts wie durch ein Wunder hervorwachsen. Selbstver- ständlich sind alle solehe Vorgänge chemischen Gesetzen unterworfen. Das Verhalten der Dotterzellen bei der Theilung nimmt auch vie- len der oben mitgetheilten Beobachtungen ihre Wunderbarkeit. So ist es nun ganz verständlich, dass die überzähligen Spermatozoen sich auf- lösen und dass an ihrer Stelle die ersten Urkerne entstehen. Letztere bilden sich eben dort, wo das Plasma zur Zeit am meisten Dotternuclein oder dessen Derivate enthält, und das ist eben an der Stelle der ver- schwundenen Spermatozoen. Auch dass die randständigen Chromatintheile verschwinden und dass daraus zunächst ein farbloser Fleck entsteht, ist völlig die gleiche Erscheinung: Das Chromatin ist auch hier in eine andere chemische Ver- bindung übergegangen. Vielleicht würde der helle Fleck Fig. 15 f bei Behandlung mit erwärmter Chrom-Osmium-Essigsäure ebenfalls unter Reduktion der Osmiumsäure sich homogen gefärbt haben. Die freie Bildung neuer Zellen in der Eispitze (Holzschnitt A, B, Cbeib p- 314) würde sich hier anschließen. Auf Grund der dort aufgelösten Chromatintheile aus Sperma, Furchungsspindel und Dotter können leicht auch später noch freie Kerne entstehen und mitwirken an der Umwand- lung des Dotternuclein in das Kernnuclein. Denn wie der Dotter aufge- 29* 324 H, Henking, braucht wird bei der Entwicklung des Thieres, so vermindert sich na- turgemäß auch das Dotternuclein. In gleichem Schritt vermehrt sich aber das Kernnuclein bei der Vermehrung der Embroynalzellen, so dass der Schluss wohl einige Berechtigung haben dürfte, dass Letzteres an die Stelle von Ersterem tritt im Laufe der Entwicklung. 12. Unregelmäßigkeiten in der Entwicklung. Bereits oben habe ich darauf hingedeutet, dass das Ei von Musca vomitoria und auch von Lucilia Caesar recht ungünstig sei, weil man über viele Punkte in Folge der raschen Entwicklung nur sehr schwer ins Reine komme. Zu der raschen Entwicklung kommen aber noch ge- wisse Unregelmäßigkeiten. Davon, dass das erste Ei in der Entwicklung-weit voran sein kann, sehe ich hier ab. Aber auch die übrigen Eier unterscheiden sich von einander. Von der Ablage des zweiten biszuder des letzten vergeht eine geraume Zeit: das zweitälteste Ei ist schon eine gewisse Strecke in der Furchung vorangeeilt, wenn das jüngste erst den Anfang macht. Und doch sind die von einer Mutter herrührenden Eier einander in der Ent- wicklung noch am nächsten. Will man jedoch Eier sogleich nach der Ablage konserviren, so muss man die Fliege unterbrechen, und be- kommt so nur wenig Material für spätere Konservirungen. Die Eier verschiedener Mütter bieten erhebliche Verschiedenheiten unter einander. So habe ich am 29. Juni 6 Eier etwa !/, Stunde nach der Ablage konservirt, davon zeigten zwei die randständige Spindel, vier den randständigen Reservekern und einige Dotterzellen. Holz- schnitt A (p. 314) ist das Diagramm eines der letzteren. Vier andere Eier entstammen einem am 27. Juli abgesetzten Ei- haufen und wurden nach etwa 20 Minuten konservirt. Sie haben sämmtlich den randständigen Reservekern und außerdem die centrale Säule von Dotterzellen, welche bei zwei derselben in chromatinlosem Zustande angetroffen sind, bei zweien in beginnender Theilung. Dass diese jüngeren Eier weiter entwickelt sind als die älteren oben ge- nannten, lehrt ein Blick auf die Holzschnitte B und C (p. 315), welche den Inhalt zweier dieser Eier schematisch darstellen. Diese Eigenthümlichkeit hat natürlich ihren guten Grund. Ich ver- muthe, dass wir darin ebenfalls wieder eine Anpassungserscheinung zu erkennen haben, welche mit jener anderen, dass das erste Ei sich im Uterus bereits zur Larve entwickelt haben könne, in Zusammenhang steht. Nehmen wir an, es entschlüpfe der Fliege bei der Ablage ein sol- -cher erster Sprössling, so folgt daraus bei der Gleichaltrigkeit sämmt- Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 325 licher Eier, dass die noch im Ovarıum verweilenden Eier sich in einem überreifen Zustande befinden ; denn trotzdem dass sie reif waren, sind sie noch 24 Stunden oder länger zurückgehalten worden, wie die Larve im Uterus beweist. Diese Eier werden alle Vorbereitungen zum Em- pfange der Samenfäden getroffen haben, wenn sie zur Ablage kommen. Andererseits darf ich vielleicht daraus, dass abgelegte Eier noch das Keimkörperchen enthalten, während Sperma über der Mikropyle liegt, den Schluss ziehen, dass gelegentlich auch noch nicht ganz ge- reifte Eier abgesetzt werden. Bei der ungeheuren Vermehrungsfähig- keit der Dipteren würde das ja nichts Wunderbares haben. Wenn eine Fliege einen Kadaver findet, so ist es das Zweckmäßigste, dass sie sich möglichst rasch und früh ihrer Eier entledigen kann; denn jede Minute des Daseins birgt neue Gefahren für sie und ihre Nachkommen. Die Möglichkeit der raschen Ablage wird erhöht, wenn auch Eier, die nach unsern Begriffen noch nicht ausgereift erscheinen mögen, sich entwick- lungsfähig erweisen. — Auch hier giebt es natürlich ein Optimum, aber mit in.Bezug auf die gesammte Entwicklungsdauer vielleicht weiten Grenzen zu einem Extremum auf beiden Seiten. Aus dieser Eigenthümlichkeit der Fliegeneier erhellt, dass es zu- weilen außerordentlich schwierig ist, von zwei zeitlich nahe zusammen- liegenden Entwicklungsstadien anzugeben, welches das vorangehende und welches das nachfolgende sei; denn es ist eben gar nicht ausge- macht, dass das ältere Ei immer das ältere Stadium darbietet. Es kommen daneben noch andere Verschiedenheiten vor, welche wohl mit dem Namen von Abnormitäten zu versehen sind. So bot von fünf Eiern, welche am 24. Juli 1887 2 Minuten nach der Ablage konser- virt sind, eines bereits den randständigen Reservekern und im Innern eine Anzahl heller Stellen für die Kerne der Dotterzellen (vielleicht das ‚ erste Ei der Ablage ?), während drei noch das Keimkörperchen zeigten. Am vierten vermochte ich überhaupt keinen Kerntheil aufzufinden. — , Von vier Eiern, welche zwei Stunden nach der Ablage am 23. Juli 1887 ' konservirt wurden, hatten zwei bereits das Blastoderm gut ausge- bildet; bei einem fehlte es noch, aber der Dotter enthielt viele Zellen, welche sich im Theilungsstadium des Dyaster befanden. Das vierte Ei war völlig abnorm: es zeigte am Rande einen aus geschlängelten Chro- matinfäden bestehenden Reservekern, welcher aber keinen hellen Hof hatte. Weiter fanden sich nach innen zu im Ei durch mehrere Schnitte unregelmäßige Plasmahäufchen, dann hörten diese auf und nach 33 ‚ Schnitten enthielt ein Schnitt eine größere Plasmazunge, welche nach dem Rande zu sich ausdehnte, und in deren Ende, aber noch innerhalb ‚ des Gebietes der Dotterkügelehen, lag ein Kerngebilde, welches etwa 326 Ä H. Henking, gleiche Größe und Gestalt mit dem oben genannten hatte. Möglicher- weise ist das ein Furchungsversuch eines unbefruchteten Eies: Dotter- zellen, welche sonst im Anschluss an eingedrungene Spermatozoen sich zu bilden pflegen, waren nicht vorhanden. 13. Kritische Bemerkungen. Zum Schluss möchte ich noch meinen Standpunkt gegen einige Autoren klarstellen, welche sich kürzlich mit der von mir ausgespro- chenen Ansicht beschäftigt haben. 1) Zunächst hat der Botaniker G. Kızss (9) sich dahin ausgespro- chen, dass die Möglichkeit‘ der Neubildung eines Kernes zwar immer offen bliebe bei dem herrschenden Dogma, weil es »nur als eine mehr oder minder berechtigte, aber nicht als unbedingt richtige« Anschauung angesehen werden könnte, sagt dann aber, zum Sturze des Dogmas müsse »ein zwingender, jede andere Möglichkeit ausschließender Be- weis geliefert werden«, und der sei von mir nicht geliefert worden (p. 462). Da gebe ich ihm für die letzten Worte unbedingt Recht, möchte jedoch gegen seine Anforderung einiges Bedenken äußern. Ich glaube, für recht skeptische Menschen giebt es derartige Beweise über- haupt nicht. Selbst die mathematischen Beweise sind doch nur dann unumstößlich, wenn man einige Grundsätze auch ohne Beweis aner- kennt. Ich habe desshalb wenig Hoffnung. Jedenfalls werde jch aber sehen, was sich thun lässt. 2) Dann hat G. Leicnmann (12) eine vorläufige Mittheilung über die Bil- dung von Richtungskörpern veröffentlicht, in welcher er hervorhebt, dass die Eier von Asellus aquaticus auf jedem Stadium einen Kern besitzen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es doch nicht unbe- denklich ist, die Gelegenheit anderer Untersuchungen zu benutzen, um so nebenbei über die vorliegende wichtige Frage ein nz abzugeben. So ganz leicht ist es doch nicht zu entscheiden. Da, wo Leicnmann ein entscheidendes Wort über die vorliegende Frage hätte sprechen können, drückt er sich äußerst vorsichtig aus, indem er sagt: »Der Kern rückt später, nachdem er die Richtungs- körper abgeschnürt hat, in die Mitte des Dotters und scheint (!) durch seine Theilung den ersten Embryonalzellen die Entstehung zu geben« (p- 534). Aus meiner Arbeit hätte er ersehen können, und zwar gleich auf der ersten Seite, dass es mir besonders auf den Nachweis »freier Kern- und Zellbildung« ankommt. Der Nachweis vom Verschwinden des Eikerns ist zunächst nur Mittel zum Zweck. Übrigens weiß ich nicht, ob durch die auch von ihm geschehene Zusammenstellung von Sruuımamn (16) und mir diesem nicht Unrecht Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 327 geschieht. Denn schließlich nennt Stunımann das Ei doch nur schein- bar kernlos. 3) Kırı FıeDLer (2) aus Zürich hat kürzlich über die Entwicklung der Geschlechtsprodukte bei Spongilla berichtet und endigt die Be- sprechung der weiblichen Theile damit, dass er die Geltung des Satzes omnis nucleus e nucleo bestätigt. Zur Begründung dieses Satzes führt er aber thatsächlich auch gar nichts an. Er theilt mit, dass er im Ei einen Kern und später in allen Furchungskugeln je einen Kern gesehen habe, woran ja Niemand zweifeln wird. Von letzteren sagt er dann einfach, dass sie sich »in ununterbrochener Folge von dem Kerne des befruch- teten Eies« ableiten und hat damit obigen Satz bewiesen. Es macht sich das um so wunderbarer, wenn er gleich darauf mit dem Einge- ständnis kommt »im Verlaufe des Furchungsprocesses keine karyokine- tischen Figuren « beobachtet zu haben, welches »jedenfalls eine Folge des Dotterreichthums der Eier « sein soll. Ich kann demnach nicht einräumen, dass durch die beiden zuletzt genannten Aufsätze etwas zur Klärung der vorliegenden Frage ge- schehen ist. 14. Übersicht des Untersuchungsmateriales. Im Nachfolgenden will ich eine Übersicht über die der hier vor- gelegten Arbeit zu Grunde liegenden Präparate geben. Ich führe alle diejenigen hier an, welche mich in der Erkenntnis des in Rede stehen- den Gegenstandes weiter geführt, resp. zur Bestätigung des an anderen Präparaten bereits Erkannten gedient haben. Auf die Weise glaube ich das Gesehene am Besten begründen zu können. Der Zusatz a.b. bedeutet Konservirung mit heißem Wasser, — Fl. C.-O.-E bedeutet Konservirung mit kalter Chrom-Osmium-Essigsäure nach Fremming, — Fl. C.-O.-E.? bedeutet Konservirung mit erwärmtem _ Fiemmine’schen Gemische. — Da die Eier im Übrigen (nach resp. gutem Auswaschen in Wasser) sämmtlich gleichmäßig mit Alkohol behandelt, mit GRENACHER’S Boraxkarmin durchgefärbt, nach Einwirkung von Ber- gamottöl in Paraffin geschnitten sind, so brauche ich darüber im Ein- zelnen nichts hinzuzufügen. Die Angaben beziehen sich auf Musca vomitoria, wo nichts Anderes bemerkt ist. — Das Datum bedeutet den Tag der Konservirung. — Der Zusatz: 2,3,%...Expl. giebt an, dass ich die betreffende Bildung in 2, 3,4... verschiedenen Eiern aufgefunden habe. Der Eikern wurde beobachtet an: 4) noch nicht reifen Ovarialeiern von Musca vomitoria und Sarco- phaga carnaria. Ovarium geschnitten a.b.. 328 H, Henking, 2) reifem Ovarialei. a.b. 1 Expl. 22/6. 87. — Reifem Ovarialei. Fl. C.-O.-E. 4 Expl. 20/6. 87. (Fig. 1.) 3) Eiern aus den Ovarialtuben. a.b. 4 Expl, a.b. ca. 25/9. 87. (Fig. 12.) 4) Ei aus Oviduct. a.b. 1 Expl. ca. 25/9. 87. — Ei aus Oviduct von ‘ Lueilia Caesar. a.b. 25/9. 87. 4 Expl. (Fig. 11.) 5) Ei im Uterus. a.b. 25/9. 87. 2Expl. (Fig. 6.) Bei dem.einen Exemplare steckte Sperma in der Mikropyle, bei dem andern nicht. 6) Ei sofort nach der Ablage konservirt mit Fl. C.-O.-E.? 12/9.87. 1 Expl. Mikropyle etwas sonderbar, ohne Sperma. 7) Ei zwei Minuten nach der Ablage konservirt. a.b. 21/7. 87. 2 Expl. Bei dem einen Ei war die Mikropyle etwas sonderbar, bei dem andern normal. Beide Eier stammen von derselben Mutter. Die vermeintliche Richtungsspindel: 4) Ei noch in der Ovarialhaut. Fl. C.-O.-E. 28/6. 87. 1 Expl. (Fig. 9.) 2) Ei im Uterus, a.b. ca. 25/9. 87. 14 Expl. (Fig. 21.) 3) Ei etwa !/, Stunde nach Ablage konservirt. a.b. 30/6. 87. 1 Expl. (Fig. 2.) 4) Ei aus Ovarialtube. a.b. ca. 25/9. 87. 1 Expl. (Fig. 8.) Überhaupt kein Kern oder Kernbestandtheil wurde gesehen: 4) Ei von Lucilia Caesar aus Oviduct. a.b. ca. 25/9. 87. 1 Expl. 2) Ei aus Uterus. Fl. C.-O.-E.? 28/7. 87. A Expl. Kein Sperma in der Mikropyle. 3) Ei sofort nach Ablage konservirt. Fl. C.-O.-E.” 14/9.87. 2 Expl. k) Wie vor. 42/9. 87. 1 Expl. (Sperma in der Mikropyle). 5) Ei zwei Minuten nach der Ablage konservirt. Fl. C.-O.-E. 14/7. 87. 4 Expl. Mikropyle befindet sich nicht mit auf dem Ob- jektträger. Ich bemerke, dass bei den mit Fremmıne’s Gemisch konservirten Eiern zuweilen eine starke Vaecuolisirung eintritt an einigen Stellen; doch ist mir nicht klar, wie dadurch ein Kern, der ja durch das Gemisch besonders gut konservirt zu werden pflegt, unsichtbar. werden sollte. — Ich habe noch bei mehreren gleichaltrigen Eiern, welche mit heißem Wasser konservirt waren, ebenfalls keinen Kern gesehen, da aber in diesen Serien einige Schnitte etwas dicker ausgefallen sind, lege ich kein Gewicht darauf. Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 329 Eindringen der Samenfäden durch die Mikropyle bis zum Em- pfängnisfleck : 4) Ei im Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. Längsschnitte. Drei Exemplare. (Fig. 21.) Die Fälle, wo ich überhaupt Sperma in der Mikropyle bemerkt habe, führe ich nicht weiter auf. Das zeigt fast jedes lebende Ei, wel- ches man aus dem Uterus herausnimmt. An konservirtem Materiale ist es ebenfalls leicht zu sehen, besonders an Eiern, welche mitsammt dem Uterus geschnitten sind; aber auch an bereits abgelegten Eiern wird man fast immer noch Sperma über der Mikropyle auffinden. Die Fälle, in denen ich es bei Musca vomitoria gesehen habe, zählen nach Dutzenden; auch bei Lucilia Caesar ist es mir an den wenigen unter- suchten Eiern entgegen getreten. Die von der Mikropyle in das Innere des Eies eindringenden Plas- mawolken (von Spermatozoen herrührend) : a) Längsschnitte: 4) Eiim Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. 2 Expl. (Fig. 15). 2) Lucilia Caesar, Ei im Uterus. a.b. ca. 25/9. 87.2 Expl. (Fig. 22.) b) Querschnitte: Ich habe mir 21 Fälle notirt. 4) Eiim Uterus. a.b. 25/9. 87. 5 Expl. 2) Ei aus Uterus. Fl. C.-O.-E.. 28/7. 87. 5 Expl. 3) Ei aus Uterus. a.b. 28/7. 87. 2 Expl. 4) Ei sofort nach Ablage. a.b. 4/7. 87. 2 Expl. ) Eben so. Fl. C.-O.-E. 4/7. 87. 3 Expl. ) ) ot 6) Ei wenige Min. nach der Ablage. Fl. C.-O.-E. 18/7. 87. 1 Expl. 7) Ei etwa '/, Stunde nach der Ablage. a.b. 30/6. 87. 3 Expl. Die Wolken erscheinen auf dem Querschnitt als ein größeres oder geringeres Netzwerk von Plasma, welches sich durch 5—10 auf einander folgende Schnitte kontinuirlich erstreckt. Je nach der Tiefe des einge- drungenen Samenfadens beginnen auch die plasmatischen Netzwerke näher an oder ferner ab von der Mikropyle. Nur eine plasmatische Ansammlung am Rande ohne erkennbare Spermakerne gleichzeitig mit gefärbten oder aufgeblähten Kernen oder nur mit Plasmawolken im Innern findet sich auf folgenden Präparaten: 1) Ei im Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. 1 Expl. Ein aufgeblähter Kern und eine Plasmawolke im Innern. 2) Ei aus Uterus.. a.b, 28/7. 87. 1 Expl. 3) Ei aus Uterus. Fl. G.-O.-E.? 28/7. 87. 1 Expl.: Nur ein gefärbter Kern im Innern. 1 Expl.: Zwei gefärbte Kerne im Innern. 330 H. Henking, 1 Expl.: Zwei gefärbte Kerne im Innern neben einander, außerdem noch eine Plasmawolke mit einem unsichern ge- färbten Kerne. Gefärbte Spermakerne am Rande vor der Kopulation mit dem weiblichen Kerne: 1) Ei im Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. 1 Expl. (Fig. 20.) 2) Ei aus Uterus. Fl. C.-O.-E.? 28/7. 87. 2 Expl. (Fig. 16.) 3) Ei weniger als !/; Stunde nach der Ablage konservirt. Fl. C.-0.-E.? 23/7. 87. 3 Expl. (Fig. 25.) Aufgeblähte Kerne am Rande und im Innern: 1) Ei aus Uterus. a.b. 28/7. 87. 1 Expl. 2) Ei sofort nach der Ablage. Fl. C.-O.-E. 28/6. 87. 3 Expl.(Fig. 29.) Am Rande in dem gefärbten Plasma ein heller Fleck (nach der Kopulation der männlichen und weiblichen Kerntheile entstehend), im Innern des Eies Plasmawolken, mit gefärbten Spermakernen oder ohne solche: .. 1) Ei im Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. 4 Expl. (Fig. 15.) 2) Lucilia Caesar, Ei im Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. A Expl. (Fig. 22.) Ein gefärbter Spermakern im Innern vorhanden. In dem Plasmahofe am Rande befindet sich eine vacuolisirte aus gefärbten Chromatinfäden und -Körnchen bestehende Figur: 1) Ei im Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. 2 Expl. (Fig. 27.) Den Übergang aus dieser Chromatinfigur zu der Furchungsspindel zeigen: | 1) Ei zwei Minuten nach der Ablage konservirt. Fl. C.-O.-E. 16/7. 87. 1 Expl. | 2) Ei wenige Minuten nach der Ablage konservirt. Fl. C.-O.-E. 18/7.87. A Expl. Hier ist die Figur schon in zwei Theile getheilt. Die Furchungsspindel ist zu sehen an folgenden Präparaten: 1) Ei im Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. A Expl. (Fig. 23.) 2) Eisofort nach der Ablage konservirt. a.b. 1/7. 87. 1 Expl. (Fig 24.) 3) Ei etwa !/, Stunde nach der Ablage konservirt. a.b. 30/6. 87. 2 Expl. 4) Ei sofort nach der Ablage konservirt. a.b. 1/7. 87. 1 Expl. (Fig 28.) 5) Eiim Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. 4 Expl. Bei 4 und 5 sind die Spindelhälften bereits wieder getheilt. Es ist wohl kein Zufall, dass sich die Abkömmlinge der ersten Spindel nicht mehr so deutlich färben. Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 331 Auftreten der ersten frei gebildeten Dotterzellen: 1) Eisofort nach der Ablage konservirt. a.b. 1/7. 87. I Expl. (Fig. 28.) 2) Ei weniger als 1/, Stunde nach der Ablage konservirt. Fl. C.- O.-E.? .23/7. 87. 3 Expl. (Fig. 37.) Am Rande liegt der einsame gefärbte Kern (Richtungskernmasse BLOCHMANN’S): 1) Eiim Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. A Expl. 2) Ei zwei Minuten nach der Ablage konservirt. a.b. 22/7. 87. 1 Expl. 3) Ei wenige Minuten nach der Ablage konservirt. a.b. 3/8. 87. 3 Expl. 4) Ei etwa 20 Minuten nach der Ablage ehe a.b. 93,7. 87. 1 Expl. 5) Eben so. a.b. 27/7. 87. 4 Expl. (Fig. 36.) 6) Ei etwa 1/, Stunde nach der Ablage konservirt. a.b. 29/6. 87. 2 Expl. 7) Ei etwa zwei Stunden nach der Ablage konservirt. Fl. C.-O.-E.® 23/7. 87. 3 Expl. Die »Kerne« der Dotterzellen sind farblos (Einwirkung von a.b.). 1} Ei zwei Minuten nach der Ablage konservirt. a.b. 22/7. 87. 1 Expl. 2) Ei wenige Minuten nach der Ablage konservirt. a.b. 3/8. 87. 2 Expl. 3) Ei etwa 20 Minuten nach der Ablage konservirt. a.b. 27/7. 87. 2 Expl. (Fig. 36.) 4) Ei etwa 1/, Stunde nach der Theilung. a.b. 29/6. 87. 2 Expl. Die »Kerne« der Dotterzellen sind intensiv gefärbt (Einwirkung . von Fl. C.-O.-E.). 1) Ei etwa 13/, Stunde nach der Ablage 30/7. 87. 1 Expl. (Fig. 30.) Die sämmtlichen Kerne aller Schnitte mie in gleicher Weise gefärbt. Die Dotterzellen in Theilung: 1) Ei etwa 20 Minuten nach der Ablage konservirt, a.b. olnterlie 1 Expl. 2) Eben so. a.b. 27/7. 87. 2 9 Expl. (Fig. 35.) 3) Eiim Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. I Expl. 1—3 repräsentiren den Aster des Mutterkerns. | 4) Ei zwei Stunden nach der Ablage konservirt. Fl. C.-O.-E?. 23/7. 87. 1 Expl. Stadium des Dyaster. 332 H. Henking, Ausbildung des Blastoderm: 4) Ei etwa 13/, Stunde nach der Ablage konservirt. a.b. 4/7. 87. 1 Expl. 2) Ei etwa 2 Stunden nach der Ablage konservirt. Fl. C.-O.-E?. 23/7. 87. 2 Expl. 3) Ei im Uterus. a.b. ca. 25/9. 87. A Expl. Theilung der Blastodermzellen peripher. Stadium des-Aster des Mutterkernes. Von Larven oder bereits sehr weit entwickelten Eiern aus dem Uterus besitze ich 19 Exemplare, 12 derselben habe ich, meist mitsammt dem Uterus, geschnitten. Sieben Larven bewahre ich in Spiritus auf. 15. Schlusswort. Ein Vergleich der Abhandlung von Brochmann mit der meinigen lässt erkennen, dass wir kaum in irgend welchen wesentlichen Punk- ten übereinstimmen. Ich bin indessen weit entfernt, meinem Vorgänger in Folge dessen den Vorwurf ungenau untersucht zu haben, zu machen. Die Hauptschuld der Verschiedenheiten in den Resultaten liegt in der Ungunst des Materiales und in der Schwierigkeit, das Beobachtete richtig zu deuten. — Jedenfalls glaube ich aber, dass aus meinen Mit- theilungen so viel hervorgeht, dass die Vorgänge so ganz einfach doch nicht sind, wie es den Anschein hatte. Da das Material leicht zu be- schaffen ist, findet sich hoffentlich bald ein Nachuntersucher. Will BrocHmann sich für vorliegende Arbeit revanchiren, so kann er das, glaube ich, am besten dadurch thun, dass er sich einmal an das - Studium der Phalangideneier macht. Die Verhältnisse des Eierstocks- eies verdienen wohl eine nähere Untersuchung als ich sie vorgenom- men habe, vor Allem das Verhalten des Keimbläschens. In Bezug hierauf sagte ich (%, p. 93): »Ich habe nicht genau untersucht, wie das Verschwinden desselben sich in Scene setzt, da ich mein Augenmerk _ mehr auf die Entwicklung des reifen Eies gerichtet habe, doch möchte ich einige Beobachtungen hervorheben, die wohl mit der oben erwähn- ten Erscheinung in Zusammenhang stehen.« Würde alsdann Brocnumann da nachweisen, dass ich geirrt habe, und ich halte mich durchaus nicht für unfehlbar, so soll er sehen, dass ich der Erste bin, der es anerkennt. Denn es handelt sich nicht um- meine Person, sondern um: unparteiische Aufklärung der Vorgänge in der Natur. Göttingen, Anfang Januar 1888. Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 333 Litteratur. 4) F. BLocHhmans, Über die Richtungskörper bei Insekteneiern. (Morphol. Jahrb, Bd. XII. 41887.) 2) K. FienDLer, Über die Entwicklung der Geschlechtsprodukte bei Spongilla. (Zool. Anz. 1887. Bd. X. Nr. 266. p. 631 ff.) 3) W. Fremnmins, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Leipzig 1882. 4) H. Henkıng, Untersuchungen über die Entwicklung der Phalangiden. I. (Diese Zeitschr. Bd. XLV. 1886.) 5) —— Techn. Mitth. zur Entwicklungsgesch. (Zeitschr. f. wiss. Mikroskop. Bd. IIl, 1886.) | 6) —— Giebt es freie Kernbildung? (Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Phys. Bd. IV, 1887.) 7) M. Heroro, Untersuchungen über die Bildungsgeschichte d. wirbellosen Thiere im Ei. — Von der Erzeugung der Insekten im Eie. Frankfurt a/M. 4835, .8) F, Hoppe-SeyLer, Über die Einwirkung von Sauerstoff a. d. Lebensthätigkeit nied, Organismen, (Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. VIII. 1883/84.) 9) G. Kress, Über den Einfluss des Kernes in der Zelle. (Biol. Centralbl. Bd, VII. 1887.) 40) W. KLinkengerg, Über die Nucleine. (Zeitschr. f. phys. Chemie. Bd. VI. 1882.) 44) A. Kosser, Weitere Beiträge zur Chemie des Zellkerns. — I. Über das Nuclein im Dotter des Hühnereies. (Zeitschr. f. phys. Chemie. Bd. X. 1886.) 42) G. LEiICHmAnNn, Über Bildung von Richtungskörpern bei Isopoden. (Zool. Anz. Bd. X. 4887. Nr. 262. p. 533.) | 13) R. LEUCKART, Über die Mikropyle und den feineren Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern. (MürLer’s Archiv f. Anat. u. Phys, 4855.) i 44) G. Meissner, Beobachtungen über das Eindringen der Samenelemente in den Dotter. II. (Diese Zeitschr. Bd. VI. 1855.) 15) G. PLATNER, Mittheilungen zur histologischen Technik. B. Konservirungsmittel. (Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie. Bd. IV. Heft 3. 1887. p. 352.) 46) F. StunLnmann, Die Reifung des Arthropodeneies. (Ber. d. Naturf. Gesellsch. Frei- burg i/B. 1886.) Erklärung der Abbildungen. Allgemein gültige Bezeichnungen: a, Endigung des eiweißartigen Eiüber- 5, Endigung des eiweißartigen Eiüber- zuges an der Schalenrinne; zuges an der Schalenrinne ; ‚ah, Anhangsdrüsen am Geschlechtsappa- c, Kommunikation zwischen Nährzelle rate; und Ei; a.rs, Ausführungsgang eines Receptacu- cu, starke Cuticula in der Aussackung lum seminis;, des Uterus; 334 dh, Dotterhaut; do, Dotterkugeln ; e, eingefressene Stellen in den Kernen der Nährzellen;; E, Eiim Uterus; ef, Empfängnisfleck des Eies; ew, eiweißartiger Überzug des Eies; f, »heller Fleck« im randständigen Plas- mabezirk; fi, ehromatische Figur in f; fp, Furchungsspindel ; h, heller Hof um das Keimkörperchen ; ha, eiweißartige Haube über der Mikro- pyle; ho, heller Hof am Kern der Dotterzelle; k, Kern; kbl, Keimbläschen; kf, Keimfleck ; kr, Trennungsstelle der beiden Kernhälf- ten; m, Mikropyle des Chorion; md, Mikropyle der Dotterhaut; mi, von der Mikropyle sternartig aus- strahlende Körnchen;; H. Henking, nz, Nährzellen des Eies; o, Ovarium; od, Oviduct; ov, Wandung des Ovariums; p, plasmatische Ansammlung im Dotter; pl, randständige Plasmaansammlung im Ei; pt, Protokaryon; rf, Schalenrinne; rk, Richtungskörper (?); rn, Reservekern; rs, Receptacula seminis; rsp, Richtungsspindel (?) ; s, Chorion; sm, Schmutzpartikelchen ; sp, SPı, Spa, Spermatozoen, resp. Sperma- kerne; st, Borsten auf der Cuticula des Uterus; t, Ovarialtuben ; ir, trı, tra, tropfenförmiges Kerngebilde; ut, Uterus; v, Vacuolen; wp, wpı, wpa, von Spermatozoen her- ‘ rührende Plasmawolken im Ei. Die Figuren sind, wo nicht das Gegentheil angegeben, sämmtlich bei genau der gleichen Vergrößerung (circa 525mal) und mit denselben Linsen gezeich- net. Die Figuren wurden mit Hilfe eines Wınker’schen Zeichenprismas im Umriss entworfen und die wesentlichen Punkte nach den stärksten Vergrößerungen ausge- führt. Die unwesentlichen Sachen, so Dotterkugeln, Eihüllen und dgl. sind der Natur in Einzelnen nicht penibel nachgebildet, sondern derart aus freier Hand ausgeführt, dass sie möglichst den Eindruck des natürlichen Bildes wiedergeben. Die Abbildungen stammen von Musca vomitoria her, wo nichts Anderes angegeben. Es bedeutet: a.b., konservirt mit heißem Wasser; Fl. C.-O.-E., konservirt mit kalter Chrom-Osmium-Essigsäure;, Fl. C.-O.-Eb, konservirt mit heißer Chrom-Os- mium-Essigsäure. | | Tafel XXIII. Fig. 4. Stück eines Querschnittes von einem Ovarialei. Fl. C.-O.-E. Fig. 2. Ein etwa 1/, Stunde nach der Ablage konservirtes Ei. Querschnitt. a.b. Fig. 3. Äußere Eischale, zur Demonstrirung der Schalenrinne (rf) und ihrer Be- ziehung zur Mikropyle (m) dienend. Vergr. circa 75. Fig. 4. Ei, zwei Minuten nach der Ablage konservirt. Querschnitt. a.b. Fig. 5. Seitliche Ansicht eines frischen Eies, welches dem Ovarium entnommen wurde. Untersuchung in ganz schwachem Salzwasser. Vergr. circa 75. Fig. 6. Längsschnitt durch den Uterus, in welchem sich ein Ei befindet. Der Oviduct (od) ist bei seiner Einmündung in den Uterus der Länge nach getroffen. v.ah ist der Durchschnitt durch den Endtheil des Ausführungsganges der Anhangs- drüsen (Fig. 43 ah). Dieser Ausführungsgang hat in der Wandung des Uterus eine ganz ungeheure chitinisirte Umgrenzung (ch). a.b. Vergr. circa 400. Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. 335 Fig. 7. Oberes Ende und Mikropyle (m) des in Fig. 6 dargestellten Eies. Vergr. circa 445. Fig. 8. Ei aus der Ovarialtube entnommen. Querschnitt. sr, eigenthümliche durch Umwandlung des Keimkörperchens entstandene Figur. a.b. Fig. 9. Ei, noch in der Ovarialröhre steckend. Querschnitt. Fl. C.-O.-E. Fig. 40. Oberes Ende eines unreifen Eies mit den Nährzellen. Das Keimbläs- chen ist in der hier gezeichneten Gestalt aus einem anderen Schnitte eingetragen. Längsschnitt. a.b. Fig. 44. Ei aus dem Oviduct von Lucilia Caesar. Querschnitt. a.b. Fig. 12. Ei aus der Ovarialtube. Längsschnitt. Außer den Dotterkügelchen (do) im Innern eine große Anzahl von Vacuolen (v) vorhanden. a.b. Fig. 43. Geschlechtsapparat von Musca vomitoria, schwach vergrößert, zur Demonstrirung der einzelnen Abschnitte desselben. Das Receptaculum seminis (rs) der rechten Seite ist einfach, das der linken doppelt. Durch die Wandung des Uterus (ut) schimmern die Ringel einer ausgebildeten Larve hindurch. ed, Enddarm, zur Seite gelegt; b, Spitze der Legeröhre, hier abwärts gerichtet. Fig. 44. Ei, dem Uterus entnommen und frisch in schwachem Salzwasser unter- sucht. In der Mikropyle ein Spermaschopf. Vergr. circa 75. Tafel XXIV. Fig. 15. Längsschnitte von einem im Uterus befindlichen Ei, zu dem dargestell- ten Bilde komponirt. Im Ganzen 30 Längsschnitte vorhanden. Das Stück a ist dem Schnitt 43, 5 dem Schnitt 45, c dem Schnitt 46 und d dem Schnitt 41 entnommen. Das, was hier in einer Ebene dargestellt ist, gehört also in Wirklichkeit verschie- denen Horizontalen des Eies an. a.b. Fig. 46. Querschnitt (28 von 449) eines Eies aus dem Uterus. Aus diesem Prä- parate hatien sich drei Schnitte beim Entfetten losgelöst, so dass ich keine absolute Garantie für Vollständigkeit der Serie übernehmen kann. Fl. C.-O.-Eb. wpı und wps ziehen nach der Mikropyle zu durch je sechs Schnitte von 449, Fig. 47. Mikropyle der Dotterhaut. Fl. C.-O.-Eb. Ei aus dem Uterus. Fig. 48. Seitliche Ansicht eines Spermakernes (sp), befindet sich in einem Ei aus dem Uterus. Fl. C.-O.-Eb. Vergr. Fig. 19, Dasselbe. Spermakern (sp) mehr von unten gesehen, Vergr. Fig. 20. Querschnittskombination eines im Uterus befindlichen Eies. Schnitt- zahl 98, davon ist Stück a der 46., b der 47., c der 42. Die Plasmawolke (um sp3) geht durch 40 Schnitte nach der Mikropyle zu (Schnitt 9—18), die Wolke um sp durch 9 Schnitte (von Schnitt 44—149). a.b. Fig. 24. Längsschnitte eines im Uterus befindlichen Eies. Stück a zeigt das Ein- dringen der Spermatozoen durch die Mikropylen. Die Haube über der Mikropyle ist stark geschrumpft (vgl. Fig. 44 ha), daher haben sich die Spermatozoen in ihr (sp) zusammengelegt. mu, Muskulatur der Uteruswand; in, Tracheen. Stück b rührt von einem mehr tangential getroffenen Schnitte her. a.b. Fig. 22. Längsschnittkombination eines im Uterus befindlichen Eies von Lucilia Caesar. Im Ganzen 30 Schnitte. Stück a ist genommen aus Schnitt 44. x, der Plas- mahof pl steht auf Schnitt 40 mit der Oberfläche in Verbindung. Stück b ist aus Schnitt 42, Stück c aus Schnitt 20, Stück d aus Schnitt 241. a.b. Tafel XXV. Fig. 23. Querschnitt eines im Uterus befindlichen Eies, Schnitt 17 von 427. a.b. 336 H. Henking, Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. Fig. 24, Querschnittskombination eines sofort nach der Ablage konservirten Eies. 422 Schnitte. Stück a aus Schnitt 22, Stück 5 aus Schnitt 49, wp erstreckt sich durch vier Schnitte nach der Mikropyle zu, Stück ce aus Schnitt 24, die Plasma- ansammlung um sp erstreckt sich durch sieben Schnitte nach der Mikropyle zu. a.b. Fig. 25. Querschnitt aus einem mit dem in Fig. 37 dargestellten gleichalterigen Ei. Dieselben trugen die Bezeichnung: Weniger als 1/, Stunde nach der Ablage mit Fl. C.-0.-Eb konservirt. Sie entstammen einem Eihaufen, welchen eine Fliege hinterrücks an ein Stück Fleisch abgesetzt hatte. Da ich das Stück vor noch nicht 1/9, Stunde gereinigt hatte, so können die Eier höchstens so alt sein, wahrscheinlich sind sie aber nur wenige Minuten alt. Fig. 26. Aufgeblähtes Spermatozoon (sp) eines im Uterus befindlichen Eies. a.b. Fig. 27. Querschnittskombination eines im Uterus befindlichen Eies. 130 Schnitte. Stück a aus Schnitt 34, Stück d aus Schnitt 24, wp, durch Schnitt 48 bis 24 sich erstreckend, wp} ist nicht genau gezeichnet, müsste mehr zwischen wpa und rf liegen. Stück c aus Schnitt 24, erstreckt sich durch Schnitt 43 bis 24, wobei stets Schnitt 4 unter der Mikropyle liegt. a.b. Fig. 28. Querschnitte aus einem sofort nach der Ablage konservirten Ei. 142 Schnitte. Stück a aus Schnitt 20, Stück b aus Schnitt 47, Plasmazug um sp erstreckt sich von Schnitt 10 bis 17, Stück c aus Schnitt 23, Plasma um pt reicht von Schnitt 19 bis 24. a.b. Fig. 29. Querschnitte aus einem sofort nach der Ablage konservirten Ei. Stück a fünf Schnitte über Stück b liegend. Fl. C.-O.-E. Tafel XXVI. Fig. 30. Querschnitt aus einem etwa 43/4 Stunde nach der Ablage konservirten Ei. Fl. C.-O.-Eb, Fig. 31. Aus einem etwa 1/, Stunde nach der Ablage konservirten Ei. a.b. Fig. 32. Aus einem 2 Stunden nach der Ablage konservirten Ei. Dyaster. Fl.C.-0.-Eb, Fig. 33. Aus einem etwa 1/3 Stunde nach der Ablage konservirten Ei. a.b. Fig. 34. Aus demselben Ei wie Fig. 31. Fig. 35. Dotterzellen eines etwa 20 Minuten nach der Ablage seen Eies in beginnender Theilung, a.b. Fig. 36. Querschnitte eines 20 Minuten nach der Ablage konsefrirten Eies. a enthält den Reservekern, b- mehr aus der Mitte des Eies. tra ist von dem benach- harten Schnitte hier eingetragen. Vergr. circa 415. Fig. 37. Längsschnitte aus einem weniger als 1/5 Stunde (vgl. Erkl. zu Fig. 25) nach der Ablage konservirten Ei. a, Schnitt 19 von 53, b kombinirt aus Schnitt 30, ‚1, 32 von 53. Fl. C.-O.-Eb. Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und | Pteropoden. Zugleich ein Beitrag zur Morphologie des Molluskenfußes. Von Georg Kalide aus Neumarkt in Schlesien. Mit 3 Holzschnitten. I. In dem morphologischen Theile seiner Arbeit »Zur Entwicklungs- geschichte der Cephalopoden«! charakterisirt GRENACHER den Fuß der ‘ Mollusken folgendermaßen: »Er ist ein wahrer Proteus, der sich keiner "bestimmten Form fügen und eben so wenig zu einer bestimmten Funktion bequemen will. Er kann sich, wenn man den Autoritäten folgt, der Länge nach gliedern und dabei sowohl ganz vorn, wie ganz hinten auftreten; er theilt sich aber eben so gut der Quere nach, und ‚ weder die Gesetze der Zahl, noch die der Symmetrie haben für ihn Bedeutung.« Treffender kann kaum die Unsicherheit gekennzeichnet ‚ werden, welche in der morphologischen Deutung der einzelnen Ge- ‚bilde, die man in der Vielgestaltigkeit und verschiedenen Gruppirung ‚ihres Auftretens als Fuß bezeichnet hat, bis dahin herrschte. In den ‚43 Jahren, die seit dem Erscheinen der Arbeit GrenAcHer’s verflossen ‚sind, ist diese Unsicherheit durchaus nicht gehoben worden, im Gegen- 'theil, dadurch, dass einige neue Hypothesen aufgestellt, und mit ihnen einige neue Bezeichnungen für bereits benannte Theile des Fußes ein- geführt wurden, ist die Verwirrung nur noch größer geworden. Die ‚verschiedenartigsten Auffassungen und Meinungen stehen sich gegen- ‚über, von denen aber keine sich über den Werth einer Hypothese er- ‚hebt, wenn auch, wie ich hoffe beweisen zu können, die von GRENACHER aufgestellten Ansichten in allem Wesentlichen das Richtige getroffen 1 Diese Zeitschr. Bd. XXIV. p. 457. | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 23 | 338 Georg Kalide, haben. Ich werde später Gelegenheit nehmen, die verschiedenen bis- her aufgestellten Hypothesen über die Morphologie des Molluskenfußes, so weit sie mir von Belang erschienen und so weit sie mir zugänglich waren, aufzuführen und zu besprechen. Die vorliegende Arbeit soll ein Beitrag zur Lösung der über jenen Gegenstand herrschenden Streitfragen sein und zwar versucht sie, dieselbe durch die vergleichende Betrachtung des Muskelsystems der Mollusken herbeizuführen. Dass auf diesem Wege alle streitigen Punkte ihre Erledigung finden werden, ist von vorn herein nicht zu erwarten; hat doch selbst die vergleichende Embryologie, die beste Rathgeberin in allen Fragen, in denen es sich um die morphologische Gleich- werthigkeit zweier Organe handelt, in dem vorliegenden Falle die meisten dieser Streitfragen bis jetzt offen gelassen, und noch weniger hat die vergleichende Betrachtung anderer Organsysteme weitgehende und sichere Aufschlüsse zu geben vermocht. Von den vergleichend-anatomischen Arbeiten ist mir keine be- kannt geworden, welche das Muskelsystem der Mollusken herangezogen hätte, um durch vergleichendes Studium desselben die morphologische Äquivalenz in den Fußbildungen des Molluskenkörpers zu prüfen und festzustellen. Überhaupt ist das Muskelsystem in der großen Zahl von Arbeiten, die sich mit Mollusken beschäftigen, meist sehr stiefmütter- lich behandelt worden. Zwar ist es häufig der Gegenstand histologi- scher Untersuchung gewesen, aber nur in wenigen Fällen sind seine Lagerungsverhältnisse berücksichtigt worden. Auch da ist dies nur kurz und beiläufig geschehen, wo das Studium des Muskelsystems so wenig Schwierigkeiten bietet, wie bei den Heteropoden. Einmal, weil hier die Lagerungsverhältnisse der Muskulatur wegen der Durchsichtig- keit des ganzen Körpers unschwer zu erkennen sind, dann aber auch, weil sie bis jetzt keiner genaueren Betrachtung unterzogen worden sind, habe ich die Heteropoden zum Ausgangspunkte meiner Studien genommen. Vor Allem jedoch geschah dies desshalb, weil bei ihnen (nach Hvxırv und anderen Autoren) der Fuß am deutlichsten und sehr weitgehend differenzirt ist. Die Muskulatur der Heteropoden. Die Litteratur, welche die Muskulatur der Heteropoden in dem von mir angedeuteten Sinne behandelt, ist eine sehr geringe. Es sind nur folgende Schriften zu nennen, welche hier in Betracht kommen: 41) »Der Bau der Heteropoden.« Zool. Untersuchungen von R, LzuckArt. Heft 3. Gießen 185%. Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 339 2) »Untersuchungen über die Pteropoden und Heteropoden « von CARL GEGENBAUR, Leipzig 1854. 3) »Klassen und Ordnungen des Thierreichs« von BRONN-KEFERSTEIN. Die erste dieser Arbeiten ist von den in Betracht kommenden die- jenige, welche uns in der Kenntnis der Heteropodenmuskulatur am meisten fördert. Die vorzüglich an Firolaceen angestellten und von Levckart in der erwähnten Schrift wiedergegebenen Untersuchungen gewähren uns ein Bild, das die Muskulaturverhältnisse der Heteropo- den in großen Zügen veranschaulicht. Es wird meine Aufgabe sein, dieses Bild in seinen Details genauer auszuführen. Die Arbeit von GEGENBAUR bestätigt im Wesentlichen die Angaben LeuckArr's, doch finden sich auch einige Abweichungen, auf die ich besonders aufmerk- sam machen werde. Dann soll noch die in den »Klassen und Ord- _ nungen« gegebene Beschreibung der Heteropodenmuskulatur Berück- sichtigung erfahren, nicht weil sie viel Neues brächte, als vielmehr desshalb, weil einige darin enthaltene Angaben der Korrektur be- dürfen. Zur eingehenderen Kenntnisnahme der von den Autoren wie- dergegebenen Thatsachen verweise ich auf die Originalarbeiten. — _ Andere Arbeiten, welche auf die Muskulatur der Heteropoden näher eingingen, sind mir nicht bekannt geworden. Einige Notizen Pınrru’s ! _ über diesen Gegenstand erfahren später noch Berücksichtigung. | Da die Lagerungsverhältnisse der Heteropodenmuskulatur eben "nur beiläufig studirt worden sind, so dürfte ihre Schilderung wohl | einige neue Thatsachen zu Tage fördern. Es wird mir aber auch häufig Gelegenheit gegeben sein, auf Irrthümer früherer Autoren hinzuwei- \ sen. Es soll dies, damit hen Fortgang der Beschreibung nicht gestört ‚ wird, in Anmerkungen unter dem Text geschehen. | Leider war es mir nicht vergönnt, je einen Vertreter der drei ' Familien der Heteropoden meiner Beobachtung unterwerfen zu können, | vielmehr stand mir nur Pterotrachea und Carinaria, als Vertreter der ‚ Firolaceen und Carinarieen, zur Verfügung. Atlanta konnte ich nicht erhalten. Jedoch glaube ich bei dem in allem Wesentlichen überein- ‚ stimmenden Verhalten der Muskulatur von Pterotrachea und Carinaria, dass auch die nicht zur Untersuchung gelangte Familie der Atlantaceen N nicht allzu große Abweichungen aufweisen wird. Die zur Beobachtung 1 | verwertheten Individuen waren Spiritusexemplare von: | Pterotrachea coronata, | | Pterotrachea mutica und N Carinaria mediterranea. | 1 Beiträge zur Histologie der Pteropoden und Heteropoden, Archiv für mikr, #} Anat. Bd. XXIV. | 23° 340 Georg Kalide, Was endlich die Methode betrifft, die bei der Untersuchung der Heteropoden sowohl als der Pteropoden zur Anwendung kam, so war dieselbe eine äußerst einfache. Das gewöhnlichste zoologische Hand- werkszeug, wie Nadeln, Schere etc. genügt, um mit Hilfe von Lupe und Mikroskop alle Lagerungsverhältnisse der Muskulatur aufzu- decken. Wir gehen nun zur Beschreibung der letzteren über, wobei jedoch hier wie auch fernerhin diejenigen Muskeln unberücksichtigt bleiben werden, welche inneren Organsystemen angehören, denn einerseits sind sie bereits beschrieben, andererseits sind sie für mich in so fern bedeutungslos, als sie zu den Fußbildungen in keiner Beziehung stehen. | a. Pterotrachea. Eine Beschreibung der äußeren Körperform halte ich für über- flüssig, da die letztere bereits wiederholt in Wort und Bild dargestellt worden ist. Nur möchte ich, ehe ich zur Schilderung der Muskulatur übergehe, noch erwähnen, dass ich bei Ortsbestimmungen wie »oben« und »unten« das Thier nicht in seiner natürlichen Lage, mit den Flos- sen nach oben, gedacht wissen will, sondern umgekehrt, wie es ein Vergleich mit anderen Mollusken verlangt. Dasselbe gilt später für Carinaria. Fig. 1. Pterotrachea coronata. Die Muskulatur des Rüssels von Pterotrachea besteht vorwiegend aus Längsmuskelfasern, die gleichmäßig neben einander liegend ein sich überall gleich verhaltendes, zusammenhängendes Muskelstratum bilden. Nur auf der Rückenseite ist dieser Muskelschlauch durch einen in der Medianlinie liegenden muskelfreien Streifen unterbrochen !, der 1 GEGENBAUR giebt (p. 457) irrthümlich an, dass der Muskelschlauch im Rüssel von Pterotrachea vollständig geschlossen sei. . Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 311 nach vorn sich verjüngend bis zur Mundöffnung reicht, nach hinten in den Körper eintritt und sich bis zum Eingeweidesacke fortsetzt. Wir wollen ihn als die »Rückenlinie« bezeichnen. Der Längsmuskulatur liegt nach außen auf der Bauchseite bis etwa zu halber Höhe des Rüssels eine Ringmuskulatur auf. Sie be- steht ebenfalls aus dicht neben einander liegenden Muskelfasern, die aber nicht eine gleichmäßige Schicht bilden, sondern durch Anhäufung an einzelnen Stellen Verdickungen entstehen lassen, welche durch Intervalle mit schwächerer Muskulatur getrennt sind. Um die Mund- öffnung herum ist die Ringmuskulatur vollkommen geschlossen und tritt hier in besonderer Mächtigkeit auf. Nach rückwärts wird sie all- mählich schwächer und erreicht ihren Abschluss an der Stelle, wo der Rüssel in den eigentlichen Körper übergeht. Diese Stelle ist auf der Rückenseite gekennzeichnet durch das Auf- treten des Kopfganglions und der rechts und links von ihm gelegenen Augen mit den beiden Gehörbläschen. Kurz davor trennt sich die Längsmuskulatur des Rüssels. Je ein breites Muskelband tritt durch den schmalen Isthmus, der jederseits zwischen Kopfganglion und Auge liegt, in den Körper ein und setzt sich, die dorsale Mittellinie in gleicher Weise wie im Rüssel respektirend, bis zum Eingeweidesacke hin fort. Wir wollen diese beiden Bänder rechts und links von der » Rücken- linie« als »Rückenstreifen« bezeichnen. Die übrige Masse der Längsmuskulatur des Rüssels weicht vor den Augen nach unten aus. Ein Theil ihrer Faserelemente zeigt ein ganz ähnliches Verhalten wie die beiden Rückenstreifen, indem sie sich in ' zwei Längsbändern, die wir »Bauchstreifen « nennen wollen, zu beiden Seiten der von Muskelfasern frei bleibenden ventralen Mediane, der ' »Bauchlinie«, bis zum Eingeweidesacke hin fortsetzen. Die in die »Bauchstreifen« nicht aufgenommenen Muskelfasern wenden sich hin- ter den Augen wieder nach oben und schließen sich den »Rücken- streifen « an. Zwischen den Rücken- und den Bauchstreifen finden sich zu beiden ' Seiten des Körpers, zwei in diagonaler Richtung verlaufende Muskel- faserzüge, deren Elemente sich unter einem Winkel von etwa 70° schnei- ‚ den. Die Fasern des oben aufliegenden Muskelstratums halten die Rich- tung der von »vorn oben« nach »hinten unten« gehenden Diagonale inne. ' Sie zweigen sich gleichmäßig neben einander liegend von den Rücken- streifen ab, bilden in ihrem ganzen Verlaufe, der die Figur eines sehr schräg liegenden, schwach gebogenen $ nachahmt, eine zusammenhän- gende Faserschicht und schließen sich unten in gleichmäßigem Über- gange den Längsmuskelfasern der Bauchstreifen an. 3142 Georg Kalide, Einen ähnlichen Verlauf, aber in umgekehrter Richtung, nehmen die Faserelemente der darunter liegenden Diagonalmuskulatur!. Sie gehen von »vorn unten« nach »hinten oben« und beschreiben dabei ebenfalls ein $, das aber steiler aufgerichtet ist als jenes. Auch-bilden sie nicht überall eine gleichmäßige Schicht neben einander liegender Muskelfasern; vielmehr treten sie in Bündel zusammengefasst aus den Bauchstreifen heraus und eben so treten sie wieder in Bündeln in die Rückenstreifen ein. Dazwischen jedoch breiten sich die einzelnen Bün- del »unter Vermehrung ihrer Elemente« — wie GEGENBAUR Sich in ähn- lichen Fällen ausdrückt — flächenartig aus, bis die Grenzen zwischen ihnen verschwinden, so dass hier ebenfalls eine einzige gleichmäßige Schicht neben einander liegender Muskelfasern zu Stande kommt. Man muss dieses untere Muskelstratum als die Fortsetzung des- jenigen Theiles der Längsmuskulatur des Rüssels betrachten, welcher vor den Augen nach unten ausweicht, während das obere Stratum die Ausstrahlung des anderen Theiles jener Muskulatur ist, welcher zwischen Kopfganglion und Augen hindurchtritt und in seiner Fortsetzung die 1 Weder LEUCKART noch GEGENBAUR äußern sich darüber, welches das obere und welches das untere Muskelstratum sei. GEGENBAUR giebt an, es seien zwei mit kreuzweisem Faserverlauf über einander gelagerte, nur schwer von einander trennbare Schichten vorhanden (p. 457). — LEUckART spricht von einer Trennung des Muskelschlauches in zwei über einander liegende Schichten mit gekreuztem Faserverlauf. Diese Trennung ist am vollständigsten im Rüssel durchgeführt, wo Ringfasern und Längsfasern je eine zusammenhängende Muskellage bilden. »In dem Rumpfe ändert sich dies Verhältnis, indem die Ringfaserschicht in zwei Seitenhälften zerfällt, die Rücken und Bauch in der Mittellinie frei lassen. Die Fasern dieser Seitenmuskeln haben einen bogenförmigen Verlauf und sammeln sich an ihren Enden in flügelförmige Bündel, mit denen sie sich zwischen den Bündeln der Längsfaserschicht verlieren. So weit die letzteren nun aber von diesen Seiten- muskeln bedeckt sind, geben sie ihre ursprüngliche Längsrichtung auf. Sie ver- wandeln diese in eine schräge, so dass man fast sagen könnte, dass die Seitenmus- keln unserer Thiere von zwei kreuzweis gelagerten schrägen Faserzügen gebildet würden« (p. 42). LEUCKART fasst also das eine Muskelstratum des Rumpfes noch als Längsmuskulatur auf, das andere dagegen als Ringmuskulatur, die er der im Rüssel vorhandenen gleichstellt. Diese Auffassung ist unhaltbar, denn wir sahen, dass im Rüssel die Ringmuskulatur die obere Lage bildet, während im Rumpfe dasjenige Muskelstratum, welches Levckarr als Ringmuskulatur bezeich- net, die untere Lage der Diagonalmuskulatur ausmacht. Dass die beiden Schich- ten, welche LEUCKART in gleicher Weise als Ringmuskulatur bezeichnet, von ein- ander streng geschieden werden müssen, ergiebt sich ferner auch daraus, dass bei Carinaria, wie wir später sehen werden, die Ringmuskulatur des Rüssels sich in den Körper fortsetzt und dabei über den auch hier vorhandenen beiden sich kreu- zenden Muskelstraten liegt, also doch nicht mit dem inneren derselben identisch sein kann. Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 343 Rückenstreifen bildet. Dieses Verhalten wird klarer und deutlicher werden durch die Analogien, die sich bei Carinaria finden. Nach hinten zu lassen sich die beiden sich kreuzenden Muskelstra- ten bis in die Nähe der Flosse verfolgen. Kurz vor derselben hört die Abzweigung der von »vorn unten« nach »hinten oben« verlaufenden Muskelfasern auf, während die des darüber liegenden Stratums allmäh- lich wieder in die Längsrichtung übergehen. Sie schließen sich dabei den nach hinten zu etwas konvergirenden Rücken- und Bauchstreifen an, so dass sie mit ihnen zusammen nun hinter der Flosse einen zu- sammenhängenden Schlauch längsverlaufender Muskelfasern bilden, der, wenn man absieht von der auch hier vorhandenen muskelfreien Bauch- und Rückenlinie, vollkommen geschlossen ist. Diese Längs- muskulatur verschmälert sich, je mehr sie sich dem Eingeweideknoten nähert, und tritt, unter ihm hinziehend, nur in einzelnen schwachen Strängen in den Schwanz ein, wo dieselben in ihrem weiteren Ver- laufe nach hinten wieder verschieden an Stärke zunehmen!. In die Wände des Eingeweideknotens aber treten keine Muskelfasern ein. Im Schwanze lassen sich vier Paare von Längsmuskelbändern unter- scheiden, von denen das oberste das schwächste ist. Seine Schenkel vereinigen sich in ihrem Verlaufe nach hinten mit denen des zweiten, etwas stärkeren Bänderpaares. Diese letzteren treten darauf in der Medianebene zu einem unpaaren Strange zusammen, welcher weiter hinten in einen eben solchen, aus der Vereinigung des dritten stärksten Bänderpaares hervorgegangenen unpaaren Muskelstrang übergeht. In seinem Verlaufe nach hinten tritt derselbe in die Horizontalflosse, — welchen Ausdruck LeuckArt für die kartenherzförmige horizontale Er- weiterung am Ende des Schwanzes anwendet, — ein. In der Horizon- talflosse kommt es nun auch zur Vereinigung des vierten, dem zweiten an Stärke gleichstehenden Bänderpaares, nachdem seine Schenkel be- reits vorher zweimal durch Kommissuren mit einander in Verbindung getreten sind. Wir haben es also jetzt nur noch mit zwei unpaaren über einander liegenden Muskelbändern zu thun, welche die Horizontalflosse ihrer Länge nach durchziehen. Sie beschreiben dabei je einen flachen ' Bogen, dessen Konkavität nach innen liegt, und gehen am Ende der Flosse, dort wo sich der Einschnitt befindet, ganz in einander über. Ihre Fortsetzung tritt nach den Autoren in den Schwanzfaden ein und giebt diesem seine Beweglichkeit. Ich kann dieses Verhalten in so fern ! Nach Bronn-KeErERSTEIN (p. 817) steht die Muskulatur des Schwanzes mit der des Rumpfes in keinem Zusammenhang, während bereits in der Arbeit GEGENBAUR’S ‚ das richtige Verhalten angegeben ist. 3441 Georg Kalide, nicht bestätigen, als meinen Weingeistexemplaren dieser fadenförmige Schwanzanhang fehlte. Das obere Muskelband der Horizontalflosse ist nicht einfach, sondern wird durch einen vertikalen Spalt in eine rechte und linke Hälfte zerlegt, die nur an der Basis und am Ende der Ho- rizontalflosse in einander übergehen. Es bleiben noch zwei Längsmus- keln zu erwähnen, die von der Vereinigung der beiden Muskelbänder am Ende der Horizontalflosse ausgehend die letztere jederseits in einem ihrem Rande etwa gleichlaufenden Bogen durchziehen und vorn mit ihren Fasern — wie mir schien — in das unterste Bänderpaar kurz vor dessen Vereinigung übergehen. Außer den in Längsrichtung verlaufenden Muskelbändern besitzt die Horizontalflosse noch eine Quermuskulatur, welche zwei Lagen unterscheiden lässt, eine obere und eine untere, oder genauer, eine dorsale und eine ventrale. Jede derselben wird aus einzelnen, in regel- mäßigen Abständen von einander verlaufenden, schmalen Muskelbän- dern gebildet, die mit ihren Fasern die beiden in der Medianebene ge- legenen Längsbänder durchsetzen und dann zu beiden Seiten nach dem Rande und etwas nach hinten zu verlaufen. Da das dorsale Längsmus- kelband in zwei Schenkel gespalten ist, welche die Quermuskelbänder beide zu passiren haben, so entsteht hier eine leiterförmige Figur, die dem ganzen Fasergerüst besondere Zierlichkeit verleiht. Wir kommen nun zur Besprechung der Muskulatur desjenigen Kör- pertheils, welcher schlechthin als »Flosse« oder auch als »Kielfuß« be- zeichnet wird. Das Charakteristische dieser Muskulatur besteht darin, dass sie mit der des übrigen Körpers in gar keinem Zusammenhange steht!. Dies Verhalten wird schon daran deutlich, dass sich die Flosse ohne Mühe aus dem Körper herausziehen lässt. Betrachtet man die herausgezogene Flosse genauer, so gewahrt man an ihrer Basis drei Paare kurzer Muskelstümpfe, und zwar zwei Paare am vorderen und ein Paar am hinteren Ende. Sie zeigen die Gestalt von Trapezen, deren breitere Parallelseite nach oben gekehrt ist. Im unverletzten Thiere liegen ihre Schenkel jederseits der inneren Körperwand an, reichen jedoch nur bis etwa zur Hälfte ihrer Höhe hinauf?. Einzelne Fasern, 1 LEUCKART giebt an (p. 46), es gingen einige ihrer Fasern in die Faserzüge der Körpermuskulatur über. Ich habe jedoch vergeblich nach solchen Fasern ge- sucht. 2 Nach Bronn-KErERSTEIN beginnt die Muskulatur der Flosse an deren’ Basis mit nur zwei Bündeln, LeuckArr giebt ganz richtig drei Paare solcher Bündel an, zwei vordere und ein hinteres. Die Seitentheile des ersten Paares heften sich nach ihm beiderseits der Innenwand des Körpers an, die des zweiten Paares bleiben frei und bilden eine Schlinge, indem sich ihre Enden an einander legen. Die Seitentheile des hin- Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 345 wahrscheinlich von bindegewebiger Natur, ziehen divergirend von dem breiten Ende dieser Muskelstümpfe an der Innenseite der Körperwand bis dieht an den Rückenstreifen jederseits in die Höhe. Bei ihrem Ein- tritt in die Flosse, welcher durch die muskelfreie Bauchlinie hindurch erfolgt, lösen sich die Muskelstümpfe in ihre Elemente auf und strahlen unter Vermehrung derselben nach dem Flossenrande aus. Wenn man das daraus hervorgehende zierliche Maschennetz der Flosse untersucht, so lassen sich zwei Lamellen unterscheiden, eine rechte und eine linke, die mit Hilfe einer Nadel auch auf größere Strecken leicht von einan- der zu trennen sind. Jede Lamelle besteht aus zwei über einander lie- genden Muskelschichten mit gekreuztem Faserverlauf. Die Faserele- mente der beiden äußeren Schichten gehen von der Flossenbasis aus nach »vorn unten«, also in entgegengesetzter Richtung wie die Fasern der äußeren Diagonalmuskelschichten des Rumpfes. Die Fasern der beiden inneren Muskelschichten der Flosse kreuzen sich mit denen der äußeren, indem sie von der Flossenbasis aus die Richtung nach »hinten unten« innehalten. Sie sind nach Pıneru! durch eine bindegewebige Gallerte von einander getrennt?. Nach dem Flossenrande zu vermindert sich die Zahl der Faserelemente in den Muskelschichten, so dass diese in einzelne Bündel zerfallen, die am äußersten Rande mit denen der anderen Lamellen zusammentreffen. Die Muskulatur des Saugnapfes zeigt die von LeuckArt angegebenen Verhältnisse. Innen besteht sie aus einem geschlossenen Ringmuskel, der nach außen von senkrecht zu ihm verlaufenden Fasern überlagert wird. Diese setzen sich nach oben in vier Muskelstränge fort, welche in divergirenden Richtungen zwischen den beiden Lamellen der Flosse verlaufen und dem Saugnapfe zur Befestigung dienen. b. Carinaria. Der Körper von Carinaria ist bekanntlich nach außen von einer gallertigen Cutis begrenzt, welche bei Weingeistexemplaren ziemlich teren Paares dagegen liegen in ihrer ganzen Ausdehnung an einander und stellen so eine kurze breite, viereckige Lamelle dar. Da mir die Arbeit von LEucKART erst zugänglich wurde, als ich meine Unter- suchungen über Pterotrachea bereits zum Abschlusse gebracht hatte, und mir nicht mehr genügendes Material zu Gebote stand, um die obigen Angaben LEUCKART'S prüfen zu können, so bescheide ich mich damit, sie erwähnt zu haben. Ein Irrthum von meiner Seite ist hier nicht ausgeschlossen. 1 „Beiträge zur Histologie der Pteropoden und Heteropoden.« Arch. f. wissen- schaftliche Mikroskopie. Bd. XXIV. 2 An meinen Weingeistexemplaren mochte diese Gallerte durch Wasserent- ziehung wohl so geschwunden sein, dass sie nicht mehr deutlich wurde. — Bei Carinaria konnte ich sie jedoch sehr gut beobachten. 316 Georg Kalide, undurchsichtig ist und desshalb die Lagerungsverhältnisse der Muskula- tur nicht ohne Weiteres so deutlich erkennen lässt, wie dies bei Ptero- trachea der Fall ist. Jedoch gelang es bei dem Weingeistexemplare von Carinaria mediterranea, welches meiner Beobachtung unterlag, mit leichter Mühe, diese Gallerte von der Muskulatur abzulösen, so dass deren Untersuchung keine größeren Schwierigkeiten entgegen- standen. Bei Carinaria sind die Lagerungsverhältnisse der Muskulatur im Wesentlichen dieselben wie bei Pterotrachea. Doch ist von vorn herein auf einen wenn auch nicht bedeutsamen, so doch sehr in die Augen fallenden Unterschied aufmerksam zu machen. Während nämlich bei Pterotrachea die Faserelemente in zusammenhängende Muskelschichten angeordnet sind, sind sie bei Carinaria fast überall in einzelne Muskel- bänder zusammengefasst, wie wir sie bei Pterotrachea nur im Schwanze auftreten sahen. | 25 = >23 >2 = >25 ee = Bee: 2 Eee SL 22 SO>3>S = SS een ren > ee => 35 5 > == 5 See = = > ae > > > ee wen ee = ee > ee = ee 2 I Ge Fa E >35 > 2 = = (= Fig. 2. Carinaria mediterranea (bis zum Schwanze an der rechten Körperseite aufgeschnitten und aus einander gelegt) etwas schematisch. Im Rüssel verlaufen diese Muskelbänder in entschiedener Längs- richtung und in ziemlich gleichen Abständen neben einander, wobei sie durch seitliche Abzweigungen häufig mit einander anastomosiren. Auf der Rückenseite wie auf der Bauchseite sieht man in der Median- ebene einen helleren breiten Streifen verlaufen, der Rücken- und Bauch- linie bei Pterotrachea entsprechend. Wie bei der letzteren durchzieht auch bei Carinaria die Rückenlinie den Körper vom vorderen Rüssel- ende bis zum Eingeweideknoten. Die Bauchlinie ist jedoch nur im Rüssel und eine kurze Strecke darüber hinaus sichtbar, während sie in dem größten Theile des Rumpfes, wie wir sehen werden, von dia- gonal verlaufenden Muskelbändern verdeckt wird. Das Auftreten der Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 347 Rücken- und Bauchlinie ist im Rüssel dadurch bedingt, dass rechts und links von der dorsalen und ventralen Medianen die Längsmuskelbänder etwas weiter aus einander gedrängt sind, als ihr gewöhnlicher Abstand beträgt. Während dadurch in den beiden Medianlinien je ein breiter Spalt entsteht, wird der Abstand zwischen den seitlich anstoßenden Muskelbändern so reducirt, dass mehrere derselben mit einander ver- schmelzen. Wir finden daher die Rücken- und die Bauchlinie von nie- drigen Muskelwülsten begrenzt, welche eben aus jener Verschmelzung hervorgehen. Diese letztere wird noch durch ein anderes Moment be- günstigt. Die Muskelbänder des Rüssels halten nämlich nicht strikte die Längsriehtung inne, sondern verlaufen in flachen Bogen, um in ähn- licher Weise, wie wir es bei Pterotrachea sahen, vor den Augen aus- zuweichen. Der obere Theil dieser Bänder schließt sich daher am hin- teren Rüsselende rechts und links von der Rückenlinie zusammen und tritt als dicker Muskelstrang beiderseits zwischen Kopfganglion und Augen in den Rumpf des Thieres ein. Hier erfolgt gleich hinter den Augen wieder die Auflösung der beiden Muskelstränge in einzelne Bän- der, die in gleichmäßigen Abständen und in S-förmigem Verlauf von »vorn oben« nach »hinten unten« ziehen und so ein Muskelstratum kon- stituiren, das der oberen Schicht der Diagonalmuskulatur von Ptero- trachea entspricht. Der andere Theil der Längsmuskelbänder des Rüssels weicht vor den Augen nach unten aus, hinter denselben steigen sie wieder in ‚ bogenförmigem Verlauf nach der Rückenlinie auf. Indem sie dabei unter das vorher beschriebene Muskelstratum zu liegen kommen, kreuzen sie sich in ihrem Verlaufe von »vorn unten« nach »hinten oben« mit den Bändern desselben und bilden selbst ein Muskelstratum, das der unte- ren Schicht der Diagonalmuskulatur von Pterotrachea entspricht. Die | Bänder des oberen Stratums sind bedeutend schwächer, als die des unteren, so dass man geneigt ist, bei dem Hervortreten der letzteren jene für die unteren zu halten. Wie schon früher erwähnt wurde, bleibt die Rückenlinie von der Diagonalmuskulatur frei, während die Bauchlinie von ihr verdeckt wird. ' An den Rändern der Rückenlinie und auf der Bauchlinie stehen in bei- den Straten der Diagonalmuskulatur die einzelnen Bänder mit einander ‚ in Verbindung, indem die Fasern des einen in die des anderen über- , gehen, ohne dass es jedoch zur Bildung deutlicher »Rücken-« und »Bauchstreifen« käme, wie sie bei Pterotrachea auftreten. Die Diagonalmuskulatur von Carinaria unterscheidet sich also von ' der von Pterotrachea in zwei Punkten; einmal dadurch, dass wir es bei ‚ ihr nicht mit zusammenhängenden Muskelschichten, sondern mit ein- 348 Georg Kalide, zelnen, in Abständen von einander verlaufenden Bändern zu thun haben. Ein zweiter Unterschied liegt darin, dass bei Carinaria weder Rücken- noch Bauchstreifen erhalten bleiben, sondern die gesammte Längs- muskulatur des Rüssels in Diagonalmuskulatur übergeht, wobei die Bauchlinie bis auf eine kurze Strecke im vordersten Theile des Rumpfes verloren geht. In dem Körperabschnitte, welcher zwischen Eingeweidesack und Flosse liegt, gehen die Bänder beider Straten wieder in die Längsrich- tung über und vereinigen sich dabei zu einer einzigen zusammen- hängenden Faserschicht, so dass an dieser Stelle die Übereinstimmung mit der Muskulatur von Pterotrachea eine vollkommene ist. — Beim Eintritt in den Schwanztheil zerfällt diese Muskelschicht wieder in eine Anzahl einzelner Bänderpaare, die sich in Längsrichtung bis zum Schwanzende fortsetzen und durch vielfache Anastomosen mit einander in Verbindung stehen. Von diesen Bänderpaaren zeichnen sich zwei durch besondere Stärke aus, nämlich das der Rückenlinie und das der Bauchlinie am meisten genäherte. Von dem ersteren aus verlaufen noch zahlreiche, schräg nach hinten gerichtete Ausläufer in den über ihm gelegenen breiten Gallertsaum. Wir kehren nun noch einmal zu der Muskulatur des Rumpfes zu- rück. Wir hatten gesehen, dass sich die letzten Ausläufer der Diagonal- muskulatur in Längsrichtung in den Schwanz fortsetzen. Ein anderer beträchtlicher Theil dieser Muskulatur nimmt aber einen anderen Ver- lauf. In der Flossengegend schließt sich, wie bekannt, der Leibesraum in eine nach oben gewendete enge Röhre zusammen, die nach dem Ein- geweidesacke führt. In die Wände dieser Röhre setzt sich die Rumpf- muskulatur in einer Schicht längsverlaufender Fasern fort, die auch in den Eingeweidesack eintreten, sich aber dort bald verlieren. Über Längs- und Diagonalmuskulatur findet sich im Körper von Carinaria von dem vorderen Rüsselende an bis in die Gegend der Flosse eine besonders bemerkenswerthe Ringmuskulatur!. Ihre Eigenthüm- lichkeit liegt darin, dass sie aus einzelnen Ringen besteht, die den ganzen Körperumfang umschließen und von denen jeder von einzel- i Dieselbe scheint bis jetzt völlig übersehen worden zu sein, denn weder bei LEUCKART noch bei GEGENBAUR, noch auch bei BroNXN-KEFERSTEIN finde ich sie er- wähnt. LruckArrt beschränkt sich ja zumeist auf eine Schilderung der Muskulatur- verhältnisse bei den Firolaceen und erwähnt Carinaria nur in kurzen Notizen. — Wenn auch GEGENBAUR jene Ringmuskulatur nicht sah, so liegt das vielleicht daran, dass sie an frischen und ungefärbten Körpertheilen weniger gut sichtbar sein mag. An mit Boraxkarmin gefärbten Flächenpräparaten einzelner Körpertheile meines Weingeistexemplares war sie in ausgezeichneter Deutlichkeit zu erkennen. l Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 349 ligen langgestreckten Fasern gebildet wird, die nur mit ihren lang ausgezogenen Spitzen an einander liegen. Diese Ringe folgen einander in sehr regelmäßigen Abständen, bis sie in der vor der Flosse liegenden Körperregion verschwinden. Ohne im Allgemeinen auf das Studium der histologischen Verhält- nisse näher eingegangen zu sein, glaube ich doch bemerkt zu haben, dass die Faserelemente der Molluskenmuskulatur, abgesehen von Größen- unterschieden, überall in gleicher Form und gleicher Beschaffenheit auftreten. In den Muskelzellen der Ringmuskulatur von Carinaria scheint mir der Typus jener Faserelemente in ausgezeichnetster Weise wiedergegeben zu sein, so dass ich eine kurze Beschreibung derselben für angebracht erachte. Es sind lange, bandartige, spindelförmige Zellen, die von ihrer in der Mitte gelegenen breitesten Stelle sich An- fangs schnell, dann aber sehr allmählich verjüngen, bis sie endlich in eine feine Spitze auslaufen. Ihre Begrenzung zeigt eine doppelt kon- tourirte Linie. Die größte Breite der Zellen beträgt das Acht- bis Zwölf- fache derjenigen der Längs- und Diagonalmuskelfasern. Sie variiren jedoch selbst unter einander in Breite und Länge bedeutend. An der in der Mitte gelegenen Verdickung ist der länglich-ovale Kern scharf umgrenzt sichtbar. Er zeigte an den mit Borax- karmin behandelten Präparaten eine schwach- rothe Färbung; zuweilen war eine Färbung kaum bemerkbar, während das Kernkörperchen stets intensiv roth erschien. Dasselbe variirt sehr in Größe und Gestalt; zuweilen hat es die Form des Kernes, in anderen Fällen ist es kreisrund, oder es ist auch kommaförmig. Vereinzelt fand ich zwei Kernkörperchen in einem Kerne vor, die aber dann sehr klein waren. — Um den Kern herum zeigt der Zellinhalt, so weit die Ver- diekung reicht, meist ein granulirtes Aussehen. Z LE Nur in einem Falle sah ich das in II des neben- Fig. 3. stehenden Holzschnittes veranschaulichte Ver- halten, das den Kern inmitten eines spindelförmigen Hofes zeigt, der vollkommen farblos und ohne sichtbaren Zellinhalt erschien. — Außer ' der mittleren Verdickung zeigt die Muskelzelle in ihrem ganzen Ver- ‚ laufe eine feine Längsstreifung, die auf einen Zerfall in einzelne Fibril- len hindeutet. Nach dieser histologischen Abschweifung kehren wir zu unserem eigentlichen Gegenstande zurück. Während die eben beschriebene ‚ Ringmuskulatur vor der Elosse aufhört, tritt im Schwanze eine wesent- 350 Georg Kalide, lich anders gestaltete auf. Dieselbe beginnt vorn mit einzelnen Quer- fasern, welche auf beiden Seiten des Schwanzes verlaufen und ihrer Gestalt nach ganz denen der Längs- und Diagonalmuskulatur gleichen. Nach hinten zu treten bald an Stelle der einzelnen Fasern Querbänder auf. Anfangs nur aus wenigen Muskelfasern zusammengesetzt und daher schwach, werden sie nach der Schwanzspitze zu allmählich stärker, bleiben aber hinter den Längsmuskelbändern weit an Stärke zurück. Sie bilden keine geschlossenen Ringe, sondern laufen nach der dorsalen und ventralen Mittellinie spitz aus, ohne dieselben zu erreichen. Am Hinterende des Schwanzes, wo sie am stärksten sind, nehmen sie. an der Bildung des Muskelgerüstes der Horizontalflosse theil. Dass eine solche auch bei Garinaria vorhanden ist, wenn auch nicht in der Aus- bildung wie bei Pterotrachea, scheint bis jetzt ganz übersehen worden zu sein, denn weder sprechen die Autoren von ihr, noch auch ist sie in ihren Zeichnungen wiedergegeben. An seinem hinteren Ende wird der seitlich zusammengedrückt erscheinende Schwanz allmählich eylin- drisch und biegt zuletzt in Form eines Geierschnabels nach unten. Auf der Rückenseite des eylindrischen Theiles ist die charakteristische Gestalt des Schwanzes noch in einem kammartigen Saume erhalten. Vor der Krümmung des Schwanzendes tritt die Horizontalflosse als eine von der Ventralseite ausgehende, nach rechts und links sich er- streckende, häutige Verbreiterung auf, die sich nach vorn zu schnell verjüngt und dann, den Schwanz in geringer Breite begleitend, den- selben auf eine Strecke wie geflügelt erscheinen lässt, um bald ganz in seine Masse aufgenommen zu werden. Die Flosse zeigt nicht wie bei Pterotrachea an ihrem hinteren, breiten Ende einen tiefen Ausschnitt nach Art eines Kartenherzens, sondern ist an dieser Stelle nur flach ausgebuchtet. Wohl aber besitzt sie ein ähnliches, wenn auch nicht so komplieirtes Gerüst von Muskelfasern, wie wir es bei Pterotrachea vor- fanden. Die Achse der Flosse, welche von dem eylindrischen Schwanz- ende eingenommen wird, weist mehrere die Längsmuskulatur des vor- deren Theiles des Schwanzes fortsetzende Muskelbänder auf, die bis in die äußerste Schwanzspitze verlaufen. Über ihnen liegt ein aus einzelnen quer verlaufenden Faserbändern bestehendes Muskelsystem, das lediglich die Fortsetzung der bereits beschriebenen Ringmuskulatur des Schwanzes ist. Die Quermuskelbänder setzen jederseits in dem schon erwähnten kammförmigen Saume des Schwanzendes an, laufen an den Seiten desselben herab und treten unten in die flossenförmige Ausbreitung ein, die sie in nach hinten diagonal verlaufender Richtung durchziehen, ohne jedoch den Rand zu erreichen. Bei Pterotrachea Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 351 fanden sich ähnliche Muskelbänder auch auf der Bauchseite, wo sie bei Carinaria hingegen fehlen. Bisher galt uns die Rückenlinie als vollkommen muskelfrei, wie sie es bei Pterotrachea in der That ist. Anders jedoch bei Carinaria, wo sie eine ihr eigenthümliche Muskulatur! aufweist. Dieselbe besteht in einigen, die Rückenlinie in ihrer ganzen Länge durchziehenden Muskelbändern, die im Rüssel sehr zart sind, in ihrem Verlaufe nach hinten aber an Stärke zunehmen, sich jedoch immer durch ihre Fein- heit und ihren geraden Verlauf von der übrigen Körpermuskulatur charakteristisch unterscheiden. Von ihnen aus zweigen sich feine Äste ab, die in der Richtung nach »vorn unten« verlaufen. Während die- selben im Rüssel bis dicht an den Bauchstreifen herangehen, verlieren sie sich im Rumpfe bereits an den Seiten des Thieres. Sie lassen sich nach hinten bis an den Eingeweidesack verfolgen, fehlen jedoch auf eine kurze Strecke in der Augengegend. Was ihr Verhalten zu den übrigen Muskelschichten betrifft, so liegen sie direkt unter der äußeren Ringmuskulatur und über den längs- resp. diagonal verlaufenden Mus- kelbändern. Auch die Bauchlinie ist, so weit sie überhaupt sichtbar wird, von - Muskelfasern nicht frei, sondern hat ebenfalls einige in ihr verlaufende schwache Längsbänder aufzuweisen. Von ihnen aus gehen im Rumpfe in der Richtung nach »vorn oben« einige Seitenzweige nach den Augen ‚ ab, welehe dem oberen Stratum der Diagonalmuskulatur angehören und eigentlich nur die von »vorn oben« nach »hinten unten« verlaufenden ' Muskelbänder desselben nach vorn fortsetzen. Die Muskulatur der Flosse geht wesentlich aus zwei breiten Mus- kelbändern hervor, die in einzelnen Fasern bereits in der hinteren ı Wand des Eingeweidesackes ansetzen. Von dort ziehen sie in nach vorn etwas schräg zugehender Richtung nach der Flosse hinab, wobei ihre Fasern häufig Lücken zwischen sich entstehen lassen. Bei ihrem Eintritt in die Flosse lösen sich diese Muskelbänder, welche von den Autoren als »Rückziehmuskel« angesprochen werden, in eine Anzahl schmälerer Bänder auf, welche nach dem Flossenrande in verschiedener Richtung ausstrahlen und fast allein das Muskelgerüst der Flosse aus- machen. Da sie direkt aus den Rückziehmuskeln hervorgehen, so stehen ‚ sie mit der Muskulatur des Rumpfes in gar keiner Beziehung, sondern | ‚ sind von ihr vollkommen unabhängig?. Zwischen den einzelnen Bän- dern verlaufen nach LeuckAarr schmale, muskelleere Streifen, die jedoch 1 Diese Muskulatur ist bisher nicht beschrieben worden. ? Auch hier gilt das in Anmerkung 4 auf p. 344 Gesagte. 392 Georg Kalide, bei meinem Weingeistexemplar nicht sichtbar waren und wohl durch Kontraktion der Muskelbänder beim Tödten des Thieres verschwunden sein mochten. Untersuchen wir nun die Muskulatur der Flosse genauer, so finden wir zu oberst, ganz gleichgültig von welcher Seite aus die Untersuchung vorgenommen wird, ein Muskelstratum, dessen einzelne Bänder die Flosse in der Richtung von »hinten oben« nach »vorn unten« durch- ziehen. Nimmt man nun, was sich mit Hilfe einer Nadel leicht bewerk- stelligen lässt, diese Muskelbänder weg, so tritt ein zweites Stratum zu Tage, dessen einzelne Bänder die Richtung von »vorn oben« nach »hinten unten« innehalten, also sich mit jenen kreuzen. Entfernt man auch dieses Stratum, so findet man in einer gallertigen Masse eingebettet ein Muskelsystem !, dessen zarte Faserstränge parallel zu einander und in geringen Abständen in der Richtung der Längsachse des Körpers ver- laufen, vorn und hinten den Flossenrand erreichen und sich hier meist gablig spalten. Nach unten zu erstreckt sich dieses Stratum nicht ganz bis an den Rand der Flosse, sondern hört eine Strecke vor demselben auf. An dem vorderen und hinteren Rande bemerkt man noch einige wenige, ganz ähnlich gestaltete Faserstränge, welche zu jenen gerade senkrecht verlaufen. Die Gallerte bildet mit den in sie eingebetteten Fasersträngen die Mittellamelle der Flosse. Theilt man die Flosse durch einen in der Medianebene des Körpers geführten Schnitt, so trifft der- selbe das Muskelstratum, dessen Faserstränge der Längsachse parallel laufen. Man erhält alsdann zwei Hälften, von denen die eine das Spie- gelbild der anderen giebt. Durch diese Anmerkung erübrigt sich eine weitere Beschreibung der Flossenmuskulatur. Es sei nur noch erwähnt, dass gegen den Rand die Bänder jedes Stratums aus einander weichen, sich verästeln und so ein zierliches Fasernetz bilden?.: Aus der gegebenen Beschreibung der Flossenmuskulatur von Cari- 1 Ich finde es bei keinem der oft citirten Autoren, auch bei PAnEr# nicht, er- wähnt. 2 Die Flossenmuskulatur wird von LEUCKART ganz richtig beschrieben, abge- sehen davon, dass er des mittelsten Muskelstratums keine Erwähnung thut. GEGEN- pAur unterlässt dies ebenfalls, macht aber auch einige nicht zutreffende Angaben über den Bau der Flossenmuskulatur. Nach ihm durchziehen die Fasern des Rück- ziehmuskels die Flosse in vertikaler Richtung. Außer diesen Muskelfasern besitzt die Flosse ein ihr eigenthümliches Fasersystem, » welches außerhalb des vorigen gelagert ist und jederseits aus zwei sich schräg durchkreuzenden Schichten besteht« (p- 133). — Dies letztere Fasersystem sahen wir jedoch aus den Rückziehmuskeln hervorgehen, während jenes senkrecht verlaufende gar nicht vorhanden ist. Bronx lässt ebenfalls jenes mittlere Muskelstratum, dessen Faserstränge parallel zur Längsachse verlaufen, unerwähnt. Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden, 353 naria geht hervor, dass dieselbe wesentlich mit der von Pterotrachea übereinstimmt. Während aber bei Pterotrachea die einzelnen Muskel- straten zusammenhängende Schichten darstellen, werden sie bei Cari- naria aus einzelnen Faserbändern gebildet. Ferner fehlt Pterotrachea die in der Mitte der Flosse parallel zur Längsachse des Körpers ver- laufende Muskulatur. Endlich ist bei Pterotrachea der sogenannte Rück- ziehmuskel nur rudimentär vorhanden, denn die drei Paare von Mus- kelstümpfen, aus denen die Flossenmuskulatur von Pterotrachea her- vorgeht, müssen wir als Theile des Rückziehmuskels betrachten, sofern wir die beiden Muskelbänder, welche die Muskulatur der Flosse von Carinaria entstehen lassen, als Rückziehmuskel ansprechen. Anmerkung. Bei der Loslösung der Gallerte von der darunter liegenden Muskulatur gingen vermuthlich die Tentakel meines Exemplares von Carinaria ınediterranea verloren. Ich kann daher nicht angeben, woher ihre Muskulatur stammt und wie sie beschaffen ist. Nach der Stellung der Tentakel jedoch ist an- zunehmen, dass sie von dem zwischen den Augen einerseits und dem Kopfganglion andererseits hindurchtretenden beiden Muskelsträngen versorgt werden. ul Fassen wir die gewonnenen Resultate kurz zusammen, so dürfen ‚wir sagen, sofern es gestattet ist, dieselben auf die ganze Ordnung der Heteropoden auszudehnen: die Muskulatur der Heteropoden besteht im Rumpfe aus zwei über einander liegenden Muskelstraten. Die Fasern des oberen gehen von »vorn oben« nach »hinten unten«, die Fasern des | unteren gehen von »vorn unten« nach »hinten oben«. In den Schwanz- | theil, den Eingeweidesack und den Rüssel setzt sich diese Muskulatur ‚ in Längsrichtung fort. Über ihr liegt eine Ringmuskulatur, die entweder ‚ den größten Theil des Körpers bedeckt (Carinaria) oder auf den Rüssel beschränkt ist (Pterotrachea). Die Flosse besitzt ihre eigene Muskulatur, die zum Spindelmuskel in enger Beziehung steht, von der des Körpers ‚ dagegen vollkommen unabhängig ist. Die Thatsache, dass die Muskulatur der Flosse mit der des Rum- ‚ pfes in gar keiner Verbindung steht, während die Muskulatur der an- ‚ deren Körperfortsätze, wie Rüssel, Eingeweidesack und Schwanz in die des Rumpfes kontinuirlich übergeht, ist eine auffallende Erscheinung, ‚ die, wie ich glaube, bisher nicht gebührend gewürdigt worden ist. Wenn in einer anderen Molluskengruppe irgend ein Körperanhang der ‚ Flosse der Heteropoden homolog sein soll, so wird man verlangen müssen, ' dass seine Muskulatur dieselbe Selbständigkeit zeigt, wie die der He- | teropodenflosse, und dass sie ferner in enger Beziehung steht zu dem Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 94 394 Georg Kalide, Rückziehmuskel. Findet sich dann in diesem Anhange noch dieselbe typische Anordnung der Muskelfasern, wie in der Flosse der Hetero- poden, so wird man von seiner Homologie mit der letzteren überzeugt sein können. ; Von dieser Erwägung geleitet, machte ich es mir nun zur Auf- gabe, nach dem Homologon der Heteropodenflosse in den Fußbildungen der anderen Molluskengruppen zu suchen. Um jedoch für meine weiteren Untersuchungen einen Wegweiser zu gewinnen, unterrichtete ich mich zunächst darüber, welche Homo- logien in den Fußbildungen der Mollusken bisher aufgestellt worden sind. Von den hier in Betracht kommenden Schriften erwähne ich nachstehend die wichtigsten: 4) LEUCKART, »Über die Morphologie der wirbellosen Thiere.« Braunschweig 1848. 2) Huxtev, »On the morphology of the cephalous Mollusca.« Philos. Transactions of the Royal Soc. of London. 1853. 3) GEGENBAUR, » Untersuchungen über Pteropoden und Heteropoden.« Leipzig 1855. 4) Kronn, »Zur Entwicklungsgeschichte der Pteropoden und Heteropoden.« Leipzig 1860. 5) For, a) »Sur le developpement des Pteropodes.« Arch. de zool. exper. IV. 41875. b) »Sur le d&veloppement des Heteropodes.« ibid. V. 1876. 6) GRENACHER, »Zur Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden, zugleich ein Bei- trag zur Morphologie der höheren Mollusken.« Diese Zeitschr. Bd. XXIV. A874, In der an erster Stelle eitirten Arbeit fasst Leucrarr die Flosse der Heteropoden als den seitlich komprimirten Gastropodenfuß auf, von dem sich am hinteren Rande ein kleiner Theil durch eine Querfurche abgeschieden und zu dem Saugnapf umgebildet hat. Bei den Ptero- poden ist nach ihm der Fuß vorzugsweise nach den Seiten ent- wickelt, während er in der Medianlinie in der Entwicklung sehr zu- rückbleibt. Huxtey nimmt in seiner Arbeit diese Anschauungsweise LEUCKART'S auf. Er bezeichnet bei den Heteropoden die eigentliche Flosse als Pro- podium, den Saugnapf als Mesopodium; auch in dem Schwanze erkennt er einen Theil des Fußes, den er als Metapodium anspricht. Die seit- liche Entwicklung des Fußes bei den Pteropoden, also die Flossen der- selben, bezeichnet er als Epipodium, während er in dem hufeisenför- migen Theile des Fußes von Clio und Pneumodermon das Mesopodium, in dem zipfelförmigen das Metapodium sieht, das Vorhandensein eines Propodiums dagegen unentschieden lässt. Die drei Abschnitte des Fußes, welche in der ventralen Media liegen, bilden mit dem Epipodium zusammen, für das Huxıev ebenfalls Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 355 eine ursprüngliche Dreitheilung anzunehmen geneigt ist, seinen Ur- typus (Archetype), dessen einzelne Theile in den verschiedenen Grup- pen des Molluskenreichs in verschiedener Weise zur Ausbildung ge- langen. Was den Urtypus Huxıey’s betrifft, so verweise ich auf die Kritik, die GRENACHER in der oben citirten Schrift an ihm übt, als derjenigen, . die ich für vollkommen zutreffend halte. Wenn wir bedenken, dass weder Leuckarr noch Huxzey zu der Zeit, als sie ihre Arbeiten niederschrieben, die Entwicklungsgeschichte der Heteropoden und Pteropoden kannte, und sie sich daher gemäß dem Standpunkte, auf welchem sich damals die Wissenschaft befand, nur auf äußere Formverhältnisse und auf einige wenige anatomische Beziehungen stützen konnten, so werden wir begreifen, dass ihren Hypothesen nicht die genügende Sicherheit innewohnen konnte !, wor- auf die beiden Forscher gelegentlich selbst aufmerksam machen. Wir gehen jetzt zu denjenigen Arbeiten über, welche die Differen- zirungen des Molluskenfußes entwicklungsgeschichtlich festzustellen sich bemüht haben. Ich will es vorläufig unterlassen, die hierher ge- hörenden und bereits genannten Arbeiten zu besprechen, wozu ich später bessere Gelegenheit habe. Vielmehr halte ich mich im Folgen- den an die Arbeit For’s, welche über die Entwicklung der Pteropoden handelt. Hier nämlich giebt For. (p. 61) eine Übersicht aller bis dahin erschienenen Arbeiten, die sich auf die Entwicklung des Fußes der Mol- lusken, mit Ausnahme der Cephalopoden, beziehen. Da es sich für uns vorläufig nicht um eine Kritik der einzelnen Arbeiten, als vielmehr . darum handelt, einen Überblick über die bisher gewonnenen Resultate zu gewinnen, so nehme ich keinen Anstand, mich auf die sorgfältige Zusammenstellung For’s zu beziehen. Zur Orientirung über die von den einzelnen Forschern gefundenen Resultate verweise ich auf For's Arbeit selbst, während ich mich darauf beschränke, das Faeit aus ihnen wiederzugeben. Wir erfahren über die Bildung des Fußes Folgendes: In allen Molluskengruppen (von den CGephalopoden abgesehen) er- scheint die erste Fußanlage sehr früh, nämlich bald, nachdem der Embryo das Kopfsegel entwickelt hat. Diese erste Fußanlage besteht überall in einer Verdickung des Ektoderms der Bauchseite. For bezeichnet sie als Scheibe (disque) (p. 193). Aus der Scheibe geht im weiteren Verlauf der Entwicklung eine Protuberanz hervor, die die Gestalt einer kleinen Zunge annimmt. Bis hierher ist die Entwicklung des Fußes überall die 1 Siehe hierzu den Nachtrag. 24* 356 Georg Kalide, gleiche, nun aber bildet er sich in den verschiedenen Molluskengruppen verschieden aus. Die einfachste Form zeigt er bei den Lamellibranchiaten (p. 66). Hier ist der Fuß in der That nur eine Differenzirung der Bauchseite des Thieres, so weit sie zwischen Mund und After liegt. Bei den Gephalo- phoren i. e. $. ist die Entwicklung des Fußes eine komplieirtere. Am wenigsten abweichend von der des Lamellibranchiatenfußes ist sie noch bei den Pulmonaten. Hier verlängert sich die zungenförmige Protuberanz zunächst nach hinten, um dann durch lebhaftes Wachsthum derjenigen Gewebstheile, die dem Munde zunächst liegen, auch nach vorn sich auszudehnen. Es erscheint dann der fertige Fuß als eine breite, platte Sohle, die der Bauchseite des Körpers parallel läuft (p. 66 und 192). — Eben so verhält es sich bei vielen Meeresgastropoden. — Häufig ist der Fuß der Gastropoden vorn am Munde zweilappig. Diese Bildung entsteht dadurch, dass das Wachsthum der zungenförmigen Fußanlage nach vorn an den Seiten mehr gefördert wird, als in der Mitte. | Bei den Scaphopoden (p. 192) theilt sich die zungenförmige Fuß- anlage zeitig in drei Lappen, einen mittleren und zwei seitliche. Diese Theilung betrifft nur den Gipfel der Fußanlage. Bei der weiteren Aus- bildung des Fußes wird dieser dreigetheilte Gipfel durch Wachsthum des darunter befindlichen Stückes der Fußanlage vom Körper entfernt, so dass die drei Lappen zuletzt auf einem langen cylindrischen Stiele sitzen. | Bei den Pteropoden plattet sich die zungenförmige Fußanlage von unten nach oben ab, so dass sie in horizontale Lage kommt. Am Grunde dieser Zunge entsteht jederseits ein kleiner Höcker, der sich durch weiteres Wachsthum zu einem flossenartigen Gebilde umgestaltet. Der mittlere Theil wird dort, wo ein Deckel vorkommt (Gymbulieen), zum Deckelträger. Es sei hier nachgetragen, dass ganz allgemein da, wo in der Entwicklung der Mollusken ein Deckel auftritt, die erste un- paare, zungenförmige Protuberanz es ist, welche den Deckel: trägt. Die Entwicklung des Heteropodenfußes ist am genauesten von Kronn beschrieben worden!. Da sie für das Folgende am meisten von Bedeutung sein wird, so werde ich die Schilderung der in der Ent- wicklung des Heteropodenfußes zu beobachtenden Thatsachen nach den Untersuchungen von Kronn wiedergeben, die übrigens durch diejenigen For’s bestätigt worden sind. 1 „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Pteropoden u. Heteropoden.« Leip- zig 1860, 2 „Sur le developpement des Heteropodes.« Arch. de zool. experim. V. p. 137, Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 357 Bei den Firolaceen wächst sehr früh dicht vor dem Deckelträger (der zungenförmigen Fußanlage) ein sehr langer, durchweg ceylindrischer, sich beständig hin und her krümmender Fortsatz hervor, der die Anlage der künftigen Flosse bildet. Er lässt bereits dieselben Muskelstraten erkennen, die wir bei der ausgewachsenen Flosse von Pterotrachea kennen gelernt haben. — Die auf der Rückenseite mit dem Deckel versehene zungenförmige Fußanlage ist ein flacher, abgerundeter, in der Mitte seines Randes durch einen kleinen Einschnitt in zwei vorspringende Zipfel getheilter Fortsatz. In der letzten Zeit des Lar- venlebens erfolgt die Umbildung der Flossenanlage, indem der Faden sich in der Richtung der Längsachse der Larve verbreitert, bis zuletzt die definitive Gestalt der Flosse erreicht wird. — Schon vorher geht auch am Deckelträger eine Veränderung vor sich. Derselbe wirft den Deckel ab, und gleichzeitig. wächst dicht hinter der Flosse der spätere Schwanz des Thieres hervor, der den Deckelträger verdrängt und ihn vom Körper abhebt, so dass er auf die Rückenseite des Schwanzes zu liegen kommt. Später jedoch schrumpft er ein und verschwindet spurlos!. Das über die Fußbildung der Firolaceen Gesagte gilt in allem Wesentlichen auch für Carinaria. Bei den Atlantaceen lassen sich nach Kronn einige Abweichungen konstatiren. Bei gewissen Arten ist die erste Flossenanlage bereits weiter ausgebildet als bei den vorher genannten beiden Familien und den übrigen Arten von Atlanta. Sie tritt gleich Anfangs als niedriger, abgerundeter, an den Seiten abgeflachter Fortsatz auf, der viel früher die definitive Gestalt der Flosse erreicht. Bei allen Atlantaceen ist der Deckelträger, der mit dem Kielfuß aus einer beiden gemeinschaftlichen Basis abgeht, entweder abgerundet, oder in einen Zipfel ausgezogen, nicht aber eingeschnitten. — Was die Bildung des Schwanzes betrifft, so wächst dieser Leibesabschnitt dicht vor dem Deckelträger, der genau genommen nichts weiter als das hintere, schon im Embryo an- gelegte Ende desselben darstellt, aus der gemeinschaftlichen Basis des Kielfußes und des Deckelträgers hervor. Der letztere geht nicht ‚ ein, sondern bildet auch im ausgewachsenen Thiere das Ende des Sehwanzes. Nachdem wir so die Entwicklungsgeschichte des Molluskenfubßes 1 Sollte nicht vielleicht in der flossenförmigen Verbreiterung des Schwanz- endes von Pterotrachea (der Horizontalflosse) der Deckelträger erhalten bleiben ? ‚ Die Beschreibung, welche Kronn von dem Deckelträger der Firolaceen giebt, passt ' in auffallender Weise auch auf ihn. Bei Carinaria würde alsdann nach dem auf P: 350 Gesagten der Deckelträger ebenfalls erhalten bleiben. 358 Georg Kalide, in der Hauptsache kennen gelernt haben, wenden wir uns nun der Kenntnisnahme derjenigen Homologien zu, die von den Autoren auf Grund der angeführten Thatsachen aufgestellt worden sind. Was GEGEnBAauUrR anbetrifft, so steht er bezüglich der Heteropoden ganz auf dem Standpunkte Levekarr's und Huxrey's. Er nennt hier die Flosse eine höhere, selbständige Entwicklung eines Theiles von jenem Organ, welches bei den Gastropoden als Fuß angesprochen wird. Die Ergänzung zu dem ganzen Fuß wird wie bei Huxrry von dem Schwanze als Metapodium gebildet. Nur nimmt GEGENBAUR nicht die Theilung der Flosse in Pro- und Mesopodium vor, sondern sieht in ihr ein einheitliches Gebilde, das er als Propodium anspricht, womit er also ein Mesopodium bei den Heteropoden leugnet!. — In dem soge- nannten Mittellappen der Pteropoden erkennt GEGENBAUR ein dem Fuße der Gastropoden analoges Organ (p. 314). Dagegen fasst er die Flos- sen der Pteropoden als Gebilde auf, die unabhängig von dem Fuße entstehen. Kroun beschränkt sich bei seinen Homologisirungen durchaus auf den Deckelträger, und zwar in seiner einfachen, zungenförmigen Ge- stalt, wie er als ursprüngliche Fußanlage auftritt, nicht in seiner späte- ren Differenzirung. So ist (p. 39) der Deckelträger der Heteropoden, welcher nach Kronn bei den Firolaceen und Carinarieen später rück- gebildet wird, bei Atlanta allein erhalten bleibt, das Homologon des Fußrudiments der Gastropodenlarven, als welches er sich durch den Deckel, den er im Larvenzustande oder für immer auf der Rückenseite trägt, ausweist. Unter Fußrudiment versteht Kronn unzweifelhaft die erste zungenförmige Fußanlage, bevor dieselbe zum definitiven Fuße auswächst. — Wie dem Fußrudiment der Gastropoden ist der Deckel- träger der Heteropoden auch der Mittellappenanlage der schaligen Pteropoden homolog, weil auch diese im Larvenzustande bei den Cym- bulieen mit einem Deckel versehen ist. — Als homolog bezeichnet Kroun (p. 41) ferner den fadenförmigen Anhang des Deckelträgers, wie er bei Firolaceen und Cymbulieen auftritt. [aaast For steht allen Homologisirungsversuchen als vollkommener Skep- tiker gegenüber. Man darf nach ihm wohl sagen, dass der Diseus, dessen Auftreten bei Gephalophoren und Lamellibranchiaten den Be- ginn der Fußbildung bezeichnet, in diesen beiden Gruppen ein homo- 1 In seinem » Grundriss der vergleichenden Anatomie« (Auflage vom Jahre 1878, p. 343) bezeichnet GEGENBAUR die Flosse der Heteropoden allein als Fuß, und stellt ihn dem Fuße der Gastropoden gleich, den Schwanz aber betrachtet er als zum eigentlichen Körper gehörig, welch letzterer sich sowohl vor als rückwärts vom Fuße fortsetzt. Y6 Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 359 loges Gebilde sei, ohne dass jedoch die in ihrer Form so verschiedenen Fußbildungen, welche daraus hervorgehen, genau genommen homolog seien, wenn sie auch aus entsprechenden Stellen des Discus ihren Ursprung nehmen, wie z. B. die Flossen der Pteropoden und einige Arme der CGephalopoden, oder die seitlichen Theile des Fußes der an- deren Gephalophoren (p. 193). Immerhin ist für For das Hervorgehen aus entsprechenden Theilen der Fußanlage Vorbedingung für die Ho- mologisirung der betreffenden Organe. Es lässt sich daher nicht ver- gleichen die Flosse der Heteropoden mit den Flossen der Pteropoden, welche an ganz anderen Stellen der primären Fußscheibe entstehen, als jene (Arbeit a, p. 67). Eben so lässt die Bildungsweise der Heteropodenflosse, welche sich als ein Auswachsen einer eng begrenzten Stelle des vorderen Theiles der zungenförmigen Fußanlage dokumentirt, den Vergleich als hinfällig erscheinen, den Huxrry zwischen dieser Flosse und den vor- deren und mittleren Theilen des Fußes der Gastropoden (Propodium und Mesopodium) aufgestellt hat. Die Homologisirung, die man vorgenommen hat zwischen der zun- senförmigen Fußanlage der Pteropoden, welche zuweilen einen Deckel trägt, und dem hinteren deckeltragendem Theile des Fußes der Pulmo- naten und vieler Seegastropoden ist unrichtig, denn aus der zungen- | förmigen Fußanlage der Pteropoden gehen einerseits die Flossen, an- ‚ dererseits der ganze spätere Mittellappen hervor; sie entspricht daher ‚ dem ganzen Fuße jener Pulmonaten und Seegastropoden. Die Fußbildung von Dentalium ist nicht zu vergleichen mit der der ‘ Pteropoden, denn bei Dentalium betrifft die Spaltung der Fußanlage ‚ nur den Gipfel derselben. Außerdem schiebt sich später der eylindri- | sche Stiel ein, der die drei Lappen vom Körper entfernt. Bei denjenigen ‚ Gastropoden, bei denen der Fuß bei seiner Ausdehnung nach vorn in ‚ zwei Lappen auswächst, sind diese nicht den Flossen der Pteropoden homolog, denn die Flossen der Pteropoden sind seitlichen Ursprungs, ‚ jene aber Differenzirungen des vorderen Theiles der Fußanlage. Endlich ‚ noch ein positives Resultat: was den Fuß der Lamellibranchiaten be- ‚ trifft, so kann derselbe nach For leicht von der zungenförmigen Fuß- ‚ anlage der Cephalophoren abgeleitet werden. | Es erübrigt noch die Wiedergabe der durch GRENACHER vertretenen ‚ Ansichten über die Morphologie des Molluskenfußes. Da dieselben sich ‚aber im Wesentlichen mit denjenigen decken, zu welchen ich durch ‚ meine Studien geführt worden bin, so ziehe ieh es vor, sie später mit | diesen zugleich abzuhandeln. Auch GRrENACHER stützt sich auf die ent- ‚ wieklungsgeschichtlichen Thatsachen. Wenn er dabei zu Resultaten 360 Georg Kalide, kommt, die nach meiner Ansicht in allem Wesentlichen das Richtige treffen, so fehlt seiner Auffassungsweise doch eine festere Basis, denn mit voller Sicherheit lassen sich, wie ich glaube, aus den vorhan- denen entwicklungsgeschichtlichen Kenntnissen keine weitergehenden Schlüsse auf Homologien in den Theilen des Molluskenfußes ziehen, als etwa Kronn sie gezogen hat. Ich hoffe aber in dem Folgenden einen Beweis für die Richtigkeit der Ansichten GRrENAcHER’s erbringen zu können. IEbe Die Pteropoden zeichnen sich gleich den Heteropoden durch weit- gehende, aber doch in ganz anderer Weise auftretende Differenzirung des Fußes aus. Dieselbe führt bei ihnen zu der Bildung zweier seitlich gestellter Flossen, dem Epipodium Huxıry's, während sich an dem in der Medianebene liegenden Theile des Fußes, dem sogenannten Mittel- lappen, bei einigen ein hufeisenförmig gestalteter Abschnitt von einem dahinter liegenden, zipfelförmigen unterscheiden lässt. Unser Interesse richtet sich vor Allem auf die Muskulaturverhältnisse dieser Fußbildun- gen. Die Muskulatur der Pteropoden ist nicht oft der Gegenstand von Untersuchungen gewesen. Ihre Lagerungsverhältnisse sind, so weit mir bekannt geworden ist, nur in zwei Arbeiten genauer beschrieben wor- den, nämlich in den folgenden: 4) »Anatomische Untersuchungen über die Clione borealis« von EscarıcHT. Kopen- hagen 1838, 2) »Untersuchungen über die Pteropoden u. Heteropoden« von GEGENBAUR. Leipzig 1855. Auf diese Arbeiten komme ich bei Besprechung meiner eigenen Untersuchungen zurück. Dieselben konnten nicht in demselben Um- fange angestellt werden, wie sie GEGENBAUR vorgenommen hat, welchem das reiche Material des Mittelländischen Meeres zu Gebote stand; viel- mehr beschränkten sich meine Untersuchungen auf einzelne Vertreter der Hauptfamilien der Pteropoden, doch dürften sie zur Feststellung derjenigen Thatsachen, auf welche es ankommt, genügen. Von den nackten Pteropoden untersuchte ich Clio borealis, von den beschalten Cymbulia Peronii, als Vertreterin der Cymbulieen, und Hyalea triden- tata, als Vertreterin der Hyaleen. Eine ausführliche Schilderung der Muskulatur von Clio borealis hat, wie bereits erwähnt, EscaricHt gegeben. Dieselbe lässt an Ge- nauigkeit nichts zu wünschen übrig, so dass meine Untersuchungen wesentlich nur zu einer Bestätigung der Angaben Escaricar’s führten. Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 361 Ich begnüge mich daher mit einer kurzen Wiedergabe der von jenem Forscher gefundenen Thatsachen, denen ich nur wenig Neues hinzu- zufügen haben werde. Die Muskulatur von Clio borealis ist wesentlich eine längsverlau- fende. Im Hinterleibe besteht sie aus einzelnen Muskelbändern, die auf der Rücken- wie auf der Bauchseite der Mittellinie zunächst am stärk- sten sind und hier am dichtesten liegen, während ihre Abstände von einander nach den Seitenrändern zu größer, und die Bänder selbst schwächer werden. Überall stehen sie durch Anastomosen mit ein- ander in Verbindung, so dass dadurch eine Art Netz entsteht, in wel- chem jedoch die in Längsrichtung verlaufenden Faserzüge vorherrschen. In demjenigen Theile des Körpers, welchen man als Hals bezeichnet, schließen die letzteren in Folge der Verengung der Leibeshöhle dicht zusammen und bilden einen Schlauch, der nur seitlich je einen für den Durchtritt der Flossenmuskulatur bestimmten Spalt von Muskelfasern frei lässt. Die Längsmuskulatur setzt sich nun auch in den Kopf und die drei Mundkegelpaare fort, während der ganze Mittellappen von Mus- kulatur frei bleibt. In dem Haistheile treten außer den Längsfasern auch Querfasern auf, die außen wie innen eine immerhin schwach entwickelte und un- vollständige Ringmuskulatur darstellen. Was die Muskulatur der Flos- sen betrifft, so steht sie mit der des Körpers in gar keinem Zusammen- hange, sondern ist durch vollkommene Selbständigkeit charakterisirt. Mit Hilfe einer Nadel ließ sich die Flosse leicht in zwei Lamellen zer- legen, eine obere und eine untere, von denen die eine bezüglich ihrer Muskulatur das Spiegelbild der anderen giebt. In jeder Lamelle näm- lich kann man zwei Schichten sich kreuzender Muskelbänder unter- scheiden. Die der äußeren Schichten strahlen von der Flossenbasis mit geringer Divergenz in diagonaler Richtung nach dem vorderen und seit- lichen Flossenrande aus; die Muskelbänder der inneren beiden Schich- ten dagegen verlaufen von der Basis der Flosse in diagonaler Richtung nach dem hinteren und seitlichen Rande. Zwischen ihnen treten ein- ‚ zelne zarte Faserstränge auf, welche dem seitlichen Rande parallel lau- ‚ fend die Flosse quer durchziehen. Diese sind von Escarıcat wohl über- sehen worden, da er sie in seiner Arbeit nicht erwähnt!. An der Flos- ; senbasis sammeln sich die Muskelbänder, welche das Flossengerüst ı GEGENBAUR giebt in seinen » Untersuchungen über Pteropoden und Heteropo- den« keine Beschreibung der Muskulatur von Clio, sondern verweist nur auf die Arbeit Escarıcar’s als in allen Punkten zutreffend. Dagegen beschreibt er die Muskulatur anderer Pteropoden und erwähnt dabei das Auftreten solcher dem Seitenrande der Flosse parallel laufender Muskelfasern. 362 Georg Kalide, konstituiren, und gehen dabei aus der Diagonalrichtung in eine Richtung quer zur Längsachse des Körpers über. Ihre dicht gedrängt neben ein- ander liegenden Fasern treten als ein einziges starkes Muskelband jeder- seits durch den von der Längsmuskulatur frei gelassenen Spalt in den Hals ein. Indem sie denselben quer durchsetzen, kommt es am hinteren Theile der Muskelbänder zu einer Vereinigung ihrer Fasern, so dass hier die Muskulatur der einen Flosse in die der anderen übergeht, während weiter vorn die Querbänder nicht bis an die Mittellinie her- anreichen!. Denken wir uns eine Flosse von Olio aus der horizontalen Lage in die vertikale gebracht, so stellt sich in ihr die Anordnung der Muskel- bänder gerade so dar, wie in der Flosse von Carinaria. Jederseits finden wir außen eine Schicht von Muskelbändern, welche die Richtung von »hinten oben« nach »vorn unten« innehalten, während die der beiden mittleren Schichten von »vorn oben« nach »hinten unten« verlaufen. — Auf diese Übereinstimmung weist auch Panern in seiner früher eitirten Schrift hin (p. 236). Er betont hier besonders, dass bei Pteropoden wie bei Heteropoden die Flosse aus zwei identischen Lamellen besteht. Dies sei für die Heteropoden bereits von LeuckArr und GEGENBAUR fest- gestellt worden, bei den Pteropoden dagegen scheine man darauf noch nicht aufmerksam geworden zu sein. Dem gegenüber muss ich bemer- ken, dass vor LEUCKART und GEGENBAUR bereits Eschricat dies Verhalten nicht nur bei den Heteropoden, sondern auch bei den Pteropoden ganz richtig erkannt und auch auf die Übereinstimmung hingewiesen hat, die in der Flosse von Clio und Carinaria herrscht. Es geht dies aus folgenden beiden Stellen hervor; auf p. 5 sagt Escaricat: »Das Flossen- gerüst (von Clio borealis) besteht aus zwei Schichten, durchaus gleich in ihrer Bildung, an den Rändern in einander übergehend, sonst nur mittels Zellgewebe vereint. Jede dieser Schichten besteht wieder aus der Haut und zwei Lagen Muskelfasern entgegengesetzter Richtung.c« Dann sagt er weiter auf p. 6: »Zu meiner großen Freude habe ich neu- lich bei einem anderen Weichthiere ein sehr ähnlich gebautes Bewe- gungsorgan beobachtet. Dies ist die Flosse der Carinaria. Hier ist die doppelte Schicht paralleler Fasern und die Kreuzung beider Schichten 1 EscHricHT giebt (p. 5) an, dass im Mittelstück, worunter er das im Halstheil gelegene Stück der Flossenmuskulatur versteht, die Muskelfasern der einen Flosse vollständig in die Muskulatur der anderen Flosse übergehen, so dass ein einheit- liches Gebilde daraus hervorgeht, welches er als Flossengerüst bezeichnet, und welches er seiner Form nach mit einem Doppelruder vergleicht, wie es die Grön- länder im Gebrauch haben. — Ich kann dieser Auffassung nur mit der sich aus meiner Schilderung von selbst ergebenden Einschränkung beitreten. Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 363 in schiefen Winkeln und das Netzwerk von Fleischfasern in Maschen von schiefen Vierecken auffallend ähnlich wie bei der Clione. Noch dazu höre ich jetzt von meinem Freunde, Herrn Dr. H. Benpz, der die Carinaria in Neapel eine Zeit lang lebendig hat beobachten können, dass auch ihre Flosse im Leben ganz durchsichtig sei, und dieses Netzwerk von Muskelfasern erst im Weingeiste erkenntlich werde. Also ganz wie bei Glione.« Allerdings weist keine spätere Arbeit mehr auf diese Gleichartig- keit hin, und PanzrrH scheint nach EscnricHT zuerst wieder darauf auf- merksam geworden zu sein. Wenn ich einen gleichartigen Bau der Flossenmuskulatur ganz allgemein für Heteropoden und Pteropoden in Anspruch nehme, wie dies auch Pınera thut, so trete ich damit in Gegensatz zu denjenigen Angaben, die GEGENBAUR über den Bau der Flossen in einzelnen Ptero- podenfamilien macht. Doch bin ich mit Pınern zu der Überzeugung gekommen, dass GEGENBAUR den Sachverhalt viel komplieirter darstellt, als derselbe in Wirklichkeit ist. So beschreibt er (p. 42) für die Flosse der Cymbulieen zu innerst eine von der Flossenbasis nach dem Rande ausstrahlende Radiärmus- ‘ kulatur und eine Cirkulärmuskulatur, die dem äußeren Flossenrande parallel läuft, deren Lage zu der ersteren in der Diekenrichtung der ‚ Flosse er aber nicht näher bestimmt. Er fährt dann fort: »Während die ‚ eben beschriebenen Systeme von Muskelfasern mehr die Mitte des ‚ Flossenparenchyms einnehmen, existirt noch ein anderes, welches mehr der Oberfläche genähert ist und aus einfachen, vom Randgeflecht ent- springenden Fasern gebildet wird, welche in schräger Richtung die ' Breite der Flosse durchsetzen. Diet Fasern verlaufen in weiten Ab- ständen von einander nach zweifacher Richtung und bilden, sich in . spitzen Winkeln durchschneidend, rautenförmige Zwischenräume.« Diese Schilderung, die, wie mir scheint, große Ähnlichkeit mit derjenigen hat, welche Grsznsaur von der Flosse von Carinaria giebt, ist eben so unzutreffend, wie die letztere. Ich hatte Gelegenheit, die ' Flossen von Cymbulia Peronii zu untersuchen und fand hier ganz - ähnliche Verhältnisse, wie bei Clio. Es ließ sich wieder jede der Flossen - leicht in zwei Lamellen trennen, von denen jede die beiden Straten der in derselben Weise wie bei Clio sich kreuzenden Muskelfasern zeigt. In | ‚ der Medianebene stoßen die einander entsprechenden Schichten der ‚ beiden Flossen zusammen und gehen theilweise in einander über, so | dass ähnlich wie bei Clio ein einheitlicher Flossenapparat entsteht. | Für die Flossen der Hyalaceen beschreibt GEGENBAUR eine mitt- | lere Schicht paralleler Fasern, die aus dem bei den Hyalaceen in voll- 364 Georg Kalide, kommener Ausbildung vorhandenen Spindelmuskel hervorgehen. »Nach außen folgt beiderseits ein anderes Muskelstratum, dessen fast parallel laufende Bänder mit jenem des mittleren Stratums spitze Winkel bilden. Die beiden äußeren Muskelschichten der Flosse gehören eigentlich nur der Haut an, da sie in dieser Ursprung und Endigung finden.« — Diese Beschreibung weicht wieder von der für die Flossen der Gymbulieen gegebenen ab. Bei der Untersuchung von Hyalea tridentata konnte ich mich jedoch überzeugen, dass auch hier die Flossenmuskulatur den wiederholt geschilderten typischen Charakter trägt. Es ist bei Hyalea ein vollkommen ausgebildeter Spindelmuskel vorhanden. Derselbe setzt am hinteren Schalenende an und verläuft in der Medianebene nach vorn. Wenn man die Schale entfernt, so sieht das hintere Ende des Muskels innerhalb der Leibeshöhle frei aus dem Eingeweideknäuel heraus. Der vordere Theil wird von den inneren Organen verdeckt. In der Gegend des Halses theilt sich der Spindelmuskel in zwei Äste, welche sich seitlich in die Muskulatur der Flossen auflösen. Jede Flosse lässt sich wieder unschwer in zwei Lamellen zerlegen, von denen jede die beiden sich kreuzenden Muskelschichten aufweist. Die äußeren sind hier viel schwächer als die inneren beiden Schichten, gehen aber wie diese direkt aus dem Spindelmuskel her-- vor und finden nicht Ursprung und Endigung in der Haut, wie GEGENBAUR. eS will. Zwischen den beiden Lamellen jeder Flosse treten bei Hyalea wie bei Clio einzelne Muskelbänder auf, welche dem äußeren Rande der Flosse parallel laufen. Die letzteren sind weder von Escnricur noch von Paneru in den Vergleich, den sie zwischen den Pteropodenflossen und der Flosse der Heteropoden anstellen, hineingezogen worden, und zwar desshalb nicht, weil, wenn nicht diese Muskelbänder selbst, so doch ihr Homologon bei den Heteropoden bisher übersehen worden ist. Wir hatten bei Carinaria in der Gallerte, welche das mittlere Gerüst der Flosse ausmacht, eine vorher noch nicht beschriebene Muskulatur gefunden, deren einzelne Faserstränge parallel zur Längsachse des Thieres verlaufen. Bei Clio und Hyalea sehen wir zwischen den beiden Lamellen, welche eine Flosse zusammensetzen, Muskelstränge mit ganz ähnlichem Faserverlauf. Nur unwesentlich unterscheiden sie sich von denen bei Garinaria dadurch, dass sie gebogen erscheinen, und dass sie viel spär- licher auftreten. — Für Clio sind sie bisher nicht beschrieben worden. Bei den Cymbulieen, bei Cymbulia sowohl, wie bei Tiedemannia sind sie von GEGENBAUR als Cirkulärfasern beschrieben worden. Ich selbst habe sie bei Cymbulia Peronii nicht gesehen, doch dürften sie mir | | | | Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 365 wohl nur entgangen sein. — Für die Hyalaceen und für Pneumoder- mon, wo sich nach GEgGEnBAUR dieselben Verhältnisse im Flossenbau finden sollen, giebt GEGENBAUR die Cirkulärmuskulatur nicht an. Jedoch konnte ich sie bei Hyalea tridentata deutlich wahrnehmen. — Ob sie überall vorhanden ist, kann uns in der That gleichgültig sein, da wir auch bei den Heteropoden sie in dem einen Falle (Carinaria) auf- treten, in dem anderen (Pterotrachea) aber fehlen sehen. Immerhin ist ihr Auftreten in beiden Molluskengruppen in so fern interessant, als sich dadurch die weitgehende Übereinstimmung in der Flossen- bildung der Pteropoden und Heteropoden dokumentirt. Damit hoffe ich, die von Paner# zuerst in dieser Allgemeinheit aufgestellte und von mir wiederholte Behauptung, dass die Muskulatur der Pteropodenflosse dieselbe Anordnung der Faserelemente zeigt, wie die Flosse der Heteropoden, genügend begründet zu haben. Die Übereinstimmung in der Flossenbildung dieser beiden Mol- luskengruppen geht aber noch weiter. Wir sahen bei Hyalea die Mus- kulatur der Flosse direkt aus dem Spindelmuskel hervorgehen, indem die Faserelemente desselben in verschiedener Richtung ausstrahlen. Bei Clio und Cymbulia ist ein eigentlicher Rückziehmuskel nicht vor- handen. Wie wir aber bei Pterotrachea die von der Flosse in den Leib hineinragenden Muskelstümpfe als die Rudimente des Spindelmuskels ansahen, so müssen wir bei Cymbulia und Clio in dem zwischen den beiden Flossen gelegenen Theile der Flossenmuskulatur die Reste eines Spindelmuskels erblicken. — Ich glaube daher ganz allgemein sagen zu dürfen: Die Flossenmuskulatur der Pteropoden ist die Ausstrahlung des Spindelmuskels und stimmt darin ' vollkommen mit der der Heteropoden überein. Unter den letzteren findet sich ein vollkommen ausgebildeter Spindelmuskel bei Atlanta. Leider stand mir, wie ich bereits früher bemerkte, kein Exemplar dieser Gattung zur Verfügung, was ich um so mehr bedauere, als die einzige Schilderung der Muskulaturverhält- nisse von Atlanta, die bis jetzt gegeben wurde, und welche wir GecEx- BAUR verdanken, mir nicht zutreffend erscheint. GEGENBAUR beschreibt das Verhältnis der Flossenmuskulatur zum Spindelmuskel folgender- maßen (p. 106): | »Die größte Summe von Muskeln ist in der Flosse und formirt dort ziemlich oberflächlich und im Zusammenhange mit der Muskulatur der Haut ein dichtes Gewebe aus spitzwinkelig sich durchkreuzenden Faserzügen, zu welchen noch in der Nähe des am Hinterrande der Flosse befindlichen Saugnapfes eirkuläre Fasern hinzu- treten. Genau in der Mitte der Flosse ist noch eine fächerartig sich aus- 366 Georg Kalide, breitende Muskelmasse zu erkennen, welche gerade aus dem Körper kommt und einen Theil eines im Inneren der Schale entspringenden Muskels ausmacht, der mit dem M. columellaris der Gastropoden iden- tisch ist. Ein anderer, etwas schwächerer Theil dieses Muskels geht zu dem Hintertheil des Körpers, und ein dritter, der kleinste, verliert sich in die Hautmuskulatur des Kopfes und des Rüssels. « Man sieht ein, dass ich vollkommen geschlagen bin, sobald die von 'GEGENBAUR gegebene Schilderung zutrifft. Es ist aber zu bedenken, dass GEGENBAUR bei seinen vorzüglichen » Untersuchungen über Ptero- poden und Heteropoden« sein Augenmerk viel mehr auf die innere Organisation und die Entwicklung, als auf die Muskulaturverhältnisse gerichtet hat, und dass daher auch hier ein Irrthum jenes Forschers nicht ausgeschlossen sein dürfte. Ich glaube, dass bei genauerer Unter- suchung die Flosse von Atlanta dieselbe Beschaffenheit der Muskulatur aufweisen wird, wie die von Garinaria und Pterotrachea. Das »dichte Gewebe sich spitzwinkelig durchkreuzender Faserzüge« wird sich auf- lösen in vier Muskelstraten, von denen je zwei einer Lamelle ange- hören. Die Fasern oder Faserbänder, welche jederseits zu äußerst liegen, werden die Richtung von »hinten oben« nach »vorn unten« inne halten, die inneren dagegen werden von »vorn oben« nach »hinten unten« verlaufen. Es wird sich auch herausstellen, dass die Muskula- tur der Flosse nicht in Zusammenhang steht mit der Körpermuskula- tur, sondern irgend wie ihren Ursprung aus dem Spindelmuskel nimmt. Aus der Schilderung, wie aus der Zeichnung, welche GEGENBAUR. giebt, ersieht man, dass der Spindelmuskel in der Flosse von Atlanta neben der zuerst besprochenen Muskulatur in Form einer sich fächer- artig ausbreitenden Muskelmasse vorhanden ist. Ist dies thatsächlich, so giebt es dafür nur eine Erklärung: Es muss bei Atlanta sich ein Theil des Spindelmuskels in das oft beschriebene Maschennetz auf- lösen, während ein anderer Theil jene fächerförmige Masse darstellt. Da wir bei Atlanta den Spindelmuskel in mehrere Stränge zerfallen sehen, die nach verschiedenen Körpertheilen abgehen, so dürfte diese Erklärung nicht zu fern liegen. — Man könnte auch auf die Vermuthung kommen, dass bei Atlanta die Muskulatur der Flosse, ohne in die des Rumpfes überzugehen, doch auch von dem Spindelmuskel unabhängig sei und im Körper vielleicht zwei Muskelbänder bilde, wie bei Cari- naria. Dann dürften wir aber diese Bänder bei Carinaria, die Muskel- stümpfe der Flosse von Pterotrachea, die Mittelstticke der Flossen- muskulatur bei Clio und Cymbulia nicht als Spindelmuskel ansprechen. Gegen diese Auffassung spricht jedoch das Verhalten bei Hyalea, wo | die Flossenmuskulatur ein einfaches Ausstrahlen des Spindelmuskels ist. | | | | Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 367 Wenn sich meine Folgerungen bestätigen, so tritt ein eigenthüm- licher Parallelismus der Flossenbildung bei Pteropoden und Hetero- poden zu Tage. Die typische Form der Flossenbildung findet sich unter den Pteropoden bei den Hyalaceen, wo die Flossenmuskulatur als eine Austrahlung des langen Rückzieh- oder Spindelmuskels erscheint. Es entspricht dann dieser Fall dem von Atlanta unter den Heteropoden. Wie bei den letzteren mit der allmählichen Rückbildung der Schale sich auch eine solche des Spindelmuskels geltend macht, so finden wir auch bei den gymnosomen Pteropoden nur noch Rudimente dieses Muskels. Die Glioideen sind daher bezüglich der Flossenbildung die Parallelform der Garinariaceen und Firolaceen. Hierher würden auch noch die Cymbulieen gehören, bei welchen die ursprüngliche Schale ebenfalls verloren geht, und daher der Rückziehmuskel rückgebildet erscheint. Durch das Hervorgehen der Flossenmuskulatur der Pteropoden aus dem Spindelmuskel, dessen Fasern nirgends in die der Körper- muskulatur übergehen, ist auch die Selbständigkeit der Flossen- muskulatur bewiesen. Damit sind alle Bedingungen erfüllt, welche wir früher für die Homologie irgend eines Anhangsorganes des Molluskenkörpers mit der Flosse der Heteropoden aufstellten, und wir können sagen: »Die typi- sche Anordnung der MuskelfaserninderFlosse der Ptero- poden, ihre enge Beziehung zum Spindelmuskel, dessen Ausstrahlung sie sind, und die Selbständigkeit der ge- sammten Flossenmuskulatur gegenüber der Muskulatur desKörpersbeweisen die Homologie der Pteropodenflos- sen mit der Flosse der Heteropoden, welche mit diesem Verhalten inallen Beziehungen übereinstimmt.« IV. Mit der Behauptung, dass die Flosse der Heteropoden den Ptero- podenflossen homolog ist, trete ich besonders in Gegensatz zu den An- schauungen For’s. Wir sahen, dass für For die Vorbedingung für die Homologisirung zweier Fußbildungen das Hervorgehen aus entsprechen- den Theilen des die erste Fußanlage bildenden Diseus ist, dass daher nicht homolog sein können die Flosse der Heteropoden und die Flosse der Pteropoden, von denen die erstere ihren Ursprung dicht vor der zungenförmigen Fußanlage nimmt, welche aus dem Discus zunächst entsteht, die letztere dagegen seitlich von dieser hervorsprosst. Die Auffassung For’s mag so weit gerechtfertigt sein, dass man aus den ent- 368 | Georg Kalide, wieklungsgeschichtlichen Thatsachen, von denen der genannte Forscher ausgeht, nicht auf die Homologie der in Rede stehenden Organe schließen kann. Dass die Entwicklungsgeschichte aber diese Homologie ausschlösse, scheint mir durch nichts erwiesen. Das Hervorgehen zweier Organe aus einer bestimmten Stelle des embryonalen Körpers halte ich nicht für durchaus nothwendig für ihre Homologie; vielmehr nehme ich an, dass, da erwiesenermaßen ein Organ in einer Thierklasse paarig, in einer anderen unpaar auftreten kann, auch die erste Anlage desselben durch einen Sprung in der Entwicklung in der einen Klasse eine paarige, in der anderen eine unpaare sein kann. Aber auch in einem zweiten Punkte stimme ich mit der woltalkung For’s, zu der sich auch die Mehrzahl der anderen Autoren bekennt, nicht überein. Man hat gewöhnlich die Flossenbildung aufgefasst als eine Differenzirung der aus dem primären Discus hervorgehenden zungenförmigen Fußanlage. Ich bin dagegen zu der Überzeugung ge- langt, dass die Flossenbildung ein Process ist, welcher dem der Um- bildung des Discus zur zungenförmigen Fußanlage nicht subordinirt, sondern koordinirt ist, dass die Flossenbildung ein ganz eigener Process ist, charakterisirt durch die Eigenartigkeit des aus ihm hervorsehenden Gebildes. GRENACHER ist, von entwicklungsgeschichtlichen Studien ausgehend zu Anschauungen gekommen, die mit den meinigen wesentlich überein- stimmen. Er bezeichnet die zungenförmige Fußanlage, welche aus dem Diseus hervorgeht, als Protopodium. Dasselbe tritt in der Entwicklung aller Mollusken mit Ausnahme der der Gephalopoden auf und ist überall als homolog zu setzen. Vor dem Protopodium sprosst bei den Hetero- poden die Flosse, das Deutopodium, hervor, aber nicht als eine Diffe- renzirung des ersteren, sondern als ein durchaus neues Gebilde. »Es ist ein Organ sui generis, charakteristisch für die Heteropoden.« — Der Fuß der Gastropoden i. e. S. ist nichts weiter, als eine Umbildung des Protopodiums unter Ausschluss jeglicher Neubildung. Bei denjenigen Gastropoden, wo ein Fuß nicht sichtbar ist, ist derselbe rückgebildet. Für die paarigen Fußbildungen behält GrenacHer die Huxıev’sche Bezeichnung Epipodium bei, ohne damit eine Beziehung zu dem Proto- podium ausdrücken zu wollen. Vielmehr sind auch die Epipodialbil- dungen Neubildungen und keine Differenzirungen des Protopodiums. GRENACHER rechnet hierher die Flossen und den hufeisenförmigen Theil des Mittellappens der Pteropoden, während der zipfelförmige Anhang das Protopodium darstellt. . Diese Auffassungsweise GRENAcHER's halte ich für vollkommen korrekt. Nur darin muss ich ihm entgegentreten, dass er die: Flosse Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 369 der Heteropoden, sein Deutopodium, für die Heteropoden allein in An- spruch nimmt, ich glaube vielmehr das Deutopodium auch bei den Pteropoden, freilich in paariger Anlage, nachgewiesen zu haben. Es würde daher die Bezeichnung Epipodium am besten fallen zu lassen sein, denn ihre Aufrechthaltung involvirt die Ansicht, dass ein paariges Organ niemals in einer anderen Gruppe unpaar auftreten könne. Be- zeichnen wir mit GRENACHER die Flosse der Heteropoden als Deutopodium, so müssen wir die Flossen der Pteropoden eben so ansprechen. Indem ich mit dieser einzigen Einschränkung für die Auffassung GRENACHER’S eintrete, will ich zunächst die Anschauungen For’s zu wider- legen versuchen. For’s Aufstellungen gipfeln darin, dass er behauptet, alle Fußbildungen, wie Flosse und Schwanz der Heteropoden, Flossen und Mittellappen der Pteropoden seien Differenzirungen der ersten zungenförmigen Fußanlage, des Protopodiums GRENACHER’S. Was nun zuerst die Entstehung der Flossen der Pteropoden aus dem Protopodium betrifft, so ist dieselbe durch die embryologischen Beob- achtungen der Forscher durchaus nicht sichergestellt. Nach For’s Beschreibung (Entw. d. Pterop. p. 139) theilt sich aller- dings bei den Hyalaceen die Fußanlage durch zwei Einschnitte in drei Lappen. Der mittlere wird zum eigentlichen Fuß (Mittellappen), die seit- lichen bilden sich zu den Flossen aus. — Von den Flossen der Cym- bulieen sagt For (p. 140), dass sie sich nach Kronn’s Beobachtungen ebenfalls aus dem Protopodium entwickelten. — Bei Kronx aber finde ich darüber keine Angabe, vielmehr waren die Gymbulieenlarven, welche dem Forscher zur Beobachtung vorlagen, bereits so weit ent- wickelt, dass Flossen und Mittellappen deutlich von einander getrennt - zu.unterscheiden waren. — Auch die von Kronn an den Clioideen an- gestellten Beobachtungen nimmt For für seine Auffassungsweise in Anspruch; ich glaube jedoch mit wenig Berechtigung. Die einzige An- gabe, die Kronn über das erste Auftreten der Flossen bei den Glioi- deen macht, findet sich in der Beschreibung, die er von der ersten Art seiner Pneumodermonlarve giebt (p. 8): »dicht hinter dem Vorder- lappen des Fußes, zu Seiten des Zipfels«, sagt Kronn, »wurden die ersten Rudimente der Flossenflügel in der Gestalt sehr kleiner, ab- gerundeter, aus Vertiefungen des Leibes vorragender Läppchen beob- achtet«. Aus dieser Darstellung lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass die Flossen aus dem Protopodium durch Differenzirung derselben hervorgegangen seien. Es bleibt also für die Auffassung For’s nur die Beobachtung, die ‚ er selbst an den Hyalaceenlarven machte. — Von einer früheren ' Beobachtung Vocr's glaube ich absehen zu dürfen, da die Zugehörigkeit Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 25 370 Georg Kalide, der von ihm untersuchten Larven zu den Pteropoden gar nicht erwie- sen ist. Dahingegen sind noch die Untersuchungen GEGENBAUR’S zu erwäh- nen, die denselben dahin führten, mit Entschiedenheit für die unab- hängige Entwicklung der Flossen der Pteropoden einzutreten (siehe p- 39 und 197). Zur Unterstützung seiner Ansicht führt GEGENBAUR außer seinen embryologischen Beobachtungen auch eine anatomische Thatsache ins Feld: »Zweitens,« heißt es auf p. 197, »spricht gegen die vom Fuße abhängig gemachte Flossenbildung die Organisation der Flos- sen und des sogenannten Mittellappens (Fuß), welche nachweist, dass die Hauptmuskulatur der Flosse mit dem Mittellappen in gar keinem Zusammenhange steht, sondern direkt an der Basis der Flossen in den Kopftheil des Körpers übergeht, was nicht der Fall sein könnte, wenn die Flossen nur als eine Verbreiterung des Fußes, oder gleichsam nur als Auswüchse desselben sich ergäben.« In der That ein gewichtiges Argument, das größere Beachtung verdient hätte, als ihm zu Theil ge- worden ist, denn während GEGENBAurR selbst es später ganz unberück- sichtigt lässt, indem er die Flossen in seiner »Vergleichenden Anatomie« (p. 486) wieder als laterale Hervorsprossungen des Fußes anspricht, ist eS GRENACHER allein, welcher jenem Verhalten wieder Beachtung schenkt. Ich komme auf dasselbe noch bei Besprechung der Hetero- podenflosse zurück, für welch letztere, wie wir schon sahen, ganz das- selbe gilt, wie für die Flossen der Pteropoden. Was die Entwicklung der Heteropodenflosse angeht, so stimmen die Angaben der Autoren darin überein, dass jener bewegliche faden- förmige Fortsatz, aus welchem durch Umbildung die Flosse hervorgeht, vor dem Protopodium dicht an der Basis desselben hervorsprosst, Während nun For diese Hervorsprossung als eine Differenzirung des vordersten Theiles des Protopodiums ansieht, lässt die Schilderung, welche Kronx von der Entwicklung der Heteropodenflosse giebt, nicht einmal durchblicken, dass dieser Autor derselben Ansicht wäre. KroHN sagt in gleicher Weise von Atlantaceen, Carinariaceen und Firolaceen nur, dass der Kielfuß dicht vor dem Deckelträger (dem Protopodium GRENACHER’S) hervorwachse. Da For in seiner Arbeit über die Entwick- lung der Heteropoden gegen Schluss (p. 137) derselben selbst sagt, dass die Beobachtungen Kroun’s über die Entwicklung des Schwimm- fußes der Heteropoden vollkommen richtig sind, so haben wir um so | weniger Grund, gegen dieselben Bedenken zu tragen. j | Das Hervorgehen der Flossenbildungen von Pteropoden und Hete- | ropoden aus dem Fuße ist also entwicklungsgeschichtlich durchaus nicht | festgestellt. In dem Folgenden soll es meine Aufgabe sein, diejenigen | | Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 371 Momente hervorzuheben, welche direkt gegen ein solches Hervorgehen der Flossen aus dem Fuße, oder besser dem Protopodium GRENACHER'S, sprechen. | Wir lernen das Protopodium überall als eine bloße Hervorstülpung der Leibeswand kennen, in welche sich die Leibeshöhle ohne Weiteres fortsetzt. Bei den Heteropoden wird dieses Protopodium von dem sich einschiebenden Schwanztheile vom Körper entfernt und nach hinten getragen. Dieser Schwanztheil ist eine dem Protopodium ganz ähnliche Bildung, in so fern auch er als die bloße Fortsetzung der Körperwandung erscheint, die freilich von einer Gallerte erfüllt ist. In der That dürfen wir die Einschiebung des Schwanztheiles lediglich als eine Wiederaufnahme des Wachsthums der Gewebe an der Basis des Protopodiums auffassen, so dass Schwanz und Deckelträger als Theile eines Organes zu betrachten sind, das dem ausgebildeten Protopodium entspricht. Diese Auffassung stimmt mit der Kronv’s überein. Ich schil- derte nach ihm auf p. 21 die Entwicklung des Schwanzes bei den At- lantaceen folgendermaßen: Was die Bildung des Schwanzes betrifft, so wächst dieser Leibesabschnitt dicht vor dem Deckelträger, der genau genommen nichts weiter als dashintereschonim Embryo angelegte Ende desselben darstellt, aus der gemeinschaft- lichen Basis des Kielfußes und des Deckelträgers hervor. Da das entwickelte Protopodium, worunter also Deckelträger und Schwanz zu verstehen ist, nur eine Ausstülpung der Körperwandung darstellt, so bietet es nichts Überraschendes, wenn wir sehen, wie die Muskulatur des Körpers kontinuirlich in die des Schwanzes übergeht. (Für den Deckelträger muss ich es dahingestellt sein lassen, da nach Kroun derselbe bei den Firolaceen und Carinariceen rückgebildet wird !, Atlanta aber von mir nicht untersucht wurde.) Ich finde vielmehr dies Verhalten um so natürlicher, als nach For die ersten Muskelfasern im Embryo erst auftreten, nachdem das Protopodium bereits angelegt ist. Freilich steht der Anschauung, dass Schwanz und Deckelträger Theile ein und desselben Organes sind, der Umstand entgegen, dass der Schwanz in seiner vollendeten Gestalt ein ganz massives Gebilde darstellt, indem der innerhalb der Muskelbänder gelegene Raum von einer Gallerte ganz erfüllt ist, während das Protopodium oder der Deckelträger von den Autoren als eine Ausstülpung der Leibeswandung geschildert wird, welche die Fortsetzung der Leibeshöhle in sich auf- nimmt. Doch tritt bereits im Rumpfe von Carinaria und Pterotrachea auch innerhalb des Muskelschlauches eine Gallerte auf, die das Lumen ! Vergleiche jedoch Anm. i p. 357. Trifft das hier Gesagte zu, so setzt sich die Körpermuskulatur auch in den Deckelträger fort. 25* 372 Georg Kalide, der Leibeshöhle beträchtlich redueirt, bis sie dasselbe, nach hinten an Stärke zunehmend, im Schwanze ganz verdrängt. Auch die Flosse der Heteropoden ist ein massives Gebilde, worauf bereits Pınera in seiner früher erwähnten Arbeit: Beiträge zur Histio- logie der Pteropoden und Heteropoden (p. 237 und 238) aufmerksam macht. Dieses Verhalten könnte als ein Argument für die Ansicht be- trachtet werden, nach welcher Schwanz und Flosse der Heteropoden durch Differenzirung aus einer gemeinsamen Anlage hervorgegangen sind. Während sich aber einerseits das Verschwinden der Leibeshöhle im Schwanze der Heteropoden, wie oben gezeigt wurde, in einfacher Weise erklärt, steht andererseits der eben erwähnten Ansicht ein sehr gewichtiges Moment entgegen. Wie schon mehrmals hervorgehoben wurde, zeichnen sich die Flossen der Heteropoden (wie auch die der Pteropoden) durch die voll- ständige Selbständigkeit ihrer Muskulatur aus und unterscheiden sich dadurch ganz wesentlich von dem Schwanze, dessen Muskulatur die einfache Fortsetzung der Körpermuskulatur ist. Die Selbständigkeit der Flossenmuskulatur gegenüber der Muskulatur des übrigen Kör- pers tritt noch schärfer hervor durch die eigenartige Anordnung der Faserelemente in den Flossen. Ganz besonders wird dies bei den Heteropoden deutlich. Wir erinnern uns im Körper der Heteropoden bis zur Flossengegend zwei mit gekreuztem Faserverlauf über einander liegende Muskelschichten unterschieden zu haben. Diese Erscheinung tritt auch in der Flosse in jeder der beiden Lamellen auf; doch haben die Muskelschichten der Flosse nichts mit denen des Körpers gemein, wie man daraus ersieht, dass die Fasern derjenigen Muskellagen, welche einander entsprechen müssten, in der Flosse in entgegengesetzter Rich- tung verlaufen, wie im Körper. Wir hatten als oberste Muskelschicht im Körper diejenigen kennen gelernt, deren Fasern von »vorn oben« nach »hinten unten« verliefen, als untere diejenige, deren Fasern die Richtung von »vorn unten« nach »hinten oben« inne hielten. In der Flosse ist das Verhalten gerade umgekehrt: die Fasern der oberen Schicht verlaufen jederseits von »hinten oben« nach »vorn unten«, die der unteren von »vorn oben« nach »hinten unten«. Diese Argumente erscheinen mir beweiskräftig genug, um die Rich- tigkeit der Auffassung, dass die Flosse nicht eine Differenzirung des Protopodiums, sondern eine Bildung sui generis ist, darzulegen. Wäh- rend wir in dem Schwanze eine Ausstülpung des Körpers, hervorgegangen durch lokales Wachsthum der Körper- wände erblicken, müssen wir die Flossenbildung, wie sie uns bei Pteropoden und Heteropoden entgegentritt, als Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 373 eine Hervorsprossung des Spindelmuskels, oder eines Theiles desselben, auffassen, wobei die Körperwandung derartig durchbrochen wird, dass sich auf das neu ent- stehende Gebilde nur die Epidermis und die gallertige Cutieula fortsetzen. Es ist wohl möglich, dass bei dem Hervor- wachsen des Spindelmuskels aus dem Leibesraum diejenigen Gewebe, welche an der Stelle liegen, wo das Protopodium in den Körper über- geht, mit in die Neubildung hineingezogen werden, so dass es vielleicht den Anschein gewinnt, als gingen die Flossen aus dem Protopodium hervor, wie For dies will. Aber sollte sich auch die Flossenbildung wirklich in dieser Weise vollziehen, was, wohl gemerkt, nach Kronn’s Beobachtungen nicht der Fall ist, so müssten wir nach ihrem anatomi- schen Verhalten immerhin die Flossen als eine dem Protopodium voll- kommen heterogene und desshalb selbständige Bildung auffassen. Wenn wir in den Flossen der Pteropoden das Homologon der He- teropodenflosse sehen, so fragt es sich nun, welcher Theil des Ptero- podenkörpers dem Schwanze der Heteropoden, resp. dem ausgebildeten Protopodium entspricht. Auch in dieser Frage stimme ich der Auf- fassung GRENACHER'S bei, welcher in dem zipfelförmigen Theile des Mit- tellappens das Protopodium erblickt, den hufeisenförmigen Theil da- gegen als eine von dem Protopodium unabhängige Neubildung ansieht. Freilich kann ich dafür keinen aus der vergleichenden Betrachtung des Muskelsystems hergeleiteten Beweis erbringen, da der Mittellappen von ‚ Clio überhaupt keine Muskulatur enthält. Doch dürfte dieser letztere ' Umstand auch nicht gegen meine Auffassung sprechen. In so fern näm- lich der zunächst in Betracht kommende zipfelförmige Theil dem Pro- topodium und damit auch dem ganzen Schwanze der Heteropoden ent- sprechen soll, musste er von dem Körper aus mit Muskelfasern versorgt ‘ werden. Der Mangel jeglicher Muskulatur in dem zipfelförmigen Theile ‚ lässt sich wohl aber daraus erklären, dass letzterer ein in der Entwick- lung weit zurückgebliebenes Gebilde ist. Wenn es mir also an einem Beweise dafür fehlt, dass der zipfelförmige Anhang dem Protopodium ‚ entspricht, so glaube ich doch, dass sich diese Auffassung durch die von den Autoren gesammelten entwicklungsgeschichtlichen Kenntnisse sehr wahrscheinlich machen lässt. Da Grexacher darauf nicht näher eingegangen ist, so will ich es an dieser Stelle thun. | Die Entstehung des Mittellappens wird von GEGENBAUR bei Pneumo- dermon (p. 93) folgendermaßen beschrieben: »Der Fuß erscheint in der Mitte zwischen beiden Flossen etwas unter dem vorderen Wimperkranze ‚ in Gestalt einer rundlichen Protuberanz, die sich sehr bald nach beiden | Seiten hin ausdehnt und in die bekannte Hufeisenform übergeht; 374 Georg Kalide, hinter diesem Theile und durch einen schmalen Zwischenraum von ihm getrennt erscheint ein konischer Zapfen, der anfänglich gerade her- vorsprosst und im rechten Winkel zur Längsachse des Köpers sich rich- tet, später aber in einem spitzen Winkel sich nach hinten neigt und mit seiner Basis mit dem hufeisenförmigen Theile zu verschmelzen beginnt.« Aus dieser Schilderung geht hervor, dass sich die beiden Theile des Mittellappens unabhängig von einander entwickeln. Die Untersuchun- gen, welche Kronn an Pneumodermonlarven anstellte, bestätigen diese Beobachtung Gesensaurs. Während Letzterer aber den hufeisenförmi- gen Theil zuerst erscheinen lässt, tritt er nach Kronn erst nach dem Erscheinen des Fußzipfels auf. »Von den beiden Theilen des Fußes,« sagt Kronn (p. 15), »entsteht der zungenförmige Anhang oder Zipfel zuerst. Erst später, und zwar noch vor dem Erscheinen der Wimper- kränze, tritt auch der hohlkehlförmige Vorderlappen auf.« Weitere An- gaben über die Entstehung des Mittellappens finde ich nicht. For selbst hat, wie er sagt (Entwickl. d. Pterop. p. 140) keine Gelegenheit gehabt, bei den Clioideen die Veränderung der Fußanlage kennen zu lernen, sondern hat nur diese selbst gesehen. ' Gleichviel, ob die Angaben GEGEnBAurR’s die richtigen sind oder die Kroun’s, so viel steht fest, dass die Entwicklung des hufeisenförmigen Theiles unabhängig von dem Fußzipfel vor sich geht. Diese Thatsache aber spricht gegen die Auffassung For’s, denn For sieht in dem Proto- podium GRENACHER'S den ganzen Fuß, dessen einzelne Theile in dem Protopodium quasi latent vorhanden sind und bei der Weiterentwick- lung desselben frei werden. Der ganze Fuß besteht aber nach For bei den Pteropoden aus Zipfel, Hufeisen und Flossen. Also müsste sich der eine Theil des Mittellappens aus dem anderen differenziren, während sie in Wirklichkeit unabhängig von einander entstehen. Nach den Beobachtungen der beiden genannten Forscher bleibt es aber immer noch zweifelhaft, welcher der beiden Theile des Mittellap- pens dem Protopodium entspricht. Nach GEGENnBAuUR könnte man den hufeisenförmigen Theil, als die zuerst auftretende Differenzirung der Bauchseite, für das Protopodium halten. Dieser Zweifel wird jedoch dadurch gehoben, dass der zipfelförmige Theil bei den Cymbulieen im embryonalen Zustande einen Deckel trägt, wodurch er sich als Proto- podium kennzeichnet. Wenn wir uns nun die Frage vorlegen, ob bei den Gastropoden i. e. S. ein der Flossen der Pteropoden und Heteropoden homologes Organ vorkommt, so können wir dieselbe nach der Auffassung, die wir von der Entwicklung des Molluskenfußes gewonnen haben, ohne Wei- teres beantworten: Bei den Gastropoden i. e. $. tritt, wie in allen Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 375 Klassen des Molluskenreichs, mit Ausnahme der Cephalopoden, als erste Fußanlage das wiederholt gekennzeichnete Protopodium auf. Dasselbe ist die einzige Differenzirung der Bauchseite des Embryo. Niemals sah man noch andre Differenzirungen auftreten, wie es bei den Ptero- poden und Heteropoden der Fall ist. Es wächst lediglich das Protopo- dium, freilich unter Veränderung seiner Gestalt, zu dem definitiven Fuße aus, gerade so, wie bei den Heteropoden das Protopodium zum Schwanze auswächst. Dasselbe gilt auch von den Lamellibranchiaten. Bei den Gastropoden i.e. S. und bei den Lamellibran- chiaten kommt es also nicht zur Entwicklung eines Deu- topodiums; es ist lediglich das ausgewachsene Protopo- dium vorhanden. Nachtrag. Nachträglich möchte ich noch mit einigen Worten auf zwei Arbeiten neueren Datums eingehen, welche mir durch Herrn Geheimrath Pro- fessor Dr. R. Leuckarr in dankenswerther Weise zugänglich gemacht wurden. Zunächst sei der Arbeit von NicoLas Wasner: »Untersuchungen über die nördliche Clio«! Erwähnung gethan. Wasner giebt hier auch eine Schilderung der Muskulaturverhält- nisse von Clio borealis, die einige genauere Angaben über die Gruppi- rung der Faserverläufe enthält. Bezüglich der Flossenmuskulatur, die uns besonders interessirt, verweist WAGner auf die Angaben Escnkichr’s als in allen Punkten zutreffend. Am Schlusse seiner Arbeit stellt Wasner einige phylogenetische Betrachtungen an, die unser größeres Interesse in so fern beanspruchen, ‚als hier der Autor ebenfalls die Flossen der Pteropoden mit der Flosse der Heteropoden homologisirt. Aus hier nicht weiter aus einander zu setzenden biologischen und anatomischen Gründen leitet WAGner den phylogenetischen Ursprung der Pteropoden von den Heteropoden her. Was die Fußbildungen der Pteropoden betrifft, so sieht Wagner in dem hufeisenförmigen Theile die Reste eines Propodiums, in dem zipfelför- migen das Metapodium. Zwischen beiden liegen in seitlicher Entfaltung die Flossen, welche so »durch ihre Lage« als Mesopodium gekennzeich- net werden. Nun sagt WaGner (p. 118): »Wenn wir uns auf dem Meso- podium von Carinaria und Atlanta einen Saugnapf vorstellen, der sich weit nach beiden Seiten in flügelartige Anhänge ausdehnt, aber eingezo- gen ist, so haben wir den Ursprung jener Vertheilung der Muskelfasern, die bei den Clionen ihre volle Entwicklung hat.« ! »Die Wirbellosen des Weißen Meeres.« Leipzig 1885. 376 Georg Kalide, Wasner modifieirt also die Hypothese Huxızy’s dahin, dass er die Flossenbildung bei Heteropoden und Pieropoden als Mesopodium an- sieht. Nach den in meiner Arbeit gegebenen Auseinandersetzungen muss ich diese Auffassung Wasnxer’s natürlich eben so zurückweisen, wie die Huxrey’s. Dann aber auch scheint mir die Art und Weise der Ab- leitung der einen Flossenbildung aus der anderen verfehlt. Wie ich mir auch die Verbreiterung und Einziehung des Saugnapfes der Heteropo- denflosse vorstellen mag, niemals sehe ich die Pteropodenflossen daraus hervorgehen. Dann sei zuletzt noch erwähnt die kürzlich erschienene Abhand- lung von GrosBEn: »Zur Morphologie des Fußes der Heteropoden« (Wien, 1887). In dieser Arbeit bringt Grossen jene ältere, von LEUcKART in seiner »Morphologie der wirbellosen Thiere« zuerst ausgesprochene Auffas- sung wieder zu Ehren, nach welcher der Saugnapf, den GRENACHER für unwesentlich hält, und welchem auch ich keine weitere Bedeutung bei- gemessen habe, als ein integrirender Theil des Fußes angesehen wird. Nach Grossen entspricht der Saugnapf der Heteropoden der Sohle des bei einigen Prosobranchiern (z. B. Rostellaria rectirostris) gesonder- ten vorderen Abschnittes des Fußes, während der Schwanz der Hetero- poden dem abgesetzten Deckelträger jener Prosobranchier homolog ist. Was die Bedeutung der Flosse selbst angeht, so stimmt GROBBEN mit GRENACHER darin überein, dass sie eine den Heteropoden eigen- thümliche Bildung ist, hält sie jedoch für eine Differenzirung des Protopodiums und nicht wie GRENACHER für eine vollkommen selbstän- dige Bildung. Er sieht vielmehr in ihr einen Schwimmlappen, der aus dem Protopodium hervorgewachsen ist. Das Verhalten des Saugnapfes in der Reihe der Heteropoden, auf welches GrosBEn Sich bezieht, scheint mir in der That für seine Ansicht zu sprechen. Besonders wird man derselben durch die von Oxygyrus Keraudrenii gegebenen Abbildungen geneigt gemacht. Hier zeigt der Saugnapf eine viel bedeutendere Entwicklung, als bei den anderen He- teropoden, sowohl dem ganzen Körper, als auch besonders der Flosse gegenüber. Auch ist er kein Anhang dieser letzteren, sondern liegt in dem Winkel, welchen der hintere Flossenrand mit dem Rumpfe bildet, so dass er mehr als ein Anhang des Rumpfes erscheint. GROBBEN Zeigt nun, wie der Saugnapf in der Fortsetzung der Reihe der Heteropoden bei Atlanta, Carinaria, Pterotrachea und Firoloides immer mehr an Ausdehnung verliert und dabei auf den Rand der Flosse übergeht, auf welchem er immer weiter nach vorn rückt, bis er bei Fi- roloides in der Mitte des Vorderrandes angelangt ist. Bei Pterotrachea Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der Heteropoden und Pteropoden. 377 ist er im Begriff, dem weiblichen Geschlecht ganz verloren zu gehen, und kommt hier nur noch ausnahmsweise vor. Wie schon bemerkt, scheint mir die Auffassungsweise GROBBEN’S wohl begründet zu sein. Vielleicht trifft diese Verbindung der älteren Anschauung LeuckArrs mit der neueren GRENACHER’S das richtige Ver- halten. Mit den Resultaten meiner Untersuchungen steht die Ansicht Grossen’s jedenfalls nicht im Widerspruch. Nur möchte ich GROBBEN gegenüber daran festhalten, in der Flosse oder dem Schwimmlappen, in so fern er lediglich der hervorgewachsene Spindelmuskel ist, eine selbständige Bildung im Sinne Grenacner’s zu erblicken. Außerdem nehme ich natürlich diesen Schwimmlappen in paariger Anlage auch für die Pteropoden in Anspruch. Am Ende meiner Arbeit angelangt ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geheimrath Professor Dr. Leuckartr für die schätzens- werthen Rathschläge, mit welchen er mich unterstützte, meinen ehrer- bietigsten Dank auszusprechen. Leipzig, im Januar 1888. Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. Von Professor ©. Emery (Bologna). Mit Tafel XXVI—XXIX und 2 Holzschnitten. Die genauesten Angaben über den als Kaumagen bezeichneten Abschnitt des Ameisendarmes verdanken wir A. Forer. Ich will hier hauptsächlich seine im Jahre 1878 erschienene Arbeit erwähnen!, in welcher die frühere Litteratur ausführlich referirt und viel Neues be- schrieben wurde. Darin wurde auch zum ersten Male das kompliecirte kleine Organ auf Schnitten untersucht, was zum Verständnis seines Baues unentbehrlich ist. Was damals für ein ganz besonderes Kunst- stück gelten durfte, ist heut zu Tage Dank der großen Fortschritte der Mikrotomie keines mehr. Forseı machte damals nur wenige Schnitt- serien, und da er zufällig bei zwei in anderer Hinsicht ziemlich ent- fernt stehenden Gattungen ähnliche Verhältnisse fand, so glaubte er sich dadurch gerechtfertigt dieselben zu verallgemeinern. Wir werden weiter unten sehen, dass die Struktur gesagten Organs noch viel mannigfaltiger ist als es Foreı vermuthet hatte. Dieses gilt insbeson- dere für die formenreiche Gruppe der Dolichoderidae. | Meine Untersuchungen umfassen die meisten Gattungen der Cam- ponotidae und Dolichoderidae, in so fern mir meine Sammlung dazu Material darbot; ich habe auch mehrere Cryptoceridae und einzelne Formen aus anderen Gruppen untersucht. Es kam mir besonders dar-- auf an, eine vergleichende Übersicht der Chitingebilde zu gewinnen; auch die Muskulatur blieb dabei nicht unberücksichtigt. Leider ge- stattete der Zustand des benutzten Materiales nur in wenigen Fällen die Strukturverhältnisse der Matrixzellen darzustellen, denn es standen mir von den meisten exotischen Formen nur trockene oder in schwachem 1 Etudes myrmecologiques en 4878. in: Bull. Soc. Vaudoise Sc. Nat. Vol. XV. p. 337—392. Pl. XXIII. Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 379 Alkohol konservirte Exemplare zu Gebote. Trockene Exemplare wur- den in Wasser, oder sehr schwacher Kalilauge erweicht und präparirt. Die zu Schnitten bestimmten Stücke wurden in Paraffin eingebettet; dabei zeigte sich, dass der hintere weitere Theil des Kaumagens (boule, Foreı) bei vielen Arten, namentlich im entwässerten Zustand, äußerst spröde und brüchig ist und leicht zersplittert; manchmal ist das ganze Organ, z. B. bei Leptomyrmex, von beinahe glasartiger Konsistenz, und nur durch Erweichen des Chitins mittels Eau de Javelle war es mir möglich brauchbare Schnitte zu erhalten, eine Methode, die nicht ohne bedeutende Nachtheile ist. In der nun folgenden Besprechung meiner Untersuchungen will ich den Kaumagen der Ameisen in Bezug auf seine weiter unten darzu- legende Funktion als Pumpmagen bezeichnen. I. Der Pumpmagen der Camponotiden und Dolichoderiden. a. Dietypischen Gamponotiden. Forzr unterscheidet bei den Camponotiden drei verschiedene Typen des Pumpmagens. Meiner Ansicht nach dürften nur zwei Grundformen angenommen werden. Die eine fand ich bei Camponotus, Formica, Lasius, Pseudolasius, Prenolepis, Oecophylia!, den anderen Typus beobachtete ich bei Plagiolepis und Brachymyrmex?. Beide Typen unterscheiden sich hauptsächlich durch innere Strukturverhältnisse, abgesehen von mehr oder weniger auffallenden Abweichungen in der äußeren Form. Ich beginne mit der Beschreibung des Pumpmagens von Campono- fus und nahe verwandten Gattungen, welche ich als echte oder typische Camponotiden (Camponotidae genuini) bezeichne. Wir können an dieser Form des Pumpmagens folgende Abschnitte unterscheiden (s. Fig. 1): Dem Kropf schließt sich zunächst jener Ab- schnitt an, welchen Forzr als Kelch (calice) bezeichnet (Fig. I Xe); man unterscheidet darin die vier Kelchblätter (sepales), welche unter einander durch eine Fortsetzung der Cuticula des Kropfes, die Zwi- ; schenkelchhaut (euticule intersepalaire) verbunden sind. Weiter ‚ nach hinten folgt die Region der Klappen (valvules) (Xl). Noch hinter ‚ dieser kommt die als Kugel (boule) bezeichnete Erweiterung (Ku). -— 1 Nach Forer auch bei Polyrhachis, Colobopsis, Myrmecopsis, Myrmecocystus und Gigantiops. | ?2 Nach ForEL ist der Pumpmagen von Acantholepis, Acropyga, Myrmelachista ‚ und wahrscheinlich auch von Melophorus eben so gebaut; doch ist bei letzterer ‚ mir unbekannten Gattung die äußere Form des Organs nicht unwesentlich ver- ' schieden. | 380 C. Emery, Diese drei Abtheilungen bilden den eigentlichen Schließ- und Pump- apparat. Zwischen diesem Apparat und dem Chylusdarm erstreckt sich ein enges Rohr, der eylindrische Abschnitt (Cy), welcher im Inne- ren des Chylusdarmes selbst mit einer wulstigen Vorragung, dem Knopf (bouton), endet (An). — Diese äußeren Formverhältnisse sind von Forrı genau beschrieben worden, und ich brauche darüber nicht näher zu berichten: ein Blick auf Fig. 1 wird zur Orientirung genügen. ' Betrachten wir nun den Pumpmagen von Camponotus ligniperdus auf einer Serie von Querschnitten. — Fig. 2 A stellt einen solchen Schnitt durch den Kelch dar. Wir erkennen daran die vier durch- schnittenen Kelchblätter (Kbl); zwischen ihnen ragt die Zwischen- kelchhaut (zkh) in der Form von vier Falten in das Lumen des Kelches hinein, und in der nach außen offenen Konkavität der Falten erscheint der Querschnitt der Längsmuskelbündel. Das Bild wird umrahmt durch die ringförmig geordnete Quermuskulatur. In jedem Durchschnitt eines Kelchblattes können eine mittlere Abtheilung und zwei Flügel unterschieden werden. Erstere enthält einen Hohlraum, den ich als Kelehrinne oder kurzweg Rinne (R) bezeichnen werde (gouttiere ForzeL); nach außen ist das Lumen der Rinne scharf abgegrenzt, nach innen scheint es sich zwischen den an einander stoßenden Flügeln allmählich zu verlieren. In jedem Flügel sind zwei Schichten zu unterscheiden, welche durch eine nicht ganz scharfe Grenzlinie getrennt sind; diese Grenzlinie setzt sich in die innere Fläche der mittleren Abtheilung, d. h. in den Umriss des Lumens der Rinne fort, und die äußere Schicht der Flügel erscheint als eine Fortsetzung, sowohl der Rinnenwand als auch der Zwischenkelchhaut (s. Fig. 3). Durch die nach innen von der Grenzlinie befindliche innere Schicht scheinen bei schwacher Vergrößerung beide Flügel direkt mit einander zusammenzuhängen; bei genauerer Betrachtung erkennt man aber, dass sie nur zusammenstoßen; indem die die beiden Schichten trennende Grenzlinie gegen die Hans (R) umbiegt, bleibt zwischen den in die Rinnenwand umbiegenden Außenschichten beider Flügel eine ziemlich weite Spalte übrig, welche von den gleichfalls umgebogenen Innenschichten ausgefüllt wird; diese Spalte (Sp), die ich als Kelch- spalte bezeichnen will, ist eine Fortsetzung der weiter zu besprechen- den Klappenspalte. Die äußere sowie die innere Schicht der Flügel lassen auf Schnitten eine sehr feine Streifung erkennen; die Streifung der inneren Schicht ist sogar noch zarter als die der äußeren, was bei Benutzung der besten Linsensysteme und starker Vergrößerung scharf hervortritt (Fig. 3 und 4). Die Streifung der äußeren Schicht setzt sich auf die Wandung der mittleren Abtheilung fort, wird aber dort allmäh- | Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 381 lich sehr schräg; ich glaube jedoch behaupten zu dürfen, dass jeder Streif die innere sowie die äußere Fläche des Chitins erreicht, was aber bei den sehr schrägen Streifen der mittleren Abtheilung nicht immer deutlich zu sehen ist. — Ich betrachte die äußere Schicht der Flügel sowie die Wandung der Rinne als die Fort- setzung der Zwischenkelchmembran, d.h. der Chitinhaut des Kropfes; die dieselben durchsetzende Streifung ist _ derAusdruck feiner Porenkanäle. Dieinnere Schicht der Flügel wird durch sehr dicht gestellte CGhitinhärchen ge- bildet. — Wo beide Flügel an einander stoßen, setzt sich der Haar- besatz zwischen die Flügel fort und daselbst werden die Härchen kürzer und nehmen eine schiefe Richtung an. Auf der inneren Fläche der Kelchrinne befinden sich noch einzelne minder feine, spitze Här- chen. Die Rinne wird gegen das Lumen des Kelches durch das Inein- andergreifen der die Flügel besetzenden Härchen verschlossen. Ver- folgt man die Rinne nach vorn, so schwindet ihr freies Lumen nicht weit von der Spitze des Kelchblattes, indem es von der dasselbe nach innen fortsetzenden Spalte nicht mehr unterschieden werden kann und eben so wie diese Spalte von den Chitinhärchen ausgefüllt ist. FOrEL hat die Streifung des Flügelquerschnittes bereits beschrie- ‘ ben und abgebildet, deutet dieselbe aber ganz verschieden. Er hält diese Erscheinung für den Ausdruck von feinsten Längsfalten einer ‚ fächerartig zusammengelegten und in dieser Stellung erhärteten Mem- | | bran. Einen Beweis, dass diese Ansicht nicht haltbar ist, geben Längs- schnitte, besonders wenn es: gelingt ein durch den Schnitt seiner | Fläche parallel getroffenes Kelchblatt zu betrachten; an Stelle der ' Streifung erscheint eine feine Punktirung. Ich muss hinzufügen, dass | solche feinste Strukturen nur mit Hilfe der allerbesten Linsen mit ge- ‚ nügender Klarheit aufgelöst werden können; ich benutzte ein apo- ‚ ehromatisches Ölimmersionssystem von Zeıss (2 mm, num. ap. 1,30); damals verfügte ForeL nur über Wasserimmersionssysteme. Die freie Fläche des Haarbesatzes der Flügel wird von einer kon- ‚ tinuirlichen feinen Schicht bedeckt, welche den Spitzen der Chitinhär- ‚ chen aufliegt. Diese Schicht ist nicht chitinöser Natur; sie widersteht ‚ zwar der Behandlnng mit Kalilauge, wird aber durch Eau de Javelle leicht zerstört. Wahrscheinlich ist sie eine Absonderung der langen ‚ Matrixzellen, welche die äußere Fläche der Flügel besetzen, wie sie ‚ von Forer beschrieben werden. Ich habe diese Zellen nicht gezeichnet, um die Abbildungen nicht unnöthig zu kompliciren. Das beschriebene Bild bleibt sich ziemlich gleich so lange wir die Schnitte durch den Kelch betrachten; nur erscheinen nach hinten die 382 C, Emery, Querschnitte der Kelchblätter etwas kleiner als vorn. Beim Übergang auf die Klappenregion ändert sich das Bild fast plötzlich ; die Übergangs- zone umfasst in meinen Serien nur zwei Schnitte (zu 0,01 mm). Auf Schnitten durch die Klappenregion ist von der Zwischenkelchmembran, sowie von den Kelchblattflügeln nichts mehr zu sehen; das durch- schnittene Lumen der vier Rinnen setzt sich allein unverändert fort und jene Rinnen sind durch zwei sich rechtwinklig kreuzende Spalten, die Klappenspalten, verbunden (Fig. 2 B). Die Innenfläche der Spalten ist fein behaart. Man kann das Bild auch anders beschreiben, indem man sagt, dass vier rechtwinkelige Keile, die Klappen (valvules Forer) in das Lumen des Pumpmagens hineinragen und dasselbe zu einer kreuzförmigen Spalte reduciren. Ander vorderen Grenze der Klappen- region ist deutlich zu sehen, dass jede Klappe aus zwei Hälften besteht, welche die Fortsetzung je zwei verschiedener Kelchblätter bilden, so dass jedes Kelchblatt sich nach hinten in zwei Klappen und jede Klappe sich nach vorn in zwei Kelchblätter fortsetzt. Weiter nach hinten verschwindet jede Trennungsspur zwischen den beiden Hälften jeder Klappe. Ich betrachte die Klappenspalten als die Fort- setzungjener Spalten, welche dieRinne derKelchblätter mit der freien Fläche derselben verbinden; eben so sind dieRinnen der Klappenregion die Fortsetzung der Kelch- rinnen und verlängern sich nach hinten ununterbrochen bis in die Rippen der Kugel. Ein Homologon der Kelch- blätterflügelgiebtesin der Klappenregion nicht. ForeL betrachtet die Sache anders: er nimmt an, dass die Flügel der Kelchblätter ihre Richtung plötzlich ändern und dass jede Klappe aus der Verbindung je zweier verschiedenen Kelchblättern angehörigen Flügeln entstehen. Ich war früher geneigt dieser Ansicht beizustimmen, obschon es mir nicht klar werden wollte, wie diese Umbiegung statt- fände. Der plötzliche Übergang der Kelchblätter in die Klappen macht es fast unmöglich am Camponotus-Pumpmagen die Sache zu verstehen. Bei Oecophylia liegen jene Verhältnisse viel offener zu Tage, wie ich es weiter unten beschreiben werde, denn die Übergangsregion ist auf vier Schnitte (zu 0,01 mm) vertheilt, trotzdem das Organ viel kleiner und zarter ist. ' In einem anderen Punkt kann ich Foreı nicht beistimmen. ForeL nimmt an, dass das Lumen der Rinnen in der Klappenregion für eine kurze Strecke schwindet und bildet einen dieses Verhältnis zeigenden Schnitt auf seiner Fig. 19 ab. Mir sind solche Bilder weder bei Campo- notus noch bei anderen Camponotiden vorgekommen. Wie gesagt sah Zi mn Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 333 ich immer die Rinnen ununterbrochen vom Kelch bis zu der Kugel ziehen. Der Übergang der Klappen zur Kugel erfolgt ziemlich rasch; das Bild verändert sich in wenigen Schnitten und wird bald sehr einfach. Die durch dichte Porenkanäle gestreift erscheinende Wand der Klappen macht einer homogenen Chitinhaut Platz (Fig. 2 C); zugleich verschwin- det der Haarbesatz und das Lumen des Organs dehnt sich bald zu einer _ ansehnlichen viereckigen Höhle aus, deren Seiten nach innen konvex vorspringen,, während ihre erweiterten Ecken die Fortsetzung der -Kelchrinnen bilden (Fig. 2 D). Der viereckige Raum entspricht der Kugel des Pumpmagens ; die Fortsetzung der Rinnen bildet die nach außen vorspringenden Kugelrippen; letztere sehen äußerlich wie ge- kräuselt aus, da ihre Chitinhaut sich in Querfältchen zusammenlegt. Die Chitinhaut, welche die vier Flächen der Kugel bildet, ist bedeutend dieker und steifer als die Wand der Kugelrinnen. Weiter nach hinten verjüngt sich die Kugel ganz allmählich zum eylindrischen Abschnitt: eine genauere Verfolgung des Vorganges an Querschnitten bietet nichts Interessantes dar. Für die Struktur des Knopfes stimme ich mit Forer ganz überein. Die Gestalt der nach dem hier beschriebenen Grundplan gebauten Pumpmagen unterliegt sehr beträchtlichen Schwankungen in Größe und Form der einzelnen Abschnitte. Foreı hat auf solche Unterschiede seine systematische Eintheilung der Camponotidengattungen begründet. Ich vereinige hier die Formen, welche ForeL zu seinem ersten und zweiten Typus rechnet, mit Ausnahme von Brachymyrmex1!, dessen Pumpmagen anders gebaut ist und eigentlich zu Forer’s drittem Typus gehört. In den meisten Gattungen besitzt der Pumpmagen eine mehr ge- drungene Gestalt und besonders sind seine Kelchblätter kürzer und minder schlank. Oft erscheint bei Betrachtung des ganzen Organs die äußerste Spitze der Kelchblätter wie nach außen gebogen oder umge- klappt. Am deutlichsten ist dies bei Prenolepis zu sehen (Fig. 5); un- tersucht man aber die Sache auf einer Querschnitiserie, so erkennt man leicht, dass nicht das Kelchblatt als Ganzes umgebogen ist, sondern dass an der äußersten Spitze des Blattes die Flügel stark gekrümmt sind und sich nach außen vereinigen, wodurch sie eine kleine Kuppe ‚ bilden. Wird ein Kelchblatt sehr nahe an seiner Spitze vom Messer 1 In einer jüngst erschienenen Arbeit (Etudes myrmecologiques en 4886. in: ' Ann. Soc. Entom. Belge. Tome XXX. p. 212) erkennt Foren selbst seinen Fehler und vereinigt Brachymyrmex mit Plagiolepis, Acantholepis, Acropyga, Myrmelachisia | und Melophorus zu einer Abtheilung der Plagiolepisii (wohl richtiger Plagiolepidii). 384 0. Emery, getroffen, so erscheint sein Durchschnitt als geschlossener Ring, ganz getrennt von der nach außen von ihm ziehenden Cuticula des Kropfes (Fig. 6 A, oben links). Der Übergang der Kelehblätter in die Klappen erfolgt hier minder plötzlich als bei Camponotus und die Klappen be- wahren bis zur Erweiterung des Kugelraumes dieselbe gestreifte Struktur der Kelchblätter (Fig. 6 B, C); der Haarbesatz der Klappen ist sehr lang, viel länger als bei Camponotus, die Klappenregion verhältnismäßig kürzer. Oecophylla bietet einige Besonderheiten dar. Die Spitze der Kelch- blätter bildet eine kleine Kuppe, ähnlich wie bei Prenolepis (Fig. 7 A oben links). Ganz vorn zeigt der Querschnitt der Kelchblätter die ge- wöhnliche Form. Weiter nach hinten wird die von dem Sekrethäutchen bedeckte Innenfläche der Flügel allmählich etwas schmaler; das Lumen der Rinnen erweitert sich und die dieselben mit der Innenfläche ver- bindenden Spalten werden tiefer als bei den bisher besprochenen For- men; zugleich erscheint an der äußeren Wand der Rinnen eine eigen- thümliche stark vorspringende Längsleiste, welche der kräftigen Quer- muskulatur zum Ansatz dient (Fig. 7 B). Der Übergang zu den Klappen ist leicht zu verfolgen. Die durch die Flügel gebildete Innenfläche der Kelchblätter wird nach und nach immer kleiner und verschwindet endlich ganz; zugleich schwindet auch die als Zwischenkelchhaut be- zeichnete Falte und die Spalten verlängern sich allmählich zu den ty- pischen Klappenspalten. Auf Fig. 7 C ist die Flügelfläche des rechten unteren Kelchblattes spurlos verschwunden; die letzte Spitze derselben an den drei anderen Kelchblättern ist noch sichtbar und von dem auf der Abbildung dunkel erscheinenden Sekrethäutchen bedeckt. Dieser Befund scheint mir die in Bezug auf die morphologischen Verhältnisse der Klappenspalten zu den Kelchblättern ausgesprochenen Anschauun- gen genügend zu unterstützen. Die Klappenregion von Oecophylla ist sehr kurz und bald nach dem Schwund der Kelchblätter dehnen sich die Rinnen stark nach außen aus; zugleich geht die gestreifte Chitin- wand der pe in die homogene glasartige Cuticula der Kugel über (vgl. die Fig. 7 C und D). Andere Gattungen der echten Camponotiden habe ich nicht auf Schnitten untersucht. Die Muskulatur des Pumpmagens besteht, wie ForEL sie richtig beschreibt und wie ich bestätigen kann, aus Längs- und Querbündeln. Die Quermuskulatur inserirt sich an die Rippen der Kugel, eben so an die Fortsetzung derselben als Kelchrinnen und bildet ein mächtiges Konstriktorensystem; man sieht dieselbe auf Querschnitten sehr gut. Zwischen der Quermuskulatur und der Wand des Pumpmagens er- Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 385 - scheint der Durchschnitt der vier von ForeL zuerst beschriebenen Längs- muskelbündel. Letztere inseriren sich nach hinten an der Fläche der vorderen Hälfte der Kugel. Nach vorn lässt sie Forer an die Zwischen- kelchhaut und an die Kelchblätter sich anheften. Ich leugne die Mög- lichkeit nicht, dass einige Fasern daselbst in der Membrana propria ihr Ende finden mögen; der Haupttheil jener Bündel setzt sich aber auf die Oberfläche des Kropfes fort und verliert sich im Muskelnetze des Kro- pfes selbst. Von der vermuthlichen Wirkungsweise dieser Muskulatur soll weiter unten die Rede sein. b. Plagiolepisund verwandte Gattungen. Der Pumpmagen von Plagiolepis ist in seinem Bau viel einfacher als der soeben beschriebene Typus. Die Klappen reichen nach vorn ' bis an die Mündung des Pumpmagens in den Kropf und verlängern sich ‚ nicht in einen dem Kelche von Camponotus vergleichbaren Abschnitt. ' Betrachtet man aber das Organ von der Seite oder im Längsschnitt (Fig. 8), so erscheint sein vorderer Rand pilzhut- oder glockenförmig über einen Theil der Klappen umgestülpt. ForeL bezeichnet diesen Theil als Kelch und meint, er sei entstanden durch Umstülpung der ‘ Kelchblätter und der Zwischenkelehmembran, welche letztere eben so { \ fest und dick geworden sei als die Kelchblätter selbst. Dass dieser ‚ umgestülpte Theil, den ich kurzweg »Kelchglocke« nennen will, dem Kelche homologisirt werden könne, will ich auch zugeben, da er wie ' der Kelch als Differenzirungsprodukt der Kropfhaut zu betrachten ist; vom Kelche der echten Camponotiden ist er aber durchaus ver- ‚ schieden. . Auf Querschnitten erscheint die Kelchglocke als eine ziemlich derbe, homogene Chitinhaut und zeigt keine Spur einer Differenzirung von Kelchblättern oder von Kelchrinnen (Fig. 9 A). — Verfolgen wir nun die Struktur des Pumpmagens von Plagiolepis longipes Jerd. auf einer Serie von Querschnitten. Die ganz vordersten Schnitte habe ich nicht ‚ abgebildet; der fünfte der Reihe (die Schnitte sind 0,005 mm dick) ‚ zeigt Dank der etwas schrägen Führung an seinen vier Strahlen das Bild in verschiedener Höhe gelegter Schnitte (Fig. 9 A). Die vier be- ‚ haarten, keilförmig vorstehenden Klappen umgrenzen die kreuzförmige Klappenspalte. Der nach unten links gerichtete Arm des Kreuzes er- reicht noch den Rand des Querschnittes und unterbricht daselbst die Glocke; der obere rechte Arm ist dagegen von der Glocke bereits ge- trennt; die beiden anderen Arme halten zwischen den beschriebenen Extremen die Mitte; die Enden der Arme werden von der Behaarung ‚ gänzlich ausgefüllt und zeigen noch keine Spur jener Höhlung, die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 26 386 C. Emery, ich bei Camponotus als hintere Fortsetzung der Kelchrinnen, welche dieselben mit den Rippen der Kugel verbinden, bezeichnet habe. Eine solehe Höhlung erscheint einige Schnitte weiter (Schnitt Nr. 7 Fig. 9 B), d.h. unmittelbar hinter demRand der Glocke und das dieselbe umfassende Chitinrohr empfängt den Ansatz der Quermusku- latur; in den Rinnen wird die Behaarung sehr spärlich. Auf den folgen- den Schnitten wird die Behaarung nach und nach bis auf die Spitze der Klappen redueirt; auf Schnitt Nr. 12 ist sie geschwunden: die Chitin- wand der Klappen wird dünner und verliert ihre feingestreifte Struktur; sie wird homogen und begrenzt einen schmalen am Ende seiner Arme zur Bildung der Rinnen erweiterten Kreuzspalt (Fig. 9 C). Weiter nach hinten beginnt die viereckige Höhlung der Kugel. — Die Klappen von Plagiolepis besitzen also hinter ihrem behaarten Haupttheil noch einen kurzen kahlen Abschnitt, welcher den Übergang zur Kugel bildet. Schnitte durch die Kugel verhalten sich wie bei Camponotus; nur setzt sich die Längsmuskulatur weiter nach hinten, und erreicht beinahe das hintere Ende des Abschnittes. Nach vorn setzt sich die Quermuskulatur des Pumpmagens, wie ForeL richtig bemerkt, nicht zwischen die Klappen und die Kelchglocke, sondern über die Kelchglocke fort, um in die Muskulatur des Kropfes überzugehen (Fig. 8). Dasselbe thun auch die vier Längsmuskelbündel, welche, wie bei Camponotus, vorn keinen Ansatz an die Klappen besitzen. Ich untersuchte auf Schnitten auch Brachymyrmex Heeri Forel: der sehr kleine Pumpmagen lieferte nur 12 Querschnitte (& 0,005 mm), wovon fünf auf die behaarten Klappen, einer auf die Übergangszone und sechs auf die Kugel fielen. Ich bilde die Schnitte 4 und 6 ab (Fig. 10 A, B). Die Struktur des Organs ist nicht wesentlich von der bei Plagiolepis verschieden; sie scheint aber etwas einfacher; die Rin- nen beginnen erst hinter der Region der behaarten Klappen ein freies Lumen zu besitzen. c. Iridomyrmex und Bothriomyrmex. Die Reihe der Dolichoderiden eröffne ich mit der Beschreibung des Pumpmagens von /ridomyrmex, einem recht auffallenden Typus, welcher aber trotz seiner absonderlichen Gestalt doch Anschlüsse an die Camponotus-Form bietet. Ich untersuchte auf Schnitten ]. purpu- reus Sm. von Australien und J. humilis Mayr von Brasilien; erstere, die ' größte Form der Gattung, Jag mir nur im trockenen Zustand vor. Die allgemeine Gestalt des Organs wird durch Vergleichung der Fig. 17 und 18 ersichtlich. Erstere stellt die vordere Flächenansicht | dar; letztere einen Längsschnitt ungefähr nach der Linie « « auf der | Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 387 vorigen Abbildung. Auf der Flächenansicht erscheint zu oberst eine kreuzförmige dunkle Figur, nämlich die von den Klappen begrenzten und durch ihren Haarbesatz ausgefüllten Klappenspalten, welche den Ein- gang zum Pumpmagen bilden. Am Ende der Kreuzarme erweitert sich die Figur ankerförmig und liegt daselbst im Gesichtsfeld tiefer, wie mit Hilfe der Mikrometerschraube leicht zu erkennen ist. Zugleich mit den ankerförmigen Enden des Kreuzes wird in der Mitte des Organs eine viereckige Figur deutlich: der optische Querschnitt der Kugel; um die- selbe bildet die Quermuskulatur eine dicke Lage (vgl. auch den Quer- schnitt auf Fig. 19). Das eben beschriebene Flächenbild liegt aber am unverletzten Pumpmagen nicht frei vor; es wird von vier dünnen Se- kretblättchen verhüllt, welche nach Art von Brakteen die Klappen- spalten und die weiter unten zu besprechenden Kelchblätter bedecken. ' Auf Fig. 17 ist nur eines jener Sekretblättchen dargestellt; die übrigen wurden bei der Präparation durch einen glücklichen Zufall abgestreift. ‚ Die Vergleichung des Flächenbildes mit dem Längsschnitte und mit den ‘ Querschnitten (Fig. 19 und 21 A, B,C) wird uns die Erklärung der ‘ sonderbaren Struktur geben. Die von den Rändern der Klappenspal- ten sich ausbreitende Chitinhaut bildet eine pilzhutartige Glocke, welche den ganzen übrigen Theil des Pumpmagens einhüllt; dieser liegt darunter verborgen, wie der Schaft eines jungen Blätterpilzes unter dem hochgewölbten Hute. — Der Randtheil der Glocke hat nicht die einfache Struktur der bei Plagiolepis beschriebenen Umstülpung; die Klappenspalten setzen sich lateral bis nahe an den Rand der Glocke ' fort und öffnen sich in seitliche Erweiterungen des Kugelraumes, welche der bei Camponotus in jeder Rippe der Kugel befindlichen ‚ Rinne entsprechen. Der Endabschnitt der Klappenspalten bleibt aber ‚ auf Querschnitten von I. purpureus frei von einer solchen Verbindung (Fig. 21 0); er bildet kurze vom Haarbesatz gefüllte Rinnen, welche den Kelchrinnen der Gamponotiden gleichen, aber doch richtiger mit den bei zuletzt genannten Formen die Rinnen mit der Flügelfläche ver- bindenden Kelchspalten verglichen werden können. Aber der Haar- besatz dehnt sich auch jederseits der Klappenspalten auf die freie Fläche der Glocke aus und bildet mit den Flügeln der Camponotiden- ‚ Kelchblättern vergleichbare Flächen, welche mit dem kelchrinnen- artigen Endabschnitt der Klappenspalten bei J. purpureus umgestülpte ‚ Kelchblätter zusammensetzen; man vergleiche die Schnittbilder auf ‚ Fig. 21 C und 22 mit den entsprechenden Schnitten von Camponotus | (Fig. 2 A und 3). Bei 1. humilis sind die Kelchblätter verhältnismäßig viel kürzer und so zu sagen rudimentär. In beiden Formen ist aber der Rand der Glocke deutlich in vier den Kelchblättern entsprechende 26* 388 C. Eınery, Lappen getheilt, welehe durch eine dünne Zwischenkelchhaut zusam- menhängen. Ich werde solche behaarte Lappen, welche auch bei anderen Dolichoderiden an den Enden der Klappenspalten vorkommen und einem indifferenten Zustand der /rıdomyrmex-Kelchblätter entsprechen, gleich- falls als Kelchblätter bezeichnen. An ihrem Ende sind die Kelchblätter von /. purpureus auf dem Querschnitt nicht mehr durch die Zwischen- kelchmembran verbunden; ihre Spitze bildet eine in die Kropfhöhle frei vorragende Aussackung der Chitinhaut. Durch diese Vorrichtung wird die Kropfhaut unter die Glocke eingestülpt, wie die Schnitte auf Fig. 21 A, B, C zeigen. Eine solche Einstülpung findet bei /. humilis nicht statt (Fig. 19). Die kleinen australischen Formen, J. itinerans Lowne und punctatissimus Em. verhalten sich wie humilis. In der Muskulatur des Pumpmagens von /ridomyrmex fehlt jede Spur von Längsfasern. Die Querfasern sind zwischen die seitlichen Fortsätze der Kugel, welche sich zu den Klappenspalten hin erstrecken, ausgespannt. Bei /. humilis, itinerans und punctatissimus bilden sie in jedem Quadrant ein einziges kräftiges Bündel. Bei /. pur- pureus ist ein äußeres dünneres, sich an die Enden der Klappenrinnen ansetzendes Bündel von der Hauptmasse getrennt. Ob dieser Zustand 5 der natürlichen Vorrichtung entspricht, oder durch das Eintrocknen der ° Ameise bewirkt wurde und beim Erweichen derselben in Wasser nicht | mehr ausgeglichen werden konnte, bleibe dahingestellt. | Über den sehr kurzen cylindrischen Abschnitt und über den Knopf habe ich nichts Besonderes zu bemerken. | Bothriomyrmex meridionalis Rog. unterscheidet sich von Irido- myrmex im Bau seines Pumpmagens nur dadurch, dass das ganze | Organ länger, und dass die behaarte Kelchglocke kreuzförmig in vier nicht so breite Lappen getheilt ist (Fig. 23). Das Ende der Klappen- | spalten verlängert sich noch deutlicher in umgestülpte Kelchspalten, welche in Verbindung mit den Lappen der Glocke gut ausgeprägte | Kelehblätter bilden. Die Zwischenkelchhaut erreicht dadurch eine größere Ausdehnung. Das Sekretblättchen auf den Kelchblättern ist | viel zarter (vgl. die Schnitte auf Fig. 24 A, B, C). Die Verhältnisse der | Muskulatur sind dieselben wie bei Iridomyrmex. Die von Mayr als Tapinoma? pusillum beschriebene Art scheint) mir nach der äußeren Gestalt des Pumpmagens der Gattung Bothrio- | myrmex anzugehören. } d. Forelius, Dorymyrmex. Der Pumpmagen der von Forer unter dem Namen von Iridomyr-\ meac McCooki beschriebenen Art bietet in seinem allgemeinen Umriss| Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 389 von vorn gesehen große Ähnlichkeit mit /ridomyrmex, von der Seite mehr mit Bothriomyrmex. In der feineren Struktur bestehen aber be- deutende Unterschiede von beiden Gattungen. Ich begründe auf diese in Nord- und Südamerika weit verbreitete Art eine neue Gattung, welche ich zu Ehren des Begründers der systematischen Verwerthung des Pumpmagens » Forelius« nennen will '!. Der Pumpmagen von Forelius (Fig. 29 und 30) ist nicht so abge- plattet wie der von /ridomyrmex und selbst länger als der von Bothrio- myrmex. Vom Rande der Klappenspalten stülpt sich eine vierlappige Kelchglocke bis über die Mitte des Organs. Die Lappen entsprechen wie in beiden eben besprochenen Gattungen dem Ende der Klappen- spalten. Letztere erreichen aber bei Weitem nicht den Rand der Lappen und setzen sich auch nicht in Form von Kelchrinnen über dieselben fort, sondern endigen etwas er- weitert vor der Mitte der Glockenhöhe; der hinter den Spalten übrig bleibende Theil der Lappen ist glatt und konvex, wie an einem nach der Linie «« Fig. 30 geführten Querschnitt (Fig. 31) zu erkennen ist. Jener hinter dem Ende der Klappenspalte befindliche Absehnitt der Glockenlappen besitzt einen Haarbesatz, der sich in die Behaarung der Spalte fortsetzt; auf den Haaren liegt ein sehr feines Sekretblättehen; Porenkanäle konnte ich an der Chitinhaut nicht wahr- nehmen. — Die Glockenlappen sind also den Kelchblättern von Iridomyrmex und Bothriomyrmex homolog und entsprechen einem indifferenteren Zustand jener Theile. Betrachtet man bei ge- nauer Einstellung den Pumpmagen von der Vorderfläche (Fig. 29), so erscheinen die haartragenden Theile, also die Klappenspalten und die Glöockenlappen als eine dunkle Kreuzfigur, deren Arme ankerförmig erweitert sind. Die Strukturverhältnisse des Pumpmagens von Dorymyrmex wur- den mir erst durch die Vergleichung mit Forelius recht klar. Ich unter- suchte D. pyramicus Rog. Die sehr große Kelchglocke erscheint auf der vorderen Ansicht (Fig. 32) wie aus vier gegen einander gepressten kugeligen Hügeln (Xh) zusammengesetzt, zwischen welchen die Klap- penspalten verlaufen; ich werde sie als »Kelchhügel« bezeichnen. Stellt man etwas tiefer ein, so erscheint jeder Hügel an seinem unteren Rande wie gespalten (Fig. 32 a), und wenn das Präparat etwas schief liegt, wie auf der Abbildung, so erscheint zugleich an der durch die ! Außer der Struktur des Pumpmagens weicht Forelius von Iridomyrmex durch das wie bei Bothriomyrmex. gestaltete Flügelgeäder ab, von Bothriomyrmex unter- scheidet sich die neue Gattung durch die Gliederzahl der Taster, welche dieselbe ist wie bei Iridomyrmex. 390 C. Emery, schiefe Stellung sichtbaren Seite zwischen zwei Hügeln (d. h. dem . Ende einer Klappenspalte resp. einem Kelchblatte entsprechend) ein vorgewölbter Theil (Fig. 32 Kbi). Jeder Kelchhügel von Dorymyrmex entspricht der Ver. - schmelzung der Seitenränder je zweier Kelchlappen von Forelius. Die oben erwähnte, auf den Abbildungen (Fig. 32 und 33) mit a bezeichnete Spalte, entspricht dem Ort, wo die Verschmelzung auf- hört; auf der Seitenansicht sind die Verhältnisse leichter zu verstehen, besonders wenn man sie mit dem Flächenbild vergleicht. Die zwi- schen den Hügeln erscheinenden Vorragungen sind dem Ende der Kelchlappen von Forelius gleichwerthig; wie jene tragen sie auch einen Haarbesatz, welcher sich in die Behaarung der Klappen fortsetzt; ob auch ein zartes Sekrethäutchen vorhanden ist, kann ich nicht versichern, scheint mir aber wahrscheinlich. Der Pumpmagen von Dorymyrmex ist sehr spröde und ich konnte nur nach Behandlung mit Eau de Javelle (welche das Sekrethäutchen zerstört), etwa brauchbare Schnitte machen. Auf der Seitenansicht treten die Lappen deutlich hervor, während die Hügel weniger auffallen. An Schnitten (Fig. 34 A, B, CO) kann man sehen, dass die Klappenspalten sich auf die behaarten Kelchlappen in Form von seichten Rinnen eine Strecke weis fortsetzen. Die hinteren Abschnitte des Pumpmagens von Forelius und Dory- myrmex bieten nichts Merkwürdiges dar. In der Muskulatur fehlt jede Spur von Längsfasern. e. Azteca. Der Pumpmagen der Imbauba-Ameise (Azteca instabilis Sm.) steht ganz isolirt da. Er bietet indessen Anschlüsse an verschiedene Formen und kann in mancher Beziehung als einem indifferenten ursprünglichen Zustand des Organs entsprechend angesehen werden. Für die Seitenansicht des Organs verweise ich auf Forer’s Fig. 8: ich gebe eine Flächenansicht des etwas schief gestellten en | (Fig. 25). Eine gleichmäßig flachgewölbte durchsichtige Kelchglocke | bildet die Vorderfläche des Organs; betrachtet man sie von vorn, so. erscheint darauf eine dickarmige dunkle Kreuzfigur; diese ent- spricht den durch Haare verschlossenen Klappenspalten undeinemjene Spalten beiderseits begleitenden behaar- ten Saum. Die auf Fig. 26, 27 A, Bund 28 abgebildeten Querschnitte machen eine längere Beschreibung unnöthig. Der zwischen den Kreuz- armen befindliche helle Theil der Kelchglocke bietet nichts Besonderes j | Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 391 dar; der Glockenrand ist nicht in Lappen getheilt; ein Sekrethäutchen ist nieht vorhanden. Die Muskulatur entbehrt der Längsfasern. Eine noch unbeschriebene neue Art aus Mattogrosso und Paraguay scheint mit A. instabilis in Bezug auf den Pumpmagen vollkommen übereinzustimmen. f. Liometopum. Diese auffallende südeuropäische Ameise zeichnet sich von allen mir bekannten Formen dadurch aus, dass nicht nur die ganze Oberfläche der dem Pumpmagen aufliegenden Kelch- glocke mit langen Chitinhaaren besetzt ist, sondern ein ähnlicher, obgleich minder dichter Haarbesatz die ge- sammte innere Fläche des Kropfes bedeckt. Sonderbarer- weise wurde dieses sehr leicht zu erkennende Strukturverhältnis von Forer nicht bemerkt. Der Inhalt des Kropfes bildet an Alkoholexem- plaren um die Kelchglocke eine ziemlich zähe braune Schicht, welche durch schwache Kalilauge leicht gelöst werden kann. Der Pumpmagen von Liometopum microcephalum hat eine ziemlich gestreckte Gestalt, wie die Längsansicht zeigt (Fig. 11): seine Kelch- glocke ist nicht stark gewölbt und reicht nicht weit nach hinten; ihre Vorderfläche bildet vier wenig erhabene Kelchhügel. Ihre Chitinhaut nimmt nach den Rändern zu allmählich an Dicke ab. Die Haare sind auf der Kelchglocke bedeutend länger als in den Klappenspalten (vgl. den Querschnitt auf Fig. 12) und werden auf den Klappen selbst nach hinten immer kürzer, bis sie endlich schwinden. Die Chitinhaut der ' Klappen wird von dichtgestellten Porenkanälchen durchsetzt, sowohl in ihrem behaarten als in ihrem unbehaarten Theil (Fig. 13 A, B). Im Gegensatz zu den vorigen Dolichoderidengattungen besitzt Lio- meiopum eine gut entwickelte Längsmuskulatur des Pumpmagens. Die- selbe entspringt von der hinteren (konkaven) Fläche der Kelchglocke und erstreckt sich zwischen der Quermuskulatur und der Wandung des Magens bis an das hintere Ende der Kugel. g. Leptomyrmex. Die größten technischen Schwierigkeiten bot mir die Untersuchung des Pumpmagens von Leptomyrmes erythrocephalus F.; es standen mir nur trockene Exemplare zur Verfügung uud das zu untersuchende Or- gan war so hart und spröde, dass es nur nach längerer Einwirkung der Eau de Javelle zu schneidbarer Konsistenz gelangte. Dadurch wurden -; aber alle Weichtheile mit Einschluss der Muskeln zerstört. Die allge- meine Form ist von ForeL in der Seitenansicht auf seiner Fig. 9 abge- 392 C. Emery, bildet. Ich begnüge mich mit einer wenn nicht gerade plastisch, doch perspektivisch angelegten Abbildung des Vorderendes des Pumpma- gens (Fig. 35) nach einem Präparat, welches später erweicht und in Schnitte zerlegt wurde. Die Vorderfläche bildet vier radiär gestellte, den Klappenspalten entsprechende Rippen, welche trichterförmig in der Mitte konvergiren. Vom Rande der beinahe viereckigen Vorder- fläche ist die Kropfmembran über einen Theil des Pumpmagens um- gestülpt. Die Querschnitte (Fig. 36 A, B) zeigen, dass die Klappenspalten an ihrem lateralen Ende zu Rinnen erweitert sind, deren Wand ankerför- mig gestellte Fortsätze trägt, welche ohne Zweifel als Sehnen der Quer- muskulatur zum Ansatze dienen. Am Eingang derKlappenspalten und über den größten Theil der freien Vorderfläche des Pumpmagenssinddichtgestellte,dicke,spitzigzulaufende Chitinhaare regelmäßig angeordnet (Fig. 36 A). Auf tieferen Schnitten werden jene Haare immer kleiner und gehen allmählich in einen feinen Haarbesatz der Klappenspalten über (Fig. 36 B). Der Über- gang von der Klappenregion zur Kugel erfolgt ziemlich rasch ; Fig. 36 C stellt einen Schnitt durch die Übergangsstelle dar; er ist etwas schräg geführt, wodurch nach unten rechts der nicht mehr behaarte hintere Theil einer Klappenspalte, oben links die Kugelhöhle getroffen wird. Die Vertheilung der Muskulatur war ich nicht im Stande vollstän- dig zu erkennen: das Querfasersystem ist sehr stark entwickelt; dass auch Längsfasern vorhanden sind, ist mir zwar sehr wahrscheinlich, ich habe sie aber an meinen Präparaten nicht gesehen. h. Tapinoma, Technomyrmex. Die beiden genannten Gattungen bilden in ihren verschiedenen Arten eine Reihe, welche durch ihre indifferenteste Form (Tapıinoma melanoce- phalum F.) sich einigermaßen an Azteca anschließt, während am anderen Ende der Reihe, Technomyrmezx strenuus Mayr in seinen feineren Struktur- verhältnissen ganz neue und merkwürdige Einrichtungen darbietet. Ich will gleich bemerken, dass Tapıinoma albipes Sm. sowohl durch die Bil- dung des Pumpmagens, wie durch das von oben sichtbare Analsegment des Hinterleibes nicht zu dieser Gattung, sondern zu Technomyrmex ge- hört und mit dem von mir beschriebenen T. grandis nahe verwandt ist. Der Pumpmagen von Tapinoma ist von der Seite gesehen breiter als hoch !; seine vordere Fläche wird bedeckt durch eine sehr flache, fast scheibenförmige gleichmäßig konvexe Kelchglocke. Von vorn er- ! Vgl. die Abbildung des Pumpmagens von T. erraticum. ‘in: ForeL, Fourmis de la Suisse. Taf, II, Fig. 24. Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 393 scheint diese Bildung als ein Viereck mit abgerundeten Ecken (T. melanocephalum, Fig. 37), oder die Seiten des Vierecks sind noch dazu gebogen (T. erraticum, Fig. 39). Bei letzterer Art ist die Diagonale des Vierecks kürzer als die bei tieferer Einstellung erscheinende Kreuzfigur der Kugelhöhle. Die Glocke oder Scheibe wird von den diagonal ge- stellten Klappenspalten kreuzartig getheilt und die dadurch entstehen- den vier Dreiecke sind an ihrem gegen die Mitte zusammenstoßenden Winkel stumpf, so dass eine kleine centrale Öffnung übrig bleibt, durch welche man in die Höhlung des Pumpmagens gelangt. Von vorn betrachtet lässt die Oberfläche des sehr kleinen Organs von T. melanocephalum selbst mit den besten Linsen keine Struktur er- kennen; nur am Rande der Klappenspalten erscheinen sehr feine Chi- tinhärchen. Auf Längsschnitten (Fig. 38) unterscheide ich eine tiefere helle Chitinschicht, welche von einer diekeren dunklen Schicht über- lagert wird; letztere scheint wiederum aus zwei nicht ganz gleichartigen Schichten zu bestehen: die tiefere setzt sich in den Haarbesatz des Randes fort und ich nehme an, dass sie aus verklebten Härchen zusam- mengesetzt ist; ihr liegt eine Sekretschicht auf. Bei Tapinoma erraticum besitzt der Klappenrand scheinbar keine frei ‘ hervorragenden Härchen. Die Fläche der Glocke zeigt aber eine auch ; mit Trockenlinsen leicht wahrnehmbare polygonale Felderung, welche je nach der Einstellung bald dunkler, bald heller als der Grund erscheint: mit Tauchlinsen betrachtet erscheinen die Felder selbst dicht punktirt (Fig. 40). Eine Erklärung dieser Erscheinung giebt die Untersuchung ‘ von Schnitten (Fig. #1): aufsolchen Präparaten erscheint die ı Ghitinhautsehr dünn und trägt einen Besatz von dichtge- stellten kurzen Härchen, welche aber nicht ganz gleich- mäßig vertheilt sind, sondern einige schmale Gänge zwi- ‚ schen sich freilassen; diese Gänge erscheinen auf dem Flächenbild als Grenzlinien der polygonalen Felder. Der eben erwähnte Haarbesatz ist nicht auf die äußere Fläche der Kelch- glocke beschränkt, sondern erstreckt sich auch etwas in die Klappen- spalten hinein, wie an der Figur zu sehen ist; eine sehr dünne Sekret- schicht scheint die Haare mit einander zu verkleben. In den drei Arten von Technomyrmex erreicht die Kelchglocke einen viel höheren Entwicklungsgrad ; sie bedeckt und überwölbt die übrigen Theile des Pumpmagens und wird durch die gekreuzten Klap- penspalten in vier gewölbte Kelchhügel getheilt (Fig. 42, 44). ' Das Flächenbild der Kelchglocke bietet bei T. strenuus eine eigen- thümliche Zeichnung dar, welche aus hellen Ringen besteht und gegen ‚ die Spitze der Klappen in eine allmählich zarter werdende polygonale 394 C, Emery, Felderung übergeht (Fig. 42 rechts). Diese Zeichnung wurde von ForzL zum Theil erkannt. — Erst auf Schnitten wird die Struktur der Glocken- wand klar. Fig. 43 stellt einen solchen etwas schrägen wirklichen Quer- schnitt dar; ein ähnliches Bild liefert der optische Durchschnitt auf Fig. 42 oben. Auf solchen Bildern sieht man, dass die Chitinhaut nach außen hohlePfeiler sendet, welche an ihrem äußeren Ende pilzförmig erweitert sind und daselbst pflasterartig zu- sammentreffend und von einer dunklen homogenen Schicht bedeckt die Oberfläche der Glocke bilden. Diese dunkle Lage, welche bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 45) von dem hellen Chitin ab- sticht, betrachte ich als eine Sekretschicht: sie kann durch Eau de Ja- velle gelöst werden. Die an ihren Enden durch die Sekretschicht ver- kitteten Pfeiler bilden ein System von Bogengängen, welches sich über die ganze Glocke ausdehnt und auch auf die Klappenränder umbiegt: hier kommunieiren die Hohlräume der Bogengänge mit dem Übergangs- theil der Klappenspalten zur Kugel (vgl. den wirklichen Schnitt Fig. 43 und den höher angelegten optischen Querschnitt Fig. 42 oben). Wird durch Behandlung mit Eau de Javelle die Sekretlage gelöst, so erscheint auf der ganzen Oberfläche der Glocke ein ziemlich regel- mäßiges polygonales Netz, welches vor Einwirkung des Reagens mit Hilfe guter Linsen zwar erkennbar, aber viel undeutlicher zu sehen ist. Es entspricht den pflasterartig zusammentretenden erweiterten Enden der Hohlpfeiler. An dem Präparat ohne Sekretschicht erscheinen die Züge des Netzes deutlich quergestreift (Fig. 47), was von feinsten Härchen herrührt, welche denRand des erweiterten En- des der Pfeiler besetzen. Bei tieferer Einstellung werden die ringförmigen Querschnitte der Pfeiler sichtbar. Eine Darstellung iso- lirter Pfeiler nach demselben Präparat giebt Fig. 48. Gegen die Spitze der Klappen werden die Pfeiler immer kürzer und dicker, die Bogen- gänge zwischen ihnen immer schmäler, bis sie zu feinsten Spalten re- ducirt werden, die auf dem Flächenbild als zarte Felderung er- scheinen. Bei Technomyrmex grandis und albipes zeigt die Oberfläche der Kelchglocke eine netzartige Zeichnung (Fig. 50). Nach dem oben Gesag- ten liegt es nahe, diese Erscheinung auf eine ähnliche Struktur, wie die bei T. strenuus beschriebene, zu beziehen: dem ist in der That auch so. Die Pfeiler sind bei T. albipes und grandis nur viel breiter und niedri- ger als bei 7. strenuus und die zwischen denselben befindlichen Gänge viel enger. Nur gegen die Ränder der Klappen und am Eingang in die Klappenspalten werden die Pfeiler hoch und schmal und bilden Bogen- gänge wie auf dem optischen Querschnitt Fig. 49 zu sehen ist, ein Bild, Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 395 welches mit dem oben von T. strenuus beschriebenen die größte Ähn- lichkeit-besitzt. Die Vergleichung der Befunde bei Technomyrmex und bei Tapi- noma erralicum kann auf die morphologische Bedeutung der Hohlpfeiler von Technomyrmex einiges Licht werfen. Denkt man sich an einer nach ' Art von Tap. erraticum gebauten Kelchglocke die behaarten polygo- nalen Felder über die dazwischen verlaufenden Gänge erhoben und ' ihren Haarbesatz auf den Rand beschränkt, so erhält man ein Bild, welches dem von Technomyrmex beschriebenen sehr ähnlich ist. Ich meine also, dass die Hohlpfeiler von Technomyrmex den Haarfeldern von Tap. erraticum entsprechen und vonsol- chenabgeleitet werden können. Der Pumpmagen der beiden Gattungen entbehrt der Längsmusku- ‚ latur vollständig. i. Dolichoderus. Der Beschreibung, welche ForeL von seinem auf dieser Gattung ‚ gegründeten fünften Typus giebt, habe ich wenig hinzuzufügen. Ich untersuchte D. atielaboides, gibbifer Em. und bituberculatus Mayr. Auf - Schnitten sehe ich (Fig. 15 und 16), dass die Klappen einzig und allein yon vier großen Längsfalten der Chitinhaut gebildet werden, welche ‚, wiederum kleinere Längsfalten tragen. In dem der Kugel entsprechen- ‘ den Abschnitt sind die Falten viel flacher und zeigen keine sekundären ‚ Faltungen und die Chitinhaut erscheint dicker und elastischer. Längs- und Quermuskulatur sind entwickelt. II. Der Pumpmagen von Cryptocerus und Procryptocerus. Die äußere Form des Pumpmagens von Cryptocerus atratus hat ' Forer bereits in seiner mehrfach citirten Abhandlung beschrieben und abgebildet. Er vermuthete damals eine gleiche Bildung möge sich auch ‚ bei den anderen Cryptoceridengattungen vorfinden. Später ! vermisste er dieselbe bei Daceton und Strumigenys, welche einen gewöhnlichen Myrmicidenmagen haben. Ich habe Cyphomyrmex deformis Sm., Mera- noplus pubescens Sm. und Cutaulacus flagitiosus Sm. mit gleichfalls ne- ‚ gativem Resultat untersucht. Allein der amerikanische Cataulacus con- ‚ vergens Mayr hatte einen typischen Crypiocerus-Pumpmagen. Da die ‚ amerikanischen Arten, welche Mayr zu Cataulacus zieht, sich durch die ‚ Stellung der Augen von den altweltlichen echten Cataulacus unter- | \ | h | | 1 I | | ' scheiden (Smurn stellte sie desshalb gleichfalls mit Unrecht zu Meranoplus) ! Forer, Einige Ameisen aus Itajahy (Brasilien). Sep.-Abdr. aus: Mittheil, der Schweiz. Entom, Ges. Bd. VII. Nr. 5. 396 C. Emery, und unter sich, so weit sie mir bekannt sind, übereinstimmen, so habe ich sie als besondere Gattung unter dem Namen » Procryptocetus« ge- trennt !. — Die besondere Pilzform des Pumpmagens scheint also den beiden amerikanischen Gattungen Oryptocerus und Procryptocerus eigen zu sein. Ich untersuchte Cryptocerus atratus L., oculatus Spin., pusillus Klug, angustus Mayr, grandinosus Sm. und Procryptocerus convergens Mayr; von Or. atratus habe ich Schnittserien angefertigt. Die Gestalt des Pumpmagens bleibt sich in allen Arten ziemlich gleich. Das Organ besteht aus einem langen röhrenförmigen Abschnitt, dessen hinteres Ende ohne besondere Verdickung in den Chylusdarm hineinragt; dem vorderen Ende der Röhre sitzt eine pilzhutartige Kappe auf, deren Ränder umgeschlagen sind und sich in die Chitinhaut des Kropfes fortsetzen (vgl. den halbschematischen Längsschnitt auf Fig. 57). Von der vorderen Fläche betrachtet erscheint jenes pilzhut- artige Gebilde als eine konvexe, runde Scheibe; auf ihr bemerkt man mehrere (vier bis sechs) im Mittelpunkt sich vereinigende Spalten, welche nach dem Rande ziehend sich ein- oder zweimal verzweigen. Der Pilzhut ist immer etwas sattelförmig gebogen, wesshalb genau quer- gerichtete Schnitte den Rand nicht überall in gleicher Höhe treffen können (Fig. 51, 52). Für die äußere Gestalt des Pumpmagens ver- weise ich auf Forer’s Fig. 14 und 12: nur möchte ich bemerken, dass das als »Knopf« bezeichnete hintere Ende des röhrenförmigen Ab- schnittes auf Fig. 11 zu dick dargestellt ist. Die Chitinhaut der pilzhutartigen Scheibe zeigt auf ihrer ganzen Oberfläche dicht an einander gestellte Erhabenheiten, welche Forzr bei Cr. atratus unpassend als sternförmige Gebilde beschreibt. Ihre Form unterliegt nicht unbedeutenden Schwankungen, je nach der Species und wird am besten durch Untersuchung wirklicher oder optischer Querschnitte erkannt. Ich werde sie von den zwei extremen Formen beschreiben, nämlich von Or. atratus und grandinosus. Um die Fort- sätze des pilzhutartigen Gebildes darzustellen, ist es gut das Chitin durch längeres Einlegen in Kalilauge zu reinigen, denn seine Ober- fläche wird von einer braunen Schicht bedeckt, welche die Fortsätze mit einander verklebt, und deren Umrisse weniger deutlich erscheinen lässt. Jene Schicht scheint mir durch den ausgetrockneten Kropfinhalt (ich hatte nur trockene Exemplare) gebildet zu sein, welcher sich in Wasser nicht auflösen lässt. Betrachtet man bei starker Vergrößerung einen zur Oberfläche senkrecht geführten Schnitt der pilzförmigen Scheibe von Cr. atratus, 1 EMERY, Catalogo delle Formiche esistenti nelle Collezioni del Museo civico di Genova. parte Ill ecc. in: Ann. Mus. Civico di Genova (2). Vol. V. p. 470 nota. Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 397 so sieht man, dass diebraune Chitinhaut lange, in die Kropf- höhle vorragende Hohlsprossen bildet; letztere sind an der Basis dünner als am freien Ende und mit zahlreichen kurzen Ästen und Spitzchen besetzt, welche einem jeden Fortsatz eine besenförmige Gestalt verleihen (Fig. 56). Solche Fortsätze finden sich nicht nur auf der freien Oberfläche des Pilzhutes, sondern sie besetzen auch die innere Fläche der Spalten, welche nach Art der Klappenspalten der Dolichoderiden ins Innere des Pumpmagens führen; es werden aber die Fortsätze in der Tiefe der Spalten allmählich kürzer und dicker und nähern sich dadurch der Form, welche ich weiter unten von Or. grandinosus beschreiben werde. Von der Spitze gesehen zeigen die Fortsätze besonders bei schwacher Vergröße - rung eine unregelmäßige Sternform. — Bei Cr. grandinosus finden sich an Stelle der pigmentirten besenförmigen Fortsätze blasse halbkugelige Vorragungen, deren Oberfläche mit feinsten Stacheln besetzt ist (Fig. 59); von der Fläche gesehen geben jene Vorragungen das Bild eines unregelmäßigen Pflasters (Fig. 58). Wenn die Oberfläche des Chitins nicht vom anhaftenden Kropfinhalt befreit worden ist, so sind die feinen Stachel nicht erkennbar. — Cr. oculatus und pusillus schließen sich in der Form der Chitinfortsätze dem Or. atratus, Or. angustus dagegen dem Cr. grandinosus näher an, bilden aber eine Reihe von Übergangsstufen zwischen beiden beschriebenen Extremen. Procryptocerus convergens verhält sich ganz wie Or. grandı- nosus. Eine Reihe von Querschnitten wird die innere Struktur des Pump- magens klar legen. Die Fig. 51 und 52 sind nach in verschiedener Höhe durch den Pilzhut geführten Schnitten gezeichnet. Auf ersterer erscheinen die von der Peripherie nach dem Centrum konvergirenden Spalten. Die Innenfläche derselben ist in ihrem distalen Abschnitt mit den bekannten besenförmigen Fortsätzen besetzt; weiter nach dem Centrum wird ihre Wandung glatt; im Centrum selbst vereinigen sich die Spalten zu einem gemeinschaftlichen Raum, dessen Wand dunkel pigmentirte, ins Lumen vorspringende Falten bildet; dieser centrale Theil ist auf Fig. 55 nach demselben Präparat in stärkerer Vergröße- rung abgebildet. — An einem weiter nach hinten gelegenen Schnitte (Fig. 52) ziehen keine Spalten mehr nach dem centralen Raum; der Querschnitt des Pilzhutes zerfällt wegen der oben erwähnten sattel- förmigen Krümmung desselben in zwei Abschnitte, welche nur durch eine dünne Haut mit einander verbunden sind. In dem einen Ab- schnitt sieht man noch das Ende einiger Spalten als eingesenkte Falten der Chitinhaut. In der Mitte des Bildes erscheint der Querschnitt eines 398 C. Emery, von einem dicken Bindegewebspolster umgebenen Ka- nals, dessen Wände ins Lumen vorspringende Leisten (die Fortsetzung der oben beschriebenen Falten) tragen. Den Durchschnitt dieses Kanals und des ihn umgebenden Polsters giebt Fig. 53 bei stärkerer Ver- größerung wieder; in der Masse des Bindegewebes erscheinen als dunkle koncentrische Linien feine quergestreifte Muskelfasern. Weiter nach hinten erweitert sich der Kanal, um den langen röhrenförmigen Abschnitt des Pumpmagens zu bilden (Fig. 54). Zugleich schwindet das Bindegewebspolster und die Quermuskulatur bildet eine dichte ziemlich dieke Schicht um den Chitinschlauch (die dünne Matrixschicht ist am ungefärbten Präparat und bei der mäßigen Vergrößerung undeutlich); Längsmuskel fehlen ganz und gar. Die Chitinmembran bildet breite in das Lumen stark vor- springende Leisten, welche bei vorwiegender Längsrich- tungihrer Ansätze an die Wand unter einander mehrfach anastomosiren und längliche Maschen bilden. Während die Chitinhaut des Kropfes der anderen Ameisen sich im Kontraktionszustand der Muskulatur in parallele zickzackförmige Quer- falten zusammenlegt, bildet sie bei Oryptocerus, wie Foreı bereits be- schrieben hat, sternförmige unter einander netzartig verbundene Faltensysteme (Fig. 60 A, B). Forer homologisirt die (nach ihm eben- falls sternförmigen) Fortsätze des pilzhutartigen Pumpmagenabschnittes mit jenen Sternfalten, und meint, es seien durch starke Chitinisirung fest gewordene, nicht mehr auflösbare Faltensysteme. Diese Homolo- gie scheint mir nicht unannehmbar, besonders wenn man einen senk- rechten Schnitt durch die Kropfhaut von COryptocerus atratus (Fig. 61) mit der einfacheren Struktur des Pilzhutes von Or. grandinosus ver- gleicht; sie kann aber nur die hohlen Fortsätze der Chitin- haut betreffen, nicht die Spitzchen und Härchen, welche jene Fortsätze besetzen. Die Chitinhaut des Kropfes trägt aber bei Cryptocerus keine solche haarartige Gebilde. Chitinhaare der inneren Kropfoberfläche kennen wir schon von Liometopum. Eine ähnliche Bildung will ich hier von Atta sendens F. beschreiben. Bei dieser Art bildet die Kropfhaut wie gewöhnlich parallele unregelmäßige Querfalten. In der Nähe des als Pumpmagen fungirenden röhrenartigen hinteren Abschnittes des Vorderdarmes tragen die nach innen vorspringenden Falten kleine nach hinten ge- richtete ein- bis dreispitzige kammförmige pigmentirte Fort- sätze (Fig. 63, 64), welche nach vorn immer kleiner und zerstreuter werden und in der vorderen Hälfte des Kropfes ganz fehlen. Ob ähn- liche Gebilde auch bei anderen mit Aita und Oryptocerus verwandten Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 399 Myrmiciden oder bei anderen Ameisen überhaupt vorkommen, habe ich nicht untersucht. Bei der von Forer hervorgehobenen und wohl all- gemein acceptirten Verwandtschaft von Atia mit den Cryptoceriden ist das Vorkommen derselben bei Atta nicht ohne Interesse. III. Zur Physiologie und Morphologie des Pumpmagens. Das Organ, welches ich von vorn herein als Pumpmagen bezeichnet habe, eignet sich wegen seiner Kleinheit und inneren Lagerung nicht gut zur direkten Beobachtung seiner Funktion. Forer’s Experimente ! haben bewiesen, dass es durch seine Klappenvorrichtung den Weg vom Kropf zum Chylusmagen abschließt und den Inhalt des ersteren Ab- schnittes nur langsam und ganz allmählich in den letzteren treten lässt. Den Mechanismus dieses Durchganges hat ForeL in seiner mehrfach eitirten anatomischen Arbeit theilweise zu erklären versucht, meiner Ansicht nach aber wohl nicht ganz richtig. Forer geht vom hoch ausgebildeten Camponotiden-Pumpmagen aus. Er nimmt an, dass die Längsmuskulatur die Klappen von einander entfernen und so die Klappenspalten erweitern könne, um der im Kropf enthaltenen Nahrungsflüssigkeit den Weg nach dem Mitteldarm zu öffnen. Die Ring- oder Quermuskulatur dagegen soll dazu dienen, die Klappen fest gegen einander zu schließen. Gegen diese Auffassung können wichtige Einwände geltend ge- macht werden. — Vor Allem glaube ich nicht, dass die Längsmuskel- fasern der echten Camponotiden im Stande seien auf die Klappen zu wirken: überhaupt fehlt ihnen ein fester Ansatz an die Klappen und an den Kelch; sie verbinden sich nach hinten mit der Wand der Kugel, nach vorn gehen sie aber an den Klappen vorbei und setzen sich in die Kropfmuskulatur fort. Ich kann nicht absolut behaupten, dass nicht _ einige Längsmuskelfasern in der Membrana propria der Kelchblätter und der Zwischenkelchhaut endigen; aber der größte Theil jenes Faser- systems geht eine solche Verbindung nicht ein. Ich glaube, dass die Längsmuskulatur für die Funktion des Pumpmagens nicht sehr wichtig ist und an diesem Organ eher einen Stützpunkt findet, um auf die Wände des Kropfes durch ihre Kontraktion zu wirken. Bei Plagiolepis kann von einer Wirkung der Längsmuskulatur auf die Klappen gar nicht die Rede sein, denn diese Faserzüge legen ihren Weg von dem Pumpmagen zum Kropf außerhalb der Kelchglocke zurück, d. h. zwi- schen Kelchglocke und Quermuskulatur. Es giebt aber viele Ameisen (die meisten Dolichoderiden), deren Pumpmagen gar keine Längsmus- 1 Fourmis de la Suisse. p. 140. 400 C. Emery, kelfasern besitzt. Nur für Liometopum könnte auf Grund des anatomi- schen Befundes die von For£eL supponirte Funktion der Längsmuskulatur angenommen werden. Dass der an die Klappen inserirte Theil der Quermuskulatur die- selben gegen einander pressen und dadurch einen festeren Verschluss der Klappenspalten bewirken soll, liegt auf der Hand. Ich kann hierin ForeL nur beistimmen. Was bedeutet aber die ganze übrige Quermus- kulatur des Pumpmagens?ich denke hier ganz besonders an jene Muskel- fasern, welche sich an die Rippen der Kugel ansetzen und auf die Klap- pen gar keine Wirkung auszuüben im Stande sind. Die physiologische Bedeutung der Kugel überhaupt bleibt nach Forer’s Schilderung dunkel. Ich glaube, das hier beschriebene Organ hat nicht allein den Zweck, die Verbindung zwischen Kropf und Mitteldarm zu öffnen und zu schließen, sondern nach Art eines zweiten Schlundes die in dem Kropf aufgespeicherten Nahrungsstoffe nach Bedürfnis des Thieres aufzuneh- men und in den Chylusdarm hineinzutreiben. Ich vergleiche seine Wirkung mit der einer Kautschukpumpe, welche von der Hand ge- presst ihren Inhalt durch das eine Ende entleert, losgelassen aber sich vom anderen Ende aus wieder durch eigene Elasticität füllt. Desshalb habe ich es mit dem Namen »Pumpmagen« belegt. — Um ihre Wir- kung zu äußern, sind bei einer Kautschukpumpe (abgesehen von der treibenden Kraft) drei Organe nothwendig: 1) der elastische Ballon; 2) das Eingangsventil; 3) das Ausgangsventil. Diese drei Bestandtheile ‚sollen wir im Pumpmagen wiederfinden. Es soll zuerst der Pumpmagen der Dolichoderiden und Campono- tiden betrachtet werden. Der elastische Ballon ist hier vertreten durch die »Kugel«, das Eingangsventil durch die »Klappen«; das Ausgangs- ventil scheint in dem von Forzr als »Knopf« bezeichneten Theil sein Äquivalent zu haben. Diese Theile sind bei allen Gattungen beständig vorhanden und zeigen in ihrem Bau nur untergeordnete Verschieden- heiten, wenn wir von den Dolichoderus-Arten absehen, welche in ihrem Pumpmagen einen niedrigen unausgebildeten Zustand darbieten. Der eylindrische Abschnitt ist nur ein mehr oder minder langes Verbin- dungsrohr zwischen Kugel und Knopf. Die Funktion des vor den Klap- pen befindlichen Kelches, d.h. der als Kelehblätter, Kelchglocke, Kelch- hügel bezeichneten Bildungen ist mir nicht so vollkommen klar gewor- den und soll weiter unten besprochen werden; ihre verschiedenen Formen sind für einzelne Gruppen charakteristisch, variiren aber sogar von Art zu Art; ich glaube desshalb annehmen zu dürfen, dass ihre Ver- richtung eine mehr nebensächliche ist. Betrachten wir zunächst die Kugel mit ihrer Muskulatur auf einem Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 401 Querschnitt (vgl. die schematischen Bilder A und B). Die Chitinhaut bildet vier nach innen gewölbte, verdickte elastische Seitenwände, welche durch dünnere Theile (die Kugelrippen) mit einander verbunden sind. An diese dünneren Theile setzen sich die Quermuskelbündel an und werden dadurch in vier Züge getheilt, welche sich zu Je einer Seiten- wand der Kugel so verhalten, wie die Saite eines Bogens zum Bogen selbst. Kontrahiren sich die Muskeln, so werden dadurch die Chitin- wände sich stärker gegen das Lumen der Kugel wölben und dadurch dasselbe verengern. Die gleichzeitige Kontraktion der an die Klappen inserirten Quermuskulatur wird die Klappen gegen einander drücken Fig. A und B. Schematische Darstellung der Kugel des Pumpmagens im Querschnitt. A, im aus- gedehnten Zustand; B, bei Kontraktion der Muskulatur. mi, Quermuskel; ch, Chitinwand. und dem Kugelinhalte den Weg nach dem Kropf zu versperren. Dadurch wird der Inhalt der Kugel in den Mitteldarm hineingepresst. — Nach- dem dieses geschehen, lassen wir die Muskulatur erschlaffen. Die elastische Chitinwand der Kugel strebt danach zu ihrer ursprünglichen Gestalt zurückzukehren und das Lumen der Kugel in ihrem primitiven Umfang wieder herzustellen; dabei entsteht ein negativer Druck und dürfte aus dem Kropf neue Flüssigkeit aufgesaugt werden. In diesem . Moment werden zwar die Klappen nicht durch Muskelkraft aus einan- der gezogen, die Klappenspalten können also nicht aktiv erweitert werden; nur die Elasticität der Wand der Rinnen könnte in geringem Mabstab erweiternd wirken; berücksichtigen wir aber den Umstand, dass der Verschluss der Klappenspalten nicht durch steife Hartgebilde, sondern gewöhnlich durch feine Haarbürsten bewirkt wird, so dürfen wir annehmen, dass sie doch das langsame Durchsickern des flüssigen Kropfinhaltes gestatten werden. — Ich nehme an, dass zugleich die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 97 402 C. Emery, schlaffe Wand des »Knopfes« in Folge des inneren negativen und des äußeren positiven von der Muscularis des Mitteldarmes bewirkten Druckes kollabirt und nach Art eines Ventils das Zurückströmen aus dem Chylusdarm verhindert. Es sei hier bemerkt, dass Scuizmenz ! dem entsprechenden Endabschnitt des Vorderdarms der Biene die gleiche physiologische Bedeutung zuschreibt. Dazu kommt noch, dass die Quer- muskulatur sich von der Kugel auf den cylindrischen Abschnitt des Pumpmagens fortsetzt und durch ihre Kontraktion jene Röhre zu ver- engern im Stande ist. Durch einen solchen Mechanismus wird verständlich, dass mini- male Mengen des Kropfinhaltes je nach dem Bedürfnis der Ameise in den Mitteldarm befördert werden. Was die Kelchblätter, resp. die Kelchglocke in ihren verschiedenen Formen betrifft, so ist es mir wahrscheinlich, dass ihre Bedeutung eine ganz andere ist, als die der hinter den Klappen gelegenen Theile. Während letztere. zur aktiven Beförderung der Speise aus dem Kropfe in den Mitteldarm dienen, dürften die ersteren bei dem Herauswür- gen des Kropfinhaltes in Funktion treten. Sie bewirken dann unter dem Einfluss der Kropfmuskula- tur einen dichteren Verschluss des Pumpmageneinganges. Die mir bekannten mit einem Kelch ver- sehenen Formen der Dolichoderi- den und Gamponotiden können unter drei verschiedene Typen == untergebracht werden. Tas A. Dolichoderiden mit re) Kelchglocke (Iridomyrmex, Bo- Ihriomyrmex, Forelius, Dorymyr- Schematische Darstellung des Kropfes und Pump- MER, Azleca, Liomelopum, Tapı- magens von Tapinoma. Kr, Kropf; Pın, Pump- noma, Technomyrmex). Ein Blick aa ae Kant 1 Auf den schematischen Holzschnit durch unterbrochene feine Linien, diejenige des wird erkennen lassen, dass wenn alten. Tohseialrant Jüekere Linien sich die Muskulatur des Kropfes kontrahirt, der Rand der Kelch- glocke nach vorn gezogen wird, während der Druck des flüssigen 1 { 4 I | ! ! ! i title, III | ln! RN AHHHTH® im: IN; h N N din | | N | N g RN N N | EL NN IpiM N‘ N iger ı.P. Schiemenz, Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. in: Diese Zeitschr. Bd. XXXVIll. p. 80. Uber den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 403 Kropfinhaltes auf die Vorderfläche der Glocke hindert, dass sie als Ganzes nach vorn gezogen werde. Die mehr oder weniger gewölbte Glocke wird dadurch abgeflacht, und dieses wird zur nothwendigen Folge haben, dass die vier Klappen gegen einander gepresst werden. Aber die Kontraktion der über die Kelchglocke gestülpten muskulösen Wand des Kropfes wird noch dabei den Rand der Glocke umgürten und zusammenschnüren und dadurch auf die Klappen in gleichem Sinne wirken, ohne die Kugel zu beeinflussen. B. Plagiolepidini (Plagolepis, Brachymyrmex ete.). In dieser Gruppe geht die Muskulatur des Kropfes ganz kontinuirlich in die des Pumpmagens über; der die Kelchglocke umgebende Abschnitt der Kropfwand besitzt eine starke Quermuskelschicht, welche durch ihre Zusammenziehung die Klappen kräftig gegen einander zu drücken ver- mag und zugleich die geschmeidige Chitinhaut des Kropfes auf die Klappenspalten anpressen und dieselben so dieht wie nur denkbar verschließen wird. Der bedeutende Umfang der Glocke giebt der Kraft der Muskeln festeren Halt; man vergleiche dabei den optischen Schnitt auf Taf. XXVI, Fig. 8. G. Camponotus und echte Gamponotiden mit gestreckten Kelehblättern, welche durch eine Zwischenkelchhaut verbunden sind (man vergleiche das Gesammtbild und die Schnitte auf Fig. I und 2 A, B, 0, D). In dieser höchst vollkommenen Form des Kelchapparates übt die Kropfmuskulatur gar keine Wirkung mehr auf die Klappen aus, beherrscht dagegen eine eigene Verschlussvorrich- tung. Bei schlaffer Kropfwand wird durch die Elastieität der Kelch- blätter das Lumen des Kelches offen gehalten, wie die Fütterungsex- perimente Forer’s mit gefärbter Zuckerlösung beweisen. Es bedarf aber keines experimentellen Beweises zu zeigen, dass die den Kelch umgebende, an die Wand der Kelchrinne sich ansetzende Quermusku-. latur im Stande sein wird jenes Lumen gänzlich aufzuheben. Es scheint mir überflüssig die Bedeutung der von mir beschrie- benen Sekrethäutchen für den dichteren Verschluss der Keleh- und Klappenspalten hier besonders aus einander zu setzen. Fassen wir das Gesagte kurz zusammen: Dasals Kaumagen, richtiger als Pumpmagen bezeichnete Organ der Gampo- notiden und dermiteiner Kelchglocke versehenen Doli- choderiden besteht aus Theilen, welche zwei verschie- denen Funktionen dienen. — Unter der Wirkung der Kropfmuskulatur wird der Eingangzum Pumpmagen ver- schlossen, um beim Akt des Erbrechens den Zufluss des Kropfinhaltes nach der Kugel zu verhindern. — Unter dem a 404 6. Emery, Druck der Quermuskulatur des Pumpmagens wird der Inhalt der Kugel in den Ghylusdarm entleert, während zugleich das Zurückströmen in denKropf unmöglich ge- macht wird. — Beiden Dolichoderiden undPlagiolepidinen wird der Verschluss in beiden Fällen von den Klappen bewirkt. Bei den echten Gamponotiden sind zwei ge- trennte Verschlussvorrichtungen vorhanden: der Kelch gehorcht der Kropfmuskulatur, während die Klappen hauptsächlich dem Pumpapparat zugehören. In den vorhergehenden Zeilen ist von der Wirkung der Längs- muskulatur auf den Pumpmagen wenig die Rede gewesen. Ich muss aber gestehen, dass mir ihre Wirkungsweise durchaus nicht klar ge- worden ist. EineLängsmuskulatur findetsich nur beijenen Pumpmägen, die eine längliche oder dochnichtallzu ge- drungene Gestalt besitzen. Die sehr kurzen Pumpmägen der meisten miteinerKelcehglocke versehenenDolichode- riden entbehren einer Längsmuskulatur ganz und gar. Wie gesagt scheint es mir in den meisten Fällen unmöglich, dass dieses System von Muskelfasern auf die Klappen erweiternd wirke, ich glaube sogar, dass es auf den Pumpmagen überhaupt keine direkte Wirkung auszuüben vermag. — Bei Plagvolepis, wo die kräftige Längsmuskula- tur sich über den Rand der Kelchglocke auf die Kropfhaut fortsetzt, mag ihre Zusammenziehung das Vorderende des Pumpmagens mitten in die Höhle des Kropfes vorwärts schieben, den freien Eintritt der Nahrungsflüssigkeit in die Klappenspalten erleichternd. Bei den echten Camponotiden könnte sie, indem sie die Zwischenkelchhaut zurück- zieht, den Kelch trichterförmig erweitern. Nur bei Liometopum darf eine Wirkung auf die Klappen im Sinne Forrr’s angenommen werden. Als ursprünglichen Typus, aus welchem sich die mannig- faltigen eben besprochenen Formen entwickelt haben mögen, denke ich mir eine elastische mit vier Längsfalten versehene Chitinröhre, umgeben von einer Längs- und Quermuskulatur; als ursprüngliche Funktionsweise, die peristaltische Kontraktion jener Muskulatur, durch welche eine primitive und unvollkommene Pumpwirkung aus- geübt wurde. — Eine nur wenig höher differenzirte Form zeigt uns die artenreiche Gattung Dolichoderus. Es ist hier aber bereits möglich einen vorderen Abschnitt, wo die Falten stärker vorragen, als Klappen- region, einen hinteren mit weiterem Lumen und etwas dickere Chitin- haut als Kugel zu unterscheiden. Das hintere in den Chylusdarm vor- ragende Ende des Pumpmagens ist in dieser Form bereits zu dem als Kropf bezeichneten Ventilapparat differenzirt. Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 405 Eine noch primitivere oder mehr indifferente Bildung findet sich bei Poneriden und Myrmiciden. Der Kropf verlängert sich nach hinten in eine eylindrische oder konische Röhre, welche in den Chylusdarm als schwach ausgebildeter Knopf vorragt. Die Längsmuskulatur scheint zu fehlen. Eine solche Einrichtung bilde ich von Atta ab (Fig. 62). Dieser indifferenten Vorrichtung schließt sich der Pumpmagen von Cryptocerus und Procryptocerus unmittelbar an und lässt sich von der- selben ableiten. Die Wirkungsweise des Cryptocerus- Pumpmagens scheint mir auch von der des gewöhnlichen Myrmieidentypus nicht we- sentlich verschieden und beruht auf der peristaltischen Kontraktion der Quermuskulatur des langen röhrenförmigen Abschnittes. Das mit Mus- kelfasern durchflochtene Bindegewebspolster am Kropfende jenes Ab- schnittes dürfte außerdem beim Erbrechen des Kropfinhaltes als Sphin- ceter wirken. Die pilzhutartige Scheibe betrachte ich als eine Art Sieb, welche den flüssigen Kropfinhalt nur ganz langsam durchtreten lässt; das pilzhutartige Gebilde besitzt keine eigenen Muskelelemente und die besen- oder buckelförmigen Fortsätze, welche seine Spalten besetzen, machen einen ganz dichten Verschluss derselben unmöglich; einen Schließapparat bildet also dieses Organ eigentlich nicht. Aber die ge- wölbte Scheibe scheint mir dazu geeignet wegen der bedeutenden Aus- dehnung ihres Randes der Muskulatur des Kropfes einen festeren An- satz zu bieten; zugleich wird sie bei der Zusammenziehung. dieser Muskulatur, durch Ausfüllen des nun reducirten Lumen des Kropfes, die vollständige Ausleerung desselben erleichtern. Dieselbe Funktion einer die Höhlung des kontrahirten Kropfes aus- füllenden Masse möchte ich auch der voluminösen Kelchglocke von Liometopum, Technomyrmex, Iridomyrmex, Dorymyrmes, Forelius zu- schreiben und selbst bei Plagiolepis dürfte die Kelchglocke in ähnlicher Weise das Erbrechen des Kropfinhaltes erleichtern. Da der Pumpmagen von Dolichoderus der oben besprochenen hy- pothetischen Grundform des Camponotiden- und Dolichoderiden-Pump- magens sehr ähnlich gebaut ist, so dürfen wir annehmen, dass die an- deren Formen sich aus einem in Bezug auf dieses Organ Dolichoderus sehr nahe stehenden Typus entwickelt haben. Die Ähnlichkeit des Dolichoderus Pumpmagens mit dem noch mehr indifferenten der Pone- riden und Myrmiciden lässt ferner einen ursprünglichen Anschluss an diesen Urtypus vermuthen. Innerhalb der Dolichoderidengruppe kommt der Pumpmagen in sehr verschiedenen Gestalten vor, welche sich auf mehrere Entwick- lungsreihen vertheilen lassen. 406 C, Emery, Ganz isolirt steht der Pumpmagen von Leptomyrmex da; seine äußere Form bietet zwar direkte Anschlüsse an Dolichoderus, aber die derbe glasartige Beschaffenheit seiner Wände und die seine Mündung besetzenden pfriemenförmigen Haare verleihen ihm ein ganz eigenthüm- liches Gepräge. Die übrigen Formen, Liometopum allein ausgenommen, lassen sich von einer der bei Azteca vorkommenden ähnlichen Bildung ableiten. In dieser Urform besaß das Organ bereits eine gedrungene Gestalt und entbehrte der Längsmuskulatur. — Zwei Reihen mögen aus jener Form entsprungen sein: die eine führt durch Tapınoma zu Technomyrmex, die andere zu Iridomyrmex und Bothriomyrmex; von ihr zweigt sich eine andere Reihe ab, welche durch Forelius zu Dorymyrmex gelangt. Liometopum bewährt in der gestreckten Gestalt des Pumpmagens und im Besitz der Längsmuskulatur primitive Charaktere und mag sich von einem unbekannten, den Übergang von Dolichoderus zu Azteca bildenden Stadium abe neeh haben. Aus einer Dolichoderidenform ist vermuthlich auch er Stamm der CGamponotiden monophyletisch entsprosst. Trotz der Verschiedenheiten im Bau des Pumpmagens der echten Camponotiden und der Plagiolepis- Gruppe, spricht die von Forzr nachgewiesene Übereinstimmung im Bau der Giftblase für den gemeinsamen Ursprung der beiden Unterabthei- lungen. Der Besitz der Längsmuskulatur macht es nothwendig, den Urtypus des Camponotiden-Pumpmagens ziemlich tief zu suchen, d.h. - bei Formen, die primitiver waren als der Pumpmagen von Azteca, und derselben hypothetischen Verbindungsreihe angehörten, aus welcher ich mir Liometopum entsprosst denke. Der ursprüngliche Gampono- tiden-Pumpmagen entbehrte wahrscheinlich der Kelchblätter sowohl als auch der den Plagiolepidinen eigenthümlichen Kelchglocke. Beide Theile betrachte ich als während der Stammesentwicklung der Gruppe aus der Kropfhaut differenzirte Gebilde. Aus dem eben Gesagten muss geschlossen werden, dass die als Kelchblätter bezeichneten Gebilde der Camponotiden den gleich ge- nannten Theilen einiger Dolichoderiden (Iridomyrmex, Bothriomyrmex) nicht homologe, sondern nur analoge Bidungen sind. In beiden Gruppen sind sie unabhängig dadurch entstanden, dass die Klappen- spalten oder sogar die Rinnen sich auf die freie Fläche des Kelchtheiles der Kropfhaut ausgedehnt haben, um der an die Wand jener Spalten und Rinnen sich ansetzenden Quermuskulatur eine längere Insertions- linie zu bieten. Auf die Phylogenie der betreffenden Gruppe angewendet, würden diese Ergebnisse zu folgendem Stammbaum führen: e Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 407 Dolichoderidae Camponotidae Technomyrmex Technomyrmex Doryn SE, yrmex Bothriomyrmex Plagiolepidini Camponotini Tapinoma Forelius Iridomyrmex —— Azteca Liometopum Urcamponotiden mit indiffe- rentem Pumpmagenkelch Leptomyrmex Dolichoderus Poneridae? Selbstverständlich darf ein solcher auf den Bau eines einzelnen Organs begründeter Stammbaum nur als provisorisch angesehen wer- den. Er ist eigentlich nur eine übersichtliche Zusammenstellung der aus dieser Arbeit sich ergebenden Resultate. Der Pumpmagen von Cryptocerus und Procryptocerus steht als selbständiger aus der Myrmieidengrundform entstandener Spross ganz isolirt. Er ist nur als Ganzes dem Pumpmagen der Camponotiden und Dolichoderiden vergleichbar, aber nicht in seinen einzelnen Abschnit- ten. Da er nur bei neotropischen Formen vorkommt, ist er wahrschein- lich ein sehr modernes Erbstück der betreffenden Ameisengruppe. Bologna, im Januar 1888. Erklärung der Abbildungen. Bedeutung der für alleFiguren gleichen Buchstaben: Kr, Kropf; Kn, Knopf; Krh, Chitinhaut des Kropfes ; Cy, eylindrischer Abschnitt; Pm, Pumpmagen ; Sp, Klappen- und Kelchspalte; Ke, Kelch; R, Rinne; Kbl, Kelchblatt; ar Mad, Mitteldarm (Chylusmagen) ; zkh, Zwischenkelchhaut ; h, Höhlung des Pumpmagens;; Kg, Kelchglocke ; sbl, Sekretblättchen ; Kh, Kelchhügel ; mt, Quermuskel; Kl, Klappe; mi, Längsmuskel; Ku, Kugel; ma, Matrixzellen der Chitinhaut. Kur, Kugelrippe; 408 C. Emery, Alle Querschnittsbilder sind auf gleiche Weise orientirt, und zwar derart, dass die vier Kelchblätter oder die Rinnen den Ecken eines Vierecks entsprechen, dessen Seiten horizontal und vertikal gerichtet sind. Tafel XXVII. Fig. 1. Camponotus ligniperdus. Kropf und Pumpmagen von der Seite. Projek- tion auf die Ebene ww auf Fig. 2 A. Schwache Vergrößerung. Fig. 2. Dieselbe Art. Querschnitte durch den Pumpmagen, stärker vergrößert. 90:14. A, Querschnitt durch die Kelchblätter, in der Richtung aa auf Fig. 1. B, Querschnitt durch die Klappen ; BB Fig. A. C, Querschnitt durch den Übergang der Klappen in die Kugel; yy Fig. 1. D, Querschnitt durch die Kugel; 88 Fig. A. Fig. 3. Querschnitt durch ein Kelchblatt bei starker Vergrößerung. 550 :4 (homog. Immers.). Die Weichtheile sind durch Kalilauge zerstört. ch, Chitinhaut; hb, ihr Haarbesatz. Fig. 4. Ein Stück desselben Präparates noch mehr vergrößert. 1500:4. Fig. 5. Prenolepis longicornis. Seitenansicht des Kelches und der Kugel. 390: 1. Fig. 6. Prenolepis vividula. Querschnitte durch den Pumpmagen: die Schnitt- richtung ist etwas schräg. 650:1 (homog. Immers.). | A, Schnitt durch die Enden der Kelchblätter; der gezeichnete Schnitt ist der zweite, welcher die Spitze des Kelchblattes oben links trifft, die übrigen Kelchblätter sind weiter nach hinten getroffen. B, Schnitt durch die Klappen. C, Übergang von den Klappen zur Kugel. Fig. 7. Oecophylla smaragdina. Querschnitte durch den Pumpmagen. 180:1. Schnittrichtung etwas schräg. A, Schnitt durch das vordere Ende der Kelchblätter. Das Kelchblatt oben links ist sehr nahe an seiner Spitze getroffen: an den zwei oberen Kelchblättern ist die auf dieselben verlängerte Klappenspalte noch ganz mit Haaren ausgefüllt; auf den unteren beiden Kelchblättern erscheint das freie Lumen der Rinne; sie besitzen einen nach außen gerichteten leistenartigen Fortsatz f zum Ansatz der Quermuskeln. Schnitt weiter nach hinten. Die vom Sekretblättchen bedeckte Flügel- fläche der Kelchblätter ist weniger ausgedehnt als auf- Fig, A. Schnitt durch die Klappen. Rechts unten dehnt sich die Rinne in die entsprechende Kugelrippe aus. Oben und links unten erscheinen die letzten Spuren der die Kelchblätter bedeckenden Sekretblättchen. D, Schnitt durch den Übergang der Klappen zur Kugel: es ist nur der mittlere Theil des Schnittes gezeichnet. Fig. 8. Plagiolepis longipes. Etwas schematisirte Ansicht des Pumpmagens im optischen Längsschnitt. Schnittrichtung nach oa in Fig. 9 A. 180:4. Fig. 9. Querschnitte durch dasselbe Organ. 270:4 (homog, Immers.). A, Schnitt in der Höhe der Kelchglocke. B, Schnitt weiter nach hinten : oben rechts ist die Kelchglocke nicht mehr vorhanden; die daselbst auftretende Rinne erhält den Ansatz der Quermuskulatur. C, Schnitt durch den unbehaarten Abschnitt der Klappen. = S>) Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 409 Fig. 410. Brachymyrmex Heeri, zwei Querschnitte durch den Pumpmagen. 550:4 (homog. Immers.). A, Schnitt etwas vor der hinteren Grenze der behaarten Klappenregion. B, Schnitt an der vorderen Grenze der Kugel. Fig. 14. Liometopum microcephalum. Halbschematisches Längsbild des Pump- magens, nach Längsschnitten konstruirt. Projektion auf die Fläche ww, Fig. 42. 132.1. Fig. 12. Dieselbe Art. Portion eines Querschnittes durch die hintere Grenze der Kelchglocke; Richtung nach oa, Fig. 14, ‚Links tritt die Klappenspalte mit der Oberfläche der Glocke in Verbindung; rechts ist jene Verbindung bereits gelöst, 300:4. Fig. 43. Schnitte durch die Chitinhaut der Klappen stärker vergrößert. 550:4 (homog. Immers.). A, in der Nähe der Kelchglocke; die von Porenkanälen durchsetzte Haut trägt Haare. B, weiter nach hinten; die Haut ist unbehaart. Fig. 14. Flächenbild der Kelchglocke: Einstellung auf die Basis der Haare. 550:4, Fig. 45. Dolichoderus gibbifer. Querschnitt durch die Klappenregion des Pump- magens. 180:1. Fig, 16. D. attelaboides. Querschnitte des Pumpmagens. 140:4. A, durch die Klappenregion. B, durch den der Kugel entsprechenden Abschnitt. Tafel XXVII. Fig. 47. Iridomyrmex humilis. Flächenansicht des Pumpmagens als durchsich- tiges Objekt. Links oben ist eines der Sekretblättchen gezeichnet, welche die Kelch- glocke bedecken; die übrigen drei wurden bei der Präparation entfernt. 480:1. Fig. 48. Dieselbe Art. Längsschnitt des Pumpmagens, ungefähr in der Richtung au auf Fig. 47. Rechts ist die Wand einer Klappe Kl zum Theil von der Fläche sicht- bar. 480:A, Fig. 49. I. humilis, kleinere Form. Querschnitt (etwas schräg) durch den Rand der Kelchglocke und den hinteren Theil der Kugel. 200:4, Fig. 20. I. purpureus. Flächenansicht des Pumpmagens als durchsichtiges Ob- jekt. Haupteinstellung auf die Höhlung der Kugel. Die höher liegenden Klappen- spalten sind sehr blass gezeichnet. Oben links ein Sekretblättchen. Die anderen weggelassen. Von der Quermuskulatur ist ein äußeres Bündel mt’ getrennt, wel- ches die Enden der Kelchglockenlappen (Kelchblätter) verbindet. 90:4. Fig. 24. Dieselbe Art. Querschnitte durch den Pumpmagen. Es wurden nur die Chitingebilde gezeichnet. 90:4. A, die Kugelhöhle steht auf dem Schnitt in Verbindung mit den behaar- ten Klappenspalten. B, rechts unten sieht man noch den letzten Rest der Verbindung der Kugelhöhle mit einer Klappenspalte. Die Kelchblätter sind noch mit einander verbunden. Die Kropfhaut ist zwischen die Kelchblätter und die Kugel von hinten eingestülpt. C, die Kelchblätter sind auf dem Schnitt von einander getrennt; die Kugel an ihrem hinteren Ende getroffen. 410 C. Emery, Fig. 22. Ein Kelchblatt von Fig. 24 C bei starker Vergrößerung. 550: (homog. Immers.). Fig. 23. ee meridionalis. Flächenbild des Pumpmagens als durch- sichtiges Objekt. 270: Fig. 24. Dieselbe Er Querschnitte. 380:4. A, Schnitt nahe an der Vorderfläche;; der etwas schräge Schnitt fällt fast ganz auf die Höhe der behaarten Klappenspalten; nur an einem Ort erscheint der Anfang einer Rinne. B, die Trennung des Kelchblattes vom tieferen unbehaarten Abschnitt der Klappenspalte (resp. von der Binne) ist bereits angedeutet. C, die Trennung genannter Theile ist bereits erfolgt. Auf Fig. B und ( ist nur ein Theil des Schnittes abgebildet. Fig. 25. Azteca instabilis. Pumpmagen von vorn, etwas schief als durchsichtiges Objekt. 480:4. Fig. 26. Dieselbe Art (Puppe). Querschnitt nahe an der Oberfläche, bein, n ist der behaarte Theil der Kelchglocke schief getroffen. 300 :4. Fig. 27. Schiefe Schnitte durch die Kelchglocke von Azteca. 100:4, A, sehr oberflächlich. B, durch den Rand der Glocke, Fig. 28. Oberer rechter Strahl von Fig. 27 B stärker vergrößert. 550:4 (homog. Immers.). Der Schnitt trifft die Stelle, wo die Wand der Rinne noch eben mit der der Glocke zusammenhängt. Fig. 29. Forelius Me. Cooki. Pumpmagen von vorn. 255:4. Fig. 30. Dieselbe Art. Seitenansicht; Projektion auf die Fläche wo (s. die vorige Figur). 235:4. Fig. 34, Dieselbe Art. Theil eines Querschnittes in der Höhe von oa Fig. 30. Das Bild entspricht etwa der Fig. 24 CO von Bothriomyrmex. 550 :4 (homog. Immers.). Fig. 32. Dorymyrmex pyramicus. Pumpmagen von vorn (a bezeichnet auf dieser und folgender Figur die gleiche Stelle des Organs; Erklärung im Text). Die Kelch- glocke ist als wenig durchsichtig dargestellt. Die Quermuskulatur erscheint als dunkler Schatten. 480:1. Fig. 33. Dieselbe Art. Seitenansicht eines kleineren Exemplares. Projektion auf der Fläche ww auf Fig. 32. 180:4, Fig. 34. Querschnitte durch den mit Eau de Javelle behandelten Pumpmagen von Dorymyrmex. Die Umrisse des erweichten Organs sind durch Zerrung entstellt. 550: (homog. Immers.). Es wurde nur ein Theil jedes Schnittes gezeichnet. A, Rinne noch mit der behaarten Klappenspalte in a Schnitt in der Höhe ou, Fig. 33. B, die Trennung ist erfolgt. Eine Einfaltung bezeichnet die Fortsetzung der Klappenspalte auf dem, einem Kelchblatte von Bothriomyrmes entsprechenden Lappen der Kelchglocke. $ß, Fig. 33. C, Schnitt weiter nach hinten; yy, Fig. 33. Die Fortsetzung der Klappen- spalte ist nur durch die Ändening in der Richtung der Haare ange- deutet. Fig. 35. Leptomyrmex erythrocephalus. Perspektivansicht des vorderen Endes des Pumpmagens. Die vordere Hälfte bildet einen wenig tiefen viereckigen Trich- ter. Die Kropfhaut ist über den Pumpmagen nach hinten gestülpt. 90:4. Fig. 36. Dieselbe Art, Drei Schnitte durch das in Eau de Javelle erweichte und in Karmin tingirte Organ. 440:4, Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. 411 A, sehr oberflächlicher Schnitt; wegen der etwas schiefen Richtung ist nur ein Theil des Eingangstrichters getroffen. B, Schnitt durch die behaarte Klappenregion. C, Übergang zur Kugel: rechts unten das Ende einer Kianpenspalis: Tafel XXIX, Fig. 37. Tapinoma melanocephalum. Pumpmagen von vorn. 370:4. Fig. 38. Dieselbe Art. Längsschnitt in der Richtung ww auf voriger Figur. 650: (homog. Immers.). Fig. 39. Tapinoma erraticum var. nigerrimum. Flächenansicht des etwas schief gestellten Pumpmagens. 210:4. Fig. 40. Dieselbe Art, ein Stück von der Fläche der Kelchglocke: links bei tiefer, rechts bei oberflächlicher Einstellung. 650:4 (homog. Immers.). Fig. 44. Dieselbe Art. Schnitt senkrecht auf eine Klappenspalte. 650 :1. Fig. 42. Technomyrmex strenuus. Pumpmagen von der Vorderfläche: Rechts Einstellung auf die Oberfläche. Oben optischer Querschnitt in der Höhe des größten Durchmessers der Kelchglocke. Links und unten sind der allgemeine Umriss und zwei optische Durchschnitte der Kugel in einander gezeichnet. 270:4. Die Fig. 43 bis 48 beziehen sich auf dieselbe Art. Fig. 43. Querschnitt durch den unteren Theil der Glocke. Links oben steht die Rinne noch in Verbindung mit der Klappenspalte. 550: 4. Fig. 44. Längsschnitt in der Richtung ww Fig. 42. 240:4. Fig. 45. Ein Theil eines solchen Schnittes durch die Kelchglocke sehr stark vergrößert. 4500:4. Fig. 46. Flächenbild in der Mitte eines Kelchhügels: Einstellung auf den Quer- schnitt der Hohlsprossen. 650:4 (homog. Immers.). | Fig. 47. Flächenbild der Spitze eines Kelchhügels, nach Behandlung mit Bau de Javelle. Einstellung auf die Oberfläche. 600:4. Fig. 48. Isolirt dargestellte Hohlsprossen der Kelchglocke; nach demselben Präparat. 750:4. Fig. 49. Technomyrmex albipes. Optischer Querschnitt durch eine Klappen- spalte. 370:4, Fig. 50. Technomyrmezx grandis. Flächenbild der Kelchglocke; oberflächliche Einstellung. 650 :1. Fig. 51. Cryptocerus atratus. Querschnitt durch die pilzhutartige Scheibe des Pumpmagens, nicht weit von der Vorderfläche. Die Oberfläche des Organs ist durch die Einwirkung von Kalilauge gereinigt. Die besenförmigen Hohlsprossen der Chi- tinhaut sind nur zum Theil dargestellt. 55 : 4. Fig. 52. Dieselbe Art. Querschnitt weiter nach hinten, aus einer anderen Serie. Die Chitinfortsätze sind durch den eingedickten Kropfinhalt verklebt und bedeckt. 33.1. Fig. 53. Mittlerer Theil desselben Schnittes stärker vergrößert. 92:1. Fig. 54. Schnitt durch den röhrenförmigen Abschnitt des Pumpmagens aus derselben Serie wie Fig. 52. 92:4. Fig. 55. Der mittlere Theil von Fig. 51 stark vergrößert. 380:4. Fig. 56. Schnitt senkrecht zur Oberfläche der pilzhutförmigen Scheibe von Cr. atratus. 380:1. Fig. 57. Cr. atratus. Halbschematisches Bild des längsdurchschnittenen Pump- magens; Schnittrichtung aa Fig. 54 ; nach Querschnitten konstruirt. 60:4. — 412 6. Emery, Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. Fig. 58. Oryptocerus grandinosus. Flächenbild der pilzhutförmigen Scheibe. 380:1. Fig. 59. Optischer Querschnitt am Rande desselben Organs. 380:4. Fig. 60. Or. atratus. Flächenbilder der Kropfhaut. 255:1. A, die Sternfalten fast ganz ausgebreitet. B, die Sternfalten sind mehr zusammengezogen und erscheinen als dunkle Sterne. i Fig. 64. Senkrechter Schnitt durch dieselbe Kropfhaut. ch, Chitin; m, Muskel- fasern. 255:4. Fig. 62. Atta sexdens. Hinterer Theil des Kropfes und Pumpmagens. 20:1. Fig. 63. Chitinhaut des hinteren Theiles des Kropfes nach demselben Präparat ; Flächenansicht; die dunklen Streifen sind Muskelfasern. 380 :1. Fig. 64. Optischer Schnitt derselben Kropfwand an einer radiär verlaufenden Falte. 380: 1. Über die Hautsinnesorgane der Insekten‘. Von | Dr. Otto vom Rath. Mit Tafel XXX und XXXl. Die Hautsinnesorgane der Insekten, so weit sie äußerlich als Sinneshaare, Kegel, Zapfen, Borsten, Gruben etc. erkennbar sind, waren schon Gegenstand vieler und sorgfältiger Untersuchungen. Unter den Autoren ist in erster Linie Leyvic (Nr. 55) zu nennen, welcher in umfassender Weise das Vorhandensein derartiger Organe an den An- tennen und Palpen vieler Insekten der verschiedenen Ordnungen nach- wies. Auch von vielen anderen Forschern wurden bei einzelnen Insekten mehr oder weniger ausführliche Beschreibungen der Haut- sinnesorgane gegeben, welche an den Antennen, den Palpen, den Maxillen, der Unterlippe, dem Epipharynx und Hypopharynx sich fanden. Während so die Angaben über die chitinösen Gebilde der Hautsinnesorgane sehr reichlich vorliegen, haben nur wenige Autoren den nervösen Endapparat auf Schnitten studirt. Da diese Beobachtun- gen über den histologischen Bau sich vielfach widersprechen, so schien es mir angezeigt, den nervösen Endapparat bei einer größeren Zahl von Insekten auf Schnitten eingehend zu studiren; bei dieser Unter- suchung ließ sich auch hinsichtlich der chitinösen Theile Manches genauer feststellen, als es bisher bekannt war. Es scheint mir, dass die genaue Kenntnis der Hautsinnesorgane nicht allein von histologi- schem Interesse ist, sondern auch eine nothwendige Grundlage für die physiologische Deutung bildet. Zur Konservirung empfiehlt es sich die zu untersuchenden Organe (Antennen, Palpen etc.) gleich vom lebenden Thiere abzuschneiden und 1 Eine vorläufige Mittheilung der Resultate dieser Arbeit ist im Zool. Anzeiger 1887, Nr, 266 und 267 veröffentlicht. 414 Otto vom Rath, sofort in das Härtungsmittel zu bringen. Einlegen in Ghromsäure oder Chrom-Osmium-Essigsäure, wie auch Behandlung mit Sublimat oder Pikrinschwefelsäure haben mir keine besonders günstigen Präparate gegeben. Die besten Resultate erhielt ich durch sofortiges Einlegen in Alkohol absolutus. Nach einigen Tagen brachte ich die Objekte in Pikrokarmin (aus dem Ranvıer’'schen Laboratorium), Alaunkarmin, Alaunkochenille oder Boraxkarmin, und aus dem Färbungsmittel wur- den die Präparate in bekannter Weise durch Alkohol und Chloroform in Paraffin übergeführt. Zur Vergleichung verwandte ich auch mit gutem Erfolg nachträgliche Färbung der Schnitte auf dem Objektträger durch Hämatoxylin oder Boraxkarmin. Sehr hübsche Präparate erhält man, wenn man vom lebenden Thiere die zur Untersuchung bestimm- ten Theile abschneidet und vor dem Einlegen in Alkohol absolutus eine kurze Zeit den Dämpfen von Überosmiumsäure aussetzt; solche Präpa- rate werden am besten auf dem Objektträger mit Hämatoxylin nach- gefärbt. Ich habe bei allen Formen, welche ich beschreiben wollte, mehrere Färbemittel versucht. | | Ich will zunächst in übersichtlicher Weise zusammenstellen, welchen Bau die Hautsinnesorgane der Insekten im Allgemeinen be- sitzen. Sodann sollen die Beobachtungen an den Repräsentanten der einzelnen Ordnungen im Speciellen besprochen werden. Die Angaben der Autoren werden bei den einzelnen Ordnungen erwähnt werden. Die physiologischen Deutungen der Organe will ich in der allgemeinen wie in der speciellen Beschreibung ganz außer Acht lassen und hin- sichtlich derselben nur im letzten Abschnitt einige Bemerkungen an- fügen. An dieser Stelle möchte ich Herrn Privatdocenten Dr. H. E. Zıec- LER meinen wärmsten Dank aussprechen für das lebhafte Interesse, welches er meiner Arbeit geschenkt hat. Herr Dr. ZıwcLer hat meine sämmtlichen Präparate durchgesehen und meine Untersuchungen be- stätigt. Allgemeiner Theil. Bei dem starren Chitinpanzer der Insekten wird die Sinnes- perception durch mehr oder weniger modificirte Haare vermittelt. Theils unterscheiden sich die der Sinnesfunktion dienenden Haarge- gebilde äußerlich so wenig von gewöhnlichen Haaren, dass sie nur durch die an der Basis befindlichen Sinneszellen zu solchen gestempelt werden, theils- besitzen sie die eigenthümlichen Formen, die als Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 415 Kegel !, Zapfen, Kolben, Borsten ete. beschrieben sind. Die Chitinschicht ist an denjenigen Stellen, wo ein Haargebilde (gewöhnliches Haar, Sinneshaare, Kegel etc.) aufsitzt, von einem mehr oder weniger feinen Kanal, dem Porenkanal, durchsetzt. Die Wandung des Porenkanals kann aus der dunkleren und härteren Modifikation des Chitins? be- stehen, so dass sie als cylinderförmige oder konische Röhre erscheint. Die gewöhnliche Einlenkungsweise der Haargebilde ist diejenige, dass sie einer Papille aufsitzen, nämlich einer kleinen kuppelförmigen, dünnen Chitinmembran (Kuppelmembran Krärzrın’s, membran peri- pilaire Forzr’s), welche sich vom Rande des Porenkanals erhebt (Fig. 12, 14a und andere). Es wird durch diese Einrichtung eine gewisse Be- weglicheit des Haargebildes erreicht. Die sogenannten geschlossenen Gruben der Hymenopteren (»Poren- platten« KräpeLıy’s) und die ähnlichen Organe, die ich an den Antennen bei Käfern, z. B. Cetonia (Fig. 22 und 26) gefunden habe, kann man auf den Typus des Haargebildes zurückführen. Da von einer Grube nicht wohl die Rede sein kann, sondern einfach von einem durch eine Mem- bran geschlossenen Porenkanal, möchte ich die Bezeichnung Mem- brankanal vorschlagen. Man kann denselben in der Weise entstan- den denken, dass das Haargebilde rudimentär geworden und nur die Papille zurückgeblieben ist (vgl. « und 5 in Fig. 32). Man kann aber auch den Membrankanal in der Weise auf ein Haargebilde zurückführen, dass man in der Verschlussplatte das redueirte Haar sieht und die feine Membran, mittels welcher die Verschlussplatte eingelenkt ist, der Papille homolog setzt (vgl. Fig. 26). Die letztere Ansicht ist schon von mehreren Autoren, z. B. Scnizmenz (Nr. 77) und Forer (Nr. 28°) vertre- ten worden. Die Verschlussplatte des Membrankanals von einem um- gelegten Haare abzuleiten, scheint mir die Entstehungsweise der Mem- brankanäle nicht zu vereinfachen, und glaube ich, dass es sich nir- gends empfiehlt umgebogene Haare (poils couch&s) und Membrankanäle in eine Gruppe zusammenzufassen, wie es Forer (Nr. 28° p. 327) ge- than hat. Meist liegt der obere Rand des Porenkanales in der Ebene der 1 In meiner früheren Arbeit (Nr. 69) habe ich nach dem Vorgang von SAZEPIN (Nr. 74) die mit deutlicher Öffnung versehenen Sinneshaare Kegel, und die ge- schlossenen Zapfen genannt. Da die Entscheidung über die Existenz einer Öff- nung häufig nahezu unmöglich ist, so habe ich diese Unterscheidung aufgegeben, und gebrauche den Ausdruck Kegel ohne Rücksicht darauf, ob seine Spitze eine Öffnung besitzt oder nicht. 2 Es können zwei in einander übergehende Modifikationen des Chitins unter- schieden werden, eine gelblich-braune härtere und eine helle weichere. Die letz- tere ist wahrscheinlich für Reagentien einigermaßen durchlässig. 416 Otto vom Rath, Chitinoberfläche, es kann aber sein, dass die Chitinschicht eine Ein- senkung besitzt, so dass das Haargebilde im Grunde einer mehr oder weniger tiefen Grube eingepflanzt ist (offene Grube mit Sinneskegel der Autoren). Trichterförmig ist die Grube auf der Palpe von Tipula Fig. 29, weinglasförmig bei der Antenne von Gomphocerus rufus (Fig. 12), flaschenförmig bei der Antenne von Zygaena (Fig. 5); im letzteren Falle ist der Rand der Chitingrube kragenförmig erhoben und in erhöhtem Maße ist dies der Fall bei der Antenne von Aglia tau (Fig. 6); bei der Antenne von Vanessa urticae ist die Grube sehr tief und zeigt an ihrer Wandung haarartige Vorsprünge (Fig. 7). Bei der Antenne des Maikäfers (Fig. 32) finden wir Gruben, welche theils Sinneskegel, theils Mem- brankanäle enthalten. Zum Unterschied von den weiterhin zu bespre- chenden Fällen will ich solche Chitingruben, welche nur einen Sinnes- kegel enthalten, als einfache Ghitingruben bezeichnen. Es kann auch eine Grube mehrere Sinneskegel enthalten (Antenne vieler Dipte- ren, Palpe von Bibio [Fig. 24]); von besonderem Interesse sind dieje- nigen Fälle, in welchen ein ganzes mit vielen Sinneshaaren besetztes Feld sich zu einer großen blasenförmigen Grube eingestülpt hat; hier- hin gehören sowohl die großen Gruben der Antennen der Museiden als auch die großen flaschenförmigen Gruben, welche ich an der Spitze des Lippentasters der Schmetterlinge gefunden habe (Fig. 16). Durch eine derartige Einsenkung eines Sinnesfeldes können auch in einer einzigen großen schüsselförmigen Chitingrube viele einfache Chitingruben ver- einigt werden, in deren jeder ein Sinnesorgan sich befindet; ein solcher Fall liegt bei den »vergesellschafteten Gruben« der Maikäferantenne vor. An der Basis jedes einer Sinnesfunktion dienenden Haargebildes findet man in manchen selteneren Fällen eine einzige Sinneszelle, meist aber eine Gruppe von Sinneszellen (Ganglion! der Autoren). Das erstere ist z. B. in dem oben erwähnten Organ der Schmetterlings- palpe der Fall, wo in jeden Kegel ein deutlicher Fortsatz einer einzigen großen Sinneszelle eintritt (Fig. 16). Gewöhnlich gehören zu einem Kegel oder Sinneshaar viele Sinneszellen, welche zu einer länglichen Gruppe vereinigt sind (Fig. 1, 8, 12). Die Kerne der Sinneszellen sind rund und besitzen ein gleichmäßiges Chromatinnetz; sie erscheinen meist heller als die Kerne der Hypodermiszellen. (Vergleiche auch 1 In meiner früheren Arbeit (Nr. 69) habe ich auch diese Bezeichnung ge- braucht. Da die Zellen, wie ich eben dort dargelegt habe, Fortsätze in das Haar- gebilde entsenden, müssen sie natürlich Sinneszellen genannt werden. Es muss zugegeben werden, dass, wenn die Gruppe der Zellen sehr groß ist, die proxima- leren derselben Ganglienzellen sein können ; doch dürfte dies sehr schwer zu ent- scheiden sein. Über die Hautsinnesorgane der Insekten. | 417 meine Beobachtungen an den Riechhaaren des Flusskrebses [Nr. 69 p- 429].) An die Sinneszellen vertheilt sich der dem Sinnesorgane zukommende Nerv; die Zellen entsenden lange feine Fortsätze nach vorn in das Haargebilde, diese legen sich zu einem Bündel, dem Ter- minalstrang (Achsenfaden, Chorda der Autoren), zusammen, welcher häufig seine Zusammensetzung aus einzelnen Fasern deutlich erkennen lässt. Die Gruppe der Sinneszellen kann ganz in der Hypodermis liegen, . oder auch mehr oder weniger weit nach hinten aus derselben heraus- treten. Die Gruppe der Sinneszellen ist mit einer Hülle umkleidet, die aus flachen Zellen mit abgeplatteten Kernen besteht und als kontinuir- liche Fortsetzung des Neurilemms des Nerven erscheint. Häufig ist es deutlich, dass diese Hülle den Terminalstrang umkleidet und sich an den unteren Rand des Porenkanals ansetzt (Fig. 14 a u. 27). Ich glaube, dass die Zellen dieser Hülle von Hypodermiszellen nicht principiell zu unterscheiden sind. Wenn die Gruppen der Sinneszellen in größerer Zahl neben einander gruppirt sind und eine Strecke weit von den Sin- neshaaren zurückliegen, so bemerkt man immer zwischen den Termi- nalsträngen längliche Kerne, welche langgestreckten Hypodermiszellen angehören (Fig. 17, 20). Von diesen Zellen sind die der eben genannten Hülle des Terminalstranges nur schwer zu unterscheiden. Oft hat sich die Hülle sowohl am Nerven als auch an der Gruppe der Sinneszellen und am Terminalstrang etwas abgehoben, so dass zwischen ihr und den Gebilden des nervösen Apparates ein hellerer Zwischenraum wahrzu- nehmen ist (Fig. 14 a und 27). Wenn die Kegel zahlreich auf einem Felde vereinigt sind, so kön- nen die zu den einzelnen Haargebilden gehörigen Sinneszellengruppen zu einer kompakten Masse zusammengedrängt werden (Fig. 2, 17). In dem scheinbar »einzigen Ganglion« lassen sich dann leicht die einzelnen in die Länge gestreckten Gruppen unterscheiden und findet man zwi- schen denselben die flachen Kerne ihrer Bindegewebshülle; auch die Terminalstränge sind einander genähert und zwischen denselben liegen flache Kerne, welche der bindegewebigen Hülle der Terminalstränge oder zwischenliegenden Hypodermiszellen angehören, keinesfalls aber zur Annahme eines weiteren vorderen Ganglions im Sinne Sazepın’s (Nr. 74) berechtigen. Die eben erwähnte Zusammenlagerung der Sin- neszellengruppen tritt besonders deutlich bei Käferpalpen hervor, z. B. bei Melolontha (Fig. 19). Ganz neuerdings stellt Künker ! (Nr. 47°) auf Grund seiner Beob- ! »En resume, chez les insectes, tout renflement nerveux, qu'il soit affecie ä la sensibilite generale ou A la sensibilite sp&ciale, consiste essentiellement en une Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 28 418 Otto vom Rath, achtungen bei Volucella und anderen Dipteren die Behauptung auf, dass der nervöse Endapparat bei sämmtlichen Insekten in der Weise gebaut sei, dass der Nerv an eine einzige große Ganglienzelle herantrete, deren distales Ende in den Kegel gehe. Diese Zelle sei von mehreren anderen Zellen mit kleineren Kernen umhüllt, welche dem Neurilemm zuge- rechnet werden. Ich habe an den Präparaten der Dipteren, welche ich untersucht habe, auch an denen von Volucella, eben so wenig wie bei anderen Insekten ein Bild gesehen, welches der Auffassung Künker’s zur Stütze dienen könnte; ich habe nur immer eine Gruppe von ganz gleich großen Sinneszellen bemerkt. Was Künker für umhüllende Zellen hält, sind Sinneszellen, und erst außerhalb derselben findet man die Hülle, welche sich proximalwärts in das Neurilemm des Nerven fortsetzt und deren Kerne von den Kernen der Sinneszellen sehr weit verschieden sind. Der Lage nach könnten noch eigenthümliche Zellen mit den Sin- nesorganen in Beziehung gebracht werden, welche sich in manchen Fällen hinter der Gruppe der Sinneszellen finden. Bei den Antennen mancher Insekten, den Palpen von Coccinella (Fig. 17), Chrysomela, Cetonia, ferner den »Geschmacksorganen« der Hymenopteren (Fig. 1% a) auf der Unterseite der Maxille und der Zunge) trifft man unterhalb der Sinneszellengruppen, in der Umgebung des Nerven aber ohne jede nachweisbare Beziehung zu demselben, eine Anzahl eigenthümlicher großer Zellen. Ganz ähnliche Zellen sind schon an den Sinnesorganen der Chilognathen beobachtet, und habe ich früher (Nr. 69) die Ansicht ausgesprochen, dass sie ihrer Bedeutung nach dem Fettkörper nahe stehen. Wiırr (Nr. 86) hat dieselben bei den »Geschmacksorganen« der Hymenopteren gesehen und als Drüsenzellen aufgefasst. Manchmal ist der Habitus dieser Zellen drüsenähnlich und ich will dieser Deutung keineswegs entgegentreten, aber eben so wenig wie WILL ist es mir ge- lungen, mich mit Sicherheit von der Existenz von Ausführungsgängen zu überzeugen. So viel steht wohl fest, dass sie zum eigentlichen Sin- nesapparat nicht gehören, und möchte ich zum Beweis dafür noch die Beobachtung beiziehen, dass bei Coccinella nicht allein das die Sin- nesorgane enthaltende Endglied der Palpe (Fig. 17), sondern auch vor- hergehende Glieder die fraglichen Zellen mit großer Deutlichkeit zeigten. cellule bipolaire, veritable terminaison nerveuse en rapport d’une part avec le cylindre-axe de la fibre nerveuse, d’autre part avec un bätonnet nerveux qui en est le prolongement; ce bättonet est coiffe d’un poil proprement dit ou d’un poil transforme. Tantöt cette cellule est entouree, simplement par le nevrileme, tan- töt le nevrileme se dilate plus ou moins en forme de sac, par l’accumulation dans son interieur d’un nombre variable de cellules qui dependent de lui.« (Künker, 1. c.) Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 419 Ich zweifle nicht daran, dass irgend welche physiologische Beziehung zwischen diesen Zellen und den Sinneszellen existirt, doch scheinen sie für die Hautsinnesorgane im Allgemeinen nicht nothwendig zu sein, da ich sie in vielen Fällen trotz sorgfältiger Nachforschung nicht finden konnte. Ich nenne die in Rede stehenden Zellen Begleitzellen, weil sie den Nerven bei seinem Eintritt in die Sinneszellengruppen begleiten und da es zur Zeit nicht möglich ist, die Zellen nach ihrer physiologischen Bedeutung zu bezeichnen. Specieller Theil. Im Folgenden will ich angeben, welche Sinnesorgane ich bei den Vertretern der einzelnen Ordnungen der Insekten! beobachtet und genauer untersucht habe, und welche Beobachtungen über die einzel- nen Ordnungen in der Litteratur vorliegen. Thysanura. Aus der Familie der Lespismidae untersuchte ich Machilis po- lypoda. Im Aligemeinen sind die histologischen Bilder, welehe man bei die- sem Thiere erhält, viel weniger klar und deutlich als bei anderen In- sekten und man muss zur Deutung die Analogien der an anderen In- sekten gemachten Beobachtungen zu Hilfe nehmen. Antennen. Auf den einzelnen Fühlergliedern, meist am Vorder- rande, fand ich auf Schnitten einige wenige, etwas gebogene Sinnes- kegel, welche sich von den Haaren durch ihre geringe Größe, ihr abgestumpftes Ende und ihren auffallend blassen Ton leicht unter- scheiden. Auch für die langen Haare, die in großer Anzahl an der ganzen Antenne zerstreut stehen, kann man eine Sinnesfunktion ver- muthen, da sich die Zellen der Hypodermis unter jedem Haare zu einer Gruppe zusammenlagern. Chitingruben bemerkte ich nicht. Palpen und Laden des Unterkiefers und der Unter- lippe. Aufder Palpe der Maxille sah ich auf der Spitze des Endgliedes und an der äußeren Längsseite der drei letzten Glieder große, blasse Kegel vereinzelt zwischen den übrigen Haaren. Zugehörige Sinnes- 1 Beiläufig will ich hier die Sinnesorgane der Kämme der Skorpione erwähnen, auf welche mich Herr Professor Dr. CArrıErE aufmerksam machte. Man findet auf den einzelnen Blättern der Kämme viele kleine Kegel, deren nervöser Endapparat sehr an die Befunde bei Insekten, z. B. die Palpen von Coccinella (Fig. 47) erinnert. Die Kegel stehen dicht gedrängt, die zugehörigen Gruppen von Sinneszellen, welche unter der Hypodermis liegen, sind langgestreckt und liegen dicht beisammen. 28* 420 Otto vom Rath, zellen konnte ich auf meinen Schnitten nicht mit befriedigender Sicher- heit nachweisen, jedoch bemerkte ich hin und wieder an der Basis dieser Kegel eine einzige große Zelle, die von den Zellen der Hypodermis sowohl durch ihre Größe als durch ihren Habitus verschieden war. Der Nerv der Maxillarpalpe ist sehr stark. Die viergliederige Palpe der Unterlippe ist schon äußerlich sehr von der Palpe der Maxille verschieden und erinnert sehr an die An- tenne mancher Chilognathen (Nr. 69); sie zeigt auf der Spitze eine An- zahl relativ großer Kegel, deren Sinneszellengruppen ich auf Schnitten sehr deutlich sah. Fig. 3 a stellt das Endglied dieser Palpe im Längs- schnitt dar. In die Palpe tritt ein kräftiger Nerv ein, welcher sich im letzten Gliede der Palpe in eine Anzahl Äste spaltet; jeder Ast tritt an eine langgestreckte Gruppe von Sinneszellen, in welchen er sich ver- liert. Jede Gruppe von Sinneszellen entsendet nach vorn einen schma- len Terminalstrang von faseriger Struktur, welcher in einen Kegel ein- tritt. Wie in anderen Fällen liegen zwischen den Terminalsträngen unter der Chitinschicht zahlreiche Hypodermiszellen mit länglichen Kernen. Unterhalb derselben, da wo die Terminalstränge aus den Gruppen von Sinneszellen hervortreten, aber ohne Beziehung zu letz- teren, trifft man eigenthümliche Zellen, wie sie bei keinem anderen In- sekt an entsprechender Stelle gefunden werden; sie erinnern dem Ha- bitus nach an die eigenthümlichen Begleitzellen, welche bei vielen Insekten hinter den Sinneszellengruppen beobachtet werden. Man kann übrigens schwer entscheiden, ob Zellen mit kleinen Kernen oder Kerne mit relativ großen Kernkörperchen vorliegen. Die Zellen besitzen auf den ersten Blick einige Ähnlichkeit mit Blutkörperchen, aber es kann kein Zweifel sein, dass es fixe Zellen sind, die immer an der bestimmten Stelle in einer gewissen Regelmäßigkeit getroffen werden. Machmal glaubt man Übergangsformen von den Kernen der Hypodermis zu den fraglichen Gebilden konstatiren zu können. Sicherlich gehören die Zellen nicht zu dem pereipirenden Apparat. An der Vorderfläche des Lobus externus der Maxille und an dem Vorderrande der acht Lappen der Unterlippe fand ich in großer Anzahl kleine, blasse einer Papille aufsitzende Haare. Zu jedem dieser Haare geht ein deutlicher Fortsatz einer weit wegliegenden Zelle mit rundem Kerne (Fig. 3b). Die Zellen hatten vollkommen den Habitus von Sinnes- zellen und bemerkte ich ebenfalls hin und wieder einen an den proxi- malen Theil der Zelle antretenden Faden, der vermuthlich von einem Nervenstamm entspringt. Gelegentlich will ich erwähnen, dass die Antennen sowohl als die Palpen außer dem Haarkleide noch mit Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 491 kleinen Schuppen bedeckt sind, welche den Schmetterlingsschuppen gleichen. Über die Hautsinnesorgane der Thysanuren liegen, so viel mir be- kannt ist, in der Litteratur keine weiteren Angaben vor als einzig die Beobachtung von Sommer (Nr. 80° p. 703), nach welcher bei Macrotoma plumbea an den Beinen, den Palpen, sowie der Ober- und Unterlippe eigenthümlich gestaltete Borsten sich finden, die je mit einem Haufen von Nervenzellen in Verbindung stehen und als Sinnesborsten bezeich- net werden. Orthoptera. Antennen. Über die Sinnesorgane der Fühler liegen Angaben vor von Leypic (Nr. 55f), Hıcks (Nr. 38), Hauser (Nr. 36) und Kräreuın (Nr. 44°). Leypıe beschreibt bei Locusta, Acridium und Forficula sowohl auf der Fläche stehende kurze blasse Dornen als auch gewöhnliche Gruben. Hıcxs erwähnt Gruben bei Tettix und Libellen. Hauser sah nur bei Mantis offene Gruben mit hohlem Chitinkegel im Grunde; bei Oedipoda, Caloptenus, Stenobothrus und anderen will er mit zarter Membran überspannte Gruben gesehen haben, in deren Höhlung von unten her ein blasser Nervenstift hineinrage. Kriprrın behauptet, dass es sich nicht um eine mit Membran überspannte Grube handle, sondern um eine offene Grube mit Sinneskegel. Bei den Forficuliden bemerkte ich auf den Fühlern nur auf der Fläche stehende Sinneskegel von verschiedener Gestalt, zu welchen jeweils eine Sinneszellengruppe gehört. Die von Leyvis beschriebenen, bei Forfieula aurieularia an jedem Glied in der Nähe des Gelenkrandes gefundenen Gruben ohne Haar oder Dorn, sind mir weder auf Längs- noch auf Querschnitten zur Anschauung gekommen. Bei Grylliden, Locustiden und Acridiern sah ich an der Antenne ziemlich große Kegel auf der Fläche vertheilt und außerdem einfache Chitingruben mit je einem kleinen Sinneskegel. Die Gruppe der zugehörigen Sinnes- zellen konnte ich in allen Fällen deutlich erkennen und habe ich ein Stück der Antenne von Gomphocerus rufus in Fig. 12 im Längsschnitt abgebildet. Krärerın hat sich mit Recht gegen die Ansicht Hauser’s aus- gesprochen, dass die Grube mit einer Membran geschlossen sei. Bei den Fühlern von Blatta und Periplanetaamericana fand ich wie Krärerın nur die auf der Fläche stehenden Sinneskegel und fehlten die Chitingruben. Fig. 41 stellt einen solehen Sinneskegel mit der zu- gehörigen Gruppe der Sinneszellen von Periplaneta americana dar. Palpen der Unterkiefer und der Unterlippe. Auf der Spitze der Palpen der Unterlippe und der Maxille von Forficula 422 Otto vom Rath, fand ich einen cylinderförmigen Aufsatz, dessen oberes weniger stark chitinisirtes Ende eine Anzahl winzig kleiner Kegel trägt und welcher sowohl nach dem äußeren Ansehen, wie nach dem Bau des nervösen Endapparates eine große Ähnlichkeit mit den Sinnesor- ganen an der Unterlippe der Chilognathen zeigt, die ich in meiner frü- heren Arbeit (Nr. 69) abgebildet habe. Dicht unter dem Aufsatze der Palpen liegt eine große Gruppe von Sinneszellen, deren Fortsätze zu den Kegeln gehen. An der Außenseite der Palpe der Unterlippe steht am Endglied außerdem eine Reihe kleiner Sinneskegel zwischen ge- wöhnlichen Haaren. In Fig. 9 habe ich die Spitze einer Unterlippen- palpe abgebildet. Die Palpen der Grylliden, Locustiden und Acridier zeigen - an ihrer Spitze ein mit vielen kurzen Sinnesborsten besetztes Sinnes- feld; bei Periplaneta und Blatta liegt dasselbe auf der Palpe der Unter- lippe an der Spitze des Endgliedes, auf der Palpe der Maxille an der etwas konkaven inneren Fläche des Endgliedes. Fig. I zeigt einen Längsschnitt des letzten Gliedes der Maxillarpalpe von Locusta viri- dissima; man sieht den starken Nerven, der mitten im Gliede verläuft; der Tracheenstamm, welcher den Nerven begleitet, ist in der Zeichnung weggelassen. Der Nerv giebt in seinem Verlauf seitlich feine Zweige ab; diese treten zu den kleinen Gruppen von Sinneszellen, welche den langen spitzen zerstreut stehenden Sinneshaaren zugehören. Dann löst sich der Nerv in viele Ästchen auf, die zu den zahlreichen dicht stehen- den Sinneszellengruppen des terminalen Sinnesfeldes verlaufen; letz- _ tere entsenden ihre feinen Terminalstränge in die kürzeren spitzen Sinnesborsten, mit welchen das ganze Sinnesfeld in noch dichterer Weise, als die Fig. 4 es zeigt, besetzt ist. Den Nervenästchen liegen da, wo sie in die Gruppen der Sinneszellen eintreten, einige Begleitzellen an. Die Palpen von Gryllotalpa! sind in Bezug auf die Sinnesorgane denen von Locusta ähnlich, nur sind sowohl die Sinneshaare als die Gruppen von Sinneszellen beträchtlich kleiner. Es scheint, dass die Sinnesorgane der Palpen bei allen Grylliden, Locustiden und Acridiern im Wesentlichen übereinstimmen und zeigten alle Vertreter dieser Familien, die ich untersucht habe, nur geringe Verschiedenheiten. Bei Periplaneta erinnert die Labialpalpe sehr an die Maxillarpalpe von Locusta, da sich eben so wie dort das Sinnesfeld über die Spitze hin- 1 Diese Sinnesorgane sind von GRABER (Nr. 32h) in folgender Weise erwähnt worden: »Die Nervenenden der Palpen sind vielfach ganz anderer Art als die der Fühler. In einer nächstens erscheinenden Arbeit werde ich zeigen, dass unter An- derem die Palpen-Nervenenden von Gryllotalpa schmale vielkernige Schläuche sind, aus denen eine in die Cutisanhänge eintretende Chorda hervorgeht,« Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 425 zieht; das histologische Bild ist in beiden Fällen dasselbe. Die Spitze der Maxillarpalpe von Periplaneta americana zeigt Fig. 2 im Längs- schnitt; man sieht, dass das an der konkaven inneren Seite der Palpe liegende Sinnesfeld eine enorme Zahl sehr kleiner Sinnesborsten trägt; dieselben stehen so dicht, dass die zugehörigen Gruppen von Sinnes- zellen eine Masse zu bilden scheinen. Auf sehr feinen Schnitten kann man aber doch erkennen, dass zu jedem Haar eine Gruppe von Sinnes- zellen gehört. Die zahlreich vorhandenen Begleitzellen sind sowohl auf Längsschnitten als namentlich auf Querschnitten deutlich zu sehen. Andere Hautsinnesorgane der Orthopteren. Abgesehen von den Sinnesorganen der Palpen sind noch zahlreiche lange spitze Sinneshaare an anderen Theilen der Maxillen und Unterlippe vorhan- den, zu welchen deutliche Gruppen von Sinneszellen gehören und die vielleicht als Tastorgane dienen. B£ra Harzer (Nr. 34) fand bei Orthop- teren, und zwar bei Acridium und Truxalis, am Grunde der herz- förmigen Platte Worrr’s (Hypopharynx) Gruppen von Zellen, »die ganz den becherförmigen Organen gleichen« Ich habe bei Periplaneta americana und Locusta viridissima auf dem Hypopharynx jene »becher- förmigen Organe« auf Schnitten untersucht und habe kleine, kaum aus der Cuticula hervorragende Kegel gefunden, von denen ein jeder von einer Gruppe von Sinneszellen versorgt wurde. Eben solche kleine Kegel fand ich bei denselben Thieren, besonders deutlich bei Locusta auf der Unterseite des Lobus externus der Maxille und seltener auf der Spitze der Unterlippe (Lobi interni). Wahrscheinlich wäre unter den Sinnesorganen auch das eigenthüm- liche rundliche Feld aufzuzählen, welches bei Blatta und Periplaneta neben der Einlenkungsstelle der Antenne liegt; dasselbe erscheint schon bei der Betrachtung mit bloßem Auge als weißer Fleck und er- innert seiner Lage nach an das hufeisenförmige Organ bei Glomeris (Leypie, Nr. 55°). Ein biskuitförmiges Sinnesorgan, welches bei Machi- lis zwischen den Augen und den Antennen gefunden wird, ist wahr- scheinlich dem eben genannten Organ bei Periplaneta und Blatta homolog. Dieses Gebilde scheint überhaupt unter den Insekten eine weite Verbreitung zu haben. Auch die Gaudalanhänge der Orthopteren scheinen Sinnes- organe zu besitzen. Auf den beiden größeren der vier Caudalanhänge von Gryllus domesticus (eben so bei den übrigen Grylliden) fand ich viererlei Haargebilde (Fig. 10); erstens ganz feine kleine Härchen, welehe in dichter Anordnung die Oberfläche bedecken, zweitens ge- wöhnliche Haare, drittens spitze Sinneshaare, welche durch ihre Länge und Feinheit auffallen; diese sitzen in eigenthümlichen Chitin- 424 Otto vom Rath, bechern. Die vierte Form von Haargebilden ist blattförmig und sitzt in eben solchen Chitinbechern wie die dritte Art. Diese letzte Form findet sich in geringerer Anzahl als die dritte vor und scheint auf die Basalglieder beschränkt zu sein. Der Chitinbecher, in welchem die Haare der dritten und vierten Form sitzen (Fig. 10), zeigt etwas unterhalb der Mitte eine Einschnürung; an dieser Stelle steht der Becher mit der übrigen Chitinbekleidung des Caudalanhanges durch ein zartes Häutchen in Verbindung, und hier ragt nach innen ein dia- phragmaähnlicher, durch radiäre Zähne gestützter Fortsatz herein. Das Haar selbst durchbohrt den Grund des Bechers und endet da mit ver- breiterter Wurzel. So ist dem Haare innerhalb des Bechers eine kleine Bewegung gestattet und der Becher selbst kann vermöge der Art seiner Einlenkung eine mehr oder weniger schiefe Stellung annehmen. An der Basis der Haare der dritten Art (h?) liegt eine große Zelle, welche in das Innere des Haares eintritt; an dieselbe tritt ein deutlicher Nerven- faden; dieser entspringt von dem starken Nerven, welcher den ganzen Gaudalanhang durchzieht. Ich möchte die Zelle ihrem Habitus nach für eine Sinneszelle halten, jedoch ist die Deutung als Drüsenzelle nicht ganz auszuschließen. Über die Bedeutung der vierten Art der Haare wage ich mich nicht zu entscheiden; ich konnte mich nicht davon über- zeugen, dass zu diesen Haaren eine eben solche Zelle gehört, wie zu den Haaren der dritten Form, da das Haargebilde auf den Schnitten meist abgebrochen ist und der zugehörige Becher nicht von den ande- . ren unterschieden werden kann. Sinnesorgane an den Caudalanhängen bei Gryllotalpa sind von A. Dourn (Entomologische Zeitung, Stettin 1870) erwähnt worden; eben so bei Periplaneta von Packarp (Nr. 62). GRABER und Pıarteau (Nr. 65) haben die Caudalanhänge bei ihren physiologischen Experimenten be- rücksichtigt; Grazer (Nr. 32" p. 452) fand, dass denselben bei Peripla- neta eine große Empfindlichkeit gegen Riechreize zukomme. NeuropteraundTrichoptera. Antennen. Über die Sinnesorgane der Fühler der Neuropteren liegen Untersuchungen von Levvie (Nr. 55f), Hauser (Nr. 36) und Krärerın (Nr. 44°) vor. Nach Leyvie stehen zwischen den Reihen der eine Borste tragenden Gruben noch vereinzelte haarlose Gruben. Hauser zeichnet blasse, auf der Fühleroberfläche stehende Sinneshaare von Chrysopa. KrireLın, welcher beiden Autoren gerecht werden möchte, bildet »ein äußerst zartes Chitinhaar auf einem gewaltigen Porenkanal« eines Fühlerquerschnittes von Chrysopa ab. | Bei Sialis, Panorpa, Phryganea und Hemerobius fand ich Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 425 auf den Antennen keine Chitingruben vor, sondern nur auf der Fläche stehende Sinneshaare. Dieselben sind bei Sialis ziemlich kurz und gerade, bei Panorpa sind sie viel kürzer als die gewöhnlichen Haare, etwas gekrümmt und laufen spitz aus. Bei Phryganea sind außer den gewöhnlichen Haaren zwei Arten von langen blassen Sinneshaaren zu bemerken, erstens gebogene, zweitens gerade. Bei Hemerobius sind eben so zweierlei Sinneshaare vorhanden, blasse etwas gekrümmte am Vorderrande der Glieder stehende und längere gerade, die fast unter rechtem Winkel von der Oberfläche abstehen; von letzteren zeigt jedes Glied nur wenige, die in gleicher Höhe eingepflanzt sind. Die zu den Sinneshaaren der Neuropterenfühler gehörigen Gruppen von Sinnes- zellen habe ich in allen Fällen nachweisen können; die klarsten Bilder erhält man bei Panorpa. Sinnesorgane der Unterkiefer und der Unterlippe. Bei Sialis fand ich auf den Palpen der Unterlippe wie der Maxillen (Fig. 4a) auf der Innenseite des konkav eingebuchteten Endgliedes, nahe an der Spitze, eine mit kleinen Kegeln bedeckte Ausstülpung; eben solche kleine Kegel entdeckte ich auf dem Lobus externus der Maxille desselben Thieres und zwar auf der etwas gewölbten Vorder- fläche und an der Außenseite; alle diese Gebilde habe ich auf Schnit- ten untersucht und die dazu gehörigen Sinneszellengruppen nachweisen können. Fig. 4b stellt die Sinneszellengruppen einiger Kegel des Lobus externus der Maxille von Sialis dar. Bei Hemerobius zeigt das schräg abgestutzte Endglied der Palpen der Unterlippe und der Maxille ein medianwärts gerichtetes Sinnesfeld, welches eine enorme Zahl winzig kleiner blasser Kegel trägt. Der Lobus externus der Maxille trägt einen chitinösen mit kleinen Kegeln besetzten Aufsatz, ganz ähnlich dem- . jenigen, welchen ich an den Palpen von Forficula beschrieben und in Fig. 9 abgebildet habe. Auf dem Vorderrande der Unterlippenplatte von Hemerobius fand ich zwischen den gewöhnlichen Haaren einige wenige gedrungene Kegel, die ihrer Lage nach den Kegeln an der Zungenspitze der Hymenopteren entsprechen könnten. Bei Panorpa findet man auf den Palpenspitzen ein Sinnesfeld mit winzig kleinen Sinneskegeln vor. Außer diesen kleinen Sinneskegeln sind in großer Anzahl größere Kegel über die ganze Palpe vertheilt. Während die den kleinen Sinneskegeln zugehörigen Zellgruppen von unzweifelhaften Sinneszellen gebildet werden, könnten die Gruppen von Zellen, welche unter den größeren Kegeln liegen, dem Habitus nach auch als Drüsen gedeutet werden. In beiden Fällen lässt sich das Herantreten von Nervenfasern nachweisen. Auf den Palpen von Phry- ganeasah ich auf sämmtlichen Gliedern zwischen den gewöhnlichen 426 Otto vom Rath, Haaren ziemlich lange gerade Sinneshaare zerstreut stehen, unter denen ich jeweilig eine deutliche Gruppe von Sinneszellen erkennen konnte. Strepsiptera. Auf der Antenne eines Stylopsmännchens sah ich eine große An- zahl einfacher kleiner Chitingruben, welche jeweils in ihrem Grunde ein Haargebilde trugen. Auf Schnitten habe ich die Stylopsantenne nicht untersuchen können, da ich nur ein einziges in Kanadabalsam eingeschlossenes Exemplar zur Verfügung hatte. Hemiptera und Äptera. Über die Fühler der Hemipteren sind von Lespts (Nr. 53), Leypıe (Nr. 55°), Hauser (Nr. 36) und Krireuin (Nr. 44°) Untersuchungen ange- stellt worden. Anden Endgliedern der Antennen von Nepa und Gercopsis beschreibt Lespks seine »„Iympanules«. Nach Leyviıg zeigen die Hemi- pterengattungen Lygaeus und Pentatoma prasinum nur solche Gruben, »welche aus ihrer Mitte ein Haar hervorgehen lassen«. Hauser konnte bei Hemipteren nur das Vorkommen von zweierlei Tastborsten konsta- tiren, eben so fand Kräirzrın bei Acanthosoma nur auf der Fläche ste- hende, blasse Sinnesborsten. Auf der Antenne von Pyrrhocoris apterus und anderen Hemi- pteren bemerkte ich nur auf der Fläche stehende Sinneskegel von ver- schiedener Größe, deren zugehörige Sinneszellengruppen ich auf Schnitten deutlich erkennen konnte. Fig. 8 stellt ein Stück der An- tenne von Pyrrhocoris apterus im Längsschnitt dar. Bei demselben Thiere fand ich an der Spitze des Rüssels jederseits eine Gruppe kleiner Kegel (Fig. 25). Dieselben sind schon von Kräreın (Nr. 4%°) mit folgenden Worten erwähnt worden: »An den Unterkiefer- spitzen bei Hemipteren finden sich Nervenendapparate, über deren spe- cifische Natur ich vorläufig mich des Urtheils enthalte.« An die Kegel setzt sich an ihrer Basis eine lange Chitinröhre an; der Terminalstrang tritt durch diese hindurch und ist deutlich bis zur Spitze des Kegels zu verfolgen. Die zugehörigen Sinneszellengruppen sind langgestreckt und jederseits zu einem Komplex vereinigt (Fig. 25). Bei Haematopinus suis sowie bei Pediculus vestimenti stehen auf der Spitze des Endgliedes der Antennen Gruppen von Kegeln, außerdem besitzt die Antenne einige wenige relativ große ein- fache mit je einem Sinneskegel ausgestattete Chitingruben, die mit den auf den Gryllidenfühlern beschriebenen (Fig. 12) große Ähnlich- Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 427 keit verriethen. Die übrigen Sinnesorgane dieser Thiere habe ich nicht untersucht. Diptera. Antennen. Über die Sinnesorgane der Dipterenfühler liegen Be- schreibungen von Levvie (Nr. 55%), GraBEr (Nr. 32°), Paur Maver (Nr. 57), Hauser (Nr. 36) und Krärerin (Nr. 44%) vor. Bei den Antennen sowohl der Brachycera als der Nematocera sind es vor Allem die Chitingruben mit Sinneskegeln, welche wegen ihrer Mannigfaltigkeit in Bezug auf ihre Form und die Zahl der Sinneskegel unsere Aufmerksamkeit bean- spruchen. Zuerst unterschied Leypıs bei Musca die gewöhnlichen Gruben von den »Säckchen« oder zusammengesetzten Gruben, die man ohne Zwang als zusammengeflossene kleinere betrachten könne. Zwi- schen diesen einfachen Gruben mit einem Sinneskegel und den großen - Gruben mit vielen Sinneskegeln, vermitteln Gruben mit einigen wenigen Sinneskegeln den Übergang. Derartige Übergänge der verschiedenen Chitingruben sind besonders deutlich bei Musca vomitoria zu finden. GraBER glaubte bei Sicus ferrugineus, Syrphus balteatus und Helomyza in den großen blasenförmigen Gruben, die er als geschlossene Chitin- kapsel mit centripetal gerichteten Haaren ansah, ein neues otocysten- artiges Organ gefunden zu haben, doch wies noch in demselben Jahre Paur Mayer nach, dass diese neuen otocystenartigen Sinnesorgane weder neu noch otocystenartig seien. Bei den Diptera brachycera sind die Gruben auf das dritte Fühlerglied beschränkt. Die Anzahl der Fühlergruben ist bei den verschiedenen Dipteren- species sehr verschieden. Hauser fand bei Helophilus floreus auf jeder Fühlerseite nur eine einzige Grube, bei Echinomyia grossa deren über 200. Einfache Gruben mit einem Sinneskegel beschreibt Hauser bei den Tabaniden, Asiliden, Bombyliiden, Leptiden, Dolichopodiden, Stratio- myiden und Tipuliden. Bei den letzteren käme die zusammengesetzte Form gar nicht vor, während bei den übrigen angeführten Familien auch zusammengesetzte Gruben, welche 2—10 Nervenendigungen (Sinnes- kegel) enthielten, sich vorfänden. Paur Mayer fand bei Syrphus und einer Drosophila nur eine Einstülpung, bei Sicus außer der von GRABER abgebildeten noch zwei andere. Bei Eristalis zählte Mayer eine ganze Reihe, bei Musca vomitoria gegen 50 Gruben, wie schon Leynıc hervor- gehoben hatte. Krärerın bestätigte die Angaben Mayer’s, dass es sich in den einfachen Gruben nicht um »Nervenstäbchen« (Hauser) handle, sondern um blasse Chitinhaare. Die zusammengesetzten Gruben der Musciden ließen sich ohne Zwang auf die flachen Vertiefungen der Käferfühler zurückführen. 428 Otto vom Rath, Ich untersuchte auf Schnitten eingehender die Sinnesorgane der Fühler von Tipula, Bibio, Bombylius, Tabanus und verschiedenen Mus- ciden-Species. Bei Tipula fand ich nur einfache Chitingruben mit einem Sinnes- kegel und zwar ziemlich zahlreieh auf dem zweiten und dritten Anten- nenglied vor; auf den nächstfolgenden waren die Gruben nur verein- zelt zu sehen und auf den letzten Gliedern bemerkte ich nur blasse lange Sinneshaare. Zu jeder Grube und zu jedem Sinneshaare gehörte eine Gruppe von Sinneszellen. Die großen starren Borsten an den Ba- saltheilen der einzelnen Glieder stehen mit keinen Sinneszellen in Verbindung. Bei Bibio (Fig. 28) fand ich ebenfalls nur einfache Chitingruben mit einem Sinneskegel, der weit aus der Grube hervorragte. Bei Bomby- lius (Fig. 30) konnte ich außer einfachen Chitingruben mit einem Sin- neskegel, die denen von Bibio sehr ähnlich sind, noch fein chitinisirte Gruben erkennen, die tiefer in die Fühler eingesenkt waren und deren zugehöriger Kegel die Grubenöffnung nicht erreichte. In gleicher Weise bemerkte ich auf der Antenne von Tabanus (Fig. 24) zweierlei Arten einfacher Gruben mit je einem Sinneskegel. In allen diesen Fällen konnte ich stets die zugehörigen Gruppen der Sinneszellen nach- weisen. Bei Museciden stellten sich die Verhältnisse bedeutend kompli- cirter dar. Bei Musca vomitoria fand ich kleine Gruben mit mehreren Sinneskegeln; solche Gruben waren hin und wieder durch eine chiti- nöse Scheidewand in zwei, oder durch zwei Chitinwände in drei Kam- mern abgetheilt. Von besonderem Interesse sind die großen blasen- förmigen, viele Kegel enthaltenden Gruben, die bei manchen Museiden z. B. bei Musca domestica in nur ganz geringer Anzahl sich auf der An- tenne vorfinden. Ich habe den Bau des nervösen Endapparates der großen Gruben bei Musca vomitoria und Musca domestica auf Schnitten unter- sucht. Die Interpretation bietet beträchtliche Schwierigkeiten. Paur Mayer untersuchte eine solche Grube bei Eristalis. Er nimmt an, dass zu jedem Kegel der Grube eine einzige Sinneszelle gehört, und man wird daran nicht zweifeln können, wenn in der That, wie die Abbildung Mayer’s zeigt, unter der Grube nur eine einzige Reihe von Zellen zu sehen ist, und der herantretende Nerv als kernlose Fasermasse das Ge- bilde umkleidet. Bei den Schnitten von Musca domestica, welche ich studirt habe, liegen die Verhältnisse nicht so einfach. Von den zahl- reichen Kernen kann man eine Reihe unterscheiden, die etwas weiter vorn liegt als die übrigen Kerne; man könnte annehmen, dass diese Zellen den Sinneszellen entsprechen, wie sie Mayrr bei Eristalis ge- Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 429 zeichnet hat; jedoch findet sich noch eine mehrfache Lage von Kernen, welche sich dem Habitus nach von den eben genannten nicht unter- scheiden, etwas weiter nach hinten (an und in der Schicht des Nerven) gelagert; es ist daher möglich die eben genannten vorderen Zellen als Hypodermiszellen zu deuten und anzunehmen, dass die anderen Zellen die Sinneszellen sind, deren Fortsätze zwischen den ersteren hin- durch: an die Kegel antreten. Ich habe aus den Präparaten selbst nicht mit Sicherheit entscheiden können, welche von den beiden Auffas- sungen die richtige ist, aber die Befunde bei Musca vomitoria lassen aus Analogie die letztere als die wahrscheinlichere erscheinen. Bei Musca vomitoria liegen die Kerne der vorderen Zellenreihe viel weiter vorn als die übrigen Kerne und erscheinen auch dem Habitus nach als Hypodermiskerne, während die weiter hinten gelegenen Kerne Sinneszellen zugerechnet werden müssen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei Musca vomitoria zu jedem Kegel mehrere Sinneszellen ge- hören, aber dieselben sind nicht so deutlich wie in anderen Fällen zu einer Gruppe zusammengeordnet. Es möchten hier auch die Sinnesorgane der Antennen der Flöhe erwähnt werden, obgleich ich dieselben nicht untersucht habe. Die Angaben von Berr£ (Nr. 4), dass das dritte Antennenglied des Flohes ein Gehörorgan enthält, veranlasste Paur Mayer (Nr. 57) die dort be- findlichen Sinnesorgane genau zu untersuchen. Nach diesen Beobach- tungen besitzt die Antenne des Flohes Gruben, die in ähnlicher Weise, wie die Gruben der Fliegen, zahlreiche Sinneskegel enthalten. Über den histologischen Bau des Nervenendapparates giebt diese Arbeit keinen näheren Aufschluss. Sinnesorgane der Palpen. Von den Palpen der Dipteren will ich vor Allen diejenigen von Bibio erwähnen, wo ich außer Sinneshaaren, die über sämmtliche Glieder der Palpe zerstreut sind, am dritten Glied Chitingruben mit Sinneskegeln (Fig. 21) gefunden habe. Es können zwei oder drei derartige Gruben zusammenliegen; in Fig. 21 sieht man zwei Chitingruben, welche so neben einander stehen, dass sie nur durch eine niedrige Scheidewand getrennt sind. Ähnliche Zusammenlagerung von Chitingruben fanden wir schon oben bei der Antenne von Musca vomitoria. An der Basis jedes der zahl- reichen Sinneskegel findet man eine schlanke Gruppe von Sinneszellen, Bei Tipula (Fig. 29) fand ich auf dem drittletzten Gliede der Palpe eine Anzahl großer blasser Sinneskegel vor. Bei denselben ist die Papille des Haargebildes in die Tiefe des Chitins eingesenkt, so dass sich der Kegel vom Grunde eines das Chitin durchsetzenden Kanales erhebt. Es ist dies die einfachste Form der Chitingrube mit 430 Otto vom Rath, einem Sinneskegel. An der Basis des Haargebildes findet man eine Gruppe von Sinneszellen. Sinnesorgane des Dipterenrüssels. Über die Sinnesor- gane des Dipterenrüssels sind Arbeiten von KünkeL und GAzAGNAIRE (Nr. 47%, 47®) und Kräperin (Nr. 44®, 44°) vorhanden. Auf dem Fliegen- rüssel unterschieden KünkeL und GAZAGNAIRE, die hauptsächlich Volu- cella untersuchten, erstens Tasthaare und zweitens Geschmacksorgane mit je einer bipolaren Ganglienzelle. KräpeLın, dessen Untersuchungen sich auf den Rüssel von Musca beziehen, unterscheidet: erstens Tast- haare mit »mehrzelligem Ganglion« am oberen Rande des Labellen- kissens, zweitens Drüsenborsten an den Außenflächen des Labellen- kissens, besonders am Rande, drittens Kegel, die als Geschmacksorgane angesprochen werden, an den Innenflächen des Labellenkissens auf den balkenartig vorspringenden Zwischenräumen zwischen je zwei Pseudotracheen. Von den drei Haargebilden sind die »Geschmacks- kegel« außerordentlich kurz und ragen kaum über die Oberfläche her- vor (Fig. 27). Die Tasthaare und Drüsenhaare sind lang und spitz, die ersteren etwa halb so lang als die letzteren. Die Haare, welche von KrärzLın für Tastorgane gehalten werden, haben nach meinen Präparaten je eine deutliche kleine Gruppe von Sinneszellen an ihrer Basis. Die KrireLin’schen Drüsenhaare wurden früher von KünkeL ebenfalls als Tastorgane aufgefasst. Bei den unter diesen Haargebilden liegenden Zellgruppen ist der antretende Nerven- ast sehr deutlich wahrnehmbar, und eben sowohl von Künker als später von KräpzLix in den betreffenden Abbildungen gezeichnet worden. Nach dem histologischen Aussehen der unter den Haaren befindlichen Zellen kann man keinen bestimmten Anhalt gewinnen dieselben mit Sicher- heit für Drüsenzellen zu halten, denn, wenn sie auch etwas größer sind als die Zellen der Sinneszellen, so sind sie in ihrem Habitus von letz- teren kaum verschieden. KräreLın bemerkt zudem ausdrücklich: »Übrigens dürfte in letzter Instanz die Empfindung eines Tastreizes durch diese langen Borsten auch bei der von mir vermutheten Funktion nicht gänzlich ausgeschlossen sein.« Nach KünkeL soll sich bei den Tast- haaren sowohl als bei den Geschmackskegeln an der Basis des Haar- gebildes eine bipolare Ganglienzelle befinden, welche von mehreren dem Neurilemm zuzurechnenden Zellen umgeben sei. Ich habe mich schon oben (p. #17) über diese Ansicht ausgesprochen. Den histologischen Bau der » Geschmacksorgane « schildert Krärr- Lıy wie folgt: »Ein von weither zu verfolgender Nerv schwillt noch ziemlich entfernt von seiner Endigung zu einer kleinen Blase an, in welcher etwa drei bis fünf Zellen oder Zellkerne zu erkennen sind. Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 431 Die sich wieder verjüngende Nervenscheide bildet nunmehr einen dünnhäutigen Schlauch, der nach längerem Verlauf in einen stark ehitinisirten Cylinder übergeht, welcher endlich wieder einen mit seiner Spitze in der Oberhaut steckenden kurzen Chitinkegel trägt. Letzterer ist hohl und besitzt eine weite Mündung.« Der KräreLin’schen Beschreibung habe ich wenig hinzuzufügen. Zu dem Kegel (Fig. 27) gehören einige Sinneszellen mit runden Kernen. Das Neurilemm des Nerven und eben so des Terminalstranges ist besonders deutlich und lässt hin und wieder Kerne erkennen; zwischen demselben und dem nervösen Endapparat ist ein heller Zwischenraum zu sehen (vgl. p- 417). Sinnesorgane des Pharynx. Von Meinerr (Nr. 58%) und dann von KünkeL und GAzAGNAIRE (Nr. 47) wurden an der Oberlippe und dem Pharynx bei Volucella und anderen Dipteren in Längsreihen ange- ordnete blasse Haare (mit je einer Ganglienzelle) beschrieben und als Geschmacksorgane gedeutet. KrärrrLın möchte diese Gebilde auch den Tastorganen anreihen, da an diesen geschlossenen spitzen Haaren absolut nichts zu entdecken sei, was eine Geschmacksempfindung ver- mitteln könne, bei Musciden wenigstens entbehre eine derartige Be- hauptung vollkommen der Begründung. Ich habe diese Sinnesorgane nicht untersucht. Es mag hier noch erwähnt werden, dass über die Sinnes- organe der Larvenformen der Dipteren mehrere Beobachtungen vorliegen. Weısmann beschrieb (Nr. 85? p. 206) bei der Larve von Musca vomitoria sowohl auf der Antenne als auf der Maxillarpalpe Sinnes- organe, zu welchen jeweils ein von einem deutlichen Nerv versorgtes Ganglion gehört. Am Körper der Larve von Corethra sah Leynie (Nr. 55P, p..441) gefiederte und ungefiederte Haargebilde, unter welchen sich Sinneszellen nachweisen lassen. Leypıss Angaben wurden von Weıs- MANN bestätigt (Nr. 85° p. 58). Raschke (Nr. 70) hat bei der Larve von Culex nemorosus die am ganzen Körper vertheilten verschiedenartigen Tasthaare und die auf der Spitze der Antennen sitzenden Kegel (Riech- kolben) beschrieben. Lepidoptera. Antennen. Über die Schmetterlingsfühler wurden Beobachtungen angestellt von Lesp&s (Nr. 53), Levvıe (Nr. 55%), Hauser (Nr. 36), KrÄPELIN (Nr. 44°). Leypıs fand bei Catocala und Acherontia neben blassen feinen Härchen noch veigenthümliche stumpfe Kegel« am Vorderrande der letzten Antennenglieder. Hauser bemerkte bei Tagfaltern (Vanessa) meist einfache Gruben, deren Grund das von einem eigenthümlichen Chitinborstenkranz 432 Otto vom Rath, umgebene Nervenstäbchen durchbricht. Die zugehörige Ganglienzelle sei vielkernig. Bei Bombyeiden, Sphingiden u. a. erzielte Hauser keine Re- sultate. Kräpkrın sieht bei Vanessa urticae ein kegelförmig gestaltetes an der Spitze mit zarter Chitinmembran überzogenes Haar, welches einem weiten Porenkanal aufsitzt. Die Gruben befinden sich nach Kräperın, wie es Lesp&s für die gekämmten Fühler schon angegeben, nur an einer Seite der Fühler, wahrscheinlich der unteren. Bei Sphingiden sah Kri- PELIN auf der einen Fühlerseite ausschließlich Schuppen, auf der an- deren Seite äußerst dicht stehende verschieden lange Haare. Die außer- ordentliche Dichte des Haarkleides erschwerte aber den genaueren Einblick in diese Verhältnisse so bedeutend, dass Krirzın keine klaren Bilder erhalten konnte. | An den Antennen der Schmetterlinge kommen sowohl auf der Fläche stehende Sinneshaare als auch einfache Chitingruben mit einem Sinneskegel, als auch große Gruben mit vielen Sinneskegeln vor. Die Sinneshaare, große, blasse meist etwas gebogene mehr oder weniger spitz auslaufende Chitinröhren habe ich bei allen Vertretern der ver- schiedenen Ordnungen, die ich untersuchte, gefunden. Die einfachen Chitingruben sind auch allgemein verbreitet, während die Gruben mit vielen Sinneskegeln nur bei einzelnen Gattungen und nur in geringerer Anzahl gefunden werden. Die einfachen Gruben zeigen eine große Mannigfaltigkeit der Formen. Sie können durch Einsenkung oder durch Erhebung ihrer Ränder mehr oder weniger tief erscheinen und tragen immer in ihrem Grunde einen Sinneskegel. Manchmal ragt letzterer kaum bis zur halben Höhe der Grube hinauf und sind eigenthümliche reusenartig nach der Mündung der Grube konvergirende haarartige Fortsätze vorhanden, die ohne Zweifel das Eindringen von fremden Körpern verhindern sollen. Diesen Bau zeigen z. B. die Chitingruben der Antennen von Vanessa urticae (Fig. 7) und vieler anderer Tagfalter. Die ziemlich tief eingesenkte Grube von Zygaena stellt Fig. 5 dar. Bei Aglia tau (Fig. 6) ist die Grube nur wenig eingesenkt und der Rand erhebt sich becherförmig über die Oberfläche. Große Chitingruben mit vielen Sinneskegeln sah ich bei Vanessa urticae, jedoch sind dieselben nur sehr spärlich vorhanden, während die einfachen Gruben sich in großer Zahl vorfinden. In regelmäßiger Lagerung sah ich die Chitingruben mit vielen Kegeln bei einigen Spe- cies von Bombyx, wo am Vorderrande jedes Gliedes der Antenne auf, jeder Seite eine solche zu finden ist; zahlreiche einfache Chitingruben mit einem Sinneskegel sind über die ganze Fläche der Glieder zer- streut. In den meisten Fällen lassen sich die Sinneszellengruppen der Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 433 Sinneshaare sowohl als der in den Chitingruben stehenden Kegel auf den Schnitten unzweifelhaft nachweisen. Bei den Tagfaltern wird die Un- tersuchung bedeutend dadurch erschwert, dass der Kolben der Antenne mit eigenthümlichen Konkrementen angefüllt ist, welche schon von Treviranus erwähnt wurden; dieselben sind, wie Leypic (Nr. 55%) mit- theilt, von SchLossgerGer als Harnsäurekrystalle erkannt worden. Palpen. Vor Allem beansprucht die Lepidopterenpalpe ein be- sonderes Interesse, da ich bei sämmtlichen untersuchten Tagfaltern, Schwärmern und Nachtfaltern im letzten Glied derselben eine große meist flaschenförmige Grube wahrnahm, deren unterer Theil eine große Zahl von Sinneskegeln trägt (Fig. 16). Die Grubenöffnung liegt meist an der Spitze der Palpe und ist von dichtstehenden Schuppen um- stellt. Der Grubenhals ist mit schräg nach vorn gerichteten Haaren dicht besetzt, so dass die Grube gegen störende Einflüsse von außen gut ge- schützt wird. Zu den Sinneskegeln der Grube gehört je eine einzige sroße Sinneszelle, welche zwischen den Hypodermiszellen gelegen ist. An die Grube vertheilt sich ein sehr starker Nerv. Fig. 16 zeigt die Palpengrube vom Kohlweißling. Die Form der Grube variirt bei den verschiedenen Gattungen, eben so ihre Größe im Vergleich zur Größe der Palpe; der Hals kann kurz oder lang, der Bauchtheil schlank oder dick sein; z. B. besitzt das Organ bei Acherontia atropos und bei Sphinx convolvuli einen kurzen Hals und einen weiten Bauch. “Manchmal liegt die Öffnung nicht an der Spitze der Palpe, sondern etwas proximal- wärts. | Die Sinnesorgane des Rüssels und die Sinnesorgane der Mundhöhle habe ich nicht untersucht. Kırsack (Nr. 42) beschreibt bei Lepidopteren »Geschmacksorgane« als »zwei rundliche Papillenfelder mit kleinen koni- schen Papillen an der inneren Unterfläche des Schlundkopfes, vielleicht auch zwei größere Papillen außerhalb dieser Felder nahe am Hinter- rande des Schlundkopfes«. Goleoptera. Antennen. Über die Sinnesorgane der Fühler der Käfer ist eine ziemlich reiche Litteratur vorhanden. Ich nenne nur die Namen ErıcH- son (Nr. 25), BurMEISTER (Nr. 11), Lespts (Nr. 53), Craus (Nr. 15), Crara- REDE (Nr. 13), Lannoıs (Nr. #9), Leynig (Nr. 55%), Hauser (Nr. 36), KrÄPELIN (Nr. 44°); insbesondere verweise ich auf die Arbeiten der drei letztge- nannten Autoren, welche zahlreiche wichtige Beobachtungen enthalten. Ich fand auf den Antennen der Käfer auf der Fläche stehende Sinneskegel und Sinnesborsten, sodann Membrankanäle, ferner Chitin- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 39 434 Otto vom Rath, gruben mit je einem Sinneskegel; beim Maikäfer findet man an manchen Stellen einen Komplex von einfachen Gruben in einer schüsselför- migen Vertiefung des Chitins zusammengelagert, »vergesellschaftete Gruben .«. | Bei vielen Käfern sind lediglich auf der Fläche stehende Sinnes- kezel vorhanden. Bei Geotrupes stercorarius ist die ganze Ober- fläche der Fühler mit kleinen Sinneskegeln dicht besetzt und lassen sich auf den Schnitten die Gruppen der Sinneszellen leicht nach- weisen. Bei Getonia (Fig. 22) sind die Blätter der Antennen mit Mem- brankanälen dicht besetzt und finden sich vereinzelt zwischen diesen einfache Gruben mit einem Sinneskegel. Die Verschlussplatte des Membrankanales liegt in der Ebene der Fühleroberfläche. Ihre Ein- lenkung zeigt Fig. 26, bei welcher die Platte ein wenig aus ihrer natür- lichen Lage verschoben ist; die Platte hängt ringsum durch eine feine Chitinhaut mit der Chitinschicht der Fühleroberfläche zusammen. So- wohl zu jedem Membrankanale als auch zu jedem Sinneskegel gehört eine Gruppe von Sinneszellen. Die Antenne des Maikäfers, welche von den Autoren am meisten und sorgfältigsten untersucht wurde, zeigt viel komplicirtere Verhältnisse als die von CGetonia, obgleich wahrscheinlich principielle Unterschiede nicht vorhanden sind. Nach meiner Ansicht finden sich beim Maikäfer einfache Chitingruben mit einem kurzen blassen Sinnes- kegel, welcher einer kuppelförmigen vom Grunde der Grube sich er- hebenden Papille aufsitzt (Fig. 32a); die Spitze des Haargebildes er- reicht den Grubenrand nicht. Es sind dies diejenigen Gebilde, welche Kräperın auf Taf. Il, Fig. 8 bei a gezeichnet hat. Diese Gruben mit Haargebilde sind in nur mäßiger Zahl vorhanden. Weit häufiger sind Gruben, von deren Grunde eine kuppelförmige, oben etwas abgeflachte Papille aufsteigt, die den Grubenrand nahezu erreicht (Fig. 32b) und auf der ich niemals trotz der größten Sorgfalt ein Haargebilde gesehen habe. Diese Form ist von KräpeLın auf Taf. II, Fig. 9 gezeichnet. Krärzr- Lın glaubt, wie aus seiner Beschreibung und seiner Fig. 8 hervorgeht, dass die in Rede stehenden Gebilde eben so wie die früher besproche- nen ein Haargebilde tragen und daher von denselben nicht getrennt zu werden brauchen. Da ich niemals die Haargebilde bei diesen Formen wahrgenommen habe, so glaube ich, dass ähnliche Verhältnisse vor- liegen, wie bei den Membrankanälen. Demnach würden wir beim Mai- käfer wie bei Cetonia auf den Fühlern Gruben mit Kegeln und Mem- brankanäle zu unterscheiden haben. Während jedoch die Verschluss- platte bei Getonia in der Oberfläche der Fühler eingelenkt ist, bildet Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 435 sie bei Melolontha den Abschluss einer papillenförmigen Erhebung, die ihrerseits vom Grunde einer Grube sich erhebt. Die Chitinschicht ist an der ganzen kuppelartigen Erhebung gleichmäßig dünn und die linsen- förmige helle Stelle der Zeichnung entspricht nicht etwa einer Ver- dickung des Chitins, sondern einem Hohlraum, der vielleicht durch die Einwirkung der Reagentien entstanden ist. Bei einer eigenthümlichen, aber nicht allzu häufigen Modifikation der zweiten Form ist die kuppel- förmige Erhebung niedriger und oben konkav eingesunken, so dass die verschließende Membran eine schüsselförmige Gestalt besitzt (Fig. 32 c) (Krärerin, Taf. II, Fig. 8 c). Bei dieser Form konnte ich eben so wenig wie bei der vorigen Form ein Haargebilde wahrnehmen. Was den histologischen Bau der Sinnesorgane der Melolontha-Antenne angeht, so glaubt KrärzLın, dass zu jeder Grube eine fast kugelige Ganglienzelle gehöre, von welcher ein zarter von Epithelzellen umschlossener Achsen- faden entspringe, der das Lumen des Porenkanals nicht ausfülle. Ich sah, dass zu jedem Sinnesorgane meist eine einzige, hin und wieder auch mehrere Sinneszellen gehören. Da diese Sinneszellen ziemlich langgestreckt sind, und schräg durch die Hypodermis hindurchgehen, so ist die Zusammengehörigkeit der Papillen und Sinneszellen nur selten verfolgbar, und es gelang mir daher nicht über das Vorkommen von einer oder mehreren Sinneszellen eine Gesetzmäßigkeit zu er- kennen. Die »Epithelzellen«, welche nach Krärerın den Achsenfaden (Terminalstrang) begleiten sollen, habe ich in der Weise, wie sie von ihm gezeichnet werden, nicht gesehen und konnte ich außer den oben genannten Sinneszellen nur Hypodermiszellen wahrnehmen, deren gleichmäßig erscheinende Kerne sich durch ihre Form und dunklere Tingirung scharf von denen der Sinneszellen unterscheiden. Die Antenne von Necrophorus (Fig. 31) zeigt nach der einen Seite hin dicht stehende schlanke Sinneskegel, zu welchen langge- streckte Gruppen von Sinneszellen gehören, nach der anderen Seite sind keine Sinneskegel zu finden, wohl aber Durchbohrungen des Chi- tins (Fig. 18). Die letzteren sind keine Gruben und zeigen keinerlei Haargebilde;; sie scheinen oben mit einer Membran geschlossen zu sein und können vielleicht den Membrankanälen von Cetonia homolog ge- setzt werden. Zu denselben gehört je eine langgestreckte Zelle mit hblassem chromatinarmen Kern, welche sich als Sinneszelle deuten lässt; dieselbe könnte aber auch dem Habitus nach als Drüsenzelle auf- gefasst und die Durchbohrung des Chitins demgemäß nicht als Mem- brankanal, sondern als Drüsengang gedeutet werden. Palpen. Der einzige Autor, der Angaben über Sinnesorgane der Käferpalpen, wie der Palpen bei Insekten überhaupt gemacht hat, ist 29* 436 Otto vom Rath, Leypie (Nr. 55%). Die Beobachtungen Leypie’s beziehen sich auf die Palpen von Rhizotrogus solstitialis, Lucanus cervus, Hydrophilus cara- boides, Staphylinus erythropterus, Acilius suleatus und Dytiscus. Eben so wurden die Palpen der Larven von Dytiscus marginalis und von Melolontha untersucht und mit den Antennen verglichen. Obwohl Leypıs die Palpen nur in toto am frischen Thiere oder an Kanadahal- sampräparaten studirt hat, gelang es ihm doch in einigen günstigen Fällen den nervösen Endapparat der Hauptsache nach zu erkennen. Über die Palpe von Staphylinus sagt Levvıs, »dass von dem im braunen verdickten Abschnitt des Endgliedes liegenden Ganglion an je einen Kegel ein Nerv herantritt und kann fast jeder der einzelnen Nerven von seinem Austritt aus dem Ganglion bis zur Wurzel des Hautkanals, über dem der Kegel sitzt, überblickt werden«. LeyDIe zog aus seinen Beobachtungen folgendes wichtige Resultat: »Die Hautkanäle der Pal- pen können sich an den Enden eben so erweitern wie an den Anten- nen; zweitens besitzen die Palpen dieselben mit Nerven zusammen- hängenden Haare, welche ich für die Träger der Tastempfindung erklärt habe. und endlich drittens sind auch jene Kegel zugegen, die ich mit der. Geruchsempfindung in Verbindung bringe und von denen hier zum Theil sehr klar vorliegt, dass sie das Ende vom-Nerven auf- nehmen; somit ist auch der Schluss einigermaßen begründet, dass die Funktion der Palpen eine von jener der Antennen kaum verschiedene sein wird!.« Auf sämmtlichen Palpen der Käfer fand ich auf der Spitze des Endgliedes ein mit mehr oder weniger großen Kegeln besetztes Sinnes- feld, dessen Lage und Form mit der Form des Endgliedes der Palpe wechselt. Dasselbe trägt bei den Unterkieferpalpen und den Unter- lippenpalpen von Cetonia, Chrysomela, Staphylinus, Tenebrio und An- deren nur verhältnismäßig wenige Kegel, während es bei Carabus so- wohl auf den Palpen der Unterlippe als denen der Maxillen mit einer ganz außerordentlich großen Anzahl von kleinen Kegeln besetzt ist. Bei Coceinella trägt die Spitze der Palpe der Unterlippe nur wenige Kegel, während das keulenförmig verbreiterte Endglied der Palpe der Maxille (Fig. 17) mit unzähligen winzig kleinen blassen Kegeln übersät ! Nur ganz beiläufig will ich erwähnen, dass von LEyvıc bei den Larven von Dytiscus und Telephorus sowohl in den Antennen als am Mentum und den beiden Tasterpaaren stifteführende Organe beschrieben und abgebildet wurden und hat GRABER (Nr. 322) diese Beobachtungen ausdrücklich bestätigt. Ich habe die Larven von Dytiscus und Telephorus nicht untersucht und sind mir auf den Schnit- ten weder bei Käfern noch anderen Insekten solche stifteführenden Organe auf der Antenne oder Palpe oder dem Mentum zur Anschauung gekommen. Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 437 ist. Fig. 20 stellt einen Längsschnitt durch die Spitze der Unterkiefer- palpe von Tenebrio molitor dar. Die Palpe ist einem Thiere ent- nommen, welches soeben die Puppenhülle verlassen hatte. Man sieht die Kegel des Sinnesfeldes, die Terminalstränge und die zwischen den- selben gelegenen länglichen Hypodermiszellen, ferner die Sinneszellen- gruppen und den Nerven. Die den Nerven begleitenden Tracheen sind hier, wie in den meisten anderen Figuren nicht eingezeichnet. Bei der Palpe der Unterlippe erhält man ein ähnliches Bild. Die Sinnesorgane der Unterkiefer- und Unterlippentaster finden sich an derselben Stelle schon bei der Larve vor. Man sieht (Fig. 23), dass die Spitze der Palpe der Unterlippe der Larve von Tenebrio ein Sinnesfeld mit kleinen Kegeln zeigt, deren Zahl jedoch diejenige der Palpe des Imago noch nicht erreicht. Die zu den Kegeln gehörigen Gruppen der Sinneszellen sind bei der Larve zu einem Komplex zusammengelagert.. Gelegentlich will ich erwähnen, dass der mittlere Theil der Unterlippe, welcher den Laden entspricht, außer vier langen Haaren (von denen zwei in der Figur zu sehen sind) und zahlreichen feinen Härchen, einige kleine Kegel trägt. Man darf sie wohl den bei vielen Insekten an gleicher Stelle gefundenen »Geschmackskegeln« anreihen. Einen Schnitt durch die Maxillarpalpe von Gocceinellaseptempunctata zeigt Fig. 17. Die vordere Endfläche dieser Palpe nimmt ein großes mit außerordentlich vielen Sinneskegeln besetztes Sinnesfeld ein. Der Bau des Nerven- endapparates ist im Princip der gleiche wie bei Tenebrio und den übrigen Käfern. Die Gruppen der Sinneszellen sind hier langgestreckt und dicht zusammengedrängt, aber am Präparat etwas deutlicher zu erkennen wie an der Figur. Ein sehr kräftiger Nerv tritt an die Sinnes- organe heran, und zwischen den Ästen findet man eigenthümliche blasse, häufig in eine Spitze auslaufende Zellen (Begleitzellen). Ein drüsiger Charakter dieser Zellen mag hier nach dem Habitus und nach der Form der Zelle vermuthet werden, ließ sich aber nicht mit Sicher- heit behaupten. Beim Maikäfer tragen sowohl die Unterkiefer als die Unterlippentaster eine verhältnismäßig geringe Zahl von Kegeln. Fig. 19 stellt einen Längsschnitt der Spitze der Unterkieferpalpe von Melo- lontha vulgaris dar. Etwas unterhalb der Spitze findet man an der Außenseite der Palpe von Melolontha vulgaris ein eigenthümliches Porenfeld. Es lässt sich auf Schnitten nachweisen, dass mit den Poren des Chitins seltsame große drüsenähnliche Zellen der Hypodermis in Beziehung stehen. An homologer Stelle fand ich bei Cetonia aurata ein derartiges Porenfeld. Auch hier waren Zellen von drüsigem Habitus unter demselben zu sehen, deren in den Porenkanal eintretende Fortsätze häufig von einem 438 Otto vom Rath, kleinen Chitinröhrchen umkleidet waren. Bei Cetonia findet man außer- . dem einige lange chitinöse Röhren, welche am Rande des Sinnesfeldes unterhalb der Spitze der Palpe ausmünden. Um diese Schläuche herum sind Zellen gelagert, die denjenigen des Porenfeldes ganz ähnlich sind. Es scheint mir keine andere Deutung möglich, als die, dass diese Zellen eben so wie diejenigen des Porenfeldes Drüsenzellen sind, und dass die langen Chitinkanäle das Sekret nach außen leiten; doch ließen sich die Einmündungsstellen der Zellen in der Wand des Chitinschlauches nicht nachweisen. In einzelnen Fällen (z. B. bei Coceinella) bemerkte ich, dass die starken Haare auf der Maxille je mit einer deutlichen Gruppe von Sinneszellen versorgt werden, wie die Haare der Maxille bei Ortho- pteren und Hymenopteren. Diese Haargebilde scheinen einfache Tast- haare zu sein. | Hymenoptera. Antennen. Die Fühler der Hymenopteren sind von vielen For- schern zum Gegenstande der Untersuchung gemacht worden und finden wir Angaben über die Sinnesorgane derselben bei Erıcuson (Nr. 25), Lespes (Nr. 53), Levoig (Nr. 55%), Forer (Nr. 28), Lussock (Nr. 56), Hauser ‚Nr. 36), Kripenin (Nr. 44%), Scniemenz (Nr. 77) und Sazerın (Nr. 7%), Erıcnson beschrieb »Pori«, Lespks »„Tympanules«, Leypis unterschied ge- wöhnliche Gruben bei Bienen und Wespen und spaltförmige lange, in der Tiefe in weite runde Hohlräume übergehende Gruben bei Ichneu- mon, Ephialtes, Ophion. Von Haargebilden beschrieb Leyvıe bei Wespen Bienen, Hummeln und Ameisen zwei Arten von Kegeln; erstens helle, dicke mit weichem Ende, »Riechkolben« und schmälere stäbchenförmige, wohl zum Tasten dienende. Foreı zählte an den Fühlern der Ameisen fünf verschiedenartige Organe auf, Riechkolben (Kegel) feine blasse zu- gespitzte Tasthaare, lange feine an der Einlenkungsstelle in den Poren- kanal knieförmig gebogene Borsten (poils couches), Flaschen und Cham- pagnerpfropforgane. Die Resultate von Lugsock stimmen im Wesentlichen mit denen von ForeEL überein. Hauser fand bei Vespa crabro zwei durchaus verschiedene Gebilde, Gruben, die mit einer feinen aber mit rundem Loch versehenen Membran überspannt seien und Kegel. Gru- ben und Kegel zugleich fand Hauser bei einer großen Anzahl von Hy- menopteren, bei Tenthredineen und bei Sirex sah er nur Kegel, bei Ichneumoniden dagegen nur Gruben. KrärrLıy untersuchte eine große Anzahl von Hymenopterenfühlern auf Schnitten und gab Abbildungen der Sinnesorgane der Antennen von Vespa, Bombus, Sirex und Formica. Die Krirrtin’sche Darstellung ist eine im Wesentlichen richtige. Scarz- Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 439 MEnz unterschied von Sinnesorganen: f) Kegel, die er an der Spitze für geschlossen erklärt und als Tastorgane deutet, 2) Gruben, deren Ver- schlussplatte das Homologon der Borsten sei und 3) »Gruben mit Papillen« womit er, wie KräreLın angiebt, augenscheinlich die Forer'schen Cham- pagnerpfropforgane meint. Sızerın sah bei der Wespe erstens »Gruben« und zweitens Kegel. Mit vollem Recht sagt Krärzuın, »dass die bei Hy- menopteren vorkommenden, übrigens in gleichem Niveau mit der Füh- lerfläche liegenden »Gruben« absolut nichts mit den Fühlergruben etwa _ einer Melolontha oder einer Fliege gemein haben und daher als Gebilde sui generis — etwa als Porenplatten zu bezeichnen sind«. Ich habe für diese »Gruben« den Ausdruck Membrankanal vorgeschlagen. Die ver- sehließenden Membranen und Platten möchte KräirzLın als ‚modificirte Nervensubstanz auffassen; diese Ansicht kann ich in so fern nicht theilen, als mir diese Verschlussplatte (Fig. 45) aus einer Chitinsub- stanz zu bestehen scheint (vgl. p. 415). Bei den meisten Hymenopteren findet man auf den Antennen fol- gende Sinnesorgane: Erstens Membrankanäle, zweitens Kegel von ver- schiedener Gestalt und drittens spitz endende Sinneshaare. Was den histologischen Bau des zu jedem dieser Integumentalgebilde gehörigen nervösen Endapparates angeht, so haben die verschiedenen Autoren, welche diese Organe auf Schnitten untersucht haben, auch recht ver- schiedene Ansichten geäußert, welche ich schon in meiner früheren Arbeit besprochen habe (Nr. 69 p. 427). Nach meiner Ansicht gehört zu jedem Kegel oder spitz endendem Sinneshaar, wie auch zujedem Mem- brankanal eine Gruppe von Sinneszellen, die einen Terminalstrang durch den Porenkanal in das Haargebilde respektive an die Verschlussplatte (Fig. 15) des Membrankanals entsendet. Den Terminalstrang begleiten einige Hypodermiszellen innerhalb des Porenkanals (Hauser’s »flankirende Geißelzellend.. Abgeflachte Hypodermiszellen mit platten Kernen um- hüllen die Gruppe der Sinneszellen. Es liegt also hier der gleiche Bau des nervösen Endapparates vor, wie wir ihn oben schon oft be- schrieben haben und wie er als typisch für die Insekten gelten kann; es handelt sich nicht um eine einzige große Ganglienzelle mit großem Kern und vielen Kernkörperchen, wie Hauser angiebt, auch nicht um zwei hinter einander liegende Ganglien, wie Sızrrın meint. KrÄPELIN spricht von einer »gewaltigen Ganglienzelle mit vielen Kernen, vielleicht auch Ganglion mit vielen Kernenc«. | Außer den beschriebenen Organen hat Forer bei Ameisen und eben so bei Hummeln und Bienen.noch die sogenannten Flaschen und Champagnerpfropforgane entdeckt. Während die Champagnerpfropf- organe bei Humeln und Bienen wohl auf das Endglied beschränkt zu sein 440 Otto vom Rath, scheinen, findet man die Forzr’schen Flaschen auch an verschiedenen Stellen der letzten Glieder. Die Form der Flaschen ist sehr verschie- den, dieselben sind oft sehr lang und überaus schlank, oft aber recht kurz und breit. Ich habe die Forzr’schen Flaschen bei folgenden Ge- nera der Apiden gefunden, Apis, Bombus, Eucera, Xylocopa und An- thophora. Ich stimme der Ansicht Krärzrin’s bei, dass es sich bei die- sen Flaschen wohl eher um Ausführungsgänge von Drüsenzellen handle als um Sinnesorgane; die an der Basis dieser Schläuche gelegenen Zellen sind ihrem Habitus nach sehr von den Sinneszellen verschieden, auch konnte ich niemals eine Verbindung mit einem Nervenaste er- kennen. Was die Champagnerpfropforgane angeht, so hat schon Foren hervorgehoben, dass sie von gleicher Natur seien wie die Flaschen und sich nur durch ihre geringere Größe von diesen unterscheiden; für diese Ansicht würde auch die Beobachtung sprechen, dass die Bienen Flaschen von mittlerer Länge besitzen; andererseits neigt KrÄPELIN zu der Ansicht, die Champagnerpfropforgane als einfache Chitingruben mit einem Sinneskegel aufzufassen. Ich habe die Zellen an der Basis dieser Organe nicht beobachtet und muss mich des Urtheils in dieser Frage enthalten. Palpen. Über die Palpen der Bienen liegt folgende Angabe von Leyvie (Nr. 55°) vor: »Es sei auf die Honigbiene aufmerksam gemacht, bei der das Endglied der Palpen durchsichtig genug ist, um sehen zu lassen, wie der Nerv nach den an der Spitze stehenden kegelförmigen Körpern verläuft und zuvor eine ganglionäre Anschwellung ent- _ wickelt.« Auf den Palpen der Ichneumoniden, Wespen und Ameisen fand ich außer den gewöhnlichen Haaren blasse, längere Sinneshaare mit je einer deutlichen Sinneszellengruppe. Fig. 13 a zeigt die Maxillarpalpe von Vespa vulgaris und Fig. 13 b ein Sinneshaar derselben und die zu- gehörige Sinneszellengruppe. Sinnesorgane der Mundhöhle. Worrr (Nr. 87) fand bei sämmtlichen Hymenopteren »in den beiden seitlichen Hälften, in welche der Processus nasiformis die versteckt liegende Hinterfläche des Gau- mensegels theilt, warzenförmige Sinnesorgane«, die er als Geruchs- organe deutete. Die »Riechwärzchen« sollen aus einem kleinen Becken bestehen, aus deren Mitte ein sehr feines Härchen, das »Riechhär- chen« sich erhebe. Der zugehörige Nerv bilde zwei ungefähr gleich große Anschwellungen, zwei sogenannte Ganglien, während die Tast- nervenenden unter den Wurzeln der kurzen und langen Tasthärchen der durchsichtigen Kieferladen nur eine Anschwellung wie auch die Geschmacksnerven hätten. Ich habe diese Sinnesorgane nicht unter- uf = Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 441 sucht, muss aber das Vorhandensein von zwei hinter einander liegen- den Ganglien an der Basis der Haargebilde anzweifeln, da ich bei allen Arthropoden, welche ich untersuchte, nirgends ein derartiges Verhalten gefunden habe. Sinnesorgane der Zunge und der Unterseite der Ma- xille. Die zuerst von Meısert (Nr. 58) und Foreı (Nr. 28) beschriebenen, später von Wırr (Nr. 86) eingehender untersuchten Sinnesorgane an der Zungenspitze, Zungenbasis und der Unterseite der Maxille, habe ich ebenfalls auf Schnitten verfolgt und kann ich im Großen und Ganzen die Wırr’sche Darstellung bestätigen. WorLrr hatte in seiner Arbeit über das Riechorgan der Biene außer den Sinnesorganen des Gaumen- segels (»Geruchsorgane«) auf »der herzförmigen Platte an der Zungen- wurzel beiderseits Gruppen von 25 Grübchen« beschrieben, an welche »die gangliös angeschwollenen Zweige eines kurzen Astes der Zungen- nerven« antreten. Woırr deutet diese Sinnesorgane als Geschmacks- organe und nennt sie geradezu Geschmacksbecher. Diese Sinnesorgane hat übrigens Leyvic (Nr. 55) zuerst beschrieben. Diese Angaben waren von Worrr nicht beachtet worden und Leyvıs wiederholt sie in seiner Arbeit über Amphipoden und Isopoden mit folgenden Worten: »Alle Beachtung verdient auch ferner die Zunge der bienenartigen Hyme- nopteren, wie ich nach Zergliederung des Bombus lapidarius her- vorheben möchte. Dies Organ hat außen gelbe Cutieularringe und eben so gefärbte lange Haare. Spaltet man die Zunge der Länge nach, so gewahrt man unter der Cuticula eine plattzellige Matrix; dann aber kommt ferner zur Ansicht, dass jede Zungenhälfte von einem Nerven versorgt wird, der, indem er von der Wurzel bis zur Spitze der Zunge herabläuft, auf diesem Wege eine Menge von Zweigen entsendet, wovon jeder mit einer gangliösen Anschwellung an der Basis der gelben Haare endigt. Den Nerven begleiten Tracheen.« Lrypis hat eine Deutung dieser Organe nicht gegeben. Wırr (Nr. 86) konstatirte bei Vespa vulgaris, bei Formieiden, Ichneumoniden und Tenthredineen sowohl an der Spitze und Basis der Zunge (wo Nebenzungen vorhanden sind, auch an der Spitze dieser) als auch an der Unterseite der Masillen Sinnesorgane, die er als Geschmacksorgane deutet. Die bei Vespa an der Spitze der Zunge gelegenen, den »Geschmackssinn pereipirenden Endorgane« nennt Wır. Geschmacksborsten, die auf der Zungenbasis und der Unterseite der Maxillen befindlichen Becherorgane. Ich habe in Fig. 14 a einige Kegel der Zungenspitze und in Fig. 145 einen solchen der Unterseite der Maxille abgebildet; in letzterem Falle ist der Kegel sehr klein und der Porenkanal von einer dunkleren Chitinschicht um- kleidet, welche, von oben gesehen, wie ein Becher erscheinen kann. 442 Otto vom Rath, Der histologische Bau des zugehörigen Nervenendapparates ist, wie Wirt richtig angiebt, sowohl bei den Sinnesorganen der Zunge, als denen der Maxille der gleiche. Sowohl zu den längeren Kegeln der Zungenspitze als zu den kleinen kaum aus der Cuticula herausragen- den Kegelchen der Unterseite der Maxille gehört je eine Gruppe von Sinneszellen. Wırı spricht von fünf bis sieben großen Zellen mit deut- lichen helleren Kernen, »Sinneszellen«. Nach demselben Autor sei die Gruppe der Sinneszellen von einer Neurilemmscheide umgeben $Innen- schlauch«). Die Gruppe der Sinneszellen mit ihrer Neurilemmscheide liege »in einem Schlauche von grobkörniger Struktur mit hier und da eingestreuten Kernen (äußerer Schlauch«). Der Zwischenraum zwischen dem Innenschlauch und dem äußeren Schlauch sei mit einer hellen Flüssigkeit gefüllt. Die Bezeichnungen Innenschlauch und äußerer Schlauch scheinen mir nicht besonders glücklich gewählt zu sein, und ich möchte die Verhältnisse mit Rücksicht auf den Vergleich mit ande- ren Fällen in folgender Weise darstellen. Es ist eine Gruppe der Sinnes- zellen vorhanden, welche einen schmalen Terminalstrang in das Haar- gebilde entsendet; letzteres besitzt an seinem Ende eine kleine Öffnung (Fig. 14a). Diejenigen Hypodermiszellen, welche der Gruppe der Sinnes- zellen anliegen, zeigen flache Kerne und bilden eine Scheide, welche proximal in das Neurilemm des Nerven übergeht, distalwärts an den unteren Rand des Porenkanals sich ansetzt; zwischen dieser Scheide und den Sinneszellen kann ein mehr oder weniger großer Zwischen- raum vorhanden sein, von dem Wiırr annimmt, dass er mit heller Flüs- sigkeit erfüllt sei. Ein ähnliches Bild haben wir schon bei Dipteren gefunden (Fig. 27), und diese Eigenthümlichkeit schon im allgemeinen Theil erwähnt (p. 447). Hinter der Gruppe der Sinneszellen beschrieb Wırr große Zellen, welche er ihrem Habitus nach für Drüsenzellen hält. Auch habe ich auf meinen Schnitten diese Zellen gesehen; es sind, wie ihre Lage und ihr Aussehen beweisen, solche Begleitzellen, wie wir sie schon oft in anderen Fällen gefunden haben. Schließlich will ich noch bemerken, dass unter den langen Haar- gebilden, welche sowohl auf der Zungenspitze als auf der Maxille vor- kommen und von Wırr als Tastborsten bezeichnet werden, Gruppen von Sinneszellen nachgewiesen werden konnten. An der Spitze der Unterlippe bei Bombus, im sogenannten Löffel- chen, beschrieb Krärerın »außer Tastborsten noch eigenthümliche keulenförmig endigende Borsten« (Kegel), an denen er eine Öffnung vermuthet, und die er als Geschmacks- oder Geruchsorgane in Anspruch nehmen möchte. Ich habe den nervösen Apparat dieser Sinnesorgane nicht untersucht. er TEL WET Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 443 Zur physiologischen Deutung der Hautsinnesorgane der Insekten. Da ich keine physiologischen Versuche angestellt habe, will ich mich darauf beschränken kurz anzugeben, wie viel hinsichtlich der Funktion aus den morphologischen Befunden geschlossen werden kann, und wie weit die Bedeutung der Organe auf Grund der vorliegenden physiologischen Beobachtungen sich bestimmen lässt. Zunächst- ist zu konstatiren, dass der Bau des nervösen Endappa- rates bei den verschiedenen Hautsinnesorganen ein im Wesentlichen gleichartiger ist, so dass aus demselben für die Frage der Funktion gar nichts geschlossen werden kann. Die Verschiedenartigkeit der Haut- sinnesorgane prägt sich nur in den Chitingebilden aus. Der wichtigste Sitz der Hautsinnesorgane sind die Antennen. Die Antennen sind von manchen Autoren |Kırsy und Spexce (Nr. #3), Crarke (Nr. 14), Newrorr (Nr. 60), Goureau (Nr. 31) und Anderen] für Gehörorgane gehalten worden; mehrere dieser Autoren schreiben den Antennen auch außerdem eine Tastfunktion zu. Dafür, dass das Gehör in den Antennen lokalisirt sei, liegen keine einwurfsfreien Experimente vor; man wird auch wenig zu dieser Annahme geneigt sein, wenn man mit GrABER ! die an anderen Körpertheilen verbreiteten tympanalen und chordotonalen Sinnesorgane für den Gehörsinn in Anspruch nimmt. LEHMANN (52) und Duroncrer (Nr. 24) vertreten die Ansicht, dass die Antennen Luftprüfer seien, mittels deren die meteorologischen Verhältnisse insbesondere der Feuchtigkeitsgehalt der Luft wahrge- nommen würden; doch ist dies keineswegs experimentell festgestellt. Von vielen Autoren, unter welchen ich namentlich Perrıs (Nr. 63), Forer (Nr. 28°) und Hauser (Nr. 36) hervorhebe, sind die Antennen für Träger des Geruchssinnes gehalten worden. Diese Ansicht hat allerdings auch eine Reihe yon Gegnern, aber diese stützen sich alle nicht auf Experimente, sondern darauf, dass sie das Geruchsorgan an anderen Stellen gefunden zu haben glauben. Andererseits ist durch viele sorg- fältige Experimente erwiesen, dass durch Abtragung der Antennen die Geruchsfähigkeit aufgehoben oder doch beträchtlich vermindert wird, und eine genaue Beobachtung der Bewegungen, welche das Thier mit den Antennen macht, lässt vermuthen, dass mittels der Antennen in 1 GRABErR (Nr. 322) will das Gehörorgan der Insekten in den tympanalen und ehordotonalen Sinnesorganen gefunden haben. Zu letzteren gehören in erster Linie die Nervenendapparate in den Halteren der Dipteren und an den Flügeln anderer Insekten, die von Hıcks (Nr. 38) als Geruchsorgane aufgefasst und dann von L£eyDic als Geruchsorgan& gedeutet wurden. 444 Otto vom Rath, der Luft vorhandene Stoffe pereipirt werden sollen!. Vor Kurzem hat Kriperin eine kritische Übersicht der ganzen über den Geruchssinn der Insekten vorhandenen Litteratur gegeben (Nr. 44°) und ist zu dem Schluss gekommen, dass »bei Weitem die meisten und exaktesten Ver- suche auf eine Lokalisation der Geruchsperception in den Euplern und auch wohl in den Palpen hinweisen«. Die auf der Antenne befindlichen Hautsinnesorgane sind Sinnes- haare, Sinneskegel und Membrankanäle (Kräpzrın’s Porenplatten). Wie die meisten Autoren bin ich der Ansicht, dass der Geruchssinn der Antennen in den Sinneskegeln und vielleicht auch in den Membran- kanälen seinen Sitz hat und dass den Sinneshaaren die Tastfunktion zukommt. Die Membrankanäle werden ausschließlich auf den Antennen ge- troffen und sollen zuerst besprochen werden. Wenn sie auch, wie ich oben (p. 415) dargelegt habe, morphologisch auf ein Haargebilde zurück- geführt werden können, so muss doch angenommen werden, dass ihre physiologische Funktion von derjenigen der Haargebilde verschieden ist. Es scheint eine Funktion zu sein, welche nur bei wenigen Insekten wohl entwickelt ist, da die Organe nur bei einzelnen Ordnungen und auch hier nur bei einzelnen Familien oder Gattungen nachgewiesen wurden; z. B. sind sie bei einzelnen Hymenopteren (Vespiden, Apiden und Ichneumoniden) vorhanden, während sie bei anderen (Formiciden und Sirex) fehlen. Wo Membrankanäle auftreten (z. B. bei Cetonia, Melolontha, Vespa, Bombus, Apis, Ichneumon), finden sie sich in großer Anzahl vor, und es sind zwischen denselben meist noch Sinneskegel oder Sinneshaare vorhanden; bei Vespa sind auf den Fühlern außer den Membrankanälen noch sowohl Sinneskegel als Sinneshaare vor- handen. Es ist nach den morphologischen Befunden nicht unmöglich die Membrankanäle als Gehörorgane aufzufassen, da die Membran oder Platte durch Schallwellen in Schwingung versetzt werden könnte; aber in Anbetracht, dass eine Gehörfunktion der Antennen nicht nachge- wiesen wurde, ist es wahrscheinlicher, dass die Membrankanäle der Perception bestimmter Gerüche dienen oder eine unbekannte Funktion erfüllen. Die Sinneshaare und Sinneskegel findet man nicht ausschließlich auf den Antennen, sondern auch an den Palpen an den Unterkiefern und der Unterlippe, in der Mundhöhle und an anderen Stellen. Manch- 1 Bei manchen Insekten (Ameisen und anderen Hymenopteren) ist beobachtet, dass die Thiere mit den Antennen die Objekte betasten; es ist schwer zu entschei- den, ob dabei die Tastfunktion wirklich die Hauptsache ist, oder ob es sich um ein Riechen auf geringe Entfernung handelt » odorat au contact« ForEL (Nr. 28®)]. Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 445 mal sind die Sinneshaare nach Form und Aussehen von gewöhn- lichen Haaren nicht zu unterscheiden und nur durch die Sinneszellen charakterisirt. Häufig sind sie auch durch ihren blassen Ton gekenn- zeichnet. Ob diesen Sinneshaaren außer dem Tastsinn noch eine andere Funktion zukommt, ist nicht zu entscheiden. Übergangsformen zu den »Kegeln« bilden solche blasse Haargebilde, welche wie die Sinneshaare eine beträchtliche Länge besitzen aber stumpf enden (Fig. 5 und 6). Meist sind die Kegel viel kürzer als die Sinneshaare und manchmal überaus klein (z. B. auf der Palpenspitze von Coceinella). Nur in seltenen Fällen z. B. bei den Kegeln der Antenne von Vespä ist es mit Sicherheit zu entscheiden, ob an dem vorderen Ende des Kegels eine Öffnung vorhanden ist oder nicht, und ist daher dieser Punkt bei der physiologischen Deutung kaum zu verwerthen. Das Chitin am vorderen Ende des Kegels ist jedenfalls dünn und blass und wahr- scheinlich für chemische und physikalische Einflüsse durchlässig; bei Behandlung mit schwacher Kalilauge kann das Chitinhäutchen leicht gelöst werden und erscheint dann der Kegel geöffnet. In den Fällen, in welchen die Kegel in Chitingruben stehen und mit ihrem vorderen Ende die Mündung der Grube nicht erreichen (Fig. 5, 7, 42, 16, 24), ist eine Tastfunktion auszuschließen und wird für die Kegel eine Geruchsfunktion sehr wahrscheinlich. Insbesondere gilt dies für solche einfache Chitingruben, bei welchen im Hals der Gruben nach vorn stehende haarartige Vorsprünge entwickelt sind, welche alle gröberen Einflüsse von außen zurückhalten (z. B. auf der Antenne der Schmetterlinge Fig. 5, 7), ferner für solche Chitingruben mit vielen Sinneskegeln, welche eine flaschenförmige Gestalt haben (z. B. Palpe der Schmetterlinge Fig. 16) und bei welchen der Hals der Flasche mit zahlreichen reusenförmig nach vorn gerichteten Haaren besetzt ist. Die- jenigen Kegel, welche in weniger tiefen Chitingruben oder auf der Ober- fläche stehen, sind in ihrem Bau nicht von den eben besprochenen Ke- geln der tiefen Gruben zu unterscheiden, daher ist anzunehmen, dass ihnen, so weit sie auf den Antennen oder den Palpen gefunden werden, eine gleichartige Funktion zukommt. Wenn man annimmt, dass die auf den Antennen und Palpen sich findenden Kegel Geruchsorgane darstellen, so muss man, wenn bei demselben Thiere verschiedene Arten von Kegeln vorhanden sind, ver- muthen, dass dieselben etwas verschiedene Funktion besitzen. Es ist möglich, dass manche Kegel zur Wahrnehmung der schwachen Gerüche weit entfernter Objekte dienen und andere für die Geruchsperception aus der Nähe bestimmt sind. Es kann auch sein, dass jede Art von Kegeln (und vielleicht auch die Membrankanäle) für bestimmte Arten 446 | Otto vom Rath, des Geruches- besonders empfänglich ist. Es sind ja häufig ganz diffe- rente Gerüche, welche für das Leben des Thieres Wichtigkeit haben, zumal die verschiedenen Gerüche, welche mit der Nahrungsaufnahme in Beziehung stehen, die sexuellen Gerüche und solche, welche mit der Eiablage und Brutpfiege zusammenhängen. Ich erinnere daran, dass man auf manchen Antennen außer den Sinneshaaren zweierlei Arten von Kegeln findet, solche, die auf der Oberfläche stehen und solche, die sich in Gruben befinden. Es kann auch sein, dass, wie es Leynıc (Nr. = vermuthet, die Kegel nicht allein der Geruchsfunktion dienen, sondern nebenbei Tast- reize und andere physikalische Einflüsse percipiren und könnte die verschiedene Form und Stellung der Kegel auch damit in Zusammen- hang gebracht werden. Die Sinnesorgane der Palpen erfordern eine besondere Bespre- chung. Ich habe auf den Palpen niemals Membrankanäle gefunden, wohl aber Sinneshaare und Kegel; manchmal sind Chitingruben mit vielen Sinneskegeln vorhanden, z. B. bei der Schmetterlingspalpe und der Palpe von Bibio. Bei Vespa, Ichneumon und Formica habe ich auf den Palpen nur Sinneshaare gefunden (Fig. 13 a und 143 b). Mit Recht hat Leynic (Nr. 55°) hervorgehoben, dass nach den anatomischen Befun- den den Palpen die gleiche oder eine ähnliche Funktion zugeschrieben werden muss, wie den Antennen. Ich glaube, dass den Kegeln der Palpen eine Geruchsfunktion zukommt und zwar wahrscheinlich ein Geruch auf geringe Entfernung. Wenn die Palpen ein mit Kegeln be- setztes Sinnesfeld tragen, so ist seine Lage immer nach der Seite der aufzunehmenden Nahrung hin gerichtet. Die Wichtigkeit der Palpen ist eine ganz verschiedene bei verschiedenen Insekten, indem dieselben bei den einen nur wenige, bei den anderen eine enorme Anzahl von Kegeln tragen. Wenn man dies berücksichtigt, kann man die Resultate der meisten und der besten physiologischen Experimentatoren erklären. So ist es begreiflich, dass nach Abtragung der Fühler die Geruchsfähigkeit bei manchen Insekten fast ganz schwindet, während sie bei anderen ganz oder theilweise erhalten bleibt. Nach den Beobachtungen von GRABER erwiesen sich die Palpen von Gryllotalpa (Nr. 32% p. 398) weit empfind- licher gegen verschiedene riechende Substanzen als die Antennen und kann dies darauf zurückgeführt werden, dass die Palpen von Gryllo- talpa ähnlich gebaut sind, wie die Palpen von Locusta (Fig. 1) und so- gar eine noch größere Anzahl von kleinen spitzen Kegeln tragen. Es ist klar, dass man gerade da eine hohe Empfindlichkeit erwarten muss, woman eine‘große Anzahl gleichartiger Sinnesorgane beisammen findet. Da meistens auf den Palpen nur wenige Sinneskegel vorhanden sind, Über die Hautsinnesorgane der Insekten. 447 so sind sie im Vergleich zu den überaus zahlreichen Sinnesorganen der Antennen von geringerer Bedeutung und schien desshalb bei vielen in der Litteratur bezeichneten Versuchen nach Abtragung der Antennen die Riechfähigkeit gänzlich geschwunden. Es dürfte für alle physiolo- gischen Versuche von Wichtigkeit sein, dass die relative Menge der Sin- neskegel auf den Antennen und Palpen berücksichtigt wird. Wie oben schon gesagt wurde, fehlen die Sinneskegel bei manchen Palpen voll- ständig; doch sind in diesen Fällen zahlreiche Sinneshaare vorhanden, so dass für die Palpen mindestens eine Tastfunktion angenommen wer- den muss. Da die Palpen der Insekten immer Träger von Sinnesorganen sind, so werden sie wohl nirgends in die Kategorie der funktionslosen Or- gane gestellt werden dürfen; man wird daher einige Zweifel haben, wenn neuerdings PrarzAu (Nr. 65) auf Grund der Beobachtung, dass die Palpen bei Orthopteren und Coleopteren zur Nahrungsaufnahme nicht unerlässlich sind, dieselben für »organes devenues inutiles« erklärt. Während ich die Kegel der Antennen und Palpen für Geruchsor- gane halte, möchte ich für diejenigen der Maxille und der Unterlippe und diejenigen der Mundhöhle (Epipharynx und Hypopharynx) eher annehmen, dass sie flüssige und gelöste Stoffe percipiren, also Ge- schmacksorgane darstellen, ohne dass ich damit eine scharfe Abgren- zung dieser beiden Funktionen behaupten wollte. Ich schließe mich ' dabei den Argumenten Krärzuın’s (Nr. 44° und °) an und verweise fer- ner auf die Darlegungen in der Arbeit von Wiırr (Nr. 88), in welcher auch die Angaben, welche über die Geschmacksempfindung der In- sekten in der Litteratur vorliegen, kritisch zusammengestellt sind. Straßburg i. E., Zool. Inst., Januar 1888. Verzeichnis der auf die Hautsinnesorgane der Arthropoden bezüglichen Litteratur. 42) BASTER, Over het Gebruik der Sprieten in Verhandelingen uitgegeven door de Holl. Maatschappij van Wetenschappen te Haarlem 1762. ab) —— Observationes in usum antennarum Insectorum in Commentarii de rebus in scientia natur. et medicina gestis. Vol, XVIII. Lipsiae. 2) BEcHER, Zur Kenntnis der Mundtheile der Dipteren. Denkschriften der Aka- demie der Wissenschaften Wien. Bd. XLV. 4882. .3) BELLoNcı, Systeme nerveux et organes de sens du Sphaeroma serratum. in: Acad. Linc. Mem. III. Ser. T. X. 1881/1882. 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DieBuchstaben haben überallfolgende Bedeutung: bk, Blutkörperchen; nl, Neurilemm ; bz, Begleitzellen; p, Palpe; ch, Chitin; pk, Porenkanal; 9, einfache Chitingrube mit einemSinnes- sch, Schuppe; kegel; sf, Sinnesfeld ; hyp, Hypodermis; sh, Sinneshaar; h, gewöhnliches Haar; sk, Sinneskegel; le, Lobus externus; sz, Sinneszelle ; li, Lobus internus; szg, Sinneszellengruppe; mk, Membrankanal; {, Terminalstrang; n, Nerv; tr, Trachee. Tafel XXX. Fig. 1. Längsschnitt durch die Spitze der Maxillarpalpe vonLocusta viridissima. Vergr. 250. Fig. 2, Längsschnitt durch die Spitze der Maxillarpalpe von Periplaneta ameri- cana. Vergr. 250. Fig. 3a. Längsschnitt durch die Spitze der Labialpalpe von Machilis polypoda. Vergr. 152. Fig. 3b. Einige Sinneskegel der Unterlippe mit dem dazu gehörigen Nerven- endapparat von Machilis polypoda. Vergr. 400. Fig. 4a. Maxille von Sialis. Vergr. 152. Fig. 4b, Sinnesorgane des Lobus externus der Maxille von Sialis. Vergr. 200. Fig. 5. Stück eines Längsschnittes der Antenne von Zygaena. Vergr. 400. Fig. 6. Stück eines Längsschnittes der Antenne von Aglia tau. Vergr. 400. Fig, 7. Stück eines Längsschnittes der Antenne von Vanessa urticae, Vergr. 400. Fig. 8, Stück eines Längsschnittes der Antenne von Pyrrhocoris apterus. Vergr. 400. Fig. 9. Spitze der Labialpalpe von Forficula, Vergr. 250. Fig. 40. Stück eines Längsschnittes eines Caudalanhanges von Gryllus domesti- cus. Vergr. 450. Fig. 44. Sinneskegel der Antenne von Periplaneta americana. Vergr. 400, Fig. 42. Stück eines Längsschnittes der Antenne von Gomphocerus rufus. Ver- srößerung 409, Fig. 13a. Maxillarpalpe von Vespa vulgaris. Vergr. 152. Fig. 430. Sinneshaar der Maxillarpalpe desselben Thieres. Vergr. 400. Fig. A4a, Zwei Sinneskegel der Zungenspitze von Vespa vulgaris. Vergr. 400. Fig. 445. Sinneskegel von der Unterseite der Maxille von Vespa vulgaris. Ver- größerung 400, Fig. 45. Membrankanal aus einem Querschnitt der Antenne von Antophora personata, Vergr. 450, Tafel XXXI, Fig. 16, Längsschnitt durch die Spitze der Labialpalpe des Kohlweißlings, Vergr, 690, u 454 Otto vom Rath, Über die Hautsinnesorgane der Insekten. Fig. 17, Längsschnitt durch die Maxillarpalpe von Coccinella septempunctata. Vergr. 250. Fig. 18, Stück eines Querschnittes der Antenne von Necrophonne zwei Poren- kanäle zeigend. Vergr. 400. Fig. 49. Längsschnitt durch die Spitze einer Maxillarpalpe von Melolontha vul- garis. Vergr. 152. Fig. 20. Längsschnitt durch die Spitze einer Maxillarpalpe von Tenebrio moli- tor. Vergr. 250. Fig. 24. Stück eines Längsschnittes aus dem dritten Glied der Palpe von Bibio. Vergr. 200. Fig. 22. Stück eines Querschnittes der Antenne von Cetonia aurata. Vergr. 450. Fig. 23. Flächenschnitt der Unterlippe der Larve von Tenebrio molitor, Ver- srößerung 400. | Fig. 24. Stück eines Querschnittes der Antenne von Tabanus bovinus. Vergr. 400. Fig. 25. Längschnitt durch die Spitze des Rüssels von Pyrrhocoris apterus. Vergr. 400. Fig. 26. Ein Membrankanal der Antenne von Cetonia aurata, Vgl. Fig. 22. Fig. 27. »Geschmackskegel« des Rüssels von Tabanus bovinus mit der zuge- hörigen Sinneszellengruppe. Vergr. 400. Fig. 28. Stück eines Längsschnittes der Antenne von Bibio. Vergr. 305. Fig. 29. Ein Sinneskegel der Palpe von Tipula. Verg. 305. Fig, 30. Stück eines Querschnittes der Antenne von Bombylius. Vergr. 305. Fig. 31. Stück eines Querschnittes durch die Antenne von Necrophorus, zeigt die Sinneskegel. Vergr. 400. Fig. 32. Theil eines Schnittes einer Lamelle der Antenne von Melolontha vul- garis. Vergr. 305, Een NER ee, ri ter Wera “ER un ren Te Das. Biologische Protisten-Studien. Von Dr. Max Verworn (Berlin). (Aus dem Zoologischen Institut zu Berlin.) Mit Tafel XXXII und 3 Holzschnitten. Die vorliegenden Protistenstudien machte ich, als ich mir zum Zweck psychophysiologischer Untersuchungen, die später im Zusammen- hang veröffentlicht werden sollen, die Aufgabe stellte, den Vorgang des Gehäusebaues bei den beschalten Süßwasserrhizopoden zu beobachten. Da dieser Vorgang von solchen Formen, die ein Gehäuse aus selbst- produeirtem Material bauen, in früheren Arbeiten, besonders von GRU- BER! und neuerdings in sehr eingehender Weise von SCHEWIAKOFF? beschrieben und abgebildet worden ist, so war es mein Bestreben denselben bei einer Form zu beobachten, welche Fremdkörper zum Gehäusebau verwendet. Ich wählte dazu eine Difflugia. Durch Be- obachtungen, die ich bei dieser Form machte, wurde ich dann veran- lasst, auch eine polythalame Meeresform Polystomella in den Kreis mei- mer Studien zu ziehen, und ich danke es der Güte des Herrn Prof. F.E. ScHuLze, dass mir das Material dazu zur Verfügung gestellt wurde. Difflugia urceolata Carter. In einem Aquarium mit Wasser aus dem Halensee bei Berlin, welches seit Ende Juni 1887 im hiesigen zoologischen Institut gestanden hatte, traten gegen Ende Oktober zahlreiche Individuen von Difflugia urceolata Carter auf, die mir wegen ihrer Größe ein günstiges Material zu meinen Untersuchungen boten. Um gegen ein plötzliches Aussterben dieser Pro- 1 A. GrusEr, »Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata.« in: Diese Zeitschr. Bd. XXXV. — »Die Theilung der monothalamen Rhizopoden.« Ebenda. Bd. XXXVI. 2 W. SCHEWIAKOFF, »Über die karyokinetische Kerntheilung von Euglypha al- veolata.« in: Morphol. Jahrb. Bd. XII. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie, XLVI. Bd. 31 456 Max Verworn, tistenkultur in Folge ungünstiger Einflüsse im Aquarium etwas geschützt zu sein, zweigte ich davon einige kleinere Kulturen ab, indem ich viele Exemplare mit Grundproben und Wasserpflanzen in kleine Gläschen vertheilte, die ich in feuchten Kammern aufbewahrte. Bei der Unter- suchung eines dieser Gläschen fand ich am Morgen des 9. November zwei in Conjugation begriffene Individuen. Die Verwechslung mit einem Thei- lungsprocess war hier ausgeschlossen, da die Schalen beider Individuen vom Beginn der Beobachtung an vollständig schwarz, in durchfallendem Lichte beide gleichmäßig rothbraun erschienen. Die Protisten lagen mit ihren Schalenmündungen so auf einander, dass sich die Ränder derselben genau gegenüber standen, nur war auf der einen Seite ein schmaler Spalt zwischen beiden, aus dem zahlreiche Pseudopodien herausgestreckt wurden. Das Paar wurde isolirt in einem Uhrschälchen aufbewahrt. Am 40. November Morgens waren alle Pseudopodien ein- gezogen, die Schalen lagen unbeweglich da mit genau auf einander ge- pressten Öffnungen. Die Protisten verweilten den ganzen Tag über in diesem Zustande. Am 11. November Morgens war zwischen beiden Schalenmündungen wieder ein kleiner Spalt entstanden, durch den, wie am ersten Tage der Beobachtung, zahlreiche Pseudopodien heraus- traten. Da ich vermuthete, dass der Conjugationsvorgang bald beendigt sein würde, tödtete ich im Laufe des Tages die Protisten mit Osmium- säure, wobei ihre Pseudopodien ausgestreckt blieben, und färbte sie mit Ammon-Pikrokarmin. Es fand sich nun, dass die beiden Schalen sich während des Färbens von einander getrennt hatten, wodurch ein - Einblick in die Beschaffenheit des Protoplasmas ermöglicht wurde. Das Protoplasma war etwas herausgetreten und es war deutlich bemerkbar, dass die Protoplasmakörper beider Individuen zu einem verschmolzen waren, in der Weise, dass das hyaline Protoplasma mit den Pseudopodien einen Kranz bildete, welcher das sich in beide Schalen hinein er- streckende Endoplasma gürtelartig umgab. Dabei setzte mich in Er- staunen, dass sich im Endoplasma außer einer dunkeln, zum großen Theil aus Sandkörnchen bestehenden Masse ca. 30—35 Kerne von je 0,2 mm Größe befanden, die das gewöhnliche Aussehen der Difflugien- kerne zeigten (Fig. 6) und dunkelroth gefärbt erschienen. Anfangs glaubte ich die Erscheinung dieser vielen Kerne mit dem Conjugations- process in Verbindung bringen zu müssen, bis ich mich an anderen, aus verschiedenen Gläsern und zu verschiedenen Zeiten entnommenen Exemplaren der Difflugia überzeugte, dass alle Individuen stets 15—20 Kerne enthielten, dass also Difflugia urceolata eine vielkernige Form ist. Ein Exemplar, von dem die eine Schalenseite unter dem Mikroskop mit Hilfe einer sehr spitzen und scharfen Lanzette lospräparirt ist, zeigt Fig. 5. Biologische Protisten-Studien. 457 Man bemerkt innerhalb der Schale das graubraune Endoplasma, das seine charakteristische Farbe von zahllosen sehr kleinen bräunlichen Körn- chen mit starker Lichtbrechung erhält. In ihm liegen die Kerne, die auf der Figur roth gefärbt sind und ferner Nahrungstheile sowie endlich eine große Zahl von Sandkörnchen, die theils nur äußerlich angeklebt, theils vollständigin das Protoplasma aufgenommen sind. In der Gegend der Schalenmündung liegt das hyaline Exoplasma, das seine fingerför- migen Pseudopodien nach außen streckt. Mein Interesse erregte am meisten das Häufchen von Sandkör- . nern, welches sich im Endoplasma der Difflugia befand; und da ich das- selbe als einen ziemlich regelmäßigen Bestandtheil im Protoplasma aller untersuchten Exemplare antraf, vermuthete ich, dass es bei der Schalenbildung verwendet würde. Schon BürscuLı! hatte die Möglich- keit ausgesprochen, dass »das zum Schalenbau verwerthete Fremd- material in die protoplasmatische Leibesmasse der Difflugien selbst aufgenommen und nachträglich auf der Oberfläche zur Bildung der Schale abgelagert« würde. GRuBEr? pflichtet der Vermuthung Bürscaur's bei und im Hinblick auf die schon öfter beobachtete Erscheinung, dass andere Rhizopoden Sand in ihre protoplasmatische Leibesmasse auf- nehmen, sagt er: »es wird uns kaum mehr ein Zweifel bleiben, dass die Ansicht Bürscauı’s über die Difflugienschale richtig ist und es werden demnach diese Thiere selbst im Wasser das Material, den Sand, die Diatomeen, oder was es auch sei, auswählen undinsich aufneh- men. Schreiten sie dann zur Theilung, so geht dieselbe und die An- lage des neuen Gehäuses in derselben Weise vor sich, wie bei den bisher besprochenen Monothalamien« (Euglypha, Quadrata, Gyphode- ria etc.). Ich trachtete nun zunächst danach, den Akt der Sandaufnahme ‚direkt zu beobachten. Zu diesem Zweck war es vortheilhaft, den Pro- tisten möglichst viel Schalenmaterial zu bieten, um ihnen dadurch viel Gelegenheit zu geben, welches in sich aufzunehmen. Damit dasselbe für meine Untersuchungen leicht erkennbar und von anderem Material unterscheidbar wäre, wählte ich dazu nicht Sandkörner, sondern fein- gepulvertes dunkelblaues Glas, das zwar in den kleinsten Splitterchen ziemlich hell erschien, aber im Gegensatz zu der Umgebung noch immer einen schwachen bläulichen Schimmer zeigte. Bei späteren Versuchen wählte ich ganz schwarzes Glas, das in feinsten Theilchen olivenfarbig aussah. Nachdem ich eine geeignete Menge blauer Glassplitterchen in ein Uhrschälchen gethan hatte, setzte ich mehrere Difflugien mit Wasser- ! Bürscarı, »Bronw’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Protozoen.« 1880. ® GRUBER, »Die Theilung der monothalamen Rhizopoden.« ]. c. 31* 458 Max Verworn, pflanzen hinein. Nach einiger Zeit begannen die Protisten Pseudopodien auszustrecken und zwischen den Glassplittern umherzukriechen. Sie stießen oft mit den Pseudopodien an dieselben an, schoben sie jedoch fort und krochen vorbei, ohne sie aufzunehmen. Ich beobachtete sie sehr lange Zeit und wiederholt, es gelang mir indessen Anfangs nicht eine Aufnahme der Glaskörnchen zu beobachten. Da kam zufällig eine unge- schickte Cypris in die Nähe einer Difflugia und stieß an ihre Pseudo- podien heftig an. In wenigen Sekunden wurde nun die Oberfläche der weit ausgestreckten Pseudopodien runzelig und höckerig, und es bhlie- ben einige Glaskörnchen an ihnen kleben, die allmählich mit den Pseudopodien vollständig in das Innere des Gehäuses hineingezogen wurden. Das war also die Art und Weise, wie die Aufnahme des Schalenmaterials vor sich geht: bei mechanischen Reizen tritt eine Re- flexkontraktion der Pseudopodien und damit verbundene Ausscheidung einer klebrigen Schicht an ihrer Oberfläche ein, die es ermöglicht, dass die Glaskörnchen haften bleiben und mit eingezogen werden. Durch eine Reihe von Versuchen, die auch an anderen Difflugienarten wieder- holt wurden, konstatirte ich dann die große Regelmäßigkeit des Vor- gangs: Wenn eine Difflugia ihre Pseudopodien lang ausgestreckt hatte und zwischen den Glaskörnchen umherkroch, wurde sie mit einer spitzen Nadel gereizt. Mit großer Exaktheit trat dann immer dieselbe Wirkung ein, die Pseudopodien wurden höckerig, und während vor- her kein Glaskörnchen an ihnen haften geblieben war, klebten die- selben jetzt fest und wurden langsam mit in die Schale hineingezogen. Exemplare, bei denen später die Schale theilweise entfernt wurde, zeigten dann, dass die Glaskörnchen nicht bloß an der Oberfläche des Protoplasma haften geblieben, sondern thatsächlich in dasselbe hinein- gezogen waren, so dass das Innere ein Häufchen blauer Glaskörnchen enthielt. Die Aufnahmeweise des Materials für den Schalenbau war also festgestellt, indessen glückte es mir erst spät, einige in Theilung be- griffene Individuen zu entdecken. Dieselben fand ich in einem Uhr- schälchen, welches eine von dem größeren Aquarium abgezweigte Kultur von leider nur wenigen Individuen enthielt. Indessen hatte ich doch Gelegenheit verschiedene Theilungsstadien zu beobachten und dabei nachzuweisen, dass der Theilungsvorgang in genau derselben Weise verläuft, wie sie Grußer im Hinblick auf die Theilung von Eu- glypha, Cyphoderia ete. angenommen hatte. Es wölbt sich aus der Schalenmündung zuerst ein flacher, runder Protoplasmahügel hervor, der immer weiter heraustritt, und dessen Wölbung immer mehr sich der Kugelform nähert. In einem Falle erschien die Form desselben Biologische Protisten-Studien. 459 nicht ganz regelmäßig, sondern etwas schief und auf einer Seite ein- gedrückt. Bei einem weiter vorgeschrittenen Stadium hatte die vor- getretene Protoplasmamasse schon die Größe des ursprünglichen Indi- viduums erreicht, ja ich fand sogar ein Exemplar, an dem sie noch etwas größer und breiter war als dieses. Bei einem Individuum, dessen hervorgetretene Masse schon annähernd die Größe der alten Schale angenommen hatte, bemerkte ich, dass ein Ballen von Glaskörnchen schon zum Theil in die neugebildete Hälfte eingetreten war, wo das Protoplasma mit den Glaskörnchen langsam fließende Bewegung zeigte. - An dem am weitesten vorgeschrittenen Theilungsstadium hatte das vorgewölbte Protoplasma schon ziemlich die Form einer Difflugien- schale der vorliegenden Art angenommen und die Glassplitter hatten sich an seiner Oberfläche angelagert. Eine feste Schale schien die neue Hälfte noch nicht zu haben, sondern die Glaskörnchen waren noch ganz lose an einander gefügt. Am nächsten Tage war an diesem Exemplar schon die Trennung des neugebildeten Individuums voll- zogen, dasselbe kroch mit seinen Pseudopodien im Uhrschälchen um- her. Seine Schale wies die charakteristische Form auf, indessen waren die hellbläulichen Glaskörnchen durch ein noch fast durchsichtiges, jedenfalls aber ganz farbloses Bindemittel unter einander vereinigt, das erst nach einigen Tagen anfing eine dunklere, bräunliche Färbung an- zunehmen. Zugleich mit diesem Exemplar fanden sich am nächsten Tage noch zwei ebenfalls neu entstandene Individuen, die dasselbe Aussehen hatten. Die vier anderen Exemplare, welche ich am Tage vorher noch in Theilung begriffen gefunden hatte, zeigten, seitdem ich sie verlassen, kaum eine nennenswerthe Veränderung und später er- gab sich, dass sie todt waren. Der noch nachträglich angestellte Ver- such einer Kernfärbung misslang, und nur in einem Individuum war in der vorgewölbten Protoplasmamasse ein einziger sehr großer, aber nicht besonders deutlicher Kern zu sehen, so dass es mir hiernach nicht möglich ist, über das Verhalten der Kerne bei der Theilung etwas mit- zutheilen. Wie aus den Beobachtungen an Difflugia hervorgeht, schließt sich also diese Gattung in Bezug auf die Schalenbildung bei der Thei- lung direkt an die übrigen beschalten Süßwasserrhizopoden an. Um zu untersuchen, ob und in welcher Weise die Difflugia künstlich herbeigeführte Beschädigungen ihrer Schale mit dem in das Protoplasma aufgenommenen Baumaterial wieder ausbessert, stellte ich eine Reihe von Theilungsversuchen an. Wenn die Individuen sich voll- ständig in ihre Schale zurückgezogen hatten, wurden sie mit einer spitzen Lanzette unter dem Mikroskop nach bestimmten Richtungen zerschnitten und dann in Uhrschälchen resp. auf Objektträgern mit dem 460 Max Verworn, nöthigen Schalenmaterial aufbewahrt. Alle überstanden die Operation gut und konnten selbst auf dem Objektträger noch über drei Wochen am Leben erhalten werden, wenn sie in feuchten Kammern aufbewahrt wurden. Zuerst wurden die Protisten in zwei ziemlich gleich große Theile zer- schnitten durch einen Schnitt, welcher in der Ebene der Schalenöffnung durch die Mitte des Protistes gelegt wurde (Fig. a). Die Theilsttücke wurden an jedem Tage sorgfältig untersucht. Sie zeigten sich ganz normal, streckten Pseudopodien aus und krochen umher. Auf Reize Fig. a, b, c, d, e, f. Die punktirten Linien geben die Schnittrichtungen an. reagirten sie wie früher, nahmen auch Glaskörnchen auf, aber sie zeig- ten keine Regeneration des Gehäuses; die Schnittränder waren vielmehr noch genau so zackig, wie kurz nach der Zertheilung. Andere Indivi- duen wurden durch einen in der Längsrichtung der Schale geführten Schnitt in zwei gleiche Hälften zerlegt (Fig. b). Auch diese Stücke ver- hielten sich ganz normal ohne im Übrigen die Schale zu regeneriren. Nun wurden Exemplare in zwei ungleich große Stücke (Fig. c und d), sowohl in der Quer- als in der Längsrichtung zertheilt; aber weder die großen noch die kleinen Theilstücke zeigten später irgend eine Verän- derung an der Schalenschnittstelle.. Die Versuche wurden in der mannigfachsten Weise an einer sehr großen Zahl von Exemplaren variirt (Fig. d und e), stets zeigte sich dasselbe Resultat: alle Theilstücke be- ee | De EEE Biologische Protisten-Studien. A461 saßen noch die gleiche Lebensfähigkeit, ohne jedoch die Schalenstücke, welche ihnen geblieben waren, zu regeneriren. Dann modificirte ich den Versuch, indem ich nur ganz geringe Ver- letzungen anbrachte, ohne den Protoplasmakörper zu verletzen. Ich machte zu diesem Zweck an verschiedenen Stellen der Schale vieler Individuen je einen kleinen Einschnitt (Fig. f), und wartete ob eine Ausbesserung desselben eintreten würde. Es wurde an jedem Tage genau nachgesehen, ob eine Veränderung eingetreten war, aber auch nach drei Wochen zeigte sich immer noch genau dasselbe Bild der Schnittstelle, wie kurz nach der Operation. Die Schnittränder waren noch eben so zackig wie am ersten Tage, und trotzdem alle Individuen Glaskörnchen aufgenommen hatten, hatte doch niemals eine Anlagerung derselben an die Schnittstelle stattgefunden. Die Versuche wurden später auch mit anderen Glassplittern und mit Sandkörnern gemacht, aber niemals trat eine Ausbesserung oder Ergänzung des Gehäuses ein. Schließlich wurde von einigen Exemplaren vorsichtig das ganze Gehäuse bei schwacher Vergrößerung abpräparirt, ohne dass der Pro- toplasmakörper des Protists dabei verletzt wurde. Auf diese Weise bekam ich vollständige Difflugien ohne Schale, die sich ebenfalls ganz normal verhielten. Sie nahmen Sandkörnchen resp. Glassplitterchen auf, krochen mit ihren fingerförmigen Pseudopodien umher, und brei- teten sich öfter platt aus, wobei es besonders gut zu sehen war, dass die aufgenommenen Glaskörnchen einen kleinen Haufen im Inneren des Protoplasmas bildeten. Wenn nur kurze Pseudopodien ausgestreckt waren, hatten die Protisten mit einer Pelomyxa große Ähnlichkeit, die noch erhöht wurde durch die graubraune Färbung, die aufgenommenen Glaskörnchen und die große Zahl der Kerne. Es gelang mir diese ge- häuselosen Difflugien beinahe drei Wochen in normalem Zustande am Leben zu erhalten, ohne dass sich auch nur eine Spur einer Neubildung des Gehäuses bemerkbar gemacht hätte. Die Oberfläche des Protoplas- makörpers zeigte nicht die geringste Ausscheidung oder Anlagerung fester Stoffe, sie war vielmehr weich, machte amöboide Bewegungen und ent- wickelte Pseudopodien bis zuletzt, wo die Protisten das Opfer eines un- glücklichen Zufalls wurden. Wenn ich berücksichtige, dass ich meine Versuche an einer sehr sroßen Zahl von Difflugien zu verschiedenen Zeiten angestellt, dass ich die Versuche in jeder Weise variürt und dass ich die operirten Indivi- ‚duen bis über drei Wochen sorgfältig beobachtet und untersucht habe, ‚so glaube ich mit völliger Sicherheit den Schluss ziehen zu dürfen, dass die Difflugien ein verletztes oder vollständig entferntes Gehäuse nicht regeneriren. 462 Max Verworn, Polystomella crispaLl. Da diejenigen Rhizopodenformen, welche sich ein Gehäuse aus Fremdkörpern bauen, wie die Difflugien, durch eine große Zahl von Zwischenformen eng mit denen verbunden sind, die ihr Gehäuse selbst secerniren, wie die Polythalamien, so war es mir wünschenswerth, auch eine solche Form in Bezug auf die Regenerationsverhältnisse der Schale hin zu untersuchen, wozu mir an Polystomella cerispa L. aus Triest Gelegenheit gegeben war. Auch diese Protisten konnte ich in Uhr- schälchen mit Seewasser, in welche kleine Stückchen von Ulven zur Erzeugung des nöthigen Sauertoffes gethan wurden, über zwei Monate am Leben erhalten. Da ihre Schale nicht sehr dick war, so gelang es auch hier ganz gut, mit der Lanzette Theilungen und Verletzungen an bestimmten Stellen auszuführen, wobei nur die ungemeine Klebrigkeit des Protoplasmas einige Schwierigkeiten bereitete. Der Kern liegt bei den Polystomellen meist in derselben Gegend, und zwar in der Nähe der- jenigen Kammer, auf welche sich die jüngste Kammer von außen aufsetzt. In Folge dessen kann man mit einiger Sicherheit vorherwissen, ob man in einem Theilstücke den Kern haben wird oder nicht. Natürlich wur- den außerdem noch die Stücke, nachdem die Untersuchung an ihnen beendigt war, mit Essigsäure entkalkt und mit einem Karminfarbstoff gefärbt, so dass dann über die Kernlosigkeit oder Kernhaltigkeit kein Zweifel mehr sein konnte. Die Theilungen resp. Verletzungen wurden in folgender Weise aus- geführt. Zuerst wurden von einigen Individuen die ersten zwei bis vier Kammern abgetragen. Diese abgeschnittenen Kammern zeigten keine Regenerationserscheinungen, trotzdem sie noch lange Zeit am Leben blieben. Bei den anderen Stücken dagegen, welche den Kern enthiel- ten, war nach wenigen, in der Regel drei bis sechs Tagen die gezackte Bruchstelle in der Weise wieder ausgebessert, dass sich das Protoplasma etwas über dieselbe rundlich hinausgewölbt und an seiner Oberfläche eine Kalkschicht abgeschieden hatte (Fig. 7). Diese Kalkschicht glich in ihrer Form der äußeren Wand der jüngsten Kammer eines unver- letzten Protists, und zeigte die typische Struktur der von vielen kleinen Löchern perforirten Polystomellenschale. Die Trümmer des Röhrchen- systems an beiden Seiten der letzten angeschnittenen Kammer waren nicht wieder zu ganzen Röhrchen vervollständigt worden, sondern wa- ren zerstört geblieben und die neugebildete Wand hatte sich direkt auf ihnen angesetzt. In einem Fall aber waren auf der äußeren Seite der neugebildeten Wand schon die Andeutungen eines ganzen neuen Röhr- chensystems zu sehen (Fig. g und h), welches sich offenbar vollständig Biologische Protisten-Studien. 463 entwickelt hätte, wenn sich an die neue Wand noch eine ganze Kammer neu angesetzt hätte. Die neugebildete Wand war nämlich an den beiden Seiten, wo sich an den normalen Kammerwänden die Röhrchen ansetzen, von entsprechend großen Löchern durchbohrt, welche von einem nie- drigen Wall, der Andeutung der künftigen Röhrchen, umgeben waren. Solche Individuen, bei denen zwei Kammern verletzt waren, ver- vollständigten nicht wieder jede Kammer einzeln, sondern es wurde nur eine Kalkwand an der Oberfläche der äußeren von beiden angeschnit- tenen Kammern ausgeschieden. Ferner wurden bei einer Anzahl von Polystomellen die letzten zehn bis zwölf Kammern im Zusammenhang abgetragen. Die abgetragenen Kammern wiesen nach 14 Tagen noch keine Regeneration auf, während ihre Lebenserscheinungen durchaus nicht erloschen waren. Sie wur- den dann getödtet, entkalkt und gefärbt, wobei sich ihre Kernlosigkeit sicher herausstellte. Die anderen Stücke dagegen boten dasselbe Re- generationsbild, wie es zuerst beschrieben wurde. Fig. 9. Die letzte zerschnittene Kammer mit der Regeneration von der Seite. — Fig. h. Dieselbe von vorn. — Fig. ’. Die äußere Wand der letzten Kammer an einem normalen Exemplar, das keine Anlage des Röhrchensystems einer folgenden Kammer zeigt. Dann wurden Exemplare so zerschnitten, dass von einer Reihe von Kammern ein Theil abgeschnitten wurde. Die abgeschnittenen Stücke lebten zwar weiter, aber auch ohne Regenerationserscheinungen. Die anderen Theilstücke dagegen, in denen der Kern lag, hatten über alle angeschnittenen Kammern außen eine gemeinsame, zusammenhängende Kalkschicht abgelagert, welche die Wunde ganz abschloss und die ty- pische Schalenstruktur zeigte (Fig. 8). Endlich wurden an einer Reihe von Individuen kleinere Verlet- 464 | Max Verworn, zungen angebracht, indem mit der Lanzette an gewissen Stellen drei- eckige Einkerbungen ausgeführt wurden, die nur eine oder wenige Kammern betrafen. Auch diese Wunden überzogen sich nach einigen Tagen mit einer zusammenhängenden Kalkschicht (Fig. 9). Öfter kam es vor, dass sich nach dem Abtrennen der Kammern das Protoplasma aus der letzten geöffneten Kammer bis hinter die nächste Kammerwand zurückzog. In diesem Fall trat natürlich keine Regenera- tion an der Bruchstelle ein. Eben so zog sich das Protoplasma bisweilen von den anderen Wunden in das Innere zurück, und dann vernarbten die Wunden ebenfalls nicht. Aber auch nachdem eine neue Kalkwand an einer verletzten Kammer angebaut war, zog sich das Protoplasma häufig aus dieser Kammer zurück, wie ja auch meist bei unverletzten Individuen die jüngste oder die jüngsten Kammern von Protoplasma verlassen sind. Um den Einfluss des Kerns auf die Schalenregeneration noch siche- rer festzustellen, wurde eine Reihe von Theilungen vorgenommen, bei denen kernlose Stücke von verschiedener Größe abgetrennt wurden. Es gelang mir, solche Stücke noch fast drei Wochen am Leben zu er- halten. Selbst die Hälfte des protoplasmatischen Inhalts einer einzigen Kammer blieb innerhalb ihres Schalenbruchstückes noch 14 Tage am Leben, bis das Stück getödtet wurde. Alle kernlosen Theilstücke wiesen nicht die geringste Spur von Neubildungen auf, eine Erscheinung, die in vollstem Einklang steht mit den Ergebnissen der Versuche Nussgaum’s ! und GruüßeEr’s ? an Infusorien. Nusspaum fand, dass bei Oxytricha sich nur die kernhaltigen Theilstücke zu ganzen Indi- viduen regenerirten, und GruseEr konnte durch seine schönen Versuche an Stentor coeruleus dasselbe feststellen. Ich will hier erwähnen, dass ich selbst die Versuche Gruser’s an Stentor coeruleus mit demselben Erfolge wiederholt und auch die gleichen Versuche an Lacrymaria olor angestellt habe. Lacrymaria, die mir gerade in großer Individuenzahl zur Verfügung stand, war in so fern günstig für diese Versuche, als es verhältnismäßig leicht glückte, Theile ohne Bruchstücke vom Kern los- zuschneiden, was mir bei meinen Stentoren schwerer gelang. Indessen habe ich auch bei Laerymaria dieselben Resultate erzielt, und so scheint es mir unzweifelhaft, dass Regenerationen unter demEinfluss des Kernes vor sich gehen und ohne denselben nicht zu Standekommen können. | 1 NussgAum, »Über spontane und künstliche Theilung von Infusorien.« in: Verh. d. naturhist. Vereins d. preuß. Rheinlande. Bonn 1884, 2 A. GRUBER, »Zur Physiologie und ’Biologie der Protozoen.« in: Ber. d. naturf. Gesellsch. zu Freiburg i. B. 1886, Biologische Protisten-Studien. 465 Bei Polystomella machte ich ferner an den kernlosen Stücken eine Beobachtung, die vielleicht. von Interesse sein wird. Ich stellte den Versuch an, ob die kernlosen Stücke noch Nahrung aufnehmen, indem ich in den Wassertropfen, in dem sich dieselben befanden, viele kleine Seewasserprotisten setzte, die ihnen zur Nahrung dienen sollten. Die Theilstücke hatten bei hellem Wetter sehr reichliche Pseudopodien aus- gestreckt, und zwischen diesen bewegten sich Protisten umher. Ich beobachtete nun wiederholt, dass schwimmende Flagellaten an den Pseudopodien haften blieben, dann Fluchtbewegungen machten und wenn es ihnen nicht gelang, sich loszureißen, langsam mit dem Pseu- dopodium an die Schale herangezogen wurden. Mit einem Theilstück befanden sich außer den Flagellaten noch viele Euplotes charon in demselben Wassertropfen, die indessen zu groß zu sein schienen, um festgeklebt zu werden. Wenn sie in die Nähe der Pseudopodien kamen, machten sie jedes Mal eine Rückwärtsschnellbewegung, die sie wieder außer Gefahr brachte. Einmal jedoch bemerkte ich, wie ein Euplotes, der über ein ganzes Bündel von Pseudopodien laufen wollte, an mehreren -Pseudopodien zugleich kleben blieb, und trotz seiner Fluchtanstren- ‚gungen langsam nach der Schale hingezogen wurde. Seine Bewegungen wurden dabei allmählich immer schwächer, bald erfolgten nur von Zeit zu Zeit noch einzelne Schnellbewegungen der hinteren Sprungwimpern, und schließlich nach Verlauf von ca. 25 Minuten hörten alle Bewegungen auf. Nach längerer Zeit, als das Theilstück einen Ortswechsel vornahm, blieb das Infusor liegen und war, wie ich mich überzeugte, wirklich todt. Die gleiche Beobachtung machte ich ein anderes Mal bei einer metabolischen Euglena. Dass Nahrungsaufnahme bei kernlosen Theilstücken vorkommt, ist mir nicht auffällig, daich dieselbe als eine reine Reflexwirkung erkannt häbe, die nur auf mechanische Reizung (Bewegung der Nahrungsorga- nismen etc.) erfolgt. Ich konnte dieselbe durch künstlich bewegte ‚Fremdkörper wie Papierfäserchen etc. nachahmen. Was mir dagegen von Wichtigkeit erscheint, ist der Umstand, dass die aufgenommenen Nahrungsprotisten getödtet werden. Dies deutet entschieden auf das Eintreten einer chemischen Wirkung von Seiten des Theilstückes auf das Protoplasma der Nahrungsorganismen hin. Leider ist es ja in den meisten Fällen sehr schwierig nachzuweisen, ob ein Verdauungsprocess stattfindet oder nicht, und so habe ich diese Beobachtung nur mitge- theilt, weil sie sich später vielleicht im Zusammenhang mit anderen einmal verwerthen lässt. Um meine eigenen Untersuchungen über die Regenerationserschei- nungen der Polythalamien noch zu ergänzen, ‚will ich hier auf die Be- 466 Max Verworn, obachtungen hinweisen, die Carpenter ! an dem Material von der Chal- lenger-Expedition zu machen Gelegenheit hatte. CArPENTER fand unter den Foraminiferen der Challenger-Expedition einige Arten der Gat- tung Orbitolites, die sich durch eine beträchtliche Größe auszeichnen. Eine Art, die er Orbitolites tenuissima nannte, ist bis 0,6 Zoll groß und ist charakterisirt durch eine äußerst dünne und zerbrech- liche Schale. Die Folge dieser Eigenschaft war, dass unter den gefun- denen Exemplaren nur wenige unverletzt waren, andererseits aber viele, die frühere Verletzungen wieder ausgebessert hatten. CARPENTER giebt von der Art und Weise der Ausbesserungen folgende Beschrei- bung: »where only small portions of the margin are broken away, the next-formed annuli extend themselves along the fractured edge; and thus the eyclical mode of growth is completely maintained with only or temporary irregularity«. Und nicht nur kleinere Verletzungen wer- den nach CArPENTER bei dieser Form ausgebessert, sondern die Regene- rationsfähigkeit geht so weit, dass auch einzelne kleine Bruchstücke sich zu vollständigen Individuen ergänzen können, deren äußere Scha- lenumgänge dann wie- der ganz normale Be- schaffenheit haben. Fig. k: stellt die etwas sche- matisirte Wiedergabe einer Abbildung Car- PENTER’S dar. Dieselbe zeigt, wie sich ein sol- ches Bruchstück zu einem ganzen Indivi- duum vervollständigt hat. CARPENTER sagt da- von: »I have been able to assure myself that every part ofthe mar- gin of this fragment — whether broken or un- broken, peripheral, cen- tral or lateral— has contributed to the formation of the first new complete annulus, by which the foundation was laid of the subsequent regular series of concentric zones; thus clearly indicating that a sarcodic extension took place from every chamberlet laid open by the fracture, as well as Fig. k. ! CARPENTER, »Report on the specimens of the genus Orbitolites etc.« in: Report of the scientific results of H, M. S. Challenger. Bd. VII. Biologische Protisten Studien. 467 from the normal pores of the last septal plane, and that these extensions coalesced to form or continuos ring, as in the formation of the ordinary succession of concentric annuli. It is most interesting to observe that the zone of chamberlets to which this sarcodie ring gave origin is formed upontheperfeetedtype, without anyreversion to the earlier peneropline stage.« Letztere Bemerkung bezieht sich auf die Beobachtung CArPEn- TER’Ss, dass die Schale von Orbitolites von ihrer frühesten Anlage an verschiedene Entwicklungsstadien durchläuft, in denen sie anderen Polythalamienschalen Cornuspira, Spiroloculina, Peneroplis und Orbi- eulina ähnlich ist. In demselben Maße, wie bei Orbitolites tenuissima fand CARPENTER auch die Regenerationserscheinungen bei Orbitolites complanata Lam., einer Form, die sich durch ihre enorme Zahl kleiner Kammern und ihre schmalen Umgänge auszeichnet. Ein ganz kleines Bruchstück genügt, um zu der Neubildung eines großen Indivi- duums Veranlassung zu geben. Was die Kernverhältnisse der Orbito- liten betrifft, so hat CArPENTER in der Protoplasmamasse des Polythalams eine große Anzahl kleiner runder Körperchen gefunden, die unregel- mäßig zerstreut waren. Er vermuthet, dass diese die Kerne des Protists sind. Dass übrigens diese Polythalamienform eine vielkernige ist, wird auch schon durch die intensiven Regenerationserscheinungen der verschiedensten Bruchstücke höchst wahrscheinlich gemacht. Zum Schluss möge ein kurzer Überblick über die einzelnen Ergeb- . nisse und eine kritische Besprechung derselben Platz finden. Das Re- sultat der Beobachtungen und Versuche an Difflugia urceolata ist fol- gendes: Die Gehäusebildung geht in ähnlicher Weise vor sich, wie bei den übrigen beschalten Süßwasserrhizopoden, mit dem Unterschiede, dass erst Fremdkörper zum Gehäusebau durch gewisse Reflexvorgänge von außen in das Protoplasma aufgenommen werden. Eine Regenera- tion des verletzten respektive ganz entfernten Gehäuses von Seiten des Protoplasmakörpers findet nicht statt, während die Lebensfunktionen in normaler Weise ihren Fortgang nehmen. Ein ganz anderes Ergebnis zeigen die Versuche an Polystomella cerispa. Es stellt sich heraus, dass an einem Theilstück Regenerationserscheinungen auftreten, wenn der Kern in demselben enthalten ist, dagegen stets ausbleiben, wenn er ‚ fehlt. Die beobachteten Regenerationsvorgänge beziehen sich einerseits auf das Verkleben von Wunden durch eine Kalkablagerung, die von der Oberfläche des Protoplasmas abgeschieden wird, und andererseits auf die Bildung neuer Kammern. Dagegen fand nie eine Vervollständigung einzelner verletzter Theile, wie z. B. der Trümmer des Röhrchensystems, statt. Bei Orbitolites tenuissima und complanata schließlich zeigt sich 465 Max Verworn, der Regenerationsprocess in derselben Weise, mit dem einzigen Unter- schiede, dass die Bildung neuer Kammern an Bruchstücken in bedeu-. tend größerem Maßstabe vor sich geht, als bei Polystomella. Es fragt sich, welches der Grund für die Erscheinung ist, dass zwei Rhizopodenformen sich in Bezug auf die Regeneration ihrer Schalen so verschieden verhalten, wie Difflugia und Polystomella respektive Orbi- tolites. Offenbar muss zwischen den Schalen beider Formen ein prin- eipieller Unterschied sein, der diese Erscheinung erklärt, und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich denselben in der Art und Weise der Schalenentstehung erblicke. Bei Difflugia entsteht, wie bei allen Mono- thalamien die Schale im Augenblick der Theilung und ist nach der Lostrennung des neugebildeten Individuums vollkommen fertig. Spä- tere Veränderungen kommen nicht vor, namentlich findet, was GRUBER mit Recht betont, kein Schalenwachsthum statt. Der Protoplasmakörper hat also seine sekretorischen Beziehungen zum Gehäuse eingestellt, die Fähigkeit der Schalenbildung hat aufgehört. In Folge dessen kann man dem Gehäuse Verletzungen zufügen oder dasselbe ganz abtragen, ohne dass eine Regeneration eintritt. Anders liegen die Verhältnisse bei der Entstehung der Polythala- mienschalen. Durch eine Anzahl von Beobachtungen ist es jetzt als er- wiesen zu betrachten, dass die Polythalamien sich durch eine Art Spo- renbildung fortpflanzen, wenn auch dieser Process selbst noch nicht direkt beobachtet worden ist. Jedenfalls weiß man, dass die jungen Polythalamien sich als einkammerige Protisten im Mutterkörper vor- finden. Entwickeln sich dieselben zu vollständigen Polythalamien, so bauen sie an die ursprüngliche Kammer eine neue an, an die sich bald wieder eine neue anfügt und so fort. Daraus geht hervor, dass die Polythalamien, so lange sie noch neue Kammern bilden, die Fähigkeit der Schalensekretion haben müssen. Der Grund, der bei Difflugia für das Ausbleiben der Schalensekretion vorlag, fällt also hier weg, und in der That regeneriren die Polythalamien ja auch ihre Schalen. Eine natürliche Folge dieser Schalenbildungsweise bei den Polytha- lamien ist zugleich auch die Erscheinung, dass die Formen mit relativ beschränkter Kammerbildung, wie z. B. Polystomella, einen viel ge- ringeren Grad von Regenerationsfähigkeit besitzen, als die Formen mit enorm starker Kammerbildung, wie Orbitolites. Die Regenera- tionsfähigkeit der Polythalamien ist also proportional der Fähigkeit, neue Kammern zu bilden, letztere wieder bezeichnet die Fortdauer der Entwicklung, mithin besteht auch die Regenerationsfähigkeit jedenfalls während der ganzen Entwicklungszeit. Gruser bezeichnet das An- setzen von neuen Kammern nur als ein Wachsthum und sagt bei anderer Biologische Protisten-Studien. 469 Gelegenheit!, dass man bei Protozoen überhaupt nicht von einer Ent- wicklung sprechen könne. Ich kann diese Ansicht nicht adoptiren, denn ich sehe gerade in der Kammerbildung der Polythalamien einen Vorgang, der kein bloßes Wachsthum ist, denn die Kammern sind nicht unter einander gleich, das Protist sieht ganz anders aus, wenn es erst wenige Kammern, als später, wenn es schon viele hat. Vielmehr scheint mir dieser Vorgang eine echte Entwicklung zu repräsentiren, und ich glaube auch, dass sich diese Entwicklung bei einzelnen Schalenformen zur Erkennung ihrer phylogenetischen Beziehungen wird verwerthen lassen. In Bezug auf das Verhältnis zwischen Regenerationsfähigkeit und Entwicklung würde es übrigens von Interesse sein, bei ganz alten Indi- viduen, im Falle dieselben nicht mehr im Stande sind neue Kammern zu bilden, zu untersuchen, ob die Regenerationsfähigkeit auch auf 0 gesunken ist, wie man annehmen muss. Ferner wäre es sehr wün- schenswerth, Formen, wie Orbulina etc., die zeitlebens einkammerig bleiben, auf ihre Regenerationsfähigkeit zu prüfen. Jedenfalls würde man hier ähnliche Verhältnisse antreffen, wie bei monothalamen Süß- wasserrhizopoden. Der Nachweis des Einflusses, den der Kern bei der Regeneration der Schale bei Polystomella ausübt, scheint mir von besonderer Wich- tigkeit zu sein. In letzter Zeit hat man der Thätigkeit des Zellkerns große Aufmerksamkeit zugewendet, aber trotzdem viele Forscher über die Funktionen desselben Beobachtungen angestellt haben, so ist die Kenntnis derselben doch noch immer eine ziemlich geringe geblieben. Außer den Beziehungen, die der Zellkern zur Fortpflanzung aufweist, hat man in neuerer Zeit seinen Einfluss auf unmittelbare Stoffwechsel- vorgänge zu erforschen gestrebt, namentlich hat man für ihn die Funk- tion der Sekretion in Anspruch genommen. KorschELT? beobachtete bei - den Epithelzellen, welche die chitinösen Eistrahlen an den Eiern von Nepa und Ranatra secerniren, dass der Kern zur Zeit der Sekretion eine eigenthümliche rhizopodoide Form annimmt und pseudopodienartige Ausläufer nach der Seite aussendet, auf welcher die Chitinsekretion stattfindet. Er überzeugte sich ferner, dass alle Zellen, von denen ver- zweigte Kerne bekannt geworden sind, sekretorischen Charakter haben. 1 A. GRUBER, »Dimorpha mutans, eine Mischform zwischen Flagellaten und Heliozoen.« in: Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. 2 Tageblatt der 59. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Ber- lin. Nr. 5. Sitzungsber. der Sektion für Zoologie. KoRscHELT, »Die Bedeutung des Kernes für die thierische Zelle.« in: Sitzber. d. Ges. naturforschender Freunde zu Berlin, Nr. 7. 1887, 470 Max Verworn, Biologische Protisten-Studien. Da indessen bis jetzt noch eine direkte Beobachtung des Antheils, den der Zellkern an der sekretorischen Thätigkeit der Zelle nimmt, fehlte, so ist es von besonderem Interesse, bei den Regenerationsvorgängen der Polythalamien einen solchen Fall kennen zu lernen. Berlin, Zool. Inst., im Februar 1888. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXII. Fig. 4—4. Theilung und Schalenbildung von Difflugia urceolata Carter. Das neue Gehäuse wird aus Glassplittern gebildet, die in Fig. 3 aus der alten Schale eben heraustreten, in Fig. 4 sich schon lose an der Oberfläche des neuen Indivi- duums angelagert haben. Fig. 5. Difflugia urceolata Carter mit halb abpräparirter Schale. Im Endoplasma liegen außer Sandkörnchen eine Anzahl roth gefärbter Kerne. Fig. 6. Ein einzelner Kern bei stärkerer Vergrößerung. Fig. 7. Polystomella crispa L. Die jüngsten Kammern sind abgetragen und es hat sich an der Bruchstelle eine neue Kalkwand angesetzt.‘ Fig. 8. Polystomella crispa L. Sechs Kammern sind zum Theil abgeschnitten und es hat sich eine gemeinsame Kalkschicht über die Schnittfläche gelegt. Fig. 9. Polystomella crispa L. Eine dreieckige Einkerbung ist an der Schale vorgenommen worden, und die Wunde hat sich mit einer Kalkschicht bedeckt. Criodrilus lacuum Hoffm. Ein Beitrag zur Kenntnis der Oligochaeten. Von Dr. Ant. Collin. (Aus dem Zool. Institut zu Berlin.) Mit Tafel XXXII. Litteraturverzeichnis. . Leo, Über einige ausgezeichnete anatom. und physiol. Verhältnisse der Pisci- cola geom. Mürtrer’s Archiv für Anatomie und Physiologie. 1835. . HoFFMEISTER, Die bis jetzt bekannten Arten aus der Familie der Regenwürmer. Braunschweig 4845. . Buper, Über Clepsine bioculata. Verhandl. des naturhistor. Vereins der preuß. Rheinlande und Westfalens. Jahrg. VI. 1849, . Levpıe, Zur Anatomie von Piscicola geom. Diese Zeitschr. Bd. I. 1849. . Leyvıs, Zum Cirkulat.- und Respirationssystem von Nephelis und Clepsine. Be- richte der Königl. zootom. Anstalt. Würzburg 1849. . GruBE, Die Familien der Anneliden mit Angabe ihrer Gattungen und Arten. Ber- lin 41854. . Hering, Zur Anatomie und Physiologie der Geschlechtsorgane des Regenwurms. Diese Zeitschr. Bd. VIII. 1856. . CLAPAREDE, M&m. de la Societe de phys. et d’hist. nat. XVI. Geneve 1862. . Kuprrer, Blutbereitende Organe bei den Rüsselegeln. Diese Zeitschr. Bd. XIV. 1864, . Levpic, Über Phreoryctes Menkeanus. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. I. 1865. - PERRIER, Recherches pour servir a l’histoire des Lombric. terr. Nouv. Archives du Museum d’hist. nat. de Paris. 4872. . PERRIER, Etudes sur organisation des lombriciens terr. Archives de Zool. exper. III. 4874. . Pancerı, Catalogo degli Annelidi etc. — Atti della Soc. ital. di Scienze natur. XV. 1875. . Harscuek, Beiträge zur Entwicklung und Morphologie der Anneliden. Sitzgsber. der Kaiserl, Akad. der Wissensch. Wien. Bd. LXIV. 4876. « v. Mossisovics, Über den Bau der Lumbrieiden-Hypodermis. Sitzungsber. der Kaiserl. Akad. d. Wissensch. in Wien. Math,-naturw. Klasse. Bd. LXXVI. 4877. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 32 472 Ant, Oollin, 16. HATsScHER, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Arbeiten des zool. Instituts Wien. Bd. I. 1878. 47. VEIDoVsKY, Über die Entwicklung des Herzens von Criodrilus. Sitzungsber. der Königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Prag 1879. 18. ÖrtLey, A magyarorszägi oligochaetäk faunäja. in: Mathematikai es Termeszettu- domanyi Közlemenyek. XVI. Budapest 1881. 19. Tınm, Beobachtungen an Phreoryctes Menkeanus und Nais. Arbeiten aus dem z001.-zoot. Institut zu Würzburg. Bd. VI. 1883. 20. VEspovsky, System und Morphologie der Oligochaeten. Prag 1884. %4. Örtey, A palaearcticus övben &lö terrikoläknak revisiöja 6s elterjedese. in: Ertekezesek a Term6szetiudom. Köreböl. XV. Budapest 1885. 32. Ronpe, Die Muskulatur der Chaelopoden. in: Zool. Beiträge von A. SCHNEIDER. Bd. I. 1885. 23. Rosa, Note sul lombrici del Veneto. in: Atti delR. Inst. Veneto di Scienze, Leitere ed. Arti IV. Ser. VI. 1886. 24. Rosa, Nota preliminare sul Criodr. lacuum. in: Boll. dei Musei di Zool. ed. Anat. compar, della R. Universita di Torino. 1886. 25. BEenuAm, Studies on Earthworms. No. II. in: Quart. Journ. of Microscop. Sci- ence. New Series 27. London 1887. 26. Örtey, Morphol. and Biolog. Observations on Criodrilus lacuum. Quart. Journ. Microse. Sc. New Series 27. 1887. 27, Rosa, Sul Criodrilus lacuum. in: Memor. dell. R. Accad. delle Scienze di Torino. Ser. II, 38. 4887. Geschichtliches. Trotz des Interesses, welches Criodrilus lacuum schon bei seinem ersten Bearbeiter vermöge seiner Lebensweise und Körpergestalt her- vorrief, war die Litteratur über denselben bis zu den letzten Jahren eine ziemlich spärliche. Ohne auf die innere Organisation einzugehen, beschränken sich die älteren Autoren auf die Beschreibung seiner äußeren morphologischen Verhältnisse und erst in letzter Zeit unter- zogen mehrere Forscher seine Anatomie eingehenderer Untersuchung. Die Entdeckung des Wurmes verdanken wir Frirz MüzLLer, welcher denselben zuerst im Tegeler See bei Berlin in großen Mengen fand. Seine erste Beschreibung gab Horrmeıster (Nr. 2), welcher jedoch nur über seine Gestalt und Lebensweise berichtet. Kurze Angaben finden sich später 1851 bei Grusz (Nr. 6), die sich ebenfalls nur auf einige äußere Merkmale beschränken, in Folge deren der Autor dem Wurme im System eine Stellung bei den Lumbricina (im Gegensatz zu den Naidea) anweist. CLAPARkDE (Nr. 8) ferner (1862), welcher die Oligochaeten nach ihrer Lebensweise in die Gruppen der »Terricoles« und »Limicoles« spaltet, rechnet Criodrilus trotz seines Aufenthaltes im Wasser wegen seiner äußeren Ähnlichkeit mit Lumbrieus und Hypogaeon zu der ersteren Griodrilus lacuum Hoffm. 473 Abtheilung, ohne jedoch irgend welche weitere Beschreibung des Wur- mes zu geben. In Prrrıer’s Werk über die Regenwürmer (Nr. 11) werden die An- gaben GruBE's und Crararkor's nur wiederholt; im System dagegen, welches zum Eintheilungsprineip die Lage des Clitellum hat, wird Crio- drilus gar nicht berücksichtigt: es wurde damals das Vorhandensein eines Glitellum bei Criodrilus in Abrede gestellt. Über neue Fundorte des Wurmes berichteten (1875) Panczrı (Nr. 13), nach welchem derselbe in den Reisfeldern am Po vorkommt, und (1876) Harschek (Nr. 14), welcher ihn in den stagnirenden Donauarmen bei Linz entdeckte und als eine neue »Lumbricus-Species« betrachtete. Der letzterwähnten kurzen Notiz ließ Hırscnuer eine größere Arbeit über die Entwicklungsgeschichte des Criodrilus folgen, in welcher besonders die Anlage des Mesoderms, des Nervensystems und der Segmentalorgane untersucht wird (Nr. 16). Einen kleinen Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Herzens gab später (1879) Vrıpovsky (Nr. 17), welcher die Entstehung des Rückenge- fäßes aus doppelter Anlage beobachtete. Die beiden Arbeiten Öruev’s (1881 und 1885) (Nr. 18, 21) musste ich wegen ihrer Abfassung in unga- rischer Sprache leider unberücksichtigt lassen; dieselben scheinen, nach den Abbildungen zu urtheilen, mehr die äußeren morphologischen Ver- hältnisse des Wurmes als seine Anatomie zum Gegenstande der Untersu- chung zu haben. Sehr eingehende Angaben über Criodrilus finden sich später (1884) zerstreut in VEsnovskyv's »System und Morphologie der Oligochaeten« (Nr. 20) mit werthvollen Abbildungen zur Anatomie des Blutgefäß- und Nervensystems und der Segmentalorgane. Zum anatomischen und histo- logischen Bau der Muskulatur giebt Roupe (Nr. 22) einen Beitrag. 1886 berichtete Rosa (Nr. 23) über das Vorkommen von Criodrilus zusammen mit vielen Allolobophora-Arten im venetianischen Gebiet bei Treviso !. Die genannten Arbeiten liefern zwar eingehende Beiträge zur Ana- tomie der meisten Organsysteme von Criodrilus, enthalten jedoch keine Angaben über die für die Systematik der Oligochaeten wichtigsten Organe: die Geschlechtsorgane. An die Untersuchung derselben machte sich in neuester Zeit Rosa und veröffentlichte seine Ergebnisse zuerst (1886) in einer vorläufigen i Note sul lombrici del Veneto. in: Atti del R. Instituto veneto di Scienze, Lettere ed. Arti. Tom. IV. Ser. VI. Dieselben waren mir leider nicht zugänglich, doch findet sich darüber ein Bericht in der Rivista italiana di Scienze naturali e loro applicazioni. Anno II. p. 59. 1886. 39% 474 Ant. Gollin, Mittheilung (Nr. 24), dann in einer größeren Monographie von Criodrilus (Nr. 27)!. Mit letzterer fast gleichzeitig erschienen zwei Arbeiten von Örızy (Nr. 26) und Braxrann Bennam (Nr. 25), deren Gegenstand der Untersuchung, auch hauptsächlich die Geschlechtsorgane, sowie die Lebensweise des Wurmes bilden. Die angeführte Litteratur über Criodrilus zusammengenommen giebt zwar ein ziemlich anschauliches Bild seiner Organisation und Lebens- gewohnheiten, indessen lassen es die sich vielfach widersprechenden Ansichten jener Autoren, die bei jedem Organsystem in Kürze hervor- gehoben werden sollen, berechtigt erscheinen, dass ich es unternommen habe, die Anatomie nochmals einer Untersuchung zu unterziehen und namentlich auch auf den histologischen Bau einiger Organe näher ein- zugehen. Behandlungsmethoden. Der Darstellung meiner Ergebnisse möchte ich eine Angabe der Methoden vorausschicken, die ich bei meinen Untersuchungen ange- wendet habe. Ich stellte meine Beobachtungen theils an lebendem Ma- terial, theils an Schnitten an, die mit dem Jung’schen Mikrotom gefer- tigt wurden. Zur Härtung benutzte ich meist eine Mischung von 4 Theil Sublimat und I Theil 70%/,igen Alkohol und erzielte damit gute Erfolge. Je nach der Größe der Stücke ließ ich dieselben !/, bis 4 Stunde in der Mischung; dann wurden dieselben in Wasser oder schwachem Alkohol längere Zeit ausgewaschen, mit Alkohol und Chloroform entwässert und in Pa- ralfın eingebettet. Chromsäure oder Pikrinschwefelsäure eignete sich zur Erhärtung der Würmer nicht, indem das Material bei dieser Be- handlung meist sehr bröcklig wurde. Um bei der Tödtung starke Mus- kelkontraktionen und damit eine Zerreißung der Gewebe zu vermeiden, betäubte ich die Thiere erst, indem ich sie in ein verschlossenes Gefäß mit wenig Wasser brachte und in dasselbe ein mit Chloroform durch- tränktes Stück Fließpapier hineinhängte. Nach kurzer Zeit ließen sich dann die Würmer in angegebener Weise abtödten, wobei die Gewebe wohl erhalten blieben. Zur Färbung im ganzen Stück leistete mir ammoniakalisches Pikro- karmin gute Dienste. Mit gleich gutem Erfolge klebte ich vor der Fär- bung die Schnitte mit Eiweiß auf den Objektträger und färbte dann erst mit Methylenblau oder essigsäurehaltigem Boraxkarmim; mit er- sterem färbten’ sich die Ganglienzellen, mit letzterem die Kerne der ! Dem Verfasser sei an dieser Stelle für die freundliche Übersendung dersel- ben bestens gedankt. Griodrilus lacunm Hoflin. 479 Epithelien und des Bindegewebes sehr deutlich. Beides wurde dann mit Alkohol ausgewaschen. Macerationen führte ich theils mit Mürzer’scher Lösung, theils mit Kalilauge aus. Mit letzterer erzielte ich sehr gute Augenblicksprä- parate. Äußere Merkmale; Lebensweise; Verbreitung. Die Körperlänge von Criodrilus beträgt im ausgewachsenen Zu- stande 20—25 cm; der größte Durchmesser (am 15. Segment) —5 mm. Dem entsprechend ist auch die Anzahl der Segmente eine sehr große; sie schwankt zwischen 250—350 Segmenten. Bei ausnahmsweise gro- ßen Würmern, welche ich in der Spree in Berlin fand, überstieg bei einer Länge von ca. 30 cm die Zahl der Segmente 450. Im Allgemeinen waren die Exemplare aus der Spree größer, als die des Tegeler Sees, ein Umstand, der wohl auf die günstigeren Nahrungsverhältnisse inner- halb der Stadt zurückzuführen ist. — Rosa’s Angaben über die ober- italienischen Würmer stimmen mit den genannten Zahlen ziemlich überein, während Vrovskv und Örıry geringere Maße angeben: ihnen dürften daher nicht ganz ausgewachsene Würmer vorgelegen haben. Exemplare von der Stärke eines großen Lumbricus agricola Hoffm., deren Vorkommen im Tegeler See Horrneıster behauptet, fand ich unter der großen dort beobachteten Anzahl niemals. Der Körperquerschnitt ist trapezförmig: die dorsale Fläche ist breiter als die ventrale. Letztere ist vorgewölbt, während die dorsale konkav ist; die Seitenflächen sind ziemlich eben. Nur die ersten 7—8 Segmente haben rundlichen Querschnitt. Der vorn abgestumpfte Kopflappen, welcher das Mundsegment an Länge etwas übertrifft, ist von demselben undeutlich abgesetzt. Ein Kopfporus, wie ihn Vesnovsky beschreibt, ist nicht vorhanden, wie auch Rosa bestätigt (Nr. 27); eben so fehlen hier dorsale Rückenporen, welche bei den Terricolen auftreten, gänzlich. Die Borsten stehen zu je zwei bei einander in 4 Längsreihen entsprechend den 4 Kanten des Körpers. Gegen das Schwanzende hin verschmälert sich allmählich der Körper; die Afteröffnung liegt dorsal. Die männlichen Geschlechtsorgane münden am 15., die weiblichen am 1%. Segment nach außen. Die Umgebung ihrer Mündungen zeigt zur Zeit der Geschlechtsreife bedeutende Anschwellungen, welche sich auch auf die angrenzenden Segmente erstrecken. Das Glitellum ist bisher von allen Autoren, mit Ausnahme Brn- HAw's, übersehen worden. Freilich ist es auch nicht, wie bei den Lum- brieiden, deutlich abgesetzt, sondern wird nur durch eine leichte An- schwellung gekennzeichnet. Eben so wenig weicht seine Farbe von der 476 Ant. Collin, des übrigen Körpers ab; nur seine histologische Struktur lässt auf eine gleiche Funktion schließen. Dasselbe beginnt gleich hinter den Ge- schleehtssegmenten und reicht, wie Benuam ebenfalls angiebt, bis etwa zum 50. Segment. Zur Zeit der Geschlechtsreife finden sich an den Ge- nitalöffnungen die Spermatophoren (»Penes« Horruszister), welche seit- wärts hornähnlich abstehen. Dieselben sind meist sichelförmig ge- krümmt, bisweilen auch gedreht, von weißlicher Farbe. Örızy fand sie immer paarweise an der ventralen Seite, Benuam weiter dorsalwärts auftretend. Rosa beschreibt ihr Vorkommen seitlich und in der ven- tralen Medianlinie. Ich fand dieselben unregelmäßig zerstreut, seitwärts oder ventral angeheftet und zwar meist 2— an Zahl. Örey glaubt, dass die Spermatophoren meist um die männlichen Genitalporen stehen, während ich öfter ihre Lage um die weiblichen wahrnehmen konnte, in der Weise, dass 3 bis 4 Spermatophoren dieselben rings umstanden. Die Farbe von Criodrilus ist graubraun in allen Modifikationen, bisweilen ins Schwärzliche oder Bläuliche spielend, zuweilen hellbraun oder röthlich. Die Exemplare aus der Spree waren meist dunkler ge- färbt, als die des Tegeler Sees. Die Bauchseite ist heller als der Rücken; die ventralen Anschwellungen der Geschlechtssegmente heben sich durch ihre gelbe Farbe ab. Der vordere Theil des Wurmes bis etwa zum 13. Segment ist dunkel und irisirt in schöner blauer Farbe. Das Schwanzende ist leicht zerbrechlich, wird aber in Folge der bedeutenden Regenerationsfähigkeit schnell neu gebildet. Man findet die meisten Exemplare mit regenerirten Schwänzen, welche ein hell- rothes Aussehen haben und ziemlich durchsichtig sind. In zwei bis drei Wochen hatten Würmer, welche ich zu diesem Zwecke beob- achtete, vollständig neue Schwänze gebildet. Seltener hatte ich Ge- legenheit zu sehen, dass der Kopftheil regenerirt wurde: so bildeten sich bei einem Wurm, welcher die ersten I1 Segmente verloren hatte, die- selben in genau derselben Anzahl wieder. Die Würmer sind bisher bei Berlin im Tegeler See und in der Spree innerhalb der Stadt gefunden worden. Sie bewohnen dort den an organischen Substanzen reichen Schlamm. Der vordere Körpertheil steckt in demselben, während das hervorragende Schwanzende im Wasser lebhafte Athembewegungen macht. Horrneıster fand die Wür- mer immer erst in einiger Entfernung vom Ufer; dieser Umstand er- klärt sich daraus, dass in dem seichten Wasser nahe am Ufer zwischen Rohr und Binsen ihr größter Feind, Aulastoma gulo, ziemlich häufig vorkommt. Mit gutem Erfolge hielt ich die Würmer Monate hindurch in Glas- bassins, doch wurden dieselben hier niemals geschlechtsreif, ja es Oriodrilus lacuum Hoffm. 477 degenerirten sogar bei geschlechtsreifen Würmern, welche ich in Ge- fangenschaft setzte, die Genitalorgane wieder, ohne dass es zur Ablage von Kokons gekommen war. Merkwürdigerweise hielten sich die Exem- plare aus der Spree, welche dort in einer Wassertiefe von acht bis zehn Fuß leben, weniger gut in Bassins mit niedrigem Wasserstande; der Grund dafür dürfte in dem stark verminderten Wasserdruck zu suchen sein. Die Zeit der Geschlechtsreife von Criodrilus fällt in Berlin in die Monate Juni und Juli. Von Mitte Juni ab bis Mitte Juli fand ich die Kokons und Würmer mit Spermatophoren in großen Mengen. Hatscuzk fand sie ebenfalls Mitte Juni. Rosı dagegen giebt für die Geschlechtsreife schon Mai und Juni an. Merkwürdig ist es, dass ÖrL£v ‚die Spermatophoren von März bis Mai fand, niemals später (Nr. 26), wäh- rend nach ihm die Copulation und Eiablage erst im Juni stattfindet. Da die Spermatophoren aber doch fast allgemein als Produkte der Copulation angesehen werden, so ist es unerklärlich, wie die Würmer schon einige Monate vor derselben mit Spermatophoren ausgerüstet sein konnten. Jedenfalls ergiebt sich aus den angeführten Daten die Thatsache, dass die Zeit der Geschlechtsreife des Criodrilus je nach der geographischen Breite verschieden ist, wie auch VE)novsky für andere Oligochaeten (Psammoryctes) das zeitlich verschiedene Auftreten der funktionsfähigen Geschlechtsdrüsen beobachtet hat. Die Kokons sind hellbraun, von chitiniger Substanz, etwa 5 cm lang, spindelförmig, etwas gekrümmt. Das eine Ende ist platt und »ab- gebissen«, das andere in einen langen Faden ausgezogen, mit welchem sie an Wasserpflanzen befestigt sind. Die Kokons zeigen eine leichte Andeutung einer Querstreifung, die wohl als der Abdruck der ein- zelnen Segmente, auf denen die Kokons gebildet wurden, aufzu- _ fassen ist. Häufiger noch als an Wasserpflanzen fanden sich die Kokons in den klumpigen Anhäufungen von Dreyssena polymorpha zwischen den einzelnen Muscheln. Die Würmer scheinen einen solchen Ort zur Ei- ablage zu wählen, um während derselben gegen Feinde möglichst ge- schützt zu sein, andererseits auch, um nach erfolgter Kokonbildung sich derselben an den scharfen Kanten der Muscheln in den engen Zwischen- räumen leichter und schneller entledigen zu können. Das Verbreitungsgebiet des Wurmes scheint Mitteleuropa zu sein. Außer an den Fundorten in und um Berlin kommt derselbe in der Donau bei Linz (Hırscuer) und bei Budapest vor (Örrey). Ferner be- richtet Pancerı über sein Vorhandensein bei Pavia. Rosı fand ihn bei Turin und Treviso in Venetien. 478 Ant, Collin, Hautmuskelschlauch, a) Guticula. Die Cuticula von Criodrilus ist ähnlich der von Lumbricus, jedoch bedeutend dünner. Die Oberflächenansicht zeigt ein System von ge- kreuzten Fasern; die Isolirbarkeit dieser euticularen Fasern wurde für Lumbrieus zuerst durch F. E. Scuuzze- nachgewiesen (Nr. 15). Die Behauptung von v. Mossısovics, dass bei der Lumbricideneuti- cula das Fasernetz aus longitudinalen und cirkulären Fibrillen besteht, kann ich nicht bestätigen. Schon Herıne schreibt (Nr. 7): »Die Richtung der Risse (der Cuticula) liegt nicht in der Längs- und Querachse des Wurmes, sondern unter einem Winkel von 45° gegen dieselben. In derselben Richtung laufen die feinen sich kreuzenden Fasern, aus denen die Epidermis zusammengesetzt erscheint.« Tımm (Nr. 19) bestätigt diese Angabe für Lumbricus und Phreoryctes. Er vergleicht dieses Fasernetz der Cuticula treffend mit einem Stück Leinwand, bei wel- cher sich die Fasern bei der Bewegung verschieben; es bleibt in Folge dessen der Winkel, unter welchem sich die Fasern schneiden, nicht konstant. Bei Criodrilus fand ich nun dieselbe schräge Anordnung der Fasern. Dieselben schneiden die Längsachse etwa unter 45° und laufen in schräger Richtung um den Körper herum (Fig. 1). Zieht man die Cuticula vom Körper ab, so verschieben sich bei der Bewegung die beiden Faserrichtungen gegen einander. Es ist eine solche Anordnung des Fasersystems für den Wurm auch viel zweck- mäßiger als eine Gliederung in eirkuläre und longitudinale Fasern. In letzterem Falle würden die cuticularen Fibrillen die Kontraktionen der Muskeln hemmen und vermöge ihrer Starrheit denselben direkt ent- gegenwirken, während bei einer schiefen Faserstellung die Streckung und Verkürzung des Wurmleibes in keiner Weise eine Behinderung erfährt. An den Kreuzungsstellen der Fasern finden sich zerstreut kleine Poren, welche den Ausführungsgängen der einzelligen Hypodermisdrüsen entsprechen. Dieselben treten nicht so zahlreich auf, wie bei Lumbricus. Die Guticula erstreckt sich eine kurze Strecke weit in die Borsten- taschen hinein, wie man nach dem Abziehen derselben deutlich sehen kann. b) Hypodermis. Die Hypodermis besteht bei Criodrilus aus einer Schicht von eylin- drischen bis kegelförmigen Zellen. Das Plasma ist grob granulirt und Oriodrilus lacuum Hoflm. 479 umschließt einen ovalen Kern, welcher ebenfalls grob gekörnelt ist und ein Kernkörperchen enthält. Die Kerne der benachbarten Cylinder- zellen stehen alle ziemlich auf gleicher Höhe. Die Zellen berühren sich mit ihren Wandungen nur an ihrem oberen Theil, nach unten zu lassen sie Intercellularräume zwischen sich, indem sie sich allmählich ver- schmälern und in einen bis mehrere Wurzelfortsätze auflösen. Sehr schön ließen sich die Zellen mit ihren Fortsätzen durch Kalilauge iso- liren (Fig. 2). Ich beobachtete bis fünf wurzelförmige Anhänge an einer Hypodermiszelle. Dieselben verlieren sich dann in eine faserige, binde- gewebige Schicht, in welcher durch Färbung mit Boraxkarmin zer- streute Kerne nachzuweisen sind, die wohl theilweise auch nervösen Elementen angehören dürften. Zwischen den verschmälerten unteren Theilen der Cylinderzellen finden sich zerstreut kugelige oder birn- förmige Zellen mit Kern- und Kernkörperchen, welche Vemovskv als Jüngere Zellen der Hypodermis auffasst. Die gesammte Hypodermis, besonders die des Schwanztheiles, ist bis dicht unter die Cuticula von feinen Kapillargefäßen durchzogen, welche die Respiration vermitteln. Zwischen den Cylinderzellen finden sich hin und wieder faden- förmige Zellen, mit einer Anschwellung in der Mitte, welche der Lage des Kernes entspricht (Fig. 2 4). An einzelligen Hautdrüsen ist die Hypodermis nicht sehr reich. Rosı (Nr.27) stellt das Vorhandensein der- selben überhaupt in Abrede und will ihr Vorkommen nur auf die Ge- schlechtssegmente beschränkt wissen. Ich fand die Drüsen oft auch an anderen Segmenten, allerdings bei Weitem nicht so häufig, als bei Lumbriceus, was wohl mit dem Wasserleben des Criodrilus in Zusam- menhang steht (Fig. 3). Die Drüsen sind von verschiedener Gestalt, oval, nach oben verschmälert, bisweilen birnförmig, und haben einen glashellen Inhalt, meist mit einem Kern am Grunde, um welchen der Zellinhalt dunkler gefärbt erscheint. Sie nehmen die ganze Höhe der Hypodermisschicht ein. Etwas abweichend von der übrigen Hypodermis ist außer dem Clitellum, welches bei den Geschlechtsorganen besprochen werden soll, die Hypodermis des Kopflappens gebildet. Dieselbe besteht aus äußerst schmalen eylindrischen Zellen, welche die doppelte Höhe erreichen, wie die Zellen der Hypodermis des übrigen Körpers. Die dort vorhan- denen einzelligen Drüsen nehmen nicht die ganze Höhe der Hypodermis ein, sondern reichen nur etwa bis zur Mitte der dicken Schicht hinab, sind übrigens aber von derselben Gestalt, wie die anderen Hautdrüsen. Eigenthümlich differenzirte Gruppen von Hypodermiszellen treten am Kopflappen und ersten Segment in großer Zahl als »becherförmige 480 Ant. Collin, ÖOrgane« auf, welche Sinnesfunktionen übernehmen und in dieser Eigenschaft wahrscheinlich Geschmacksempfindungen vermitteln (Fig. %). ec) Ringmuskelschicht. Unter der Hypodermis findet sich eine Schicht von Ringmuskeln, welche aus abgeplatteten Muskelfasern besteht. Auf dem Querschnitt zeigen diese Fasern kein deutliches Lumen, sondern bei starken Ver- größerungen nur eine schwärzliche Linie in der Mitte, welche das Lumen der komprimirten Röhrenfaser andeutet. Zwischen den Mus- keln finden sich zerstreute Kerne, welche der intermuskulären Binde- substanz angehören. d) Längsmuskelschicht. Die Anordnung der Längsmuskeln bei Criodrilus weicht von der bei den Lumbrieiden etwas ab. Am treffendsten ist dieselbe von Rosa (Nr. 27) dargestellt worden. Er unterscheidet einen ventralen, vier late- rale und zwei dorsale Muskelzüge. An der dorsalen Muskulatur zeigten indessen meine Präparate keine mediane Unterbrechung, sondern nur eine Verdünnung der Längsmuskelschicht, und möchte ich demgemäß statt sieben (wie Rosa), nur sechs Längsmuskelgruppen annehmen, und zwar eine ventrale zwischen den zwei ventralen Borstenreihen, eine dorsale zwischen den dorsalen Borstenreihen, zwei obere laterale zwi- schen den Dorsalborsten und den Seitenlinien, schließlich zwei untere laterale von den letzteren bis zu den ventralen Borsten (Fig. 5). Übri- gens variirt diese Anordnung etwas je nach den Körperregionen und lassen die oberen und unteren lateralen Gruppen bisweilen eine deut- liche Trennung nicht zu. Die Borsten der vier Längsreihen stehen zu je zwei nicht weit von einander; zwischen den letzteren finden sich ebenfalls noch schmale Muskelbänder, welche also in den vier Kanten des Wurmleibes verlaufen. Jede der erwähnten Muskelgruppen setzt sich aus mehreren Muskel- faserbündeln zusammen, welche durch Septa von Bindegewebe von einander geschieden sind. In diesen Septen inseriren sich die trans- versalen Muskeln, welche zum Darmtractus und den Hauptlängsgefäßen hinziehen. Die Blutgefäße nehmen von der Leibeshöhle zur Haut eben- falls ihren Verlauf durch diese Septa zwischen den Muskelbündeln hin- durch und sind’ demnach in dieser Schicht radiär angeordnet. Sobald sie in die Ringmuskelschicht eintreten, nehmen sie, der Muskulatur folgend, ebenfalls eine eirkuläre Richtung an. Allmählich brechen sie dann zur Hypodermis durch, die sie dann in unregelmäßigen Schlingen bis unter die Guticula durchziehen. Oriodrilus lacuum Hoffm. 481 Die einzelnen Muskelbündel sind durch eine bisweilen recht dicke Schicht von Bindegewebe und das darüber lagernde Peritonealendothel vom Leibesraum geschieden. Während die Bündel der Lumbrieiden aus zwei regelmäßig angeordneten Reihen von Muskelblättehen, welche sich um.die »Centrallamelle« gruppiren, bestehen, setzen sich die- jenigen von Criodrilus aus einer Menge von Muskelblättehen zusammen, welche in dem Raum zwischen zwei benachbarten »Centrallamellen« (Graparkoe) unregelmäßig zerstreut stehen. Die einzelnen Muskelfasern sind bandartig abgeplattet. Mit Kali- lauge ließen sie sich gut isoliren. Sie zeigten dann feine Längsstreifun- gen, während ihre Ränder bisweilen vom anliegenden zerrissenen Bindegewebe gezackt erschienen (Fig. 6 /m). Der Querschnitt zeigte bei starker Vergrößerung dieselbe dunkle Linie (Lumen), wie die Ring- muskelfasern (Fig. 6 g), ein Verhalten, welches bereits von Ronpe be- schrieben worden ist (Nr. 22). Auch die Längsmuskeln stellen also ab- geplattete Röhren dar. - Zwischen den Faserquerschnitten lagen zahlreiche Kerne zerstreut, die namentlich nach Behandlung mit Boraxkarmin sehr deutlich her- vortraten. Dieselben dürften aber wohl der intermuskulären Binde- substanz angehören, denn ich konnte niemals, weder auf Schnitten, noch durch Maceration, eine Faser finden, welche einen deutlich zu- gehörigen Kern gehabt hätte. Ich möchte daher mit CrarArkpe! an- nehmen, dass die Muskelfasern sowohl der Ring- wie der Längsmuskel- schicht Kerne nicht mehr erkennen lassen. Leibeshöhle und Dissepimente. Die innerste Schicht des Hautmuskelschlauches wird vom Perito- neum gebildet, welches die gesammte Leibeshöhle auskleidet. Das- selbe stellt sich als eine dünne Schicht von Plattenepithel dar, beste- hend aus großen, sehr flachen Zellen, von denen man auf Schnitten meist nur Kerne wahrnehmen kann, die ziemlich entfernt von einander liegen. Die Leibeshöhle wird durch die Dissepimente nur unvollkom- men in einzelne Abschnitte geschieden, indem die Hohlräume der Seg- mente besonders um das Bauchmark herum mit einander in Kommuni- kation stehen. Das dorsale Mesenterium ist bei Griodrilus rückgebildet, wenigstens habe ich es auf Querschnitten niemals wahrnehmen können. Die ventrale Verbindung des Darmes dagegen mit dem Bauchgefäß und Nervensystem ist erhalten geblieben. | | | Die Oberfläche des Darmes und des Rückengefäßes ist von einer ! CLAPARkDE, Histologische Untersuchungen über den Regenwurm. Diese Zeil- schrift. Bd. XIX, 1869. 482 Ant. Collin, ; : Schicht stark modifieirten Peritoneums überzogen: den Chloragogen- drüsen. Der Form nach sind dieselben birnförmige oder sackartige Zellen mit braunem grobkörnigem Inhalt; bisweilen ist ein Kern in denselben nachweisbar, der jedoch meist von den braunen Kügelchen vollständig verdeckt wird. Die Chloragogenzellen erfüllen auch die Typhlosolis zum großen Theil. Die Muskel der Dissepimente und der Leibeshöhle ziehen in den mannigfachsten Richtungen. Es finden sich eirkuläre, welche in großen Kreisen den Darm umgeben, radiäre, welche vom Darm nach allen Seiten hin ausstrahlen, endlich vollständig unregelmäßig angeordnete. Zwischen den einzelnen Muskelbündeln der Längsmuskulatur in- seriren sich, wie oben erwähnt, die transversalen Muskeln an die Lei- beswand. Dieselben verbinden die dorsale mit der oberen lateralen Längsmuskulatur, eben so die ventralen mit den unteren lateralen Längsmuskelbändern. Die Borstenfollikel stehen in vier Längsreihen zu je zwei angeord- net; zwischen denselben befindet sich ein schmaler Streifen von Längs- muskeln. Durch transversale Muskeln, welche das Hervorstrecken und Einziehen der Borsten reguliren, stehen sie mit der Leibeswand in Ver- bindung. Die Borsten selbst zeigen eine Längsstreifung und sind an der Spitze etwas gekrümmt; sie bieten übrigens keine besonderen Eigenthümlichkeiten. Nervensystem und Sinnesorgane. Der Bau und die Anordnung des Nervensystems von Criodrilus ist bisher nur von Vz3povsky und zwar sehr eingehend untersucht worden. Im Allgemeinen kann ich seine Angaben bestätigen, doch möchte ich seinen Ausführungen noch einige Berichtigungen und Ergänzungen hin- zufügen. Das obere Schlunddoppelganglion liegt im zweiten Segment; es besteht aus zwei massigen, einander sehr genäherten Ganglien, welche durch eine breite Kommissur verbunden sind, wie es VEıpovsky abbil- det. Gleich dem Gehirn der Lumbrieiden stellt es sich auch bei Crio- drilus verhältnismäßig einfach dar; Faltungen und Lappenbildungen, wie sie bei anderen Oligochaeten am Gehirn auftreten, finden sich hier nicht. Wie ich auf Schnittserien leicht verfolgen konnte, gehen von dem Doppelganglion nach vorn zwei dicke Nervenstränge ab, welche sich in kurzer Entfernung von ihrer Ursprungsstelle in je zwei Äste theilen, deren einer senkrecht über dem anderen gelegen ist. In dieser Lage ziehen dieselben eine weite Strecke parallel über einander hin bis in den Kopflappen. Die vier Stränge weichen dann aus einander, Criodrilus lacuum Hoflm. 483 die beiden oberen gehen dorsalwärts, während die beiden unteren Äste mehr lateralwärts sich dem Hautmuskelschlauch nähern. Bis dicht an die Muskulatur konnte ich die Nerven verfolgen, wo sie sich reich zu verzweigen scheinen und unter der Haut verlieren. Sie dürften in der- selben mit den »Geschmacksknospen« in Verbindung treten. Auch seit- lich und rückwärts gehen von den unteren Partien des Gehirns kleinere Nervenäste ab. Die Kommissuren des Schlundrings bilden an ihrer ventralen Ver- einigungsstelle eine leichte Anschwellung. Dieses untere Schlundgan- glion und der Anfangstheil des Bauchmarkes ist von einem außerge- wöhnlich reichen Netz von Blutkapillaren umgeben. Der nun beginnende Bauchstrang zieht in gerader Richtung durch den Körper und ist in seiner ganzen Länge auf der ventralen Seite von einem Blutgefäß begleitet, welches Criodrilus mit den Lumbriciden ge- meinsam hat. In jedem Segment findet sich eine gangliöse Anschwel- lung des Bauchmarkes, von welcher seitliche Nerven abgehen. Von letzteren entspringen segmentweise jederseits drei Äste, von denen der mittlere der stärkste ist und mehr ventral abgeht, während die.beiden anderen schwächeren sich mehr dorsal vom Bauchstrang abzweigen, wie auch Vesnovsky darstellt. Was die histologische Struktur des Bauchmarkes betrifft (Fig. 7), so ist dasselbe nach außen hin von Peritonealzellen umgeben, welche das- selbe Aussehen haben, wie die des Hautmuskelschlauches. Unter dieser peritonealen Hülle ist eine Schicht von Längsmuskeln gelegen, welche von vielen Blutgefäßen durchzogen ist. Ihre mächtigste Entwicklung erreicht diese Längsmuskulatur an den beiden Seiten des Bauchstranges, während die dorsale und ventrale Schicht nur aus wenigen über ein- ander gelagerten Fasern besteht. Die Ganglienzellen treten am Bauchmark ventral und seitlich auf. ' Eine so mächtige Schicht von Zellen jedoch, wie sie VEIDovskY die ganze ventrale Hälfte des Bauchmarkes einnehmen lässt, hatte ich niemals Gelegenheit zu beobachten. Vielmehr sind die Ganglienzellen in vier Zügen angeordnet; zwei derselben liegen einander genähert zu beiden Seiten der ventralen Medianlinie des Bauchstranges, die anderen beiden Züge liegen in den Seitentheilen desselben. Zwischen diesen vier Zügen finden sich dicht unter der Muskulatur an der Markscheide ventrale ‚ Verbindungsschichten von Ganglienzellen. Der ganze mediane Theil | des Bauchstrangs wird von faseriger Substanz, in welcher sich Züge in ‚ mehreren Richtungen verfolgen lassen, eingenommen. Im dorsalen Theil liegen die großen Neuralkanäle. Ihre Wandungen _ erscheinen doppelt kontourirt. In der nächsten Umgebung derselben 484 Ant, Gollin, finden sich Fasermassen unregelmäßig netzförmig angeordnet oder cir- kulär um die Kanäle herumlaufend. Im hinteren Körpertheile sind zwei Neuralkanäle vorhanden, während im mittleren drei auftreten; VrJ- povsky’s Abbildung stellt daher einen Schnitt durch die hintere Körper- region dar. Der mittlere Neuralkanal ist Anfangs von derselben Größe wie die beiden seitlichen, übertrifft dieselben aber im mittleren und vorderen Körpertheil bedeutend an Durchmesser. Merkwürdigerweise zeigte sich auf einigen meiner Präparate unter dem mittleren großen Neuralkanal nach innen zunochein vierter. Ich konte an einer Stelle die Vereinigung dieses letzteren mit dem mittleren obe- ren beobachten (Fig. 7 und 8 A, B). Fig. 7 und 8 stellen Querschnitte des Bauchmarks dar. Fig. 7 zeigt vier Neuralkanäle, Fig. 8 A die Übergangsstelle der beiden mittleren Kanäle in einander. Ein weiterer Schnitt derselben Serie (Fig. 8 B) enthält nur einen mittleren Neural- kanal. Leider war es mir nicht mehr möglich festzustellen, aus welcher Körperregion das Präparat herstammte. Da jedoch der mittlere Kanal die seitlichen an Durchmesser übertraf, so dürfte die Serie aus dem mittleren oder vorderen Theile des Körpers herrühren. Ein vierter Neuralkanal ist nach VEıpovsky’s Angaben (Nr. 20 p. 87) bisher nur bei Pleurochaeta beobachtet worden. Als Sinnes-, und zwar als Tastorgane dürften vermuthlich die oben erwähnten Fadenzellen der Rumpf-Hypodermis anzusehen sein, doch habe ich inFolge der Unmöglichkeit einer mikroskopischen Untersuchung des lebenden Thieres keine hervorragenden Endstäbchen an denselben wahrnehmen können. Die mikroskopischen Präparate zeigten dieselben nicht. An dem dünneren Kopflappen dagegen sieht man am lebenden Thier Gruppen von kurzen Borsten über die Oberfläche hervorragen. Bei näherer Prüfung ergiebt sich, dass dieselben den »Geschmacks- knospen« angehören, welche in ziemlich großer Zahl den Kopflappen und das erste Segment bedecken (Fig. 4). Dieselben sind bereits für ° Lumbricus von F. E. Scauzze und Mossısovics beohachtet worden. Sie bestehen aus einer Gruppe von knospenartig zusammenneigenden Hy- podermiszellen, welche sich gegen die umliegenden deutlich abheben. Eine Isolirung der Elemente ist mir bisher trotz aller Versuche stets miss- lungen. An den Schnittpräparaten jedoch erkennt man, dass zwei Arten von Zellen dieselben zusammensetzen: gewöhnliche Hypodermiszellen mit kuglig-ovalem Kern und fadenförmige Zellen mit längerem spindel- förmigen Kern. Seltener gelang es, die Stäbchen zu konserviren. Das ganze Organ war meist etwas zurückgezogen. Um die Schwanzspitze herum gewahrt man ebenfalls vom Körper abstehende Haargruppen, die jedoch viel länger sind, als die Borsten Criodrilus lacuum Hoffm. A485 der Geschmacksknospen. Über die Art der Sinnesempfindungen, wel- che dieselben vielleicht vermitteln, wage ich nur eine Vermuthung auszusprechen. Da ich oft beobachten konnte, dass die Würmer, welche zum Zweck der Athmung den Schwanztheil meist hervorgestreckt halten, gegen plötzliche Wasserbewegungen sehr empfindlich sind, so liegt die Annahme nahe, dass die Haare als besondere Tastorgane zur Perception von Wasserbewegungen dienen könnten. Cirkulations- und Respirationssystem. Das Gefäßsystem von Criodrilus ist vollständig geschlossen. Drei Längsstämme durchziehen den ganzen Körper: ein dorsales, ein ven- trales und ein subneurales Gefäß; das letztere hat Griodrilus mit den Lumbrieiden gemein, während es den Limicolen fehlt. Diese Gefäße stehen vorn und hinten durch Anastomosen in Verbindung. In jedem Segment gehen ferner vom Rückengefäß jederseits seitliche Gefäße ab, welche in das Bauchgefäß einmünden. Eine besondere Ausbildung ha- ben diese Seitengefäße im 7.—A1. Segment erlangt, indem sie dort die Funktion von Herzen übernehmen. Dem entsprechend sind sie bedeu- tend erweitert und kontraktil; auch sind sie mit starker Muskulatur ausgestattet; sie gewähren ein perlschnurartiges Aussehen. Das Rücken- gefäß ist ebenfalls kontraktil und wird durch bedeutend entwickelte Muskelwandungen zu einer energischen Propulsation des Blutes von hinten nach vorn befähigt. Sehr bemerkenswerth sind die Klappen im Rückengefäb von Griodrilus, die mir über die Funktion dieser Gebilde bei An- neliden überhaupt Aufschluss zu geben scheinen. Bisher finden sich bei den Autoren nur vereinzelte Angaben über einen derartigen Apparat bei Anneliden. In der Ordnung der Hirudineen sind dieselben zwar ‚schon längere Zeit bekannt, doch ist ihre Funktion in verschiedener Weise gedeutet worden. Die Klappen wurden zuerst von Leo (Nr. i) im Rückengefäß von Piscicola geometra entdeckt, welcher dieselben »bei jedem Ringe, dicht über der Seitenverzweigung« fand. Nach Leo ist der Apparat derartig be- schaffen, dass sich an einer Seite der Gefäßwand eine halbmondförmige Falte, gegenüber an der anderen Seite ein birnförmiger, kolbiger An- hang mit verschmälerter Basis befindet. Bei der Kontraktion des Ge- fäßes »wird das kolbige freie Ende nicht nur gegen die halbmondförmige Falte gedrückt und so das Lumen geschlossen, sondern auch über die Falte hinübergeschleudert, tritt aber augenblicklich wieder in seine | frühere Lage zurück«e. Zwischen zwei derartigen Klappen sollen sich | jederseits zwei austretende Seitengefäße finden. Merkwürdig ist der | 486 Ant. Collin, Umstand, dass nach Leo auch das Bauchgefäß diese Klappen aufweist, was jedoch von Kuprrek (Nr. 9) in Abrede gestellt wird. Später beschrieb Leyvic dieselben ebenfalls für Piscicola (Nr. %) und dann für Nephelis und Clepsine (Nr. 5), und zwar bestehen sie dort nach letzterem Forscher aus acht bis zehn Zellen, welche nur lose verbunden sind, und daher leicht von einem heftigen Blutstrom losgelöst und fortgerissen werden können !. In ähnlicher Weise beschreibt auch Bunce für Glepsine bioculata die Klappen des Rückengefäßes (Nr. 3); er beobachtete ebenfalls die Abschlie- Bung der einzelnen Kammern durch die Querstellung der Klappen. Aus den Ausführungen Leypie’s geht hervor, dass er dieselbe Auf- fassung von der Funktion der Klappen gehabt hat, wie später Kuprrer (Nr. 9), welcher über einen ähnlichen Bau derselben berichtet. Letzterer hatte ebenfalls Gelegenheit, die Loslösung von einzelnen Zellen der Klappe durch den Blutstrom und ihr Umhertreiben in der Blutflüssig- keit zu beobachten, und spricht daher die Klappen als » blutbereitende Organe « an, indem »die Blutkörperchen sich endogen in den Zellen jener bilden«. Auffallend ist, dass die genannten Forscher die Klappen nur an einer Gefäßwand vorfanden, während sie bei Criodrilus an bei- den Wänden gegenüberstehend gleichmäßig ausgebildet sind. Für die Oligochaeten finden sich über diese Gebilde nur spärliche Angaben. Leyoiıe (Nr. 10) beschreibt eine Art von Klappen im Rückenge- fäß von Phreorycetes Menkeanus und fasst sie als Homologa der Klappen bei den Hirudineen auf. Die Beschreibungen und Abbildungen der genannten Autoren sind etwas undeutlich gehalten, doch ist es durch die damalige Unvollkommenheit der Präparationsmethoden erklärlich, dass es selbst einem Forscher, wie L£ynie, nicht gelungen ist, eine deut- liche Darstellung des Baues dieser so kleinen Gebilde zu geben. Nach Leyvie’s Ansicht stehen vier Klappen an einer Stelle des Gefäßes zusam- men. Neuerdings hat Tımm (Nr. 19) ebenfalls die Klappen von Phreoryc- tes untersucht und gefunden, dass dieselben aus einem vorspringenden Ring von vier bis fünf Quermuskelfasern bestehen, welche »wahrschein- lich die Richtung des Blutes bestimmen helfen «. Perrıer (Nr. 12) endlich hat die Klappen von Urochaeta in einer Gestalt beschrieben, welche der Form derselben bei Criodrilus ziemlich nahe kommt. Weitere An- gaben über dieselben für die Oligochaeten sind mir nicht bekannt ge- worden. Die Klappen bei CGriodrilus treten segmentweise im Rücken- gefäß auf. In den letzten Segmenten, insbesondere da, wo sich die 1 Vgl. auch Leypıs, Anatomisches über Branchellion und Pontobdella. in: Diese Zeitschr. Bd. III. 4854 ; auch für diese beiden Hirudineen werden die Rücken- gefäßßklappen nachgewiesen, «r % 2 N f El re ii 5 Criodrilus lacuum Hofim. 487 zwei Theile des doppelt angelegten Rückengefäßes vereinigen, fand ich dieselben nicht. Sie treten somit erst gegen die Mitte des Körpers auf und lassen sich bis zum siebenten Segment, wo das erste große Seiten- gefäß (Herz) abgeht, verfolgen (Fig. 9). Eigenthümlich ist auch das Vor- handensein derselben in den großen Seitenstämmen des 7. bis 11. Seg- ments. Diese Seitengefäße werden gegen das Rückengefäß ebenfalls durch Klappen abgeschlossen; sie verengen sich dann an manchen Stellen, an welchen dann ein Klappenpaar in derselben Form auftritt wie im Rückengefäß. Im letzteren stehen sich in der Nähe jedes Disse- pimentes je zwei Klappen gegenüber. Dieselben sind von birn- oder eiförmiger Gestalt mit kolbig-ver- dicktem Ende und verschmälerter Basis (Fig. 10). Perrıerr dagegen stellt sie mehr als wulstförmige Verdiekungen der inneren Epithelschicht dar (Nr. 12) und fasst sie auch als aus der letzteren entstanden auf. Die Klappen setzen sich im Gegensatz zu den von Leyvıs und KuprFEr für die Hirudineen beschriebenen, aus langgestreckten etwas gekrümm- ten Zellen zusammen, welche sich nach der Basis hin etwas verschmä- lern. Dieselben liegen in großer Zahl fest gefügt an einander. Ihr Inhalt ist hell und nur wenig granulirt; in der Nähe des freien Endes liegt ein ovaler Kern mit Kernkörperchen. Die Kontouren sind nach außen deutlich und wohl begrenzt; auch scheinen die Zellen in ziem- lich festem Verbande mit einander zu sein, so dass hier wenigstens wohl kaum anzunehmen sein dürfte, dass einzelne derselben im Blut- strom mit fortgerissen werden könnten. Somit wären die Klappen nicht als blutbereitende Organe (KurrrEr) aufzufassen, indem sie Zellen als Blutkörperchen abgeben, sondern als wahre Klappen anzusehen, welche bei der Kontraktion des Gefäßes zwei benachbarte Kammern gegen einander abschließen und das Zurückfließen des Blutes aus einer Kammer in die dahinter liegende verhindern. Leider konnte wegen der Undurch- sichtigkeit des Objektes ihre Funktion am lebenden Thier nicht beob- achtet werden. Auch noch ein anderer Umstand außer ihrer ziemlich festen Kon- sistenz spricht für meine Auffassung ihrer Funktion. Die Klappen stehen nämlich auf einer nach innen vorspringenden Falte (Fig. 10 vf); an dieser letzteren aber ist die Ringmuskelschicht ganz auffallend ver- dickt, und es muss daher bei der Kontraktion dieses Muskelringes die Festigkeit des Verschlusses an jener Stelle eine ganz bedeutende sein, die dann noch durch das feste Aneinanderlegen der Klappen erhöht wird. Auf diese Weise ist eine Rückströmung des Blutes vollständig unmöglich gemacht. Die Klappen ragen von der Muskelfalte aus in das Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 33 488 Ant. Gollin, Lumen der davorliegenden Gefäßkammer hinein und werden durch den von vorn kommenden Druck des in der gefüllten Kammer befind- lichen Blutes mechanisch von selbst nach rückwärts gegen einander gepresst. Ein Apparat der eben beschriebenen Konstruktion ist nur dann zweckentsprechend, wenn sich das Blut konstant von hinten nach vorn bewegt, während eine Cirkulation von vorn nach hinten durch den- selben überhaupt unmöglich gemacht ist. Es würde interessant sein, die Existenz und Beschaffenheit eines derartigen Klappenapparates bei solchen Würmern zu prüfen, bei welchen der Blutstrom abwechselnd in beiden Richtungen das Rückengefäß durchläuft. Bisweilen fand ich die Klappen in das dahinterliegende Segment zurückgedrückt und in der Form sehr verändert, was indessen durch die starken Muskelkon- traktionen des Wurmes bei der Abtödtung sich erklären lässt. Was die histologische Struktur der Gefäßwandungen anbetrifft, so weisen die kontraktilen Gefäße, also das Rückengefäß und die »Herzen « im 7. bis 11. Segment in ihren Wandungen eine starke muskulöse Schicht auf, welche bei den nicht kontraktilen größeren Gefäßen so- wohl wie bei den Capillaren fehlt oder doch nicht sehr entwickelt ist. Die innerste Lage der Rückengefäßwand bildet eine Epithelschicht von ganz flachen, platten Zellen, von denen man auf Schnitten nur die Kerne wahrnimmt (Fig. 10); es folgt nach außen eine Längsmuskelschicht, dann eine stark entwickelte Ringmuskulatur; den Abschluss gegen die Leibeshöhle bilden die aus den Peritonealzellen entwickelten Chlor- agogendrüsenzellen. Die letzteren sind vollständig von braunen Kügel- chen erfüllt und daher ganz undurchsichtig; nur bisweilen lassen sie mit Pikrokarminfärbung einen rundlichen Kern durchschimmern. Die Chloragogenzellen umgeben das ganze Rückengefäß und den Darm und füllen auch den Raum in der Typhlosolis fast vollständig aus. Besonders stark verdickt ist die Ringmuskulatur des Rückengefäßes, wie schon erwähnt, in der Nähe der Dissepimente hinter den Klappen, wo ein besonders fester Schluss erforderlich ist, um das Zurückströmen des Blutes zu verhindern. Vespovskv beschreibt und bildet für Griodri- lus eine innere Ring- und äußere Längsmuskelschicht des dorsalen Gefäßes ab, was jedoch nach meinen Präparaten nicht zutreffend ist. Vielmehr sind die Schichten in umgekehrter Reihenfolge angeordnet, wie es auch PErRIER (Nr. 12) für die den Lumbriciden nahestehende Gattung Urochaeta beschrieben hat. Auch schräg verlaufende Muskelfasern, die Leypıe und Tımm für Phreoryctes erwähnen, finden sich am mittleren Theil des Dorsalgefäßes von Criodrilus. Das Gefäßnetz des Magendarmes, welches segmentweise mit dem En Griodrilus lacuum Hoffm. 489 Rückengefäß in Verbindung steht (vgl. weiter unten), bietet keine be- sonderen Eigenthümlichkeiten dar; es liegt zwischen der Ringmuskel- schieht und dem Darmepithel. Ein besonderes Organ für die Athmung ist bei Criodrilus, wie bei fast allen Oligochaeten nicht vorhanden; vielmehr ist die gesammte Haut respiratorisch thätig. Die Hypodermis ist von außerordentlich vielen feinen Gapillarschlingen durchzogen, welche sich bis dicht unter die Cutieula erstrecken. Ganz besonders reich an solchen Capillaren ist der Schwanztheil des Wurmes. Vepovsky stellt die Anordnung der Gefäße daselbst auf sehr zutreffenden Abbildungen dar (Nr. 20). Auf Schnittserien, welche ich durch das Schwanzende von Criodrilus an- fertigte, hatte ich Gelegenheit, mich von einer solchen Vertheilung der Gefäße selbst zu überzeugen. Das Rückengefäß zerlegt sich in den letzten Segmenten in zwei gleich große Stämme, welche sich oberhalb des Darmes weiter erstrecken und bis zu beiden Seiten des Afters immer mehr seitwärts aus einander treten. Von jeder dieser beiden Komponenten des Rückengefäßes gehen segmentweise seitliche Gefäße ab, welche sich vielfach gabeln und schließlich in die feinen Gapillaren auflösen. Letztere verbreiten sich zwischen den Hypodermiszellen bis dicht unter die Cuticula und vereinigen sich dann wieder zu größeren Gefäßen, welche ventralwärts jederseits zu einem großen Gefäß zu- sammentreten; letztere münden in das Bauchgefäß. Das venöse Blut, welches im Bauchgefäß aus dem vorderen Körpertheil zurückkehrt, tritt durch die seitlichen Gefäße in die Capillaren der Haut und strömt nach erfolgtem Gasaustausch von dort dorsalwärts in das Rückengefäß, wo es als arterielles Blut den Kreislauf von Neuem beginnt. Unterstützt wird diese Athmungsthätigkeit des Schwanzes durch die fortwährenden Bewegungen, welche der Wurm mit demselben aus- führt. Die Würmer stecken mit dem Vordertheil im Schlamm und er- zeugen im Wasser durch die schlängelnden Bewegungen des weit her- ausgestreckten Schwanztheiles eine beständige Strömung; dadurch erreichen sie eine immer neue Zufuhr von sauerstoffreichem Wasser. An Würmern, welche ich in ganz flachen Bassins längere Zeit hin- durch hielt, konnte ich oft die Beobachtung machen, dass dieselben ihr ' Schwanzende bis dicht an die Oberfläche des Wassers brachten und es daselbst möglichst ausbreiteten, um den oberen sauerstoffreicheren Schichten des Wassers den Sauerstoff zu entziehen. Waren die Bassins ‚ von einer solchen Tiefe, dass die Würmer mit der Schwanzspitze die ‘ Oberfläche des Wassers nicht erreichen konnten, so verließen sie bis- ‚ weilen den Schlamm, krochen zwischen den Wasserpflanzen, wo sie ‚ "einen festen Halt fanden, nach oben, bis sie mit der Schwanzspitze die 33* 490 Ant. Collin, Wasserfläche berührten und dort in Folge des größeren Luftgehaltes der oberen Wasserschichten intensiver athmen konnten. — Auch der Kopftheil zeigt eine größere Anhäufung von Gapillaren in der Hypo- dermis und dürfte dieser Umstand eine besonders starke Sauerstoff- zufuhr für das Gehirn zur Folge haben. Exkretionssystem. Über die Segmentalorgane von Criodrilus finden sich bei den Au- toren einige Angaben, welche jedoch bezüglich der Verbreitung dersel- ben im Körper selbst in den neuesten Arbeiten aus einander gehen. Vzspovsky (Nr.27) und nach ihm Rosi (Nr. 24) fanden übereinstimmend die Schleifenkanäle in den Genitalsegmenten und bringen auf Grund dieser Thatsache Criodrilus mit den Lumbrieciden in nähere Beziehungen. Da- gegen behauptet neuerdings Benuan (Nr. 25), dass die Segmentalorgane im 1. bis 13. Segment fehlen und erst mit dem 14. Segment auftreten, wie bei Pontodrilus. Benuam schließt daraus (p. 567), »that both these ap- proach the Limicolae in having no nephridia in those somites, in which the spermathecae and ciliated rosettes lie, though they are present in the same somites with the oviduct and the posterior part of the sperm- duet«. Merkwürdigerweise zeigen im Gegensatz zu dieser Angabe seine Abbildungen in Fig. 44 und 15 schon im 13. (Ovarial-) Segment Schleifenkanäle. In der That sind nun nach meinen Präparaten die Segmental- organein denGeschlechtssegmenten vorhanden, im 13. und 12. noch ziemlich stark entwickelt, während sie im 11. und 10. Segment durch die prall gefüllten Samenblasen zur Seite gedrängt und daher bei der Sektion schwerer wahrzunehmen sind. Auf horizontalen Längs- schnitten jedoch kann man sich leicht von der Anwesenheit derselben im 10. bis 13. Segment überzeugen. Vor dem 10. Segment scheinen sie zu fehlen. Mithin kann ich die Angaben Vesnovsky’s und Rosa’s gegen- über Benuam bestätigen. Das Vorhandensein der Segmentalorgane in den Geschlechtssegmenten spricht jedenfalls für nahe Beziehungen zwi- schen Criodrilus und den Lumbriciden. Der Bau der Segmentalorgane ist von Vespovsky ausführlich be- schrieben und durch Abbildungen erläutert worden. Im Allgemeinen gleichen sie denjenigen von Lumbricus. Sie beginnen mit einem fächer- förmigen Trichter, durchsetzen das dahinter liegende Dissepiment und bilden im nächstfolgenden Segment zahlreiche Windungen, welche theilweise von drüsigen Wandungen begrenzt werden. Eine Endblase vor der Ausmündungsstelle ist nicht vorhanden oder doch wenigstens »undeutlich«, wie auch Veınovsky angiebt. Die Kanäle münden jeder- Griodrilus lacuum Hoflm. 491 seits vor dem ventralen Borstenpaare nach außen und zwar, wie Rosa ausdrücklich hervorhebt, vor den äußeren Borsten jedes Paares. Nach letzterem Autor ist es für die engere Familie der Lumbrieiden, mit wel- chen Rosı Criodrilus in nahe Verwandtschaft bringt, charakteristisch, dass sich die Ausmündungsöffnung der Segmentalorgane niemals vor den inneren Borsten der ventralen Paare befindet, sondern größtentheils vor den äußeren Borsten. Auch hierin stimmt also Criodrilus mit den Lumbrieiden tiberein. Wie bei den letzteren sind auch bei Criodrilus die Schleifenkanäle von einem feinen Blutgefäßnetz umgeben. Digestionssystem. Der Darmkanal beginnt mit ventraler Mundöffnung, die vom Kopf- lappen überragt wird. Sein vorderster Abschnitt stellt sich als ein aus- stülpbarer Pharynx dar, welcher bis zum vierten Segment reicht. Die ventrale Wand desselben ist wenig muskulös, über der dorsalen liegt die »Pharynxmasse«, ein umfangreiches Gebilde, welches aus zahlrei- chen, sich verflechtenden Muskeln besteht und von vielen Blutgefäßen durchzogen ist. Die innere Epithelschicht wird durch wimpertragende Cylinderzellen gebildet, welche am dorsalen Pharynxtheil höher sind, als am ventralen. Die Pharynxmasse kann zum Zwecke der Nahrungs- aufnahme nach außen vorgestülpt werden. Über die Anordnung der dabei funktionirenden Pro- und Retraktoren fehlen bis jetzt nähere Angaben. Der Protraktor stellt sich als ein Muskel dar, welcher vom vorderen Theil der muskulösen Pharynxmasse abgeht, unter dem Gehirn nach vorn weiter verläuft und sich an die dorsale Muskulatur der Lei- beswand auf der Grenze zwischen dem Kopflappen und dem ersten Segment anheftet. Als Retraktoren fungiren drei starke Muskelgruppen, welche sich ‚an den hinteren Theil der Pharynxmasse und den Anfangstheil des Öso- phagus anheften und schräg nach hinten zur dorsalen Leipesmusku- latur des fünften, sechsten und siebenten Segmentes ziehen, an welcher sie sich befestigen. Diese Retraktoren scheint auch Bennan (Nr. 25) beob- achtet zu haben. Am lebenden Thier ließ sich wegen der gänzlichen Undurchsichtigkeit des Wurmes ihre Funktion nicht erkennen. Das System der drei Retraktoren ist also besonders stark ent- wickelt, während der Protraktor nur aus einem Muskel besteht, und dieser Umstand ist für den Wurm von Bedeutung, indem es für den- selben weniger von Vortheil sein dürfte, den Pharynx schnell ausstül- pen, als vielmehr denselben nach dem Ergreifen der Nahrung vermöge der starken Retraktoren energisch ins Innere zurückziehen zu können. Eine Verengung des Darmkanals im vierten Segment leitet zum 492 Ant. Gollin, Ösophagus, welcher als ein enges, von oben nach unten abgeplattetes Rohr bis zum zwölften Segment zieht. Mit dem Anfange desselben tritt auch sogleich eine deutliche eirkuläre Muskelschicht auf. Wenn VE)povskY (Nr. 20) schreibt, dass die Muskelschichten des Ösophagus bei Oligochae- ten ungemein schwach entwickelt sind, so ist das für Criodrilus nicht zutreffend, bei welchem die Ringmuskulatur verhältnismäßig stark ist; ein Umstand, der mit der Funktion des Ösophagus, die in einer schnellen Beförderung der Nahrung in den verdauenden Theil des Darmes be- steht, wohl im Einklang steht. Die Längsmuskulatur dagegen ist schwach entwickelt. Die innerste Schicht des Ösophagus wird durch ein hohes Cylinderepithel gebildet, welches dorsal und ventral gleichmäßig ent- wickelt ist. Eine Blutgefäßschicht zwischen Epithel und Muskulatur, wie es VE)povsky angiebt, fand ich weder am Pharynx, noch am An- fangstheil des Ösophagus. Dieselbe tritt erst etwa im achten Segment auf; mit ihr zugleich zeigen sich dort auch zuerst wohl entwickelte Chloragogenzellen mit braunem Inhalt am Ösophagus. Das gleichzeitige Auftreten beider Bildungen lässt auf einen Zusammenhang ihrer Funk- tion schließen. Die für Criodrilus von Vespovsky und Ben#am angedeu- teten »Septaldrüsen« liegen im vierten bis achten Segment paarweise an der Pharynxmasse und zu beiden Seiten des Ösophagus. Ihre Aus- führungsgänge in demselben konnte ich jedoch nicht verfolgen. Der Ösophagus ist namentlich am Anfangstheil in geringem Grade geschlän- gelt. Bei der Ausstülpung der Pharynxmasse ist das von Bedeutung, indem bei derselben der Ösophagus, dem Pharynx folgend, bedeutend ‘ verlängert werden muss, was durch die Streckung der kurzen Win- dungen erreicht wird. Das 12. bis 16. Segment nimmt der Magen ein, dessen Existenz von HoFrNEISTEr (Nr. 2), Rosi (Nr. 27) und Benuam (Nr. 25) beobachtet, von VErpovskY (Nr. 20) in Abrede gestellt ist. Derselbe bildet eine leichte An- schwellung des Darmrohres, ist jedoch bedeutend geringer entwickelt, als bei den Lumbrieiden, indem seine Wandungen kaum muskulöser sind, als die des Ösophagus. Derselbe geht allmählich in den Magen- darm über, welcher bis zum vorletzten Körpersegment im histologischen Bau seiner Wandungen auf seiner ganzen Länge einen übereinstim- menden Charakter trägt. Durch die Dissepimente erfährt derselbe ge- ringe Einschnürungen. Das Innere wird von einem kontinuirlichen hohen Epithel von wimpernden Cylinderzellen ausgekleidet, welche gruppenweise stärker verlängert sind und so gewissermaßen Darm- zotten bilden. Es folgt nach außen eine reiche Blutgefäßschicht, welche dorsal mit dem Rückengefäß in Verbindung steht; dieselbe wird von einer Ringmuskulatur und der darüber liegenden Längsmuskelschicht Oriodrilus lacuum Hoflm. 493 umschlossen. Die letztere ist von einer starken Schicht von Chlorago- genzellen besetzt, welche sich als prall mit braunen Kügelchen gefüllte Säckehen darstellen. Für die Einzelheiten kann ich auf die Darstellun- gen von VEIDOVSKY (Nr. 20) verweisen. Das Vorhandensein der Typhlosolisam Magendarm, welches von Vespovsky bestritten wird, ist bereits von Rosa und Bennam erkannt worden. Ich kann die Angaben der letztgenannten Autoren bestätigen. Die Typhlosolis tritt nur am vorderen Theile des Magendarmes auf, während der Endtheil ein einfach eylindrisches Rohr darstellt. Bei Cri- odrilus bildet sie eine etwas flachere Darmeinstülpung, wie bei Lum- brieus, ist übrigens aber eine homologe Bildung. Der Raum der Typhlo- solis ist zum größten Theile von Chloragogenzellen erfüllt und gegen die Leibeshöhle durch besondere Muskulatur abgegrenzt. In derselben verläuft ein kleines Längsgefäß, wie es auch Rosı angiebt, wogegen Ben#am bisweilen einen »unregelmäßigen Blutraum« beobachtet hat. Die Darmblutsinus münden in dieses Längsgefäß, welches andererseits wieder mit dem Rückengefäß durch ein Gefäß in Verbindung steht. Das Cylinderepithel des Magendarmes geht im letzten Segment in eine Zellschicht über, deren Bau mit dem der Hypodermis überein- stimmt. Nur dieses letzte kurze Stück des Darmes wäre somit als End- darm zu bezeichnen. Der After liegt dorsal; hinter demselben setzt sich der Körper noch in einige rudimentäre Segmente fort. Genitalsystem. Der Bau der Geschlechtsorgane von Criodrilus war bis vor kurzer Zeit noch gänzlich unbekannt. Im Sommer 1886 begann ich daher die Untersuchung derselben. Meine Arbeit war zu Anfang 1887 beinahe abgeschlossen, als inzwischen fast gleichzeitig die Arbeiten von Rosa (Nr, 27), Örzev (Nr. 26) und Bennan (Nr. 25) über denselben Gegenstand erschienen. Mit Ausnahme der Angaben über die Hoden und Samen- taschen stimmen die genannten Forscher überein: auch ich kann mich ihnen in fast allen Punkten anschließen. Die Geschlechtsdrüsen mit ihren Nebenapparaten nehmen das 9. bis 15. Segment ein. Die Hoden liegen paarweise im 10. und 11. Seg- ment; nur Örıey giebt fälschlich ihre Lage im A1. und 12. Segment an. Es sind fingerförmig gelappte Drüsen, welche ventral an den vorderen Dissepimenten in der Nähe des Bauchstranges angeheftet sind. Die Sa- ' menblasen nehmen zu vier Paaren die Segmente 9—12 ein; die beiden vorderen Paare sind an den hinteren Dissepimenten ihrer Segmente, die beiden hinteren Paare an den vorderen Dissepimenten angebracht. - Sie stellen sich als Ausstülpungen der Wandungen des 10. und 11. Seg- 494 Ant. Collin, mentes in die angrenzenden Segmente hinein dar. Das Sperma gelangt also aus dem vorderen Hodenpaar in die ersten und dritten, aus dem zweiten Hodenpaar in die zweiten und vierten Samenblasen. Der Form nach sind die letzteren rundliche Körper mit breiten Lappen und Fal- tungen versehen und von Blutgefäßen umgeben. Den Hoden gegenüber finden sich an den hinteren Dissepimenten Samentrichter (ciliated ro- settes Ben#am), welche zu den vier Samenleitern führen; die letzteren vereinigen sich jederseits im 12. Segment zu einem Vas deferens, wel- ches bis zum 45. Segment verläuft und daselbst jederseits ausmündet. Der weibliche Geschlechtsapparat besteht aus zwei Ovarien von ovaler abgeplatteter Gestalt, welche im 13. Segment in derselben Lage wie die Hoden zu beiden Seiten des Bauchmarks am vorderen Disse- piment angeheftet sind. Die am meisten entwickelten Eier liegen am freien Rande, doch finden sich dieselben auch im Innern. Gegen das: feste Ende des Ovariums werden die Eier allmählich kleiner; sie sind kugelig oder gegen einander abgeplattet; auch reife Eier zeigen bis- weilen diese polygonale Gestalt. Ihr Kern mit einem Kernkörperchen ist auffallend groß. Als eine Ausstülpung des hinteren Dissepimentes des 13. Segmen- tes liegen im 44. Segment die Receptacula ovorum (ovisac BEnHAMm). Die von mir in denselben vorgefundenen Eier waren merkwürdigerweise kleiner als die am meisten entwickelten des Ovariums selbst. Da sich wohl kaum annehmen lässt, dass die Eier nach ihrem Eintritt in das Receptaculum bei ihrer Weiterentwicklung kleiner werden, so wäre daraus zu schließen, dass nur kleinere Eier, welche sich vielleicht mit den reifen zugleich ablösen, in das Receptaculum zur weiteren Ent- wicklung gelangen, während die reiferen Eier, die keiner Weiterent- wicklung mehr bedürftig sind, direkt in die Eileiter gelangen. Die Wandung des Receptaculum ist wie die der Samenblasen reich von Blutgefäßen umgeben. Schließlich sei noch einer Missbildung des Receptaculum Erwäh- nung gethan. Sie besteht darin, dass ich in einem Falle das linksseitige RKeceptaculum nicht im 14. Segment, sondern mit dem Ovarium zusam- men im 13. Segment fand. Es stellte sich also als eine Ausstülpung des hinteren Septums des 13. Segmentes nicht nach dem 14., sondern in das 13. Segment hinein dar. Natürlich verfehlte es damit seinen Zweck, indem sein Hohlraum nur vom 14. Segment aus zugänglich war. Sein Inneres konnte also keine Eier enthalten; dieselben hatten sich vielmehr außen an den Wandungen um dasselbe herumgelegt. Im Übrigen war es von gleichem Bau, wie die normalen Receptacula und ziemlich weit von dem Trichter des Eileiters entfernt. Das ent- Griodrilus lacuum Hoflm. 495 sprechende Receptaculum der rechten Seite war normal im 14. Seg- ment entwickelt. | Der Eileiter beginnt mit einem Trichter im 13. Segment am hin- teren Dissepiment und setzt sich in einen Kanal fort, welcher sich am 14. Segment vor den männlichen Genitalporen jederseits nach außen öffnet. Die Mündungen der Leiter der männlichen und weiblichen Ge- schlechtsprodukte sind von bedeutenden lippenartigen Anschwellungen umgeben. ÖrLEY giebt an, zwei Paare von Samentaschen gefunden zu haben; eben so wie Rosa und BenHam habe ich dieselben niemals beobachtet. Wie ich oben bereits nachgewiesen habe, enthalten die Geschlechts- segmente mit Ausnahme des 9. auch Schleifenkanäle, wie bei den Lum- brieiden. Das Clitellum ist bisher nur von Bennam erwähnt worden. Es bildet eine leichte, wenig sichtbare Anschwellung des Körpers von den Geschlechtssegmenten ab bis etwa zum 50. Seg- ment. Die Zellschichten desselben sind bedeutend höher als die übrige Hypodermis. Außer den gewöhnlichen Hypodermiszellen finden sich im Glitellum unten flaschenförmige Zellen in mehreren Schichten mit hellem Inhalt und grundständigem Kern (Fig. 11). Sie münden nach der Oberfläche hin aus. Zwischen denselben liegen noch Schläuche zerstreut mit grobkörnigem dunklen Inhalt, welche ebenfalls nach außen zu münden und kernlos zu sein scheinen. Diese letzteren Zellen hat BennAm nicht beobachtet. Über die Verbreitung der Spermatophoren am Körper, welche zur Zeit der Geschlechtsreife auftreten, habe ich oben bereits nähere An- gaben gemacht. Sie bestehen aus einer schleimigen Substanz, welche allmählich erhärtet (Fig. 12 a). Das freie Ende zeigt eine Öffnung; der innere weite Hohlraum ist von Spermaballen erfüllt, welche bei einem Druck aus der Öffnung hervortreten. Örıey ist der Ansicht, dass die Spermatophoren in den Samentaschen gebildet und mit Sperma erfüllt werden. Da nun aber bei Criodrilus keine Samentaschen vorhanden sind, so bestätigt sich Örrev’s Ansicht nicht und die Frage nach der Bildungsstätte derselben bleibt noch immer eine offene. Denn auch ähnliche Drüsenbildungen an den Borstentaschen, wie die von Fraısse ! bei Lumbriciden erwähnten, welche an der Bildung der Spermatopho- ren Antheil nehmen sollen, habe ich nicht beobachten Können. Die Spermatozoen sind nach meinen Präparaten von ganz anderer Gestalt, als sie Brnuam darstellt (Fig. 125). Das etwas verdickte Köpfchen 1 Fraısse, Über Spermatophoren bei Regenwürmern. Arb. Zool. Inst, Würz- ' burg. Bd. V. 496 Ant. Collin, verlängert sich nach vorn in einen langen Schnabel; die hintere ge- wundene Geißel ist nur bei starken Vergrößerungen sichtbar. Bennam scheint daher mit 500-facher Vergrößerung den Schnabel als Geißel aufgefasst und die letztere ganz übersehen zu haben. Der Bau der Kokons ist bereits von Örızy eingehend beschrieben worden. Dieselben sind von etwa 5 cm Länge, an einem Ende wie ab- gebissen, am anderen in einen langen Faden zur Befestigung auslaufend. Sie bestehen aus einer hellbraunen chitinigen Substanz. In denselben fand ich meist vier bis acht kleinere, bisweilen auch ein bis drei stark entwickelte Embryonen. Parasiten. Die Hypodermis zeigte an manchen Stellen geschwulstartige Auf- treibungen: dieselben rührten von einem abgegrenzten Hohlraum zwi- schen den Cylinderzellen her, in welchem kugelförmige Gebilde, bis- weilen mit Kern versehen, lagen (Fig. 13). Über die Natur derselben bin ich nicht ins Klare gekommen. In der Leibeshöhle, und zwar in den Geschlechtssegmenten, fand ich encystirte Gregarinen im Pseudo- navicellenstadium, ähnlich der Monocystis von Lumbricus, welche bei letzterem innerhalb der Samenblase schmafotzen. Dieselben waren zwar selten, dann aber in großer Menge vorhanden. Schlussbemerkung. Was die systematische Stellung von Criodrilus anbetrifft, so bringt Rosı (Nr. 27) denselben auf Grund der vielseitigen Überein- stimmungenimBauinnahe VerwandtschaftmitdenLum- brieiden. Rosı’'s Erörterungen möchte ich mich um so mehr anschließen, als nun auch das vom genannten Autor noch nicht beobachtete Glitellum, wodurch sich Griodrilus vondenLumbriciden unterscheiden sollte, durch Bennuam bekannt geworden und also auch dieser Einwand gegen die Über- einstimmung beider in ihrer Organisation gehoben ist. Berlin, November 1887. Griodrilus lacuum Hoflin. 497 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXIII. Fig. A. Cuticula mit schräg verlaufenden Fasern und Poren. I, Längsachse des Wurmes. Fig. 2, Macerirte Hypodermiszellen. /—S, cylindrisch, #, spindelförmig. Fig. 3, Stück der Hypodermis. c, Cylinderzellen, db, birnförmige Zellen; bl, Blutcapillaren ; dr, verschiedene Drüsenformen. Fig, 4, Geschmacksknospe. s, Stäbchen; sp, spindelförmige Kerne. Fig. 5. Querschnitt von Criodrilus. d, Darm; r, Rückengefäß; s, Segmentalor- gane; b, Borsten; Im, Längsmuskulatur; sl, Seitenlinie; ol, obere, ul, untere Längs- muskelgruppen. Fig. 6. Macerirte Muskelfasern /m. Muskelfaserquerschnitte q. Fig. 7. Querschnitt des Bauchmarks mit vier Neuralkanälen r; Peritoneum p; Längsmuskulatur m; gl, laterale Ganglienzellstränge; gv, ventrale Ganglienzell- stränge; vsn, Subneuralgefäß, Fig. 84. Querschnitt desBauchmarks. Vereinigungsstelle zweier Neuralkanäler; Muskulatur m. Fig. 8B. Querschnitt des Bauchmarks derselben Serie. Nur drei Neuralkanäle r. Fig. 9. Verbreitung der Klappen im Rückengefäß. kl, Klappen; r, Rückenge- fäß; h, herzartige Seitengefäße;; s, Segmentalorgane. Fig. 40. Horizontaler Längsschnitt des Rückengefäßes. kl, Klappe; bl, Blut; 1, Längsmuskelschicht; r, Ringmuskelschicht; rf, ringförmige Falte mit verdickten Ringmuskeln; chl, Chloragogenzellen. Fig. 41. Durchschnitt durch das Clitellum. Ah, gewöhnliche Hypodermiszellen ; f, flaschenförmige Zellen; d, grobgranulirte Drüsenzellen. Fig. 12. a, Spermatophoren; sp, Spermaballen; b, einzelne Spermatozoen ; k, Köpfchen; s, Schnabel; g, Geißel. Fig. 13. Hypodermis mit Parasiten. c, Gylinderzellen; p, Haufen von parasitä- ren Körpern. Fig. 14. Horizontaler Längsschnitt durch das 43. und 14. Segment. o, Ovarium; s, Segmentalorgane; d, Darm; r, Receptaculum ovorum; {r, Trichter des Eileiters. Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. Von | Dr. Maximilian Meissner. (Aus dem Zoologischen Institut zu Berlin.) Mit Tafel XXXIV und einem Holzschnitt. Litteraturverzeichnis. . Cur. Fr. EHRENBERG, Die Infusionsthiere als vollkommene Organismen. Leipzig 1838, 2Re DUJARDIN, Histoire naturelle des Infusoires. Paris A841. . G. W. Focke£, Physiologische Studien. Bremen 4847—1854. 4. A. KÖLLIKER, Das Sonnenthierchen, Actinophrys sol. in: Diese Zeitschr. Bd. TI. 1848, . M. Perry, Zur Kenntnis der kleinsten Lebensformen. Bern 1852. . L. AuersacH, Über die Einzelligkeit der Amöben. in: Diese Zeitschr. Bd. VII. 1856. . CLAPAREDE et LAcHmann, Etudes sur les Infusoires et Rhizopodes. Geneve 1858— 1864, . Fr. Stein, Der Organismus der Infusionstbiere. 3 Bde. Leipzig 41859 —4 878. . Herrwıg und Lesser, Über Rhizopoden und denselben nahestehende Organis- men. Diese Zeitschr. Bd. X. Suppl. 1860. . E. Haeckeı, Über den Sarkodekörper der Rhizopoden. Diese Zeitschr. Bd. XV. 1865. . E. HaAEcKEL, Monographie der Moneren,. Jenaische Zeitschr. Bd. IV. 41867. . 0. Bürscarı, Notiz über das Vorkommen einer dem Amyloid verwandten Sub- stanz in einigen niederen Thieren. Archiv für Anat. u. Physiol. p. 362— 365. 1870. . E. 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Aug. GrUBER, Über die Einflusslosigkeit des Kerns auf die Bewegung, die Er- nährung und das Wachsthum einzelliger Thiere. Biol. Centralbl. Bd. III. Nr. 19. 4883. 24. FROMANN, Untersuchungen über Struktur, Lebenserscheinungen und Reaktionen des Protoplasma. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. XIII (X). 1884. 25. A. GrUBER, Die Protozoen des Hafens von Genua. Halle 1884. 26. A. Brass, Chromatin, Zellsubstanz und Kern. Marburg 4885. 27. O. BürscaLı, Glycogen in Protozoen. Zeitschr. für Biol. Bd. XXI. p. 603—612. 1885. 28. E. Maupas, Sur le glycogene chez les Infusoires cilies. Compt. rend. Tome CI. R No. 26. 1885. 39. A. GRUBER, Studien über Amöben. Diese Zeitschr. Bd. XLI. 1885. 30. MARION GREENWOOD, On the digestive process in some Rhizopods. in: Journal of Physiology. VII. No. 3. 1886, I. H. LannoLTt, Das optische Drehungsvermögen organischer Substanzen. Braun- schweig 1879. II. VALEnTIn, Die Untersuchung der Pflanzen- und Thiergewebe im polarisirten Licht. Leipzig 4861. III. V. A. PouLsen, Botanische Mikrochemie. Deutsch von C, MÜLLER. Kassel 1884, Die ersten Fütterungsversuche an Protozoen wurden schon im vo- rigen Jahrhundert angestellt. Im Jahre 1777 nämlich fütterte der Graf VON GLEICHEn-Russwurm bereits Infusorien mit Karminkörnchen, nach- dem Corrı vorher Exemplare von Stylonichia hatte hungern lassen und dabei die Beobachtung gemacht hatte, dass die Thiere durch Entziehen der Nahrung heller wurden. EHRrENBERG Setzte die Fütterungen mit Karminpartikelchen fort und wurde bekanntlich durch die Beobachtung, dass alle diese Karminkörnchen in helle Blasen — unsere heutigen Verdauungsvacuolen — eingeschlossen wurden, zu der Ansicht geführt, dass den Infusorien ein vollkommener Verdauungstractus zukomme. EnrENBERG hielt diese Vacuolen für Magenblasen, die traubig an einem Darm hängen sollten. In dieser Ansicht wurde der berühmte Berliner Gelehrte noch besonders dadurch bestärkt, dass er bei einigen Infu- sorienarten gefärbte Vacuolenflüssigkeit konstatiren konnte, die er für 500 Maximilian Meissner, 'Gallenabsonderung erklärte. Auch bis in die neueste Zeit sind die Fütterungen von Infusorien mit Karminkörnchen fortgesetzt worden, nicht weil man hoffte, dadurch die Art der Verdauung dieser Thiere kennen zu lernen, sondern weil diese Fütterungsversuche leichten und bequemen Aufschluss über die Organisation des Schlundes, der Wim- perung etc., die für die Systematik wichtig sind, geben. Genauere, nur die Physiologie der Ernährung der Protozoen betreffende, Versuche la- gen, als ich auf Anregung meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Professor F. E. Scuuzze, diese Arbeit begann, nicht vor, wenn sich auch einige Angaben über die Schicksale der aufgenommenen Nährkörper in den zahlreichen Abhandlungen, die über Protozoen erschienen sind, vorfanden. Inzwischen hat Greenwoon ! eine Abhandlung: »On the di- gestive process in some Rhizopods« erscheinen lassen, auf die ich im Laufe meiner Untersuchungen noch öfter zurückzukommen haben werde. GREENwooD’s Versuche beziehen sich nur auf Amoeba princeps und Aecti- nosphaerium Eichhornii, während die im Folgenden mitzutheilenden Experimente an Repräsentanten verschiedener Protozoenabtheilungen, natürlich nur in so weit, als dieselben nicht durch ihre Kleinheit für jetzt wenigstens noch der Untersuchung unzugänglich sind, angestellt wurden. DieNahrungderProtozoen besteht bekanntlich aus Protisten: niederen Algen und Pilzen oder niederen Thieren, Individuen der Pro- tozoenwelt selbst. Die größeren Formen nehmen wohl auch kleinere Würmer, wie Rotatorien, als willkommene Beute auf. In Amöben, welche schon AuzrsacH als »Herbivoren« bezeichnet, findet man fast nur Pflanzen, seltener wurden in ihnen verschluckte Infusorien beobachtet, da deren schnelle Beweglichkeit sie vor den Verfolgungen des langsam fließenden Amöbenplasmas schützt. Jedoch finden sich in großen Exemplaren Infusorien; so giebt z. B. auch Gruser (Nr. 25) an, dass er Oxytrichen in Amöben gesehen habe und bildet solche ab. Andere Abtheilungen der Protozoen dagegen, wieHeliozoen und Suctorien, nähren sich nur von lebenden Thieren: Infusorien und Räderthiere dienen ihnen zur Nahrung. Die In fusorien selbst endlich strudeln ohne Unterbrechung und Unterschied die sie umgebenden Fremdkörper in ihren Plasmaleib. In Stentor z. B. habe ich oft neben Räderthieren Pilze und Algen als aufgenommene Nährkörper gefunden. Durch die Strudelung der Wimpern des Infusorienleibes werden eben die umher- liegenden Fremdkörper in Bewegung gesetzt, reizen die Schlundhärchen und werden aufgenommen, während bei den Heliozoen und Suctorien 1 Dem Verfasser sei an dieser Stelle für die Übersendung derselben bestens gedankt, Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. 501 die Achsenstrahlen resp. Tentakeln eines Reizes seitens eines sich selbst bewegenden Körpers bedürfen, um in Funktion zu treten. Um nun darüber Klarheit zu erlangen, welche Bestandtheile der aufgenommenen Körper von den Protozoen assimilirt werden, wurden die Thiere mit den einzelnen Stoffen, aus denen sich die Nahrungskörper aufbauen, gefüttert. Amylum, Öl und Eiweiß sind die Hauptbestand- theile der Protozoennahrung. Welchen Veränderungen unterliegen diese Stoffe im Plasma der Rhizopoden und Infusorien? Rhizopoda. Bevor ich genauer auf die Schicksale der einzelnen aufgenommenen Nahrungstheile im Rhizopodenkörper eingehe, sei es mir gestattet, einige Worte über die Aufnahme von Fremdkörpern überhaupt in das Amöbenplasma vorauszuschicken. In den Lehr- und Handbüchern finden sich jetzt noch die Beschrei- bungen älterer Forscher über die Nahrungsaufnahme der Amöben. Diese sämmtlichen Beobachter schildern dieselbe als ein »Umfließen« des aufzunehmenden Gegenstandes. Erst in neuerer Zeit ist von engli- schen und amerikanischen Gelehrten eine andere Art der Nahrungs- aufnahme mitgetheilt worden. Duncan, Leipy (ef. Bürscaui [Nr. 47] p. 118) und jüngst GrEEnwoon geben an, dass die Amöben mit ihrem hinteren, unbeweglichen Theile die fremden Partikelchen in sich hineinziehen. Ich habe beide Arten der Nahrungsaufnahme gesehen, und die letztere bei einer Amoeba princeps genau beobachtet. Es ist diese Beobachtung nieht gar leicht zu machen, da es nur selten gelingt, auch bei langem, anhaltendem Verfolgen von kriechenden Amöben, dieselben fremde Körperchen in sich aufnehmen zu sehen. Aurrsach (Nr. 6), der zuerst Amöben genau und anhaltend studirt hat, klagt an verschiedenen Stellen seiner Abhandlung, dass es ihm leider nicht vergönnt gewesen sei, ob- gleich er sich »viele Mühe gegeben habe« eines der beobachteten Thiere fressen zu sehen. Ich gebe in Fig..1, 2, 3 eine Abbildung des von mir beobachteten Vorganges. Die Fig. %, 5, 6 zeigen uns den Akt der Ex- kretion. Es vollzieht sich also der umgekehrte Process an derselben Stelle. Das Thier zog mit den hinteren, fransenartigen Protoplasma- fortsätzen die Beute, hier ein Bacterium, in sich hinein, während das mit- ‚ eindringende Wasser die Aufnahmevacuole bildete. In dem vorderen ' Theile der Amöbe, in dem der Kern sichtbar war, fand während dieses Vorganges kein Fortfließen des Protoplasmas nach vorn statt, sondern es zeigte sich an dieser Stelle eine sehr lebhafte Brown’sche Molekular- bewegung. Ich kann also nach dieser Beobachtung die Angaben von ' Duncan, Leivy und GrEENwoon bestätigen. 502 Maximilian Meissner, Ich wende mich nun zu den Beschreibungen der eigentlichen Füt- terungsversuche und beginne mit der Schilderung der Experimente, welche mit Amylumkörnchen angestellt wurden. Bei allen diesen Versuchen wurde Reismehlstärke verfüttert. Als Reagens wurde die Lucor’sche Lösung, bestehend aus sechs Theilen Jodkalium, 100 Theilen Aqua destillata und vier Theilen Jod, in der Weise angewendet, dass von dieser starken Lösung ein bis zwei Tro- pfen zu einem Uhrschälchen mit Wasser hinzugesetzt wurden. Die Reaktion wird dadurch zwar sehr verlangsamt, doch ist sie deutlich und besonders in der Färbung fein nuaneirt. Außerdem wurde auch noch, um etwaige durch die Reaktion nicht erkennbare Veränderungen am Amylum wahrnehmen zu können, der Polarisationsapparat von Zkıss angewendet. Die ersten Versuche, von denen unten einer mitgetheilt wird, wurden in der Weise angestellt, dass zu den unter dem Deckglase be- findlichen Thieren Wasser, welches Stärkekörner enthielt, hinzugefügt wurde. Den so beschickten Objektträger überließ ich in einer feuchten Kammer sich selbst. Da sich bei diesen Versuchen aber bald der Übel- stand herausstellte, dass, sobald sich das Experiment auf länger als48, höchstens 72 Stunden erstreckte, unter dem Deckglase in ungeheurer Anzahl Spaltpilze auftraten, die den baldigen Untergang oder die Ein- kapselung der gefütterten Thiere herbeiführten, so richtete sich das Augenmerk darauf, ein Verfahren zu finden, welches diesem Übelstande abhalf und ein möglichst langes Verweilen der Amylumkörner im Plasma der Versuchsthiere begünstigte. Die späteren Versuche wurden also in folgender Weise angestellt: Eine kleine Glasdose wurde zur Hälfte mit Wasser, welches pflanz- lichen Detritus, an dem Amöben konstatirt worden waren, enthielt, ge- füllt. Zu diesem Wasser wurde ein vielleicht erbsengroßes Klümpchen Reismehlstärke, das vorher zerdrückt und mit Wasser verrührt worden war, hinzugefügt. Das Amylum setzte sich alsbald zu Boden, und die einzelnen Körner geriethen zwischen den Detritus der Blätter, an denen die Amöben herumkrochen. Nach den ersten 24 Stunden, während welcher Zeit die Dose zugedeckt sich selbst überlassen war, zeigten die Thiere nur selten in ihrer Sarkode Amylumkörner. Jedoch nach zwei Tagen enthielt fast jede Amöbe ein oder mehrere Stärkekörnchen. Es wurden nun jeden Tag einige dieser Amöben aus der Dose, deren Wasser immer durch frisches aus dem großen Bassin, aus welchem die Ver- suchsthiere stammten, ersetzt wurde, entnommen und untersucht. Das umgebende Wasser wurde durch diese Methode fast spaltpilzfrei erhal- ten und zeigte nur so viel Schizomyceten, wie jedes amöbenenthaltende Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. 503 Wasser aufweist. Die Spaltpilze dienen nämlich den Amöben zur Nah- rung. Alle diese Amöben zeigten nun Stärke, deren einzelne Körner bei Anwendung des Polarisationsapparates das bekannte Kreuz aufs schönste erkennen ließen, in ihrem Protoplasma und meist eine deutli- che Vacuole um das Amylumkorn. Sie wurden am Schlusse der Unter- suchung jedes Mal mit Jod getödtet. Es wurde nun konstatirt, dass das Amylum unverändert blieb und nicht verwandelt wurde, ein Ergebnis, das schon die auf die erstbeschriebene Art angestellten Versuche wahrscheinlich gemacht hatten, und welches GrEEnwooD auch als Resultat seiner Experimente angiebt. In den beobachteten Amöben erlitten die Körner keine Veränderung. Polarisation und Jodreaktion zeigten bei allen untersuchten Thieren aufs deutlichste, dass die Amy- lumkörner unverändert geblieben waren. Diese Beobachtung der in der Dose befindlichen Amöben wurde längere Zeit fortgesetzt und später mehrere Male noch wiederholt, und keine der untersuchten Amöben zeigte je.ein verwandeltes oder durch Sprünge etc. zerrissenes Stärke- korn, obgleich oftmals die Amylumkörnchen länger als acht Tage in den einzelnen Thieren blieben. Dieses Ergebnis, dass Stärkekörner von den Amöben nicht ver- daut werden, steht auch mit den früheren Befunden älterer Forscher nicht in Widerspruch, sondern wird durch einzelne Mittheilungen be- stätigt. Auersaca (Nr. 6) bildet in seiner Abhandlung eine Amöbe ab, die er mit Jod abgetödtet hatte. Dieses Thier zeigte deutliche, durch Jod dunkelviolett gefärbte Amylumkörner, deren Vorkommen AUuERBACH in Verwunderung versetzte. Leicht wird die Sache erklärt, wenn wir an- nehmen, dass die Amöbe von den Pflanzen, die sie gefressen und ver- daut hatte, diese für sie unverdaubaren Stärkekörner in der Sarkode zurückbehalten habe. Von der Thatsache, dass diese Thiere oft lange | Zeit solche Stoffe, die für sie ohne jeden Nahrungswerth sind, mit sich | herumschleppen, kann man sich leicht überzeugen, wenn man Rhizo- ı poden längere Zeit beobachtet!. Einige Forscher nahmen, da sie keine ‚ andere Erklärung für das Vorkommen von Amylum fanden, an, dass ‚ die Stärke vielleicht im Rhizopodenkörper gebildet werde. Bürscarı ‚ urtheiltüber diese strittige Frage in dem von ihm bearbeiteten Bande der ‚ Protozoen aus Bronn (Nr. 17) p. 10% folgendermaßen: »Das Vorkommen 1 GRUBER (Nr. 29) vermuthet, dass die Rhizopoden desshalb solche Stoffe, die ohne Nährwerth sind, wie z. B. auch Sandkörner, aufnehmen und mit sich herum- schleppen, weil dadurch das weiche Protoplasma eine gewisse Festigkeit erlange. Ich möchte noch anführen, dass durch Anhäufung großer und fester Partikel in der ‚ Mitte des Plasma die Oberfläche des Rhizopodenkörpers, die dem Gasaustausche ‚ und der Ernährung durch Endosmose hauptsächlich dient, vergrößert wird. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI, Bd. 34 -_ 2 ee De 504 Maximilian Meissner, von Stärkekörnern als endogenes Erzeugnis des Rhizopodenkörpers scheint bis jetzt mit Sicherheit in keinem Fall entschieden zu sein.« Ich glaube, dass man das etwaige Vorkommen von Amylumkörnern im Rhizopodenkörper immer mit der Unverdaubarkeit der Stärke wird erklären können. | Ich lasse jetzt die Berichte über einzelne der angestellten Versuche als Belege folgen: 1) Amoeba princeps. Das Thbier enthielt Amylumkörner, zwei größere und drei kleinere der Reismehlstärke. Außerdem hatte es mehrere (drei) Diatomeen auf- genommen, von denen es im Laufe der Untersuchung zwei wieder ausschied. Jedes der größeren Stärkekörner war von einer deutlichen Vacuole umgeben; die drei kleineren waren so vertheilt, dass zwei bei dem einen großen Korn und eines bei dem anderen in derselben Va- cuole sich befanden. Die Stärkekörner polarisirten sehr schön. Wäh- rend einer zweistündigen Beobachtung zeigten dieselben keine Verän- derung. Dann wurde eine Pause gemacht. Die Amöbe wurde gezeichnet und die Stelle, wo sie sich befand, notirt. Bei der nach ca. zwei Stun- den wieder aufgenommenen Untersuchung wurde das Thier unschwer wieder entdeckt. Die Stärke, die noch in derselben Anzahl Körner und in derselben Lagerung sich vorfand, zeigte weder Risse, noch irgend welche andere Veränderungen. Das Polarisationsvermögen war das- selbe geblieben. Während der Nacht blieb das Thier auf dem Objekt- träger in der feuchten Kammer. Auch am nächsten Tage konnte keinerlei Veränderung an den Stärkekörnern konstatirt werden. Die angewendete Polarisation zeigte keine Verwandlung. Die darauf vorgenommene Abtödtung des Thieres mit Jod ließ eine ganz deutliche, unzweifelhafte Amylumreaktion erkennen. Dieses Versuchsthier konnte, weil es nach der ersten Methode ge- füttert worden war, nur drei Tage lang, das Verweilen der Amylum- körner in demselben also nur zwei Tage lang beobachtet werden. Ich lasse desshalb noch die Schilderungen einiger ausgewählter Experimente folgen, welche auf die oben zweitbeschriebene Art angestellt worden sind. 2) Amoeba princeps. Das Thier enthielt bei Beginn der Beobachtung einige Stärkekörner und außerdem ein Exemplar von Scenedesmus caudatus. Das Chloro- phyll der letzteren Alge war bräunlich. Die Amöbe kroch munter mit dem aufgenommenen Amylum zwischen den noch zahlreich im Wasser Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. 805 suspendirten Stärkekörnern umher, ohne jedoch noch eines derselben aufzunehmen. Beobachtet wurde das Thier fünf Tage lang. Am dritten Tage hatte es noch ein Stärkekörnchen aufgenommen. Die Polarisation zeigte keine Veränderung an; die hinzugesetzte Lucor’sche Lösung färbte die Körner dunkelviolett. Das Resultat war also ein negatives. 3) Amoeba radiosa. Das Thier enthielt in einer deutlichen Vacuole ein kleines Korn der Reismehlstärke. Als nach achtstündiger Beobachtung das Körnchen ausgeschieden wurde, wurde durch die Jodlösung eine unzweifelhafte Amylumreaktion konstatirt. 4) Amoeba princeps. Da das zur Untersuchung gelangende Exemplar von besonderer Größe war, so wurde, weil es außerdem ziemlich viele aufgenommene Stärkekörner enthielt, der Versuch unternommen, das Thier zu isoliren. Dieses Unternehmen gelang. Die Stärkekörner, drei an der Zahl, lagen in zwei Vacuolen; das einzeln liegende wurde im Laufe der Beobach- tung, die sich auf fünf Tage ausdehnte, ausgeschieden. Die beiden an- deren Körner zeigten nach der Abtödtung der Amöbe mit Jodlösung eine dunkelviolette Färbung. Die Reaktion war sehr deutlich. 5) Pelomyxa palustris. Ich habe viele Exemplare dieses interessanten Rhizopoden, der sich in einem Bassin des Berliner Universitätsgartens ziemlich häufig findet, mit Amylumkörnchen gefüttert, in der Hoffnung, dass diese ansehnlichen Thiere die Stärke vielleicht verändern würden. Um die Pelomyxa möglichst von dem die Beobachtung hindernden Schlamme zu befreien, wurden die Individuen ca. 24 Stunden in reines Wasser gesetzt und, gegen Licht geschützt, gegen das diese Thiere, die immer im Schlamme leben, sehr empfindlich sind, sich selbst überlassen. Zu der so klar gewordenen Pelomyxa wurde zerrührtes Amylum hinzugesetzt. Nach kurzer Zeit hatte sich das Plasma des Rhizopoden ganz mit Stärkekör- nern gefüllt. Nach 24 Stunden wurde Jodlösung hinzugefügt, und alle Körner der Reismehlstärke zeigten ohne Ausnahme die deutlichste Amylumreaktion. Der Versuch wurde, wie schon erwähnt, öfter wie- derholt und ergab immer dasselbe negative Resultat. Ließ ich die Thiere länger als 24 Stunden in dem stärkehaltigen Wasser, so gingen sie zu Grunde. Von einer dabei etwa statthabenden Einkapselung oder ‚ Bildung einer Rindenschicht, wie sie bei anderen Rhizopoden in solchen 34* 506 Maximilian Meissner, Fällen meist einzutreten pflegt, habe ich bei Pelomyxa nichts bemerken können. 6) Actinophrys sol. Ich habe schon oben bemerkt, dass diese Thiere sich von leben- den Protozoen nähren. Ich war daher überrascht, als ich bei der Beob- achtung der mit Stärkekörnern gefütterten Amöben auf zwei konjugirte Exemplare von Actinophrys sol traf, die in der gemeinschaftlichen Va- cuole ein großes Stärkekorn enthielten. Ich glaube mit der Erklärung nicht fehl zu gehen, dass dieses Amylumkorn von einem Infusorium verschluckt worden ist, und dass dieses von einem der Heliozoen er- beutet und verdaut worden war, während die Stärke unverändert blieb. Fig. 7 zeigt das Bild, das sich dem Beschauer darbot. Später trennten sich die beiden Thiere; ich färbte das Stärkekorn, das noch ca. drei Stunden unter meinen Augen in der Vacuole verweilt hatte, mit Jodlö- sung. Die dunkelviolette Färbung zeigte, dass das Amylum unverändert geblieben war. | Als zweiter Bestandtheil der Protozoennahrung, dessen Schicksale im Rhizopodenplasma ich nun zu schildern habe, war oben das Öl ange- führt worden. Dieser Stoff wurde den Rhizopoden in Form kleiner Kü- gelchen dargeboten, und zwar wurde bei den ersten Experimenten, die in dieser Richtung angestellt wurden, auf dem Objektträger zu einem Tropfen Wassers, das sich als amöbenreich erwiesen hatte, noch bevor das Deckglas aufgelegt wurde, ein Tropfen einer Ölemulsion hinzuge- fügt. Diese Ölemulsion wurde aus Olivenöl hergestellt und mit Alkan- natinktur roth gefärbt, um eine Verwechslung der gefütterten Öltropfen mit anderen ähnlich lichtbrechenden Körnchen in der Sarkode mög- lichst zu vermeiden. Diese Färbung erwies sich aber auch noch in an- derer Hinsicht als sehr günstig. Ich sparte nämlich durch dieselbe die Fütterung der Thiere mit Lackmuspartikelchen, welche nöthig gewesen wäre, um den chemischen Charakter der Verdauungsvacuole zu erken- nen. Die Reaktion der Alkannatinktur ist viel zarter und deutlicher als die Reaktion des Lackmus. Außerdem ließen die hellen Öltröpfehen, besonders wenn mit dem Asst'schen Beleuchtungsapparat ohne Blende gearbeitet wurde, die geringste Farbenveränderung des Alkanna leicht erkennen. Ich kann daher die Anwendung der mit Alkannatinktur ge- färbten Öltropfen wegen dieser Eigenschaft der Alkannawurzel, auf Alkalien respektive Säuren zu reagiren, bei mikrochemischen Arbeiten nur empfehlen. Diese so gefärbten Öltropfen der Olivenölemulsion wurden von / | | Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. 507 den Amöben nicht so gern und schnell aufgenommen, wie die Amylum- körner. Einen der auf diese Art ausgeführten Versuche theile ich unten mit. Eine darauf bezügliche Abbildung zeigt Fig. 8. Bei den späteren Experimenten wurde nach dem Vorgange GREENwooD’s nur noch Milchöl den Thieren zur Aufnahme angeboten. In einem Uhrschälchen wurde die verdünnte Milch mit gleichfalls verdünnter Alkannatinktur ver- mischt; nach einigen Stunden hatte sich dann oben im Uhrschälchen eine Schicht roth gefärbter Öltröpfehen abgesondert. Von dieser Schicht nun wurde ein Tropfen auf dem Objektträger zu den Amöben hinzu- gethan ; dieses Präparat wurde in einer feuchten Kammer vor dem Ver- dunsten geschützt und nach 24 respektive 48 Stunden untersucht. Bei den zahlreichen angestellten Versuchen habe ich an den Milchölkügel- chen nie eine Veränderung bemerken können. Die Öltropfen wur- denvonkeinem einzigen derbeobachteten Versuchsthiere verwandelt. Es zeigte sich immer eine Vacuole um den Öltropfen herum, der stets, auch wenn die Alkannatinktur vorher durch Alkalien gebläut worden war, eine deutliche rothe Farbe zeigte. Zu demselben Resultate, d. h. dass Fett in Amöben unverändert bleibt, ist auch GrEENn- woon gelangt; er schreibt 1. ec. p. 272: »Fate globules are not digested by Amoeba« und fährt dann fort: »a slow digestion of them probably takes place in Actinosphaerium«. Gegen diese letzte Behauptung, die GREEnwoon daraus herleitet, dass in einer von einem Actinosphaerium aufgenommenen Krusterlarve einige in der Larve enthaltene Öltropfen Veränderungen wenn auch nur unbedeutender Art zeigten, kann ich leider keine eigenen Beobachtungen vorbringen, möchte jedoch bemer- ken, dass diese Änderungen vielleicht durch die eigenen sekretorischen Säfte des gefangenen Thieres herbeigeführt worden sind. Die Schilderung zweier der zahlreichen Versuche, die ich mit Öl- kügelchen an den Amöben ausgeführt habe, möge hier Platz finden. 4) Amoeba princeps. Das Thier, dem Öltropfen einer Olivenölemulsion angeboten wor- den waren, wurde nach 48 Stunden untersucht. Es enthielt eine Öl- kugel in einer deutlichen Vacuole. Nach zwei Stunden war das Öl unverändert. In diesem Stadium wurde das Thier gezeichnet: Fig. 8. Da die Amöbe in einen Moderhaufen kroch, musste die Beobachtung abgebrochen werden. Am nächsten Morgen wurde das Thier wieder- gefunden. Der Öltropfen war unverändert und von einer Vacuole um- geben; seine Färbung war deutlich roth. 508 Maximilian Meissner, 2) Amoeba princeps. Das Thier war mit gefärbtem Milchöl, das vorher gebläut worden war, gefüttert worden und hatte nach 24 Stunden drei Milchkügelchen aufgenommen. Die Färbung derselben war roth geworden, während die anderen unter dem Deckglase befindlichen Kügelchen fliederblau ge- blieben waren. Das Exemplar wurde zwei Tage lang beobachtet und keine Veränderung an den Ölkügelchen bemerkt. Die Verdauungsva- cuole war bei. dieser Amöbe sehr undeutlich. Nachdem sich durch die vorher beschriebenen Versuche gezeigt hatte, dass weder Amylumkörnchen noch Öltropfen verdaut werden, blieb für die Ernährung der Rhizopoden, wenn man nicht annehmen wollte, dass dieselbe ganz auf endosmotischem Wege vor sich gehe, nur die Vermuthung übrig, dass Eiweiß die hauptsächlichste Nahrung die- ser Thiere bilde. Und diese Vermuthung ist, wie alle angestellten Ver- suche bewiesen, richtig. Pflanzliches und thierisches Eiweiß sind die hauptsächlichsten Nährmittel der Rhizopoden. Wenn die Amöben auch anscheinend nicht im Stande sind, gekochtes Eiweiß zu verdauen, so zeigten andererseits die Beobachtungen über die Schicksale des Ei- weißes der gefressenen Protisten deutlich, dass hier eine Auflösung stattfindet. Das Protoplasma der verschluckten Protozoen, AlgenundPilze wird, nachdem es verflüssigt wordenist, von der Sarkode der Rhizopoden aufgenommen oder viel- mehr aufgesaugt, während die unverdaulichen Reste excernirt werden. Leider sind unsere Kenntnisse über die Reaktionen der ver-. schiedenen Eiweißsubstanzen, speciell die mikrochemischen, so geringe, dass ich mich nur auf die Beschreibung der beobachteten Verwand- lungen, denen die aufgenommenen Eiweißstoffe unterliegen, beschrän- ken will, ohne Spekulationen über ihre Zusammensetzung anzustellen. 1) Amoeba princeps. Es war dies dasselbe Exemplar, bei dem ich die Aufnahme der Nahrung von hinten, die ich oben beschrieben habe, beobachtete. Die aufgenommene Beute war ein Bacterium. Nach Verlauf einer halben Stunde war dasselbe als solches nicht mehr zu erkennen, sondern war schon breiig zerfallen. Nach ungefähr 40 weiteren Minuten war die Vacuole noch deutlich sichtbar, vom Bacterium waren nur noch einige stärker lichtbrechende Pünktchen in derselben zu sehen. Nachdem ca. 50 Minuten seit der Nahrungsaufnahme verflossen waren, war die Va- cuole mit Inhalt verschwunden. Das Bacterium war verdaut. ne Eee "rn Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. 509 2) Aetinophrys sol. Das Thier zeigte, als die Beobachtung begann, einen in einer Va- cuole eingeschlossenen Flagellaten, der schon halb aufgelöst war. Wäh- rend einer einstündigen Beobachtung nahm das Thier noch drei Flagel- laten, die zahlreich im Wasser herumschwärmten, auf. Sobald ein sol- cher Flagellat den Achsenfaden des Heliozoons gereizt hatte, wurde er durch einen schnell sich vorstülpenden Protoplasmafortsatz ergriffen und in den Körper hineingezogen. Die Verdauung der Beute durch das Sonnenthierchen ging sehr schnell vor sich. Schon nach 10 Minuten war die Form der Thiere nicht mehr zu erkennen; das Chlorophyll- körnchen, welches sie enthielten, war zwar noch grün, wurde aber bald braunroth. Nach ca. 25 Minuten war die Verdauung beendet, die Vacuole verschwand bei der darauf stattfindenden Exkretion des Chlo- rophylis, und man erblickte an der Stelle, wo die Vacuole sich befun- den hatte, das Protoplasma mit den Sarkodekörnchen des Actinophrys. 3) Aetinophrys sol. Unter den vielen Heliozoen, die ich beobachtete, traf ich auf ein Actinophrys, das in einer seine Körpergröße überragenden Vacuole eine losgerissene Vorticellenknospe oder Vorticelle selbst enthielt. Das eingeschlossene Thier machte fortgesetzt noch zuckende Bewegungen, und seine Wimpern schlugen noch. Das sich dem Beschauer darbie- tende Bild zeigt Fig. 9. Nach 15 Minuten war das gefangene Thier ruhig geworden. Bei der nun beginnenden Verdauung leisteten die Cilien am längsten Widerstand. Nach ungefähr 70 Minuten war die Vorticelle als solche nicht mehr sichtbar. Es war fast Alles gelöst. Man erblickte in der Vacuole nur noch einen Haufen granulirter Substanz. Bei der bald darauf stattfindenden Exkretion einiger unverdaubarer Reste ver- schwand die Vacuole. Die Beute war verdaut. 4) Amoeba princeps. Zu einem Tropfen Wassers, das Amöben enthielt, wurden gekochte Dotterkügelchen von Hühnereigelb hinzugesetzt. Die Amöben nahmen dieselben jedoch nur in vereinzelten Fällen auf. In zwei Fällen wurde ein Verweilen derselben in dem Plasma der Amöben während ca. 24 Stunden beobachtet, ohne dass eine Veränderung an den bald darauf ausgeschiedenen Dotterkügelchen konstatirt werden konnte; dieses Er- gebnis macht die Annahme wahrscheinlich, dass diese Thiere nicht im Stande sind, gekochtes Eiweiß aufzulösen. Die in derselben Richtung 10 Maximilian Meissner, angestellten Versuche mit Pelomyxa palustris misslangen, da die Thiere die Kügelchen nicht aufnahmen. Ich schließe hiermit den Bericht über die an Rhizopoden ange- stellten Fütterungsversuche und wende mich zur zweiten Klasse der Protozoen, zu den Infusorien. Die Versuche, welche ich mit diesen Thieren ausgeführt habe, wurden in gleicher Reihenfolge und unter Anwendung derselben Me- thoden, wie bei den Rhizopoden unternommen, doch boten sie durch die relative Größe der einzelnen Individuen weniger Schwierigkeiten als jene. Immer wurden die Versuchsthiere isolirt und in einer kleinen feuchten Kammer im hängenden Tropfen längere Zeit erhalten. Ich habe für die angestellten Experimente fast nur Exemplare der größeren eiliaten Infusorien verwendet, und können die Resultate also auch nur für diese gelten, obgleich mehrere Beobachtungen kleinerer flagellaten Formen es mir wahrscheinlich gemacht haben, dass bei ihnen die Er- nährung respektive Verdauung auf dieselbe Weise vor sich geht, wie bei den großen ciliaten Infusorien. Bei den ersten der angestellten Versuche mit Amylumkörnchen, die von den Infusorien leicht und gern aufgenommen wurden, konnte ich auch bei längerer Beobachtung keine Veränderung an der Stärke wahrnehmen. Die Thiere nahmen das Amylum auf, um es nach ein bis anderthalb Stunden unverändert wieder auszuscheiden, wenn ich sie in dem Wasser, in dem sie vorher gelebt hatten, beließ. Ich brachte desshalb einzelne Stentoren, die zuerst gefüttert wurden, während sie im Wasser umherschwärmten, in reines mit Stärkekörnern gefülltes Wasser und ließ sie darin, bis sie Amylumkörner in ihrem Protoplasma zeigten (hierzu Fig. 14); dann wurden sie isolirt sich selbst überlassen. Nach 24 Stunden waren zwar einige Exemplare zu Grunde gegangen, andere jedoch zeigten deutliche Risse an den verschluckten Stärkekörnern, und bei einem Exemplar, das ich, weil das darin enthaltene Amylumkorn unter dem Polarisationsapparat nicht mehr das Kreuz zeigte, mit Jodlösung abtödtete, wurde eine rothviolette Färbung der früheren Stärke be- _ merkt. Das Amylum war verändert. Leider gingen die so gefütterten Stentoren meist nach 48 Stunden zu Grunde, oder sie schieden, wenn ich sie, um dies zu verhüten, mit Pflanzen fütterte, die veränderte Stärke _ aus. Das klarste Bild, welches ich bei angewandter Jodreaktion bei den so gefütterten Stentoren erhielt, zeigt Fig. 10; die veränderte Stärke wurde deutlich roth und polarisirte nicht mehr. Auch die dann zu den Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. 511 Experimenten gewählten Spirostomeen zeigten sich als untauglich zu diesen Fütterungsversuchen. Sie nahmen nur ganz kleine Amylum- körner auf. Fig. 41 zeigt das Hinterende eines Spirostomum ambiguum mit den von Vacuolen umschlossenen Häufchen der kleinen Reismehl- stärkekörner. Die Thiere gingen meist zu Grunde. Als sehr günstige Objekte dagegen erwiesen sich Exemplare von Glimacostomum virens, mit denen ich zahlreiche Experimente ausgeführt habe, die als Resultat ergaben, dass diese Thiere, wennihnen andere Nahrung ent- zogenwird, nach ungefähr 24StundendieStärkeineinen Stoff überführen, der sieh mit Jod rothviolett bis wein- roth färbt. Dieser Stoff, welchen ich für noch ungelöstes Dextrin halte, wird später gelöst; ob er mit dem von anderen Forschern als Gly- kogen bezeichneten identisch ist, wage ich nicht zu entscheiden. Die Mikrochemie lässt uns auch hier im Stich. Ich will und darf hier nicht verschweigen, dass nicht alle in dieser Richtung unternommenen Ver- suche 'geglückt sind. Ich habe Amylum in Infusorien, besonders in kleineren Formen, wie CGoleps hirtus, Euplotes charon, Halteria ete. länger als 24 Stunden, ohne irgend eine Veränderung zu zeigen, ver- weilen sehen. Ich lasse die Beschreibungen einiger der hauptsächlichsten Ver- suche folgen. 1) CGlimacostomum virens. Die mit Amylum in einer Dose angesetzten Infusorien wurden am nächsten Morgen, nachdem Amylumkörner von ihnen aufgenommen worden waren, isolirt und nach abermals 24 Stunden untersucht. Ver- schiedene Amylumkörner zeigten Risse, andere waren zerfallen. Die Thiere wurden einzeln mit Jod getödtet und dann gezeichnet. Fig. 12 zeigt ein Exemplar mit Jodlösung behandelt und die Einwirkung der- selben auf die aufgenommenen Amylumkörner. 2) Glimacostomum virens. Das Thier wurde wie die vorigen gefüttert. Die Untersuchung ergab ein zerfallenes Stärkekorn, das sich in ähnlicher Weise, wie das bei Stentor Fig. 10 abgebildete, färbte. Von den verschiedenen zerrissenen Stärkekörnern, die ich in den EVER 92959 9 Versuchsthieren von Climacostomum fand, gebe ich anbei einige Ab- bildungen. 512 Maximilian Meissner, 3) Vorticella nebulifera. Zu dem an einem Moderhaufen festsitzenden Thiere wurde Stärke- körner enthaltendes Wasser hinzugesetzt. Die Vorticella nahm sehr schnell allerdings nur die kleinen Körner der Reismehlstärke auf. Nachdem sich fast der ganze Innenraum des Thieres mit Vacuolen, die die einzelnen Stärkekörner umschlossen, gefüllt hatte, zog das Thier sein Wirbelorgan nach innen, das Peristom schloss sich, und die Vorti- cella begann zu verdauen. Bei diesem Exemplare gelang es mir, das Zerfallen eines Stärkekorns in zwei Theile zu beobachten, ich färbte alsbald mit Jod, die Theilstücke zeigten jedoch noch eine deutliche dunkelviolette Färbung, während ich bei einem anderen Exemplare derselben Thierart bei späterer Abtödtung mit Jodlösung an den ver- änderten Stärkepartikelchen eine rothviolette Färbung wahrnehmen konnte. Ließ man die Thiere 24 Stunden, während welcher Zeit sie natürlich kontrollirt wurden, ruhig verdauen, so zeigte eine spätere Einwirkung von Jodlösung keine weitere Färbung mehr, als die gelbe bis braune, die jedes Protoplasma unter Einwirkung dieses Reagens annimmt; die sich rothviolett färbende Substanz war verschwunden, anscheinend gelöst. 4) Peranema trichophorum. Ich fand diesen Flagellaten, als ich aus einem Amöben enthalten- _ den und mit Amylum angesetzten Wasser einen Tropfen entnahm, in drei Exemplaren vor. Zwei dieser Thiere enthielten ziemlich große Stärkekörner, und das dritte beschäftigte sich lebhaft mit einem im Wasser suspendirten Amylumkörnchen. Es bemühte sich dasselbe vorn an der Stelle, wo die starrere Geißel entspringt, in sich hineinzu- drücken, was ihm jedoch nicht gelang. Ich färbte die beiden anderen Exemplare mit der Lucor’schen Lösung, konnte jedoch nur eine un- zweifelhafte Amylumreaktion erkennen. Während ich demnach bei einigen Infusorien Veränderungen des Amylums konstatiren konnte, ist mir das Gleiche bei den Fütterungs- versuchen mit Milchölkügelchen nicht gelungen. | Die Experimente wurden in derselben Weise, wie bei den Rhizo- poden, ausgeführt. Zu den auf dem Objektträger befindlichen Infu- sorien wurde ein Tropfen der gefärbten Milchölschicht hinzugefügt. Die Thiere fressen aber diese Öltröpfchen nicht gern. Ich habe Sten- toren hungern lassen und ihnen dann dieses Öl angeboten, aber sie nahmen es trotzdem nicht auf. Und wenn auch eines der Kügelchen Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. 513 wirklich nicht wieder aus dem Schlunde herausgeschleudert wurde, sondern in das Innere gelangte, so wurde es doch nach ganz kurzer Zeit wieder ausgestoßen. Auch wenn etwa nicht gefärbtes Öl ange- wendet wurde, behielten die Thiere dasselbe nicht im Protoplasma. Eben so nahmen einige Exemplare von Glimacostomum virens, welche ich dann zu diesen Versuchen verwendete, die gefärbten Öltröpfehen nicht auf, während andere Individuen derselben Species mit großer Schnelligkeit eine beträchtliche Anzahl solcher Fettkügelchen in sich hineinstrudelten. Fig. 13 zeigt ein Climacostomum virens mit Öltröpf- chen im Protoplasma. Die größere Anzahl derselben befand sich immer auf einen Haufen zusammengepresst unterhalb des Schlundes, während zahlreiche einzelne Öltröpfehen im Protoplasma zerstreut lagen. Das Merkwürdigste war jedoch, dass sich weder um den Haufen noch um die einzelnen Kügelchen eine Vacuole befand. Um jeden Fremdkörper bildet sich sonst im Protoplasma der Protozoen eine Vacuole, die zwar manchmal nicht sehr deutlich erscheint, aber jedes Mal erkennbar wird, wenn eine Pressung auf das Protoplasma ausgeübt wird. Bei den Öl- tropfen habe ich indessen, auch wenn ich die Thiere eintrocknen ließ, nie eine Vacuole beobachten können. Hält man dieses Resultat mit der bekannten Thatsache, dass sich im Infusorienkörper viele stark licht- brechende runde Körperchen, die sich mit Osmiumsäure schwarz fär- ben, vorfinden, welche von fast allen Beobachtern für Öltröpfehen an- gesehen worden sind, zusammen, so liegt die Vermuthung nahe, dass das Öl vielleicht als Reservenahrungsstoff im Protoplasma aufgespeichert ‘werde. Gegen diese Annahme spricht allerdings, dass auch hungernde Exemplare von Climacostomum virens, wenigstens so weit meine Beob- achtungen reichen, das aufgenommene Fett nicht lösten. Ich möchte diese Frage noch offen lassen. Von den verschiedenen Versuchen, die sich alle bis auf die Beob- achtungsdauer und das längere oder kürzere Verweilen der Öltröpfehen im Protoplasma völlig gleichen, mag die Schilderung des einen, der auch noch in anderer Hinsicht Interesse zu erwecken im Stande ist, hier Platz finden. Glimacostomum virens. Das Thier hatte ziemlich viele der Michölkügelchen aufgenommen, die theils zusammen, theils einzeln zerstreut lagen. Während nun die meisten die rothe Färbung beibehielten, wurden andere deutlich fliederblau. Das Protoplasma wirkte hier also wie ein Alkali auf den Farbstoff der Alkannawurzel. Eine Vacuole war um keines der Fett- tröpfehen zu bemerken. Es hätte das Vorhandensein einer solchen 914 Maximilian Meissner, auch dieser Reaktion vollständig widersprochen, denn die Verdauungs- vacuolen, die ich ehemisch zu untersuchen Gelegenheit hatte, zeigten alle meist eine saure, seltener neutrale, nie aber eine alkalische Reak- tion. Das Öl blieb in diesem Exemplar nur eirea dreiviertel Stunden, nur einzelne Kügelchen blieben bis zum nächsten Morgen, also eirea 18 Stunden in dem Thiere. Sie waren bei der Untersuchung unver- ändert, nur die Farbe war jetzt bei allen eine deutlich rothe. Das Bild der zuerst gesehenen alkalischen Reaktion zeigt Fig. 15. Eine Veränderung der Öltröpfehen habe ich also in den Thieren bei keinem Exemplare konstatiren können. Es erübrigt noch, die Beobachtungen tiber die Eiweißverdauung bei den Protozoen mitzutheilen. Dieser Theil der Arbeit bewegt sich auf einem Gebiete, auf dem schon EHrENBERG vorgearbeitet hat. Der- selbe hat schon das Zerfallen und Schlaffwerden der Algen, die Farbe- veränderungen, denen das Chlorophyll unterliegt, gesehen. In seinem großen, klassischen Werke finden sich viele Angaben darüber. Prrry und viele andere spätere Forscher haben dasselbe beobachtet und ab- gebildet. Die Vorgänge sind dieselben, wie ich sie oben bei den Rhi- zopoden geschildert habe. Als neu habe ich nur hinzuzufügen, dass nach den von mir ausgeführten Fütterungsversuchen mit gekochtem Eiweiß die Infusorien als Versuchsthiere wurden Glimacostomeen genommen — gekochtes Eiweiß wahrscheinlich nicht zu lösen vermö- gen. An dieser Stelle jedoch möchte ich auf die Betheiligung des Kerns bei der Verdauung zu sprechen kommen. Bekanntlich hat ArwoLn Brass die Behauptung aufgestellt, dass der Kern feste Theile der assimilirten Nahrung direkt aufnehme. Er hat Infusorien, wie er in seinen »Biolo- gischen Studien Heft 2 p. 86/87« angiebt, mit einer »hellen organischen Substanz« gefüttert und die Aufnahme derselben in den Nucleus beob- achtet. Brass bildet den Vorgang |. ec. ab. BürscenLı hat zwar schon im »Morphol. Jahrh. Bd. XI p. 229—242« darauf aufmerksam gemacht, dass Brass jedenfalls die Verschmelzung des Nebenkerns mit dem Kern ge- sehen und diesen Vorgang mit der Verdauung verwechselt hat, trotz- dem möchte ich hier konstatiren, dass ich bei den zahlreichen Versu- chen nie eine direkte Betheiligung des Kerns bemerken konnte. Hierzu kommt, dass Gruger (Nr. 23) angiebt, dass er durch Theilung entstandene Protozoen ohne jede Spur von Kern noch hat Nahrung assimiliren sehen. Andererseits lässt sich nicht verkennen, dass der Kern Nahrungsstoffe, vielleicht flüssiger Art, zugeführt erhalten muss. Denn wie sollten wir sonst die bei gut gefütterten Infusorien ins Grenzenlose fortgesetzten Theilungen erklären. Die gut genährten Individuen der Protozoenwelt Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. 515 pflanzen sich schneller und zahlreicher fort als solche, die weniger Nahrungsstoffe zugeführt erhalten. Bei hungernden Infusorien z.B. habe ich nie Theilungserscheinungen beobachtet. Doch die Untersuchungen sind wohl über diesen Gegenstand noch nicht abgeschlossen. Ich kann nur wiederholen, dass es mir nicht gelungen ist, eine Betheiligung des Kerns durch direkte Aufnahme fester, Partikelchen bei der Ernährung zu beobachten. Das thierische und pflanzliche Eiweiß wird, wie schon oben erwähnt, von den Infusorien gelöst, und zwar ziemlich schnell. Die von mir beobachtete Verdauung einer Difflugia durch ein Climacostomum virens ging ziemlich rasch vor sich. Nach ca. 25 Minu- ten war das Protoplasma des Rhizopoden gelöst. Die gänzlich unver- sehrte Schale der Beute befand sich in einer Vacuole im Inneren des Climacostomum (Fig. 16). Das umgewandelte Chlorophyll wird von den Infusorien meist ex- cernirt, eben so habe ich die Ausscheidung des Chitinpanzers eines Ro- tators, der einem Stentor als Nahrung gedient hatte, beobachtet. Für die wahrscheinliche Unverdaulichkeit des gekochten Eiweißes möge der folgende Versuch als Beleg mitgetheilt werden. Glimacostomum virens. Zu mehreren Exemplaren dieser Species, die ausnahmsweise arm an symbiotischen Algen waren, wurden gekochte Dotterkügelchen eines Hühnereigelbes hinzugesetzt. Eines der Thiere nahm zwei derselben auf und schied sie nach ca. vier Stunden wieder aus, ohne dass eine Veränderung daran zu bemerken war. Bei einem anderen Exemplar, das. gleichfalls zwei Kügelchen aufgenommen hatte (Fig. 47), verweilten dieselben ca. sechs Stunden im Protoplasma, ohne eine wahrnehmbare Auflösung zu zeigen. Ich möchte die Resultate der angestellten Experimente noch einmal kurz zusammenstellen. 1) Bei den untersuchten Rhizopoden ließ sich weder an Amylum- körnchen noch an Öltropfen auch bei längerem Verweilen der Stoffe in den Versuchsthieren eine Veränderung mit chemischen oder optischen Hilfs- mitteln nachweisen. Dagegen wurde in vielen Fällen eine Verdauung von pflanzlichem und thierischem Eiweiß beobachtet. 2) Viele Infusorien verwandeln, wenn ihmen andere Nahrung entzogen wird, die aufgenommene Stärke in eine Substanz, die sich, mit ‚ Jodlösung Beh ahdeli roth färbt (Dextrin?) und später im Körper gelöst wird. Öl blieb dagegen in den untersuchien Infusorien unverändert, 516 Maximilian Meissner, Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. Pflanzliches und thierisches Eiweiß wurde von den Infusorien leicht gelöst, während gekochtes Eiweiß in den Versuchsinfusorien anscheinend keine Veränderung erfuhr. Berlin, Zool. Institut, Oktober 1887. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXIV. Fig. 1, 2, 3. Akt der Nahrungsaufnahme einer Amöbe; das Thier zieht ein Bac- terium von hinten in sich hinein. Zeıss, Obj. C, Oc. 4. Fig. 4, 5, 6. Akt der Exkretion einer Amöbe; zwei Diatomeenschalen werden ausgeschieden. Zeıss, Obj. C, Oc. 4. Fig. 7. Konjugirte Exemplare von Actinophrys sol, in der gemeinsamen Vacu- ole ein Stärkekorn neben anderen unverdaulichen Nahrungsresten. Zeıss, Obj. F, Oe. 2. | Fig. 8. Amoeba princeps mit einer Ölkugel einer Olivenemulsion, die mit Al- kannatinktur roth gefärbt war. Zeıss, Obj. F, Oc. 2. Fig. 8a zeigt die Ölkugel in einer deutlichen Vacuole. Zeıss, Obj. F, Oc. 4. Tu- bus ausgezogen. Fig. 9. Actinophrys sol mit einer gefressenen Vorticella. ZEıss, Obj. F, Oc, 2. Fig. 40. Theil eines Stentor polymorphus mit gefressenen Stärkekörnern (Jod- reaktion). ZEıss, Obj. F, Oc. 2. Fig. 44. Hinterer Theil eines Spirostomum ambiguum mit kleinen Körnern der Reismehlstärke in Vacuolen. Zeıss, Obj. F, Oc. 2. Fig. 42. Theil eines Climacostomum virens, das Stärkekörner verdaut hat (Jod- reaktion). Zeıss, Obj. F, Oc. 4. Fig. 43. Climacostomum virens mit gefärbtem Milchöl gefüttert. Zeıss, Obj. C, Oc. 4. Fig. 14. Stentor polymorphus mit Stärke gefüttert. Zeıss, Obj. C, Oc. 4. Fig. 15. Hinterer Theil eines mit gefärbtem Milchöl gefütterten Climacostomum virens. Alkalische Reaktion des Protoplasma. Zeıss, Obj. F, Oc. 2. Fig. 46. Climacostomum virens mit Difflugiaschale, der Rhizopode ist verdaut. Zeıss, Obj. C, Oc. 4. Fig. 17. Climacostomum virens mit gefressenen Dotterkügelchen eines gekoch- ten Hühnereigelbes. Zeıss, Obj. C, Oc. 4. AL. Über den Ursprung und die Bedeutung der sogenannten „freien“ Kerne in dem Nahrungsdotter bei den Knochenfischen. Von Dr. C K. Hoffmann, Professor an der Reichsuniversität zu Leiden. Mit Tafel XXXV, In einer vor ungefähr acht Jahren erschienenen Abhandlung, » Zur Ontogenie der Knochenfische« (11), versuchte ich nachzuweisen, dass die sogenannten freien Kerne in dem Nahrungsdotter der Knochen- fisehe unmittelbar von dem ersten Furchungskern abstammen. Dieser Deutung traten Acassız und Wnıtman (1) in einer scharfen Kritik ent- gegen; nach ihnen entstehen dieselben nämlich erst in späteren Ent- wicklungsstadien, und zwar durch Verschmelzung der Randzellen (Periblastzellen: Acassız und Wnıtman); die so gebildeten Kerne nennen sie die Kerne des Periblast. » The so called free Nuclei — so heißt es — neither arise de novo, nor from the division of the first cleavage- amphiaster, but in cells belonging to the margin of the blastodise or blastoderm, which have at first well eirecumsceribed boundaries. Some ' time before the embryonic rim appears, the inferior marginal cells flatten and form a wreath around the blastodise. From this time onward ‚ these cells are entirely distinet from the blastoderm. Of their further history and significance something still remains’to be said in the sequel. " Itis hardly necessary here to call attention to the general importance ' ofthe discovery of the preeise origin of this peculiar cell-layer, the ‚ history and meaning of which have so long been a standing puzzle, ‘ forming one of the greatest obstacles in the way of understanding the | germ-layers of the vertebrates. We hope to be able to show later that this history is equally applicable to the other meroblastie vertebrate ‚ ova« (Nr. 4 p. 56). Alle späteren Autoren, welche sich mit der Entwicklungsgeschichte 518 0. K. Hoffmann, der Knochenfische beschäftigten, haben sich fast ausnahmslos den An- sichten von Acassız und Wnırman angeschlossen, ausgenommen Brook (Nr. 7); auf die höchst bedeutende Arbeit dieses Forschers, wie auf die der anderen, komme ich gleich näher ausführlicher zurück. Ich habe die in Rede stehende Frage an Schnittserien von Salmeiern aus den ver- schiedensten Stadien der Entwicklung nochmals geprüft und ich hoffe im Stande zu sein nachzuweisen, dass der ganzen Periblastentheorie von Acassız und Wnıtman jeder Boden fehlt. Sehon auf ganz anderem Wege war ich zum Schluss gekommen, dass höchst wahrscheinlich die erwähnte Theorie der beiden amerikani- schen Forscher unrichtig sein muss. Bei meinen früheren Untersuchun- gen war mir die Bedeutung der freien Kerne in dem Nahrungsdotter bei den Knochenfischen unbekannt geblieben. Aus dem Faktum jedoch, dass dieselben besonders häufig überall da angetroffen werden, wo starkes Wachsthum stattfindet und sie bis in die spätesten Entwick- lungsstadien vorhanden sind, schloss ich, dass sie eine zwar sehr be- deutende, dennoch indirekte Rolle bei der Anlage des Embryo spielten, mit anderen Worten, ich bestritt ihre direkte Betheiligung an der Bil- dung der Keimblätter und des Embryo. Fortgesetzte Untersuchungen über die Keimblätterbildung und die Anlage des Embryo bei Knorpel- fischen, Reptilien und Vögeln, lehrten mich, dass bei diesen Wirbel- thieren die »freien« Kerne, welche hier ebenfalls in sehr großer Menge in dem Nahrungsdotter angetroffen werden, nicht allein einen indirek- ten, sondern einen direkten, und zwar sehr großen Antheil an der Bil- dung des Embryo nehmen, denn bei allen erwähnten Wirbelthieren lässt sich ohne allen Zweifel nachweisen, dass hier die sogenannten freien Kerne gewisse Mengen des Nahrungsdotters um sich hin sammelnd, so von Generation zu Generation neuen Zellen den Ursprung geben, anders gesagt, es ergiebt sich, dass bei Knorpelfischen, Reptilien und Vögeln nicht allein der sogenannte Keim, sondern auch der Nahrungs- dotter sich furcht, und zwar ist die Betheiligung des letzteren an der Bildung der Keimblätter und des Embryo eine so überaus große, dassman sich schwerlich des Gedankens entschlagen kann, der Nahrungsdotter liefert den ganzen Hypoblast (nebst allen seinen Derivaten, Mesoblast und Chorda, sowie die Endothelien und das Blut) und aus dem Keim entwickelt sich nur der Epiblast. Nun ist uns zwar der Ursprung der freien Kerne des Nahrungsdotters bei den Knorpelfischen, Reptilien und Vögeln noch nicht bekannt, aber der Entwicklungsgang sämmtlicher Wirbelthiere ist ein so gleichförmiger, dass man wohl mit Bestimmtheit sagen kann, dieselben entstehen hier auf ähnliche Weise wie-bei den Knochenfischen. Nachdem ich mich also von der großen Bedeutung Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 519 der freien Kerne des Nahrungsdotters bei Selachiern, Reptilien und Vögeln überzeugt hatte, habe ich nochmals in dieser Beziehung auch die Entwicklung der Knochenfische (Salmen) untersucht und gefunden, dass hier die Verhältnisse ganz ähnlich sind wie bei den genannten Wirbelthieren. Von dem jüngsten Stadium ab betheiligt sich der Nah- rungsdotter unmittelbar an der Bildung der Zellen der Keimscheibe, und später an der des Blastoderms und der Keimblätter, und schon daraus gekt hervor, dass die Periblastentheorie von Asassız und Wuır- man unmöglich stichhaltig sein kann, denn es wäre doch zu sonderbar, dass Gebilde, welche erst Zellen gewesen sind, mit einander ver- schmelzen, um bald darauf wieder neue Zellen zu werden. Bei meinen vorigen Untersuchungen, während meines Aufenthaltes . in der zoologischen Station in Neapel (Frühjahr und Sommer von 1880), tödtete ich die vollkommen pellueiden pelagischen Eier von Julis Scorpaena u. A. mit Essigsäure von 5 bis 10°%/,. Die Bemerkung von Asassız und Wuıtman, dass diese Behandlung »renders the germinal disc opaque so rapidly, that one can get only in certain glimpses of what is going to on in the interior«, erkenne ich gern an, ebenfalls, dass ich da- durch, was die drei ersten Furchungen angeht, auf einen Irrweg ge- führt bin, allein ich wusste keine bessere. Von Stunde zu Stunde habe ich die befruchteten Eier dieser verschiedenen Knochenfische nach Behandlung mit Kreinengerg's Pikrinschwefelsäure konservirt, mit der Absicht, dieselben zu Hause zu schneiden, allein keines derselben er- wies sich als brauchbar. So schön diese Flüssigkeit auch für alle anderen mir bekannten Embryonen ist, so schlecht anwendbar ist sie für Eier von Knochenfischen. Der Grund davon scheint mir folgender zu sein. | Beim befruchteten Ei befindet sich zwischen der Zona radiata (respek- Ä tive der Dotterhaut) und dem Eiinhalt ein mit Flüssigkeit erfüllter Raum. Diese Flüssigkeit besteht nicht allein aus nach innen gedrungenem Wasser, sondern enthält auch eine kleine Menge einer eiweibartigen Substanz, welche wohl durch das Ei selbst ausgepresst wird und bei An- wendung von Säuren oder erhärtenden Flüssigkeiten gerinnt. Dieselbe ist höchst wahrscheinlich wohl specifisch schwerer als die Pikrinschwe- felsäure und wenn man also befruchtete Knochenfischeier in diese Lö- ‚ sung wirft, dringt bei der stattfindenden Osmose eine größere Menge ' Flüssigkeit in das Ei als heraustritt. Dadurch kommt der Eiinhalt unter einen abnormalen hohen Druck, die Furchungszellen erscheinen dadurch zerquetscht und der Embryo oft wie plattgeschlagen. Bei Salm- eiern lässt sich der Übelstand zum Theil dadurch beseitigen, dass man dieselben nach einigen Minuten öffnet und den Keim resp. den Embryo Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 35 520 C. K. Hoffmann, herauspräparirt, wie dies auch von GoronowItsch (Nr. 40) angegeben wird. Sobald sich der Embryo angelegt hat, geht dies leichter, aber es ist doch immer sehr schwer, denselben von dem Nahrungsdotter abzu- präpariren, und letzgenannter wird bei der gewöhnlichen Behandlungs- weise für Paraffineinschluss so spröde und hart, dass fast alle Sehnitt- serien misslingen. In jüngeren Stadien treten noch größere Schwierig- keiten auf, denn dann löst sich gewöhnlich der Keim, wenn man das Ei geöffnet hat, unmittelbar von dem Nahrungsdotter vollständig ab und ge- rade an dem letzteren spielen sich die Hauptprocesse ab. Bessere Resul- tate habe ich durch Anwendung der Fremning’schen Flüssigkeit (Nr. 9 p. 381) ohne Osmiumsäure bekommen, in dieser lasse ich die Salmeier 24 Stunden, bringe darauf die Eier für ein Paar Stunden in reines Wasser und öffne dann dieselben, der Keim lässt sich nach dieser Behandlungs- weise sehr schön isoliren, nur unter demselben und an seinen Rändern bleibt eine dünne Schicht des Nahrungsdotters sitzen. Schwerer ist es, die so behandelten Keime zu färben, am meisten hat mir Pikrokarmin gefallen, man bekommt jedoch bei dieser Methode keine reine Kernfär- bung, sondern der Zellenleib färbt sich ebenfalls, besonders gilt dies von den Sonnenfiguren in den jüngeren Theilstadien. In mancher Be- ziehung ist das Ei des Salmen ein viel ungünstigeres Objekt als die früher von mir untersuchten pelagischen Fischeier, denn der Keim ist so groß und so vollkommen undurehsichtig, dass man den Furchungs- process nur auf Schnittserien studiren kann, was natürlich seine eigen- thümliche Schwierigkeiten hat. Andererseits bietet das Salmenei doch wieder sehr große Vortheile, indem die Entwicklung überaus langsam vorschreitet; dadurch gelingt es hier bestimmte Stadien zu sehen, die mir und auch Asassız und Wnırman bei den pelagischen Fischeiern vollständig entgangen sind, Stadien, die für die Furchung und für die Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung der sogenannten freien Kerne in dem Nahrungsdotter von der größten Bedeutung sind, wie aus dem gleich Mitzutheilenden deutlich hervorgehen wird. Über den Befruchtungsvorgang selbst habe ich bei den Salmen keine Untersuchungen angestellt, nicht allein, dass dies hier ungemein schwierig ist, sondern es schien mir auch für den Augenblick um so weniger nöthig, als in dieser Beziehung zwischen Acassız und WHITMAN und mir auch keine bestimmten Differenzen bestehen. Von der höchsten Bedeutung sind jedoch die drei oder vier ersten Furchungsstadien. Bevor ich dieselben ausführlich beschreibe, will ich erst ein offenes Geständnis thun. Es ist nämlich ein Fehler gewesen, als ich in meiner vorigen Abhandlung die erste Furche äquatorial, die zweite und dritte ee Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 521 meridional verlaufen ließ. Acassız und Wauıman haben vollständig Recht, wenn sie behaupten, dass die beiden ersten Furchen die meri- dionalen sind; es ist die dritte Furche, welche sie jedoch gänzlich übersehen haben, welche äquatorial verläuft. Bevor ich auf den Furchungsprocess des Salmeneies eingehe, möge Folgendes deutlichkeitshalber noch erwähnt sein. Das Ei des Salmen ist nahezu kugelrund, an demselben kann man zwei Pole, einen ani- malen und einen vegetativen unterscheiden; die vertikale Linie, welche beide Pole mit einander verbindet, kann man die Eiachse nennen. — Nach der Befruchtung häuft sich das feinkörnige Plasma (das soge- nannte Protoplasma) an dem animalen Pol hügelartig zusammen und bildet den Keim oder die Keimscheibe, die nicht scharf von dem dar- unter liegenden Nahrungsdotter getrennt ist, sondern vermittels zahl- reicher, wurzelförmiger Verlängerungen in denselben sich fortsetzt und ihn oberflächlich in dünner Schicht umkleidet. 12 bis 13 Stunden nach der Befruchtung waren äußerlich die ersten Spuren der ersten Furchung zu sehen. Genannte Furchungs- ebene geht nicht genau durch das Centrum des Keimes, sondern theilt denselben in zwei mehr oder weniger ungleiche Stücke; die in Rede stehende Furche erstreckt sich Anfangs auch nicht über den ganzen Keim, sondern nur über seine mittlere Partie. Höchst wahrscheinlich fällt die erste Meridionalfurche mit der Medianebene des künftigen Em- bryo zusammen, obgleich ich dies nicht mit Bestimmtheit sagen kann. Bekanntlich haben Roux (Nr. 40) und Prrücer (Nr. 17) nachgewiesen, dass dies beim Frosch wirklich der Fall ist, und Acassız und Wnıtman glauben ebenfalls, dass Ähnliches bei den Knochenfischen gilt. Sobald die erste Furche sichtbar wird, ist es natürlich möglich, durch den Keim Quer- schnittserien in bestimmten Richtungen anzufertigen, was vor dieser Zeit nicht möglich ist. Keime von der 7. bis zur 10. Stunde nach der Befruchtung habe ich daher in horizontale Schnittserien zerlegt, um mich so viel als möglich über die Lage des ersten Furchungskerns resp. der ersten Furchungsspindel zu orientiren, jüngere Keime konnte ich nicht isoliren. Fig. A stellt einen Theil eines Horizontalschnittes durch einen Keim vor, acht Stunden nach der Befruchtung. In diesem Schnitt bemerkt man einen ziemlich großen, aber aus verschiedenen kleinen Bläschen zusammengesetzten Kern, der Inhalt dieser Bläschen ist nahezu vollkommen wasserklar, jedes enthält einen winzig feinen, mit sehr kleinen und nicht zahlreichen Anschwellungen versehenen Faden; es ist wohl nicht zweifelhaft, dass dies Gebilde uns einen in der Theilung begriffenen Kern vorstellt. Das feinkörnige Plasma zeigt an zwei Stellen in der Nähe dieses Kernes eine sehr deutliche strahlenförmige Anordnung, 35* 522 C. K. Hoffmann, und diese beiden Strahlenfiguren liegen in einer Ebene, welche mit dem Äquator parallel verläuft. Es scheint mir wohl nicht zweifelhaft, dass wir hier den ersten Furchungskern in seinem Übergang in den Spindelzustand vor uns haben, auf welchen die beiden Zonenfiguren hinweisen, und dies ist um so wahrscheinlicher, als in dem Keim nichts weiter vorkommt, was einem zweiten Kern gleicht. Querschnitte durch Keime aus entsprechenden Entwicklungsstadien bestätigen das Vorkommen von nur einem einzigen Kern, und, was aus Querschnitten besser als aus Horizontalschnitten zu sehen ist, es liegt dieser erste Furchungskern nicht in der Mitte des Keimes, sondern mehr dem ani- malen Pol zugerückt. Die erste Furchungsspindel liegt demnach, wie Asassız und Wnırtman vollkommen richtig angeben, horizontal und nicht vertikal, wie ich dies früher irrthümlich für mit starker Essigsäure be- handelte pelagische Fischeier angegeben habe, die erste Furche wird also eine meridionale sein. Erste Furchung. Ich habe schon erwähnt, dass die erste Fur- chungsebene nicht genau durch das Centrum des Keimes geht, ob je- doch hierauf viel Gewicht zu legen ist, kommt mir zweifelhaft vor, indem auch nach der Zweitheilung der Keim noch bedeutend höher aber schmäler wird. Durch einen solchen Keim wurde eine Schnittserie ge- legt, und zwar in der Art, dass die Schnittebene die Furchungsebene rechtwinkelig schneidet. Die Untersuchung dieser Schnittserie lehrte Folgendes: Für so weit, als die Furche äußerlich sichtbar war, zeigten sich die beiden Theilstücke auch durch eine seichte Rinne von einander getrennt (siehe Fig. 2), innerlich dagegen ließen die beiden Theilstücke noch keine Spur einer Trennung erkennen. Vermittels zahlreicher feiner Fortsätze hängt der Keim an seiner Basis mit dem Nahrungsdotter kon- tinuirlich. zusammen, zwischen denselben liegen zahlreiche kleine Dotterkügelchen und befinden sich weiter größere, helle Räume; letzt- genannte werden im lebenden Zustande wohl von Ölkugeln eingenom- men, welche durch die Behandlung mit absolutem Alkohol gelöst sind. Die basalen Enden der genannten Fortsätze vereinigen sich wieder in: einer dünnen Schicht feinkörniger Substanz, welche durch zahlreiche pseudopodienähnliche Verlängerungen in den Nahrungsdotter sich fort- setzt. Jedes Theilstück enthält einen Kern von nahezu derselben bläs- chenförmigen Beschaffenheit, wie oben schon erwähnt wurde, und bildet den Mittelpunkt einer deutlichen Zonenfigur. Zweite Furchung. Die zweite Furchung ist ebenfalls eine meridionale, durch sie wird der Keim, wenigstens äußerlich, in vier Segmente getheilt, die zweite Furchungsebene kreuzt die erste recht- winkelig und trifft dieselbe fast genau im Centrum. Die so entstan- Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d, Knochenfischen. 523 denen vier Segmente sind nicht gleich groß, sondern das eine Paar ist etwas größer als das andere, höchst wahrscheinlich sind es die beiden größeren, welche dem künftigen Hinterende des Embryo entsprechen, aber ich kann dies nicht mit Bestimmtheit sagen. Schon in diesem Stadium treten Unregelmäßigkeiten in der Lagerung der Furchungs- segmente bei dem Salmen auf, denn von den drei Keimen, welche die Viertheilung zeigten, lagen bei dem einen die Kugeln in Kreuzform; letzt- genannter wurde nicht geschnitten, wohl aber die beiden anderen, und zwar so, dass die Schnittebene mit der zweiten Furchungsebene parallel verlief; ich will eine dieser beiden Schnittserien etwas ausführlicher beschreiben. Jede Furchungskugel enthält einen sehr deutlichen bläs- chenförmigen Kern, hängt an ihrer Basis noch kontinuirlich mit dem Nahrungsdotter zusammen, und zeigt hier noch vollkommen dasselbe Verhältnis wie es beim vorhergehenden Stadium beschrieben ist. Fig. 3 stellt einen Schnitt vor, welcher durch die beiden vorderen Kugeln geht, und nahezu dasselbe Bild giebt ein Schnitt durch die beiden hin- teren Kugeln. Wie man sieht, sind die beiden Kugeln nur in ihrem ‚obersten Theil durch eine scharfe Linie von einander getrennt, ich werde diese scharfen Grenzscheiden » Trennungslinien« nennen. Dort, wo dieselbe aufhört, folgt erst eine kleine Strecke, in welcher beide Segmente noch vollkommen kontinuirlich mit einander zusammen- hängen, darauf eine, in welcher die Kontinuität zwar noch nicht unter- brochen ist, sich jedoch schon vorbereitet, und dann wieder eine, wo jede Spur einer Scheidung noch durchaus fehlt. Ich werde die mittlere Stelle, wo der Leib der einen Zelle sich vorbereitet von dem der an- deren sich zu scheiden, die » Trennungsgrenze« nennen, sie zeigt sich bei Behandlung mit Pikrokarmin als eine ziemlich intensiv gefärbte, breite, zackige, doppelte Linie, ein äußerst feiner, fast farbloser Zwi- schenstrang verbindet die eine Linie mit der anderen, und giebt die Stelle an, wo später die Trennungslinie einschneiden wird. Es hat mir oft den Eindruck gemacht, als ob längs diesem Strang kleine Dotter- kugeln aus dem Nahrungsdotter in die Furchungskugeln aufsteigen. Jede Furchungskugel besteht aus einer feinkörnigen Masse und enthält verhältnismäßig nur wenig Dotterkügelchen. Dritte und vierte Furchung. Rauszr (Nr. 19) hat meines Wissens in einer geistvollen Arbeit zuerst deutlich nachgewiesen, dass die folgenden Meridionalfurchungen niemals mehr durch den Pol gehen, sondern immer sogenannte Parallelfurchen sind, und zwar in der Art, dass bei der ersten Parallelfurchung, durch welche der Keim äußerlich in acht Segmente getheilt wird, die Furchungsebene parallel mit der der ersten verläuft, und dass bei der zweiten Parallelfurchung, welche 924 C. K. Hoffmann, den Keim äußerlich in 16 Stücke theilt, die Furchungsebene parallel mit der zweiten Furche geht. Nach Rauszr bildet nun die erste Parallel- furchung das dritteFurchungsstadium und ähnlich lauten die Angaben von Ryper (Nr. 24), Mieez. von Kowauevski (Nr. 14) und Janosık (Nr. 12). Dagegen behauptet Lisr (Nr. 16), dass bei Grenilabrus tinca fast gleichzeitig mit der ersten Meridionalfurchung die zweite auftritt, welche äquatorial liegt, und dass die dritte wieder eine meridionale ist, welche senkrecht auf die erste zu stehen kommt, während Brook (Nr. 7) in einer sehr sorgfältigen Arbeit nachgewiesen hat, dass die dritte Furchung die äquatoriale ist. Nicht allein für die Frage nach dem Ursprung der sogenannten freien Kerne in dem Nahrungsdotter, sondern auch für eine Vergleichung mit dem Furchungsprocess des holoblastischen Eies, ist es von der größten Wichtigkeit mit Bestimmtheit zu wissen, ob bei den Knochenfischen die Äquatorialfurchung Anfangs übersprungen wird, und erst in spä- teren Stadien zur Ausbildung kommt, oder wirklich schon in den ersten Entwicklungsstadien sich vollzieht. Wenn Rausßer, RyDzr, Mıecz. von Ko- WALEVSKI, Janosık u. A. Recht haben, dann ist die dritte Furchung bei den Knochenfischen der vierten beim Frosch, Petromyzon etc. homolog. Nach Acassız und Wuırman fehlt ebenfalls bei den Knochenfischen An- fangs die Äquatorialfurchung, trotzdem suchen sie zu erklären, dass die Homologie in der Furchung bei den Knochenfischen und den Fröschen nicht gestört ist, wie aus Folgendem hervorgeht (Nr. I p. 58): »We hold that the order of the cleavage-planes is identieal in both types (Fisch und Frosch); and, accordingly, that the first, second, third, ‚and fourth in the one correspond exactly to the first, second, third, and fourth in the other. The equatorial plane of cleavage is aforced one, and hence it follows the meridian cleavages. The meridian planes are the natural planes of cleavage; and the equatorial onlya dernier ressort, introduced in accommodation to the elongated form of the blastomeres produced by meridian cleayage. The same is true of the concentrie cleavage. The cell must elongate in order to divide; but it elongates in a vertical direction only when it is not free to do so horizontally. In the blastodise of the fish ovum the necessity for a hori- zontal cleavage arises later than in the frog’s ovum; and it naturally arises earlier in the centrum than in the marginal cells. The so-called »parallel« cleavages (the third and fourth) are astruly meridian as the first and the second, using this term with reference to the individual hlastomeres, noth with reference to the entire ovum. There can be but little doubt that each blastomere, whatever be its position, elongates during its division at right angles to its axis (assuming of course that each has poles of its own); and if this be so, the difference between Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 525 meridian and equatorial is one of name only. In other words, a plane which may be called equatorial to the entire ovum may be truly meridian to the individual blastomeres. « Diesen theoretischen Betrachtungen kann ich mich jedoch nicht anschließen; eine Ebene, welche in Beziehung auf das ganze Ei äqua- torial verläuft, kann niemals meridional auf den ersten Furchungskugeln stehen, höchstens kann sie dieselbe in einer Ebene schneiden, welche nicht mehr mit dem wirklichen Äquator parallel verläuft, sondern den- selben unter einem sehr scharfen Winkel trifft. Ich brauche aber die Theorie von Acassız und Whnırman nicht weiter zu widerlegen, denn es vollzieht sich bei den Knochenfischen schon in einem sehr frühen Ent- wicklungsstadium eine Äquatorialfurchung, diese haben die beiden amerikanischen Forscher vollkommen übersehen, und das ist der Grund- fehler ihrer Periblastentheorie und ihrer Auffassung über die Anlage des Hypoblast. Für die wichtige Frage nach der ersten Äquatorialfurchung sind jedoch die Eier des Salmen mit ihrem großen Nahrungsdotter weit weniger günstige Objekte als die von anderen Knochenfischen mit wenig Nahrungsdotter, außerdem treten die Unregelmäßigkeiten in der Fur- chung, welche bei der Viertheilung sich schon zeigten, immer häufiger auf, denn in dem nächstfolgenden Entwicklungsstadium findet man Eier, wo der Keim äußerlich in sechs und acht, zuweilen auch in fünf oder sieben Stücke getheilt ist; zwar liegen in den meisten Fällen die Segmente ziemlich regelmäßig, doch findet man nicht selten auch solche, wo sie ganz unregelmäßig neben einander liegen, ich werde indessen nur die ersteren beschreiben, und zwar Keime mit sechs und acht Seg- menten. 1) Keim mit acht Segmenten. Die Furchungskugeln liegen sehr regelmäßig in zwei Reihen, jede von vier Segmenten, äußerlich hat sich also an diesem Keim die erste Parallelfurchung vollzogen und zwar verlaufen die Furchungsebenen, durch welche die vier Segmente in acht getheilt sind, parallel mit der ersten (medialen) Furchung resp. mit der ersten Meridional- resp. Hauptfurche. Fig. 4 stellt eine Ab- bildung dieses Keimes vor, mit dem Zeichenprisma von Zzıss, bei Ver- größerung A. A. gezeichnet. Dieser Keim wurde geschnitten in der Art, dass die Schnittebene mit der zweiten Furche parallel geht; ein Quer- schnitt desselben ist auf Fig. 5 bei derselben Vergrößerung abgebildet. Die vier Segmente hängen an ihrer Basis noch kontinuirlich mit dem Nahrungsdotter zusammen auf ähnliche Weise, wie in den vorherge- henden Stadien. Nur an ihrer Peripherie sind die einzelnen Segmente durch Trennungslinien von einander geschieden, welche sich central- 926 | 0. K. Hoffmann, wärts in Trennungsgrenzen fortsetzen, die bis zum Nahrungsdotter reichen. Die Zellkerne haben sich in Spindeln umgebildet und diese stehen senkrecht auf dem Äquator, was besonders deutlich an den Astern zu sehen ist; daraus folgt also, dass die nächstfolgende Theilung eine äquatoriale sein soll. Der in Rede stehende Querschnitt ist eine Kombination zweier, denn die Spindeln liegen nicht alle in derselben Schnittebene. Vollkommen dasselbe Bild giebt die Schnittserie durch -die vier anderen Kugeln. 2) Keim mit acht Segmenten. AÄußerlich weicht dieser Keim fast in nichts von dem vorhergehenden ab, ein ganz anderes Bild giebt je- doch die Querschnittserie, wie Fig. 6 zeigt. Hier sieht man nämlich auf dem Querschnitt nicht vier sondern acht Segmente (die Schnittebene verläuft wie bei dem vorigen Keim parallel mit der zweiten Furche); von diesen acht Segmenten sind die vier oberen durch deutliche Tren- nungslinien von einander geschieden, dagegen hängen sie mit den vier unteren noch zusammen, die letzteren sind mit dem Nahrungsdotter kontinuirlich verbunden, werden aber von einander und von den vier oberen durch scharfe Trennungsgrenzen geschieden. Hier hat sich also die Äquatorialfurchung schon vollzogen und es ist nicht möglich mehr zu sagen, ob dies vor oder nach der ersten Parallelfurchung stattge- funden hat. 3) Keim mit sechs Segmenten. Die Furchungskugeln liegen in zwei Reihen, jede Reihe enthält zwei kleine und ein großes Segment. Die erste Parallelfurchung hat sich also an dem einen Paar Furchungs- _ segmente vollzogen, an dem anderen noch nicht. Eine Abbildung des Keimes findet man auf Fig. 7 und einen Querschnitt auf Fig. 8; die Schnittebene verläuft mit der zweiten Furchungsebene parallel. Die drei Segmente sind nur an ihrer Peripherie durch Trennungslinien ge- schieden, die sich centralwärts in Trennungsgrenzen fortsetzen, welche bis zum Nahrungsdotter fortlaufen. Die Zellkerne zeigen die Spindel- gestalt, die Spindeln stehen senkrecht auf dem Äquator, die nächste Theilung wird also eine äquatoriale sein. Bei dem Übergang des vier- zelligen in das achtzellige Stadium vollzieht sich also an diesem Keim an dem einen Paar Furchungskugeln erst die erste Parallelfurchung und dann die äquatoriale und an dem anderen Paar geht letzgenannte der (ersten) Parallelfurchung voraus. 4) Keim mit sechs Segmenten. Äußerlich stimmt dieser Keim fast vollständig mit Nr. 3 überein, dagegen lehrt die Schnittserie Folgendes (die Schnittebene läuft wieder parallel mit der zweiten Furchungsebene): In den beiden Segmenten, an welchen sich die erste Parallelfurchung schon vollzogen hat, zeigen die Kerne wieder Spindelgestalt und die TERELERENERNE Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 527 Spindeln stehen senkrecht auf dem Äquator, die nächste Theilung die- ser beider Kugeln wird demnach eine äquatoriale sein (s. Fig. 9). In dem dritten Furchungssegment hat sich die Äquatorialtheilung schon vollzogen, das unterste Segment hängt an seiner Basis kontinuirlich mit dem Nahrungsdotter zusammen, eine deutliche Trennungsgrenze schei- det dasselbe von dem oberen Segment; in beiden hat der Kern Spin- ‚delgestalt angenommen, die beiden Spindeln verlaufen parallel mit dem Äquator und indem die Schnittebene parallel der zweiten Furchungs- ebene geht, folgt daraus, dass bei der dritten Furchungskugel sich erst die Äquatorialtheilung vollzogen hat, und dass dann die erste Parallel- theilung folgen wird, bei welcher die Furchungsebene parallel mit der ersten (medianen) Furche einschneidet. Die Querschnittserie durch die drei Kugeln der anderen Seite giebt dasselbe Bild. Aus dem Mitge- theilten ergiebt sich also, dass beim Salmen nach der Viertheilung, in dem einen Falle an allen vier Zellen zuerst die erste Parallelfurchung sich vollzieht und darauf die Äquatorialtheilung folgt, in dem anderen Fall an dem einen Paar Zellen die letzgenannte Theilung sich voll- zieht, bevor die erste Paralleltheilung auftritt und umgekehrt; viel- leicht können auch noch andere Modifikationen auftreten, denn ich ' habe in dieser Beziehung nur sehr wenig Keime untersuchen können. Wenn man nun bedenkt, dass bei Amphioxus, den Cycelostomen, Am- | phibien und Säugethieren, um allein bei den Wirbelthieren zu bleiben, die dritte Furchung die äquatoriale ist, dass Ähnliches nach Brook (Nr. 7) auch für den Hering gilt, dann scheint daraus hervorzugehen, dass dies wohl die Regel ist, und dass die Modifikationen, welche beim Salmen angetroffen werden, wahrscheinlich durch die verhältnis- ‚mäßig große Masse des Nahrungsdotters hervorgerufen sind. Nimmt ‚man nun für den Salmen den meist ungünstigsten Fall als Regel an, ‚dann folgt doch auf die erste Parallelfurchung die erste Äquatorial- furchung; zwar sind hier die Furchungssegmente anfänglich noch nicht scharf von einander getrennt, doch thut dies nichts zur Sache, denn denkt man sich die Trennung vollzogen, dann hat man — in dem wie gesagt meist ungünstigsten Fall — acht Zellen, welche an dem animalen Pol gelegen sind und unter diesen acht Zellen liegt eine ziemlich dicke ‚ Schicht feinkörniger Masse von derselben Beschaffenheit als die oben "genannten Zellen, welche an ihrer Basis noch kontinuirlich mit dem Nahrungsdotter zusammenhängt. Diese Masse ist durch Trennungs- grenzen in acht Segmente getheilt, jedes dieser Segmente enthält einen ‚Kern und das sind die ersten acht freien Kerne des Nahrungsdotters, wenn man dieselben so nennen will. Ersetzt man auch hier die Tren- nungsgrenzen durch scharfe Trennungslinien, dann bleibt jedes Segment 528 C. K. Hoffmann, an seiner Basis doch noch mit dem Nahrungsdotter kontinuirlich verbun- den. Vollzieht sich nun bei den Salmen an dem einen Paar Zellen nach der Viertheilung zuerst die erste Parallelfurchung und an dem anderen Paar zuerst die erste Äquatorialfurehung, wie dies wirklich vorkommt, dann besteht das Ei aus sechs Zellen, welche an dem animalen Pol gelegen sind und aus sechs Segmenten, die an ihrer Basis noch mit dem Nah- rungsdotter zusammenhängen; und wenn nach der zweiten Meridional- furchung an allen vier Zellen die äquatoriale Theilung auftritt, dann würden an dem animalen Pol vier Furchungszellen gelegen sein und darunter vier Segmente, jedes mit einem Kern und an seiner Basis mit dem Nahrungsdotter noch in kontinuirlichem Zusammenhang, wie dies wohl beim Hering der Fall sein muss. Ich selbst habe ein solches Sta- dium auch von mehreren pelagischen Fischeiern abgebildet (Nr. 14), die Korrektionen in der Interpretation dieser Bilder, welche Asassız und Waırman daran angebracht haben, brauche ich nicht zu acceptiren; denn hat sich an diesen Eiern die dritte Theilung vollzogen, dann besteht das Ei aus vier an dem animalen Pol gelegenen Zellen und einem Nahrungs- dotter, welcher dort, wo er an die vier genannten Zellen grenzt, ein dünnes Schichtcehen Plasma enthält mit vier (freien) Kernen. Jeden die- ser vier Kerne kann man als das Centrum eines Zellsegments betrachten, die an ihrer Basis ununterbrochen mit dem Nahrungsdotter zusammen- hängen; ob sie aber in diesem Entwicklungsstadium von einander noch durch Grenzandeutungen geschieden sind, oder kontinuirlich mit ein- ander, wie mit dem Nahrungsdotter zusammenhängen, kann ich nicht sagen, denn ich habe diese Eier allein nach Tödtung durch Essigsäure untersucht und nicht geschnitten. Nach der dritten Theilung stehe ich also, was den Ursprung der sogenannten freien Kerne betrifft, wieder auf ebenem Boden und brauche ich von dem früher Mitgetheilten nichts zurückzunehmen, wohl aber kann ich Manches jetzt hinzufügen. Denn einer der wichtigsten Processe ist mir damals entgangen und nicht allein mir, sondern allen spätern Beobachtern — ausgenommen Miecz. von Kow4- LEVSKI (Nr. 14) und Brook (Nr. 7), der Vorgang nämlich, dass bei den Knochenfischen auch der Nahrungsdotter sich schon frühzeitig furcht, wie Querschnitte des Salmeies über allen Zweifel nachweisen. Der Ursachen, dass alle Forscher — Kowazvskı und Brook ausge- nommen —- die Furchung des Nahrungsdotters übersehen haben, scheinen mancherlei zu sein. Zwischen dem Ei des Salmen und den pelagischen Fischeiern — und dasselbe gilt auch wohl für das Heringsei — besteht z. B. ein sehr bedeutender Unterschied in der Dicke der feinkörnigen Plasmaschicht, welche an ihrer Basis kontinuirlich mit dem Nahrungsdotter zusammenhängt und die ersten freien Kerne enthält, es Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 529 möge ihre Zahl nun vier, sechs oder acht sein. Beim Salmen ist die- selbe Anfangs von sehr bedeutenden Dimensionen, bei den pelagischen Fischeiern nur sehr dünn, an den letzteren vollzieht sich die Furchung überaus schnell, an dem Ei des Salmen dagegen sehr langsam, sie braucht hier fast eben so viele Tage als bei den ersteren Stunden. Bei ' meinen früheren Untersuchungen habe ich aus schon oben erwähnten Gründen keine Querschnitte anfertigen können; dies ist jedoch nicht der Fall bei Acassız und Wnrman. Doch glaube ich, dass auch sie bei ihrer angewandten Methode noch nicht das richtige Ziel erreicht haben, denn, wenn man nicht die Eihaut entfernt, bevor man die Eier in Alkohol härtet, erhält man, so weit meine Erfahrungen reichen, doch keine guten Präparate und hätten die beiden amerikanischen ' Forscher gut konservirtes Material vor sich gehabt, so würden sie an Querschnitten wohl schwerlich die kolossale Betheiligung des Nah- rungsdotters an der Furchung verkannt haben, die eben für die Frage nach dem Ursprung der sogenannten freien Kerne von der größten Be- ‚deutung ist. Werfen wir, .bevor wir den Furchungsprocess bei den Salmen ‚ weiter verfolgen, erst noch einen Blick auf die drei ersten Furchungs- ‚ stadien und die Anlage der Keimblätter bei Amphioxus, Cyclostomen und Amphibien, um allein bei diesen zu bleiben. Hier bildet sich aus ' den vier an dem animalen Pol gelegenen kleinen Zellen der Epiblast ‚ und aus den an dem vegetativen Pol gelegenen vier großen Zellen der ‚ Hypoblast. Höchst wahrscheinlich ist dies bei den Knochenfischen eben- ‚falls so und bilden die vier an dem animalen Pol gelegenen Segmente die Anlage des Epiblast, und geht aus den vier Segmenten, welche mit ‚dem Nahrungsdotter zusammenhängen, der ganze Fypoblast nebst allen ‚ seinen Derivaten hervor. Mit Bestimmtheit kann ich dies jedoch nicht sagen, außerdem treten in den späteren Entwicklungsstadien solche ‚ eigenthümliche Erscheinungen auf, die zur Vorsicht mahnen nicht zu ‚früh zu generalisiren, dass ich, um nichts zu präjudieiren, in An- ' schluss an Rückerr (Nr. 20) die an dem animalen Pol gelegenen Zellen | einfach als Holocyten bezeichnen werde, obgleich ich dieselben am liebsten zugleich Epiblast nennen möchte. | Kehren wir jetzt zu dem Furchungsprocess des Salmeies zurück. H Bei Knochenfischeiern mit wenig Nahrungsdotter scheint die zweite a | Parallelfurchung die nächstfolgende zu sein, bei welcher die Furchungs- \ebenen der zweiten Haupt- oder Meridionalfurche parallel verlaufen, } ‚und durch welche der Keim äußerlich in 16 Segmente zertheilt wird, so z. B. bei Trachinus vipera nach Brook (Nr. 5), bei Gobius nach RauBer 4 (Nr. 19), bei Carassius nach Kowarzvskı (Nr. 14), bei Gadus nach Ryper 590 C. K. Hoffmann, (Nr. 21), bei Otenolabrus u. a. nach Acassız und Wurrman (Nr. 4). Durch alle diese Autoren wird die zweite Parallelfurchung als die vierte be- schrieben, was aber nicht der Fall ist, denn sie bildet nicht die vierte, sondern die fünfte, was wohl nicht weiter erörtert zu werden braucht. Die Unregelmäßigkeiten in der Furchung, welche bei dem Salmen schon in den jüngsten Entwicklungsstadien sich einstellen, häufen sich immer mehr und mehr und die Furchungskugeln schieben sich so unregel- mäßig auf und neben einander, dass, nachdem die erste äquatoriale Furchung sich vollzogen hat, kein Keim fast dem anderen gleicht. Fig. 10 stellt einen Querschnitt durch einen Keim dar, der äußerlich aus neun Segmenten bestand, welche in zwei Reihen lagen, nämlich vier in der einen und fünf in der anderen. Die Schnittebene verläuft wieder parallel mit der zweiten Haupt- oder Meridionalfurche, und der in Rede stehende Schnitt geht durch die Reihe, welche aus fünf Seg- menten gebildet wird. Durch eine Furchungsebene parallel mit der ersten Meridionalfurche — und nicht mit der zweiten, wie eigentlich sein müsste — ist eine der vier Holocyten der einen Reihe aus dem achten Stadium in zwei getheilt (die Zelle c und c‘); in den beiden äußeren Holocyten (a und d) befinden sich die Kerne im Spindelzustand und die Spindeln stehen senkrecht auf dem Äquator, die nächste Thei- lung wird also für diese eine äquatoriale sein. Die Kerne der drei mittleren Holoeyten (b, c und c’) haben ebenfalls Spindelgestalt ange- nommen, diese Spindeln liegen in einer Ebene, welche parallel mit dem Äquator verläuft, und zwar liegen dieselben so, dass sie mit der ersten Haupt- oder Meridionalfurche parallel verlaufen; für diese drei Holo- cyten wird also die nächste Theilung die sogenannte zweite Parallel- furchung sein. Durch scharfe Trennungslinien sind die Holocyten von } einander geschieden. Unter diesen fünf Holocyten liegen in dem ah- gebildeten Querschnitt fünf andere Segmente, jedes mit einem Kern, an ihrer Basis noch ununterbrochen mit dem Nahrungsdotter verbun- den, von einander dagegen durch Trennungsgrenzen geschieden; die | beiden äußeren (a’ und d‘) sind durch scharfe Trennungslinien, die drei | mittleren (b’, c* und c’@) durch Trennungsgrenzen von den ihnen ent- sprechenden Holocyten geschieden. Die Kerne dieser noch mit dem | Nahrungsdotter zusammenhängenden Segmente zeigen vollkommen die- | selben Verhältnisse wie die der Holocyten. Fig. 11 ist ein Querschnitt |” durch einen Keim aus einem etwas späteren Stadium der Entwicklung, bei welchem die Furchungssegmente äußerlich so unregelmäßig über | einander gehäuft lagen, dass ich nicht im Stande war dieselben zu zählen, und Fig. 12 stellt einen Querschnitt dar durch einen Keim, | welcher noch etwas weiter entwickelt ist. | Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 531 Aus beiden Schnitten geht mit vollkommener Sicherheit hervor, dass auch der Nahrungsdotter sich furcht. Wenn in den Segmenten, welche Anfangs an ihrer Basis noch mit dem Nahrungsdotter zusammen- hängen, die Kernspindeln senkrecht auf dem Äquator stehen, folgt an diesen eine Äquatorialtheilung und schnürt sich die eine Hälfte eines jeden Segmentes von dem Nahrungsdotter ab, während die andere Hälfte mit diesem in Verbindung bleibt. Die so entstandenen Zellen will ich in Übereinstimmung mit Rückerr, den Holocyten gegenüber, als Merocyten bezeichnen. In diesem Stadium kann man also dreierlei Bil- dungselemente unterscheiden: Holocyten, Merocyten und eine Plasma- schicht, welche dem Nahrungsdotter aufliegt und eine Anzahl soge- nannte freie Kerne enthält; letztere bilden mit den Merocyten höchst wahrscheinlich wohl das Homologon des Hypoblast der holoblastischen Eier, aus welchem die Chorda und der bilaterale Mesoblast nebst allen seinen Derivaten hervorgeht. Wir werden gleich sehen, wesshalb ich es noch nicht gewagt habe, die Merocyten mit dem Nahrungsdotter dem Hypoblast gleich zu stellen. Holoeyten und Merocyten vermehren sich durch indirekte Kern- theilung und dasselbe gilt auch von den sogenannten freien Kernen des Nahrungsdotters. Durch Äquatorialtheilungen werden von dem letz- teren fortwährend neue Merocyten abgeschnürt, während durch die meridionalen Kerntheilungen die freien Kerne in der Plasmaschicht des Nahrungsdotters bleiben, sich immer mehr und mehr nach der Peripherie ausbreiten und so hier bald weiter als die Furchungszellen reichen. Daraus wird es erklärlich, dass man bei Betrachtung des intakten Eies des Herings, von Crenilabrus und anderer kleinerer Knochenfischeier mit undurchsichtigem Nahrungsdotter, einige Stunden nach der Befruch- tung an der Peripherie des Nahrungsdotters zuerst die freien Kerne ‚ erblickt, was auch zu der Meinung Anlass gegeben hat, dass diesel- ' ben hier zuerst auftreten. Die freien Kerne rücken jedoch nicht, wie ‚ auch Acassız und Wnrrman mit der größten Bestimmtheit behaupten, von der Peripherie nach dem Centrum, sondern gerade das Umgekehrte findet statt. | Die oberflächliche plasmatische Schicht des Nahrungsdotters, aus welcher die Merocyten entstehen, zeigt in den jüngsten Furchungssta- ien ein etwas anderes Bild als in den späteren. Wenn sich nämlich die erste Äquatorialfurchung vollzogen hat, so zeigt sie sich auch als mehr ‚oder weniger deutlich in bestimmte Zellterritorien oder Zellsegmente ‚ getheilt, denn wir haben gesehen, dass die ersten Meridionalfurchen ‚sich in Trennungsgrenzen fortsetzen, die bis zum Nahrungsdotter rei- | chen. Die Zahl dieser Segmente entspricht genau der der Holocyten. PEST ESSENER —— ) | | \ 532 C. K. Hoffmann, Jedes Segment steht jedoch an seiner Basis mit dem Nahrungsdotter in ununterbrochenem Zusammenhang und ist von seinem Nachbar nur durch eine Trennungsgrenze geschieden. Sobald sich die ersten Merocyten gebildet haben, ist das Material, aus welchem sie entstanden sind, zum größten Theil verbraucht; es bleibt nur eine verhältnismäßig dünne Schicht übrig, welche durch die zahlreichen pseudopodienähnlichen Fortsätze, vermittels welcher sie in dem Nahrungsdotter wurzelt, neuen Zufuhr bekommt. Bei den weiteren Furchungen wird diese Schicht, trotz der fortwährenden Anfuhr immer dünner (siehe Fig. 12), durch die immer zahlreicher sich bildenden Meroceyten und mit diesem Pro- cess wandelt sich die sich furchende oberflächliche Schicht des Nah- rungsdotters schon sehr frühzeitig in ein sehr kernreiches, wahres Plasmodium um. Von diesem Plasmodium schnüren sich immer neue Meroeyten ab und dasselbe zeigt dann auch an den feinsten Schnitten niemals mehr die geringsten Spuren von Trennungsgrenzen (vgl. Fig. 13 und AA). ) Ich habe mir sehr viele Mühe gegeben zu sehen, ob es möglich ist, | die Holoceyten von den Merocyten zu unterscheiden. In den jüngsten Stadien finde ich gar keine Unterschiede, in den folgenden, z. B. in denen, von welchen Fig. 13 einen Schnitt vorstellt, unterscheiden sich die peri- pherischen Zellen in der einen Schnittserie oft sehr deutlich von den centralen, in der anderen Schnittserie dagegen, wo die Furchungsku- geln eben so vortrefflich konservirt sind, lassen sich gar keine Unter- schiede beobachten. In noch älteren Entwicklungsstadien finde ich in keiner Schnittserie bestimmte Unterschiede mehr. Wohl sind die peri- pherischen Zellen etwas anders gefärbt als die centralen, aber in dem einen Fall gilt dies allein von der ersten Reihe, in dem anderen Falle von mehreren Reihen und wieder in anderen Fällen kann ich gar keine Unterschiede konstatiren. Damit will ich durchaus nicht sagen, dass keine Unterschiede vorhanden sind, sondern nur, dass ich nicht im | Stande gewesen bin, dieselben mit Bestimmtheit nachzuweisen und | dies ist z. B. einer der Gründe, wesshalb ich es nicht gewagt habe, die | | Holocyten kurzweg als Epiblast und die Merocyten (inclusive des Plas- | modium des Nahrungsdotters) als Hypoblast zu bezeichnen, denn es ist | mir zweifelhaft geblieben, ob wirklich allein die Holocyten sich in die | Zellen des oberen Keimblattes umbilden und die Merocyten in die des 1} unteren, wenn es auch für die meisten der Fall sein mag. | Die mitotische Theilung der Holocyten und Merocyten bleibt in allen Stadien fortbestehen, aber dies gilt nicht für die Kerne des Nah- | rungsdotters. In späteren Entwicklungsstadien nämlich, noch bevor die Keimhöhle sich gebildet hat, wird die Anfuhr der Merocyten eine | Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 533 so stürmische, dass es mir fast den Eindruck gemacht hat, als ob die Mitose zu viel Zeit kostet und die direkte Theilung für die indirekte Platz macht. In den ersten Tagen der Entwicklung kann ich zwischen den Kernen der Furchungszellen und denen des Nahrungsdotters keine Unterschiede finden, sobald aber ein größerer Andrang von Merocyten auftritt, ändert sich der Zustand. Die freien Kerne des Nahrungsdotters ändern sich dann in die bekannten kolossal großen Gebilde um, die oft viel größer als die Furchungskugeln selbst sein können und die sonder- barste Gestalt zeigen: Ihr Inhalt besteht, wie es scheint, aus einer voll- kommen klaren Flüssigkeit, der Kernsaft, in welchem ein sehr stark gewundener Faden mit überaus zahlreichen knotigen Verdickungen verläuft, die durch Pikrokarmin, Alaunkarmin ete. sehr intensiv ge- färbt werden. Es ist, als ob diese Riesenkerne einfach durch Frag- mentation sich fortpflanzen und jedes Theilstück, nachdem es eine be- stimmte Quantität des feinkörnigen Plasma, in welchem diese Kerne gelegen sind, um sich her gesammelt hat, als neue Meroeyten sich den schon vorhandenen heifügen. Die Kerne der so entstandenen Merocyten weichen dann wieder in nichts von denen der anderen Embryonalzellen ab und theilen sich wieder indirekt weiter (siehe Fig. 15, 16). Es kommt auch vor, dass zwei, drei selbst mehr solcher Kerntheilstücke in einer gemeinschaftlichen Plasmaschicht gelegen als vielkernige Zellen sich absehnüren, zwischen die anderen Merocyten eindringen und dann erst in mehrere kleinere zerfallen. Bis zu diesem Stadium bildet der Keim einen soliden Haufen Zellen, der als ein dicker Kuchen dem Nahrungs- dotter aufliegt. Zwar findet man in den jüngeren Entwicklungsstadien zwischen den ziemlich großen Furchungskugeln oft größere und klei- nere Hohlräume (in den Abbildungen sind dieselben schraffirt angegeben), aber in den späteren Entwicklungsstadien verschwinden dieselben voll- kommen. Ob diese Hohlräume Kunstprodukte sind oder natürliche Höhlen, kann ich nicht entscheiden. Das Plasmodium, welches die freien Kerne des Nahrungsdotters trägt, bildet jetzt unter dem mittleren Theil des Keimes ein verhältnismäßig sehr dünnes Schichtchen, dagegen un- ter dessen peripherischem Rande eine ziemlich mächtige Schicht, so dass hier die freien Kerne besonders deutlich zu sehen sind, oft liegen sie hier in zwei oder drei Reihen über einander. Erst wenn der Keim aus einer sehr großen Menge klöime Furchungs- kugeln besteht, bildet sich die Keimhöhle. Acassız und Wurrman behaup- ten, dass schon nach der zweiten meridionalen Furche eine Keimhöhle auftritt, welche von Anfang bis zum Ende der Furchung nicht allein vorhanden sein soll, sondern auch während der ganzen Furchung un- ‚ verändert dieselbe Lage einnimmt und den Nahrungsdotter von dem 934 6. K. Hoffmann, Keim scheidet. Weder Kowauzvskı (Nr. 14), noch Brook (Nr. 7), noch List (Nr. 16), noch Janosıx (Nr. 12), noch ich selbst (Nr. 11) haben in so frühen Entwicklungsstadien eine Keimhöhle gesehen und aus dem gan- zen Verlauf des Furchungsprocesses geht, wie mir scheint, wohl mit aller Deutlichkeit hervor, dass auch in dieser Beziehung die beiden amerikanischen Forscher sich getäuscht haben. Die scharfe Kritik, mit welcher Acassız und Wnıman meine Untersuchungen beehrt haben, können sie in erster Linie auf sich selbst anwenden, denn ihre Angaben über den Ursprung der freien Kerne des Nahrungsdotters, ihre Be- schreibung des Furchungsprocesses und der Bildung der Keimhöhle sind alle fehlerhaft, und dasselbe gilt von ihrer Auffassung über die Anlage des Hypoblast, wie wir gleich noch näher sehen werden. Gerade in den Stadien, in welchen die Keimhöhle sich bildet, lässt sich mit größter Deutlichkeit die fortwährende Neubildung von Mero- cyten aus dem Nahrungsdotter nachweisen. Dieselben sind gewöhnlich größer als die schon vorhandenen Keimzellen und zeichnen sich auch dadurch aus, dass in ihrem Zellenleib oft bedeutend große Dotterschollen vorhanden sind, die sie bei ihrer Abschnürung von dem Nahrungsdotter aus diesem mitgenommen haben (siehe Fig. 16). Auch dann, wenn die in Rede stehende Höhle schon eine bedeutende Größe erreicht hat, finde ich noch keine bestimmten Unterschiede in den Zellen, welche den Keim zusammensetzen mit Ausnahme derjenigen, welche die peri- pherische Schicht bilden und die spätere Deckschicht (Membrane enve- loppante van Bangere) darstellen. In diesem Entwicklungsstadium be- stehen dieselben aus mehr oder weniger keilförmigen, dicht an einander liegenden Zellen, welche von den übrigen Keimzellen, die eine mehr rundliche Gestalt haben und lose neben einander liegen, durch einen schmalen Zwischenraum getrennt sind (Fig. 17). Sobald aber die Keim- zellen sich über den Nahrungsdotter auszubreiten anfangen, indem — wie bekannt — der Keim die Form einer Kappe annimmt, welche sich nun stetig vergrößernd, den Rand gegen den Äquator des Eies vor- schiebt, ändert sich der Zustand. Man findet dann, dass die Zellen des Randwulstes durch eine immer deutlicher werdende feine Spalte in zwei Blätter getrennt werden, die am Rande durch Umschlag in einan- der übergehen. Ich brauche hier auf die weiteren Veränderungen, welche bei der Umgestaltung des Keimes zur Kappe, oder, wenn man will, zum Blastoderm eintreten, nicht weiter einzugehen, sondern kann auf meine früheren Untersuchungen verweisen (Nr. 14). Bei dem Sal- men, und dasselbe gilt auch von der Forelle, flacht sich, wie wir wissen, der Keim resp. das Blastoderm bei seiner beginnenden Ausbreitung nicht gleichmäßig ab, sondern ist auf der einen Seite von vorn herein dicker, | 1 ! | | I \ j Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 535 und mit dieser Verdickung ist zugleich die Embryonalanlage gegeben. Wir können also diesen Theil 'des Blastoderms als den embryonalen bezeichnen, im Gegensatz zu dem ihm gegenüber liegenden, welchen man den »nicht embryonalen« nennen kann, gerade wie bei den Knor- pelfischen (siehe Barrour Nr. 2). Sowohl an dem embryonalen wie an dem nicht embryonalen Theil des Blastoderms lassen sich die beiden Blätter nachweisen, und besonders gilt dies für den erstgenannten. Fig. 18 stellt einen Querschnitt dar durch den embryonalen Theil des Blastoderms aus einem verhältnismäßig noch jungen Entwicklungs- stadium, was nicht allein aus dem Umstand hervorgeht, dass das Dach der Keimhöhle, welches später nur zwei Schichten dick ist (Deckschicht und Grundschicht), hier noch aus mehreren Lagen besteht, sondern auch daraus, dass die äußere Zellenschicht, die Deckschicht, noch aus ziem- lich voluminösen Zellen besteht, während dieselben in späteren Ent- wicklungsstadien sehr stark abgeplattet sich zeigen. In dem in Rede stehenden Schnitt sind deutlich zwei Zellblätter zu unterscheiden, das eine oben, resp. außen gelegen, ist das obere Keimblatt, resp. der Epiblast und das untere, welches dem Nahrungs- dotter aufliegt, der Hypoblast; erstgenanntes setzt sich in das Dach der Keimhöhle fort, während der Hypoblast sich centralwärts schnell ver- dünnt und bald darauf aufhört; am Rande biegen die beiden Keimblätter sich in einander um. Die Zellen des einen Keimblattes gleichen in diesem Entwicklungsstadium noch fast vollkommen denen des anderen. In meiner früheren Abhandlung (siehe Nr. 11 p. 138), als ich glaubte, dass allein der Keim sich furche und der Nahrungsdotter in- clusive seine freien Kerne sich nicht direkt an der Bildung der Keim- blätter und des Embryo betheilige, habe ich die Anlage der beiden primären Keimblätter beschrieben als eine Spaltung der bis jetzt ein- ander noch vollkommen ähnlichen Zellen des Keimes (welchen ich da- mals »Archiblast« nannte, in Gegensatz zu dem Nahrungsdotter mit seinen freien Kernen, dem »Parablast«), die vom Randwulst ausgeht und damit die erste Sonderung des Keimes in zwei Schichten — Keim- blätter —, welche beide mehrlagig sind, und auch jetzt weiß ich den Process nicht anders zu deuten. Wohl zweifele ich keinen Augenblick, dass es die Merocyten sind, welche den größten Antheil an der Bildung des Hypoblast haben, aber ich kann, wie gesagt, nicht mit Bestimmt- heit angeben, dass es allein die Holocyten sind, welche den Epiblast bilden, und dass die Merocyten sich daran auch nicht betheiligen. Der abgebildete Schnitt giebt dafür wieder ein neues Beispiel (siehe Fig. 18). Die Deckschicht ist durch einen kleinen Zwischenraum von dem übrigen Epiblast getrennt; dort, wo dieser am Randwulst in den Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLV1. Bd. 36 536 C. K. Hoffmann, Hypoblast umbiegt, liegt zwischen der Deckschicht und der Umbiegungs- stelle von dem Epiblast in den Hypoblast eine sehr große Meroeyte mit wenigstens drei Kernen, die ich auf vier auf einander folgenden Schnitten von 12,5 u wiederfinde, und die an ihrer Basis noch mit dem Nahrungs- dotter zusammenhängt. Es ist nun schwer anzunehmen, dass die Theil- stücke dieser Merocyte allein dem Hypoblast zu Gunsten kommen würden und dass der Epiblast daraus kein neues Material erhalten sollte. Eben so wie der Keim Anfangs eine Masse indifferenter Zellen zu bilden scheint, die sich erst später in die beiden primären Keimblätter spaltet, eben so bildet der Randwulst eine Masse indifferenter Zellen, aus denen sich die einmal angelegten Keimblätter weiter aufbauen, und das Material dafür kann ihm nur aus dem Nahrungsdotter durch die Merocyten zugeführt werden. Über die Bildung der Chorda dorsalis und des bilateralen Meso- blast, sowie auf die ersten Leistungen der Keimblätter bei den Knochen- fischen hoffe ich demnächst nochmals zurückzukommen. Nur Eines will ich noch erwähnen; auch in den Stadien nämlich, in welchen die Chorda dorsalis und der bilaterale Mesoblast sich schon angelegt haben, schnüren sich immer noch neue Merocyten ab, welche sich zwischen die schon vorhandenen Embryonalzellen einschieben, wie Fig. 19 zeigt. Zwischen der Chorda und dem Mesoblast der einen Seite liegt eine riesengroße Merocyte (m), die auf vier einander folgenden Querschnit- ten von 15 u zu sehen ist und wenigstens fünf Kerne zu enthalten scheint. Diese Kerne sind groß, fast nur wenig kleiner als die um- gebenden Embryonalzellen und bestehen aus einem stark geknäuelten Faden, während der Zellenleib, in welchem die Kerne abgelagert sind, eine äußerst feinkörnige Beschaffenheit zeigt. Über die Bildung des Hypoblast sagen Acassız und Wurrman (Nr. 1) Folgendes: »We do not affırm that any sharply delimited portion of the blastodise is actually infolded; but we have positive proof that the ring (d.h. der Randwulst) arises as a centripetal ingrowth of cells from the margin of the disc. Within ane hour from the time the ring begins, the central area bounded by its inner edge is reduced to about one half its original extent, as shown by camera drawings of Ctenolabrus. This fact furnishes indubitable evidence of the ingrowth, which has been so often denied and treated as incompatible with the facts of vertebrate embryologie. A Comparison of optical sections of the blastodise, taken at short intervals during the formation of the ring, tells the same story. Actual sections simply furnish a verification of observations made on the living ovum. Preeisely as was first shown by Görtz, we find the ingrowing layer bending at the margin into the eetodermie layer.« - Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 537 Indem aber Acassız und Wnırman den ganzen Furchungsprocess des Nahrungsdotters und die kolossale Betheiligung der aus dem Nahrungs- dotter entstehenden Merocyten an der Bildung der Keimblätter über- sehen haben, sc ist auch hier auf ihre positive Erklärung wenig Gewicht zulegen. Wie die Zellen entstanden sind, welche sie in Fig. 6 schraffirt angegeben haben, wage ich natürlich nicht zu sagen, aber es macht mir den Eindruck, als ob es die unterste Zellenschicht des Hypoblast ist, welche eben als Merocyten aus dem Nahrungsdotter entstanden ist. In der in Rede stehenden Abbildung ist der Hypoblast als nur aus einer Schicht von Zellen bestehend abgebildet, bei keinem der auch früher von mir untersuchten Knochenfische habe ich dies je gefunden; immer besteht derselbe an dem Randwulst aus mehreren Schichten, und erst mehr centralwärts wird er einschichtig. Schließlich noch ein Wort über die Bedeutung, welche die beiden amerikanischen Forscher den freien Kernen des Nahrungsdotters, ihrem Periblast, beimessen. Darüber sagen sie Folgendes: The periblast is then a true yolk hypoblast, and it is therefore, as Ryper hypothetically suggested, in all essential particulars, the homologue of the hypoblast of the yolk-sac of the chick. The chief difference between the bird and the teleost in this respect is, that in the former the periblast is conti- nuous with the permanent entoderm, while in the latter its continuity is broken at a comperatively early date.« Was Asassız und Wuıtman damit behaupten wollen ist mir unver- ständlich, es steht auch im vollsten Widerspruch mit dem, was die Anlage des Urdarmes bei den Knochenfischen uns lehrt. Aus dem (pri- mären) Hypoblast bildet sich nämlich die Chorda, der bilaterale Meso- blast und der sekundäre Hypoblast, welcher nur eine Schicht Zellen dick ist, und aus dieser legt sich, ganz ähnlich wie bei Knorpel- fischen, Reptilien, Vögeln und Säugethieren, der Urdarm an, der resti- rende Theil des Hypoblast bildet dann den Hypoblast des Dottersackes; in dieser Beziehung weichen die Knochenfische in nichts von den eben genannten Wirbelthieren ab. In meiner früheren Arbeit [Nr. 41), in welcher mir die Furchung des Nahrungsdotters unbekannt geblieben war, glaubte ich zu dem Schlusse berechtigt zu sein, in der Plasmaschicht des Nahrungsdotters, welche die freien Kerne enthält, die Werkstätte zu sehen, welche die Bestand- theile des Nahrungsdotters assimilirt, um den Zellen des Keimes (damals Zellen des Archiblast genannt) oder dem von ihm entstan- denen Embryo eine für die Ernährung geeignetere Form zu über- reichen, mit anderen Worten, ich glaubte die an Kernen reiche Proto- plasmaschicht des Nahrungsdotters funktionire als provisorisches Blut, 36* 938 C. K. Hoffmann, eine Ansicht, die ich jetzt natürlich fallen lassen muss, nun ich mich überzeugt habe, dass nicht allein der Nahrungsdotter sich furcht, son- dern letztgenannter fortfährt auch dann, wenn die Keimblätter sich schon gebildet haben, dem sich bildenden Embryo immer noch neue Zellen zuzuführen. Die Worte »Archiblast« und »Parablast« habe ich jetzt ebenfalls fallen lassen, indem dieselben durch die verschiedenen Autoren in so verschiedenem Sinne aufgefasst werden, dass dadurch leicht Missverständnisse entstehen. Über die Arbeit von Acassız und Wnrtman habe ich nach dem Mit- getheilten nichts mehr zu sagen. Der Erste, welcher die Angaben der amerikanischen Forscher über die Bildung der freien Kerne bestätigen zu können glaubte, war WEnckEBAcCH (Nr. 22). »Niemals habe ich — so sagt er —, unter den zahllosen Eiern, welche ich in Neapel untersuchen konnte, auch nur ein einziges Mal freie Kerne in so frühen Stadien an- getroffen, wie Horrmann dieselben gesehen zu haben behauptet. Auch an sehr jungen Juliseiern konnte ich dieselben nicht auffinden. Im Gegentheil war ich im Stande, die Meinung von Acassız und WHırtman, dass dieselben aus den Randzellen des Blastoderms stammen, an den prachtvollen klaren Eiern von Belone acus zu bestätigen.« Nach WENcKEBACH kommen jedoch noch zwei andere Quellen vor, aus wel- chen die freien Kerne entstehen. Die Vermehrung derselben wird nach ihm bei Belone noch beschleunigt durch einen zweiten Vorgang, wel- chen er zu wiederholten Malen an Eiern beobachtete, die sich später ganz normal weiter entwickelten, und die also ohne Zweifel auch da- mals normale Verhältnisse darboten. Die Wände der Randzellen werden nach ihm nämlich allmählich destruirt; sie verschmelzen sehr langsam mit der Periblastmasse. Und als dritte Quelle für die freien Kerne giebt er an, dass sie aus Zellen stammen, welche von der unteren Fläche des Blastoderms auf den Boden der Furchungshöhle fallen, um dort mit dem Periblast zu verschmelzen. Demnach meint er bewiesen zu haben, dass die freien Periblastzellen bei den Knochenfischen immer aus dem Blastoderm stammen. WeEnckEBAcCH (Nr. 22) hat aber nichts be- wiesen, denn in Beziehung zu der Frage, wie die ersten freien Kerne entstehen, hat er sich einfach auf die Untersuchungen von Asassız und Wnırtman berufen, ohne die drei oder vier ersten Furchungsstadien zu untersuchen, die allein auf diese Frage die Antwort geben können, und was die andere Ursprungsquelle der freien Kerne betrifft, dass sie nämlich von Zellen herrühren, welche von der unteren Fläche des Blastoderms auf den Boden der Furchungshöhle gefallen sein sollten, so steht dies in direktem Widerspruch mit dem, was Querschnittserien | | Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 539 durch jüngere Entwicklungsstadien uns lehren, wo man mit aller Deutlichkeit sehen kann, dass der Nahrungsdotter nicht schon vorhan- dene Furchungszellen in sich aufnimmt, sondern im Gegentheil den schon vorhandenen immer neue und neue zufügt. In dieser Beziehung verhalten sich die Knochenfische den Knorpelfischen, Reptilien und Vögeln durchaus ähnlich; die Betheiligung des Nahrungsdotters an der Furchung wird auch von keinem Forscher, der sich mit der Entwick- lungsgeschichte dieser Wirbelthiere beschäftigt hat, in den letzten Jahren mehr geleugnet, gleichgültig ob man die so entstandenen Zellen als Parablasten, Megasphaeren, Dotterzellen, sekundäre Furchungs- zellen, Nachfurchungszellen oder Meroeyten bezeichnen will. Das wei- tere Schicksal der freien Kerne soll nach WenekesacH Degeneration sein, man müsse dann annehmen, dass der Nahrungsdotter fortwäh- rend Embryonalzellen in sich aufnehme und verzehre, denn in allen Entwicklungsstadien begegnet man immer und immer wieder diesen freien Kernen in dem Nahrungsdotter. Gerade der Umstand, dass sie am zahlreichsten da angetroffen werden, wo starkes Wachsthum statt- findet, z. B. an den Schließungsrändern des Darmes, unter dem sich vorschiebenden Randwulst, unter dem hinteren Embryonalende ete., widerspricht dieser Annahme. Schließlich sagt WrneresacH, dass die von mir aufgestellte Theorie ihm am annehmbarsten vorkommt, dass nämlich die Kerne irgend einen Einfluss auf die Dotterelemente haben und diese in einen zur Resorption geeigneten Zustand bringen; ich be- greife aber nicht gut, wie degenerirende Kerne dies thun können, denn mit ihrer Degeneration schwindet auch die Wirkung, welche sie aus- üben konnten. Miıecz. von KowaLevskı (Nr. 14) hat die ersten Entwicklungspro- cesse der Knochenfische an Schnittserien studirt. Man kann nach ihm an einem Eie (Eiern von Polyacanthus viridiauratus Lac. und Carassius auratus) unmittelbar vor der Furchung folgende Protoplasmaabschnitte unterscheiden: 1) Eine mächtige Lage von fast reinem Protoplasma, die sich auf dem animalen Pol hügelartig erhebt — die Keimscheibe der Autoren. 2) Das darunter liegende, einerseits den Dotter durch- ziehende, andererseits ihn oberflächlich in dünner Schicht umkleidende protoplasmatische Gebilde; der gerüstartige Theil ist hauptsächlich und fast ausschließlich eine Strecke weit unter der Keimscheibe entwickelt. Um seiner Auffassung der ersten Entwicklungsvorgänge entsprechende, sowie für die Beschreibung bequeme Ausdrücke zu geben, nennt er den ersten von den obengenannten Eiabschnitten das Ektoblast, den anderen das Entoblast. In dem letzteren ‚unterscheidet er dann den inneren netzartigen Theil des Protoplasma als Entoblastgerüst, den 540 0. K. Hoffmann, äußeren protoplasmatischen Übergang als Entoblastrinde. Zur Zeit der 16-Theilung hängen noch alle Furchungszellen, so sagt er, mit dem darunter liegenden Entoblast zusammen. Dasselbe hat sich jedoch schon zur Zeit der Acht-Theilung in seinem oberen Theile zu einer mächtigeren dichteren Lage angesammelt, welche unterhalb der Ver- bindungslinie der Scheidebuchten (welche die ersten Furchungsseg- mente jederseits von einander trennen) liegt. Letztgenannte zeigt die Richtung, in welcher dann die Abtrennung (die erste Äquatorialfur- chung also) dieser ersten 8 resp. 16 Entoblastzellen (dies ist wohl ein Druckfehler und muss Ektoblastzellen sein) an ihrer Basis erfolgt. Dies geschieht aber nicht gleichmäßig nach Zeit und Ort. Weiter ist zu bemerken, so hebt er hervor, dass dieser Abtrennung der ekto- blastischen Zellenlage die Nachfurchung des Entoblastes bis zu einem gewissen Grade vorausgeht. Nachdem die Scheidewände dieser ekto- blastischen Zellen in die darunter liegende und von dem immerfort aus dem Bereiche des Dotters zufließenden Protoplasma immer dicker und dichter werdende Entoblastlage noch weiter eingegriffen und sie in zellenartige Portionen zerlegt haben, erfolgt die in Rede stehende Abtren- nung. Zur selben Zeit aber sieht man schon unterhalb der oberen, ge- sonderten, eine untere Zellenlage, die jetzt ihrerseits in ihrer Basis noch nicht getrennt erscheint, mit dem darunter liegenden Entoblastgerüst in Verbindung bleibt und eine strangartige Anordnung des Protoplasma in ihren Zellen (als Beweis dessen Zuflusses) zeigen. Mit dem Fort- schreiten des Furchungsprocesses vermehrt sich die Zahl der Blasto- dermzellen sowohl durch Theilung der schon vorhandenen, als auch durch Abfurchung der sich nun an der Blastodermbasis bildenden Zellen. Aus dieser Beschreibung dürfte hervorgehen, dass der Furchungs- process der von Kowaızrvskı beschriebenen Knochenfischeier der Hauptsache nach mit dem des Salmen übereinstimmt. Die Kerne der unteren Zellenlage, die an ihrer Basis mit dem Nahrungsdotter kon- tinuirlieh zusammenhängen, stellen uns die ersten freien Kerne des Nahrungsdotters dar, denn das ist gerade das Charakteristische dieser Kerne, dass sie in einer Plasmaschicht liegen, welche mittels zahlreicher, pseudopodienähnlicher Fortsätze mit dem Nahrungsdotter (dem Ento- blastgerüst von KowaALevskı) zusammenhängt. Anfangs zeigt dieselbe eine noch zum Theil zellige Struktur, denn bevor die ersten Merocyten resp. Entoblasten von Kowauzvskı entstanden sind, werden dieselben von einander durch mehr oder weniger deutliche Grenzen geschieden, während sie an ihrer Basis noch ununterbrochen mit dem Nahrungs- dotter in Verbindung stehen. Sobald jedoch die ersten Meroeyten durch mitotische Theilung von dem Nahrungsdotter sich abgeschnürt haben, Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 541 erhält die oberflächliche Schicht des Nahrungsdotters, aus welcher sie entstanden sind, neue Plasmazufuhr aus dem Nahrungsdotter, die so entstandene neue Schicht furcht sich wieder, nimmt dabei allmählich mehr und mehr das Bild eines Plasmodium an, so dass schließlich bei der fortwährenden Bildung neuer Merocyten durch Mitose und fort- währende Zufuhr neuen Plasmas aus dem Nahrungsdotter, eine Schicht entsteht, welche mit vollem Rechte ein kernreiches Plasmodium bildet, aus welchem stets neue Merocyten (durch Mitose) sich anlegen. So wenigstens fasse ich die Bilder auf, welche Kowauzvskı giebt, und die vollständig mit denen des Salmen übereinstimmen. Kowargvski fasst da- gegen die Verhältnisse anders auf, obgleich es mir hier und dort nicht recht deutlich ist, wie er sich die Sache eigentlich vorstellt. Er sagt Folgendes: Was das zufließende Protoplasma selbst betrifft, so sammelt es sich unter der sich furchenden Keimscheibe immer fort. Anfangs bildet es hier eine kontinuirliche Lage, die in der schon beschriebenen Weise allmählich in die zweite, d. i. untere Schicht eines zweischich- tigen Blastoderms zerlegt wird (vgl. seine Fig. 4 und 2). Das weiter zufließende Protoplasma sammelt sich nicht mehr zu einer kontinuir- lichen Schicht, sondern nur stellenweise, Anfangs größere, dann kleinere Haufen bildend. Diese Haufen legen sich dann aber immer der Basis der einzelnen nachzufurchenden Zellen an. Bei der Abfur- chung dieser Zellen wandeln sich allmählich die genannten Haufen zu zellenartigen Gebilden um, indem sie von jenen darüber liegenden, sich abtrennenden Zellen die Hälfte der sich dabei theilenden Kerne bekommen. In dieser Weise kommt es zur Bildung einer unterbroche- nen Lage der Zellen, die dicht unterhalb der Blastodermbasis im Dotter eingebettet liegen, wie das z. B. auf Fig. 3 zu sehen ist. Jede dieser Zellen wird dann auch abgefurcht und in das Blastoderm aufgenommen. Bevor das aber geschieht, lagern sich diesen Zellen wieder neue Quan- titäten von zugeflossenem Protoplasma, neue protoplasmatische Haufen an, welchen ihrerseits dann, bei der Abfurchung der darüber liegenden Zellen vorausgehenden Kerntheilung, eine Anzahl junger Kerne zu- kommt, und es entsteht wieder eine unterbrochene im Dotter liegende Zellenreihe (p. 446). Schließlich, so hebt er weiter hervor (p. 448), findet die Abfurchung der Entoblasten nicht mehr statt. Das Blasto- derm erscheint an seiner Basis vollständig von dem darunter liegenden Eitheile getrennt. Das zuletzt gegen diese Basis zugeflossene Proto- plasma bildet eine Reihe ganz dicht neben einander liegender Zellen, deren durch Anhäufung größerer Dotterpartikel zuvor so deutliche Grenzen jetzt nicht mehr zu unterscheiden sind. Es entsteht dadurch eine kontinuirliche protoplasmatische Schicht — ein vielkerniges Plas- 542 C. K. Hoffmann, modium, das jetzt mit der ursprünglichen Entoblastrinde ein Continuum bildet. Mit dem Zusammenfließen der letzten Entoblastzellen zu einem Plasmodium gehen auch Veränderungen ihrer Kerne Hand in Hand, indem diese sich in ihrem Aussehen, besonders aber in ihrem Thei- lungsmodus merklich verändern. Das gesammte Plasmodium, welches keine zelligen Elemente mehr liefert, bezeichnet er als intermediäre Schicht (van BANBERE). 5 Wenn ich Miszcz. von Kowauegvskı recht verstanden habe, so leitet er die (freien) Kerne des Nahrungsdotters von den am animalen Pol ge- bildeten Keimzellen her. Wie dies aber mit der Furchung des Nahrungs- dotters in Einklang zu bringen ist, ist mir nicht deutlich, beide Pro- cesse schließen, meiner Meinung nach, einander aus. Ich will noch er- wähnen, dass das Plasmodium, welches nach Kowausvskı erst am Ende der Furchung entstehen soll, durch ihn schon mit aller Deutlichkeit bei Keimen abgebildet ist, die nur vier Zellen hoch sind (siehe seine Fig. 3). Der Mesoblast entsteht nach ihm durch Umfaltung (Einstülpung) des Keimblatirandes aus dem Epiblast und den Hypoblast leitet er von einigen Zellen ab, welche außerhalb des Umschiagsrandes, den das Blastoderm bei der Bildung des Mesoblast macht, am hinteren Blasto- dermrand liegen bleiben. Nach seinen Abbildungen zu urtheilen (siehe seine Figuren 15, 16, 19) hat sich der Mesoblast schon über eine sehr bedeutende Strecke entwickelt, wenn der Hypoblast sich erst anzu- legen anfängt, was mit unserer heutigen Auffassung des mittleren Keim- blattes schwer in Einklang zu bringen ist. Wenn ich mich also in mancher Beziehung den Resultaten von Kowazrvskı nicht anschließen kann, so erkenne ich doch gern die großen Verdienste seiner Arbeit, | aus welcher deutlich hervorgeht, dass der Nahrungsdotter der Knochen- fische sich schon in sehr jungen Entwicklungsstadien furcht. CunNInGHAm (Nr. 8) hat lebende Eier einer Anzahl von Seefischen untersuchtund glaubt ebenfalls die freien Kerne des Nahrungsdotters von den Randzellen des Blastoderms herleiten zu dürfen, eine Bestätigung also von der Periblastentheorie von Acassız und Wuırman. Später bildet der Periblast nach ihm, nach Herstellung des Darmrohres, einen Theil des splanchnopleuren Mesoblasten. Beide Ansichten sind meiner Meinung nach unvereinbar. Nicht dass ich die Möglichkeit bestreite, dass das die freien Kerne enthaltende Plasmodium des Nahrungsdotters Zellen liefert, welche sich unmittelbar an der Schließung des Urdarmes be- theiligen, wie BaLrour (Nr.2) dies auch von den Knorpelfischen angiebt, denn diese Angabe kann ich weder verneinen, noch bestätigen und es ist dies auch ungemein schwierig bei den Knochenfischen auszumachen, nur kann ich angeben, dass gerade unterhalb der Schließungsränder Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 543 des Urdarmes, zahlreiche freie Kerne in dem Nahrungsdotter angetroffen werden. Was ich aber bestreite, ist die Möglichkeit, dass die Kerne dieser Zellen auf die von Acassız und Wurrman beschriebene Weise ent- stehen und später einen so kräftigen Antheil an der Bildung des Embryo nehmen können, wie CunxineHAm dies beschreibt. Mit einer solchen Kraftverschwendung handelt die Natur doch nicht, dass sie abgefurchte Zellen erst mit einander verschmelzen und aus einem so entstandenen Plasmodium später wieder neue Zellgenerationen entstehen lässt. Die Arbeit vonKınssıevund ConsstandmirleidernichtzurVerfügung. Was die drei Arbeiten von Brook (Nr. 5, 6, 7) betrifft, so brauche ich auf seine beiden ersten (Nr. 5, 6) in Beziehung zu der Frage nach dem Ursprung der sogenannten freien Kerne des Nahrungsdotters hier nicht weiter einzugehen, indem er selbst in seiner dritten Arbeit seine frühere Bestätigung der Periblastentheorie von Acassız und WHITMAN zurücknimmt. In dieser Arbeit (Nr. 7) giebt Brook eine genaue Be- schreibung des Furchungsprocesses des Heringseies und weist nach, dass die beiden ersten Furchungen meridional, die dritte äquatorial verläuft. »Having concluded,« so sagt er, »that the third furrow takes an equatorial direction in the herring ovum, it will be well to reflect on the significance of this fact. The main portion of the germinal proto- plasma, which constitutes the archiblast, forms the animal pol of the egg, while the yolk, together with the residual protoplasm, is to be regarded as the vegetative pole. The animal pole at this stage consists of four segments or cells, while the whole of the vegetative pole has the value ofone cell. The whole of the vegetative area may be compared to a gigantic fatcell in which the fat isreplaced byfood yolk. The function of the cortical protoplasm is to digest and absorb the food material as fresh nourishment is required by the growing organism. Having once grasped the significance of this point, the interpretation of future deve- lopmental phases does not present much difficulty.« Die vier am ani- malen Pol gelegenen Zellen nennt Brook nun Archiblast, während er als Parablast die mehr oder weniger dicke Plasmaschicht des Nahrungs- dotters bezeichnet, welche unter seinem Archiblast gelegen ist. About twenty-six hours after fertilisation — so theilt er weiter mit — the parablastappears beneath the archiblast (nachdem dieser schon aus einer großen Zahl Furchungskugeln besteht) as a thick layer of protoplasm which is undergoing division into cells. Da er nicht im Stande war, die Verhältnisse der Kerne bei den drei ersten Furchungen zu bestimmen, spricht er sich auch über den Ursprung seiner Para- blastzellen nicht weiter aus. In einer Beziehung tritt nun in der Furchung des Heringseies ein bedeutender Unterschied auf mit der des 544 6. K. Hoffmann, Salmen und des Goldfisches nach Kowazewskı. Bei den beiden letztge- nannten furcht sich der Nahrungsdotter (d. h. die mehr oder weniger dicke Plasmaschicht, welche dem eigentlichen Nahrungsdotter aufliegt und vermittels zahlreicher Fortsätze mit diesem unmittelbar zusammen- hängt) schon sehr frühzeitig, beim Hering nach Brook erst nach nahezu 26 Stunden. Aus der Beschreibung, welche der genannte Forscher über die Furchung des Nahrungsdotters (seines Parablast) jedoch giebt, scheint die Frage erlaubt, ob er vielleicht nicht die früheren Furchungen des Nahrungsdotters übersehen hat. So far as I can make out — so sagt er — there is no karyokinetic figure during this process of cell formation in the parablast, and each nucleus arises in dependently of its neighbour. Die Bildung der Merocyten ohne Mitose kommt beim Salmen, wie wir gesehen haben, erst in den späteren Entwicklungs- stadien vor, während dieselben in den ersten Furchungsstadien unter indirekter Kerntheilung sich bilden. Die Abschnürung von Zellen aus dem Nahrungsdotter beim Hering ohne Mitose spricht für den Umstand, dass dies die später sich entwickelnden sind, während vielleicht die erst entstandenen, wie beim Salmen unter Mitose entstehen. Es möge dies nun sein, wie es wolle, so viel geht mit Bestimmtheit aus den Mittheilungen von Brook (Nr. 7) hervor, dass auch beim Hering der Nahrungsdotter sich furcht. Und was die Anlage der Keimblätter betrifft, so theilt er darüber Folgendes mit: »The Archiblast in the herring, together with the cells derived from the parablast, prior to the formation of the segmentation- cavity, give rise to the epiblast. The vegetative pole then gives rise to the primitive hypoblast, which is in turn differentiated into the meso- blast and permanent hypoblast.« ide: Nach List (Nr. 16), dem wir Untersuchungen über die Entwicklung . derLabriden verdanken, verläuft bei Orenilabrus tinca die erste Furche meridional, fast gleichzeitig mit dieser Hauptfurche konnte er das Auf- treten der zweiten Furche beobachten, die äquatorial lag und zwar senkrecht zur ersten, während die dritte Furchungsebene wieder senk- recht auf die erste zu stehen kommt, demnach wieder eine meridionale ist. Wie nun bei diesen drei ersten Furchungen die Kerne der einzelnen Segmente sich verhalten, darüber theilt uns Lısr gar nichts mit, denn trotz der Mühe, welche er sich gab, konnte er das Auftreten der Kern- spindeln in der Keimsubstanz bei Orenilabrus tinca eben so wenig wie bei Crenilabrus pavo am lebenden Objekte beobachten. Das ist aber gerade der Angelpunkt, um welchen sich die ganze Frage über den Ursprung der (freien) Kerne des Nahrungsdotters dreht. Angenommen, dass nach List die zweite Furche eine äquatoriale ist (was aber nicht wahr- | | | | | Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 545 scheinlich), dann müssen, bevor die dritte (eine zweite meridionale nach List) sich vollzieht, die zwei bei der ersten Meridionalfurche enstan- denen Kerne sich äquatorial getheilt haben, sonst träte hier eine Zell- theilung ohne Kerntheilung auf. Mit der oben gedachten Theilung wäre dann auch zugleich der Ursprung der ersten (freien) Kerne des Nah- rungsdotters gegeben. List scheint dies gar nicht gefühlt zu haben, sonst müsste es ihm doch selbst aufgefallen sein, dass die Erklärung, welche er von dem Ursprung der Kerne des Nahrungsdotters giebt, auf große Schwierigkeiten stößt. Ungefähr 7 Stunden nach der Befruch- tung, So sagt er, kann man um den Blastodiskrand einen zwei bis drei Furchungszellen breiten Saum ungefurchter Keimsubstanz (intermediäre Schicht von KowaLgvski) beobachten. In dieser kann man nun helle, bläschenförmige Kerne auftreten sehen, die, wie eine genauere Be- obachtung lehrt, von den Kernen der Randzellen des Blastodisks stammen. Kernfiguren konnte er nicht auftreten sehen, wohl aber konnte er die Abschnürung der in die intermediäre Schicht rückenden Kerne von denjenigen der Randzellen des Blastodisks mit vollster Deutlichkeit beobachten. Die abgeschnürten Kerne liegen nach ihm Anfangs in einer Reihe in der Nähe des Blastodiskrandes von einander durch annähernd gleiche Zwischenräume, die etwa das Drei- bis Vierfache des Kern- durchmessers betragen, entfernt. Die Kerne vergrößern sich rasch und übertreffen dann an Größe diejenigen der Furchungszellen. So kann eine zweite, eine dritte und vierte Reihe beobachtet werden etc. Und die so entstandene Schicht, die List ebenfalls »Periblast« nennt, geht nun nach ihm zweifelsohne auch, wenn vielleicht auch nur zum Theil, in den Furchungsprocess ein; es findet, wie er sagt, also eine Art Nachfurchung statt. Leider, dass er nicht angiebt, was aus solehen sonderbar entstandenen Nachfurchungszellen wird. Schließlich stellt List das Vorkommen von Porenkanälchen in der Eihaut (Dotter- haut) bei den Knochenfischen in Abrede. Der letzte Autor, den ich zu erwähnen habe, ist ZıEsLer (Nr. 23), der einfach die Resultate von Acassız und ini annimmt, so on ich von seiner Arbeit weiter nichts zu sagen habe. Kurz nach dem Erscheinen meiner früheren Arbeit bestreitet RAuBER (Nr. 19) in seiner schon genannten Abhandlung die von mir damals ver- tretene Ansicht, das Plasmodium des Nahrungsdotters als Nichtkeim dem Keim gegenüber zu stellen. Dass ich nach einer Serie neuer Unter- suchungen diese Ansicht fallen lasse und mich Rauser in dieser Beziehung ‚ anschließe, brauche ich wohl nicht weiter aus einander zu setzen. Schon in meiner vorigen Abhandlung habe ich die Arbeiten früherer 546 C. K. Hoffmann, Autoren erwähnt; ich brauche dieselben hier also nicht wieder zu be- sprechen, aber hervorheben will ich doch, dass schon nach Kuprrer (Nr. 15), van BENEDEN (Nr. %) und van BamseERE (Nr. 3) die die freien Kerne führende Schicht des Nahrungsdotters unmittelbar an der Bil- dung der Keimblätter sich betheiligt. Die oben mitgetheilten Untersuchungen stimmen der Hauptsache nach vollständig überein mit denen, zu welchen Rückerr (Nr.20) bei den Knorpelfischen gekommen ist. Die sogenannten »Parablast«-Körper oder freien Kerne im Dotter der meroblastischen Eier, in casu quo der Selachier, sind nach ihm Furchungsprodukte, welche unter dem Ein- fluss des Nahrungsdotters eine sekundäre Modifikation erlitten haben. Sie entsprechen nämlich morphologisch nur einem Theil und zwar dem wesentlichen, protoplasmatischen Antheil der übrigen Furchungszellen und können daher unter der Bezeichnung Merocyten den letzteren (Holocyten) gegenübergestellt werden. Aus den Befunden in früheren Furchungsstadien von Torpedo darf man nach ihm schließen, dass sie durch die erste Äquatorialtheilung des sich furchenden Eies entstanden sind. Zunächst furcht sich die Keimscheibe, welche den animalen Furchungskugeln entspricht. Die Merocyten vermehren sich während dessen nur unbedeutend. Erst im Morulastadium der Keimscheibe nehmen sie erheblich an Zahl und Größe zu; ursprünglich am Rande der Keimscheibe gelegen, umwachsen sie dieselbe auch jetzt von unten. Zu dieser Zeit tritt zwischen der Morula des Keimes und dem unter- liegenden, mit Merocyten erfüllten Dotter, also zwischen den animalen und den vegetativen Furchungsprodukten eine Blastulahöhle auf. Ihr Dach differenzirt sich zum Ektoblasten, ihr Boden liefert den Ento- blasten. Die von den Merocyten gebildeten Embryonalzellen nämlich dringen aus dem Dotter in das Innere der Blastulahöhle ein und ver- drängen deren Lumen. Die vorgedrungenen Zellen ordnen sich zu einem unteren Keimblatt, welches am Rande des Blastoderms durch Umschlag in das obere übergeht. Die den Merocyten entsprossenen Embryonalzellen können sich nach Rückerr am Aufbau sämmitlicher | Keimblätter betheiligen. Bei den Selachiern nehmen sie einen nur untergeordneten Antheil an der Herstellung des Ektoblasten und müssen den vegetativen Furchungskugeln der holoblastischen Eier homolog er- achtet werden. Erweisen sich die beschriebenen Untersuchungen als richtig, so % dürfte daraus hervorgehen, dass die Unterschiede in der Furchung des” Ursprung u. Bedeutung d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsdotter bei d. Knochenfischen. 547 holoblastischen und des meroblastischen Eies viel geringer sind als man bis jetzt geneigt ist anzunehmen, und dass bei beiden die Fur- chung nach demselben Typus sich vollzieht. Leiden, Februar 1888. Yerzeichnis der benutzten Litteratur. 4) A. Asıssız and C. O. Wnıtman, On the Development of some Pelagic Fish Eggs. Proc. ofthe American Academy of arts and sciences. Vol.XX, BostonA885. 2) F. M. Baıtrrour, A Monograph on the Development of Elasmobranch fishes. Lon- _ don 4878. 3) Ca. van BANBERE, Recherches sur l’embryologie des poissons osseux. in: M&em, cour. et des sav. €trangers p. p. !’Academie Royale de Belgique. T. XL. 1876. 4) E, VAN BENEDEN, Contribution a l’histoire du developpement embryonnaire des Teleosteens. in: Bull. de l’Acad. Royale de Belgique. 2 Serie. T. XLIV. 41877. 5) G. Brook, Prelim. Account of the Devel. of Trachinus vipera. in: Journal Linn. Society (Zoology). Vol. XVII. 1884. 6) —— On the Origin of the Hypoblast in Pelagie Teleostean Ova. in: Quart. Journal Microsc. Sc. 1885. 7) —— The Formation of the Germinal layers in Teleostei. in: Transactions of the Royal Society of Edinburgh. 1886. 8) J. T. CunsineHAm, On the relations of the Yolk to the Gastrula in Teleosteans and in other Vertebrates Types. in: Quart. Journ. of Microsc. Sc. 1885. 9) W. Fremning, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. 1882, 40) N. Goroxowirsch, Studien über die Entwicklung des Medullarstranges bei Knochenfischen. in: Morphol. Jahrbuch. Bd. X. 1885. 44) C. K, Horrmann, Zur Ontogenie der Knocheniische. in: Verh. der Konink. Akad. van Wetenschappen te Amsterdam. T. XXI. 1881. 42) J. Janosık, Partielle Furchung bei den Knochenfischen. in: Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXIV. 1884. 13) KınasLevy and Con, Some observations on the Embryology of Teleosts. in: Mem. Boston Society Nat. Hist. Vol. III. 1883. 44) Mıecz. von KowALEvsKI, Über die ersten Entwicklungsprocesse der Knochen- fische. in: Diese Zeitschr. Bd. XLIII. 4886. 45) C. Kuprrer, Beobachtungen über die Entwicklung der Knochenfische, in: Arch. für mikr. Anatomie. Bd. IV. 1868, 46) J. H. List, Zur Entwicklungsgeschichte der Knochenfische. in: Diese Zeitschr. | Bd. XLV. 1887. , 47) E. PrLüger, Über den Einfluss der Schwerkraft auf die Theilung der Zellen und auf die Entwicklung des Embryo. in: PrLücer’s Archiv für Physiologie. Bd. XXXII. 1883. 548 C. K. Hoffmann, Urspr. u. Bed. d. sog. »freien« Kerne im Nahrungsd. bei d. Knochenfischen. 48) W. Roux, Über die Zeit der Bestimmung der Hauptrichtungen des Froschem- bryo. Leipzig 1883. 19) A. Raußer, Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. in: Morphol. Jahrbuch. Bd. VIII. 4883. 20) J. RÜCkERT, Zur Keimblattbildung bei Selachiern. München 1885. 21) J. A. Ryver, A Contribution to the embryography of osseous fishes with special reference to the development of the Cod (Gadus morrhua). in: Annual Report of the Commissioner of Fish and Fisheries for 1882. 22) K. F. WENckKEBACH, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochenfische. in: Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXVIIl. 1886. 23) E. ZıesLer, Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischembryonen. in: Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXX. 1387. Erklärung der Abbildungen. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. ch, Chorda; hyp', Hypoblast (sekundärer); d, Deckschicht; mes, Mesoblast; ds, Dotterschollen;; m, Merocyte; e, Epiblast; n, Nahrungsdotter; f, Furchungshöhle (noch sehr wenig ent- 17, erste Meridionalfurche; wickelt); 2, zweite Meridionalfurche; hyp, Hypoblast (primärer); 5, erste Parallelfurche. Tafel XXXV. Fig. A. Theil eines Horizontalschnittes durch den Keim eines Salmoies, acht Stunden nach der Befruchtung. Vergr. 160/A. ö Fig. 2. Querschnitt durch einen Keim mit zwei Furchungskugeln. Vergr. 50/1, Fig. 3. Querschnitt durch einen Keim mit vier Furchungskugeln. Vergr. 50/1. Fig. 4. Achttheilung des Keimes. Vergr. 50/1. Fig. 5. Querschnitt durch diesen Keim. Vergr. 50/1. .B Fig. 6. Querschnitt durch einen anderen Keim aus demselben Entwicklungs- stadium. Vergr. 50/1. Fig. 7. Sechstheilung des Keimes. Vergr. 50/1. Fig. 8. Querschnitt durch diesen Keim. Vergr. 50/4. Fig. 9. Querschnitt durch einen anderen Keim aus demselben Entwicklungs- stadium. Vergr. 50/1. Fig. 10. Querschnitt durch einen Keim mit neun äußerlich sichtbaren Fur chungskugeln. a,b, c,c',d,a', b’', ca, c’'a, d’, siehe die Beschreibung. Fig. 41, 42, 43, 44. Querschnilte durch ältere Keime. Vergr. 50/1. i Fig. 45, 46. Theile von Querschnitten durch das Plasmodium des Nahrungs- dotters. Stark vergrößert. Fig. 47. Querschnitt durch einen älteren Keim, Stark vergrößert. Fig. 18. Querschnitt durch den (embryonalen) Randwulst. Vergr. 160/14. Fig. 19. Querschnitt durch einen sehr jungen Embryo. Vergr. 160/1. | / | | | | | i 4 | | | | | Die verschiedenen Oystenbildungen und die Entwicklungs- geschichte der holotrichen Infusoriengattung Coelpoda. Von Ludwig Rhumbler, Amanuensis am zoologischen Institute der Universität Straßburg. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Straßburg.) Mit Tafel XXXVI und einem Holzschnitt. Im April vorigen Jahres fand ich in Heuaufgüssen, welche im hie- sigen zoologischen Institute etwa um die Mitte des März zur Demon- stration von Infusorien hergerichtet worden waren, Golpoda eucul- lus in großer Menge. Viele von diesen zierlichen Infusorien hatten sich in Cysten eingeschlossen, um sich zu theilen. Das interessante Schauspiel, welches diese Thierchen während ihrer Theilung darboten — das gemächliche Rotiren des Einzelthieres im Anfange; die allmäh- liche Trennung der Theilthiere, welche dann eintritt; das hastige Leben und Treiben endlich, welches sich in der Cyste entspinnt, wenn die Thierchen von einander getrennt sind und nun sich aus der Cyste, die ihnen während der Theilung Schutz geboten hat, zu befreien suchen — alle diese Erscheinungen fesselten mich so, dass ich eine Theilung nach der andern unter meinem Mikroskope verfolgte. Es stießen mir hierbei merkliche Verschiedenheiten in dem Verhalten der einzelnen Individuen auf. — Ich sah Thiere sich in Cysten einschließen, ohne dass eine Theilung erfolgte; ich beobachtete, dass getheilte Thiere die Gyste nicht verließen, sondern sich von Neuem eneystirten, dass die pulsirende Vacuole in dem einen Thier nach und nach ihre Kontrak- tionen einstellte, während sie in einem anderen Thier, das sich genau unter denselben Lebensbedingungen befand, in ungehemmtem Tempo fortschlug; ich sah das eine Thier dicht mit Nahrungsballen erfüllt, während ein anderes ein regelmäßig körniges Äußere zeigte. Dies Alles reizte mich zur genaueren Untersuchung, so dass ich der Auf- 990 Ludwig Rhumbler, forderung meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Professor Dr. GoETTE, gern nachkam, die Cystenbildung unserer Infusorien zum Gegenstande einer eingehenden Arbeit zu machen. In Folge dessen wurde von Ende April bis in den Oktober hinein eine Reihe von Versuchen und Beobachtungen gemacht, welche sachgemäß mitzutheilen die Aufgabe dieser Abhandlung sein soll. Meine Untersuchungen beschäftigen sich hauptsächlich mit wol poda eucullus, doch kam auch die nächstverwandte Colpoda Steinii, welche ich zu verschiedenen Zeiten meist in Gesellschaft von Colpoda cucullus antraf, zu eingehender Beobachtung. Es zeigte sich in der Folge, dass diese beiden Species in Allem, was mit der Cystenbildung zusammenhängt, genau dieselben Erscheinungen bieten, so dass Alles, was fürderhin von Golpoda cucullus mitgetheilt wer- den wird, ohne Weiteres auch für die andere Species, höchst wahr- scheinlich aber für die ganze Gattung Colpoda gilt. Bevor ich mit der Schilderung meiner Beobachtungen beginne, will ich die Untersuchungsmethode angeben, welche mich zu den nachstehenden Resultaten kommen ließ und in ähnlichen Fällen viel- leicht auch Anderen sich brauchbar erweisen dürfte. I. Untersuchungsmethode. Es war für die verhältnismäßig rasche Förderung dieser Arbeit von nicht zu unterschätzendem Vortheil, dass mir vom hiesigen zo00- logischen Institute fünf Mikroskope zur Verfügung gestellt wurden, welche ich während genannter Zeitdauer ohne Unterbrechung benutzen konnte. — In Folge dessen gelang es viel schneller und sicherer die Metamorphosen an den lebenden Thieren, womit ich es fast ausschließ- lich zu thun hatte, in ihrem ganzen Verlauf zu verfolgen. Denn, wenn von den gleichen Objekten in den fünf Instrumenten eins oder das andere vergeblich auf eine Veränderung warten ließ, so stellte sich dieselbe oft in kurzer Zeit an einem der übrigen eingestellten Objekten ein. Ich konnte dann an diesem Mikroskope einstweilen beobachten und abwarten, ob nicht später auch in den anderen Mikroskopen gleiche Vorgänge eintraten. Geschah dies nicht, so konnten die Präparate im Laufe der Stunden oder des Tages so lange durch andere ersetzt wer- den, bis alle Objekttische mit den interessirenden Stadien belegt waren. So war ich einmal immer mit Beobachtungsobjekten versehen, auf der anderen Seite aber hatte ich, sobald mehrere Mikroskope ver- sorgt waren, eine unmittelbare, nicht zu unterschätzende Kontrolle. BE ER EEE (4 fe. is n Die versch. Oystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 551 Was ich eben in dem einen Mikroskope beobachtet hatte, konnte ich unter Umständen kurz darauf in einem anderen prüfen, wenn das in diesem Instrument fixirte Thier das fragliche Stadium noch zurück- zulegen hatte. In der Regel beobachtete ich mit einem großen Instrument von Zeıss und einem solchen von Harrnack, drei Gunprac#’sche bezüglich SsIßerT'sche Mikroskope dienten mir wesentlich zu Kontrolluntersu- chungen. Vor Immersionssystemen kamen zur Anwendung Zeıss: Wasser- immersion J und K; homog. Immers. 1/18; Harrnack: Wasserimmer- sion Nr. 9 und 14; Seisert: Immers. VII. Mit dem Gebrauche der feuchten Kammern, deren ich mich An- fangs zur Erhaltung meiner Thierchen bediente, konnte ich mich auf die Dauer wegen ihrer mannigfachen Nachtheile nicht befreunden; ich wandte desshalb eine andere Methode an, welche sich für meine Zwecke äußerst vortheilhaft erwies. Ich befestigte an den Stativen meiner Mikroskope mittelgroße Rea- gensgläschen in der Art, dass ich in dem Gebrauche des Mikroskops in keiner Weise behindert wurde (vgl. Abbildung im Texte R). In diese Reagensgläschen füllte ich Wasser und leitete dieses mittels äußerst feiner, heberartig gebogenen Gapillarröhrchen! zu den Objektträgern hinab, auf welchen sich meine Colpoden befanden (C, (,, Q,). 1 Zur Herstellung der Capillarröhrchen bediente ich mich einer schmalen Glasröhre mit möglichst dicken Wänden. Sie wurde an einer Stelle durch eine Gasflamme so lange erhitzt, bis sie beinahe am Abschmelzen war und dann mit einem schnellen aber stetigem Zuge so weit als möglich ausgezogen. Mit einem geringen Druck des Fingernagels theilte ich die nunmehr etwa rosshaardünne, aus- gezogene Röhre in einzelne Stücke von der Länge, dass sie dem Abstande des oberen Reagensgläschenrandes von dem Objektträger + der Tiefe des Reagens- gläschens entsprachen. — Hierauf wurden diese Theilstücke auf die Art heberartig , gebogen, dass ich mit der einen Hand die Capillarröhre in horizontaler Lage hielt, ‘ während ich mit der anderen ein glimmendes Streichhölzchen an die Stelle der \ Röhre brachte, wo die Umbiegung stattfinden sollte. In einem Augenblick war das Röhrchen an dieser Stelle zum Glühen gebracht und eben so schnell senkte sich das nicht gehaltene freie Ende desselben, dem Zuge der Schwerkraft folgend, nach ‚ unten. Auf die nämliche Weise bog ich hierauf den nach unten gesunkenen Theil der ' Röhre noch einmal, und erhielt so einen Capillarheber mit zwei parallel laufenden Bi Schenkeln (C und (,), die oben durch eine horizontale Brücke verbunden waren. Die Herstellung solcher Capillarheber kann nach wenigen Versuchen Jedem so ge- ‚ läufig werden, dass keine Herrichtung mehr fehl geht. Natürlich ist beim Biegen ' darauf zu achten, dass man mit dem glimmenden Schwefelhölzchen nicht zu nahe kommt, weil der Kanal des Röhrchens sonst leicht während der Biegung zu- schmilzt. nr nee _ —- | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Ba. 37 N 552 Ludwig Rhumbler, Die Capillarheber wurden mit ihrem einen Schenkel in das, am Stativ befestigte Reagensgläschen (R) gebracht, der andere Schenkel aber wurde dem Rande des Deckgläschens dicht angelegt. Das Wasser stieg nun von der Capillarität gehoben, ohne dass der Heber angezogen werden musste, in dem einen Schenkel (C,) in die Höhe, durchfloss langsam die obere Brücke (C) und fiel dann im anderen Schenkel (C,) zum Objektträger (0) herab, den er auf solche Weise mit Wasser ver- sorgte. Die Röhren können so dünn ausgezogen werden, dass nicht mehr Wasser dem Objektträger zufließt, als er unter seinem Deckglas zu halten vermag, und nur das Wasser ersetzt wird, welches am Deck- elasrande unaufhörlich verdunstet. Wenn einmal trotzdem eine größere Menge Wasser zugeleitet wurde, so legte ich auf die andere Seite des Deckgläschens, also der Capillarröhre gegenüber, so viel kleine Fließpapierstückchen, bis das überschüssige Wasser durch sie zum Verdunsten gebracht wurde. Die Fließpapierstückchen wurden immer nass angelegt, weil sie sonst bei ihrer Annäherung an das Deckgläschen den ganzen, unter demselben geborgenen Inhalt an sich gerissen hätten. Eine größere Menge von Wasser als diejenige, welche am Deckglasrande und auf dem beigeleg- ten Filtrirpapier zu verdunsten im Stande ist, wird nie zugeführt wer- den, wenn die Röhrchen dünn genug ausgezogen sind. Es ist klar, dass die Reagensgläschen nicht mit gewöhnlichem Brunnenwasser gefüllt werden durften, wenn so empfindliche Thier- chen, wie unsere Infusorien, ungestört unter dem Mikroskope fortexi- stiren sollten. Die Golpoden leben in solehem Wasser, welches faulen- des Heu enthält, in ungeheurer Menge, während sie in anderem, stehenden Wasser nur sehr vereinzelt auftreten. Dies bestimmte mich, ihnen eine Flüssigkeit aus Heuaufgüssen zuzuführen, welche jedoch, um die Genauigkeit der Untersuchung zu sichern, von allen lebenden | Wesen und sonstigem störendem Inhalt befreit werden musste. Dies wurde einfach durch Abkochen des Aufgusswassers erreicht. Ich hatte immer acht bis zehn große Cylindergläser mit Heuauf- süssen in Bereitschaft. Sie lieferten mir mein Beobachtungsmaterial. ! Meine Capillarheber waren meist so dünn, dass sie ein ungefähr fingerlanges Reagensgläschen von mäßigem Durchmesser erst in fünf bis sechs Tagen, die Nächte mit eingerechnet, zu leeren vermochten, während sie doch fortwährend ununterbrochen flossen. Dies langsame Ausfließen des Wassers aus der Capillar- röhre macht es auch allein möglich, dass durch das zugeleitete Wasser die Objekte nicht weggeschwemmt werden. Die unter dem Deckglas hinziehende Strömung ist so gering, dass sie meist selbst unter dem Mikroskop nicht wahrgenommen wer- den kann. ; Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Golpoda. 553 Den Inhalt eines solchen Gefäßes, welches besonders viele Colpoden enthielt, also ihren Lebensbedingungen am meisten zu entsprechen schien, opferte ich dann, wenn ich Wasser für meine Mikroskope ge- brauchte. Ich filtrirte das Infusionswasser in eine Kochflasche, bezeich- nete mir die Stelle, bis zu welcher das Wasser in der Kochflasche stand, mit einem farbigen Striche, und kochte das Ganze anderthalb bis zwei Stunden lang. Was in dieser Zeit vom Flascheninhalte verdampft war — es war dies an dem farbigen Striche erkennbar — wurde durch, vorher ebenfalls frisch abgekochtes, destillirtes Wasser ersetzt. Dann wurde die Flüssigkeit, wenn möglich noch in kochendem Zustande, durch ein vierfaches Filter in eine Spritzflasche eingefüllt. Sie lief schnell durch die Filter, weil sie gröbere Substanzen nach der ersten Filtration nicht mehr enthielt. War dies geschehen und der Kaut- schukpfropfen mit den beiden Röhren auf die Spritzflasche aufgesetzt, so wurden die letzteren, um das Eindringen von störenden Keimen aus der umgebenden Luft zu hindern, während der Erkaltung der Flüssig- keit durch Wattepfropfen geschützt. Die auf diese Weise zubereitete und konservirte Flüssigkeit, welche nunmehr nach Bedarf in die Reagensgläschen eingefüllt wurde, hatte ein klares gelbliches Aussehen (ungefähr hellem Rheinwein ähnlich), ' und war, wie der Erfolg bewies, ein vollkommen geeignetes Medium für meine Infusorien. Doch zeigte sich in der Folge, dass sich die Thierchen meistens ‚ nach dem Rande des Deckgläschens hinzogen, ein Umstand, welcher mir sehr ungelegen kam, sobald ich mit Immersionssystemen zu arbei- | ten gezwungen war. Augenscheinlich fehlte es den Thierchen an Luft. ‚ Ich half desshalb diesem Übelstande dadurch ab, dass ich durch die ‚ Reagensgläschen, welche die Nährflüssigkeit enthielten, Luft leitete. An der einen Nischenseite des Fensters, an welchem meine Mikro- skope aufgestellt waren, brachte ich in der Höhe von etwa einem halben "Meter einen Glastrichter (Tr) an. In diesen Glastrichter füllte ich Wasser und leitete dieses vermittels einer Glasröhre (Gl) durch einen > Tuftdicht schließenden Kautschukpfropfen hindurch zu dem Boden einer größeren Kochflasche (Fl). In den Kautschukpfropfen derselben Flasche " war an ihrem oberen Halse eine zweite Glasröhre (L) eingelassen, ‚ welche zu dem, am Mikroskop befestigten Reagensgläschen lief und in ihm mit einer äußerst feinen Spitze (M) endete. | Das aus dem Trichter in die Kochflasche herabsinkende Wasser drückte nun die Luft, welche sich in der Kochflasche befand, durch die Glasröhre (Z) hindurch zur feinen Spitze (MW), wo sie dann in kleinen N perlenden Bläschen, das Nährwasser durchsetzend, im Reagensgläschen | 37* £ E| 954 Ludwig Rhumbler, aufstieg. Eine Klemmschraube, welche unterhalb des Trichters an der Gummischlauchverbindung (G) eingesetzt war, gestattete mir den Mi H NN N ee )/) I 1 I I { IE dd NE 8 GGG, ETLLITTUN ELTERN EINEN. Uhhühnnen vaxsarr m \ B- S m N N N N N I N NT. N SI Q z NE Z a SS: SE NS RS = DS ZU" NIEIRERTEIOHONN J ZZ, Wasserdruck und den davon abhängigen Luftdurchgang durch das Nährwasser in beliebiger Weise zu reguliren !. 1 Die Spitze (M), welche in das Reagensgläschen (AR) einführte, war auf die- selbe Weise ausgezogen und gebogen worden wie die Capillarheber. Der Trichter war mäßig groß — er fasste vielleicht einen viertel Liter Wasser —, und doch er- reichte ich durch den Gebrauch der Klemmschraube (X) und durch die Feinheit der Endspitze, dass dieses viertel Liter Wasser erst nach 24 Stunden oder noch später aus dem Trichter in die Flasche herabgelaufen war und die Luft der Koch- flasche durch das Nährwasser hindurch gedrängt hatte. War die Flasche (Fl) vollgelaufen, so wurde der Kautschukpfropfen von der- selben abgenommen, die Klemmschraube geschlossen, und das Wasser aus der Flasche wieder in den Trichter gefüllt. Wenn alsdann der Kautschukpfropfen wieder aufgesetzt und die Klemmschraube wieder geöffnet wurde, so funktionirte mein Apparat von Neuem wie vorher, 7 Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 555 Auf diese Art trug ich der Nährflüssigkeit so viel Luft zu, dass diese oft in Gestalt äußerst kleiner, punktförmiger Luftbläschen unter dem Mikroskope zu erkennen war. Die Colpoden lebten fortan unter den Mikroskopen eben so munter und ungestört, wie unter den nor- malen natürlichen Bedingungen. Da die Luftleitung aber immerhin viel Platz beanspruchte, so konnte ich leider nur ein Mikroskop — ich wählte hierzu das große Zzıss’sche Instrument — mit einer solchen versehen. Das Nährwasser der Kontrollmikroskope suchte ich dann dadurch lufthaltig zu machen, dass ich mit Hilfe einer leeren Spritze, deren Ende ebenfalls mit einer feinen Spitze versehen war, Luft durch dasselbe trieb; doch war dies nur ein Nothbehelf, dessen Nachtheil bei den kürzeren Kontrollbeob- achtungen dieser Mikroskope nicht sehr schwer ins Gewicht fiel. II. Über die körnigen Einlagerungen im Entoplasma der Colpoden und über den Stoffwechsel der Infusorien. Die Colpoden gehören in Folge ihrer Häufigkeit und ihrer charak- teristischen Gestalt zu den bekanntesten Erscheinungen der mikroskopi- schen Thierwelt, so dass ich eine erneute Beschreibung derselben füg- lich übergehen kann !, dagegen ist es für das Verständnis der später zu erörternden Cystenbildungen nothwendig, gewisse Beobachtungen über die Physiologie unserer Infusorien voranzuschicken. Im Entoplasma unserer Infusorien findet sich eine große Zahl von dunklen Körperchen eingelagert, welche einen dunkleren, central ge- legenen Theil und eine hellere, peripherische Schicht erkennen lassen. Sie sind von wechselnder Größe und erscheinen da am dichtesten ge- häuft, wo die Nahrungsballen zu liegen pflegen, — also im hinteren Kör- perende der Thiere, das durch sie oft ganz dunkel erscheint. Im vorde- ren Körpertheile finden sie sich nur sehr vereinzelt und scheinen hier immer kleiner zu sein als jene im hinteren Körperabschnitte. Ich habe nun Gelegenheit gehabt über die Natur dieser Körper- chen, welche allen Infusorien, sogar allen Monoplastiden gemeinsam zu sein scheinen, etwas Genaueres zu erfahren. Am 26. August hatte ich Colpoden, welche in einem Uhrschälchen 1 Genauere Auskunft über die Formverhältnisse der Colpoden findet man in: E. MAupas, »Contribution a l’etude morphologique et anatomique des Infusoires cilies.« Archives de zoologie experimentale et generale. Deuxieme serie. Tome pre- mier. 4883. — Dr. Frıeprıca BLOcHMANN, »Die mikroskopische Thierwelt des Süß- wassers.« II. Theil von: »Die mikroskopische Pflanzen- und Thierwelt des Süß- wassers.« Bearbeitet von Prof. Dr. O. Kırcaner und Dr. F, BLocumann, bevorwortet von Prof. Dr, O. BürscaLı. Braunschweig 1886, 556 Ludwig Rhumbler, isolirt worden waren, mit Karmin gefüttert, um zu ermitteln, ob nicht etwa aufgenommene Karminstückchen bei der Theilung von den Theil- thieren mit übernommen würden. Der Versuch misslang damals — später ist er mir mehrfach gelungen — indem die Thiere das Karmin vor der Bildung der Theilungscyste ausstießen. Dagegen fand ich am 29. August in einem von jenen Thieren, welche eben die aufge- nommenen Karminballen wieder ausgestoßen hatten, die erwähnten hellen Höfe der dunklen Körperchen blassroth gefärbt. Diese Färbung musste augenscheinlich von dem aufgenommenen und wieder ausge- worfenen Karmin herrühren. Sie erschien trotz ihrer Blässe doch so deutlich, dass sie mit den hellrothen Kontouren, welche auch sonst hin und wieder Stoffe verschiedener Dichtigkeit im Infusorienkörper um- grenzen, keinen Augenblick zu verwechseln war; auch habe ich später durch Indigofütterung dieselben Körperchen mit grünlich blauen Höfen umrandet gesehen. Sonst hatte das Karmin keine Nachwirkung im Thierkörper hinterlassen, indem weder der Kern noch irgend ein anderer Theil der helleren Leibessubstanz sich auch nur im geringsten in ihrem gewöhnlichen Aussehen geändert hatten. Es interessirte mich natürlich zu wissen, wie lange diese Färbung andauern und was aus ihr werden würde. Ich verfolgte das Thier desshalb unter dem Mikroskope. Es war offenbar durch den Luftmangel unter dem Deckglase, mit welchem ich es der genaueren Beobachtung wegen bedeckt hatte, sehr ange- griffen und äußerst träge, so dass es nicht allzu schwer selbst bei der starken Vergrößerung (Harrnack Oc. 4 Obj. 8) in dem Gesichtsfelde zu halten war. Ich bemerkte nun, wie die in Frage stehenden, blassrothen Höfe allmählich heller wurden; zugleich aber hatte die Flüssigkeit der pulsirenden Vacuole einen ähnlichen rothen Schein angenommen. Diese Thatsache war nicht schwer zu konstatiren. Die Menge der Flüssigkeit, welche sich in der pulsirenden Vacuole ansammelte, war viel bedeutender als diejenige, welche ein einzelner Hof der fraglichen kKörperchen enthielt, und desshalb war hier die Färbung noch unver- kennbarer, als bei den kleinen Körnchen, wo ich sie zuerst wahrge- nommen hatte. | Ich glaube aber aus dieser Beobachtung folgenden Schluss ziehen zu müssen: da sich die blassrothe Färbung einzig und allein an den dunklen Körperchen vorfand und sonst auch nicht der geringste Schein einer solchen Färbung im ganzen übrigen Infusorienkörper nachweis- bar war, so musste die Färbung der pulsirenden Vacuole nothwendig von den peripherischen Schichten der dunklen Körperchen herrühren, oder mit andern Worten, die dunklen Körperchen hatten zur Füllung der pulsirenden Vacuole Flüssigkeit von ihren Höfen geliefert. | | { | Die versch. Oystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 557 Trotzdem ich mich zu dieser Annahme gezwungen sah, bemerkte ich aber keineswegs, wie man denken sollte, eine Abnahme der hellen Höfe. Es musste also hier die Flüssigkeitsmenge, welche durch die pulsirende Vacuole nach außen getragen wurde, immer wieder durch neue ersetzt werden. Eine Bestätigung dieser Vermuthung fand ich in dem Verhalten der Körnchen und ihrer Höfe während der verschie- denen Cystenbildungen; hier wurde mir auch klar, woher die Ersatz- flüssigkeit der hellen Höfe stamme. Schlossen sich nämlich mit Karmin gefütterte CGolpoden in eine Cystenhülle ein, welche nicht vollständig geschlossen war, sondern eine Kommunikation mit dem äußeren Medina gestattete (vgl. Abschnitt III), so verhielten sich die peripherischen Zonen der in Frage stehenden Körperchen genau wie bei den freilebenden Thieren, d.h. ihre Färbung verschwand allmählich durch die Thätigkeit der pulsirenden Vacuole; trotzdem behielten sie aber ihre Ausdehnung bei. Wenn dagegen die Cystenwand eine Kommunikation mit dem äußeren Wasser nicht zu- ließ (vgl. Abschnitt VI), so nahm zugleich mit der Färbung der peri- pherischen Schichten auch das Volumen derselben zusehends ab. Es hängt also von dem Zutritt des äußeren Wassers ab, ob die helleren Außenzonen der Körperchen durch das Pulsiren der Vacuole an Umfang abnehmen oder nicht. Der Ersatz für die Flüssigkeit, welche die pulsirende Vacuole fortgesetzt den Körperchen entzieht, scheint diesen demnach von dem äußeren Wasser geliefert zu werden, die Körperchen würden also von außen in den Infusorienkörper eindringen- des Wasser aufnehmen und dieses dann wieder zum Auswurfe an die Vacuole übergeben. Es dürfte fernerhin kaum zu bezweifeln sein, dass die röthliche Färbung, welche die helleren Außenschichten der Körperchen nach unsrer ersten Beobachtung von dem Karmin ange- nommen hatten, keine zufällige war; und dass die im Entoplasma ge- legenen Körperchen auch anderen Substanzen, wie z.B. den als Nahrung aufgenommenen Bakterien, bestimmte Stoffe entziehen. Einmal tritt jene Färbung der Höfe bei jeder Karminfütterung ein, ferner aber kommen die Körperchen immer da im Entoplasma am zahlreichsten vor, wo die meiste Nahrung aufgespeichert wird. Wir hätten also neben dem Aufsaugen und Abgeben von Wasser eine in Bezug auf die Nahrungsballen stattfindende Stoffentziehung als Aufgabe der Körper- chen erschlossen, Ich glaube diesen doppelten Vorgang für den Assimilationsakt der Infusorien halten zu dürfen, und zwar scheint in ihm die Ver- dauung und die Athmung in einem Process vereinigt zu sein. Man darf ohne Weiteres annehmen, dass das von außen in den 558 Ludwig Rhumbler, Infusorienkörper eintretende und durch die Vacuole wieder ausge- stoßene Wasser bei seinem Durchtritte durch die Höfe der Körperchen Sauerstoff an diese abgiebt. Bringt man nämlich unsre Thierchen in luftarmes Wasser, wo ihnen der Sauerstoff fehlt, so stoßen sie als- bald ihre Nahrungsballen kurz nach einander aus, und umschließen sich mit einer allseits geschlossenen Cyste, die sie vom äußeren Wasser abschließt (vgl. Abschnitt IV). In dieser Cyste stellen die Höfe der dunklen Körperchen ihre Assimilation ein; es ist dies schon äußerlich am Stillstande der Vacuole zu erkennen; außerdem aber zeigen sie dann auch jene Umänderungen nicht, welche sie, wie wir gleich sehen werden, in den freilebenden Thieren erleiden. Ich werde hinfort die Körperchen inklusive ihrer Höfe »Assimi- lationskörperchen« nennen; die hellen Höfe werde ich »Assimi- lationszonen«, die dunklen Körperchen exklusive ihrer Höfe aber als »Einschlüsse der Assimilationskörperchen« bezeichnen. Was wir über die Natur der Assimilationskörperchen feststellen konnten, galt allein für ihre helleren Höfe, so dass ich den Ausdruck » Assimilationszone« nicht des Weiteren zu rechtfertigen brauche. Warum ich den dunkleren, central gelegenen Bestandtheil der Assimi- lationskörperchen Einschluss genannt, wird aus dem Nachstehenden klar werden. Im Laufe meiner weiteren Beobachtungen über die Assimilations- körperchen der CGolpoden wurde ich eine neue Erscheinung gewahr: es verschwanden nämlich nach Verlauf einer gewissen Zeit die Assimi- lationszonen. Sie werden von dem Entoplasma des Infusorienkörpers gleichsam aufgelöst, wie ich mich manchmal überzeugen konnte, wenn die verschwindende Assimilationszone noch nicht durch das Athem- wasser völlig entfärbt worden war, das Entoplasma ließ dann an jenen Stellen eine leichte blassrothe Färbung erkennen. Die Einschlüsse der Assimilationskörperchen zerfallen dann in kleine Krümel, welche von der pulsirenden Vacuole nach außen geschleudert werden. Es fanden sich in meinen Colpoden fast immer solche in Zerfall begriffene Einschlüsse, so dass ich glauben muss, dass hier ein Process vorliegt, der im lebenden Infusorienorganismus andauernd vor sich geht. Ehe ich auf die Natur und chemische Beschaffenheit der dunkleren Einschlüsse, welche sich in den Assimilationskörperchen finden, näher eingehe, will ich einen kurzen, keine Vollständigkeit beanspruchenden Bericht über die bisherige Kenntnis der Assimilationskörperchen vor- ausschicken. | Die Assimilationskörperchen sind schon vor langer Zeit beobachtet un . Die versch. Oystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt, Golpoda. 559 worden, STEIN hat sie Anfangs für Fettkörperchen gehalten, später aber der Vermuthung Raum gegeben, sie möchten Harnkörperchen vorstellen, welche von Zeit zu Zeit nach außen mit den Fäces entleert würden!. Dass die fraglichen Körperchen nicht aus Fett bestehen, hat 1855 AuergacH Schon nachgewiesen ?. WRZESNIowskI vermuthet ebenfalls in ihnen Harnkonkremente?, BürscaLı endlich äußert sich über dieselben in seinem Protozoenwerke® folgendermaßen: »Ihre Färbung ist gewöhn- lich etwas dunkel, mit einem Stich ins Gelblichbraune oder Oliven- farbige. Meist bieten sie ziemlich wechselnde, unregelmäßige Formen dar, doch ist für ihre Bedeutung noch besonders charakteristisch, dass sie gar nicht selten auch in krystallinischer Gestaltung auftreten können, und zwar scheinen sie rhombisch zu krystallisiren, vorzugs- weise in Pyramiden oder Kombinationen, in welchen eine Pyramide vorherrscht. — Ihre Unlöslichkeit in Alkohohl und Äther, sowie ver- dünnten Mineralsäuren, ihre Löslichkeit dagegen in koncentrirten Säuren und Alkalien schließt ihre Fettnatur aus; Aurrsıca vergleicht sie den Dotterplättchen des Fischeies, ich halte es hingegen, wie ich dies auch schon früher ausgesprochen habe, für das Wahrscheinlichste, dass wir es hier mit einem Endprodukt des Stoffwechsels zu thun haben. Da die chemische Natur dieser bei den Protozoen überhaupt sehr verbreiteten Körperchen mit Sicherheit noch nicht festgestellt worden ist, so bleibt es bis jetzt nur Vermuthung, in ihnen, wie ich gethan, ein oxalsaures oder, wie Entz will, ein harnsaures Salz anzu- nehmen. Ihre bei Infusorien häufig sehr eigenthümliche, büschelig krystallinische Beschaffenheit hat mich hauptsächlich im Hinblick auf ähnliche Krystallbildungen oxalsaurer Salze zu der ausgesprochenen Vermuthung veranlasst. Die große Verbreitung dieser von mir mit dem Namen Sekretkörnchen (wohl besser Exkretkörnchen) belegten Einschlüsse bei den Protozoen überkaupt lässt auch wohl mit Recht vermuthen, dass sie bei den marinen Rhizopoden eben so häufig sein werden, wie bei den Süßwasserformen.« Ich kann nun diese Vermuthungen über den chemischen Bestand der Einschlüsse, welche sich in dem Assimilationskörperchen finden, 1 FRIEDRICH STEIN, Der Organismus der Infusionsthiere, nach eigenen For- schungen in systematischer Reihenfolge bearbeitet. I. Abth. p. 68. Leipzig 1859. 2 „Über die Einzelligkeit der Amöben«, von LEOPOLD AUERBACH, Diese Zeitschr. Bd. VII. 3 Aug. Wrzesnıowskı, » Beobachtungen über Infusorien der Umgebung von Warschau.« Diese Zeitschr. Bd. XX. p. 493. | * H. G. Brons’s »Klassen und Ordnungen des Thierreichs.« I. Bd. Protozoa. Neu bearbeitet von O. Bürscati. p. 404, 5 Diese Zeitschr. Bd. XXX. 560 Ludwig Rhumbler, dahin ergänzen und bin durch chemische Reaktionen zur Gewissheit gekommen, dass die fraglichen Einschlüsse aus Harnsäure bestehen. Ich setzte einem Objektträger mit großen Stylonichien — sie waren ihrer Größe wegen zu dem Versuche geeigneter als Colpoda, enthalten außerdem auch eine größere Menge von Assimilationskörperchen — Salpetersäure zu und erhitzte nun den Objektträger so lange, bis alle Säure verdampft war. Die Thiere waren dann dem Objektträger auf- getrocknet und hatten durch die Einwirkung der Salpetersäure eine hellgelbe Färbung angenommen. Bei starker Vergrößerung (Harr- nAck, Immers. XI) sah man jedoch die Einschlüsse der Assimilations- körperchen in einem deutlichen Gelbroth sich von ihren hellgelb ge- färbten Höfen und den übrigen ebenfalls hellgelb erscheinenden Körper- theilen des Infusors klar abheben. Setzte ich nun eine ziemliche Menge von Kalilauge dem Objektträger zu, so lösten sich alle hellgelben Be- standtheile des Thieres, also auch die Höfe der Assimilationskörperchen, bald auf. Die gelbroth gefärbten Einschlüsse der Assimilationskörper- chen aber hatten sich eklatant blau gefärbt und blieben allein ungelöst zurück. Wenn ich den mit Salpetersäure eingedampften Thieren an Stelle der Kalilauge Ammoniak zusetzte, so färbten sich die Körperchen roth — doch gelang mir diese Reaktion weniger gut, weil sich die Ver- wandlung des Gelbroths in Roth unsicherer beobachten lässt, als die Umwandlung des Gelbroth in Blau. Beide Reaktionen! dokumentirten aber die Einschlüsse der Assi- milationskörperchen als Harnsäure?. Die Höfe der Assimilationskörperchen verhielten sich, wie wir ge- sehen haben, bei diesen Reaktionen genau wie die übrige Körpermasse des Thieres; ichmöchte desshalb annehmen, dass sie auch aus demselben Stoffe wie diese bestehen. Und zwar glaube ich, dass die Höfe der Assimilationskörperchen jüngeres Protoplasma enthalten; ich stütze mich in dieser Beziehung auf Beobachtungen von verschiedenen For- schern und auf eigene Erfahrung. Conn hat an Chlamydococcus ob- tusus folgende Beobachtung gemacht: »Brachte er eine Anzahl dieser Thiere in einen Tropfen Karminlösung unter die feuchte Kammer und ließ er sie dort einige Tage, so hatten die dunklen Körperchen, welche 1 Vgl. L. Hermann, »Grundriss der Physiologie des Menschen.« p. 28. Berlin 1874. 2 Stylonichia lebt vom Raube anderer Infusorien. Die Golpoden nähren sich ausschließlich von Bakterien. Man könnte desshalb eine Verschiedenheit der Einschlüsse ihrer Assimilationskörperchen vermuthen, doch verhalten sich beider- lei Einschlüsse gegen alle anderen Reaktionen und Färbemittel so entsprechend, dass eine solche Annahme nicht viel Wahrscheinlichkeit hat. — Die Ausschlag gebende Reaktion konnte leider nur an Stylonichia vorgenommen werden. Die versch. Cystenbildungen u. die Entwieklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 561 sich im mittleren Körperraum von Chlamydococcus finden und unseren Assimilationskörperchen äquivalent sind, eine lebhafte rothe Färbung angenommen. Die neugebildeten Theilwände hatten sich ebenfalls schön roth gefärbt und waren mit mehreren rothen Körnchen erfüllt; die konvexen, nach außen gekehrten Rückenflächen dagegen hatten ihre gewöhnliche Farbe, welche grün ist, nicht geändert!. Genau dieselbe Beobachtung habe ich an Colpoda cucullus gemacht (vgl. p. 569), ich werde sie bei Besprechung der Theilungsvorgänge genauer mittheilen. Es haben sich also bei den Untersuchungen von Coan und, wie wir später sehen werden, bei den Karminfütterungs- versuchen, welche ich mit Colpoda ceucullus anstellte, die Assimi- lationskörperchen in Bezug auf die Annahme von Karmin genau so verhalten, wie das Protoplasma der neugebildeten Theilwände. Ich gehe aber weiter und bin nach Beobachtungen von Stein und eigener Erfahrung der festen Überzeugung, dass das Protoplasma der Theil- wände von den Protoplasmahöfen der Assimilationskörperchen stammt. Stein? hat im Entoplasma von sich theilenden Stylonichien die körnigen Ablagerungen unserer Assimilationskörperchen überall da schwinden sehen, »wo die ersten Anfänge zu neuen Wimpersystemen hervorwachsen«; nach meiner Anschauung haben sich eben da die Assimilationskörperchen aufgelöst. Ich kann zu dieser Beobachtung Sıein’s hinzufügen, dass ich manchmal die Harnsäure in feinen Krümeln aus den Gegenden, wo die Cilienneubildung im sich theilenden Stylo- nichiakörper stattfand, habe austreten sehen; sie wurden dann von der Vacuole nach außen geworfen. Es scheint also, dass überall da, wo Neubildungen im Infusorien- körper geschaffen werden, die Assimilationskörperchen den Baustoff liefern müssen. Wenn ich jetzt noch einmal zusammenfassen darf, was ich in Be- zug auf die im Entoplasma der Infusorien und wohl der Monoplastiden überhaupt verbreiteten Körperchen ermittelt zu haben glaube, so ist es kurz Folgendes: 1) Die Körperchen stehen im Dienste der Assimilation, das heißt, sie bilden die brauchbaren Stoffe der aufge- nommenen Nahrung in Protoplasma um‘. 1 FERDINAND Coan, »Bemerkungen über die Organisation einiger Schwärm- zellen.« in: Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben von Conn. Bd. 11. 4. Heft. p. 144, 2 FRIEDRICH STEIN, Der Organismus etc. Abth. I. p. 151. ® Die unbrauchbaren Stoffe werden natürlich per anum ausgestoßen. 562 Ludwig Rhumbler, 2) Die Assimilation kommt nur unter Beihilfe von sauerstoffhaltigem Wasser zu Stande, das von außeniin den Infusorienkörper aufgenommen wird, die hellen Zonen der Assimilationskörperchen durchsetzt und dann nach Abgabe des Sauerstoffs (Athmung) wieder von der Vacuole nach außen geworfen wird. Sie sistirt bei Sauer- stoffmangel gänzlich (vgl. Abschnitt IV). 3) Die Assimilationskörperchen geben ihr assimilirtes Protoplasma zum Zwecke von Neubildungen und zum Zwecke des weiteren Wachsthums an das übrige Ento- plasma desInfusorienkörpers ab. 4) Als Endprodukt des Stoffwechsels scheiden sie in ihrem Inneren Harnsäure ab, welche sich dort anhäuft und sie (die Assimilationskörperchen) schließlich zum Zerfall bringt. 5) Bei dem Zerfall der Assimilationskörperchen wird ihre äußere Protoplasmazone wiederum an das Ento- plasma abgegeben, die Krümel der zerfallenen Harnsäure aber werden durch die pulsirende Vacuole nach außen geworfen. 6) Die pulsirende Vacuole hat eine doppelte Aufgabe. Einmal schafft siedas Nebenprodukt der Assimilation, die Harnsäure, nach außen; dann aber bewirkt sie die Durch- fuhr des sauerstoffhaltigen Wassers durch den Infusorien- - organismus. Sie ist also gleichzeitig Exkretionsorgan und ein die Respiration vermittelndes Organ. 7) Assimilation und Athmung sind hier in einem Processe vereinigt. III. Die Theilungscysten der Colpoden. Wenn man eine längere Reihe von Golpoden unter dem Mikroskope durchmustert, wird man bald unter den munter sich umhertummelnden Thierchen solche wahrnehmen, welche sich nur mühsam fortbewegen und ihre sonst mehr oder weniger geradlinigen Bewegungen von Zeit zu Zeit durch eine träge Rotation ihres Körpers unterbrechen. Solche Thiere stehen im Begriffe sich zu theilen; wie schlaftrunken taumeln sie umher, bis sie an eine Stelle gekommen sind, die ihnen vor der Strömung oder sonstigen Störung Schutz zu bieten vermag, ein Bakterienhaufen etwa, der sich in dem fauligen Nährwasser an irgend einer Stelle des Objektträgers festgeheftet hat. In diesen Bakterien- haufen dringt nun das Thier ein — oft liegt schon eine große Zahl Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 563 fertiger Theilungseysten dort, zwischen denen es sich durchzwängt. Nun wird die geradlinige Bewegung ganz aufgegeben; das Thier zieht sein Kopfende in den Leib ein und nimmt in Folge dessen eine mehr oder weniger ellipsoide bis kugelförmige Gestalt an. In dieser Form rotirt es jetzt, ohne sich vom Platze zu bewegen und beginnt an seiner ganzen Oberfläche eine gelatinöse Masse auszuscheiden, welche all- mählich zu einer festen, strukturlosen Cyste erhärtet. Die pulsirende Vacuole schlägt hierbei immer in ihrem gewöhn- lichen Tempo fort, so dass genau eine viertel Minute zwischen je zwei Expulsionen verstreicht, wie zahlreiche Bestimmungen ergaben, welche ich an verschiedenen Individuen vornahm. Dabei bin ich ferner auf eine merkwürdige, bisher meines Wissens noch nie beobachtete Er- scheinung aufmerksam geworden, welche für diese Art von Cyste nicht ohne Bedeutung ist. Es änderte nämlich trotz aller Rotationen die pulsirende Vacuole ihre Lage in der Gyste nicht, sondern blieb immer an demselben Pole der Cyste liegen und kam hier zur Entleerung. Gleichzeitig fiel mir aber auf, dass außerhalb der ausgeschiedenen Cyste die Bakterien sich jedes Mal merklich bewegten, sobald die pul- sirende Vacuole ihren Inhalt ausstieß — es musste hier also eine Öffnung in der Cystenwand vorhanden sein, durch welche das ausströmende Vacuolenwasser nach außen geschleudert wurde und dort die Bakterien in Bewegung setzte. Es ist dies in der That der Fall; ich konnte diese Öffnung späterhin bei günstig gelegenen Cysten mehrfach kon- statiren (Fig. 2—A, 6—10). Beiderlei Erscheinungen, das Verbleiben der pulsirenden Vacuole an dem einen Cystenpole und das Vor- handensein der Cystenöffnung stehen aber (wie weitere, darauf ge- richtete Beobachtungen ergaben) in direktem, ursprünglichem Zu- sammenhang. Die pulsirende Vacuole ist bei den Colpoden am hinteren Ende der Körperlängsachse gelegen. Die Thierchen rotiren aber, wenn sie ihre Theilungsceyste auszuscheiden beginnen, nicht um irgend beliebige Achsen, sondern anfänglich einzig und allein um jene Körperlängsachse. Dadurch kommt aber die Vacuole an den einen Pol der Rotationsachse zu liegen und ändert ihre Lage nicht, wie schnell auch die Rotation erfolgen mag; dadurch wird fernerhin auch die Bildung der Cysten- wand durch das an derselben Stelle andauernde Ausströmen des Vacuolenwassers verhindert und es entsteht dort eine entsprechende Lücke, die erwähnte Cystenöffnung. Sie wird, wie wir späterhin sehen werden, von den voll ausge- bildeten Theilthieren zum Ausschlüpfen benutzt, vorerst hat sie nur j den Zweck, das Vacuolenwasser nach außen hindurchzulassen und ee 964 Ludwig Rhumbler, umgekehrt dem äußeren Wasser den Zutritt zu den in die Cyste ein- geschlossenen Thieren zu ermöglichen. Sie ist an den länglich ovalen Cysten bei genauerer Beobachtung meist deutlich sichtbar, und liegt hier immer an einem Ende des Längsdurchmessers. Jedes Mal ist sie aber durch langsam wirkende Färbemittel, verdünntes Pikrokarmin etc., in der Art nachweisbar, dass man die Farbe allmählich durch die Öff- nung in den Cysteninhalt vordringen sieht. Ich muss hier noch erwähnen, dass, wie bereits Stein! beobachtete, unsere Thiere auch in Ruhe liegend, also ohne zu rotiren, Theilungs- cysten auszuscheiden vermögen. Dabei bleibt ja ebenfalls die Vacuole an derselben Stelle liegen, was natürlich so gut wie im ersten Falle die Bildung einer Cystenöffnung bedingt. Die Richtung der Rotation kann übrigens häufig und fast momentan wechseln. Ich beobachtete darüber Folgendes während der Bildung einer ovalen Theilungseyste: Das Thier rotirte zuerst zweimal links um seine Längsachse, dann ohne jeden Stillstand viermal rechts und wieder dreimal links. So wechselte es seine Drehungsrichtung im Ganzen achtmal, wobei es ungefähr dreißig Umdrehungen ausführte, deren Verlauf leicht an einem Nahrungsballen festgestellt werden konnte, welcher im Inneren des Thieres lag. Während dieser dreißig Drehungen schien sich die Öffnung in der Cystenwand genugsam gefestigt zu haben, denn nunmehr wechselte unsre Colpoda die Achsen, um welche sie sich drehte, fort und fort, so dass die pulsirende Vacuole nun nicht mehr vor der Öffnung liegen blieb, sondern ihre Systole an den verschiedensten Stellen der Hülle erfolgte, ohne dass letztere dabei durchbrochen wurde. Wenn das Thier gerade günstig lag, so dass man die pulsirende Vacuole im Profil sah, konnte man bei scharfem Hinsehen bemerken, wie die ausge- stoßene Vacuolenflüssigkeit den Körper von der Cystenhülle gerade noch merkbar abhob; sie drängte sich eben zwischen Cystenwand und Körper hindurch, um durch die vorher gebildete Cystenöffnung ins äußere Medium zu gelangen. Dieser Vorgang verlief also eben so, wie ihn BürscaLı bei der Vacuolenentleerung der in einer Hülse einge- schlossenen Acineta mystacina beschrieben hat. Die Rotation um die ständig wechselnden Achsen kann mehrere Stunden andauern und wird manchmal von längeren oder 1 FRIEDR. STEIN, »Die Infusionsthiere auf ihre Entwicklungsgeschichte unter- sucht.« p. 21. 2 BürscaLı, »Über Dendrocometes paradoxus Stein, nebst einigen Bemerkungen über Spirochona gemmipara und die kontraktilen Vacuolen der Vorticellen.« Diese Zeitschr. Bd. XXVII. Die versch. Oystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt, Colpoda. 565 kürzeren Ruhepausen unterbrochen. Überhaupt lassen sich keine be- stimmten Angaben über Dauer und Richtung der Rotation machen; sie wechseln von Fall zu Fall, ohne nachweisbaren Einfluss der ver- schiedenen Größen der Thiere. Das Eine aber ist Regel, dass nach der Rotation um die ständig wechselnden Achsen eine längere Ruhepause eintritt, in welcher die Rotation des Thieres aufhört. An ihre Stelle tritt dann eine Cirkulation der Assimilationskörperchen und der etwa vorhandenen Nahrungsballen im Inneren des Thieres. Ich nenne diese Ruhepause die »Hauptpause«, weil sie im Gegensatz zu den anderen Pausen, die auf jedem Stadium dieser Veränderungen in scheinbar be- liebiger Länge auftreten können, einen Abschnitt in der Veränderungs- reihe der sich theilenden Thiere bedeutet. Die Hauptpause hat ihren Grund darin, dass nach Erhärtung der Cyste die Cilien des Thieres allmählich geschwunden sind, wenigstens lassen sich selbst bei An- wendung aller optischen und chemischen Hilfsmittel jetzt keine Gilien mehr nachweisen. Stein lässt sie schon vor der CGystenausscheidung verschwinden; ich habe sie aber fast immer bis zur Hauptpause in der Cyste durch Zusatz von Alkohol oder Essigsäure nachweisen können. Während nun in der Hauptpause die Cirkulation der Assi- milationskörperchen anhebt, beginnt der eigentliche Theilungs- process. Bei länglich ovalen Cysten, die durchaus keine Seltenheit sind, habe ich niemals eine andere als Zweitheilung gefunden, bei den kugelrunden Cysten ist eine Viertheilung häufiger, direkte Achttheilung habe ich so wenig, wie Stein und Mauras, beobachtet; wenn achttheilige Cysten auftreten — und sie kommen vor -— so sind sie erst sekundär entstanden (vgl. p. 584). Die Theilung beginnt mit einer Einschnürung der äußeren Körperwand; bei den länglich ovalen Cysten liegt diese Einschnürung immer in dem Äquator, dessen Ebene senkrecht auf der Längsachse des Thieres steht; ich schließe daraus, dass auch in der kugel- runden Cyste die Theilung in der Äquatorebene des Thieres geschieht. Die Viertheilung erfolgt daher wahrscheinlich in der Äquatorialebene und einer sie schneidenden Meridionalebene; so entstehen dann vier gleiche ' Theilstücke, die sich meist nach den Ecken eines Tetraeders geordnet darstellen, so dass ein unteres Theilthier durch die übrigen verdeckt wird (Fig. 4). Bei der Zweitheilung haben wir also eine gewöhnliche ' Quertheilung, bei der Viertheilung eine kombinirte Quer- und Längs- ‚ theilung vor uns; erstere ist bei den Infusorien eine gewöhnliche Er- ‚ scheinung, und hier nur durch die Cystenbildung modificirt, die Vier- theilung aber kommt nur bei wenigen holotrichen Infusorien! vor, 1 Außer bei Colpoda bei den Ophryoglena-Arten ziemlich häufig. 966 Ludwig Rhumbler, und ist, so viel mir bekannt ist, dann immer mit Cystenbildung ver- knüpft; bei den Flagellaten ist diese Theilungsart dagegen weit ver- breitet. Anfänglich ist die Einschnürung am lebenden Thiere nicht sicht- bar; erst später, wenn sie schon weiter fortgeschritten ist, wird sie durch eine ziemlich breite, aus hellem Protoplasma bestehende Zone dem beobachtenden Auge kenntlich. Die Assimilationskörperchen haben hier ihr Protoplasma abgegeben; ihre Harnsäure ist durch die pulsirende Vacuole entfernt worden. Doch auch vor dem Auftreten dieser Proto- plasmazone zeigt die Behandlung der Thiere mit Essigsäure, sowie plötzliches Eintrocknen derselben die beginnende Einschnürung sehr deutlich. Sie geht der Theilung des Kernes voraus, wie man sich an mit Essigsäure-Karmin behandelten Thieren leicht überzeugen kann. Übrigens kann man die begonnene Einschnürung selbst am lebenden Thiere jetzt schon errathen, wenn man die Wege der cirkulirenden Assimilationskörperchen genau verfolgt. Diese durchwandern den Körper des Thierchens in allen möglichen Richtungen, wenn sie aber an die Körperwand kommen, gleiten sie an derselben hin, ohne sich von ihr zu entfernen. Im Äquator des Thieres aber, also da, wo die Einschnürung auftritt, sieht man die Assimilationskörperchen von ihrem Laufe längs der Körperwand plötzlich nach dem Centrum der Äquator- ebene umbiegen. Sind sie dort angelangt, so treten sie in die andere Theilhälfte des Thieres über und setzen dort ihre Wanderung fort (Fig. 8). In der Mitte der Durchschnürungsebene bleibt also die Kom- munikation zwischen den Theilthieren am längsten bestehen und hier drängen sich auch noch längere Zeit, wenn die blasse Zone schon ziem- lich breit ist, die Assimilationskörperchen des einen Theilthieres in das andere Theilthier hinüber und umgekehrt (Fig. 8). Es tritt also hier dieselbe Erscheinung ein, wie sie von GRUBER ! und SCHEWIAKOFF? bei der Theilung von Euglypha beobachtet und von Weısmann als eine Einrichtung zur vollständigen Gleichmachung der Theilthiere erklärt worden ist. Auch bei der Viertheilung bleibt die Kommunikation der Theilthiere in der Mitte der scheidenden Wände am längsten erhalten; doch lässt sie sich hier weitaus schwieriger verfolgen, weil das Auge die vier, sich wechselweis kreuzenden Ströme nicht leicht aus einander zu halten vermag. 1 Auscust GRUBER, »Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata.« Diese Zeit- schrift. Bd. XXXV. p. 434. 2 WLADIMIR SCHEWIAKOFF, »Über die karyokinetische Kerntheilung der Eu- glypha alveolata. Morphologisches Jahrbuch, herausg. von C. GEGENBAUR. Bd. XIII. p. 203. Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 567 Auch die Cirkulation der Assimilationskörperchen zeigt in ihrer Geschwindigkeit große Schwankungen, sie erfolgt bald schneller, bald langsamer, hört oft ganz auf, tritt dann wieder mit erhöhter Energie in Erscheinung, um schließlich, stufenweise abnehmend, endgültig zur Ruhe zu kommen. Der Kern hat sich mittlerweile in die Länge gestreckt, in der Mitte eingeschnürt und die beiden Kernhälften ragen schon mehr oder weniger weit in die für sie bestimmten Theilthiere hinein. Nachdem die Assimilationskörperchen zur Ruhe gekommen sind, liegen die halbgetrennten Thiere in unthätiger Ruhe da, nur die Vacuo- len pulsiren in ihrem alten Tempo von je ein viertel Minute Zwischen- zeit. Jedes Theilthier hat auf einem nicht näher bestimmbaren Stadium des geschilderten Vorganges eine eigene Vacuole erhalten. Dieselben scheinen in der Regel als Neubildungen in den Theilthieren zu ent- stehen; öfters gewann ich aber den Eindruck, als ob die anfängliche ' Vacuole sich in die Länge gestreckt und dann in zwei aus einander ge- flossen sei!. In solchen Fällen rückte dann die zweite Vacuole, ohne ihre Kontraktionen einzustellen, in das andere Theilstück des eneystir- ten Thieres. Die Vacuolen der Theilthiere beginnen ihre Kontraktionen nicht gleichzeitig, sondern zu verschiedener Zeit, doch zeigen sie alle die gleiche Dauer. Sobald die neuen Vacuolen fertig gebildet sind, die Tochterkerne ihre definitive Lage in den Theilthieren eingenommen und die Assimi- lationskörperchen ihre Wanderungen eingestellt haben, zeigt sich auf der Oberfläche des eneystirten Thieres eine eigenthümliche zitternde Bewegung, die alsbald an Intensität zunimmt und in der Neubildung der Cilien ihren Grund hat. Diese schreitet rasch voran; bald sind die Wimpern vollständig ausgebildet und beginnen ein lebhaftes Spiel, das ' den ganzen Cysteninhalt in einheitliche Bewegung versetzt. Während ‚ dieser neuen Rotation kommt die vollständige Trennung der Theilindi- viduen dadurch zu Stande, dass die um den Körper laufende ring- förmige Einschnürung in eine vollständige Durchschnürung übergeht. Nach der Trennung der Theilthiere hört die einheitliche Bewegung des Gysteninhaltes auf, und jedes Thier bewegt sich nun nach eigener Wahl, was besonders bei den viertheiligen Gysten ein anziehendes Schau- ‚ spiel darbietet. Oft bewegen sich nur zwei Theilindividuen im Kreise um ihre beiden anderen Genossen, dann schließen sich auch diese der 1 Kress hat bei den Euglenen eine ähnliche Theilung der Vacuolen beob- ‚ achtet. Vgl. Gror« Kıess, »Organisation einiger Flagellatengruppen und ihre Be- | ziehungen zu Algen und Infusorien. « in: Er hmen aus dem botan. Institut ‚, zu Tübingen. p. 251. | Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 38 568 Ludwig Rhumbler, bisweilen stürmischen Bewegung an. Dann wieder ruht das eine, und wird nun von den anderen in der Cyste hin- und hergeschoben; fort- während wechselt das Bild. Dabei ist die Gyste so eng, dass man oft- mals Mühe hat, die einzelnen Thierchen zu unterscheiden. Sie scheinen sich selbst in ihrem engen Gelasse nicht mehr wohl zu fühlen, denn fort und fort sieht man eins der Thierchen den Versuch machen, durch die Cystenöffnung, deren Entstehung ich oben geschildert habe, -in das äußere Medium hinauszuschlüpfen. Da die Öffnung kaum halb so breit ist als das Thier, muss es sich mühsam durchzuzwängen suchen. Dank seiner Elastieität und dem Umstande, dass auch die Cystenwand etwas nachgiebt und vielleicht gar reißt, glückt es ihm endlich doch. Die übrigen Theilthiere haben es jetzt leichter in das Freie zu gelangen, nachdem das erste die Cystenöffnung erweitert hat; nach kurzer Zeit eilen auch sie als vollendete Colpoden durch die Öffnung in das Freie. Die Stärke der Cyste ist sehr verschieden. Oft ist sie so dünn- wandig, dass man Mühe hat, sie zu erkennen (ganz fehlte sie während der Theilung nie in den vielen, von mir beobachteten Fällen), in sol- chen Fällen verharren die Thierchen nur noch kurze Zeit nach ihrer Trennung in derselben. Je diekwandiger sie ist, desto schwerer wird es den Thieren die Freiheit zu erlangen; bis dann durch die fort- dauernden Bemühungen die Öffnung weiter aufreißt und sie freilässt. Während des ganzen eben geschilderten Theilungsvorganges zeigen sich keinerlei eingreifende Veränderungen im Bau des Thieres. Der vorübergehende Schwund der Cilien kann als solche nicht angesehen werden, da es bekannt ist, dass auch bei anderen Infusorien die Cilien wenigstens theilweise verschwinden, wenn sie sich theilen, und dass sie trotzdem wie ihre ungetheilten Artgenossen frei umherschwimmen, Nahrung aufsammeln, überhaupt keine Lebensäußerung vermissen lassen, die ihnen im gewöhnlichen Zustande zukommt. So ist es auch bei den Colpoden, nur dass ihnen in der Cyste die Nahrungsaufnahme während der Dauer der Theilung unmöglich gemacht ist. Sie nehmen desshalb meist zahlreiche Nahrungsballen in ihrem Innern mit, ehe sie sich in die Cyste einschließen. Ich habe oft Theilungscysten gefunden, deren Thiere mit Nahrungsballen so dicht erfüllt waren, dass ich selbst nach Anwendung von Essigsäure den Kern nicht zu Gesicht bekommen konnte. Auch geht die Verdauung während der Theilung ruhig fort, denn ich habe manchmal während dieser Periode Nahrungsreste aus- stoßen sehen; sie lagen dann in der Cyste zwischen den Thieren, wur- den anscheinend auch häufiger von den Bewegungen derselben durch die Cystenöffnung hinausgestoßen. Auch der Assimilationsvorgang, wie ich ihn vorhin beschrieben habe, nimmt in den sich theilenden Thieren | 1 Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch, der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 569 seinen ungestörten Verlauf; feine Harnsäurekrümel kann man bei starker Vergrößerung häufiger in der Vacuolenflüssigkeit wahrnehmen. Mit Karmin gefütterte Thiere behielten nicht selten die aufgenom- menen Karminballen während der Theilung zurück, oder stießen sie auch in der Cyste allmählich aus. Die Assimilationskörperchen hatten dann wieder ihre rothen Höfe erhalten, eben so war die blasse Proto- plasmazone, welche die Einschnürung einleitet und begleitet, gerade wie später die durch die Theilung neu gebildeten Wände selbst, mit einem röthlichen Anflug versehen (vgl. p. 561). Auch die ausgeschie- dene Cystenwand erschien öfters roth gefärbt. Die Theilung der Colpoden scheint von äußeren Verhältnissen be- günstigt, bezüglich zurückgehalten zu werden. Ich habe die Beobach- tung gemacht, dass sich Morgens in der Regel größere Mengen von Cysten mit Theilthieren auffinden lassen, als gegen Mittag oder Abends. Die andauernde Dunkelheit der Nacht scheint sie also zur Theilung geneigter zu machen, als die Helle des Tages. Ich setzte, um dieses weiter zu prüfen, Kulturen von Colpoden längere Zeit ins Dunkle und fand darin auch bald eine große Zahl von Theilungseysten, welche vor- her vollständig gefehlt hatten, doch mag dies Ergebnis auch andere Ursachen als den Lichtmangel gehabt haben, denn der Versuch wurde nicht wiederholt. Andererseits mag auch länger andauernde Wärme die Theilungsfähigkeit der Colpoden bis zu einem gewissen Grade er- höhen. Nahrungsarmes Wasser ist für die Theilung der CGolpoden un- günstig; destillirtes bringt sie zu schnellem Zerfalle. IV. Die Dauercysten. Die Colpoden besitzen die Eigenschaft, gallertige Hüllen, d. h. Cysten, abzuscheiden in einem sehr ausgedehnten Maße. Diesem Um- stande ist es sicher zu verdanken, dass die Colpoden eine so weit gehende und oft ungeheuer schnelle Verbreitung finden. Denn, indem sie sich mit einer Gyste umkleiden, wenn das Wasser, in welchem sie sich befinden, zu verdunsten beginnt, können sie sich außerhalb jeden Wassers bis zu drei Wochen in gewöhnlicher Luft, in feuchter gewiss ‚noch länger, lebensfähig erhalten, um dann, vom Winde an ein Wasser getragen, aus ihrer Ruhe wieder zu erwachen. Der Bau einer solchen , »Dauereyste« unterscheidet sich von demjenigen einer Theilungs- .eyste wesentlich darin, dass ihm die charakteristische Öffnung der letz- .teren fehlt. ‘Dies erklärt sich aus der Entstehung der Daun, welche leicht künstlich herbeizuführen ist. Ich ließ das Wasser durch Auflegen größerer Er ekcben 38* 970 Ludwig Rhumbler, auf dem Objektträger (vgl. p. 552), auf welchem sich zahlreiche Colpo- den befanden, allmählich verdunsten; wenn die Austrocknung zu schnell vor sich geht, zerfallen die Thierchen und trocknen zu unkennt- lichen Leichen ein. Auch müssen dem Deckgläschen feine Glasfäden unterlegt werden, um die Thiere durch den Druck, welcher beim Schwinden des Wassers durch das Deckgläschen ausgeübt wird, nicht zu beschädigen. Sobald nun die Austrocknung begann und die Luft vom Rande des Deckgläschens nach dem Inneren des Präparates lang- sam vordrang, fingen die Thiere, welche vorher in gewöhnlicher Weise umhergeschwommen waren, wie geängstigt hin und her zu jagen an. Indem sie dabei mehr und mehr zusammengedrängt werden, stoßen sie häufiger als sonst auf einander, um dann in hastiger Eile ihre planlose Flucht fortzusetzen. Gleichzeitig suchen sie sich der belastenden Nah- rungsballen, welche sie vor dem Eintritte der Störung aufgenommen hatten, zu entledigen. Ich beobachtete ein Thier, das kurz hinter ein- ander sieben solcher großen Nahrungsballen ausstieß, als ihm Austrock- nung drohte. | Plötzlich lassen dann die Thierchen von ihrem hastigen Hin- und Herschießen ab und drehen sich oft mehrere der zusammengedrängten Thierchen gleichzeitig um eine ihrer Körperachsen. Die Rotation ist viel rascher als diejenige, welche die Theilung einleitet, sie erfolgt von vorn herein um ständig wechselnde Achsen. Während dessen kontra- hirt sich das Tbier zu einer vollständigen Kugel, und scheidet an seiner Peripherie die gelatinöse Masse aus, die im weiteren Verlaufe zur Cyste erhärtet. Das Pulsiren der Vacuole ist Anfangs noch regelmäßig; sie bleibt aber nie längere Zeit an demselben Orte liegen, so dass sie in der abgeschiedenen Cyste keine Öffnung verursacht. Zuerst ist die Cystenhülle noch so weich, dass das ausgestoßene Vacuolenwasser unbehindert durch sie durchtreten kann. Später nach der Erhärtung der Cyste verlangsamt sich der Pulsschlag der Vacuole zusehends und hört schließlich ganz auf, sobald die Cystenwand ihre volle Festigkeit erreicht hat. Sie ist dann in der Regel, wie dies schon mehrfach durch frühere Beobachter von anderen Infusorien mitgetheilt worden ist, am oberen, d. h. dem Beobachter zugekehrten Pole der Cyste in dilatirtem Zustande sichtbar. Sie ist nicht mehr kreisrund, sondern liegt in un- regelmäßiger, sternförmiger Gestalt starr in der ruhenden Körpermasse des encystirten Thieres (Fig. 12 und 135, V). Sie kann aber auch zu- sammengesunken sein und ist dann absolut nicht mehr zu erkennen. Hat die pulsirende Vacuole ihren Schlag eingestellt, d. h. ist die Cysten- wand völlig erhärtet, dann ändert sich nichts mehr an dem äußeren Aussehen der Dauereysten. Am oberen Pole ist die starr gewordene Die versch, Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 571 Vacuole zu sehen; um sie herum liegt die hellgraue Körpermasse des Thieres, in der man die Assimilationskörperchen noch auf das Deut- lichste zu erkennen vermag (Fig. 12, 13a, 135). Die Cilien sind auch hier, kurz vor der Erhärtung der Gyste und der Erstarrung der Vacuole, in den Körper eingezogen worden. Solche Dauercysten, die mit sehr verdickten Wänden versehen sind, habe ich nie ausschlüpfen sehen, wenn ich sie in dem Wasser, in welchem sie sich gebildet hatten, liegen ließ, selbst wenn ich sie durch erneute Nährwasserzufuhr in die bestmöglichen Lebensbedingungen brachte. Erst wenn ich sie zwei oder drei Tage hatte trocknen lassen !, und dann wieder unter Wasser setzte, waren sie wieder zu thätigem Leben zurückzubringen. Ich bemerkte dann nach zwei oder drei Stun- den ein langsames Kontrahiren der pulsirenden Vacuole, dem nach einiger Pause ein zweites folgte u.s.f. Die Gystenwand schien sich dabei auszudehnen und sprang nach etwa sechs Stunden auf. Vorher schon hatte das Thier seine Gilien auf dieselbe Art wieder erhalten, wie die Theilthiere (vgl. p. 567) und hatte hin und wieder rotirt. Jetzt trat es durch den Riss der Cyste ungehindert aus. Ich glaube, dass die Dauercysten einer Austrocknung bedürfen, wenn sie zum Auf- springen kommen sollen, oder dass wenigstens eine Austrocknung und eine darauf folgende Wiederbenetzung das Gefüge der Cystenwand lockert, resp. das Aufspringen der Cyste befördert. Sonst hätten wohl die im Wasser belassenen Cysten nach einiger Zeit wieder aufspringen müssen. Auch die in der Dauercyste eingeschlossenen Thiere haben keine tiefgreifende Veränderung ihrer inneren Organisation erfahren, doch ihre Lebensäußerungen sind im Gegensatz zu den Thieren der Thei- lungseyste zur Ruhe gekommen; die pulsirende Vacuole schlägt nicht mehr, auch konnte ich nie die geringste Veränderung der Assimila- tionskörperchen konstatiren. Vielleicht existirt eine solche doch, und ist nur desshalb nicht nachweisbar, weil sie unendlich verlangsamt sein muss. Der ganze Organismus des eingehüllten Thieres ist in einen Ruhezustand versunken, der nicht unpassend dem Winterschlafe der höheren Thiere verglichen worden ist. Die Dauerceyste kann, wie vorher schon angedeutet, ihre Schütz- linge bis drei Wochen durch heiße Sommertage hindurch außerhalb des Wassers lebensfähig erhalten. Länger als drei Wochen im Trockenen gehaltene Thierchen waren in diesem Zustande nach meinen Versuchen nicht lebensfähig; sie hatten allerdings die heißen Tage im Anfange des Juli ertragen müssen. i Über die Art, wie dies geschehen vgl..p. 586. 572 3.230208 :ndwig Rhumbler, V. Die Umwandlung von Theilungsceysten in sekundäre Dauercysten. Die Dauereyste ist, wie wir im vorigen Abschnitte gesehen haben, lediglich ein Schutzmittel, das dann in Anwendung kommt, wenn unseren Thierchen der Untergang durch Austrocknung droht. Es ist daher natürlich, dass auch die in einer Theilungseyste eingeschlossenen Thiere sich bei derselben Gefahr mit einer Dauercyste umgeben, da sie, wie ich besonders betonte, sich in keinem wesentlichen Punkte von den anderen frei umherschwimmenden Colpoden unterscheiden. Das äußere Ansehen einer mit einer Theilungseyste sekundär kombinirten Dauercyste wird sich dann, je nach dem Stadium der Theilung, in verschiedener Weise darstellen. Ist nämlich die Trennung der Theilthiere schon erfolgt, so wird sich jedes derselben mit einer eigenen Dauercyste umgeben. Hängen die Theilthiere aber noch zu- sammen, ist die Durchschnürung nicht beendet, so wird sich der Inhalt der Theilungseyste nur mit einer einzigen, gemeinsamen Dauercyste umkleiden, welche die Öffnung der Theilungseyste von innen ver- schließt, ihre übrige Wand aber verstärkt. Ein Blick auf die Fig. 25 und 26 wird beide Zustände besser veranschaulichen, als eine weit- läufige Beschreibung. Beide Abbildungen sind von Thieren entlehnt, welche sich am oberen Rande eines Kulturglases in Folge der Ver- dunstung des Wassers encystirt hatten. Da die Nahrungsreste bei der Dauercystenbildung ausgestoßen werden, sieht man sie bei den sekun- .dären Dauereysten häufig zwischen der ursprünglichen Theilungseyste und der nach innen davon entstandenen Dauercyste eingeschlossen, wodurch die ganze Hülle oft körnig und an manchen Stellen verdickt aussieht. Beide Cystenwände verschmelzen häufig derartig mit einan- der, dass sie sich nur schwer von einander unterscheiden lassen. Ich brachte übrigens die Theilungseysten nicht nur durch langsame Aus- trocknung, sondern auch durch Entziehen von Luft zur Umwandlung in Dauereysten, indem ich die Luftleitung zum Nährwasser abschloss, oder frisch aus dem Kulturglase ausgehobene Theilungseysten unter die Mitte eines großen Deckgläschens brachte, so dass die äußere Luft nicht bis zu ihnen vordringen konnte. Neben Wassermangel treibt also auch das Fehlen von Luft die Thierchen zur Dauereysten- bildung. | | Auch können sich die in Theilungseysten eingeschlossenen Thiere zum zweiten Male theilen. Sie scheiden aber hierbei keine neue Cyste aus, sondern theilen sich unter dem Schutze der primären Theilungs- cyste; es können also auf diese Weise auch achttheilige Cysten ent- | Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 573 stehen!. Eine weitere als zweimalige Theilung in ein und derselben Cyste habe ich nie beobachtet. VI. Die Sporocysten. Ich habe schon in der Einleitung dieser Arbeit hervorgehoben, dass mich der verschiedene Bau der Cysten, welche ich Anfangs April in einem ausschließlich von Colpoden bevölkerten Heuaufgusse fand, dazu veranlasste, die Entstehungsweise derselben zu untersuchen. Ich habe bereits zwei verschiedenartige Bildungen, welche man früher vielfach unter dem Namen »Cysten« zusammenwarf, in ihrer Entstehung geschildert und geschieden. Die Theilungsceyste ist eine mehr neben- sächliche, speciell den Golpoden und einigen anderen, holotrichen In- fusorien zukommende Begleiterscheinung der Theilung. Die Dauereyste ist vorzugsweise ein Schutzmittel gegen Austrocknung und wohl allge- mein bei den Infusorien verbreitet. In beiden Fällen hatten die be- obachteten Vorgänge das individuelle Leben der betreffenden Thiere nicht verändert. In der Theilungseyste war nicht einmal die Lebens- intensität der Thiere, — wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf, — herabgestimmt, während die schlechten Lebensbedingungen, unter welchen die Dauereyste zur Bildung kam, allerdings eine sehr beträcht- liche Verringerung der Lebensintensität zur Folge hatten, aber in der inneren Organisation der Thiere keinerlei umgestaltende Eingriffe ver- ursachten. Unter den Begriff der Cystenbildung subsumirte man ferner noch eine Erscheinung, welche in Folge ihrer äußeren Ähnlichkeit mit den genannten Eneystirungen früher im Allgemeinen keiner besonderen ' Aufmerksamkeit gewürdigt wurde, obgleich sie meines Erachtens die ' bedeutungsvollste von allen ist. Es ist dies die Bildung der Keim- oder Sporocysten, zu deren Besprechung ich mich jetzt wenden ' werde. Erst ein einziges Mal ist sie beschrieben worden; Dr. EpvArp Everts hat in seinen »Untersuchungen an Vorticella nebuli- ı fera«? zum ersten Male eine wirkliche Entwicklungsgeschichte eines ‚ Infusors geliefert. Es war natürlich, dass man eine Beobachtung, die | so vollständig neue Erscheinungen zu Tage brachte, nur mit der größten , Zurückhaltung aufnahm, die bei der Schwierigkeit der Untersuchung und der Leichtigkeit einer Täuschung doppelt geboten schien. Dazu kommt, dass die Beobachtungen von Everrs nicht ganz lückenlos und überzeugend sind, auch seither keinerlei Bestätigung erfahren haben. 1 Siehe p. 584. 2 E. Evzrrs, »Unters. an Vorticella nebulifera.« Diese Zeitschr. Bd. XXIM. 5974 Ludwig Rhumbier, So erklärt es sich, dass trotz derselben die Auffassung sich immer mehr befestigte, wonach die Fortpflanzung der Infusorien einzig und allein durch die häufig genug sichtbare Theilung, sei es im freien Zustande oder innerhalb der Cysten, erfolge. Ich habe die direkte Bildung der Sporocyste am 19. Juli in einem einzigen Präparate an acht verschiedenen Thieren verfolgt. Dann stieß mir zum zweiten Male, am 3. September, ein einzelnes Thier auf, das sich eben so umbilden wollte, durch einen unglücklichen Zufall aber während des Vorgangs zerdrückt wurde. Die Umwandlung von Thei- lungs- und Dauercysten in sekundäre Sporocysten ist dagegen durchaus keine seltene Erscheinung; sie soll aber erst im nächsten Abschnitte besprochen werden. Die direkte Sporocystenbildung beginnt mit der Ausscheidung einer einfachen, sehr dünnwandigen Cyste, welche ich hinfort als Velum bezeichnen will. Die Thiere entledigen sich, wie bei der Bildung der Dauereyste, ihrer Nahrungsballen. Die Hast, weiche sie bei dieser gezeigt hatten, scheint hier noch gesteigert zu sein, ohne dass hierfür der Grund in äußeren Umständen zu finden ist — die Thierchen hatten schon fünf Tage lang unter denselben Verhältnissen auf dem Objektträger gelebt. Das Velum war bald erhärtet, aber die Thiere rotirten nach wie vor mit ganz erstaunlicher Schnelligkeit um ständig wechselnde Achsen, so dass keine Öffnung im Velum zu Stande kam; dabei pulsirte die Vacuole in unverändertem Rhythmus. Die Folge davon war, dass sich in dem prallen Velum immer mehr - von der ausgestoßenen Vacuolenflüssigkeit ansammelte, während sich das Volumen des Thierchens in gleichem Maße verringerte. Anfangs füllte dieses sein Velum so vollständig aus, dass man seine Wimpern von dem dicht anliegenden Velum nicht unterscheiden konnte. Schon nach wenigen Minuten aber wurden durch die Zunahme der Vacuolen- flüssigkeit im Innenraume des Velums die heftig strudelnden Wimpern sichtbar, welche die rasche Rotation des Thieres verursachten (Fig. 16, 17). Man sah nun deutlich, wie sich von Pulsation zu Pulsation der Zwischenraum zwischen Velum und Thier vergrößerte, so dass kein Zweifel blieb, dass das Thier in seiner eigenen Vacuolenflüssigkeit schwamm. Ich hatte dies bisher bei der Dauerceystenbildung, für welche ich den Vorgang zuerst halten zu müssen glaubte, nicht beobachtet und richtete meine ganze Aufmerksamkeit auf die sich unter meinen Augen abspielenden Veränderungen. Da wurde ich denn wieder eine ganz neue Erscheinung gewahr. Der Körper des Thieres hatte Anfangs ein normales Aussehen. Darauf aber sah ich kleine im Entoplasma vertheilte und von helleren Die versch. Oystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 575 Zonen umgebene Körperchen, die Assimilationskörperchen, deren Be- deutung mir zu dieser Zeit aber noch unbekannt war, ihre äußeren lichten Zonen verlieren, das heißt an das Entoplasma abgeben und zu kleinen Häufehen zusammentreten, die desto deutlicher und dunkler werden, je mehr Körnchen sich in ihnen sammelten. Bald darauf traten die einzelnen Häufchen in der Nähe der pulsirenden Vacuole zu einem einzigen Ballen zusammen. Die pulsirende Vacuole schien den ziemlich großen Ballen bei ihrer Ausdehnung stets umfassen zu wollen (Fig. 20); man sah ihn dann, wenn ein solcher Versuch fehlgeschlagen und die pulsirende Vacuole abgeglitten war, in seine ursprüngliche Lage zurückschnellen. Endlich hatte die Vacuole den Ballen vollständig umfasst; noch ein Zusammensinken derselben und der Ballen war nach außen geschleudert. Hier lag er nun zwischen Velum und dem sich zur Sporoeyste entwickelnden Thiere. Ich bin bei dieser ersten Beobachtung vollständig im Unklaren über die Natur des ausgestoßenen, im Inneren des Thieres zusammen- getretenen Ballens geblieben. Ich dachte zuerst an das von JıckELı be- schriebene Ausstoßen von Nucleinsubstanz aufgenommener Beute- thierei; aber meine Infusorien lebten ja nicht von Thieren, sondern einzig und allein von Bakterien. Vielleicht hatte ich mich getäuscht und der ausgeworfene Ballen stammte nicht, wie mir geschienen, von den dunklen Körperchen (unsren Assimilationskörperchen) her. Es war vielleicht ein degenerirter Kern, der ausgeworfen worden war, wie es BürscnLı nach den Conjugationsvorgängen von Golpidium colpoda und Glaucoma secintillans beschrieben hat?. Ich muss ı gestehen, dass dieser Gedanke bei dem allseitigen Interesse, welches | in unsrer Zeit von den meisten Forschern der Kernfrage entgegenge- tragen wird, einen besonderen Reiz für mich hatte; aber die anderen Thiere, welche ich noch am selben Tage zu beobachten Gelegenheit hatte, zeigten mir unzweifelhaft klar, dass ich zuerst richtig gesehen ‚ und der ausgeworfene Ballen nichts mit dem Kern zu thun hatte. So | wusste ich denn mit meiner Beobachtung vorerst nichts anzufangen. Später, nachdem ich Ende August die Bedeutung der Assimilations- körperchen erkannt hatte, musste ich den Vorgang für eine Auflösung ‚ aller Assimilationskörperchen und eine gleichzeitige Ausstoßung ihrer , Harnsäurekrümel halten; ich suchte desshalb mit Hilfe meiner Karmin- | 1 C. F. JıckeLı, »Über die Kernverhältnisse der Infusorien.« Zool. Anzeiger von ‚ Victor Carus, VII. Jahrg. Nr. 175/176. 1884. 2 »Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien« von O.BürscuLı. Frankfurt a/M. 4876. Abhandl. | der SENCKENBERG’sSChen naturforsch. Gesellsch. Bd. X. p. 101, 976 | Ludwig Rhumbler, fütterungen nach einer Bestätigung meiner Vermuthung. Schon am 3. September fand ich ein Thier, welches eben damit beschäftigt war, seinen aufgenommenen Karmin wieder auszustoßen, dieselben blass- rothen Höfe um die Assimilationskörperchen zeigte, wie das Thier am 29. August, und mir durch seine häufigen Achsendrehungen bei der Vorwärtsbewegung auffiel. Bald sah ich es eine Cyste ausseheiden. Der Zufall wollte, wie sich später zeigte, dass es sich in eine Sporo- cyste zu verwandeln im Begriffe stand. Ich sah wie die pulsirende Vacuole zuerst den Höfen der Assimi- lationskörperchen die röthliche Flüssigkeit successive entzog und sie in den Velarraum hinausstieß, dessen Inhalt durch die zunehmende Fär- bung sich unzweideutig als Vacuolenwasser erwies. Dann bemerkte ich das Kleinerwerden der Assimilationskörperchen und schließlich ein Zusammenfallen derselben; sie hatten ihren Glanz verloren und waren runzlig geworden, zugleich zeigten sie eine viel deutlichere, rothe Färbung als vorher. Für das Auge nunmehr leicht kenntlich geworden, sammelten sie sich erst zu kleinen Häufchen, dann traten sie zu dem größeren Ballen zusammen, der nun nach meiner Erfahrung von der pulsirenden Vacuole ausgeworfen werden sollte. Mein Wunsch, diesen Vorgang noch einmal genau zu verfolgen, ging leider nicht in Erfüllung, weil, wie bemerkt, ein unglücklicher Zufall mir gleich darauf das Prä- parat vernichtete. Trotzdem aber war ich jetzt nicht mehr im Zweifel, dass der ausgestoßene Ballen die Harnsäure war, welche nach dem Auflösen der Assimilationskörperchen sich in der Nähe der pulsirenden Vacuole ansammelte, um von ihr nach außen geworfen zu werden. Kurz nach der Auflösung der lichten Zonen und dem Auswurf des Harnsäureballens erscheinen die Thierchen vollständig glasartig und wasserhell; sie rotiren jetzt langsamer und zeigen nur noch die Hälfte ihres früheren Durchmessers, so sehr haben sie durch die Thätigkeit der Vacuole an Körpervolumen abgenommen. Die Cilien aber haben ihre ursprüngliche Größe nicht verloren, so dass sie jetzt dem übrigen Körper gegenüber unverhältnismäßig lang erscheinen. Ob die Cilien noch alle vorhanden sind, ist bei der immerhin noch schnellen Rotation der Thiere nicht leicht zu konstatiren, doch schien es mir so, weil sie dichter an einander gedrängt erscheinen. Die pul- sirende Vacuole macht nur noch einige schwache Kontraktionsversuche, indem sie etwa nur ein Viertel ihrer früheren Ausdehnung erreicht, dann sinkt sie zusammen und erscheint nicht wieder. Zu derselben Zeit, als die Vacuole zum Stillstand kommt, verschwinden auch die Gilien, sie werden wie Pseudopodien schnell und an der ganzen Peripherie mehr oder weniger gleichzeitig eingezogen. Die versch. Oystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 577 "Die Colpodagestalt lässt sich nun nicht mehr an den umgewan- delten Thieren erkennen. Ein runder homogener Plasmaballen, der ein stark opalisirendes Aussehen hat, liegt in einer weit abstehenden Hülle, dem Velum; der Zwischenraum zwischen ihm und dem Velum ist mit einer hellen Flüssigkeit, dem Vacuolenwasser, erfüllt; an einer Stelle liegt in ihm der ausgestoßene Harnsäureballen, der entweder zusam- mengeballt geblieben oder auch zerfallen ist. — Das ist das Bild, das unsere Colpoda jetzt darbietet. Wenn man nunmehr die Protoplasma- kugel im Inneren des Velums schärfer ins Auge fasst, sieht man ihre Peripherie sich mit einer immer breiter werdenden Zone einer zähen Masse umkleiden, welche nach längerer Zeit einen scharfen Kontour gegen die Plasmakugel erkennen lässt und nach mehreren Stunden zu einer diekwandigen, soliden Cyste erhärtet ist. So lange das Thier noch _ innerhalb des Velums rotirte, hielt es sich durch die Wirbelströme im Centrum des Velums; jetzt aber sinkt die Protoplasmakugel, von der Schwere beeinflusst, zur unteren Velumwand hinab (Fig. 24 zeigt dieses Stadium, wie es sich von der Seite gesehen darstellen würde). Außer diesen Umwandlungen bei der Sporocystenbildung erleidet unsere Colpoda, wie ich durch weitere Beobachtung zu erkennen ver- mochte, sehr wichtige innere Veränderungen. Es schwindet nämlich in dem verdichteten Plasma der Sporocyste nicht allein die Körper- wand des Thieres (Pellicula, Bürscaui), sondern auch der Kern. Das Fehlen der Pellicula an dem Sporoeysteninhalte konnte ich, nachdem ich bei der indirekten Sporocystenbildung darauf aufmerksam geworden war (Ss. p. 583), im Gegensatz zur Theilungs- und Dauercyste durch folgenden Versuch bestätigen. Wenn man einer Dauer- oder Theilungsceyste Kalilauge (25 — 30°) zusetzt, so merkt man zunächst keine Veränderungen; sobald aber die Cystenwand von der Kalilauge aufgelockert ist — es ist dies an dem Aufquellen derselben zu erkennen — und die Kalilauge zum Cysten- inhalt vordringen kann, so kontrahirt sich dieser ganz plötzlich und äußerst energisch!, bleibt in diesem Zustande kurze Zeit liegen und fließt dann wieder wie aus einer gesprengten Blase urplötzlich in dem Cystenraum aus einander, den er jetzt allerdings nicht mehr ganz ausfüllt. Ein allmähliches Auflösen erfolgt nun, indem von dem ganzen ! An eine bloße Reizerscheinung kann hierbei nicht gedacht werden, weil sie ' dem freilebenden Thier unter denselben Verhältnissen nicht zukommt. (Hier be- wirkt Kalilauge meiner Erfahrung nach überhaupt keine Kontraktion ; woher dieser Unterschied aber zwischen freiem und encystirtem Zustande herstammt, weiß ich nicht.) 578 Ludwig Rhumbler, Thkierchen nichts als’ die Harnsäure-Einschlüsse der Assimilations- körperchen ungelöst übrig bleibt. Der Inhalt der Sporocyste dagegen zieht sich bei seinem geringeren Wassergehalt nur wenig zusammen, wenn die Kalilauge zu ihm vorge- drungen ist; er bleibt aber in der Folge bis zu seiner schließlichen Auflösung in demselben Kontraktionszustande bestehen, dehnt sich aber nie wieder aus. Ich glaube aus dem Zusammenziehen des Dauerceysteninhaltes schließen zu dürfen, dass die Kalilauge auf die Körperwandung des- selben durch Wasserentziehung einen kontrahirenden Einfluss ausübt, der so lange anhält, bis die Körperwand zerstört ist. Das darauf folgende, urplötzliche Ausbreiten des Cysteninhaltes scheint mir eben- falls durch das Vorhandensein dieser Membran bewirkt zu werden, denn es ließe sich nicht erklären, warum sich der Cysteninhalt so plötzlich wieder ausbreiten sollte, wenn man nicht das Reißen oder Zerfallen einer Membran annimmt. Die Wasser entziehende Wirkung der Kalilauge dauert ja in demselben Grade fort und der Kontraktions- zustand hätte bleibend sein müssen, wenn sich die Sarkode in der Cyste allein, ohne Membran, zusammengezogen hätte. Dies ist aber bei der Sporocyste, wie ich schon gezeigt habe, der Fall. Wenn sich auch hier das durch die vorangehende Wasserausscheidung dichter ge- wordene Plasma nur sehr wenig kontrahirt, so behält es doch diese Kontraktion bei, bis es von der Kalilauge endgültig aufgelöst wird. Es wird bei dieser Reaktionserscheinung nirgends die Wirkung einer Körpermembran sichtbar. Ich glaube daher als Thatsache hinstellen zu dürfen, dass der In- halt der Sporocyste keine Pellicula mehr besitzt, sondern dass er, wie eine Flüssigkeit ihr Gefäß, den Raum der Cyste membranlos ausfüllt. Aber nicht nur die Körperwand schwindet in dem stark verdich- teten Thiere der Sporocyste, auch die Kerne sind, wie gesagt, jetzt | nicht mehr nachweisbar. | Nur wenige Farbstoffe vermögen durch die feste Hülle der Sporo- eyste durchzudringen. Pikrokarmin und Alaunkarmin ließen den | Sporocysteninhalt meist völlig ungefärbt, Boraxkarmin, Hämatoxylin | i und viele Anilinfarben färbten selbst nach langer Einwirkung nur | äußerst schwach, während Essigsäurekarmin schon nach fünf bis sieben Minuten in die Cysten eindrang und ihren Inhalt je nach der Menge des zugesetzten Farbstoffes gleichmäßig hell bis dunkelroth | färbte. 1 Zu einer vollständigen Auflösung der encystirten Thierchen braucht 25%jige | Kalilauge fast 24 Stunden. Die versch. Cystenbildungen u. die Entwieklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 579 Keine Spur von einem Kern ist dann in dem gefärbten Sporo- cysteninhalte zu erkennen, obwohl sonst der Essigsäurekarmin die Kerne der Theilungs- und Dauercysten sehr prägnant färbt. Ich habe fernerhin öfters den Sporocysteninhalt ausgedrückt und dann gefärbt; doch auch so ließen sich keine Differenzirungen in der gleichmäßig ge- rötheten Masse erkennen. Ein Kern war absolut nicht nach- weisbar. : Ich glaube desshalb annehmen zu dürfen, dass sich überhaupt kein differenzirter Kern mehr in der Sporocyste vorfindet. Da er aber nach meinen Beobachtungen nicht ausgeworfen wird, so finde ich gegenwärtig keinen anderen Ausweg, sein Verschwinden zu erklären, als diesen, dass sich seine Substanz in dem Plasma der Sporocyste voll- kommen gelöst hat. | | Über die Art wie eine solche Auflösung der Kernsubstanz mit dem Sporocystenplasma vor sich gehen könnte, bin ich noch nicht in der Lage, Sicheres mittheilen zu können. Doch vermuthe ich, dass hier dieselbe Erscheinung eintritt, wie ich sie bei ähnlichen Gystenbildungen von Stylonichia in letzterer Zeit zu beobachten Gelegenheit hatte. Der Kern zerfiel hier in fünf bis sechs ganz ungleich große Theilstücke (Fig. 67); diese blassten zusehends ab und ließen sich immer schwie- "riger vom übrigen Plasma trennen; schließlich wurden sie gänzlich unsichtbar und waren mit keinem Farbstoffe mehr nachzuweisen. Auch Everrs sah den Kern seiner Vorticelleneysten durch »Ab- schnürung« in etwa sechs bis zehn Kugeln zerfallen; er hat aber ein Auflösen der Kerntheilstücke im Cystenprotoplasma nicht be- obachtet, er hielt vielmehr irrthümlicherweise die Kerntheilstücke für die künftigen Sporen. Man darf wohl annehmen, dass sowohl der Schwund der Pellieula, als auch derjenige des Kerns mit der Verdichtung zusammenhängt, welche das Protoplasma während der Sporocystenbildung erfährt. Diese Verdichtung ist eine sehr bedeutende. Die Sporocyste hat, wie bereits hervorgehoben wurde, nur noch die Hälfte des Durch- messers, den das Thier bei seiner Velumbildung aufwies. Sein Körper- | volumen hat sich demnach um das Achtfache verkleinert, seine Körpermasse muss sich also eben so. viel verdichtet haben'. 1 Es bezeichne: J = Inhalt des Velums + Sporocyste (also früheres Volumen des Thieres) J, = Inhalt der Sporocyste r = Radius des Velums = > = Radius der Sporocyste. 580 Ludwig Rhumbler, Die Verdichtung ist nicht durch einfache Kontraktion, sondern durch Verlust von 7/8 Theilen wässeriger Substanz, des Vacuolen- wassers nämlich, vor sich gegangen. Der Verlust der Körperwandung, der Schwund des Kernes, das Fehlen von sieben achtel Theilen wässeriger Substanz, welche den freilebenden Colpoden zukommt, und endlich der gänzliche- Mangel assimilirender Organe, der Assimilationskörperchen, lassen es von vorn herein sehr unwahrscheinlich erscheinen, dass der Inhalt der Sporocyste wieder als fertige Colpoda ausschlüpft. Das Velum ist so dünnwandig, dass es in den meisten Fällen bald zu Grunde geht und dann die eingeschlossene Sporocyste wie eine ge- wöhnliche Dauer- oder Theilungseyste mit einfacher Cystenwand zu- rücklässt. Doch lässt ein genaueres Betrachten derselben sofort den ganzen Unterschied zwischen ihrem Inhalte und demjenigen der an- deren Cystenbildungen erkennen. Man sieht weder eine Vacuole pulsiren, wie bei der Theilungs- cyste, noch eine solche in erstarrtem Zustande, wie sie am oberen Pole der Dauercyste zu liegen pflegt; es ist vielmehr auch nicht das ge- ringste Anzeichen der früher vorhanden gewesenen Vacuole aufzu- finden. Keine Nahrungsballen im Unterschiede zur Theilungscyste, keine Assimilationskörperchen im Gegensatz zur Dauercyste sind mehr nach- weisbar; die ganze Gyste hat einen homogen erscheinenden Inhalt, der sich scharf gegen die Kontouren ihrer Wandung ahsen und ein hoch- gradiges Opalisiren zeigt. VII. Indirekte Sporocystenbildung aus Theilungseysten und Dauercysten. Es wurde schon einmal hervorgehoben, dass die in der Theilungs- cyste sowohl als die in der Dauercyste eingeschlossenen Thierchen alle Lebensäußerungen facultate behalten, welche den freilebenden Col- poden zukommen. In der Theilungseyste traten dieseLebensäußerungen Pr J = —y3 me IA 4 v3 [4 J.E3%3 nr ser ee ‚-ona-..l:n ler) 4 J = — J 8 bezeichnet man ferner: Se. F Ja = Inhalt des Velarraums 1 1 7 | FE a en ll: 119 Jh =-J- J=.J 5 Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 581 sogar mit derselben, ungeschwächten Intensität auf, mit der sie sich vorher an dem nicht encystirten Thiere gezeigt hatten. In der Dauer- cyste waren sie bis zur Unkenntlichkeit verlangsamt; aber desshalb konnten sie doch wieder sofort geweckt werden — wenn nur zu ihrer Entfaltung die nöthigen Bedingungen erfüllt waren —, denn es hatte sich nichts in der inneren Organisation des Thieres geändert. Dem ent- sprechend — so kann man im Voraus schließen — müssen auch hier wie- der unsere Thierchen jede Veränderung einzugehen vermögen, welche die freilebenden Thiere durchmachen können, das heißt, auch die Um- wandlung in eine Sporocyste darf ihnen nicht unmöglich geworden sein. Die Theilungseyste wird diese Umwandlung aber schneller voll- ziehen können als die Dauereyste, die sich unter viel ungünstigeren Lebensbedingungen befindet. Eines meiner Beobachtungsthiere vom 19. Juli war in Theilung ‚begriffen; man konnte dies aus dem hellen Protoplasmastreifen er- kennen, der über den Äquator des Thierchens hinzog. Auch die Öff- nung, welche der Theilungseyste eigenthümlich ist, war an dem einen, Cystenpole nicht schwer zu erkennen. Das Thierchen!, eine Colpoda Steinii, begann nun seine Umwand- lung damit, dass es zunächst seine Theilungseyste, durch die Aus- scheidung eines Velums verschloss. Darauf begann das wilde Rotiren wieder, welches wir bei der direkten Sporocystenbildung beobachtet haben. Während dieses Rotirens ging die Theilung rasch von statten, so dass an der Stelle des einen Thieres bald zwei in dem von beiden ausgestoßenen Vacuolenwasser umherjagten. Bald zeigte sich dann auch das Ansammeln und das Ausgestoßenwerden der von den aufge- lösten Assimilationskörperchen herstammenden Harnsäure in jedem Thierchen. Am Ende des Vorganges lagen zwei kleine Gysten in dem weiten Velum;; sie zeigten dasselbe hochgradige Opalisiren, das wir als äußerliches Kennzeichen der Sporocyste erkannt haben. Der ganze Vorgang hatte nicht mehr Zeit in Anspruch genommen als eine halbe Stunde. Unter diesen Umständen geht also die Theilung der Thiere bedeutend rascher von statten als in der eigentlichen Theilungscyste, und hört auch die Rotation während der Theilung nie auf, sie wechselt nur hin und wieder ihre Richtung, es fehlt also dieHauptpause. Auch die Cirkulation der Assimilationskörperchen tritt nur andeutungsweise auf. Ist die Trennung der Thierchen in der Theilungseyste bereits 1 Es hatte seine Nahrungsballen scheinbar schon ausgestoßen, ein letzter Rest derselben klebte der Innenwand der Cyste an und wurde bei der Ausscheidung des Velums zwischen diesem und der ursprünglichen Theilungscyste eingebacken. 582 Ludwig Rhumbler, durchgeführt, so modifieirt sich der eben beschriebene Vorgang dahin, dass sich jedes der Theilthierchen nach dem Ausstoßen der Nahrungs- ballen mit einem eigenen Velum umgiebt. In dieses eingeschlossen macht es dann der Reihe nach alle Veränderungen durch, welche wir bei der direkten Sporocystenbildung beschrieben haben. In solchen Cysten platten sich die zweiten Vela gegen einander ab und erfüllen die ursprüngliche Theilungseyste so, dass vier geräumige Kammern 'entstehen. In diese sind dann die zierlichen lichtbrechenden Sporo- cysten eingelagert (Fig. 29).- Eine weitaus längere Zeit, ja zwei bis drei Tage, beansprucht ein in eine Dauercyste eingeschlossenes Thier, um sich in eine Sporocyste zu verwandeln. Wenn man das Wasser auf einem Objektträger langsam hat ver- dunsten lassen, und sich die Colpoden in Folge dessen in Dauercysten eingehüllt haben, wird man meist eine größere Zahl solcher Cysten finden, welche an ihrem oberen Pole, da wo in der Regel die starre Vacuole liegt, eine Körnchenanhäufung erkennen lassen. Solche Dauer- eysten sind auf dem Wege der Umwandlung zur Sporocyste. Wenn man es gerade günstig trifft, sieht man dann, wie die pulsirende Vacuole von Zeit zu Zeit sich kontrahirt, — von einer Kontraktion zur anderen verläuft oft mehr als eine Stunde — und dann jedes Mal einen Theil der Körnchen, in denen man sofort die Harnsäure der Assimilationskörper- chen wieder erkennt, nach außen wirft. Mit den Kontraktionen der pulsirenden Vacuole nimmt natürlich auch hier wieder der Körperum- fang des Thieres ab. Während bei der direkten Sporocysienbildung die Thierchen mit einem Male ihre Harnsäure nach außen werfen, ge- schieht es hier nur ganz allmählich und desto langsamer, je mehr der Assimilationskörperchen bereits sich gelöst und ihre Harnsäure ausge- worfen haben. Wenn die letzten dunklen Harnkonkremente in den Velarraum hinausgestoßen sind, beginnt die Ausscheidung der Cyste. Die nun entstandene Sporocyste lässt sich in nichts mehr von den anderweitig und schnell entstandenen direkten Sporocysten unterschei- den. Sie hat die doppelten Hüllen und dasselbe stark opalisirende Aussehen derselben erlangt. Als Velum fungirt hier die Dauercyste. Es ist bei diesem Vorgange einerlei, ob nur ein Thier in der Dauercyste, oder ob deren zwei oder vier in der sekundären Dauer- eyste (vgl. p. 572) vorhanden waren (Fig. 30). Ich muss hier noch erwähnen, dass ich im Laufe meiner Unter- suchungen viermal Dauercysten fand, welche bei ihrer Umwandlung in eine Sporocyste ein zweites Velum — vielleicht war das erste, die Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 553 frühere Dauercyste, schadhaft geworden — ausschieden, um dann dop- pelt geschützt, ihre Veränderungen fortzusetzen (Fig. 34). Der Inhalt der Sporocyste war in solchen Fällen durch nicht weniger als drei Hüllen geschützt. Die Umwandlung einer Dauercyste in eine Keimeyste kann aber auch ohne Beihilfe der pulsirenden Vacuole ihren Verlauf nehmen. Es scheint sich dabei das Protoplasma im Innern der Cyste einfach zu- sammenzuballen; die Harnsäure wird in derartigen Fällen an ganz ver- schiedenen Stellen dieses Ballens nach außen gedrängt. Zwischen Velum und Protoplasmakugel sammelt sich wieder eine Flüssigkeit an, welche zweifellos mit der Vacuolenflüssigkeit identisch ist, aber hier nicht von einer Vacuole herstammt, sondern überall frei aus dem Kör- per heraustritt. Die Körpergrenzen des Thieres sind bei diesem Vor- gang verschwommen; sie ließen in den von mir beobachteten Fällen keinen Kontour mehr erkennen, sondern ragten ziemlich unregelmäßig in den wassergefüllten Velarraum hinein (Fig. 32). Als mir zum ersten Male eine Cyste auf diesem Stadium zu Gesicht kam, hielt ich sie für abgestorben. Am dritten Tage aber zeigte sich, dass ich mich getäuscht hatte. Die Gyste lag nach 48 Stunden als typisch ausgeprägte Sporocyste unter dem Mikroskope. Später beobachtete ich dieselbe Erscheinung noch mehrere Male. Es wurde mir hierbei immer klarer, dass das sich kontrahirende Thier keine Membran (Pellicula BürscaLı) mehr besitzen könne. Ich schloss daher damals, dass auch die übrigen in den Sporo- cysten verwandelten Thiere bei der Ausscheidung der inneren Cyste ihre Pellicula verlieren, was ich denn auf die oben (p. 577) angeführte Weise bestätigen konnte. Es brauchen nicht immer alle Thiere der Theilungseyste ein und dieselbe Umwandlung einzugehen, sondern sie können sich von ein- ander unabhängig in jede Cystenart einschließen. So kommen sehr komplieirte Cysten vor, die manchmal in ihrer Entstehung schwer zu deuten sind. Ich habe folgende Komplikationen im Verlaufe meiner Untersuchungen angetroffen. Ich will die Theilthiere durch Brüche bezeichnen, so dass also 4 = ein aus Zweitheilung entstandenes Thier bedeutet; 4-1 demnach zwei solcher Thiere; eine einfache Einklamme- rung soll bedeuten, dass sich das betreffende Thier in eine Dauereyste verwandelt hat, eine doppelte Einklammerung, dass das Thier zu einer Sporocyste geworden ist; ein Pfeil soll schließlich angeben, dass ein Thier ausgeschwärmt ist. Unter die Thiere, die sich erst sekundär ge- theilt haben, werde ich verbindende Striche setzen. So bedeutet z.B. 4. (4). ((4)): das eine Theilthier einer zweitheiligen Cyste hat sich zum zweiten Male, also sekundär getheilt; die eine Theilhälfte Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 39 584 Ludwig Rhumbler, dieses sekundär getheilten Thieres (4) ist zur Dauercyste geworden, die andere zur Sporoeyste ((4)); das primäre Theilthier 3 hat sich nicht verändert und ist ausgeschwärmt N 1) 4)- (6) vgl. Fig. 25. 2) 9): 4) vel. Fig. 26. 3) (9) (&)) * (0) (@) vel. Fig. 27 und 29. 1) (vgl. Fig: 36. Je) UT DEAN. 7) NLA TIOBE NIE Det N ep euren 0) 4.0 Die Brüche geben hier gleichzeitig den Theil des Volumens vom ursprünglichen Thier an, welcher auf das Theilindividuum gekommen ist. Der Nenner kann nie eine ungerade Zahl sein, da bei den Colpo- den (vgl. p. 565) nur Zwei- und Viertheilung vorkommt!. Wenn eine ungerade Zahl von Oysten in einer ursprünglichen Theilungseyste liegt, so sind entweder Thiere schon ausgeschlüpft, oder ein Theilthier (vgl. p. 572) ist eine sekundäre Theilung eingegangen, an welcher die an- deren nicht Theil genommen haben. In solchen Fällen wird sich natür- lich diese Thatsache immer an den Größenverhältnissen der eingelager- ten Cysten erkennen lassen. Die Formel 7 bedeutet die sekundäre Achttheilung, sie ist aus einer viertheiligen Cyste entstanden, deren Individuen sich nochmals getheilt haben. Ich habe diesen Fall im Ganzen dreimal beobachtet, einmal nach Formel 7, zweimal nach For- mel 10. Mauras? hat daher Unrecht, wenn er behauptet, Stein? habe sich geirrt, es kämen achttheilige Gysten nicht vor. Sie kommen vor, entstehen aber allerdings immer erst sekundär. VIII, Die Weiterentwicklung der Sporocysten bis zur Ausbildung der elterngleichen Colpoden. Ich habe auf den vorangehenden Seiten zu zeigen versucht, wie IM unsere Infusorien, die Colpoden, auf ganz verschiedenen Wegen Sporo- | 1 BürscuLı hat in seinem Protozoenwerke (l. c.) Taf. LXII die Fig. 8b und 8d, welche aus Stein, »Die Infusionsthiere etc.« entnommen sind, in der Tafelerklärung | irrthümlich als drei- und siebentheilige Cysten bezeichnet. Sie sind nach STEIN |: vier- und achttheilig, nur ist jedes Mal eine »Specialcyste« (sekundäre Dauercyste) | von den anderen verdeckt. »Drei oder sieben Specialcysten« gleicher Größe in | einer Hülle sind bei Colpoda unmöglich. 2 E. Mauras, »Etude des Inf.« etc. loc. eit. p. 442. 3 Stein, »Die Infusionsthiere auf ihre Entw. unters.« 1. c. p. 22. Die versch. Oystenbildungen u. die Entwieklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt, Colpoda. 585 cysten zu bilden im Stande sind, welche sich von den Theilungs- und Dauerceysten durch ihr stark lichtbrechendes Aussehen, sowie durch den Besitz einer zweiten Schutzhülle, des Velums, schon äußerlich wesentlich unterscheiden. Ich hatte solche Cysten schon Anfangs Mai in größerer Menge aus trockenem Heu ausgewaschen, und dieselben, da ich in ihnen CGolpodencysten vermuthete, in einer feuchten Kammer unter das Mikroskop gebracht. Die Gysten waren meist durch ihr Alter dunkel gefärbt, so dass ich damals die inneren Vorgänge nicht verfolgen konnte. Am dritten Tage aber zeigte sich, dass die Gysten sprüngig wurden und Risse bekamen. Ich ließ sie von nun an nicht mehr aus den Augen, weil ich das Ausschlüpfen der jungen Colpoden aus den kleinen »Specialeysten«, das Stein zu sehen nie Gelegenheit gehabt, beobachten wollte. Ich war daher sehr enttäuscht, als ich im Laufe des vierten Tages anstatt der erwarteten jungen Infusorien kleine rund- liche Körperchen austreten sah, die sich hin und wieder nach der Art der Molekularbewegung vom Orte entfernten, dann aber zur Ruhe kamen und in Ruhe liegen blieben. Ich glaubte damals, ich habe an- statt der Golpodencysten andere Dinge, vielleicht Algen oder Pilzsporen beobachtet. Gleichwohl ließ ich unter zweien meiner Mikroskope diese rundlichen Körperchen liegen, um in Erfahrung zu bringen, was ferner aus ihnen entstehen würde; die anderen Mikroskope machte ich zur Weiterbeobachtung meiner lebenden Thierchen frei. Ich bemerkte nun an den beiden folgenden Tagen, dass genannte Körperchen nicht unbedeutend an Umfang zunahmen. Am siebenten Tage, also drei Tage nach ihrem Austritt aus der Sporocyste, hatten sie ungefähr das Drei- fache ihres früheren Durchmessers erreicht, blieben nunmehr aber die kommenden Tage auf derselben Größe und zerfielen dann allmählich. Ich hatte in der Folge das Austreten der kleinen Körperchen bald vergessen und stellte nie wieder Auswaschungsversuche von Heu an, nachdem sie mich, wie ich damals glaubte, einmal irregeführt hatten. Ich schlug nun andere Wege ein, um das Ausschlüpfen der jungen Col- poden beobachten zu können. Am 9. Juni legte ich zu diesem Zwecke ein Präparat, in welchem sich viele Colpoden befanden, auf einen mit feuchtem Fließpapier belegten und mit einer Glasglocke überdeckten Teller und ließ es hier langsam austrocknen. Am 11. Juni war es aus- getrocknet. Unter das Mikroskop gebracht, zeigte sich nun eine große Anzahl von Colpodeneysten verschiedenen Aussehens, von ausgetrock- neten Bakterienhaufen umgeben, in dem Präparate (Fig. 38). Ich ließ nun diese Gysten 14 Tage vollständig trocken, aber staubgeschützt auf dem Teller liegen. Am 25. Juni Morgens A1 Uhr brachte ich sie wieder unter das 39* 386 - Ludwig Rhumbler, Mikroskop und leitete ihnen mittels der oben beschriebenen Capillar- röhren Nährwasser zu. Am 26. Juni, also am folgenden Tage, schlüpften einige wenige vollausgebildete Colpoden aus den gekörnelten Cysten, die ich als Dauereysten beschrieben habe, aus. Die stark opalisirenden Cysten dagegen, die Sporocysten, blieben in Ruhe liegen, hatten sich aber merkwürdig verändert. Ihr Glanz hatte abgenommen, sie waren hellgrau geworden, dagegen zeigten sich 10 bis 12 kleine stark licht- brechende Körperchen, die wie Öltröpfehen aussahen, auf der Innen- masse der Cyste vertheilt. An den beiden folgenden Tagen, am 27. und 28. Juni, wuchsen diese anfänglich äußerst kleinen Körperchen auf das Doppelte ihres ursprünglichen Durchmessers an, während der Inhalt der CGyste, welchem sie immer aufgelagert waren, ein immer helleres und wässeriges Aussehen erlangte. Am 28. Juni Mittags platzten einige Cysten; im Laufe des Nachmittags und des kommenden Vormittags folgten die anderen. Ich sah nun wieder dieselben stark opalisirenden Körperchen austreten, welche ich schon im Mai aus den, aus dem Heu stammenden, Cysten hatte auswandern sehen. Nun war ich sicher, dass diese Körperchen wirklich mit den Colpoden im Zusammenhange. stehen mussten, da ja sonst keine Infusorien im Präparate gewesen waren. Entweder waren sie Keime von Colpoden selbst, was ich da- mals noch nicht glaubte, oder sie waren Keime von Schmarotzern; das Letztere schien mir das Wahrscheinlichere, ich dachte vor Allem an die durch J. van Rees bekannt gewordenen Schmarotzer!, auch an Chy- trideen und Saprolegnien. Ich beobachtete von jetzt ab diese Körperchen Tag für Tag bis zum 4. Juli. Sie wuchsen wieder an, starben aber ab, als sie eine bestimmte Größe erreicht hatten. An einem der groß gewordenen Körperchen glaubte ich eine amöbenartige Bewegung wahrgenommen zu haben; ich konnte aber damals nicht konstatiren, ob dies nicht eine Vorerscheinung des Zerfalls gewesen war, der kurz darauf eintrat. | In Wiederholung des Versuchs isolirte ich am 5. Juli aus einem Heuaufgusse, der Mitte Juni gemacht worden war, eine große Menge Colpoda eucullus, vertheilte sie auf 12 Objektträger und legte diese zur langsamen Austrocknung — wenn das Austrocknen zu rasch vor sich geht, zerfallen die Thierchen — wie früher auf einen, mit feuchtem Fließpapier belegten und mit einer Glocke überdeckten Teller. Auf einen zweiten derartigen Teller brachte ich fünf Uhrschälchen, die ebenfalls. aus demselben Heuaufgusse mit einer ansehnlichen Zahl von Colpoda eueullus besetzt worden waren. Ich ließ nun diesmal meine 1 J. van Rees, »Über einige Fälle von Parasitismus bei Infusorien.« Diese Zeit- schrift. Bd. XXXI. Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 587 Präparate und Uhrschälchen drei Wochen lang ausgetrocknet in Ruhe liegen. Erst am 26. Juli und an den drei folgenden Tagen legte ich die ausgetrockneten Präparate nach und nach auf meine Mikroskope und leitete ihnen Nährwasser zu. Ich will nun, ohne Mikroskope und Prä- parate des Weiteren zu bezeichnen, die Beobachtungen mittheilen, welche ich in der Folge zu machen Gelegenheit hatte. Gleichzeitig will ich aber alle Erscheinungen, die ich erst späterhin bei erneuten Beob- achtungen zu erkennen vermochte, des Zusammenhanges wegen und der Kürze halber hier mit einfügen, ohne sie in Betreff der Beobach- tungszeit aus einander zu halten. Ich kann dies um so eher thun, als ich Alles, was ich mittheilen werde, mehrmals und deutlich gesehen habe. Auch hat Herr Professor Dr. Görtz die Güte gehabt, den wahren Sachverhalt meiner Angaben an meinen Präparaten zu prüfen, so dass ich mich in allen wesentlichen Punkten der folgenden Beobachtung auf seine Zustimmung berufen darf. Die Weiterentwicklung der stark lichtbrechenden und, wie wir durch die Färbungsversuche (p. 578) erfahren haben, vollständig homo- genen Sporocyste bis zum Austritte der kleinen Körperchen, erfolgt sehr unregelmäßig; schneller bei kleinen, langsamer bei großen, früher bei dünnwandigen, später bei diekwandigen Cysten. Sie wird dadurch eingeleitet, dass der stark lichtbrechende Glanz des Cysteninhal- tesabnimmt und sich bei den kleineren Cysten auf acht bis zehn, bei den selteneren großen Sporocysten auf 20 bis 30 kleine Körperchen koncentrirt. Diese Körperchen will ich nunmehr als »Sporen« be- zeichnen, den übrigen Cysteninhalt aber, in welchem sie eingebettet liegen, will ich »den Sporoblast« nennen. Die Sporen liegen nun wie kleine Öltröpfehen der Oberfläche des Sporoblasten auf. In der Profilansicht scheinen sie von dem Sporoblasten gleichsam abgeschnürt zu werden (Fig. #1), wenigstens kann ich mich nicht erinnern, jemals im Innern der Sporoblasten Sporen gesehen zu haben. In dieser Lage wachsen sie bis zu einer Größe von 0,00152—0,00304 mm innerhalb derselben Cyste an. Der Sporoblast ist dann fast durchsichtig wässerig geworden, und die Cystenwand zeigt Sprünge und Risse, welche dem Austreten der Sporen keine Schwierigkeiten mehr in den Weg legen. Der Austritt erfolgt in der Regel derart, dass der Sporoblast mit seineı. aufgelagerten Sporen einfach aus den Spalten der Cyste hervorquillt. ‚Der Sporoblast zerfällt alsdann bald in dem umgebenden Wasser und giebt so die Sporen frei; oder aber die Sporen wandern, wie von Mole- kularbewegung ergriffen, aktiv aus den Spalten der Sporocyste aus. In allen Fällen aber bleibt der Sporoblast zurück und zerfällt (Fig. 42 bis 44). | i 588 | Ludwig Rhumbler, Es kann bei dem Austritte der Sporen vorkommen, dass das Velum die Sporoeyste noch unverletzt umgiebt. In solchen Fällen werden dann die Keimehen zwischen Velum und Sporocystenwand so lange zurückgehalten, bis ersteres zerfällt (vgl. Fig. 13). Die ausgetretenen Sporen bleiben nun während ihres nächstfolgenden Wachsthums meist in Ruhe liegen oder sie unterbrechen ihre Ruhe hier und da durch eine oscillirende Bewegung, welche sie an einen anderen Ort trägt. Doch habe ich solche Bewegungen auf diesem Stadium nie länger als höch- stens eine oder eine halbe Stunde andauern sehen. Das Aussehen der Sporen ist immer noch das von stark lichtbrechenden Öltröpfchen; eine eigene Membran lässt sich nicht erkennen, eben so wenig wie ein Kern. Die Sporen sind von ihrem ersten Auftreten auf dem Sporoblasten an absolut unfärbbar. Ich habe die Sporocysten unter der feuchten Kammer mehrere Stunden lang mit Karminessigsäure und anderen Reagentien behandelt, ohne auch jemals nur einen Schein von Färbung bei den Sporen zu erzielen. Der Sporoblast färbt sich dagegen, wenn die Sporen größer geworden sind, intensiver und schneller als vorher (p. 578). Nach längerem Einwirken von Osmiumsäure wird er fast vollständig schwarz, während die Sporen gänzlich ungetrübt und licht- brechend bleiben; der Anblick einer solchen mit Osmiumsäure behan- delten Sporocyste ist dann der einer durchlöcherten schwarzen Kugel. Das Verhalten der Keimchen den Farbstoffen gegenüber ändert sich auch dann nicht, wenn sie ausgetreten sind; sie erweisen sich selbst den stärksten Färbemitteln gegenüber als vollständig indifferent. Anders ist es dagegen, wenn sie in ihrem freien Zustande größer ge- worden sind. Die Keimchen wachsen ja, wie ich bei Erwähnung meiner Beobachtungen im Mai bereits angedeutet habe, nachdem sie die Cyste verlassen haben; und zwar ist ihr Wachsthum ganz eigen- artig. Fast macht es den Eindruck, als löse das Wasser, in welchem sie sich jetzt befinden, das kondensirte Plasma der Spore wieder auf. Es entsteht nämlich am Rande der stark lichtbrechenden Spore eine blässere Zone, die sich ständig vergrößert, und die ich die »Umbildungs- zome« nennen will!. Diese Umbildungszone (Fig.45 und 46) verbraucht nun die stark lichtbrechende Substanz mehr und mehr, bis diese zu einem Punkt züsammengeschrumpft ist und schließlich ganz ver- schwindet. In Folge des Umbildungsvorganges haben die Sporen eine | Größe von 0,01064—0,012416 mm erreicht; sie sehen nunmehr fast. | ! GörrteE hat ähnliche Umbildungserscheinungen bei der Bildung des Nerven- systems der Batrachier beobachtet: GörtE, »Entwicklungsgeschichte der Unke. p. 278. Leipzig 1875. | Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 589 milchweiß aus und haben ihre Anfangs mehr oder weniger rundliche Gestalt mit einer unregelmäßig polygonalen vertauscht, welche sich hin und wieder zu ändern scheint; eine Spore, die des Morgens eine an- nähernd fünfeckige Gestalt zeigte, hat am Nachmittage ein beinahe dreieckiges Aussehen erlangt u.s.f£. Sobald derartige Gestaltveränderungen eintreten, ist für die Er- haltung der Spore der kritische Moment gekommen. In denjenigen Mikroskopen, welche nicht genügend mit Luft versorgt waren, starben und zerfielen die Sporen auf diesem Stadium alle in kurzer Zeit!; in dem Zeıss’schen Instrument aber, welches mit einer Luftleitung (vgl. p. 554) ausgestattet war, blieben sie am Leben. An diesen sah ich dann, dass die Gestaltveränderungen mehr und mehr zunahmen, bis ich eine deutliche Pseudopodienbildung wahrnehmen konnte, die keinen Zweifel mehr zuließ, dass aus den Sporen Amöben geworden waren. Außer den Pseudopodien bewiesen auch ein oder zwei pul- sirende Vacuolen, welche allmählich in den groß gewordenen Sporen auftraten und in unregelmäßigen Zeitabschnitten zu pulsiren begannen, dass ich wirklich echte Amöben vor mir hatte. Alle Arten von Farbstoffen wurden von den Amöben leicht ange- nommen; es ließen sich in ihnen mehr oder weniger deutlich zwei his vier Kerne nachweisen, ohne dass bei der Kleinheit der Objekte eine besondere Kernstruktur zu beachten gewesen wäre. Sie stellen sich bei der Immersionsvergrößerung VII von Seıserr (Oc. II) als ein- fache rothe Punkte dar. Auf welche Weise die Kerne in der zur Amöbe auswachsenden Spore entstehen, darüber kann ich nichts mittheilen, weil die Kerne am lebenden Thiere nicht sichtbar sind. Ich habe in den Figuren (Fig. 49 «—.p) verschiedene zu Amöben ausgewachsene Colpodensporen abgebildet. Ihre Pseudopodien sind von wechselnder Gestalt, meist spitz, wenn sie in Ruhe liegen oder nur langsam auf den Objektträger hin kriechen, sie werden öfters aber auch breit und lappig (Fig. 9), wenn die Thiere Nahrung (Bakterien) aufnehmen oder wenn sie sich schneller vom Orte bewegen wollen. Außerdem aber vermögen sie ein sehr langes flagellumartiges Pseudo- podium aus ihrem Körper auszuschicken, durch dessen Schwingungen sie sehr schnell von einer Stelle zur anderen schwimmen können (Fig. A9 n, m, p). Sie sind in diesem Zustande von kleinen Monaden nicht zu unterscheiden. Sie vermögen ferner auch sich mit diesem Flagellum an Bakterienhaufen oder an den Objektträger festzusetzen 1 Diese Mikroskope wurden dann täglich frisch mit dem in den Uhrschälchen reservirten Material versorgt. Die Uhrschälchen waren wieder mit Nährwasser ge- füllt worden und wimmelten in Folge dessen von Colpodasporen aller Stadien. 990 Ludwig Rhumbler, (Fig. 50 a, b, c) und schaukeln sich dann oft unter Krümmungen dieses Stieles lange Zeit im Kreise herum, oder sie wiegen sich auf demselben wie ein Pendel hin und her; dann lassen sie wieder los und strudeln von dem Orte ihrer Anheftung sehr behende weg (Fig. 50 d), oder sie schicken aus ihrem kugeligen Körper wieder Pseudopodien aus und werden wieder zu einer Amöbe (Fig.50c). So können sie vom Amöben- zustand in den Flagellatenzustand übergehen und umgekehrt. Der Flagellatenzustand ist also keine neue Stufe in ihrer Entwicklung, es handelt sich hier um eine Metamorphose, welche sie in diesem Stadium scheinbar beliebig oft und auf beliebig lange Dauer eingehen können. In den hervorgehobenen Punkten haben unsre Thierchen sehr viel Ähnlichkeit mit Cercomonaden, am nächsten scheinen sie den von Ste (Organism. der Infusionsthiere III. Taf. I. Abth. V. Fig. 8—10, 14—13) abgebildeten Gercomonas lobata Dry und Gercomonas obesa Stein zu stehen; sie bleiben aber hinter diesen in ihrer Größe be- deutend zurück. Im Übrigen hat Stein diese Larvenzustände der Col- poden jedenfalls auch schon beobachtet, ohne jedoch ihre Bedeutung erkannt zu haben. Denn, als er im April 1848 denselben Heuaufguss, welcher ihm das Material zu seiner Untersuchung über Colpoda cucullus (eigentlich C. Steinii) geliefert hatte, nach einem Monat wieder erneuert hatte, fand er in Gesellschaft von Vorticella mi- crostoma »häufig noch sehr viel kleinere Thierchen, welche einen äußerst feinen, aber durchaus nicht kontraktilen Stiel und einen rund- lichen, ovalen Körper besaßen, an dem weder ein Mund noch ein Wirbelorgan, noch überhaupt irgend eine Bewimperung wahrzunehmen war. Diese Thierchen schwankten um ihren Befestigungspunkt lang- sam pendelartig hin und her, rissen sich aber häufig von dem Körnchen- haufen, an welchem sie festsaßen, los und schwammen ziemlich be- hende davond. | Unsere monadenartige Colpodenlarven wachsen bei ausgiebiger Bakteriennahrung sehr rasch auf 0,0452—0,01672 mm heran. Sie zeigen dann einen einzigen Kern, der selbst am lebenden Thiere deutlich sichtbar ist. Er ist kugelig und besitzt einen hellen breiten Kontour; er hat also hier schon die Form, welche er bei Golpoda Steinii 1 Vgl. »Die Infusionsthiere auf ihre Entwicklungsgeschichte untersucht von FRIEDRICH STEIN.« p. A5 und 26, Leipzig 1854. Was das zahlreiche Auftreten der | Vorticella in dem Steıw’schen Heuaufgusse anbelangt, so war es durch den erhöh- j0M ten Fäulnisgrad des zum zweiten Male übergossenen Heues bedingt, dieser war | auch Ursache davon, dass nur noch wenige Colpoden zur Ausbildung kamen. Die Vorticellen kommen in sehr faulem Wasser noch gut fort, die Colpoden dagegen nicht. Die versch. Oystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt, Colpoda. 591 Maup. zeitlebens behält!. Es sind demnach die ursprünglichen zwei bis vier Kerne durch einen einzigen Kern ersetzt worden. Wie diese Reduktion der Kernzahl vor sich geht, ob alle vier Kerne zu einem einzigen sich vereinigen, ob bloß zwei mit einander verschmelzen und die beiden anderen ausgestoßen werden, oder ob schließlich nur ein Kern persistirt und die anderen zu Grunde gehen, ist mir gänzlich dunkel geblieben. Doch scheint die auffallende Größe des einen Kerns im Vergleich zur Kleinheit der vorher konstatirten vier Kerne darauf hinzuweisen, dass hier die Kerne in der That mit einander ver- schmolzen sind. Sobald die Colpodenlarve einkernig geworden ist, kehrt sie sel- tener in ihren amöbenartigen Zustand zurück, sie ruht oft lange Zeit, auf ihrem Stielchen festsitzend, ohne jede Bewegung. Schließlich schwärmt sie fort, ruht dann wieder längere Zeit, oft zwei bis drei Stunden, ohne zu schaukeln oder zu pendeln und wiederholt dies, die Geduld des Beobachters oft auf eine harte Probe stellend, in großen Zeiträumen sehr oft. Endlich aber zieht sie ihr Stielchen und alle Pseudopodien ein und liegt nun, zu einer vollständigen Kugel zusam- mengeballt, regungslos da; nur das Schlagen der pulsirenden Vacuole, die jetzt immer in der Einzahl vorhanden ist und deren Pulsationen immer regelmäßiger werden, zeigt, dass noch Leben in dem runden Protoplasmaballen ist. Der milchweiße Hauch, der über die Monade ausgebreitet war, beginnt nun mehr und mehr zu schwinden; die Körnchen des Protoplasmas werden im selben Grade immer deutlicher sichtbar, so dass die Struktur der Kugel immer größere Ähnlichkeit mit dem der Ciliaten erlangt, auch eine Pellicula lässt sich jetzt mehr oder weniger deutlich erkennen; sie ist aber noch außerordentlich dünn’und scheint erst in der Folge dicker zu werden. Nach fünf bis sechs Stunden etwa bemerkt man kleine Schwankungen an dem zu- sammengekugelten kleinen Thierchen; es scheint sich bald von rechts nach links, bald umgekehrt um seine Achse zu drehen. Wenn man nunmehr das Mikroskop genau auf die Peripherie des Thierchens ein- stellt, gewinnt man den Anblick, als ob seine Oberfläche von einem leichten Wellenschlage ergriffen wäre; wie ein wogendes Kornfeld sinkt sie und hebt sie sich in ständigem Wechsel. Diesem Wogen der Oberfläche verdankt das Thierchen seine eben beobachtete Bewegung. Das Wogen verkündet die Bildung der Cilien, welche jetzt in allmäh- lichem Verlaufe vor sich geht. Bald sind dieWimpern deutlich sichtbar, sie schwingen rasch und versetzen das Thierchen in eine schnelle 1 Vgl. »Contribution a l’etude morphologique et anatomique des infusoires cilies« par E. Maupas. 1, c. p. 441. 592 | Ludwig Rhumbler, Achsendrehung. An demjenigen Pole der Achse, wo bei dem ausge- bildeten Infusor die längeren Stirnrandwimpern stehen, sind die Wimpern besonders stark und dicht gehäuft, sie fehlen aber an keiner Körperstelle. In diesem Zustande (Fig. 52) kann es davonstrudeln; in den weitaus häufigsten Fällen aber bleibt es am Platze, um eine zweite Veränderung zu erfahren, die es erst zu einer richtigen Eolpoda werden lassen soll. Diese Veränderung tritt wenige Minuten später ein, nach- dem die Cilien gebildet worden sind. Es sinkt nämlich, etwa 30° unter- halb der längeren Stirnwimpern, die Körperoberfläche etwas ein, wäh- rend gleichzeitig unterhalb dieser Einstülpung ein dicker Wulst entsteht (Fig. 53). Der Wulst zerspaltet sich sehr schnell in einzelne Wimpern und bildet so einen Peristomwimpernbüschel. Aus der Einsenkung aber ist das Peristom geworden. Wir haben nun ein kugliges, mit einem Peristom ausgestattetes Ciliat vor unseren Augen entstehen sehen. Wenn wir dieses jetzt noch einige Minuten oder eine Stunde etwa unter dem Mikroskop verfolgen — es ist dies nicht schwer, weil sich die Thierchen bei ihrer Weiterbewegung stets um sich selbst drehen und in Folge dessen nur mit geringer Geschwindigkeit vom Orte weg- kommen — so sehen wir bald, wie es sich allmählich in die Länge streckt und vollständig das Aussehen einer kleinen Colpoda erlangt (vgl. Fig. 535— 56). Der Peristomwimpernbüschel ist eine larvale Bil- dung, die den Cöolpoden im Laufe des Wachsthums und der fortdauern- den Theilung verloren geht; bei ausgewachsenen Colpoden ist er nie- mals anzutreffen, wie dies Sterw schon richtig erkannt hat!. Colpoda Steinii verweilt oft recht lange in seinem kugeligen, durch das Peristombüschel außerdem gekennzeichneten Jugendstadium; man sieht oft recht ansehnliche Thiere, die dasselbe noch nicht ver- lassen haben (Fig. 57). Ich habe mich in der Litteratur umgesehen, ob nicht etwa solche kugelige Jugendcolpoden als eine besondere Art be- schrieben sind, es ist mir aber derart nichts bekannt geworden. Viel- leicht hat man sie wegen ihrer kugligen Gestalt für Golpoden gehalten, die im Begriffe stehen, sich zu encystiren. Dies wäre aber durchaus irrig, sie theilen sich und eneystiren sich nach meinen Beobachtungen — ich habe sie oft sehr lange unter dem Mikroskope verfolgt — niemals ohne vorher die gewöhnliche Colpodagestalt angenommen zu haben. Werfen wir nunmehr einen kurzen Rückblick auf die mitgetheilten Beobachtungen, so waren wir im Stande, Folgendes zu ermitteln: Die Assimilationskörperchen lassen zwei Bestandtheile unter- 1 FRIEDRICH STEIN, »Die Infusionsthiere auf ihre Entwicklungsgeschichte unter- sucht. p. 17. ET TEICHE Wei Win EN Die versch, Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. CGolpoda. 593 scheiden: eine äußere hellere Zone, die Assimilationszone, und einen central gelegenen dunkleren Theil, in welchem ich Harnsäure nachge- wiesen habe. Diese Harnsäure wird als Endprodukt des Stoffwechsels aufgespeichert und wird nach Auflösung der Assimilationszone im Entoplasma durch die Vacuole nach außen gestoßen. Der Assimilations- process geht nur unter Zutritt von sauerstoffhaltigem Wasser vor sich. Athmung und Assimilation sind zu einem Processe vereinigt. Fernerhin mussten wir drei Arten von Cysten unterscheiden: 1) die Theilungseyste, 2) die Dauercyste und 3) die Sporocyste. 1) Die Theilungseyste ist durch eine Öffnung ihrer Wan- dung, durch die Anwesenheit von Nahrungsballen im Ento- plasma, durch das ungestörte Weiterpulsiren der Vacuole und den Theilungsvorgang charakterisirt. 2) Die Dauercyste zeigt keine Öffnung, sie enthält keine Nahrungsballen, die Vacuole pulsirt nicht weiter, sondern kommt entweder in ihrer Systole oder in ihrer Diastole zum Stillstande. Eine Theilung findet nicht statt. 3) Die Sporocyste ist zum Unterschiede von den beiden andern Cystenarten durch zwei (bisweilen drei) Hüllen geschützt. Ihr Inhalt lässt von der ursprünglichen Organisation der Colpoden gar nichts mehr erkennen. Die Assimilationskörperchen zerfallen, ihre Harnsäure wird ausgestoßen; die Sarkode ist durch den Verlust von wässeriger Substanz, des Vacuolenwassers, auf das Achtfache ver- diehtet worden; der Kern ist nicht mehr nachweisbar, und selbst die Körperwandung fehlt allem Anscheine nach. Diese verschiedenen Cysten konnten sich unter besonderen Um- ständen in der Weise in einander verwandeln, dass: 1) die Theilungseyste zur Dauercyste und Sporocyste, 2) die Dauercyste zur Sporocyste werden konnte, während 3) die Sporocyste von jeder Umwandlung in eine andre Gystenart ausgeschlossen ist, Die Umwandlung der Dauercyste zur Sporocyste konnte auf zwei Arten geschehen, entweder konnten die Harnsäurekrümel der Assimi- lationskörperchen und die wässerige Flüssigkeit durch die Vacuole langsam ausgestoßen werden, oder beide traten an allen Stellen der Körperperipherie allmählich in den Velarraum hinaus. Von der Sporocyste haben wir keinerlei Umwandlungen in andere Cystenarten kennen gelernt. Es ist dies sehr begreiflich, weil wir aus der vollständigen Rückbildung der Organisation, welche das Thier bei seiner Umbildung zur Sporocyste erfahren hat, auf ein Ende seines individuellen Lebens schließen können. 594 Ludwig Rhumbler, Schematische Übersicht über die Veränderungen, welche die Colpoden bei den verschiedenen Cystenbildungen erfahren | I. Theilungscyste | - radlinige Bewegung w ra Erstes häufig von Rotation un- Anzeichen Die Nahrungsballen 1 | | terbrochen. | | bleiben im Innenkör- per des Thieres. Während der Ausscheidung der Hüllgela- tine und ihrer Erstarrung || perlängsachse oder Ruhe; daher: Pulsirende Vacuole immer an der- selben Stelle, dadurch Öffnung in der Cy- stenw Ak Kealıan selnde Achsen. Die Cilienschwinden. Cilien | = ‚Vacuolentempo 2 ' normal, weil durch die © | Cystenöffnung immer fri- 2 | Vacuole | sches Wasser in den In- Oo fusorienkörper eindrin- 5) gen kann. 2 = | Körper- | zZ | volumen | ändertsichnicht. S | 2 ES | 3 | ee) l = | Ss Ina o io a, . 2 = | Assimi- |Die Assimilationskörper- E lations- | chen bleiben im Thier- = körper- | körper unverändert. < chen | = | 3 a | | = | | = ji ee N 'Schwund der Cilien vollen- det: Hauptpause,Cir- kulation der Nahrungs- Weitere | pallenundAssimilations- Veränderun- | körperchen. gen 'Bildung der Theilwände ' und Theilkerne, Neubil- ı dungderV acuolen ı in den Theilthieren. | ‚Rotation um die Kör-[|Rotation Rotation um ständig wech-|Rotation um bleibt) Vacuolentempo 17; men |\Die mehr oder w eniger ge-|Die Thiere jagen mit großer|Die Thiere meist noch hhasti- Hast durch das Gesichts- feld des Mikroskops, Die werden ausgestoßen. um wechselnde Achsen, daher: Pulsirende Va- cuole kommt immer an einer anderen Stelle zur Entleerung; dadurch keine Öffnung in ss Cytenwand. wechselnde Achsen. Die Cilienschwinden. raschab, undwird= 0, wenn die Cystenwand ganz erhärtet ist undkein Wasser mehr in den In- fusorienkörper eindrin- gen kann. I} Das Körpervolumen ver-Das Körpervolumen än- dertsichnicht. | | | 3 Die chen bleiben unverän- dert im Innenkörper des Thieres, Ende der Dauercystenbil- dung Nahrungsballen|Die Nahrungsballen wer- ständigjRotation vollständig|Rotation um ständig wech-' Die Cilien bleiben be- nimmt|Vacuolentempo unverän- das Körpervolumen de Assimilationskörper-|Die Verminderung des Körpe ER Zerfall und Auflösung © rn nie III. Sporocyste ger als bei der Dauer- cystenbildung. denausgestoßen. um. wechselndeAchsen, daher: Pulsirende va- | cuole an wechselnder! Stelle, dadurch keine Ö ffnun gin der Cysten-) wand. } selnde Achsen. stehen. dert; da aber keine Öff nung in der Gystenwanc vorhan den ist, durch wel; che Ersatzwasser in del Infusorienkörper em dringen kann, nimm Thieres ab, und es ent steht demgemäß ei Zwischenraum zwische Cyste (= Velum) unddeı Thier, in welchen da Vacuolenwasser ausge stoßen wird. Assimilationskörpel chen geben ihreAssil milationszoneaad Entoplasma ab; ihl Harnsäure trittzue nen Ballen zusamm« und wird von der Vacuo‘ in den Velarraum au! gestoßen. volumens auf 1/; des U sprünglichen Umfangel Kernes, Schwinden Pellicula, ; Die versch, Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch, der holotr, Infusoriengatt. Colpoda. 595 Weitere \ "Veränderun- | gen 1 A Äußere _ Erkennungs- zeichen Zweck " Zeobachtete ' Zeitdauer | | I. Theilungscyste | II. Dauerceyste III, Sporoeyste Neubildung der Cilien, Vollständiges Homogen- werden des verdichteten Protoplasmas. Ausscheidung einer zweiten Cystenwand, der eigent- lichen Sporocystenwand. Ausschwärmen von zwei oder vier Theilthieren durch die Cystenöffnung. Cystenwand einfach von/Cystenwand einfach, |Mit doppelten Cysten- wechselnder Stärke, mit| meist dick, ohne Off-| wänden (Velum und Öffnung von einem) nung. Sporocystenwand) ohne Pole. : Öffnung. Schutz während derBildung|Schutz vor Austrocknung, Mehrere TheilthiereEin Thierin derCyste. Vollständig homoge- (zwei bis vier) in der ner opalisirender Cyste. Inhalt. Mit Nahrungsballen. |Ohne Nahrungsbal-|Ohne Nahrungsbal- len. len? MitAssimilationskör-|MitAssimilationskör-Ohne Assimilations- perchen. perchen. körperchen. Die pulsirende Va-Die pulsirende Va-|Die pulsirende Va- cuole schlägt im ge-| cuole in dilatirtem Zu- cuole fehlt gänzlich. wöhnlichen Tempo. standeam oberen Cysten- pole, oder zusammenge- fallen und dann nicht sichtbar. Pulsirt nicht. Sporenbildung. von zwei bis vier Theil- thieren. 2—42 Stunden, 4—4 Stunden. 1/o—4 Stunde. .Gorrte hat diesen Zustand der Sporocyste vor ihrer Weiterent- wieklung zuerst bei Actinosphaerium erkannt und denselben für alle Monoplastiden angenommen!. Ich bin in der Lage, diese Ansicht durch eine weitere Beobachtung zu stützen. Im Anfange des December hatte ich eine größere Anzahl von Stylonichia sp. in einem Uhrschälchen isolirt und sie der allmäh- lichen Austrocknung ausgesetzt. Am 2. Tage konnte ich die Sporo- eystenbildung dieser Thiere beobachten. Neben vielen Dauercysten, welche an ihren dilatirten Vacuolen erkennbar waren, bemerkte ich zwei Stylonichien in Ruhe am Platze liegen, welche auffallend lange Cilien zeigten; ich fasste sie schärfer ins Auge und bemerkte dann auch bald, wie ihr Körpervolumen mit den Pulsschlägen der Vacuolen abnahm, während die Cilien ihre ursprüngliche Größe nicht geändert hatten, so dass sie hierdurch weitaus länger als gewöhnlich erschienen. Auch die Harnsäure der Assimilationskörperchen trat bald im Körper zusammen und wurde ins äußere Wasser ausgestoßen (Fig. 60). 1 ALEXANDER GÜTTE, »Über den Ursprung des Todes.« p. 57. Hamburg und Leip- zig 1883, 596 Ludwig Rhumbler, Nachdem sich das Thier kuglig kontrahirt und seine Cilien pseudo- podienartig eingezogen hatte, schied es eine einfache Cyste aus. Der Kern zerfiel hierauf in der stark opalisirenden Cyste in ungleich große Theilstücke, welche alsbald nicht mehr nachweisbar waren. Ich'’kann weitere Details nicht angeben, weil der ganze Vorgang bei sehr schwacher Vergrößerung (Harrnack Oc. Il. Obj. 4) wegen der Größe des Uhrschälchens verfolgt werden musste. Das Wesentliche der Sporocystenbildung, die Ausscheidung der wässerigen Substanz, das Zerfallen der Assimilationskörperchen, das Verschwinden des Kerns konnte aber zweifellos festgestellt werden. Dass bei Stylonichia die Velumbildung fortfällt, hängt vielleicht damit zusammen, dass diese Thiere auch bei ihrer Theilung keine Cyste ausscheiden; auch Everrs hat bei seinen Vorticelleneysten! nur eine Gystenwand beschrieben. Arımann ?, der ebenfalls das Auftreten der Sporen in Vorticellen- cysten gesehen, aber die Weiterentwicklung derselben zu ausgewach- senen Vorticelliden nur vermuthet und nicht verfolgt hat, beobachtete dagegen auch bei den Vorticellen Sporocysten mit zwei Hüllen. Viel- ‚leicht kommt beides neben einander vor und die zweihülligen CGysten stellen eine Art Rückschlag dar; vielleicht aber auch war das Velum bei den Everrs’schen Cysten bei seiner leichten Zerstörbarkeit zu Grunde gegangen. Ich glaube, dass die Weiterentwicklung der Colpodasporen, wie ich sie im Vorstehenden mitgetheilt habe, durch die Beobachtungen, | welche Everrs an Vorticella microstoma gemacht hat, eine erwünschte Bestätigung erfährt. Die Entstehung der Sporen als einfache Zerfall- produkte des Kerns muss ich Everts gegenüber allerdings, wie schon hervorgehoben, auf das entschiedenste zurückweisen. In beiden Fällen treten aber erstens kleine Kügelchen (Sporen) aus der Cyste aus, welche bei CGolpoda den Kern und jede Pellicula vermissen lassen und auch bei Vorticella nach Everrs »keinerlei Differenzirungen zeigen«. Zweitens nehmen dann, hier wie dort, die Sporen unter Umbildungs- erscheinungen an Umfang zu — bei Colpoda geht diese Umbildung an der Peripherie der Spore vor sich (Umbildungszone). Bei Vorticella vollzieht sie sich nach Everıs’ Angaben an verschiedenen Punkten des Innenkörpers der Spore. Bei beiden Infusorienarten zeigen die Sporen drittens Bewegungserscheinungen. Sie werden bei Colpoda zu Amöbo- 1 Everrs giebt als Bildungsdauer seiner Cysten zwei bis drei Tage an; !sie scheinen also indirekt gebildet worden zu sein, worauf auch die vorangehende Theilung der Thiere zu deuten scheint. ? Report of the.forty-second meeting of the British association for the ad- vancement of scienee. Report 1872. p. 130. London 4873, Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 597 flagellaten, die sich erst später in jugendliche Colpoden umwandeln. Bei Vorticella zu » Trichodinac« (?) Everrs, welche in ähnlicher Weise zu Vorticellen werden. Die Entwicklung der Colpoda zeigt, wie mir scheint, dass das bio- genetische Grundgesetz auch für die Entwicklungsgeschichte der Mono- plastiden Geltung hat: £ -4) das kernlose Sporenstadium, darauf 2) der vielkernige, dann 3) der einkernige Amöboflagellatenzustand, A) schließ- lich die jugendliche Colpoda selbst. Dass ein vielkerniges Stadium dem einkernigen Zustande voraus- geht, spricht dafür, dass in der That, wie BürscuLı! schon geglaubt hat, die vielkernigen Amöben ursprünglicher als die einkernigen Amöben und letzere von den ersteren abzuleiten sind. Der Umstand, dass sich die Amöben spontan in flagellatenähnliche Thiere umwandeln können, beweist aber aufs Neue, wie eng verwandt die Amöben mit den Flagel- laten sind. Die Colpoden stellen jedenfalls eine sehr ursprüngliche Giliaten- form dar. Schon der Bau des Kerns, der bei Colpoda Steinii zeit- lebens bläschenförmig bleibt und ganz das Aussehen eines Flagellaten- kernes hat, weist im Gegensatz zu dem Bau anderer Infusorienkerne auf die Flagellaten hin; auch die Theilung in Cysten dürfte vielleicht eine von dieser Monoplastidengruppe her ererbte Eigenthümlichkeit sein. Ich glaube daher, dass wir aus der Entwicklungsgeschichte der Colpoden uns den Weg konstruiren können, auf welchem die »holo- trichen Ciliaten« aus den Flagellaten hervorgegangen sind. Gerade die Larvenform der Amöboflagellate scheint diesen Übergang zu vermitteln. In der Art wie die Sporen gebildet werden, zeigen die Colpoda- sporencysten viele Anknüpfungspunkte an die Gregarinen und Cocei- dien. Auch hier verschwindet nach den Angaben der meisten Forscher zuerst der Kern. Eine doppelte Hüllenbildung ist öfters beobachtet worden. Auch bei der Sporenbildung (Sporulation) der Gregarinen wird keineswegs der ganze enceystirte Plasmaballen verbraucht. Der größere Theil des encystirten Leibes bleibt wie der Colpodasporoblast nach dem Auswandern der Sporen dem Zerfalle überlassen zurück. Die wenigen Fälle, wo der gesammte Inhalt der Sporocyste ? in Sporen zu zerfallen scheint, sind noch viel zu wenig bekannt, um hier in Betracht kommen zu dürfen. | Die Pseudonavicellenbildung der Gregarinen ließe sich vielleicht 1 BürscaLı, » Beiträge zur Kenntnis einiger Flagellaten und einiger verwandter Organismen.« Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 277. a ? z.B. bei den Monocysten der Regenwürmer. Komplete Sporulation ScHNEIiDEr. 398 Ludwig Rhumbler, so erklären, dass bei den Gefahren des parasitischen Lebens, welches die Gregarinen führen, die Spore eine frühe Theilungsfähigkeit erlangt hat, welche unter der besonderen Modifikation der Pseudonavicellen- bildung auftritt und der Gattung eine größere Erhaltungsmöglichkeit sichert. Auch Everrs hat »bei Vorticella Theilungen im Trichodina- stadium« beobachtet, vielleicht ist diese Theilung mit der Pseudona- vicellenbildung aus einer Wurzel entsprungen. Selbst die Entstehung der Colpodasporen auf der Oberfläche des eneystirten Plasmaballens hat große Ähnlichkeit mit derjenigen von Monoecystis und Stylorhynchussporen, von denen BürscaLi sagt: »dass sie als helle durchsichtige Plasmaperlen von der Oberfläche hervor- sprossen.«'. Auch Kerne sind, wie bei den Colpodasporen, von den weitaus meisten Gregarinensporen trotz aller Bemühungen, wenigstens in der. ersten Zeit, noch nicht nachgewiesen worden. Die Weiterent- wicklung der Gregarinensporen ist in noch keinem einzigen Falle mit genügender Sicherheit nachgewiesen worden, doch scheinen manche, wie unsere Colpodasporen, sich zuerst in Amöben zu verwandeln?. Gewiss würden sich auch bei den anderen Monoplastidengruppen noch zahlreiche Anknüpfungspunkte an die im Vorstehenden mitge- theilte Entwicklungsgeschichte der Golpoden auffinden lassen. Ich will mich aber damit begnügen, auf die möglichen Verwandtschaftsbe- ziehungen zwischen Flagellaten und Gregarinen und den holotrichen Infusorien hingewiesen zu haben, zumal alle sicheren Beobachtungen über die Entwicklungsgeschichte andrer Monoplastiden nicht über die Bildung von Schwärmzellen hinausgehen. CGonjugationszustände habe ich während der langen Reihe meiner Untersuchungen über die Colpoden nicht angetroffen. Einmal traf ich eine Gyste mit zwei Thieren an, deren Wand eine ringförmige Einbuchtung erkennen ließ. Vielleicht war sie von zwei an einander gelagerten Thieren, welche in Conjugation begriffen waren, ausge- schieden worden. Die Thiere verließen bald darauf, nachdem ich sie aufgefunden hatte, die Gyste, so dass ich nicht entscheiden konnte, ob die Gyste nicht bloß eine anormale Theilungseyste war. Jedenfalls ist die Conjugation kein nothwendiges Postulat für die Fortpflanzung der Golpoden, sonst hätte sie mir sicher bei meinen zahlreichen Becbach- tungen öfters zu Gesicht kommen müssen. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem hochge- schätzten Lehrer, Herrn Prof. Dr. ALzxanper GortıE für das große In- Bürscaut, 1. c. p. 543, 10. 2 0. Bürscauı, 1. c. p, 533, Die versch. Oystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Golpoda. 599 teresse, welches er für meine Beobachtungen ununterbrochen an den Tag legte, sowie für die durch Rath und That erwiesene Beihilfe bei den manchmal anstrengenden Untersuchungen meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Straßburg i.E., den 30. Januar 1888. Erklärung der Abbildungen. Sämmtliche Abbildungen, mit Ausnahme von Fig. 38 und 58—63, sind unter 450facher Vergrößerung dargestellt; Fig. 38 ist etwa 250mal vergrößert, die Fig. 58 bis 63 aber wurden unter Vergrößerung HArTNAcK, Oc. II, Obj. IV entworfen, Die Abbildungen Fig. 14—24 und 54—57 beziehen sich auf Colpoda Steinii, die anderen auf Colpoda cucullus. Die letzten Fig. 58—63 stellen die Sporocysten- bildung von Stylonichia sp. dar. Se Bedeutung der Buchstaben. A, Assimilationskörperchen ; D, Dauercystenwand; G. gelatinöse Masse, welche zur Cystenwand erhärtet; H, Harnsäurekrümel; K, Keimchensporen ; N, Nahrungsballen; Oe, Öffnung der L Sp, Sporoblast; Th, Theilungscystenwand ; V, pulsirende Vacuole; Ve, Velum; &%,, Körperlängsachse, um welche zu Anfang der Bildung der Theilungs- cyste die Rotation erfolgt. Tafel XXXVI. Fig. 1. Eine normale Colpoda cucullus mit Nahrungsballen (N) und Assimila- tionskörperchen (A). Fig. 2. Bildung einer ovalen Theilungscyste; das Thier rotirt um seine Körper- längsachse xx,, die pulsirende Vacuole (V) bleibt dadurch an ein und derselben Stelle und bewirkt durch ihre Expulsionen die Bildung einer Öffnung v. in der ausgeschiedenen CGystenwand (@). Fig. 3. Bildung einer runden Theilungscyste, das Thier hat sich kugelig kon- trahirt, sonst wie Fig. 2. Fig. 4. Theilungscyste mit vier Theilthieren. Die Theilthiere sind nach dem Tetraeder geordnet, das vierte Theilthier wird von den anderen verdeckt. Fig, 5. Eben so, doch die Theilthiere anders gelagert. Fig. 6. Eine ovale zweitheilige Cyste; in der Mitte die blasse Zone, welche der Bildung der Theilwand vorausgeht. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 40 600 Ludwig Rhumbler, Fig. 7. Eben so, Theilthiere mit großen Nahrungsballen im Innern. Fig. 8. Schematische Darstellung der Bahnen, in welchen die Assimilations- körperchen während der Hauptpause cirkuliren. Fig. 9 und 10. Ausschlüpfen der Theilthiere aus den Öffnungen der mouse cysten. Fig. 41. Ein Thier, welches vor der Dauercystenbildung seine Nahrungsballen ausstößt. Fig. 42. Eine Dauercyste, die pulsirende Vacuole (V) ist in Dilatation am obe- ren Cystenpole sichtbar. Fig. 13a. Eine kleine Dauercyste mit dilatirter Vacuole (V). Fig. 13b. Eine kleinere Dauercyste, die pulsirende Vacuole ist zusammenge- sunken und desshalb nicht sichtbar. Fig. 14—24. Direkte Sporo none: Fig. 14. Ein Thier, welches seine Nahrungsballen ausgeworfen hat. Fig. 45. Das Thier hat sich zu einer Kugel kontrahirt. Fig. 16. Die äußere Hülle (Velum) ist ausgeschieden worden. Die Assimila- tionskörperchen (A) haben ihre helleren Zonen zum Theil schon an das Entoplasma abgegeben, ihre Harnsäure beginnt sich in Häufchen zu sammeln. Fig. 47—20. Durch die Thätigkeit der pulsirenden Vacuole vermindert sich das Körpervolumen des Thierchens mehr und mehr; das Thier rotirt in der von ihm ausgestoßenen Vacuolenflüssigkeit. Fig. 21. Die Harnsäurekrümel der Assimilationskörperchen haben sich zu einem Ballen vereinigt und werden von der pulsirenden Vacuole nach außen geworfen. Fig. 22. Die pulsirende Vacuole ist verschwunden, das stark verdichtete Thier beginnt die eigentliche Sporocystenwand auszuscheiden. Fig. 23. Die Cilien sind eingezogen worden; die Sporocystenwand ist erhärtet. Fig. 24. Fertige Sporocyste. Ve, Velum; C, Sporocystenwand; H, die ausge- stoßene Harnsäure. Fig. 25—37. Sekundäre sand lan verschiedener Cystenarten. Fig. 25. In eine Dauercyste verwandelte Theilungscyste. Die Trennung der Theilthiere war bei der Umwandlung in eine Dauercyste noch nicht vollendet. Th, ursprüngliche Wand der Theilungscyste; D, später entstandene Hülle der Dauercyste, welche die Öffnung (Oe) verschließt. Die Vacuolen (V) in Dilatation. Fig. 26. Desgleichen. Die Theilung des Thieres war bei der Umwandlung schon durchgeführt; in Folge dessen hat jedes Theilthier eine eigene Dauercysten- wand (D) ausgeschieden. Fig. 27 und 29. Umwandlung von Theilungscysten in Sporocysten. _ Fig. 27 und 28. Die Theilthiere trennten sich (Fig. 27) erst im Laufe der Um- wandlung; daher nur ein gemeinsames Velum (Ve). Fig. 29. Die Theilthiere waren während der Umwandlung bereits getrennt. Jedes Thier hat ein eigenes Velum (Ve) gebildet. Fig. 30—32. Sekundäre Umwandlung vonDauercystenin Sporo- cysten. Fig. 30. Eine sekundäre Dauercyste wandelt sich in eine Sn um. Die Dauercystenwand fungirt als Velum. Die pulsirenden Vacuolen stoßen allmählich in langen Zwischenzeiten die Harnsäurekrümel der Assimilationskörperchen aus. Fig. 34. Eben so, späteres Stadium; das Körpervolumen des Thieres hat sich schon bedeutend verringert. Fig. 32. Die Umwandlung geschieht ohne Beihilfe der pulsirenden Vacuole; Die versch. Cystenbildungen u. die Entwicklungsgesch. der holotr. Infusoriengatt. Colpoda. 601 die wässerige Flüssigkeit und die Harnsäurekrümel treten an allen Stellen der Körperperipherie aus, welche keine Pellicula mehr erkennen lässt. Fig. 33. Sporocyste eines Thieres, welches vorher mit Karmin gefüttert wor- den war (mit der Camera lucida gezeichnet). Das Thier hatte erst eine ovale Thei- lungsceyste (TR) ausgeschieden, theilte sich aber nicht, sondern verwandelte sich in eine Sporocyste, das sekundäre Velum (Ve) enthält noch die rothgefärbte Va- cuolenflüssigkeit. FH, ausgestoßener Harnsäureballen. Fig. 34. Eine Sporocyste mit zwei Vela (Ve, und Ve,). Fig. 35. Eine sich zur Sporocyste umwandelnde Theilungscyste hat ein zweites Velum (Ve,) ausgeschieden. Fig. 36. Eine ursprüngliche Theilungseyste mit vier Theilthieren, von denen sich zwei nochmals getheilt und alle Thiere sich mit Dauercysten sekundär um- kleidet haben. Fig. 37. Wie Fig. 27 ; im Innern der Sporocysten sind schon Sporen gebildet; das Velum ist geplatzt; die Sporocysten treten aus. Fig. 38. Eine Zusammenhäufung verschiedener Cystenarten, wie sie sich öfters in meinen Präparaten fand. Fig. 39—57. DieEntwicklungderColpodenaus den Sporocysten. Fig. 39. Eine Sporocyste, welche ihr Velum verloren hat. Fig. 40. Eine Sporocyste mit unversehrtem Velum. K, Sporen. Fig. 41. Die Sporen (K) seheinen von den Sporoblasten abgeschnürt zu werden. Fig. 42—44. Austritt der Sporen (K) und Zerfall der Sporoblasten (Sp). Fig. 45 und 46. Wachsthum der Sporen durch Größerwerden der Umbildungs- zone (U). Fig. 47. Die lichtbrechende Substanz der Spore ist auf ein Minimum reducirt. Fig. 48. Erste Gestaltveränderungen der Sporen; sie zeigen nach Behandlung mit Färbemitteln zwei bis vier punktförmige Kerne (n). Fig. 49 und 50. Amöboflagellatenzustand der Colpodasporen. Fig. 54. Eine zusammengekugelte Amöboflagellate in Ruhe liegend. Fig. 52. Dasselbe Thier; die Cilien beginnen sich zu bilden, die Kugel beginnt langsam zu rotiren. Fig. 53. Bildung des larvalen Peristomwimperbüschels. P, Peristomeinsenkung; W, Wulst, aus welchem der Wimperbüschel entsteht. Fig. 54—56. Umbildung der Larve zur fertigen Colpoda. Fig. 57. Ein Thier, welches auf einem larvalen Stadium stehen geblieben ist. Fig. 58—63. Die Sporocystenbildung von Stylonichia Sp. Fig. 58. Beginn der Auflösung der Assimilationskörperchen. Fig. 59. Die Harnsäurekrümel der Assimilationskörperchen haben sich zu einem Ballen vereinigt. Fig. 60. Auswurf des Harnsäureballen. Fig. 61. Das Thier hat sich kugelig kontrahirt; die Cilien erscheinen durch die . Volumenabnahme des Thieres auffallend lang. Fig. 62. Die Cilien sind eingezogen worden; -die Sporocystenwand ist ausge- schieden worden. Der Kern ist vor seiner gänzlichen Auflösung in Theilstücke (n) zerfallen. ne 63. al a, von Stylonichi Sp. 40% Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. Von Franz Ruland, Hamburg. Mit Tafel XXX VII. Die Frage nach der Bedeutung der an den Insektenantennen be- findlichen nervösen Endorgane hat die Zoologen seit mehr als einem Jahrhundert beschäftigt und ist bis heute Gegenstand lebhafter Kontro- verse geblieben. Während die Einen in den Fühlern nur Tastorgane sahen oder sie für Luftprüfer hielten (Kırsy und Spenxez), nahmen Andere _ (OREN, BURMEISTER, NEWPORT, Lesp&s) dieselben für die Träger der Gehör- organe in Anspruch, wieder andere (Erıcuson, Prrrıs, Leypıg, FoRrEL, Hauser, KräpeLın) glaubten in ihnen den Sitz des Geruchssinnes zu finden und deuteten die in Rede stehenden Organe demgemäß. Es dürfte überflüssig sein, auf die Untersuchungen der älteren Forscher hier ein- zugehen; die wichtigsten dieser Arbeiten finden sich in einer im Jahre 1883 erschienenen Studie von Krärzrin! kritisch beleuchtet und auf ihren Werth geprüft. | =. Seit dieser Zeit sind, so weit mir bekannt geworden, nur noch wenige mit unserer Frage in Zusammenhang stehende Beiträge veröffent- licht worden, nämlich drei physiologische von V. GrABEr ? und F. PrateauS, ! Über das Geruchsorgan der Gliederthiere. Eine historisch-kritische Studie _ von K. KräpeLın. Hamburg 1883. Programm der Realschule d. Joh. 2 V. GraBEr, Vergleichende Grundversuche über die Wirkung und die Auf- nahmestellen chemischer Reize bei den Thieren. Biol. Centralblatt. Bd. V, Nr. 13,44 u. Be. 11, Nr. % sd, 3 FELIX PLATEAU, Une experience sur la fonction des antennes chez la Blatte (Periplaneta orientalis). Extrait des Comptes rendus de la Societe Entomologique de Belgique. S&ance du 5 Juin 1886. Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 603 zwei anatomische von Basır Sızerın ' und A. ForrL?, sowie ein solcher mehr zusammenfassenden Charakters von Levis, auf die ich an ge- eigneter Stelle zurückkommen werde. Während die Ansichten der älteren Forscher über die physio- logische Bedeutung der Fühler sehr häufig wechselten, und bald die eine, bald die andere in den Vordergrund trat, ist seit den grundlegen- den anatomischen Arbeiten Leryvie’s über unseren Gegenstand in den letzten Decennien mehr die Meinung eine allgemeine geworden, dass wir es in jenen Fühlergebilden mit Geruchsorganen zu thun haben. Auch V. Gragzr, der sich früher dieser Ansicht gegenüber ziemlich ablehnend verhielt, hat nunmehr auf Grund seiner oben erwähnten Arbeit, in welcher er zuerst‘ mit gutem Erfolg das Prineip der großen Zahlen anwandte, zugegeben, dass die Geruchsperception wenigstens bei gewissen Insektengruppen und gewissen Geruchsstoffen mittels der Antennen bewirkt werde. Wenn wir nun auch mit der stets wachsenden Vervollkommnung der Instrumente und Untersuchungsmethoden namentlich in anatomisch- histologischer Hinsicht über manche Punkte unzweifelhaft zu ziemlicher Klarheit gelangt sind, so zeigen doch die letzten Ausführungen von Hauser, Krärperın und ForeL, dass wir noch weit von der endgültigen Lösung des Problems entfernt sind. Die stellenweise noch immer mangelhafte Kenntnis des feineren anatomischen Baues jener Gebilde und ihres nervösen Endapparates giebt den Grund zu abweichender physiologischer und morphologischer Deutung für eine ganze Reihe hierher gehörender Organformen, wie dies z. B. in Bezug auf die Forer- schen »Flaschen- und Champagnerpfropforgane« (Forer -— Krirerın), sowie auf die »Geruchsgruben«, beziehungsweise »Porenplatten« der Hymenopteren (Hauser, SAzEPın — Kräreuın) der Fall ist. Der Zweck der vorliegenden Arbeit, die auf den Rath und unter der Leitung des Herrn Professor Dr. KräpzLın angefertigt wurde, ist es nun, einige Beiträge zur Entscheidung der noch offenen Fragen zu liefern. Was die Anordnung des Stoffes anlangt, so weiche ich von der bis jetzt üblichen in so weit ab, als ich nicht von den einzelnen Insekten- ordnungen ausgehen und die bei ihnen vorgefundenen Fühlergebilde 1 B. Sızerın, Über den histologischen Bau und die Vertheilung der nervösen Endorgane auf den Fühlern der Myriopoden. Mem. de l’acad. imper. des sc. de St. Petersbourg. XXXII. No. 9. 4884. Vgl. BürsczLı, Biol. Centralblatt. Bd. IV. p. 113 —446, 2 A. Forer, Etudes myrmecologiques. Bull. Soc. Vaud. sc. nat. XX. 1884. 3 F. Leypie, Die Hautsinnesorgane der Arthropoden. Zool. Anzeiger. IX. Jahrg. Nr, 222—1223, ’ 604 Franz Ruland, zusammenstellen werde, sondern die verschiedenen Fühlergebilde selbst, nach physiologischen Gesichtspunkten geordnet, zum Einthei- lungsprincip wähle, wodurch der phylogenetische Zusammenhang der- selben deutlicher hervortreten und Wiederholungen thunlichst ver- mieden werden dürften. Die große Mannigfaltigkeit der an den Insektenfühlern vorkommen- den Sinnesorgane lässt sich, wie das bereits früher geschehen ist, mit einer einzigen Ausnahme vielleicht, auf einen allen gemeinsamen Grundtypus zurückführen. Der äußere Apparat ist ein mehr oder weniger entwickeltes Chitinhaar, an welches ein Zweig eines An- tennennerven herantritt. Weniger einfach allerdings gestaltet sich die morphologische Deutung der von KräreLın zuerst als »Porenplatten« bezeichneten Gebilde an den Fühlern der Hymenopteren. Zwar ver- sucht er auch hier die Zurückführung auf ein Haargebilde; dass aber die Frage nicht zur Evidenz erwiesen werden kann, ohne dabei die Entwicklungsgeschichte zu Rathe zu ziehen, dürfte schon aus der That- sache hervorgehen, dass auch Scuızmenz! eine solche Deutung versucht hat, ohne jedoch mit der Homologisirung, welche KrärzLın ausführt, übereinzustimmen. | Freie Nervenendigungen, ohne eine schützende Chitinhülle, wie sie z. B. Hauser bei Galoptenus, Gyrtoneura, Cynomyia, Tabanus und Vanessa als Riechstäbchen zeichnet, existiren nicht. Zahlreiche Ver- suche, die ich in der Art anstellte, dass ich die betreffenden Fühlerab- schnitte vor der Zerlegung in Schnittserien mit Kalilauge kochte, über- zeugten mich auf das entschiedenste, dass in allen den Fällen, wo Hauser einfache Nervenstäbchen sieht, nach dem Verschwinden der nervösen Substanz ein dauerhaftes Chitingebilde (Haar) übrig blieb. Eben so sicher lässt sich behaupten, dass die von früheren Autoren vielfach angenommenen Gruben ohne Kegel auf mangelhafter Beob- achtung beruhen, wie dies übrigens auch schon aus den neueren Arbei- ten über unseren Gegenstand hervorgeht. Physiologisch kann, wenn wir von den lediglich zum Schutze dienenden Flaumhaaren und den Schuppen der Schmetterlinge ab- sehen, für die an den Insektenantennen befindlichen Gebilde die Deutung von vier verschiedenen Funktionen in Frage kommen, in so fern wir dieselben entweder als Nervenendapparate in den Dienst des Tast-, Geruchs- und Gehörsinns stellen, oder aber Drüsen- organe in ihnen erblicken. i Über das Herkommen des Futterstoffes und die Speicheldrüsen der Bienen, nebst einem Anhang über das Riechorgan von P. ScuiemExz. Diese Zeitschrift. Bd. XXXVl. Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 605 A. Tastorgane. Was zunächst den Tastsinn betrifft, so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass ein großer Theil der an den Fühlern befind- lichen Gebilde mit der Perception von Tasteindrücken betraut ist. Von jeher hat man hierfür stärkere Chitinhaare in Anspruch genommen, welche der Oberfläche beweglich eingelenkt sind und auf einem aus dem Fühlerinneren kommenden Porenkanal stehen. Die Frage, ob der durch den Porenkanal nach Durchsetzung einer ganglionären Anschwel- lung aufsteigende Nerv an der Basis der Tastborste endigt, oder aber einen, wenn auch modifieirten Fortsatz in das Innere derselben sendet, scheint mir nach den bis jetzt vorliegenden Daten noch nicht völlig entschieden zu sein, und habe ich selbst darüber nicht zur Klarheit gelangen können. Rein theoretisch betrachtet könnten wir als Kriterium für die den Tastsinn vermittelnden Organe den Umstand verwerthen, dass sie einer direkten Berührung des Nerven selbst mit dem zu betastenden Gegenstande nicht benöthigen, dass also die Tastborsten im Gegen- satze zu den die chemischen Sinnesreize percipirenden Apparaten, den Geschmacks- und Geruchsorganen, an der Spitze geschlossen sein werden. Es ist nicht immer ganz leicht, die Tastborsten von den anderen Sinneshaaren zu unterscheiden; dem geübteren Auge jedoch bieten sich bald Merkmale, wie das Überragen der anderen Haare, ihre stärkere Chitinisirung, die eigenthümliche Einlenkung, die eine ziem- lich sichere Entscheidung in den meisten Fällen ermöglichen. "Sehr häufig erscheinen die Tastborsten für gewisse Nebenzwecke nach verschiedener Richtung hin speecialisirt. So findet man vielfach neben Tastborsten mittlerer Länge einzelne ganz gewaltige, die alle übrigen Fühlerorgane weit überragen und augenscheinlich mehr als Schutzapparate in Frage kommen. Eine eigenthümliche Art hierher gehöriger Gebilde lernte ich bei Necerophorus und Geotrupes (Fig. 24 q) kennen, Es sind dies gekrümmte oder gerade, robuste, sehr stark chitinisirte, zugespitzte Borsten, welche einem weinglasförmigen Poren- kanal mittels einer Chitinmembran (m) augenscheinlich elastisch ein- gepflanzt sind. Über den etwaigen nervösen Apparat gaben meine Präparate keinen sicheren Aufschluss; der in seinem unteren Abschnitt ziemlich verengte Porenkanal war in der Regel von einer homogenen Masse angefüllt, die durch Karmin roth gefärbt wurde. Dessgleichen nahm die untere, abgestumpfte Partie dieser Borste stets eine intensive Färbung an zum Unterschiede von den übrigen Abschnitten derselben. 606 E Franz Ruland, Ihre Aufgabe ist, abgesehen davon, dass sie die zarten Geruchskegel schützen, wohl auch die, den zur bequemen Lufteirkulation nöthigen Abstand zwischen den Fühlerlamellen herzustellen, wesshalb für sie die Bezeichnung als »Sperrhaare« eine passende sein N dürfte. B. Geruchsorgane, Eine ganze Reihe antennaler Sinnesorgane werden wir nicht als Tastborsten, sondern in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der neueren Autoren, als Geruchshaare in Anspruch zu nehmen haben. In erster Linie werden wir zu einer solchen Deutung in allen den Fällen ge- drängt, wo Haargebilde als Tastapparate offenbar ihren Zweck ver- fehlen würden, sei es, dass sie in tiefen Einsenkungen der Fühlerober- fläche stehen, sei es, dass sie von weit längeren Tastborsten oder gar Flaumhaaren überragt werden. Ob »Geruchshaare« unter allen Um- ständen durchbohrt sein müssen, um chemische Reize zu percipiren, ist lange bezweifelt worden und es ist ja auch wohl a priori die Mög- lichkeit nicht abzuleugnen, dass eine chemische Sinnesperception durch das Chitin möglich sei. Nachdem ich mich aber überzeugt, dass Durch- bohrungen sich selbst bei den zartesten Härchen, bei denen ich es kaum für möglich gehalten, nachweisen lassen (Melolontha ete.), halte ich mich zu dem Schlusse berechtigt, dass nur solche Haargebilde wirklich als chemisch percipirende Organe aufgefasst werden können, ‘ die an der Spitze durchbohrt sind. Dass dies jedoch nur eine theoretische Entscheidung, die praktisch mancherlei Schwierigkeit bietet, wurde bereits oben hervorgehoben. I. Geruchskegel der Fläche. Bei der nun folgenden näheren Betrachtung der Geruchsorgane wollen wir von den seit Leypıe als typisch bekannten, kegelförmigen Organen der Hymenopteren ausgehen. Leypıe beschreibt an den Füh- lern der Wespen, Bienen, Hummeln und Ameisen dicke, stumpfe, helle Kegel mit »weicherem« Ende und nennt dieselben »Riechkolben « im Gegensatz zu schmäleren, spitzen Borsten, die zum Tasten dienen. Hauser giebt später eine Beschreibung des zugehörigen nervösen Apparates bei Vespa crabro, dessen Entwicklungsgeschichte er verfolgt hat. Nach seiner Darstellung sendet der eine der beiden Antennen- nerven in jeden Kegel eine Nervenfaser, die zunächst in einen großen, langgestreckten, fast walzenförmigen Zellkern mit zahlreichen Kern- körperchen eintritt, sich dann weiterhin -in dem Kanal des Kegels zweimal verjüngt, dort von zwei Stäbchenkränzen umgeben ist und in dem an der Spitze geöffneten Kegel mit einem langen, blassen Stäbchen, dem Riechstäbchen, frei endigt. Außer dieser »Riechzelle«, die zwischen Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 607 dem Zellkern und dem ersten Stäbchenkranze eine schwache Längs- streifung zeigt, befinden sich dann noch in dem Kanal, ohne jegliche Verbindung mit dem Nerven, »zwei eigenthümliche Zellen mit einem langen, peitschenförmigen Fortsatz, welcher in der Mitte ein helles Fleekchen besitzt«, die als Flimmerzellen gedeutet werden. Diese Dar- stellung Hauszr’s blieb nicht lange unangefochten. Kräpzrın, der sich bald darauf mit demselben Gegenstande eingehend beschäftigte, kon- statirt, dass er die beiden Stäbchenkränze eben so wenig als die ge- nannten Flimmerzellen habe auffinden können; den Zellkern mit den vielen Kernkörperchen glaubt er am besten als Ganglion mit vielen Zellen deuten zu sollen. Die »Flimmerzellen« Hauser’s hält er für Epi- thel, indem er an einem Tangentialschnitt von Sirex zeigt, dass der in den Kegel eintretende Nerv (Achsencylinder), nicht frei hineinragt, sondern von Epithelzellen umschlossen wird. Weitere Berichtigungen. bringt dann Sazerın, der die Kegel von Vespa erabro mit den von ihm beschriebenen der Myriopoden vergleicht. Er zeigt, dass nicht eine einzelne Nervenfaser, sondern ein ganzes Bündel derselben von dem Antennennerven nach jedem Kegel ausgeht und bestätigt die Vermuthung KräreLın’s, dass der vermeintliche Zell- kern mit den vielen Kernkörperchen in Wirklichkeit ein Komplex von rundlichen Ganglienzellen mit sehr entwickelten Zellkernen sei. Diese Ganglienzellen senden wiederum ein ganzes Bündel von Nervenfasern zum ausgezogenen Ende des Riechapparates. Forer endlich hält wieder (in vermeintlicher Übereinstimmung mit Kräpzrin!) die Kegel für an der Spitze geschlossene Gebilde, wie er denn dieselben überhaupt erst in zweiter Linie als Geruchsorgane angesehen wissen möchte. Was meine eigenen, besonders an Vespa crabro angestellten Unter- suchungen anlangt, so möchte ich zunächst erwähnen, dass der einge- senkte, basale Theil der Kegel bis zur Einschnürung (Fig. 4C a) sich stets mit Hämatoxylin färbte, während der aus der Vertiefung hervor- ragende Abschnitt hyalin blieb, also wohl ein Unterschied bezüglich der Qualität des Chitins vorliegt. Weiterhin kann ich mich den Aus- führungen Sazrrin’s über die faserige Struktur des Nervenapparates, sowie seiner Deutung der ganglionären Masse als einer Summe von Ganglienzellen durchaus anschließen. Fig. 40 stellt einen Kegel von Vespa crabro dar, wie er sich mir bei Fühlerquerschnitten zeigte. Das von einem der beiden Antennennerven ausgehende Nervenfaserbündel tritt zunächst in ein großes, vielzelliges Ganglion von langgestreckter Gestalt ein, welches fast bis zur inneren Wand des Chitins reicht. Das Ganglion sendet dann ein Bündel von Nervenfasern aus, die als massige, 608 Franz Ruland, mit Karmin oder Hämatoxylin sich lebhaft färbende Cylinder bis unge- fähr in die Mitte des Porenkanals hineinragen; hier verjüngen sich die- selben plötzlich, nehmen keinerlei Farbstoff mehr auf und verschmel- zen bald zu einem einzigen, hyalinen Faden, der ohne Mühe bis in das letzte Drittel des äußeren Kegels verfolgt werden kann. Der ganze Nervenapparat, von dem unteren Ende des Ganglions bis zur Basis des äußeren Kegels, ist mit langgestreckten, spindelförmigen Epithelzellen umkleidet, welche in der Figur an den beiden angeschwollenen Partien weggeschnitten sind. Einzelne dieser Epithelzellen dürften die von Hauser beschriebenen Flimmerzellen sein. Fig. 8 giebt das Bild eines Geruchskegels von Mutilla sp., das im Wesentlichen mit dem vorigen übereinstimmt. Abweichend ist nur, dass die gefärbten Partien der Nervenfasern bei der zweiten Anschwel- lung alle in gleicher Höhe endigen. Ob die betreffende Zeichnung von Vespa crabro vielleicht in diesem Sinne zu berichtigen ist, konnte ich nicht entscheiden; es bot sich mir eben immer das gegebene Bild, in welchem jene Partien in verschiedener Höhe enden. Was das Vorkommen der Geruchskegel bei den Hymenopteren anlangt, so finden sich dieselben bei allen Familien ohne Ausnahme, entgegen der Meinung Hauser’s und Krärzuin’s, welche dieselben den Ichneumoniden und Cynipiden absprechen zu müssen glaubten. Bei Ophion luteus (Fig. 18 k) und Anderen konnte ich bald ihr ziemlich zahlreiches Vorkommen konstatiren, während es mir bei Cynips gallae tinctoriae erst nach langem Suchen gelang, solche aufzufinden; es hatte dies seinen Grund darin, dass die Kegel eben nur in sehr beschränkter Anzahl, höchstens zu vier bis fünf an den Fühlerendgliedern, und zwar nur am Vorderrande derselben vorkommen. In Bezug auf die äußere Gestalt unterscheiden sich die Kegel der Hymenopteren ziemlich bedeutend von einander, wie dies aus der Zu- sammenstellung einiger Formen (Fig. 26) hervorgehen dürfte (vgl. Figurenerklärung). Große Ähnlichkeit mit den Kegeln von Vespa und Mutilla haben in der äußeren Form die schon von Levvıs und Hauser beschriebenen Kegel von Dytiscus marginalis (Fig. 14). Der Unterschied besteht nur darin, dass die Vertiefung der Fühleroberfläche, in welcher bei Vespa der basale Theil des Kegels eingesenkt, etwas erweitert ist und die Einschnürung zwischen den beiden Kegelabschnitten deutlicher hervortritt. Wesentliche Unterschiede dürften sich jedoch in Bezug auf den nervösen Theil herausstellen. Statt des von dem Ganglion aus- gehenden Nervenfaserbündels, wie wir es bei Vespa und Mutilla ge- funden haben, scheint sich hier nur eine von Epithelzellen umschlossene Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 609 Scheide, die in ihrem Inneren den Achsencylinder birgt, bis zum Grunde des Chitinkegels zu erstrecken; von hier aus geht der Achsen- eylinder allein in das Innere des Kegels hinein. Von anderen Käferfamilien habe ich noch Hydrophiliden, Carabi- den, Gerambyeiden, Lamellicornier und Silphiden untersucht, und bei allen Geruchskegel aufgefunden. Hydrophilus piceus (Fig. 27) besitzt an den Innenseiten der obersten Fühlerglieder eine große Anzahl von schlanken Kegeln, die von dicht stehenden Tast- oder Schutzborsten weit überragt werden und sich von diesen auf den ersten Blick unter- scheiden lassen. Bei Carabus auratus (Fig. 28) fand ich zahlreiche, kleine hyaline Kegel an den Fühlerendgliedern zerstreut zwischen sehr langen und robusten Tastborsten. Ganz ähnliche Gebilde sah ich bei Clytus arcuatus aus der Familie der Gerambyciden. Kegel von ganz charakteristischer Form besitzen, wie dies auch schon von KrärrLın gezeichnet, die Geotrupes-Arten, und zwar stehen dieselben an den Innenseiten der Fühlerlamellen in so großer Anzahl, dass an Schnitten die Chitinwandungen zwischen den einzelnen Poren- kanälen nur als dünne Lamellen erscheinen (Fig. 234). Die Kegel selbst (Fig. 23B) sind von eigenthümlicher, abgestumpfter Form, an der Spitze fast von derselben Dicke als in der Mitte und an der Basis; sie stehen nicht immer gerade auf dem zugehörigen Porenkanal, sondern, nament- lich an dem Rande der Lamellen, stark geneigt. Der zugehörige nervöse Apparat besteht aus einem mehrzelligen Ganglion, welches einen ein- fachen, von Epithel umschlossenen Achsencylinder aussendet, den ich stets nur bis zur Basis des Kegels verfolgen konnte. Das Innere des ziemlich dünnwandigen und desshalb mit sehr großem Lumen ver- sehenen Kegels fand ich immer mit einer von Karmin roth gefärbten Masse angefüllt. Neerophorus vespillo (Fig. 24 k) endlich besitzt ebenfalls eine sehr große Anzahl hyaliner, von mächtigen Tastborsten überragter Kegel auf weiten Porenkanälen mit vorgewölbter Membran, die in ihrer äußeren Form in so weit variiren, dass sie bald länger oder kürzer, gerade oder gekrümmt erscheinen, sonst aber offenbar völlig gleichwerthig sind. Der zugehörige Achsencylinder gleicht dem bei Geotrupes und bei Dytiscus gefundenen. In völliger Übereinstimmung mit den eben geschilderten Verhält- nissen befinden sich die von Leyvıc bei Scarabaeus, Aphodius, Hydro- philus und die von KrärzLin bei Strangalia gemachten Angaben; in Bezug auf letztere möchte ich noch bemerken, dass mir die Kegel bei dieser Gattung doch etwas stärker entwickelt vorgekommen sind, als genannter Autor angiebt (l. c. Fig. 13—15). 610 Franz Ruländ, Schließlich dürften auch die von Hauser bei Anophthalmus Bil- mekii gezeichneten, knieförmig gebogenen, stumpfen Zapfen zu den Kegeln gerechnet werden. Wenn nun auch die bis jetzt untersuchten Käferfamilien nur einen kleinen Bruchtheil der Gesammtheit ausmachen, so scheint mir doch daraus hervorzugehen, dass die Verbreitung der Kegel in genannter Insektenordnung eine ziemlich allgemeine ist. Eben so bestimmt glaube ich behaupten zu dürfen, dass der zu den Kegeln gehörige nervöse Apparat ein wesentlich anderer ist, als bei den Hymenopteren, namentlich wenn man die später zu besprechenden Verhältnisse von Melolontha (Fig. 13) hier schon mit in Betracht zieht; derselbe scheint sich vielmehr eng an die Vorkommnisse anzuschließen, wie sie von KrärzELın bei den Geschmacksorganen von Musca! ge- schildert worden sind (l. e. Fig. 30, 31). Höchst merkwürdig ist das Vorkommen der Geruchskegel bei denLepidopteren. Bereits Leyvıc fand solche bei Catocala und Acherontia an dem Vöorderrande der Fühlerendglieder; die späteren Forscher dagegen thun derselben keine Erwähnung. Ich fand Kegel an der von Leryvic bezeichneten Stelle bei allen Gruppen der Schmetterlinge mit Ausnahme der Tag- falter, und zwar bei beiden Geschlechtern. Die stets sehr großen, robusten Kegel stehen einzeln oder zu je zwei, drei bis fünf auf einer am Vorderrande der Glieder befindlichen Anschwellung auf derjenigen Fühlerseite, welche keine Schuppen trägt, und werden von langen kräftigen Tastborsten überragt. Fig. I giebt das Bild einer Fühlerspitze von Sphinx ligustri; die Kegel (k) stehen hier in der Regel einzeln. Bei den Bombyeiden (Fig. 2) dagegen sind dieselben gehäuft. Orobena stramentalis (Fig. 3) hat Kegel, welche mit einer feinen, scharf abge- setzten Spitze enden und sich nicht nur am Vorderrande der Endglie- der, sondern auch auf der Kuppel des letzten Gliedes selbst finden, ähnlich wie Sazerrın die Verhältnisse bei Polyxenus dargestellt hat. Jodis sp. aus der Gruppe der Spanner (Fig. 22 k) hat Kegel mit mehreren, feinen Spitzen. | In anderen Insektengruppen sind dann noch Kegel gefunden wor- den zunächst bei den Dipteren. Ich konstatirte ihr Vorkommen bei den Gattungen Musca und Eristalis, sowie bei Tabanus bovinus (Fig. 7 Ä); in allen Fällen waren die Kegel ziemlich stark entwickelt und meistens gekrümmt. Ferner zeichnet KräpzLın einen Kegel von Blatta orientalis (1. e. Fig. 18); ich kann hinzufügen, dass die Kegel bei Blatta an dem Vorderrande der Fühlerendglieder stets gehäuft und so stark nach vorn ! KräpeLın, Zur Anatomie und Physiologie des Rüssels von Musca. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 61i geneigt sind, dass es nicht gelingt, einen Querschnitt mit einem ganzen Kegel zu erhalten; man kann dieses nur bei Längsschnitten erreichen. Weiterhin dürften auch die von Hauser bei Chrysopa perla gege- benen, knieförmig gebogenen Zäpfchen hierher gehören. Ganz ähnliche Gebilde fand ich höchst vereinzelt bei Pentatoma baccarum, während das Suchen bei Acanthia lectularia ohne Resultate blieb !. Aus allen diesen Daten scheint mir hervorzugehen, dass die Flächen- kegel bei sämmtlichen Ordnungen der Insekten verbreitet sind und dass, da auch Myriopoden und Crustaceen gleiche Gebilde besitzen, dieselben wohl als die Hauptform der Geruchsorgane bei den Arthro- poden überhaupt angesprochen werden können. II. Grubenkegel. An die auf der Fühleroberfläche stehenden Geruchskegel schließen sich nun solche an, welche in Vertiefungen jener eingesenkt sind. Diese, zum Theil schon lange bekannten und als Geruchsgruben bezeichneten Vertiefungen sind von jeher in »einfache« und »zu- sammengesetzte« unterschieden worden, je nachdem in ihnen ein oder mehrere Kegel vorhanden sind. Es muss hier nochmals hervor- gehoben werden, dass Geruchsgruben ohne solche Kegel, wie sie die früheren Autoren vielfach annahmen, überhaupt nicht existiren, sondern dass in jedem Falle eben diese Kegel augenscheinlich den wichtigsten Bestandtheil der Gruben, der einfachen sowohl als der zusammengesetzten, ausmachen, und dass Form und sonstige Beschaffen- heit der Vertiefungen selbst nebensächlicher Natur sind. Die Grubenkegel stimmen mit den auf der Fläche stehenden Geruchskegeln in allen wesentlichen Punkten überein; vor allen Dingen sind sie stets an der Spitze durchbohrt und mit einem nervösen Appa- rat in Verbindung, welcher mit dem der Geruchskegel identisch ist. a. Einfache Gruben. Betrachten wir zunächst die einfachen, nur mit einem Kegel versehenen Gruben, so bietet sich uns ein Eintheilungsprineip darin, wie der Kegel der Grube eingepflanzt ist; entweder steht derselbe auf der gewöhnlich etwas dünneren Bodenwandung der Grube selbst, oder er befindet sich in einem in das Innere des Fühlers einspringenden, 1 An den Fühlern der Bettwanzen scheinen, außer zweierlei Tastborsten, keine anderen Gebilde vorzukommen; diese unterscheiden sich aber nicht, wie HAUSER angiebt, nur durch ihre verschiedene Länge, sondern auch bezüglich ihres Querschnittes, der bei den an den Endgliedern befindlichen ein runder, bei den anderen ein flach-elliptischer ist. | | | 612 i Franz Ruland, als sehr verschiedenartig geformte Aussackung erscheinenden Diver- tikel der Grube (Champagnerpfropf- und Flaschenorgan). 1) Einfache Gruben der ersten Form, d. h. mit direkt bodenstän- digem Kegel hat man früher für weit verbreiteter gehalten, wie sie es in Wirklichkeit sind, da bei mangelnder Erkenntnis, dass sich im Inne- ren der Grube stets ein Kegel befinden muss, vielfach die Höhlungen ausgefallener Tastborsten als Gruben in Anspruch genommen worden sind. Mit Sicherheit lassen sich dieselben nur bei den Schmetterlingen, Fliegen, Orthopteren und, in sehr beschränktem Maße, bei den Käfern nachweisen. In der Ordnung der Schmetterlinge sind einfache Gruben bis- her nur bei den Tagfaltern bekannt und namentlich von Hauser und KrireLın eingehender untersucht worden; bei den übrigen Gruppen konnten sie dieselben nicht auffinden. Mir ist es gelungen, diese Gruben auch noch bei Spannern und Kleinschmetterlingen nachzuweisen. An den dünnen, spindel- oder fadenförmigen, mit großen Schuppen oder sonstigen Chitinanhängen dicht besetzten Fühlern der Schwärmer, Spinner und Eulen fand ieh nie Gruben, sondern nur die früher be- schriebenen Kegel. Während jedoch die Tagfalter nur Gruben be- sitzen, haben die Spanner und Kleinschmetterlinge, wie oben be- sprochen, außer den Gruben noch Kegel. In den Fig. 22 und 3 gebe ich Flächenbilder von Fühlerabschnitten von Jodis sp. und Orobena stramentalis, die sowohl Kegel als Gruben zeigen; gerade im letzteren Falle sah ich den Grubenkegel (gk) sehr deutlich auf einer bläschen- artigen Erhöhung im Grunde der Grube. Dass wir es in Wirklichkeit bei allen diesen Gebilden, also auch bei den Gruben der Tagfalter, mit einem Chitinkegel und nicht mit einem frei in die Grube ragenden Riechstäbchen, wie Hauser will, zu thun haben, hat bereits Krirrrın ausgeführt. Meine, in der Einleitung erwähnte Methode der Behandlung der Fühler mit Kalilauge, kann die Ansicht des Letzteren nur bestätigen ; auch stimme ich mit ihm über- ein, wenn er das Vorhandensein eines chitinösen Borstenkranzes um das vermeintliche Riechstäbchen bestreitet. Andere Chitinzacken jedoch, wie sie KräreLın in seiner Fig. 19 im Inneren der Grube zeichnet, konnte ich bei den von mir untersuchten Species, so namentlich bei Pieris brassicae und Coenonympha davus (Fig. 11), nicht auffinden. Doch will ich noch hervorheben, dass namentlich bei den Klein- schmetterlingen der Rand der Gruben von einem dichten Borstenkranze umgeben war, wie das auch aus Fig. 3 g ersichtlich ist. a Große Ähnlichkeit mit den einfachen Gruben der Schmetterlinge besitzen diejenigen der Dipteren; nur in Bezug auf die Form: des Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 613 Grubenkegels bestehen Unterschiede, indem derselbe häufig viel stärker entwickelt ist, als bei den Schmetterlingen. ‘Als Beispiel hierzu mag Fig. 7 g dienen, welche den auch noch später zu besprechenden Längs- schnitt durch das Fühlerende von Tabanus bovinus darstellt, indem ich ausdrücklich bemerke, dass ich auch hier die feine Öffnung an der Spitze des Kegels deutlich gesehen habe. Während in den bis jetzt betrachteten Fällen die Mündung der Gruben keine wesentliche Verengung zeigt und der zugehörige Gruben- kegel in der Regel bis zum Niveau der Fühleroberfläche reicht, finden sich bei anderen Insektenordnungen Gruben mit sehr verengter Mün- dung und minder stark entwickeltem Kegel. So zeichnet z.B. KräreLın eine Grube von Stenobothrus sp., die eine fast kugelrunde Form und ziemlich enge Mündung besitzt, während der Kegel nur als kleine Spitze auf einer bläschenartigen Erhöhung des Grubenbodens sichtbar ist (l. e. Fig. 16, 47). Am längsten bekannt sind die eigenthümlichen Gruben, die in sehr großer Zahl! an den Fühlerplatten gewisser Lamellicornier, namentlich der Maikäfer vorkommen, und sich dadurch auszeichnen, dass vom Boden der Grube eine vom Porenkanal durchbohrte Erhebung, eine Art von Klöppel, polsterartig in dieselbe hineinragt. Während Lryvıe bereits in diesen Gruben auf der kuppelartig vor- gewölbten, den Pcrenkanal verschließenden Membran sehr häufig einen blassen Dorn zu sehen glaubte, fand Hauser nur eine solche Membran ohne Dorn, deren direkten Zusammenhang mit einem Nervenende er nicht konstatiren konnte. KrärzLin unterschied dann drei verschiedene Formen von Gruben, die aber nach seiner Ansicht in einander übergehen können, nämlich 1) solehe mit stark vorgewölbtem, 2) mit schüsselförmig vertieftem und 3) mit sehr schwach entwickeltem »Klöppel«; letztere Form sollte ge- wissermaßen eine Zwischenform der beiden ersteren darstellen. In jedem Falle glaubte er aber auf dem Klöppel ein feines Chitinhaar zu finden (l. e. Fig. 8). Auch ich konnte zunächst drei Ba anformen der Gruben, malog den von KräreLın geschilderten, erkennen. Während aber die Gruben mit wenig vorgewölbtem Polster stets einen geraden oder gekrümmten Grubenkegel besitzen, muss ich dies für die beiden anderen Formen entschieden in Abrede stellen; ich habe mehr als hundert derartiger Schnitte durchmustert, aber niemals einen Kegel in diesen Gruben ge- funden. ‚Da mir weiter die Behandlung solcher Fühlerlamellen mit 1 Nach HAUsERr’s Sehätzung bei Melolontha $ 39 000, beim © 35 000 an jeder Antenne, 614 2. Franz Ruland, kochender Kalilauge auf das deutlichste zeigte, wie jener Kegel durch- bohrt war, indem verschiedentlich etwas von dem durch die Kalilauge zerstörten Haarinhalte aus einer feinen Öffnung an der Spitze hervor- ragte, die beiden anderen Formen der polsterartigen Erhöhungen sich aber hierbei als völlig geschlossen erwiesen, so ist schwer einzusehen, wie diese verschiedenen Organformen derselben a hier also der Geruchsperception, dienen sollen. Der nervöse Apparat besteht in allen drei Fällen aus einem von Epithelzellen umschlossenen Achsencylinder mit locker umgebender Nervenscheide, der hier von einem wenigzelligen (meist zweizelligen) Ganglion herkommt, welches wiederum mit einem Antennennerven in Verbindung steht. Im ersten Falle reicht der Achsencylinder, welcher allein in den Kegel eintritt, während die Scheide an der Basis aufhört, bis zur Spitze des Kegels, analog mit den früher bei Dytiscus geschil- derten Verhältnissen; in den beiden anderen Fällen konnte ich den Achseneylinder zwar bis zur Deckmembran des Klöppels verfolgen, bin aber nicht zu sicheren Resultaten über die Art seiner Endigung ge- kommen. In den meisten Fällen schien es mir, als ob er, sich ver- breiternd, in größerer Ausdehnung an eben jene Deckmembran sich ansetze. Eine Öffnung jedoch, wie ich nochmals hervorheben will, ver- mochte ich niemals in jener Membran nachzuweisen, so dass also die Möglichkeit, dass der Achseneylinder direkt mit der äußeren Luft in Verbindung treten könnte, völlig ausgeschlossen erscheint. Was das Zahlenverhältnis anlangt, in welchem jene drei Formen der Gruben vorkommen, so zeigte sich zunächst, dass dasselbe bei bei- den Geschlechtern gleich war. Von den Gruben mit schüsselförmig vertiefter Deckmembran fand ich an jedem Lamellenquerschnitt höch- stens zwei bis vier, während die beiden anderen Formen ziemlich gleich stark vertreten waren; ihre Zahl schwankte zwischen 8 und 14. Fig. 13 giebt das Bild eines kleinen Abschnittes von einem Querschnitt durch eine Fühlerlamelle von Melolontha vulgaris, das völlig übereinstimmt mit den Längsschnitten dieser Lamellen und auch mit solchen, die ich von anderen Lamellicorniern, z. B. Rhizotrogus solstitialis, erhalten habe; die Deutung dürfte sich, ohne Weiteres aus dem Vorhergehenden ergeben. 2) Weniger bekannt als die in Vorstehendem geschilderte Form der einfachen Gruben ist die zweite, bei welcher der Boden der Grube noch eine, oft weit in das Fühlerinnere hineinragende Aussackung bildet, die nun erst auf ihrem Grunde den Kegel trägt. Das Aussehen dieser Gebilde ist vielfach und namentlich bei der Insektenfamilie, bei welcher sie zuerst aufgefunden wurden, den Ameisen, so eigenartig, Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten, 615 dass man Anfangs wohl kaum daran gedacht hat, sie mit den oben ge- schilderten, einfachen Gruben in Parallele zu stellen. In seinen »Fourmis de la Suisse« beschreibt A. ForeL zwei Arten von Organen, die er im Inneren der Endglieder von Ameisenfühlern aufgefunden und im Gegensatz zu den auf der Fläche stehenden äuße- ren Organen als innere bezeichnet!. Die einen derselben, die »ForEL- schen Flaschen« Kräpzuiv’s, stellen longitudinal gelagerte, flaschen- förmige Chitintuben dar, deren Boden als lang ausgezogenes, blasses Chitinhaar in das Innere hineinragt, während der »Hals« der Flasche einen die letztere um das Vielfache an Länge übertreffenden, engen Kanal bildet, der kurz vor seinem Ausgange sich bläschenartig erwei- tert, um dann an der Fühleroberfläche zu münden. Die Gebilde der zweiten Art, die »„Qhampagnerpfropforgane«, sind diesen ganz ähnlich gebaut, nur kürzer und gedrungener von Gestalt; sie befinden sich näher an der Oberfläche, jedoch nicht völlig in der äußeren Chitin- wandung, sondern mit ihrer Basis etwas in das Fühlerinnere eingesenkt. Im weiteren Verlaufe seiner Untersuchungen fand Foreı die beiden Organe noch bei den Bienen und Hummeln, nicht aber, trotz aller dar- auf verwandten Mühe, bei den Wespen. Dieses Fehlen der »Flaschen- und Champagnerpfropforgane« bei den verhältnismäßig gut riechenden Vespiden und ihr zahlreiches Vorkommen bei den minder gut riechen- den Apiden bestärkt ihn in der Annahme, dass wir es hier wohl nicht mit Geruchsorganen zu thun haben könnten. KräÄPELIN ist geneigt, für die Flaschen die Funktion als Drüsen- organein Anspruch zu nehmen, namentlich weil er am Grunde der- selben verschiedentlich eine drüsige Masse wahrgenommen zu haben glaubt, während er die pfropfenförmigen in den Dienst der Geruchs- perception stellt und auf ihre Ähnlichkeit mit den »Gruben mit Kegeln« der übrigen Insekten (Grube von Vanessa) hinweist; er giebt in seiner Fig. 27 Abbildungen, die namentlich in Bezug auf die Mündungen bei- der Organe in den erwähnten bläschenartigen Höhlungen von den Forzr’schen abweichen; die Verbindung der Flaschen- und Champagner- pfropfen mit diesen Höhlungen wird nämlich nicht durch eine einfache ! Die Priorität der Entdeckung der beiden in Rede stehenden Organe ist von Lussock für Hıcks in Anspruch genommen worden, wohingegen ForEL in seiner in der Einleitung citirten Arbeit aus dem Jahre 1884 lebhaft bestreitet, dass Hıcks der- selben schon in den »Transactions of the Linnean Society XXII. 4857« Erwähnung thue. In Wirklichkeit giebt Hıcks bei Myrmica rubra im Jahrg. 1859 gen. Zeit- schrift eine ziemlich genaue Zeichnung davon und hält die Möglichkeit, dass es Gehörorgane seien, nicht für ausgeschlossen (l. c. p. 383). Offenbar hat Forer die einen Nachtrag zur Hauptarbeit aus dem Jahre 4857 bildenden »Further Remarks on the Organs of the Antennae of Insects etc.« von 1859 übersehen, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLVI. Bd. 44 616 Franz Ruland, Öffnung an der Basis der letzteren hergestellt, sondern dadurch, dass der sog. Hals der Organe in jene hineinragt. Diesen Ausführungen gegenüber betont dann ForeL in seiner Arbeit vom Jahre 1884 ganz richtig, dass bei dem völlig übereinstimmenden Bau beider Organe auch auf die gleiche Funktion für beide geschlossen werden müsse, lässt jedoch die Frage, welches diese Funktion sei, unentschieden. : Für eine Deutung als Gehörorgane trat zunächst Lusgock! ein; neuerdings neigt Leynpıs derselben Ansicht zu, indem er in den lang- halsigen Flaschen die Chordotonalorgane anderer Insekten zu finden meint (l. e. p. 312). | Forzr erkannte also bereits die Übereinstimmung in dem Bau der beiden von ihm zuerst eingehender behandelten Organe; den Cham- pagnerpfropfen könne man sich vorstellen als ein in den zugehörigen Porenkanal eingesenktes Haar; die Flaschen seien weiter nichts, als Champagnerpfropfen, bei welchen der sich einsenkende Chitineylinder zu einem außerordentlich langen, halsförmig verengten Kanal sich aus- gebildet habe. Gegen diese Auffassung Forzr’s dürfte wenig einzuwen- den sein, zumal es mir gelungen ist, dieselbe durch Auffindung einer Mittelform zwischen beiden Organen noch weiter zu stützen. Diese, bisher unbekannte Form stellt Flaschen von kurzer, gedrungener Ge- stalt 2 mit stark entwickeltem Kegel im Inneren und verhältnismäßig kurzem Hals dar, die sich in geringer Anzahl in den letzten Antennen- gliedern, wahrscheinlich mit Ausnahme des Endgliedes bei Formica rufa finden; sie schließen sich der Form nach in ihrem basalen Theile an die Champagnerpfropfen an, während sie den längeren, halsförmig verengten Chitinkanal mit den Flaschen gemeinsam haben. Fig. 16 stellt Abschnitte der beiden letzten Fühlerglieder von Formica rufa dar; ch und f sind die Forer’schen Ghampagnerpfropf- und Flaschenorgane, deren Mündung (m) aber in der bläschenartigen Höhlung (b) nicht wie Forzı dieselbe darstellt, aus einer einfachen Öffnung besteht, sondern, entsprechend der Ansicht KrärruLın’s, mittels einer wallartigen Er- höhung gebildet wird. Denkt man sich die mittlere Partie des Klöppels einer Grube von Melolontha sammt dem Kegel mehr oder weniger in das Fühlerinnere eingesenkt, so erhält man genau das betreffende Bild. 1 Lussock, On some points of the anatomy of Ants. The monthly microscopical Journal 4877. 2 Diese Gebilde haben augenscheinlich nicht die schlanke Form einer Wein- | flasche, an welche ForeL wohl bei seiner Namengebung gedacht hat, sondern sie | gleichen vielmehr, man verzeihe den etwas trivialen Vergleich, den gedrungenen, langhalsigen Flaschen, in denen das bekannte sächsische Bier, die Gose, aufbe- wahrt wird, Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten, 617 Bei Fig. 16 f’, welche die neue Form der Flaschenorgane darstellt, habe ich jene Art der Mündung nicht konstatiren können, weil die Höhlung, wie auch bei dem Champagnerpfropfen (ch’) stets schräg ge- troffen war, glaube jedoch aus der Analogie mit den beiden anderen Formen darauf schließen zu dürfen. Bei den Ameisen haben wir augenscheinlich die denkbar größte Differenzirung der beiden schon länger bekannten Formen der pfropf- und flaschenförmigen Organe vor uns; bei Bombus z. B., und noch mehr bei Apis, ist der Hals der Flaschen so verkürzt, dass dieselben nicht mehr longitudinal gelagert, sondern fast rechtwinkelig zur Oberfläche gestellt sind. Die vorstehend gebrachten Daten scheinen mir in jeder Hinsicht die Ansicht Forer’s zu bestätigen, dass die beiden genannten Organe morphologisch gleichwerthig sind. Eine weitere Frage ist nun die, ob etwa auch ein Zusammenhang derselben mit anderen, früher bereits besprochenen Organen besteht. Hier drängt sich uns nun sofort, wie dies ja auch bereits KräreLın ausgesprochen hat, der Vergleich mit den einfachen »Gruben mit Kegeln« anderer Insektenordnungen auf; den- _ noch würde die (nicht abzuleugnende) Ähnlichkeit beider Gebilde durchaus nicht strikte beweisend sein für ihre morphologische oder gar physiologische Gleichwerthigkeit, wenn nicht noch weitere Über- gangsformen sich darböten. An Längsschnitten durch das hakenförmige Fühlerendglied von Tabanus bovinus (Fig. 7) gelang es mir, eine ganze Stufenreihe von Zwischengliedern beider zum Vergleich stehender Organformen nach- zuweisen, von dem auf der Oberfläche stehenden Geruchskegel (k) bis zu dem völlig in das Innere des Fühlers eingesenkten Flaschenorgan (f); die einfache Grube (9) und der Champagnerpfropf (ch) bilden augen- scheinlich die Übergangsformen. Hierzu will ich noch bemerken, dass, wenn auch die betreffende Fig. 7 eine kombinirte ist, so doch die einzelnen Formen an ein und demselben Schnitte zu sehen waren. Was nun schließlich die physiologische Deutung unserer Organe anlangt, so gehen die Meinungen wohl desshalb so weit aus einander, weil eine Darlegung der histologischen Verhältnisse noch ausstand. _ Das Argument Forer’s gegen ihre Deutung als Geruchsorgane, welches er in dem Fehlen der betreffenden Gebilde bei den verhältnismäßig gut riechenden Vespiden findet, während die mit einem weit geringe- ren Geruchsvermögen begabten Apiden eine große Anzahl davon be- säßen, wird von vorn herein hinfällig durch die Thatsache, dass ich sowohl Champagnerpfropf- als auch Flaschenorgane in den Wespen- | 41% 618 Franz Ruland, fühlern aufgefunden habe, und zwar in derselben Menge, wie bei den Bienen. Beide Organe, deren Abbildungen ich in Fig. 44 und D gebe, stimmen im Wesentlichen mit denjenigen der Ameisen überein. Der Unterschied besteht, abgesehen von dem sehr verkürzten Flaschenhalse, darin, dass die bläschenförmige Höhlung sehr klein ist im Verhältnis zur Dicke der Chitinwandung, wodurch zur Herstellung der Verbindung mit dem Fühlerinneren ein ziemlich geräumiger Poren- kanal (p) nöthig wird. Gerade bei Vespa crabro ist es mir weiter ge- lungen, Aufschluss über die betreffenden histologischen Verhältnisse zu erhalten, wie denn überhaupt die Wespenfühler ihres weichen Chi- tins wegen das beste Untersuchungsmaterial für unsere ganze Frage liefern. Nachdem wir im Vorhergehenden die morphologische Gleich- werthigkeit der flaschen- und pfropfenförmigen Organe sowohl unter sich als mit den einfachen Gruben, beziehungsweise den Flächenkegeln, als unzweifelhaft erkannt haben, liegt der Gedanke auch einer physio- logischen Übereinstimmung nahe genug; in der That entsprach der histologische Befund der nervösen Endapparate ganz jener aprioristi- schen Vermuthung. In beiden Fällen sendet nämlich ein mit einem Antennennerven in Verbindung stehendes, vielzelliges Ganglion ein Bündel von bald unter sich verschmelzenden Nervenfasern zu dem im Grunde des Organs befindlichen Kegel!. Dass auch diese Kegel an der Spitze durchbohrt sind, habe ich wenigstens bei dem Flaschenorgan deutlich gesehen, indem auch hier wieder bei Anwendung von Kali- lauge etwas von dem Kegelinhalte aus einer feinen Öffnung hervor- ragte: Die ganzen Verhältnisse sind also denjenigen sehr ähnlich, wie wir sie bei den Geruchskegeln von Vespa gefunden haben, und die Organe selbst daher mindestens eben so sicher als Geruchsorgane zu | deuten, wie die Kegel und einfachen Gruben. € Es erübrigt mir nun noch, etwas über die Verbreitung der Cham- | pagnerpfropf- und Flaschenorgane zu sagen. Auber den bereits ange- | führten Familien der Bienen, Wespen, Ameisen und Tabaniden konnte ich dieselben noch nachweisen bei den Grabwespen (Ammophila), den Heterogynen (Mutilla) und den Syrphiden (Eristalis), über welche letz- tere Gruppe weiter unten noch kurz berichtet werden soll. | 1 Hiermit steht eine von Hauser gemachte Angabe im Einklang. Er beschreibt | nämlich bei Vespa crabro zweites Stadium, »in der Ausstülpung begriffene, hohle, j nach außen offene Geruchskegel«, und zeichnet in Fig. 15 Z, dieselben mit dem ' zugehörigen Nervenendapparate. Augenscheinlich sind dies die Champagner- | pfropfen; da er sie jedoch bei dem fertigen Insekt nicht wieder findet, so hält er | sie für Entwicklungsstadien der äußeren Geruchskegel. Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 619 Somit wäre für eine ganze Reihe von Insektengruppen die inter- essante Thatsache zu konstatiren, dass sie an ihren Fühlern eine Summe verschiedener Geruchsorgane besitzen. Es dürfte unter diesen Ver- hältnissen der Gedanke kaum zurückzuweisen sein, dass, wie dies ja auch für andere Thiergruppen in hohem Grade wahrscheinlich, für ge- wisse specifische Geruchsstoffe auch speeifische percipirende Organe vorhanden sind. b. Zusammengesetzte Gruben. Über die zweite Hauptform der Fühlergruben, die zusammenge- setzten, wie sie bereits von früheren Autoren, namentlich bei Fliegen und Schmetterlingen beschrieben und schließlich allgemein als Ge- ruchsorgane gedeutet worden sind, kann ich nach dem Gesagten schneller hinweggehen. Es sind diese Gruben nichts Anderes als flachere oder tiefere Einstülpungen größerer Abschnitte der Fühler- oberfläche, sammt deren einzelnen Anhängen, den verschiedenartigen Haaren, Kegel, einfachen Gruben, ja selbst Champagnerpfropforganen (Eristalis). Dieselben kommen, außer bei den genannten Gruppen auch noch bei anderen vor; so zeichnet z. B. KrärzLiv eine derartige, äußerst flache Grube mit kleinem Kegel von Strangalia (l. ce. Fig. 12, 13), wäh- rend Hıcks und später Hauser die Vermuthung aussprechen, dass auch die Libelluliden zusammengesetzte Gruben besitzen, jedoch keine An- gaben über deren Inhalt machen. Ich kann diese letztere Vermuthung bestätigen. Bei Aeschna sp. fand ich nämlich an den haarförmigen Fühlern zusammengesetzte Gruben von sehr unregelmäßiger Gestalt in geringer Anzahl vor. Fig. 21 A giebt das Bild eines Längsschnittes durch einen solchen Fühler; die Grube ist in Fig. 21 B stärker ver- srößert gezeichnet und zeigt hier einen deutlich entwickelten Gruben- kegel (gk). Bei den Fliegen fand ich, wie oben angedeutet, neben den schon bekannten Kegeln in einem Falle auch Champagnerpfropforgane in den zusammengesetzten Gruben vor. Fig. 10A stellt einen Längs- schnitt (tangential) durch das Fühlerende von Eristalis sp. dar, wobei die Grube so getroffen wurde, dass sie ringsum geschlossen erscheint; der Charakter der Schutzborsten (t), der Geruchskegel (k), sowie auch der Champagnerpfropforgane (ch) ist nicht zu verkennen. Außer den genannten Fällen dürften zusammengesetzte Gruben noch bei den Blattläusen vorkommen, jedoch gaben mir hier meine Präparate keinen genügenden Aufschluss über den Inhalt der Ver- tiefungen. 620 Franz Ruland, C. Gehörorgane. Während alle bis jetzt besprochenen Antennalorgane sich ohne Mühe als Haargebilde erkennen ließen, ist dieses bei der nun folgenden letzten Gruppe nicht der Fall; ich meine die zuerst von KrärzLın an den Fühlern der Hymenopteren als Porenplatten unterschiedenen Gebilde, welche von den früheren Autoren ohne Weiteres den ge- wöhnlichen Gruben der anderen Insekten an die Seite gestellt wurden. Hauser, der sich zuerst eingehend mit ihrem anatomischen Bau und dem zugehörigen, nervösen Endapparate beschäftigte, kam zu dem Schlusse, dass diese »Gruben« den Geruchskegeln morphologisch und physiologisch völlig gleichwerthig seien. Die »Gruben« der Hymen- opteren sind nach seiner Ansicht nichts Anderes als Kegel, die in das Innere des Fühlers eingesenkt sind und nicht über die Oberfläche des- selben hinausragen: innere Geruchskegel. Der Nervenendapparat an sich unterscheidet sich nach seiner Auffassung von demjenigen der äußeren Kegel nur durch seine geringere Größe. Dagegen glaubt er statt der beiden Flimmerzellen, wie er sie bei den letzteren beschrie- ben hat, hier die Riechzelle von einer »membranbildenden« Zelle um- geben zu sehen. Diese membranbildende Zelle soll eine die Grube nach außen hin abschließende Platte produciren, welche jedoch stets mit einer Öffnung versehen ist. Sızrrin, dem die Arbeit Kräreuin’s unbekannt geblieben ist, schließt sich den Ausführungen Hauser’s ohne Weiteres an, kann aber die mem- branbildende Zelle nicht auffinden. Er hat die betreffenden Gebilde nur an Querschnitten studirt und überhaupt die ganze, recht schwie- rige Frage nur obenhin gestreift, wie er denn nicht einmal die HAuser- schen Darstellungen überall richtig verstanden hat. So hält Hauser weder die Ichneumoniden, Braconiden und Cynipiden für die mit Vespa zunächst verwandten »Gattungen«, wie Sızerın ! ihm in den Mund legt, noch spricht er denselben die Gruben mit Spaltöffnungen ab, sondern behauptet gerade das Gegentheil 2. Den Darstellungen Hauser’s trat nun KräpeLın ziemlich in allen Punkten entgegen. Er konstatirt zunächst einen fundamentalen Unterschied zwischen den Gruben, wie wir sie früher bei Melolontha oder den Dipteren kennen gelernt haben und diesen bis dahin ebenfalls Gruben genannten Gebilden an den Fühlern der Hymenopteren. Eine feste, dicke Membran ohne jegliche Öffnung, für welche er den Namen j 1 SAZEPIN, 1. c. p. 16, ® Hauser, |. c. p. 393, Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten, 621 »Porenplatte« vorschlägt, schließt in gleicher Ebene mit der Fühler- oberfläche das Innere des zugehörigen Porenkanals von der äußeren Luft völlig ab. Diese Porenplatte, über deren Natur er nicht zur völ- ligen Klarheit gelangt ist, ruht in einem Chitinring, der sich in dem stets nach oben erweiterten Porenkanal an die eigentliche Chitinwan- dung anlegt!. Schließlich glaubt er doch noch den ganzen Apparat auf ein, wenn auch stark modifieirtes Haar zurückführen zu können. Der Porenkanal, aus dem Inneren des Fühlers durch die Chitin- wand aufsteigend, hat zunächst einen runden Querschnitt. Näher der Oberfläche ändert sich die Form des Porenkanals, um mit ovaler (Api- den) oder langgestreckt elliptischer Mündung (Vespiden), nach außen zu treten. Von der Form dieser Mündung hängt natürlicherweise die Form der die Mündung verschließenden Porenplatte ab. Was nun den nervösen Inhalt des Porenkanals anlangt, so fand KräpeLın statt des Hauser’schen Nervenzapfens als Fortsetzung eines mit dem Antennennerven in Verbindung stehenden, vielzelligen Ganglions einen. »Anfangs dünneren, runden, dann aber sich plattenartig aus- breitenden und hier deutlich eine faserige Struktur verrathenden Nervenstrang vor, der sich der ganzen Länge nach an die Membran des Spaltes ansetzt«. An Stelle der membranbildenden Zelle beschreibt er Epithelzellen, welche, analog wie bei den Kegeln, diese Nervenend- platte umgeben. In Bezug auf die Funktion scheint er die Möglichkeit, dass es sich hier um Gehörorgane handeln könne, nicht für ganz ausgeschlossen zu halten, wenn er auch so lange an der Deutung als Geruchsorgane fest- halten möchte, bis die Natur der Porenplatte definitiv klar gelegt sei. Noch entschiedener nach dieser Richtung spricht sich ForeL aus, der gerade jenen Porenplatten der Apiden ete., die er mit den eigenthüm- lichen, knieförmig gebogenen Fühlerborsten der Ameisen identificirt, in erster Linie die Funktion der Geruchsperception zuschreibt. Merk- würdigerweise nimmt Lrvpıc in der oben angeführten Arbeit von den vorhin besprochenen Ausführungen KrärrLın’s über diese Art von An- tennalorganen keinerlei Notiz. Er scheint demnach in genannten Ge- bilden keine Organe sui generis anzuerkennen und auf seiner früheren Ansicht, dass wir es mit gewöhnlichen Gruben zu thun hätten, zu ver- harren. Meine eigenen Untersuchungen zeigten zunächst auf das unzweifel- ‚ t Das Letztere wenigstens giebt er von Vespa crabro an, wo das hyaline Zwi- schenstück d seiner Fig. 24 in Verbindung des Ringes mit der eigentlichen Chitin- wand herstellt, während ein solcher Zusammenhang des Chitinringes b in Fig. 32 (Bombus) nicht ersichtlich ist. 622 Franz Ruland, hafteste, dass es sich hier in der That um ganz eigenartige Organformen handelt, welche in keiner Weise mit irgend weichen Gruben oder sonstigen Fühlergebilden verwechselt werden können. In allen Fällen handelt es sich um einen aus dem Fühlerinnern aufsteigenden Poren- kanal von Anfangs rundem Querschnitt, der in der Nähe der Oberfläche sich in der Längsachse des Fühlers zu einer Höhlung erweitert, die nach außen von einer soliden Platte (KräpzLın’s Porenplatte) abgeschlos- sen wird. | Um mir die bei der Beurtheilung der physiologischen Funktion unbedingt erforderliche Auskunft über die Natur der Porenplatten zu verschaffen, kochte ich einzelne Fühlerabschnitte von Hymenopteren, namentlich von Apiden und Vespiden vor dem Schneiden mit koncen- trirter Kalilauge. Es zeigte sich, dass die Platten nach dem Verschwin- den aller Weichtheile völlig unversehrt und in ihrer ursprünglichen Lage geblieben waren, dieselben also nicht etwa aus modificirter Nervensubstanz, sondern aus festem Chitin bestehen und auch mittels solchen befestigt sein müssen. Was die Form der Porenplatten bei den Apiden und Vespiden, sowie die Zurückführung der Flächenbilder auf die Ansichten im Quer- schnitt anlangt, so kann ich mich den Ausführungen KräipzLın's im Wesentlichen anschließen. Bezüglich der übrigen Verhältnisse glaube ich jedoch einen Schritt weiter gekommen zu sein, der für die physio- logische Deutung von Wichtigkeit sein dürfte. Zunächst ist der Chitinring 5b, Fig. 5 (C, Querschnitt, D, Längsschnitt durch die Porenplatte von Apis mellifica) sowohl als Fig. 4 B (Querschnitt durch diejenige von Vespa crabro) am Ausgange des Porenkanals stets in direkter Verbindung mit der Porenwandung und von dieser nur in seinem oberen Abschnitte durch eine ringförmig verlaufende Lücke getrennt. Weiterhin habe ich dann gerade durch die Behandlung der Fühler mit Kalilauge vor dem Schneiden auf das deutlichste erkannt, dass sich die Porenplatte selbst nicht etwa frei in dem Ringe befindet, oder aber in denselben eingeklemmt ist, wie KräreLın dieses bei Bom- bus, beziehungsweise Vespa zeichnet, sondern, dass dieselbe in allen Fällen mittels einer sehr feinen, hyalinen Verbindungsmembran mit dem Ringe (b) fest verbunden ist. Durch dieses feine Chitinhäutchen (v) erhält die an und für sich starre Platte augenscheinlich einen hohen Grad von elastischer Beweglichkeit. Hinsichtlich des unzweifelhaft nervösen Inhalts der zu den Platten gehörigen Porenkanäle habe ich leider nicht zu völliger Klarheit gelangen können. Bei Apis und Bom- bus fand ich wohl am unteren Eingang des Porenkanals regelmäßig ein vielzelliges Ganglion vor, welches offenbar zu diesem in Beziehung Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 623 stand; das Innere des Kanals war jedoch stets von einer homogenen, durch Karmin roth gefärbten Masse angefüllt, die die specielle Endi- gungsweise des aus dem basalen Ganglion zur Porenplatte tretenden Nerven nicht genau erkennen ließ. Etwas glücklicher war ich bei Vespa crabro. Wie Fig. 4 B zeigt, kann es zunächst keinem Zweifel unterliegen, dass der größte Theil des von der Platte verschlossenen Porenkanals in ganz ähnlicher Weise von Epithelzellen ausgefüllt wird, wie dies bei den Geruchskegeln der Fall ist, und dass aus dem basalen Ganglion durch diese peripherisch an- geordnete Epithelmasse ein centraler Nervenstrang sich hindurchzieht. Eben so habe ich auf das bestimmteste gesehen, dass unmittelbar unter der Porenplatte eine Höhlung sich befindet, welche nach unten durch zwei, Anfangs dicht an einander liegende, dann aber kelchförmig (im Querschnitt natürlich gabelförmig) aus einander weichende Platten ab- geschlossen wird, die sich ihrerseits an ein hyalines, durch Karmin intensiv roth färbbares »Zwischenstück « (d) des Ringes (b) ansetzen. Es ist daher klar, dass der aus dem Ganglion aufsteigende Nerv sich jeden- falls nicht direkt der Porenplatte inserirt; ob aber jene gabelförmig aus einander weichenden Platten (Fig. 4 B) das Nervenende selbst dar- stellen oder nur das verdickte Neurilemm sind, zwischen welchem nun erst das vielleicht ungemein zarte Nervenende bis zum Grunde der halbmondförmigen Höhlung aufsteigt, wage ich nicht zu entscheiden. Für letztere Ansicht ließe sieh wohl die Thatsache anführen, dass beide Platten in der Mitte des Porenkanals ballonartig aus einander zu weichen scheinen und dass man vielfach, genau in der Mittellinie des Porenkanals, zwei deutlich kontourirte Stränge emporsteigen sieht. Ähnliche Verhältnisse, die Porenplatten betreffend, konstatirte ich, wenigstens in Bezug auf die chitinösen Theile, bei den Grabwespen (Ammophila), den Heterogynen (Mutilla) und den Goldwespen (Chrysis). Fragen wir nun nach der wahrscheinlichen Funktion dieser Poren- platten, so ist von vorn herein an ein Tastorgan desshalb nicht zu denken, weil die über die ganze Fühleroberfläche verbreiteten, langen Tastborsten die direkte Annäherung des Organs an den zu betastenden Gegenstand absolut verhindern. Eben so wenig kann die Deutung als Geruchsorgan aufrecht erhalten werden; die Beschaffenheit der völlig geschlossenen Porenplatten, ihre Dicke und Festigkeit, machen die Perception chemischer Sinnesreize in höchstem Grade unwahr- scheinlich. Es bleibt somit nur die Möglichkeit übrig, jene Organe als Schall- bewegungen percipirende, d. h. als Gehörorgane aufzufassen. In der That dürfte der anatomisch-histologische Befund mit dieser Auf- 624 Franz Ruland, fassung sehr wohl im Einklang stehen. Die Form, und namentlich die Art der Befestigung jener Platten ist für Vibrationsbewegungen in hohem Maße zweckentsprechend. Denken wir uns dazu noch den bei Vespa von mir deutlich gesehenen Hohlraum zwischen Porenplatte und der den Porenkanal ausfüllenden Substanz mit Flüssigkeit gefüllt, in welche etwa ein aufsteigender Nerv mit feinster Spitze endigte, so müssen wir zugeben, dass die Deutung als Gehörorgane mindestens eine große Wahrscheinlichkeit besitzt. Ich würde diese meine Ansicht noch viel bedingungsloser aus- zusprechen wagen, wenn nicht bei anderen Hymenopterenfamilien Formen der Porenplatten zur Beobachtung kämen, welche nur schwie- rig in den Rahmen jener Auffassung sich einfügen wollen. Es sind dies zunächst die Porenplatten der Icehneumoniden, welche, wenn sie auch bei Betrachtung von Flächenbhildern (Fig. 17) eine große, äußere Ähnlichkeit mit denjenigen der Vespiden (Fig. 6) zeigen, doch in ihrem inneren Bau nicht unerhebliche Abweichungen erkennen lassen. Die Platte (a) besteht bei dieser Familie, wie es ein Fühlerquerschnitt von Ophion luteus (Fig. 18) lehrt, aus einer überall gleich dicken, nach außen wenig vorgewölbten, völlig hyalinen Membran, welche den Porenkanal verschließt. In diesen hinein ragen zwei mächtige Chitin- halken, die vielleicht mit dem Chitinringe (b) der Vespiden identisch sein dürften. — Ein großes, vielzelliges Ganglion liegt auch hier am Eingange des Porenkanals; den Verlauf des Nervenendapparates jedoch weiter zu verfolgen, ist mir nicht gelungen. Schon in diesem Falle ist also von einer besonderen Vorrichtung, durch welche die Platte vibrationsfähig gemacht würde, nicht mehr die Rede; dennoch dürfte der in der That nur sehr dünnen, membranarti- sen Platte eine gewisse elastische Beweglichkeit nicht abzusprechen sein. Ungleich misslicher aber steht es in dieser Hinsicht mit den homo- logen Organen der Cynipiden, die kaum noch auf den Namen Poren- platten Anspruch machen können. Betrachtet man die Fühler einer Gallwespe, z. B. Cynips gallae tinctoriae (Fig. 9) von der Fläche, so er- hält man zunächst ein Bild, welches demjenigen von Ophion ziemlich ähnlich ist; nur erscheinen die Platten etwas geschlängelt, verhältnis- mäßig länger, indem jede fast so lang als das ganze Fühlerglied ist. Aber auch hier ist die Ähnlichkeit nur eine äußerliche. Fig. 12A giebt den halben Querschnitt durch einen Cynipidenfühler (C. gallae tinet.), Fig. 12B einen solchen durch zwei einzelne Porenplatten stärker ver- größert. Statt einer elastisch befestigten (Apiden, Vespiden ete.\, oder doch vermöge ihrer Zartheit in ihrer Gesammtheit elastischen (Ichneu- Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 6925 moniden), den erweiterten Porenkanal verschließenden Porenplatte, haben wir hier eine theilweise über die Oberfläche erhobene, ringsum geschlossene Chitinröhre, die der Fühleroberfläche der Länge nach fest aufliegt und nur durch einen runden Porenkanal (p) in der Mitte des Gebildes mit dem Fühlerinneren kommunicirt. Die Röhrenwandung erscheint durchaus starr und trägt in ihrer oberen Wölbung zwei in das Lumen hineinragende Chitinleisten, die im Querschnitt als zwei Höcker erscheinen (Fig. 12B, b) und vielleicht dem erwähnten Chitin- ring (b) bei den Apiden und Vespiden homolog sind. Das Innere des auf dem Porenkanal nach vorn und hinten, wie der Hammer auf seinem Stiele sich ausdehnenden Chitinrohrs wird augen- scheinlich auch hier von nervöser Masse durchzogen; doch gelang es mir nicht, deutliche Bilder zu erhalten, wie ich denn gestehen muss, dass ich nicht einzusehen vermag, wie das ganze, augenscheinlich starre Gebilde als Schall pereipirender Apparat funktioniren könnte. Noch komplicirter gestalten sich die Verhältnisse bei den Amei- sen. Auch bei diesen glaubt man bei oberflächlicher Betrachtung der Fühler (Fig. 19) Porenplatten zu sehen. Quer- und Längsschnitte be- lehren uns jedoch bald, dass wir es hier mit knieförmig gebogenen Haargebilden zu thun haben, welche in der Längsrichtung zusammen- gedrückten Porenkanälen aufsitzen und mit der Spitze seichten Längs- gruben auflagern, in welche der schmale Porenkanal an seiner Mün- dung sich plötzlich ausbreitet (Fig. 16 h). Der Querschnitt Fig. 20 zeigt weiter, dass das gebogene Haar nicht rund ist, sondern auf dem Rücken eine Kante besitzt (s). Forer, der diese Gebilde zuerst näher untersucht hat, hält daran fest, dass sie mit den Porenplatten der übrigen Hymen- opteren identisch, und wie diese der Geruchsperception zuzuweisen seien. Ich muss offen gestehen, dass mir hier eben so wenig als bei den Cynipiden die Funktion dieser eigenthümlichen Gebilde klar ge- worden ist, wie ich denn auch eine Homologisirung derselben mit den übrigen Porenplatten zwar nicht für völlig unmöglich, aber zur Zeit doch noch für sehr gewagt halten muss. Hervorzuheben wäre endlich noch, dass die bisher nur bei den Hymenopteren beobachteten Porenplatten von mir auch in einer Ab- theilung der Käfer, und zwar bei der Gattung Necrophorus, nach- gewiesen werden konnten. Die Porenplatte ist hier (Fig. 25 a) ungemein zart, rund und klein, da der weite Porenkanal, der in der Mitte eine eigenthümliche Einschnürung zeigt, sich nach oben unter Bildung meh- rerer Chitinvorsprünge stark verengt; die Platte selbst ist augenschein- lich elastisch befestigt. Eine Deutung des Nervenendapparates will ich bei dem Mangel klarer Bilder unversucht lassen. 626 Franz Ruland, Die Auffassung des ganzen Gebildes als Gehörorgans scheint mir auch hier das Nächstliegende, zumal es in hohem Grade wahrscheinlich ist, dass auch noch andere Gruppen der Käfer Schall pereipirende Organe in ihren Fühlern besitzen. Nur in diesem Sinne wenigstens kann ich die von mir konstatirte Thatsache auffassen, dass in den Gan- slienzellen der Fühler von Hydrophilus piceus zahlreiche Nervenstifte auftreten, welche in nichts von den seit langer Zeit bekannten und namentlich durch GrABEr in ihrer weiteren Verbreitung nachgewiesenen Gehörstäbchen der Chordotonalorgane der Insekten verschieden sind. Drüsenärtige Organe in den Insektenantennen sind mir, um dieses noch zum Schlusse hervorzuheben, bei meinen Untersuchungen nicht vorgekommen. Nachtrag. Nach Abschluss der vorstehenden Untersuchungen hat Herr Dr. vom Raru in Straßburg eine vorläufige Mittheilung über eine den- selben Gegenstand betreffende neue Arbeit veröffentlicht (Zoologischer Anzeiger, X, Nr. 266, 267). So vielich aus diesen aphoristischen, nicht von Zeichnungen begleiteten Bemerkungen ersehen kann, gehen die Resultate in Bezug auf die Antennalorgane über das von früheren Au- toren bereits Erbrachte nicht wesentlich hinaus. Neu sind die auch von mir geschilderten Porenplatten der Lamellicornier (Necrophorus, Cetonia), die er aber gleich den Porenkanälen mit Porenplatten der Hymenopteren mit dem Namen »Membrankanäle« belegt, ohne dass es mir klar geworden, warum er jene von KräpeLın gewählte und den thatsächlichen Verhältnissen entsprechende Bezeichnung durch eine neue ersetzen zu müssen geglaubt hat. Hamburg, im Januar 1888. Erklärung der Abbildungen. Es bedeuten in den Figuren, wenn nicht andere Bezeichnungen gegeben sind a, Porenplatte; k, Geruchskegel der Fläche; ch, Champasnerpfropforgan ; ?, Porenkanal; derselbe ist bei den Flä- e, Epithelzellen ; chenbildern als durchscheinend ge- f, Forer’sche Flasche; zeichnet; 9, einfache Grube; t, Tast- oder Schutzborste; z5, zusammengesetzte Grube; x, Achsenfaden; gk, Grubenkegel; nf, Nervenfaserbündel; gl, Ganglion; n, Nervenscheide, Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. 627 Tafel XXXVII. Fig. 4. Fühlerspitze von Sphinx ligustri. Vergr. 400. Fig. 2. Dessgleichen von Attacus sp. Vergr. 100. Fig. 3. Dessgleichen von Orobena stramentalis. Vergr. 450. Fig. 4. Kombinirtes Stück eines Fühlerquerschnittes von Vespa crabro. Ver- größerung 4200, A. Champagnerpfropforgan. B. Porenplatte. v, elastische Membran; d, hyalines Zwischenstück. C. Geruchskegel. a,, eingesenkter basaler Theil des Kegels. D. Forer’sche Flasche. A B 01 . Porenplatte von Apis mellifica. Vergr. 800. Von der Fläche gesehen. . Querschnitt dieser Porenplatte. Vergr. 4600. 5, ist der Chitinring, dem die Porenplatte mittels der Verbindungsmembran (v) aufliegt. C. Querschnitt. D. Längsschnitt durch dieselbe Porenplatte nebst Porenkanal. c ist die ringförmige Lücke zwischen dem Chitinring (b) und der Fühlerwan- dung. Fig. 6. Flächenbild eines Abschnittes der Fühleroberfläche von Vespa crabro. Vergr. 450. Fig. 7. Kombinirtes Stück von einem Längsschnitt durch das Fühlerendglied von Tabanus bovinus. Vergr. 600. Fig. 8. Kegel von Mutilla sp. Vergr. 800. Fig. 9. Flächenbild eines Fühlergliedes von Cynips gallae tinctoriae. Vergr.800. Fig. 40A. Schnitt durch eine zusammengesetzte Grube von Eristalis sp. Ver- größerung 800. B. Champagnerpfropfen aus dieser Grube, stärker vergrößert. Fig. 44. Querschnitt durch eine einfache Grube von CGoenonympha davus. Vergr. 450. Fig. 124. Stück eines Querschnittes durch einen Fühler von Cynips gallae tinc- toriae. Vergr. 800. B. Zwei Porenplatten stärker vergrößert; bei p« ist der zugehörige Poren- kanal getroffen, bei pß nicht. Fig. 43. Kombinirtes Stück eines Querschnittes durch eine Fühlerlamelle von Melolontha vulgaris. Vergr. 450. «, einfache Grube mit Kegel; ß, Grube mit stark vorgewölbtem, y, mit schüsselförmig vertieftem Klöppel. Fig. 44. Kegel von Dytiscus marginalis. Vergr. 800. Fig. 45. Kegel von Tenthredo sp. Vergr. 450. Fig. 46, Längsschnitt durch Theile des letzten und vorletzten Fühlergliedes von Formica rufa. Vergr.450. ch’, Champagnerpfropfen schräg geschnitten; b, bläschen- förmige Höhlung, in welcher Champagnerpfropf- und Flaschenorgane münden; h, knieförmig gebogene Borste. Fig. 47. Stück der Oberfläche eines Fühlers von Ophion luteus. Vergr. 800. Fig. 48. Fühlerquerschnitt desselben Insekts. Der Porenkanal ist bei « durch den Schnitt getroffen, bei £ nicht; im letzteren Falle geht derselbe durch die Er- weiterung des Kanals; b, Chitinhöcker. 628 Franz Ruland, Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. Fig. 19. Flächenbild eines Fühlerabschnittes von Formica rufa. Vergr. 450. h, knieförmig gebogene Borste in der Längsgrube 1g. Fig. 20. Stück eines Fühlerquerschnittes von Formica rufa. Vergr. 450. s, Rückenkante der Borsten; !g, Längsgruben derselben. Fig. 21A. Fühlerlängsschnitt von Aeschna sp. Vergr. 450. B. zg, stärker vergrößerte, zusammengesetzte Grube. Fig. 22. Flächenbild eines Fühlergliedes von Jodis sp. Vergr. 450. Fig. 23A. Stück eines Querschnittes durch eine Fühlerlamelle von Geotrupes. | B. Zwei Kegel desselben stärker vergrößert nebst Ganglion und Achsen- | cylinder. | Fig. 24. Stück eines Querschnittes durch den oberen Fühlerabschnitt von Necro- phorus vespillo. Vergr. 800. m, Membran, welcher das Sperrhaar g eingepflanzt ist. Fig. 25. Porenplatte nebst Porenkanal von Necrophorus vespillo. Vergr. 800. Fig. 26. Verschiedene Kegelformen bei den Hymenopteren. Vergr.450. 1, Apis; 2,Bombus; 5, Vespa; #, Ammophila; 5, Formica; 6, Mutilla; 7, Ophion; 8, Tenthredo. Fig. 27. Kegel von Hydrophilus piceus. Vergr. 450. Fig. 28. Kegel von Carabus auratus. Vergr. 450. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Be, .S ” N Du Er 22 Zeüschrift f wiss. Zoologie Bd_XUN. Lith von „Leykam”in (Graz. I 14 Autor 4 5 i 3 "m Graz. Ze Verl uBUh Engelmann einzig. AUHEN TEEN na en See EI OCET N Far WER ; R ; ! \ r e = : f Ve: RR | Ag: Si: : £ Sa > \ N % \ i= | | ö 5 F \ m 3 N n | A 2 ; - ; r . \ N ’ “ & i | ; E £ f 1 1 E 7 7 = 1 > ie n 8 | 2 { at, x 5 : En 7 . \ : i | ( \ \ = 2 So - / Y { 2 . Ley! | =, T i | N \ in £ [ 5 i ' j } r 2 \ r ” E ne. I J 3 N } Ä ‘ ' vn I f j [ N 2 i 1 ; : | k ’ } { { | n j , 5 \ S \ f 4 2 - En / 5 i n \ [ 7 | | { \ n 2 : N \ ‚ | | | | i Zeitschrift miss. Zoologie. Ba.XLW. Zeitschrift f.twiss. Zoologte BAM Taf. IV. Ven! x Milk Zugelssannkenneng - im \ b 7 1 x r j er Ba u #7, au u | Ge u EEE ch 2 SE EBEN GAREN Zertschrift f iSS. pP” | Taf 17. Zeitschrift f wiss. Zoologie. Ba MI: ER E38 ir Arstrherne in 222 I Zeitschrift f wiss. Zoologie. Ba.XIIT, Vorl Engelmann, einzig, sa ar An ne an - E f 3 e schrift f. wiss. Zoologie. BANLI. 4 Zeitschrift fwtss.Zoologre. Ba. XZW. Tafx. VerlinWüh.Engelmarkeinzig, Tech Aestulvernera Werten Frankie "Mr ie Bere ” an nun in De Zeüschrift Fwiss.Zool._Bd.X1T. 7 Zeitschrüfb kwiss. Zool. Bd. TURÄI. Prg.10. Vera Will Engelmann bopay: nn } / TakXill. Zeischrilt 'nnss Zool. Ba-AIM. ne ' = ON | !ig.dü.n ( 0 Fig.ölr, N HN IN N 0) 1% | | ULLI SE SPRHEERBAF SER) = | . = JathAnsty BA Funka Leipzig ea VerlagvWilh.Kngelmann in Leipzig, | u u —Z Bus Eu Ye U -.22. ZZ u u nn u u U UO343 0 2 7 u 2 0232) 22 a ud Zeitschrüft Enoiss Zool. BA_IINT. Aig.1. h \ Zaf XV. lüre Ärst werner &Wonter Frankrtäll, ° 1g. Verl. ZUR Engelmann I: 7 AZIZ ass. Zoologie. Bd. Eu Zeüschrift — ana? [?} D oa, a Darin) var ‚Inth. Ast Werner «hinter, Erarıkturd® %ı Ferd. Schmidt del. Zeitschrift £miss.Zool.Bal NT. | = TüafeNW. e 4 POTT ee L in a < 1 ) - " = ; - oO 2 N N‘ r S f be D ® r R J 5 x 5 5) ( / hi . J R - = i 5 1 t 1 . 4 t ) S ) i ‚ N “ 2 SA - \ 7 - f A j { ; ? N : N { 5 f % F \ , \ | 5 N \ \ E > LJ N \ \ n x h al R \ } \ \ x f ’ Ö / N } fe 1 { D (2 » ‘ / € e 5 \ } ' | t Ä H " EIER SS j ) 3 f \ : f ı Ir DNB ne ’ k Y R RN 5 SE \ x | v } D Ü x ' i N ) ! \ { e y ir3 \ t ) Kı T r i f 1 - ei | . | ü \ % n „ i ’ { ? = eu 2 i = 2 ä N | 4 1 j Be en nn | } 1 1 . 1 | 1 | 1 1 Verlag von W. Engelmann in Leipzig, Ne ==== z Zeüschritt Rwiss Zool.Bd_ILTI. Zettschrüt £ wiss. Zoologie. BAT. | s MEIEDOE Zeüschrift £ wiss. Zoologie. Bd. AL. KLEINES 20 22° 8. ds Sn, EHO Zeitschrift £ wiss. Zoologie. Ba. XI. a | ev 1a u zw er i it Sag) & - en f 1 1.) ‘ c) = DEI Leer ed un _ frst vr Mernere Hinter Fraser Engelmann, Zeinzig, . \ ei L x Zeitschrift £wess. Zoologie. Ba XI. Taf: XXIV. 1 9 4 ® 35 ü „© = & Bi 3° Ge», = 8% | P-4:] = 5 DR r a ae aa a Te ine I 3,9 o$_.50a0 ° I 2. Je 973590,.0 KERR 2 mai 1) BERTEN Fred 3, a 278 Re 1 27 wer = „3 ER LT E, ge 33 gegen uch na Fox Ds°903, 3» @ 9 S BEE ee Do/go a © 5 r,9.08°%0 ©, [a 6) o.0 Rp © SOFLEHTR WERETTT Si N a URN AR Taf: XXI. rologie. Ba. ALM. Ze ft f miss. FSCHRTZ 8 @ 8 0,96 2] Ss üN Be} ‚ar \ © \ a9 Me ho, O4, ouo wu. a, oo rw Ss Mo! 09° EFT eRA Kalt oa, raR Tr 009° 0.90 009 9.0 0% ®----- © e HN 0090 oo (0) [2a] de DoPo 985 92 © 10, 0.00.90 © Y >08 0009 x (#777 [) ) oo oB 98095 0,79 © 9 5.9 Ind oroa 9%. 204805 eo 8u,0r 0.0 © ® e EOaO dr re Pr “ 3BoRe Po of so ns [y) oo Drag UN Pr I 1) a® Zuischrilt wiss Zoologie. BAU. Zeitschr £ wiss. Zoolegie. Bel XZIT. | TakXXIX. k' dh-— 5 x \ u NN) 7 A u PODIERK » 04 My ’ [0 De IM { N N ren el OR MEET } 4 I N, f ML) ale All ET N. “® 4 P ar FE TPFLLEN \ ır ' | E) h ( m \Y > M Hi N r u 1% 7, man anni u TE RN ee N PP Bar TER ee ee < is r . ” ar, ; “ = ? 13 “ m ; FEIRA. 0 3 y ? fü 2 r F i m Br nr n y x ELITE EEE E: u Taf XAXU schrift Lwıss Zool BA MV [®, Lernzig. Verl. vWIh Engelmann, we eu VEIT une wi Hai A u; . 2 B oO u . u Zuöschröft Fwess. Zoologie Bl XIV _ ER Tief X. Zeüschrift fwiss Zool. Ba_lIW. Vak. er Zeol. Ba AT. Prmss. D / daten we I ‚I [4 PEN DNB ss. Zoologie Ba 3 Tal: 2117. Linse ve Warten & Winzer Eranslun UM UA. Ergelmann, Zeinzin, hr? Ünzss Zoologie. BaNEH. k DE: FT, / a AGÄGL = II 4 wi —n + nA a u "Js N a da j 2 = 3 4 E Ze wi nn = nn ae ine. - Auen ne WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 30 NOV. 1337 Zeitschrift PET begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Göttingen. Albert v. Kölliker und Professor a. d. Universität zu Würzburg Sechsundvierzigster Band Erstes Heft. ne. HR, HiS7- + | LEIPZIG usMerlag von Wilhelm Engelmann | ‚1881. Ausgegeben den 25. November 1857. Be In1371% RS Seite Die Annelidengattung Spinther. Von L. v. Graff. (Mit Taf. T--IX und 10 Holzschnittend.. . „=. u... 20.0. one Lo ee Der Haftapparat der Batrachierlarven. Von J. Thiele. (Mit Taf. X und 1 Holzschnitt.). .@..8.& ©. 8.1: a Sa 67] Die wandernden Urkeimzellen und ihre Reifungsstätten bei den Echinodermen. Von 0: Hamann; : (Mit Taf: XI). 2 Se A 80 Beiträge zur Kenntnis der Süsswasserbryozoen. Von M. Verworn. (Mit Taf. XI XIN und. 1. Holzschnitt3Y 2 22 So 99 Diesem Hefte liegt bei: Prospeetus über Marschall, Atlas der Tier- | verbreitung. (Verlag von Justus Perthes in Gotha.) Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine grössere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. In J. U. Kern’s Verlag (Max Müller) ın Breslau ist soeben erschienen: Zioologische Beiträge. Herausgegeben von Dr. Anton Schneider, Professor der Zoologie und Director des zoologischen Museums der Universität Breslau. Band II, Heft 1. Mit 11 Tafeln. Preis 18 4. Inhalt: Histologische Untersuchungen über das Nervensystem der Chaetopoden. Von Dr. E. ROHDE. — Über den Darmcanal der Arthropoden. 1 Von ANTOoN SCHNEIDER. — Über die Dipnoi und besonders die Flossen 1 derselben. Von ANTON SCHNEIDER. Früher erschienen: Band I: Heft 1, Preis 15 X, Heft 2, Preis 12 %, Heft 3, Preis 24 9. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Zur Moral der literarischen Kritik. Eine moralphilosophische Streitschrift No rar Wilh. Wundt. ; 8°..1887. 41.20. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Ver Kurzem erschienen: Dr & Haberlandte., a. ö. Professor der Botanik in Graz. Uber die Beziehungen zwischen Function und Lage des Zellkernes bei den Pflanzen. Mit 2 lithographirten Tafeln Preise dus a Dr. phil. Arnold Lang, Inhaber der Ritter-Professur für Phylogenie an der Universität zu Jena. Mittel und Wege phylogenetischer Erkenntnis. Preis: #4 1.50. Dr. Otto Hamann, Beiträge zur Histologie der Echinodermen. Heft 3. Anatomie und Histologie der Echiniden und Spatangiden. Mit 13 Tafeln und 2 Holzschnitten. Preis: „4 15. Dr. Ferdinand Walter, Das Visceralskelett und seine Muskulatur bei den einheimischen Amphibien und Reptilien, Gekrönte Preisschrift. Mit 4 Tafeln. Sonder-Abdruck aus der Jenaischen Zeitschrift für Naturwissenschaft. XXI. Bd. Preis: 4X 4 Dr. August Weismann, Professor in Freiburg i. Br. Über die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Nee Preiss..4 1250. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Zoologische Jahrbücher. zeitschrift für Systematik; Geographie und Biologie der Thiere, Herausgegeben von Dr. J. W. Spengel in Giessen. ERSTER BAND. Mit 16 Tafeln und 39 Holzschnitten. — Preis: 31 Mark. INHALT: HARTLAUB, Beiträge zur Kenntnis, der Manatus-Arten. REICHENOw} Monographie der Gattung Ploceus Cuv. BERGH, Die Marseniaden. NEHRING, Beiträge zur Kenntnis der Galietis-Arten. - PELZELN, Studie über die Abstam mung der Hunderassen. MöBıvs, Bildung, Geltung und Bezeichnung der Artbegriffe und ihr Verhältnis zur Abstammungslehre. LupwIg, Echino- dermen des Beringsmeeres. LACKSCHEWITZ, Über die Kalkschwämme Me- norcas. BoAs, Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. MARENZELLER, Über die Sarecophytum benannten Aleyoniiden. HARTLAUB, Uber Magatherium delheidi, eine Sirene aus dem Oligocän Belgiens. LENZ, Beiträge zur Kennt- nis der Spinnenfauna Madagaskars. MÜLLER, Südamerikanische Nymphaliden raupen. HOFFER, Zur Biologie der Mutilla europaea L. LECHE, Über einige südbrasilianische Hesperomys-Arten. LANGKAVEL, Die Verbreitung der Luchse. BAND LI. ERSTES HEFT. 24 Mit 7 Tafeln und 14- Holzschnitten. — Preis: 9 Mark. INHALT: Lupwic, Die von G. Chierchia auf der Fahrt der Kgl.'Ital. Corvette »Vettor Pisanic gesammelten Holothurien- _KENNEL, Uber einige Landblut- egel des ‚tropischen America. ScHÄFF, Uber Lagomys rutilus Severtzoff. BERGH, Über den Theilungsvorgang bei den Dinoflagellaten. Von LENDEN- FELD, Die Süßwasser-Coelenteraten Australiens. BoAs, Kleinere careino- logische Mittheilungen. LANGKAVEL, Tigerpferde. ° GULDBERG, Zur Biologie der nordatlantischen Finwalarten. GÖLDI, Bericht über zwei ältere, unbe- kannt gebliebene illustrirte Manuseripte portugiesisch-brasilianischer Natur- forscher. LUDw1ıG, G. Chierchia’s Bericht über die von der Kgl Ital. Cor- vette »Vettor Pisani« in den Jahren 1882—*5- ausgeführte Fahrt um die Erde, im Auszuge mitgetheilt. ERNST, Ein zweites- Beispiel. eines. pathologischen Paca-Schädels. & BAND II. ZWEITES HEFT. Mit 8 Tafeln und 7 Holzschnitten. —. Preis: 18 Mark. INHALT: NoAcK, Beiträge zur Kenntnis der Säugethier-Fauna von Ost- und Central-Afrika. HARTLAUB, Dritter Beitrag zur Ornithologie des östlich- äquatorialen Gebiete Afrikas. SCHLETTERER, Die Hymenopteren - Gattung Cerceris Latr. mitvorzugsweiser Berücksichtigung derpaläarktisehen Arten. von LENDENFELD, Der gegenwärtige Stand unserer Kenntnis der Spongien. BAUR, Über Lepidosiren paradoxa Fitzinger. GÖLDI, Biologische Miscellen aus Brasilien. V. Die Metamorphose von Alurüus’marginatus, einem Schädling | der Fächerpalme (Latania horboniea).. VON MOELLENDORFF, Über die Sika- Hirsche von China und Japan, :... . Soeben erschien: a at BAND II. DRITTES UND VIERTES HEFT. Mit 12 Tafeln und 12° Holzschnitten. — Preis: 15 Mark. E INHALT: Brock, Indische Cephalopoden.. BROcK, Über die doppelten Sperma- tozoen einiger exotischer Prosobranchier. REICHENOw, Monographie de Gattung Symplectes.Sw.. MAN, Übersicht der indo-pacifischen Arten’der Gat | tung Sesarma Say, nebst einer Kritik der von W. Hess und E. Nauck in den | Jahren 1865 und 1880 beschriebenen Decapoden vOoN LENDENFELD, Die Chali- | neen des australischen Gebietes. COoLLETT, On a Collection of Mammals | from Central and Nothern Queensland. — Litteratur: REICHENOw, Fort- } schritte in der Ornithologie während des Jahres-1886: KORSCHELT, Die Gat- tung Dinophilus und der bei ihr auftretende Geschlechtsdimorphismus. f Eine kritische Zusammenfassung neuerer und älterer Forschungsergebnisse. # LECHE, Uber die Säugethiergattung Galeopithecus. Eine morphologische I Untersuchung. — Miscellen: Brock, Ein Fall von Abänderung des In- stinets. VON EBNER, Amphoriscus buechichii n. sp. Mn Druck von Breitkopf & Härtei in Leipzig. | 31 MAN 1338 Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet iheodor. xy. Sieheld und Albert v. Kölliker | | herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers | Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen. Sechsundvierzigster Band Zweites Heft. Mit 9 Tafeln. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1588. Ausgegeben den 23. März 1888. In ball Seite | Die Entwicklung des Eies von Echinocardium cordatum. Von A. Fleisch- mann. —Mit Tai, a9... 8 me ee 13177 Beitrag zur Kenntnis des Megastoma entericum. Von B. Grassi und | W. SchewiakofTf.. (Mit Tan XV.) 2. 0. os Se 143 | Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Geschlechtsorgane einiger | Cestoden. Von F. Schmidt. (Mt La X VE XV 155 | Studien über Gordiiden. II. Von F. Vejdovsky. (Mit Taf. XVII). vanlase Zur Kenntnis der Fauna des Süßen und Salzigen Sees bei Halle a.S. Von | 0: Zacharrasa.: euer Si De Ne. Po a 217 - Über den Geschlechtsapparat des Diplozoon paradoxum. Von E. Zeller. | VEN DSDS EP DB FEB IE Fa 2a Über die Organisation des Gehirns der Somomya erythrocephala. Von J. | Cuecati. (Mit Taf. XX u. XXL) ee . 240 Über die Ve Augen von Tridacna und das Vorkommen von Pseu- dochlorophyll en im Gefäßsystem der Muscheln. Von J. Brock | (Mit: Tat. ARE), 8°... ee ee. N 270 SEE“ Diesem Hefte liegt bei: Katalog No. 35. (Arthropoda und Evertebrata) von Oswald Weigel in Leipzig. — Katalog No. 371 (Ichthyologie) von R. Friedländer & Sohn in Se — Ankündigung über Weber, Lehrbuch der Weltgeschichte. . Aufl. (Verlag von "Wilhelm Engelmann in Leipzig.) Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da "mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf De augen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die ee W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wıssenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine grössere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Nouvelles Recherches sur la fecondation a5 I division mitosigue chez L’ASCARIDE MEGALOCEPHALE par Edouard van Beneden et Adolphe Neyt. Avec six planches. er 8. cart. MY2. 7 ! 3 23 ; = IR 2 re > 3 n RER Es 8 F ‘ fü u SErE $ ; Fa 27% s p De BE ud uni: L SL, ae Pi Arin 2 o # z vr 2 NINE = £ Fe] * - a 2 # Pic SE E TIER 6 Bent - & Fa 2. ni. ae FR 4 E 2 re =) Behr E De ugs . \ = ET er sasrEr 1 we EurEpe ra 074% i ‘ BR = c RR | f P: Si rn ee 4 % 3 FE u N x 2 i YA 3% = Are RE er ’ j j : Bun A Bear End lan Ka en Tor au FRE Ra" BRRDIF NS BED MOORE TR Ten eartsare N i - v A8 A i k a Er im Ken ual 3 ö y ” E- - FRAIEFARE ne. K v6 Seren wiakm Br x "3 EIER? ul - Far! BT xD Im Verlage von Georg Reimer in Berlin ist erschienen und durch jede Buchhandlune zu beziehen: Krete! ‚£, die Radiolarien (Rhizopoda radiaria). Eine Monographie. Zweiter Theil. Grundriss einer allgemeinen Naturgeschichte der Radiolarien. Mit 64 Tafeln. Preis: 60 Mark. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschienen: Dr. G. Baur Beiträge zur Morphogenie des Carpus und Tarsus der Vertebraten. Erster Theil. Batrachia. Mit 3 lithographischen Tafeln und einem Holzschnitt. Preis: 3.4502, Dr. Theodor Boveri _ FF ellen- Studien. Heft: Die Bildung der Richtungskörper bei Ascaris mexalocenhala und Ascaris Iumbrieoides, Mit 4 lithographischen Tafeln. Preis: 4.2502. Dr. G. H. Theodor Eimer, # “ Profess sor der Zoologie und vergleichenden Anatomie zu Tübingen Die Entstehung der Arten auf Grund von Vererhen armorleNer. ‚Eigenschaften. nach den Geselzen organischen Wachsens. Ein Beitrag zur- ‚einheitlichen Auffassung ‚der Lebewelt. SE, ur Theil. Mit‘ 6 "Abbildungen ım Text. “Preis: IM. | Zoologische IJahrbü cher.) Antheilung für Systematik, reogTaplie und Byologie der Thiere, "Herausgegeben von a1 ‚Prof. Dr. J. W. Spengel in Giessen. | Dritter Band. Zweites Heft. | Mit 4 Tafeln. Preis 10 #. “1 Inhalt: Ortmann, Studien über Systematik und geograph. Verhreikeee der Steinkorallen. — Brauer, Die arktische Subregion. Ein Beitrag zur geograph.| Verbreitung der Thiere. — Häcker, Untersuchung über die Zeichnung der Vogel] federn. — Lendenfeld, Bemerkungen zu Riefstahl’s Wachsthumstheorie iet Cephalopoden - Schalen. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. | Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen. - Dechsundvierzigster Band Drittes Heft. Mit 9 Tafeln und 8 Holzschnitten. "LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1888. Ausgegeben den 23. Mai 1888. Inhalt. Seite Die ersten Entwicklungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. Von H. Hienking.. (Mit Dar XXIE XV u.75 Holzschn Do 239 Beitrag zur Kenntnis der Muskulatur der“ Heteropoden und Pteropoden; zugleich ein Beitrag zur Non ‚des Molluskenfußes. Von G. "Kalide. (Mit 83 Holzschn)=# 8 Sr ae 337 Über den sogenannten Kaumagen einiger Ameisen. Von C. Emery. - (Mit Taf. xX VII - XXIX u..2 Holzsehn)) 1.2. u eu 378 Über die Hautsinnesorgane der Insekten. Von ©. vom Rath. (Mit Taf. KXXU.NXRN). 0... 2... oo. 2% ‚Diesem Hefte liest bei: Katalog No. 524 von H. W. Schmidt, Hoe Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Bibliotheca zoologica II. Verzeichniss der Schriften über Zoologie, welche in den periodischen Werken enthalten und vom Jahre 1861 — 1880 selbständig erschienen sind. Mit Einschluss der allgemein - naturgeschichtlichen, periodischen und palaeontologischen Schriften. Bearbeitet von Dr. O. Taschenberg Docent an der Universität Halle. a Lieferung: Signatur 161—200. sr.8. 4 7,—; auf Velin 4 12,—. Inhalt: VIII. Arachnoidea. 3. Einzelne Ordnungen (Schluss). IX. Onycho- phora. X. Myriopoda. XI. Insecta. 1. Allgemeines. °2. Anatomie und Physio- logie. 3. Fauna. 4. Einzelne Ordnungen. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Binnen Kurzem erscheint: Einleitung in die Osteologie der Säugethiere von William Henry Flower, Professor der vergl. Anatomie und Physiologie am Royal College of Surgeons in London. Nach der dritten, unter Mitwirkung von Dr. Hans Gadow durchgesehenen Original-Ausgabe. Mit 134 Figuren im Text. gr. 8. 4 7.—. Untersuchungen über Pteropoden und Heteropoden. Ein Beitrag zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte dieser Thiere von Dr. Carl Gegenbaur. Mit S lithographirten Tafeln. 4. 1855. u 24.—. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte Pteropoden und Heteropoden Dr. August Krohn. Mit 2 Tafeln. 4%. 1860. 4 6.—. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und der angrenzenden Gebiete Br A. Lissauer, Vorsitzendem der anthropologischen Section der in eorscnen Ten Gesellschaft zu Danzig, Mitglied — der königlichen nordischen Alterthums-Gesellschaft in Kopenhagen. “Mit Unterstützung des westpreussischen Provinzial-Landtages herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz Westpreussen in 4 Blättern. gr. 40. 1887. 4 20.—. 5 Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.- Zeitschrift für von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen. Sechsundvierzigster Band Viertes Heft. Mit 6 Tafeln und 5 Holzschnitten, aa MUSEN HIN ER ji QM. AED R SEID ISSN: LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1883. Ausgegeben den 22. Juni 1888. Inhalt. Seite Biologische Protisten-Studien. Von M. Verworn. {Mit Taf. XXXII u. 3: Holzschn.) 3. Ka E28 ES ee 455 Criodrilus nern Hoffm. Ein Beitrag zur Kenntnis der Oligochaeten. Von A. Collin. - (Mit Taf XXX.) 2 wer a er 471 Beiträge zur Ernährungsphysiologie der Protozoen. Von M. Meissner. (Mit: Taf: XXXIV u=1 Holzschn 24 7 2 27 ES er 498 Über den Ursprung und die Bedeutung der sogenannten »freien« Kerne in dem Nahrungsdotter bei den Knochenfischen Von C. z Hoffmann. (Mit Taf. RRRV Tan or ern Eee PERLE Bar 517 Die verschiedenen Cystenbildungen und die Entwicklungsgeschichte der holotrichen Infusoriengattung Colpoda. VonL. Rhumbler. (Mit Taf. XXXVI u. 1.Holzschn.) .. 2.0.2 Sy Sr re 549 Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten. Von F. Ruland. {Mit Va£-aXXVIL) ee Se 602 Mittheilunge. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da "mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und. sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. _ v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine -größere Zahl = Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. N; V erlag» von Friedrich Via ag & SEEN in Braunschw eig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: Die Functionen des Centralilnervensystems und ihre Phylogenese, von Dr. J. Steiner, a. 0. Professor der Physiologie in He nei Zweite Abtheilung: Die Fische. Mit 27 Holzstichen und 1 Lithographi 8... 27.8. veh% Preis 5 Mar ) ) ES 09 fi i % ie E rs = fe | er cal a 3 es He wa un Rue ai n £ = 7 y u & T se £ a & - EA j R u , ar 3 = > = Eh - A Y ME arte ur h. Verlag von Wilhelm Er eluae in Leipzig. Soeben erschien: Bibliotheca zoologica II. Verzeichniss der Schriften über Zoologie, welche in den periodischen Werken enthalten und vom Jahre 1861— 1880 selbständig erschienen sind. Mit Einschluss der allgemein - naturgeschichtlichen, periodischen und palaeontologischen Schriften. Bearbeitet von } Dr. O. Taschenberg Docent an der Universität Halle, Fünfte Lieferung: Signatur 161—200. gr.8. A 1; 308 Velin 2. Inhalt: VIII. Arachnoidea. 3. erde Ordnungen (Schluss). IX. Onycho- phora. X. Myriopoda. XI. Insecta. Allgemeine 2. Anatomie und BZ logie. 3. Fauna. 4. Einzelne een. E Soeben erschien: Einleitung _ in die Osteologie der Säugethiere William Henry Flower Professor der vergl. Anatomie und Physiologie am Royal College of Surgeons in London. Nach der dritten unter Mitwirkung von @ Dr. Hans Gadow durchgesehenen Original- Ausgabe. Mit 134 Figuren im Text. gr. A Soeben erschien: Schriften der - Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, Neue Folge, Siebenten Bandes, erstes Heft. Mit 2 Tafeln. Lex.-8. M=6. 5 Dasselbe enthält unter anderen Aufsätzen nachstehende umfangreichere: | Koenike, Eine neue Hydrachnide aus dem: Karraseh-See bei Deutsch- Eylau. (Mit Taf. Ds Brischke, Zweiter Nachtrag zu den Beobachtungen über die Blatt- und Holzwespen. — Brick, Beiträge zur Biologie und vergleichenden Anatomie der baltischen Strandpflanzen. (Mit Taf. DI.) — Jentzsch, Über die neueren Fortschritte der Geologie Westpreußens. = Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. a he eo er n ER De Dune FRE a Be EN A : Brdie IR se BR IR) cn ne een RN ERS nn BE LT dr Fr | ws . BT 1 - ' en re Pe nen nd ng en ren zu nn ng een ann gm ” x EN NAT Mae hi Bi ... ar AR