DIE KULTUR DEF 11 ER AU S G K G EBEN A^ O N R GEK.:iEN\VART PA U L H I N N E B JE R G ZELLEN^ UND GEWEBELEHRE MORPHOLOGIE UND r/^'-'v ("'■ i'"-^ ^™^ o *"~^r T T <♦'■-^r t^-t'^i"> ENTWICKLUNGSGESCHICHTE IL: ZOOLOGISCHER TEIL VERLAG VON B.O; mUBNER IN LEIPZIG UND BERLIN ^ ]0 u DIE KULTUR DER GEGENWART IHRE ENTWICKLUNG UND IHRE ZIELE HERAUSGEGEBEN VON PROF. PAUL HINNEBERG In 4 Teilen. Lex.-8. Jeder Teil in inhaltlich vollständig in sich abgeschlossenen und einzeln käuflichen Bänden (Abteilungen). Geheftet und in Leinwand ge- bunden. In Halbfranz gebunden jeder Band M. 2. — mehr. Die „Kultur der Gegenwart" soll eine systematisch aufgebaute, geschichtlich be- gründete Gesamtdarstellung unserer heutigen Kultur darbieten, indem sie die Fundamen- talergebnisse der einzelnen Kulturgebiete nach ihrer Bedeutung für die gesamte Kultur der Gegenwart und für deren Weiterentwicklung in großen Zügen zur Darstellung bringt. Das Werk vereinigt eine Zahl erster Namen aus allen Gebieten der Wissenschaft und Praxis und bietet Darstellungen der einzelnen Gebiete jeweils aus der Feder des dazu Berufensten in gemeinverständlicher, künstlerisch gewählter Sprache auf knappstem Räume. Seine Majestät der Kaiser hat die Widmung des Werkes AUergnädigst anzunehmen geruht. Prospekthefte werden den Interessenten unentgeltlich vom Verlag B. G. Teubner in Leipzig, Poststr. 3 , zugesandt. I. Teil. Die geisteswissenschaftlichen Kulturgebiete, i. Hälfte. Religion und Philosophie, Literatur, Musik und Kunst (mit vorangehender Einleitung zu dem Gesamtwerk). [14 Bände.] (* erschienen.) ♦Die allgemeinen Grundlagen der Kultur der Gegenwart. (I, i.) 2. Aufl. [XIV u. 716 S.] 1912. M. 18.—, M. 20.— Die Aufgaben und Methoden der Geistes- wissenschaften. (I, 2.) *Die Religionen des Orients und die altgerman. Religion. (I, 3, i.) 2. Aufl. 1913. [X u. 287 S.] M. 8.—, M. 10.— Die Religionen des klassisch. Altertums. (1, 3, 2.) ♦Geschichte der christlichen Religion. MitEin- leitg. : Die israelitisch-jüdische Religion. (1, 4, i.) 2. Aufl. [X u. 792 S.] 1909. M. 18.—, M. 20.— ♦Systematische christliche Religion. (I, 4, 2.) 2., verb. Aufl. [VIII u. 279 S.] 1909. M. 6.60, M. 8.— ♦Allgemeine Geschichte der Philosophie. (I, 5.) 2. Auflage. 1913. [X u. 620 S.] M. 14.—, M. 16.— ♦Systematische Philosophie. (I, 6.) 2. Auflage. [X u. 435 S.] 1908. M. 10.—, M. 12.— ♦Die orientalischen Literaturen. (I, 7.) [IXU.419S.] 1906. M. 10.—, M. 12.— ♦Die griechische und lateinische Literatur und Sprache. (1,8.) 3. Auf läge. [VIII u. 582 S.] 1912. M. 12.—, M. 14. — ♦Die osteuropäischen Literaturen und die slawischen Sprachen. (I, 9.) [VIII u. 396 S.] 1908. M. 10. — , M. 12. — Die deutsche Literatur und Sprache. (I, 10. 1 ♦Die romanischen Literaturen und Sprachen. Mit Einschluß des Keltischen. (I, 11, i.) [VIII u. 499 S.] 1908. M. 12.—, M. 14.— Englische Literatur und Sprache, skandina- vische Literatur und allgemeine Literatur- wissenschaft. (I, II, 2.) Die Musik. (I, 12.) Die orientalische Kunst. Die europäische Kunst des Altertums. (I, 13.) Die europäische Kunst des Mittelalters und der Neuzeit. Allgemeine Kunstwissenschaft. (1,14.) II. Teil. Die geisteswissenschaftlichen Kulturgebiete. 2. Hälfte. Staat und Gesellschaft, Recht und Wirtschaft. [10 Bände.] {♦ erschienen.) Völker-, Länder- und Staatenkunde. (II, i.) ♦AUg. Verfassungs- u. Verwaltungsgeschichte, (n, 2, 1.) [VIIIu. 375S.] 1911. M. 10— , M. 12.— Staat und Gesellschaft des Orients von den An- fängen bis zur Gegenwart. (II, 3.) Erscheint 1913. ♦Staat und GeseUschaft der Griechen u. Römer. (II, 4, I.) [VI u. 280 S.] 1910. M. 8.—, M. 10.— Staat und Gesellschaft Europas im Altertum und Mittelalter. (II, 4, 2.) ♦Staat u. Gesellschaft d. neueren Zeit (b. z. Franz Revolution). (U, 5,1.) [VIU.349S.] 1908. M.9.— ,M.ii.- Staat und Gesellschaft der neuesten Zeit (vom Beginn der Französischen Revolution). (II, 5, 2.) System der Staats- und Gesellschaftswissen- schaften. (II, 6.) Allgemeine Rechtsgeschichte mit Geschichte der Rechtswissenschaft. 111,7,1.) Erscheint 1913. ♦Systematische Rechtswissenschaft. (II, 8.) 2. Aufl. 1913. [U. d. Presse.] ca. M. 14.—, M. 16. — Allgemeine Wirtschaftsgeschichte mit Ge- schichte der Volkswirtschaftslehre. (II, 9.) ♦Allgemeine Volkswirtschaftslehre. (II, 10, i.) 2. Aufl. 1913. [U. d. Presse.] ca. M. 7.—, M. 9.— Spezielle Volkswirtschaftslehre. (II, 10, 2.) System der Staats- und Gemeindewirtschafts- lehre (Finanzwissenschaft). (H, 10, 3.) III. Teil. Die mathematischen, naturwissenschaftlichen und medizinischen Kulturgebiete, [ig Bände.] (* erschienen: I, i. 111,2. IV, 2 ; f unter der Presse: 1,2 *I. Abt. Diemath.Wissenschaften. (i Band.) Abteilungsleiter und Bandredakteur: F. Klein. Zu- nächst bearbeitet von P. Stäckel, H. E. Timerding, A.Voß, H. G. Zeuthen. I.Lieferung. [IV u. 95 S.] Lex.-8. 1912. Geh. M. 3. — II. Abt. Die Vorgeschichte der modernen Naturwissenschaften u.d. Medizin, (i Band.) Bandredakteure : J. Ilberg und K. Sudhoff. Bearb. von F.Boll, S.Günther, I.L. Heiberg, M.Hoefler, J. Ilberg, E.Seidel, H.Stadler, K. Sudhoff, E.Wiedemann u.a. III. Abt. Anorgan. Naturwissenschaften. Abteilungsleiter: E. Lecher. fBand 1. Physik. Bandredakteur: E.Warburg. Bearb- von F. Auerbach, F. Braun, E. Dorn, A. Einstein, J. Elster, F.Exner, R. Gans, E.Gehrcke, H.Geitel, E.Gum- lich, F. Hasenöhrl, F. Henning, L. Holborn, W. Jäger, W.Kaufmann, E. Lecher, H. A. Lorentz, O.Luramer, St. Meyer, M. Planck, O. Reichenheim, F. Ricbarz, H.Rubens, E. v.Schweidler, H.Starke, W. Voigt, E. Warburg, E.Wiechert, M.Wien, W.Wien, O.Wiener, P. Zeeman. ♦Band 2. Chemie. Bandredakteur: E. v. Meyer. Allgemeine Kristallographie und Mineralogie. Bandredakteur: Fr. Rinne. Bearbeitet von K. Engler, H. Immeadorf, fO. Kellner, A. Kossei, M. LeBlanc, R.Luther, E.V.Meyer, W.Nernst, Fr. Rinne, O.Wal- lach, O.N.Witt, L. Wöhler. fBand 3. Astronomie. Bandredakteur : J. Hartmann. Bearbeitet von L. Arabronn, F. BoU, A. v. Flotow, F. K. Ginzel, K. Graff, J. Hartmann, J. v. Hepperger, H. Kobold, E. Pringsheim, F. W. Ristenpart. Band 4. Geonomie. Bandredakteure : f I. B. Messer- schmitt und H. Benndorf. Mit einer Einleitung von F. R. Helmert. Bearbeitet von H. Benndorf, -j- G. H. Darwin, f H. Ebert, O. Eggert, S. Finsterwalder, E. Kohlschütter u. a. Band 5. Geologie (einschließlich Petrographie). Bandredakteur : A. Rothpletz. Bearbeitet von A. Ber- geat, E. v. Koken, J. Königsberger, A. Rothpletz. Band 6. Physiogeographie. Bandredakteur: E. Brückner, i. Hälfte: Allgemeine Physiogeographie. Bearbeitet von E. Brückner, S. Finsterwalder, J. von Hann, -j- O. Krümmel, A. Merz, E. Oberhummer u. a. 2. Hälfte : Spezielle Physiogeographie. Bearbeitet von E. Brückner, W. M. Davis u. a. III, I. 111,3. IV, I. IV, 4. VII, I.) IV. Abt. Organische Naturwissenschaften. Abteilungsleiter : R. von Wettstein. fBand i. Allgemeine Biologie. Bandredakteure: C. Chun und W. L. Johannsen. Bearbeitet von E. Baur, P. Claußeu, A. Fischel, E. Godlewski, W. L. Johannsen, E. Laqueur, B. Lidforss, W. Ostwald, 0. Forsch, H.Przibram, E.Rädl, W.Roux, W.Schleip, H. Spemann, O. zur Straßen, R. von Wettstein. *Band 2. Zellen- und Gewebelehre, Morphologie u. Entwicklungsgeschichte, i. Botanischer Teil. Baudredakteur: -j- E. Strasburger. Bearbeitet von W. Benecke und f E. Strasburger. 2. Zoologischer Teil. Bandredakteur: O. Hertwig. Bearb. von E. Gaupp, K. Heider, O. Hertwig, R. Hertwig, F. Keibel, H.Poll. Band 3. Physiologie und Ökologie. Bandredak- teure: M. Rubner und G. Haberlandt. Bearbeitet von E. Baur, Fr. Czapek, H. von Gutteuberg u. a. fBand 4. Abstammungslehre, Systematik, Paläon- tologie, Biogeographie. Bandredakteure: R. Hertwig und R.v. Wettstein. Bearbeitet von O.Abel, 1. E. V. Boas, A. Brauer, A. Engler, K. Heider, R. Hertwig, W. J. Jongmans, L. Plate, R. v. Wettstein. V.Abt. Anthropologie einschl. naturwissen- SChaftl. Ethnographie. (l Bd.) Bandredakteur: G. Schwalbe. Bearb. von E. Fischer, R. F. Graebner, M. Hoernes, Th. MoUison, A. Ploetz, G. Schwalbe. VI. Abt. Die medizin. Wissenschaften. Abteilungsleiter : Fr. von Müller. Band i. Die Geschichte der modernen Medizin. Bandredakteur: K. Sudhoff. Bearb. von M. Neuburger, K. Sudhoff u. a. Die Lehre von den Krankheiten. Bandredakteur: W. His. Mitarbeiter noch unbestimmt. Band 2. Die medizinischen Spezialfächer. Band- redakteur: Fr. v. Müller. Mitarbeiter noch unbestimmt. Band 3. Beziehungen d. Medizin zumVolkswohl. Bandredakteur: M.v. Gruber. Mitarb. noch unbestimmt. VII. Abt. Naturphilosophie u. Psychologie. fBand I.Naturphilosophie. Bandredakteur: C.Sturapf. Bearbeitet von E. Becher. Band 2. Psychologie. Bandredakteur: C. Stumpf. Bearbeitet von C. L. Morgan und C. Stumpf. VIII. Abt. Organisation der Forschung u. des Unterrichts. (l Band.) Bandredakteur :A.Gutzmer. IV. Teil. Die technischen Kulturgebiete. [i8 Bände.] Abteilungsleiter: W. von Dyck, O. Band i. Vorgeschichte der Technik. Band- redakteur und Bearbeiter: C. Matschoß. Band 2. Verwertung der Naturkräfte zur Gewin- nung mechanischer Energie. Bandredakteur: M. Schröter. Bearbeitet von H. Bunte, R. Escher, K. v. Linde, W. Lynen, R. Schöttler, M. Schröter. Band 3. Umwandlung und Verteilung der Ener- gie. Bandredakteur: M. Schröter. Bearbeitet von F. Schäfer, A. Schwaiger u. a. Band 4. Bergbau und Hüttenwesen. (Stoff- gewinnung auf anorganischem Wege.) I.Teil. Berg- bau. Bandredakteur: W. Bornhardt. Bearbeitet von H. E. Böker, G. Franke, Fr. Herbst, M. Krah- mann, M. Reuß, O. Stegemann. — II. Teil. Hütten- wesen. Bandredakteur und Mitarbeiter noch un- bestimmt. Band 5. Land- und Forstwirtschaft. (Stoff- gewiunung auf organischem Wege.) I.Teil. Land- wirtschaft. Bandredakteur und Mitarbeiter noch unbestimmt. — II. Teil. Forstwirtschaft. Band- redakteure und Bearbeiter: R.Beck und H.Martin. Band 6. Mechanische Technologie. (Stoffbear- beitung auf maschinentechnischem Wege.) Band- redakteure : E. Pfuhl und A. Wallichs. Bearbeitet von P. V. Denffer, Fr. Hülle, O. Johannsen, E. Pfuhl, M. Rudeloff, A. Wallichs. Band/. Chemische Technologie. (Stoffbearbeitung auf chemisch-technischem Wege.) Bandredakteur und Mitarbeiter noch unbestimmt. Kammerer. (* erschienen: Band 12.) Band 8 und 9. Siedelungen. Bandredakteure: W. Franz und C. Hocheder. Bearbeitet von H. TU. von Berlepsch -Valendas , W. Bertsch, K. Diestel, M. Dülfer, Th. Fischer, H. Grässel, C. Hocheder, R. Rehlen, R. Schachner, H. v. Schmidt. Band 10 und 11. Verkehrswesen. Bandredakteur: O. Kammerer. Mitarbeiter noch unbestimmt. *Band 12. Technik des Kriegswesens. Band- redakteur: M.Schwarte. Bearbeitet von K.Becker, O. V. Eberhard, L. Glatzel, A. Kersting, O. Kretsch- mer, O. Poppenberg, J. Schroeter, M. Schwarte, i W. Schwinning. Mit Abbildungen. [X, 886 S.] Lex.-S. [ 1913. Geh. Jt 24. — , geb. Jl 26. — Band 13. Die technischen Mittel des geistigen Verkehrs. Bandredakteur: A. Miethe. Bearbeitet von A. Miethe, E. Goldberg u. a. 1 Band 14. Die technischen Mittel der Beobach- i tung und Messung. Bandredakteur: A. Miethe. Mitarbeiter noch unbestimmt. ! Band 15. Entwicklungslinien der Technik im i 19. Jahrhundert. Bandredakteur: W. v. Dyck. Mitarbeiter noch unbestimmt. Band 16. Organisation der Forschung. Unterricht. Bandredakteur: W. v.Dyck. Mitarb. noch unbestimmt. Band 17. Die Stellung d. Technik zu den anderen Kulturgebieten. I. Bandredakteur: W. v. Dyck. Bearbeitet von Fr. Gottl von Ottlihenfeld u. a. Band 18. Die Stellung der Technik zu den anderen Kulturgebieten. II. Bandredakteur: W. v.Dyck. Bearb. von H. Herkner, C. Hocheder u. a. DIE - KULTUR DER GEGENWART IHRE ENTWICKLUNG UND IHRE ZIELE HERAUSGEGEBEN VON PAUL HINNEBERG DRITTER TEIL MATHEMATIK • NATURWISSENSCHAFTEN MEDIZIN VIERTE ABTEILUNG ORGANISCHE NATURWISSENSCHAFTEN UNTER LEITUNG VON R.v. WETTSTEIN ZWEITER BAND ZELLEN- UND GEWEBELEHRE MORPHOLOGIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE UNTER REDAKTION VON t E. STRASBURGER UND O. HERTWIG DRUCK UND VERLAG VON B. G.TEUBNER • LEIPZIG • BERLIN -1913 ZELLEN- UND GEWEBELEHRE MORPHOLOGIE UND ENTWICKLUNGSGESCHICHTE UNTER REDAKTION VON t E. STRASBURGER UND O. HERTWIG BEARBEITET VON t E. STRASBURGER • W. BENECKE • R. HERTWIG H. POLL . O. HERTWIG • K. HEIDER • F.KEIBEL • E. GAUPP II: ZOOLOGISCHER TEIL UNTER REDAKTION VON O. HERTWIG BEARBEITET VON R. HERTWIG H. POLL . O. HERTWIG • K. HEIDER • F. KEIBEL ■ E. GAUPP MIT 413 ABBILDUNGEN IM TEXT DRUCK UND VERLAG VON B. G.TEUBNER • LEIPZIG • BERLIN -1913 COPYRIGHT 1913 BY B. G. TEUBNER IN LEIPZIG ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN. VORWORT Pflanzliche und tierische Morphologie und Entwicklungslehre, deren g-e- meinverständliche Darstellung in der „Kultur der Gegenwart" den zweiten Band der Biologie ausmacht, sind in den letzten Jahrzehnten in enge Fühlung zueinander getreten; in ihren Arbeitsmethoden und wissenschaftlichen Ziel- punkten haben sie sich vielfach beeinflußt und gefördert. Trotzdem erwies sich eine getrennte Bearbeitung beider Gebiete als wünschenswert. Denn einmal bieten Pflanze und Tier, wenn auch die Grundprobleme des Lebens bei beiden die gleichen sind, doch im einzelnen und namentlich im Hinblick auf ihren Bau und ihre Entwicklung so viele unterscheidende Merkmale dar, daß diese nur bei einer getrennten Darstellung zu ihrem Rechte kommen können. Zweitens aber haben auch die pflanzliche und die tierische Gestalten- lehre im Unterricht an Universitäten und anderen Hochschulen stets ihre besondere Vertretung gefunden. Daß bei einer g-etrennten Darstellung der zoologische Teil den botani- schen an Umfang- übertreffen muß, ergibt sich von selbst aus dem Wesen der beiderseitigen Aufgaben. Erreicht doch die tierische Organisation einen sehr viel höheren Grad der Komplikation und eine viel weitergehende Sonde- rung in zahlreiche Organe und Gewebe, als es im Pflanzenreich der Fall ist. Das Gleiche g-ilt vom tierischen Entwicklungsprozeß. Daher mußte dem zoo- logischen Teil des vorliegenden Bandes von vornherein ein größerer Umfang gewährt werden. Auch eine Zerlegung der Aufgabe in eine größere Zahl von Abschnitten wurde notwendig, um für einen jeden Abschnitt die sach- kundigsten Mitarbeiter zu gewinnen und durch die Teilung der Arbeit die Vollendung- des ganzen Werkes zu beschleunigen. Der zoologische Teilband zerfällt daher in sechs Kapitel. Das erste handelt von den „einzelligen tierischen Organismen", die überall in der Natur in zahl- reichen, verschiedenen Arten vertreten, schon für sich eine große Formen- mannigfaltigkeit und zum Teil wie die Infusorien die interessantesten Lebens- erscheinungen zeigen. Ein zweites Kapitel ist den „Zellen und Geweben des Tierkörpers" gewidmet und liefert in drei Bogen eine kurze Darstellung von Verhältnissen, welche in den Lehrbüchern der Histologie behandelt werden. Die vier anderen Kapitel geben alsdann einen Überblick über die Morpho- logie und Entwicklungsgeschichte der Tiere, also über Gebiete, über welche die Lehrbücher der vergleichenden Anatomie und der Entwicklungsgeschichte, meist für Wirbellose und Wirbeltiere getrennt, berichten. Da aber Wirbel- lose und Wirbeltiere, namentlich am Anfang ihrer Entwicklung, viele Ver- VI Vorwort hältnisse von prinzipieller Bedeutung, wie den Befruchtungsprozeß, die Ei- teilung, die Bildung von Keimblase und Gastrula, gemeinsam haben, und da außerdem in den letzten Jahrzehnten die ersten Entwicklungsstadien mit Erfolg zum Gegenstand experimenteller Studien gemacht worden sind, schien es geboten, ein Kapitel allgemeinen Inhalts mit dem Titel „allgemeine und experimentelle Morphologie und Entwicklungslehre der Tiere" der spezi- elleren Darstellung der drei letzten Kapitel vorauszuschicken. Die Redaktion des zoologischen Teilbandes, welche ich auf Wunsch Herrn von Wettsteins, des Abteilungsleiters der die organischen Natur- wissenschaften umfassenden Bände der „Kultur der Gegenwart" übernahm, ist mir sehr erleichtert worden, indem es mir bald gelang, für die genannten Abschnitte die Mitwirkung bewährter Forscher zu gewinnen, welche durch eigene Untersuchungen mit den von ihnen bearbeiteten Gebieten auf das genaueste vertraut sind, die Herren Professoren Richard Hertwig, H. Poll, K. Heider, F. Keibel und E. Gaupp. Ich selbst übernahm neben der Redaktion des zoologischen Teilbandes noch das Kapitel über „allge- meine und experimentelle Morphologie und Entwicklungslehre der Tiere". Nachdem jetzt der Band fertig vorliegt, ist es mir eine angenehme Pflicht, den genannten Mitarbeitern, deren Arbeitsfreudigkeit ich die Vollendung des Werkes zu dem in Aussicht genommenen Zeitpunkt zu verdanken habe, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen, desgleichen auch dem cand. rer. natur. Schroeder, welcher die sachkundige und mühsame Anfertigung des Namens- und Sachregisters übernommen hat. Berlin, im Februar 1913. O. HERTWIG. INHALTSVERZEICHNIS Seite DIE EINZELLIGEN ORGANISMEN 1-38 Von R. HERTWIG. ZELLEN UND GEWEBE DES TIERKÖRPERS 39-93 Von H. POLL. ALLGEMEINE UND EXPERIMENTELLE MORPHOLOGIE UND ENTWICKLUNGSLEHRE DER TIERE . . . 94-175 VON O. HERTWIG. ENTWICKLUNGSGESCHICHTE UND MORPHOLOGIE DER WIRBELLOSEN 176-332 Von K. heider. DIE ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DER WIRBELTIERE 333-398 Von f. KEIBEL. MORPHOLOGIE DER WIRBELTIERE 399-524 Von E GAUPP. REGISTER 525-538 Von E. SCHROEDER. DIE EINZELLIGEN ORGANISMEN. Von Richard von Hertwig. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts überraschte einer der glück- Geschichte der lichsten Entdecker auf dem Gebiete der Biologie, Anton v. Leeuwenhoek, die fo^sAung] wissenschaftliche Welt durch den Nachweis, daß Süß- und Meerwasser von a. v. Leeuwen- hoek. den verschiedensten Formen mikroskopisch kleiner Tiere bewohnt werde. Er fand dieselben zuerst in Regenwasser, welches er an der Luft hatte stehen lassen, später in allerlei Wasserproben, welche er untersuchte, darunter auch in einem Aufguß von Pfeffer. Er wandte damit zum ersten Male eine Me- thode an, welche in der Folgezeit viel benutzt worden ist und jetzt noch be- nutzt wird, bei welcher zur Gewinnung der interessanten Tierformen organische Substanzen, am häufigsten Heu oder Moos, mit Wasser Übergossen und längere Zeit der Luft ausgesetzt werden. Man nannte eine derartige Kultur eine In- fusion, und die mittelst derselben gewonnenen Tiere Infusionstierchen oder Infusorien, animalcula infusoria, Ausdrücke, welche zum ersten Male von Ledermüller und Wrisberg in der Mitte des 18. Jahrhunderts benutzt wurden, im Laufe des 19. Jahrhunderts aber eine Einschränkung auf die rascher schwim- menden Formen, die Wimper- und Geißelinfusorien, erfahren haben, während für die Gesamtheit der Gruppe der Name ,, Urtiere" oder ,, Protozoen" in Aufnahme kam. Die Entdeckung Leeuwenhoeks hat auf den Fortschritt in der Zoologie einen ganz außerordentlichen Einfluß ausgeübt; sie regte zu mikroskopischen Forschungen an, welche im 18. Jahrhundert nicht nur von berufsmäßigen Zoologen, sondern auch Vertretern anderer Berufe, den Geistlichen Goeze und Eichhorn, dem Maler Rösel v. Rosenhof, dem Freiherrn v. Gleichen- Russwurm u. a. gepflegt wurden. Die Frage, in welcher Weise die Lebewesen Lehre von der in den Infusionen entstanden sein möchten, belebte aufs neue die Lehre von der spaitanzani. Urzeugung oder der Entstehung lebender Wesen aus unbelebtem Material und wurde dadurch Ausgangspunkt der berühmten Experimente Spallanzanis, welche im 19. Jahrhundert in den Untersuchungen Schwanns und Pasteurs ihre Fortsetzung gefunden haben und in dem Nachweis gipfelten, daß die Auf- gußtierchen sich aus Keimen entwickeln, welche in dem Material vorhanden ge- wesen oder durch die Luft in die Infusion verschleppt worden waren. Einen weiteren Impuls erfuhr die Protozoenforschung, als um die Wende Phylogenetische des 18. und 19. Jahrhunderts die Abstammungslehre zum ersten Male als Protozoen. •ein mächtiger Faktor in die biologische Forschung eingeführt wurde. Die In- K. d. G. IIL IV, Bd 2 ZeUenlehre etc. 11 I 2 Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen fusionstiere erschienen nun willkommene Zeugen für die Existenz von Lebe- wesen von einfachstem Bau, wie sie die Deszendenztheorie nötig hatte, um die erste Entstehung des Lebens auf unserem Erdball zu erklären. Damit wurde die Frage nach der Organisation der Infusionstierchen in den Vordergrund gestellt, eine Frage, welche bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die Zoologie beschäftigt hat. Bis dahin standen sich zwei Auffassungen gegenüber, von Organisation der denen die eine in Ehrenberg, die andere in Dujardin ihren Hauptvertreter Du^llZTund ^3-"^- Ehrenberg glaubte überall komplizierte Organe, einen Darm, ein Ehrenberg. Nerveusystcm, Geschlechtsorgane usw. nachweisen zu können, wo Dujardin eine einheitliche fleischähnliche Substanz fand, die ,, Sarkode", welche ohne V. Siebold. Organe befähigt sei, alle Lebensfunktionen zu verrichten. Die Sarkodetheorie Dujardins führte schließHch zu der zuerst von v. Siebold konsequent durch- geführten Lehre, daß die Infusionstierchen oder, wie er nunmehr die Tiere nannte, die Protozoen, einzellige Organismen seien, eine Auffassung, die sich, wenn auch langsam, in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts siegreich durchgerungen hat. Die enge Fühlung, in welche durch die v. Sieboldsche Lehre das Studium Protozoen und der ProtozoBU zur Zelltheorie getreten ist, wurde für beide Forschungsgebiete .eiitheorie. ^^^ ^^^ größten Bcdcutung. Wurde einerseits dadurch der Schlüssel für das Verständnis des Baues der Protozoen gewonnen, so wurde andererseits die Auf- fassung vom Wesen der Zelle erweitert und vertieft. Gegenüber dem Studium der Protozoen erwies sich die Schwannsche Lehre, daß das Wichtigste an der Zelle die Membran sei, als unhaltbar, ebenso unhaltbar die Hoffnung, in der Zelle die physikalische Einheit für eine mechanistische Erklärung der Lebens- vorgänge gewonnen zu haben , da sich die Zelle als solche schon als ein lebendes Wesen erwies. Vor allem erfuhr der Zellbegriff eine außerordent- liche Erweiterung. Es stellte sich heraus, daß die Zelle da, wo sie als selb- ständiger Organismus auftritt, eine Vielgestaltigkeit entfalten kann, deren sie als Teil eines vielzelligen Organismus nicht fähig ist. Sie bildet Einrichtungen, welche an die aus vielen Zellen bestehenden Organe höherer Tiere erinnern und daher geradezu als Zellorgane oder Organellen bezeichnet werden. Wenn wir im Laufe dieser Darstellung die betreffenden Einrichtungen kennen gelernt haben werden, wird es verständlich werden, wie schwer es selbst vorurteilslosen Zoologen geworden ist, die Einzelligkeitslehre der Protozoen anzunehmen. Größe der Pro- ludcm wir bci uuscrcr Darstellung von dem Satze ausgehen, daß d i e Protozoen einzellige Organismen sind, ist damit schon gesagt, daß es sich im großen und ganzen um kleine Tiere handelt, welche nur selten die Größe von mehreren Zentimetern erreichen, meist eben noch als kleine Pünkt- chen mit bloßem Auge erkannt werden können oder gar unterhalb der Grenze des Wahrnehmbaren bleiben, so daß man in vielen Fällen sogar zu den stärk- sten uns zu Gebote stehenden Vergrößerungen seine Zuflucht nehmen muß. Mit der Einzelligkeit hängt es ferner zusammen, daß die Tiere in trockener Luft Fundstelleu und für gewöhulich uicht zu existieren vermögen. Ihr Hauptaufenthaltsort ist da- v'^orkommen. i j ttt , . her das Wasser oder bei den parasitischen Formen die durch Wasserreichtum Beschaffenheit des Protoplasma 2 ausgezeichneten Gewebe von Tieren und Pflanzen. Besonders sind stehende Tümpel und Teiche mit reicher Vegetation, desgleichen das Meer günstige Fundstätten für Protozoen. Immerhin gibt es aber Formen, welche in der Erde oder in moderndem Holz leben. Dann scheint ein nicht unbeträcht- licher Grad von Feuchtigkeit der Luft ein Erfordernis zu sein. In trockener Luft vermögen Protozoen nur in geschützten Ruhezuständen, den ,, Cysten", von denen später noch die Rede sein wird, auszuhalten. Wie jede Zelle, so bestehen die Urtiere unter allen Umständen aus der die Lebensfunktionen vermittelnden Zellsubstanz, dem Protoplasma oder der Sarkode, und den in Einzahl oder Vielzahl in ihm enthaltenen Kernen, den Nuclei. Mit dem Protoplasma sich intensiver zu beschäftigen, hat der Protozoen- Protoplasma forscher um so mehr Veranlassung, als der Körper eines Urtieres zum größten ° ^"^ ^^ ° ^' Teil nur aus Protoplasma besteht und die Verschiedenartigkeit desselben in nicht wenigen Fällen die wichtigsten Merkmale uns an die Hand gibt, a) Chemische um einzelne Arten, ja sogar Gattungen und Familien, systematisch zu unter- scheiden. Gleichwohl befindet sich die chemische Kenntnis der so ungemein interessanten Substanz in gleich unerfreulichem Zustand, als es für vielzellige Tiere und Pflanzen gilt. Es kann daher hier auf das, was bei der tierischen und pflanzlichen Zelle über den Gegenstand gesagt worden ist, verwiesen werden. Nicht in gleichem Maße gilt das Gesagte von dem Aussehen und der b) Aussehen, physikalischen Beschaffenheit. Schon seit langem unterscheidet die For- schung an der Sarkode die homogene Grundsubstanz und die in derselben enthaltenen Einschlüsse. Von letzteren sind als konstante Elemente nur kleine, stark lichtbrechende Körnchen, die Granula, zu nennen, von denen das Eine mit Sicherheit feststeht, daß sie nicht die Träger der vom Protoplasma ausgehenden Lebenserscheinungen sind. Wahrscheinlich sind sie mit dem Stoffwechsel des Protoplasma verknüpft, sei es, daß sie nährende Substanzen enthalten oder Zersetzungsprodukte, Produkte der regressiven Metamorphose, oder auch Stoffe, die zur Verdauung dienen, sogenannte Enzyme, darstellen. Jedenfalls ist das Protoplasma gut genährter Tiere trüb und körnchenreich, wird dagegen im Verlauf von Hunger hell und durchsichtig. Die Verteilung der Ektosark und Körnchen in der homogenen Grundsubstanz ist häufig eine sehr regelmäßige, so daß eine äußere Schicht, das Ektosark, frei von Körnchen ist, während die innere Partie, das Entosark, körnchenreich ist. Beide Schichten gehen kontinuierHch ineinander über; auch wechselt die Breite der Ektosarkschicht nicht nur nach den verschiedenen Arten und Individuen, sondern sogar bei demselben Indivi- duum je nach den verschiedenen Bewegungszuständen desselben. Über die physikalische Beschaffenheit und Struktur der homogenen Grund- c) Physikalische Substanz ist viel gestritten worden. Bei den meisten Protozoen gewinnt man durchaus den Eindruck, daß man es mit einer Flüssigkeit zu tun hat. Die Ausdrücke ,,Fheßen" und „Strömen", welche für die später zu besprechenden Kontraktionserscheinungen gang und gäbe sind, deuten schon darauf hin. Unter- suchungen über das physikalische Verhalten des Plasmas der Protozoen haben ^ Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen der Auffassung weitere Stützen verliehen. Um nur einige zu nennen, so wird das Verhalten des Protoplasma anderen Flüssigkeiten gegenüber von dem' für Flüssigkeiten geltenden Prinzip der kleinsten Oberflächen bestimmt. Ab- gelöste Teile eines Protozoons kugeln sich demgemäß im Wasser, ähnlich wie Öltropfen ab. In entsprechender Weise sammelt sich Flüssigkeit im Innern des Protoplasmas zur Kugelform an undhefert die sogenanntenVacuolen, sofern nicht der Gegendruck benachbarter Vacuolen behindernd wirkt. Fremdkörper, welche in das Plasma aufgenommen werden, wie Karminkörnchen, kleinere Nahrungskörper, können nach allen Richtungen hin verschoben werden, wie es nur innerhalb von Flüssigkeiten möglich ist. d, Struktur des Wenu uuu die Flüssigkeitsnatur des Protoplasma vielfach in Zweifel wTbentheorte gGzogcn wurde, SO gcschah es, weil in ihm Strukturen sichtbar werden, Bütschiis. welche mit der Vorstellung einer homogenen Flüssigkeit unvereinbar sind. Diese Schwierigkeit wird in glücklicher Weise beseitigt durch die Lehre von der Schaumstruktur des Protoplasma, wie sie besonders von Bütschli be- gründet worden ist. Derselben zufolge besteht das Protoplasma ,,aus zwei differenten, nicht oder nur beschränkt mischbaren Flüssigkeiten" in so feiner Verteilung, daß die Tröpfchen der einen Flüssigkeit a, welche in der zweiten Flüssigkeit h suspendiert sind, etwa den Durchmesser von Viooo '^'^ besitzen. Sind die kleinsten Tröpfchen der Flüssigkeit a so dicht gedrängt, wie die Luft- blasen eines Seifenschaums, so wird die Flüssigkeit h zu einem Gerüst trennen- der Scheidewände , deren Anordnung der für Flüssigkeitsgemische ermittel- ten Gesetzmäßigkeit folgen muß. In der Tat ist es auch Bütschli geglückt, mikroskopische Schäume, wie sie soeben geschildert wurden, in verschiedener Weise herzustellen, z. B. durch feinste Verteilung von Pottaschelösung in Ohvenöl. Die dabei sich ergebende Struktur hat eine überraschende Ähnlich- keit mit der retikulierten Struktur, welche vom Protoplasma schon wieder- holt beschrieben worden ist, aber zumeist auf netzig verbundene Fäden, nicht auf Wabenwände bezogen wurde. Wegen ihrer außerordentlichen Feinheit müssen Wabenstruktur und netzförmige Anordnung bei der mikroskopischen Untersuchung unter gleichem Bilde erscheinen, so daß ein lebhafter Streit entbrannt ist, in welcher Weise das Bild zu deuten ist. Die Protozoen- forscher, welche in den Pseudopodien der Rhizopoden die günstigsten Objekte zur Untersuchung lebenden Protoplasmas besitzen, haben sich in ihrer Mehr- zahl für die Schaumstruktur ausgesprochen. p. Biologische Noch wichtiger als die Ermittelungen über die physikalischen Eigenschaften Charakteristik . j r.. ,• r^-, i • m i <-> des Protoplasma, smd tur dic Charakteristik der Sarkode ihre Lebenserscheinungen. Sind doch gerade die Protozoen die günstigsten Objekte, um zu beweisen, daß das Proto- plasma Träger der Grundfunktionen des Lebens ist. Dieselben sind: i. Kon- traktilität oder selbständige Bewegungsfähigkeit, 2. Irritabilität oder Reizbarkeit, 3. Ernährungsfähigkeit im weitesten Sinne des Wortes, 4. die Fähigkeit der Fortpflanzung. . . Kontraktiiität. Die Einrichtungen, welche getroffen sind, um die Fortbewegung der Protozoen zu vermitteln, sind sehr mannigfacher Natur und werden daher Bewegungserscheinungen des Protoplasma izopoden benutzt, um die großen Gruppen, die Klassen der Protozoen, zu charakteri- sieren. Wir unterscheiden drei Hauptformen der Bewegung, welchen drei Hauptklassen der Protozoen entsprechen, während in einer vierten Klasse die Bewegungsfähigkeit infolge parasitischer Lebensweise auf ein ganz ge- ringes Maß reduziert ist. I. Die amöboide Beweglichkeit ist das hervorstechendste Merkmal Amöboide Be- der Rhizopoden; sie ist zugleich die primitivste Form der Fortbewegung, da "■r'^Iz sie vom Protoplasma selbst ausgeht, nicht von besonderen Anhängen des- selben, wie es Cilien und Geißeln sind. Dieselbe wird durch Scheinfüßchen oder Pseudopodien bewirkt, Fortsätze des Protoplasma, welche wie Füß- chen zur Ortsbewegung dienen, aber keine dauernden Einrichtungen sind, sondern in raschem Wechsel ganz nach Bedürfnis ge- bildet und zurückgezogen werden. Die in Fig. I ab- gebildete, unserem Süßwasser angehörige Amoeha Proteus ist nicht nur Ausgangspunkt der Bezeichnung ,, amöboide Beweglichkeit", sondern seit jeher auch das beste Beispiel zur Erläuterung ihrer Natur ge- wesen. Der Ausdruck (von ,,d|ueijßo)uai = Form ver- ändern" stammend) bezieht sich auf den beständigen Gestaltenwechsel, welchen eine Amöbe bei der Fort- bewegung erfährt und der in folgender Weise vor sich geht. An einer Stelle sammelt sich ,, homogenes Pro- toplasma" zu einem ruckweis sich hervorwölbenden Höcker an, einem breitlappigen Pseudopodium (Lobo- podium); dann erst strömt das körnchenreiche En- tosark nach, indem es zunächst die Achse des breit- lappigen oder fingerartig in die Länge wachsenden Fortsatzes, schließlich den gesamten Fortsatz bis auf einen schmalen peripheren Saum erfüllt. Diese strudelnde Bewegung der Körnchen läßt sich tief in das Innere der Amöbe verfolgen, oft bis zum entgegengesetzten — hinteren — Ende, von wo aus die Körnchenmasse nachströmt, in gleichem Maß, als vorn Körnchen in die sich bildenden Pseudopodien eindringen. Das hinterste Ende hat daher oft ein wesentlich anderes Aussehen als das vorausmarschierende; es sieht etwas geschrumpft und eingefaltet aus; die Körnchen reichen hier bis an die Oberfläche heran. In analoger Weise, wie sich ein Pseudopodium bildet, kann es auch in den Körper wieder zurückfließen; auch können mehrere Pseudopodien gleichzeitig gebildet und eingezogen werden. Meist wird beim Gehen und Kommen der Pseudopodien eine bestimmte Strömungsrichtung eingehalten und dadurch die Fortbewegung ermöglicht. Dieselbe setzt allerdings voraus, daß die Amöbe Stützpunkte auf einer ihrer Fortbewegung dienenden Unterlage findet; sie muß auf derselben haften, was durch die Ausscheidung minimaler Quantitäten einer klebrigen Masse bewirkt wird. Hat die Amöbe diese Fähig- keit vorübergehend verloren, was nicht selten vorkommt, so ist ein Kriechen Fig. I. Amoeba Proteus, k Körn- cben. / Nahrung, ii Kern, v kon- traktile Vakuole. 5 Richard von HertwiG: Die einzelligen Organismen auf der Unterlage nicht möglich, wohl aber eine Fortbewegung durch Schwer- punktsveränderung und Umkippen. Strömungserscheinungen, wie ich sie soeben geschildert habe, setzen übrigens keineswegs Gestaltveränderung der Körperoberfiäche, Pseudopodien- bildung, voraus. Auch in einer kugelig abgerundeten ruhenden Amöbe sind Körnchenströmungen (Zyklose) im Innern möglich, wie sie auch bei anderen Protozoen, welche zu keinen Gestaltveränderungen befähigt sind, z. B. vielen Infusorien, vorkommen. Die Pseudopodien einer Amöbe sind nur ein Beispiel für die ungeheure Mannigfaltigkeit, in welcher die Bildung von Scheinfüßchen bei den Rhizo- poden sich vollzieht und von der ich \ ^ . \ , nur die wichtigsten Typen erwähnen \, , \ \ \ : ; kann. So können die Pseudopodien feine Fäden (Filopodien) bilden; diese Fäden können sich wie die Wurzeln eines Baumes verästeln, was den Namen ,, Wurzelfüßler", ,,Rhizo- poden" für die gesamte Abteilung veranlaßt hat. An der Bildung der Fäden ist manchmal nur das Ektosark beteiligt, so daß die Fäden frei von Körnchen sind, was sich meist mit ~- einer starren, zähen Beschaffenheit der Körpersubstanz kombiniert. In der Mehrzahl der Fälle jedoch treten die Körnchen des Entosarks auf die Fäden über (Fig. 2) und verursachen hier das aus dem Innern der Amöbe uns schon bekannte Phänomen der Fig. 2. Rotalia veneta, Foramiuifere mit ausgebreitetem KörncheUStrÖmung. MögCn die Fä* Pseudopodiennetz. . . , . , den auch noch so fem sem und sich den Grenzen der Wahrnehmbarkeit mit unseren stärksten Vergrößerungen nähern, so können sie gleichwohl der Sitz von Körnchenströmung sein, sogar von einer ganz komplizierten Form derselben, so daß auf derselben Bahn manche Körnchen vom Körper des Rhizopoden hinweg nach der Peri- pherie abströmen (zentrifugale Bewegung), andere von der Peripherie nach dem Zentrum zurückkehren, daß weiterhin in derselben Richtung die Körn- chen verschiedene Geschwindigkeit einhalten und somit einander überholen. Im allgemeinen überwiegt jedoch auf einem bestimmten Pseudopodium auch eine bestimmte Bewegungsrichtung, so daß auf einigen Pseudopodien das körnige Protoplasma abströmt, auf anderen dagegen zum Körper zurück- kehrt. Körnchenreiche, verästelte Pseudopodien zeigen endlich noch das Phäno- men der ,, Anastomosenbildung". Während körnchenarme starre Pseudo- \\ Bewegungserscheinungen des Protoplasma 7 podien, wenn sie einander begegnen, sich getrennt erhalten, pflegen körnchen- reiche Pseudopodien miteinander zu verschmelzen. Der Endeffekt ist ein ungemein feines Netzwerk von Protoplasmafäden, welches es verständlich macht, daß gelegenthch zentripetale Bewegungen in zentrifugale Bahnen ein- münden und umgekehrt. (Rhizopodien.) Für die richtige Beurteilung der beschriebenen Bewegungserscheinungen ist es noch von Wichtigkeit, hervorzuheben, daß an der Körnchenströmung auch Partikeln Anteil nehmen, von denen man sicher nachweisen kann, daß sie unbelebt sind. Solche Partikeln sind aufgenommene Nahrungs- bestandteile oder anderweitige Fremdkörper, welche man, wie z. B. fein pulveri- siertes Karmin, willkürlich dem Pseudopodiennetz eines Rhizopoden ein- verleiben kann. Diese Wahrnehmung ist wichtig, weil sie zeigt, daß die zirku- lierenden Körnchen nicht Eigenbewegungen ausführen, sondern passiv von dem ihnen zugrunde Hegenden Substrat homogenen Plasmas bewegt werden. Letzteres ist, wie bei allen übrigen Vorgängen, der eigenthche Lebensträger. Die Schnelligkeit, mit welcher zwei einander begegnende Protoplasma- ströme zusammenfließen, zeigt, daß der Körper der Rhizopoden nicht von einer vom Protoplasma differenten Membran überzogen ist. Damit ist jedoch sehr wohl vereinbar, daß das Protoplasma nach Art anderer Flüssigkeiten auf seiner Oberfläche eine Verdichtung erfährt. Eine solche verdichtete Ober- flächenschicht läßt sich bei Amoeba proteus sowohl optisch nachweisen als auch nach Ausfließen der eingeschlossenen Sarkode, oder durch Einwirkung von Reagentien isoHert darstellen. 1 Derartige Verdichtungen sind es,) welche in anderen Klassen der Protozoen, vor allem den Cüiaten und Flagellaten eine nicht unbeträchtliche Festigkeit und Undurchdringlichkeit der Oberfläche be- dingen, so daß man von einer Pellicula spricht. Peiiicuia. Zur Charakteristik der Pseudopodien sei schheßlich noch hervorgehoben, daß sie bei vielen Rhizopoden von festen Achsen gestützt sind (Axo podien), welche eine Strecke weit in das Protoplasma eindringen, um hier frei zu enden oder einen Stützpunkt an anderen Strukturen zu finden, an dem später zu besprechenden Zentralkorn der Heliozoen, öfters auch an den Zellkernen. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, für die Bewegungen der Pseudo- physikalische podien, besonders der Lobopodien, eine physikalische Erklärung zu finden, ^^^^^i^""^"^^^*!^^ Dem Begründer der Lehre vom wabigen Bau des Protoplasma, Bütschli, wegung. ist es auch geglückt, eine annehmbare Erklärung aufzustellen; er hatte, wie oben schon erwähnt, Wabenstrukturen erzielt, indem er Olivenöl und Pott- aschelösung zu einem Schaum von mikroskopischer Feinheit vermischte ; er fand, daß derartige Schäume im Wasser Bewegungen ausführten, welche an amöboide Bewegungen erinnern. Er sucht dieselben dadurch zu erklären,^ daß hie und da chemische Umsetzungen eintreten und lokale Veränderungen in der Ober- flächenspannunghervorrufen,wasStrömungen derSchaummasse nach denStellen herabgesetzten Drucks zur Folge habe. In ähnlicher Weise sollen auch durch che- mischeVeränderungen im Protoplasma der RhizopodenVeränderungen der Ober- flächenspannung eintreten und Strömungserscheinungen bedingen. Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen Geißel- und Flimraer- bewegung. Geißeln der Flagellaten. aten. Während die Pseudopodien immer nur langsame Ortsbewegungen ge- statten vermitteln die für die Flagellaten charakteristischen Geißeln und die den Ciliaten zukommenden Wimpern ein sehr behendes Schwimmen. Abgesehen von dieser erhöhten Energie der Bewegung ist noch ein gemeinsamer Charakter von Geißeln und Cilien darin gegeben, daß sie dauernde Bildungen sind, so daß man sie schon zu den ,, Organellen" rechnen kann. Geißeln und Wimpern sind beides feine über die Körperoberfläche hervortretende schwingende Fäden. Man hat daher für ihre Funktion nach einer einheitlichen Erklärung gesucht; Fig. 3. Trichomonas batra- man glaubt diesclbc darin gefunden zu haben, daß sie S°osLf fSr« undu- ähnlich den Axopodien eine äußerst feine elastische Stütze iierendeMembran.«;r axiale bcsitzcn, welche von cluer dünucn Schicht kontraktilen Protoplasmas umscheidet ist. Die Achsenfäden lassen sich \\L'J'- in das Innere des Infusors hinein verfolgen, wo sie analog vielen Axopodien Stützpunkte finden, bei den Cihen an den sogenannten Basalkörnern, bei den Geißeln häufig an dem später zu besprechenden Blepharoplasten. Soweit dieÄhnlichkeit beider Bildungen ! Jetzt kommen wir zu den Unterschieden. Diese sind durch die verschie- dene Größe und die damit zusammenhängende Zahl und Funktionsweise bestimmt. Die Geißeln (Fig. 3) sind sehr lange Fäden, dementsprechend in geringer Zahl vorhanden. Manche Flagellaten haben nur eine Geißel, andere zwei bis acht. Auch in den Fällen, in denen mehrere Geißeln vorhanden sind, hat eine jede ihren Schwingungsrhythmus für sich, sie bewegt sich unabhängig von Nachbargeißeln; es kann sogar eine funktionelle Differenzierung erfolgen, wie z. B. bei manchen Flagellaten eine Geißel, die Schleppgeißel, beim Schwimmen nachschleift, während die andere am vorderen Ende schwingt. Im Gegensatz zu den Geißeln sind die Cihen in großen Mengen vorhanden und demgemäß von geringer Länge (Fig. 4). Wenn sie zum Schwimmen oder zur Nahrungsauf- nahme benutzt werden, erzeugen viele, unterUmständen viele Tausende eine gemeinsame Wirkung. In dieser Gemeinsam- keit der Wirkung ist die Veranlassung gegeben, daß ganze Wimperreihen untereinander zu mächtig rudernden Mem- branellen oder einzelne Wimperbüschel zu biegsamen wie Beine der Insekten wirkenden Haken verkleben können. Was nun schließlich die Sporozoen (Fig. 5) anlangt, denen für gewöhnlich besondere Organe der Fortbewegung fehlen, so existiert bei ihnen ab und zu ein geringes Maß amöboider Beweghchkeit oder es treten während der Ent- wicklung vorübergehend Geißeln auf. Die Regel ist es jedoch nicht; be- sonders die höchstentwickelten Sporozoen, die Gregarinarien, zeigen im ent- Fig. 4. Paramaeciura caudatum, Wimperin- fusor, etwas schemati- siert. Cilien mit Basal- körnern; dazwischen Trichozysten, am hinte- Cilien der Cili- ''en Ende herausge- schleudert. In der Mitte Kern mit Nebenkern, oberhalb kontraktile Va- cuole im kontrahierten Zustand,zuführende Ka- näle erweitert, unter- halb Kanäle verengt, Vakuole ausgedehnt ; rechts Cytostom mit einer sich bildenden Nahrungsvakuole, fer- ner 4 Nahrungsvakuolen mit Inhalt. Fortbewegung der Sporozoen Vorkommen von Muskelfibrillen M m %■« '11 en wickelten Zustand keine Spur davon. Bei ihnen ist die Oberfläche vielfach von einer deutlich doppelt konturierten PelHcula überzogen, welche amöboide Beweglichkeit ausschheßt. Gleichwohl sind die Tiere nicht unbeweglich. Kultiviert man sie in Flüssigkeiten, so gleiten sie vorwärts, ohne daß man an ihnen irgendwelche Gestaltveränderungen wahrnehmen könnte, wie es in ähnhcher Weise bei einzeUigen Pflanzen, den Diatomeen, vorkommt. Man erklärt die Erscheinung aus der Anwesenheit eines Gallertstiels, den die Tiere ausscheiden und mit Hilfe dessen sie sich vorwärts schieben. Eine zweite Bewegungserscheinung der Gregarinen macht uns mit einer interessanten Organisation bekannt, welche nicht auf Gregarinen beschränkt ist, sondern auch bei Rhizop öden, Ciliaten und Flagellaten gelegentlich vorkommt. Es sind dies Muskelfibrillen oder, wie man sie auch genannt hat, Myo- neme. Die Myoneme sind feine Fäden, welche sich aktiv ver- kürzen und dabei dasselbe Phänomen zeigen, welches die Muskel- fibrillen höherer Tiere und in weiterer Konsequenz auch die ganzen Muskelkörper erkennen lassen: sie werden in gleichem Maße dicker, als sie eine Verkürzung erfahren. Derartige Myo- neme verlaufen ringförmig unter der Pellicula der Gregarinen und verursachen ähnhch der Peristaltik des Darms lebhafte, von einem Ende zum anderen fortschreitende Kontraktionswellen. Noch geeigneter zum Studium der Myoneme als die Gregarinen sind manche Infusorien : viele Heterotrichen {Stentoren, Spirosto- men usw.) und Peritrichen [Carchesien, V orticellen) . Carchesien und Vorticellen (Fig. 6 u. 7) sitzen auf Stielen fest, welche eine Röhre bilden, in deren Lumen ein . in schwachen Spiraltouren aufsteigender Muskelstrang verläuft. Dieser veranlaßt, wenn er sich kontrahiert, eine korkzieherartige Einrollung und zugleich (Rumpfstück) , r« (~> • 1 IT T^1 • • 1 o • 1 1 Cuticula, ek Ekto- eme Verkürzung des Stiels, während die Elastizität der Stielwand sark, c« Entosark, beim Nachlassen der Kontraktion eine Streckung des Stiels und eine Rückkehr in die Ausgangslage verursacht. Da, wo der Stiel in die Vor- ticelle übergeht, teilt er sich in viele feine Muskelfäden, welche in den Körper des Infusors eintreten und unter der Pellicula nach vorn verlaufen; sie ver- ursachen eine Verkürzung und Abkugelung des Körpers. Die gleichen längs verlaufenden Muskelfibrillen finden sich auch bei den Stentoren , sie führen hier ebenfalls zu einer Abkugelung des in der Ruhelage langgestreckten, trom- petenähnlich nach vorn sich ausbreitenden Tieres. Wo solche Muskelfäden vorkommen, ist ihre Anwesenheit sofort an der Schnelligkeit und Energie der Bewegung zu erkennen, welche sehr gegen die langsame Ortsbewegung absticht, wie sie durch die Kontraktilität des Proto- plasma vermittelt wird. Am auffallendsten sind in dieser Hinsicht einige marine Flagellaten, welche einen glockenförmigen Körper besitzen, dessen Kon- kavität mit einem Belag von Muskelfibrillen ausgekleidet ist {Leptodiscus, Muskelfibrillen oder Myoneme. sSölß. Fig^. 5. Clepsidrina blattarum ; zwei an- einander gereihte Tiere, pm Proto- nierit (Kopfstück), (//« Deutomerit lO Richard von HertwiG: Die einzelligen Organismen 2. Irritabilität. Craspedotella) ; sie schwimmen mit einer Geschwindigkeit durch das Wasser wie kleine Medusen, mit welchen unerfahrene Beobachter sie auch verwechseln würden und sicherhch auch oft verwechselt haben. Die scharfe Differenzierung der Muskelfäden gegen das angrenzende Proto- plasma, die Orientierung ihrer Kontraktion in einer bestimmten Richtung, während die Kontraktion des Protoplasma nach allen Richtungen erfolgen kann, der besondere Charakter der Kontraktilität, dies alles ist ein sicheres Kennzeichen, daß die Sub- stanz der Muskelfäden etwas anderes ist als Protoplasma; sie ist ein Bil- dungsprodukt des Protoplasma, ein Produkt der,, formativen Tätigkeit des Protoplasma". Wo Kontraktilität vorhanden ist, da fehlt auch nicht Irritabilität oder Fi g. 6. Stück einer Carcbesium-Kolonie(VViinperiufusor). Einzel- tiere sitzen auf einem verästelten Stiel, in dessen Innerem ein Stielmuskel verläuft; untere Tiere in kontrahiertem Zustand, obere ausgebreitet; links eine Gruppe vouMikrogameten, recbts beginnende Konjugation eines Makrogameten mit einem Mikro- gameten. Fig. 7. Kiuzeltier einer Carchesium- Ko- lonie. « Hauptkeru. 11' Nebenkern, Nv Nahrungsvacuolen, rv kontraktile Vacuole, OS Speiseröhre mit davorliegendem Vor- raum (yj/). Reizbarkeit. Sie wird in der Regel durch das Protoplasma vermittelt; ob da- neben noch spezifische reizleitende Bahnen existieren, nach Analogie der Muskelfibrillen besondere Nervenfibrillen, sei dahingestellt. Wiederholt hat man versucht, ihre Existenz durch direkte Beobachtungen und Experimente zu beweisen, ohne daß jedoch Sicherheit erzielt worden wäre. Dagegen hat Sinnesorganellen, man ciu Rccht, vou Sinncsapparatcn zu reden. Die hypotrichen Infusorien, welche ihren Namen dem Umstand verdanken, daß sie nur auf ihrer unteren Seite bewimpert sind, tragen auf ihrem Rücken starre Haare, welche nur als Tastorganellen gedeutet werden können. Augenflecke finden sich bei Flagel- laten, merkwürdigerweise besonders bei den den Übergang zu den Pflanzen vermittelnden Formen, den Euglenen, Volvocineen und Dinofiagellate?!. Eine Reizbarkeit des Protoplasma 1 1 Dinoflagellate Erythropsis agilis, besitzt einen scharf umschriebenen braun- roten Pigmentfieck mit einer mächtigen Linse, so daß das Ganze an die Ocellen erinnert, wie sie bei wirbellosen Tieren, besonders bei Medusen, vorkommen. Aber auch da, wo spezifische Sinnesorganellen fehlen, ist das Protoplasma als solches äußeren Reizen gegenüber empfänglich, mögen dieselben durch che- mische oder physikalische Agentien bedingt sein. Es gilt hier ähnliches, wie es über positive und negative Chemotaxis, Phototaxis und Thermo- taxis schon in dem Kapitel über Botanik gesagt worden ist, so daß hier auf dasselbe verwiesen werden kann. Besondere Erwähnung verdienen die Er- fahrungen und Versuche, welche mit elektrischer und mechanischer Reizung sowie mit der Wirkung der Schwerkraft gemacht wurden. Ein verblüffendes Bild erhält man, wenn man einen elektrischen schwachen Strom durch eine mit Infusorien reich bevölkerte Flüssigkeit leitet. Viele Arten, z. B. Para- maecien sammeln sich dann in dichten Scharen an der Kathode. Wird der Strom mittelst eines Stromwenders in umgekehrter Richtung geleitet, so wan- dern auch die Paramaecien zu dem entgegengesetzten, nunmehr zur Kathode gewordenen Pol über. Was die Schwerkraftswirkung anlangt, so wurde schon bei der Botanik erläutert, wie die Plasmodien der Mycetozoen (Myxomyceten) an einem senk- recht gestellten Objektträger der Schwerkraft entgegen emporklettern und demgemäß auch auf einer Zentrifuge nach dem Mittelpunkt derselben streben. In analoger Weise steigen auch viele andere Rhizopoden unter normalen Ver- hältnissen nach der Wasseroberfläche auf, sei es, daß sie an den Wandungen des Zuchtglases emporkriechen [Thalamophoren], sei es, daß sie ihr spezifisches Gewicht herabsetzen, indem sie Gasblasen ausscheiden [Arcellen) oder Flüssig- keitsansammlungen erzeugen, welche leichter sind als das umgebende Medium und eine Art Schwimmgürtel bilden [Radiolarien). Werden die Tiere beunruhigt, bei marinen Tieren z. B. durch Stürme, so werden die Gasblasen resorbiert, die Vacuolen teils verkleinert, teils ganz eingezogen. Das in dieser Weise zustande kommende Absinken der Tiere tritt zu gewissen Zeiten auch aus inneren Ur- sachen vermöge einer Umstimmung der Tiere ein. Wenn Mycetozoen ihre Fruchtkörper bilden, Radiolarien zur Fortpflanzung, Infusorien zur Konjuga- tion schreiten, suchen sie ebenfalls die Tiefe auf. Schließlich noch einige Worte über die sogenannte Thigmotaxis, die xhigmotaxis Reaktionsfähigkeit gegenüber mechanischen Reizen. Starke Erschütterungen oder direkte Berührungen veranlassen die Protozoen zu heftigen Kontraktionen. Rhizopoden ziehen ihre Pseudopodien ein; stets erfolgt soweit als möglich eine Abkugelung des Körpers. Ist dagegen der durch die Berührung ausgeübte Reiz geringeren Grades, so strömt umgekehrt das Protoplasma der Stelle der Erregung zu. Das wenige, was ich hier über Reizbarkeit der Protozoen gesagt habe, wird es verständlich machen, warum Physiologen und Zoologen in der Neuzeit sich mit Vorliebe mit der Analyse dieser Erscheinungen befaßt haben. Handelt es sich doch hier um die elementarsten Reflexe, deren Studium für das Verstand- 12 Richard von HertwiG: Die einzelligen Organismen nis des Seelenlebens der Tiere von der größten Bedeutung ist, an denen daher auch die Tierpsychologie nicht achtungslos vorbeigehen kann. 3. Ernährung. An die Thiguiotaxis müssen wir anknüpfen, wenn wir nunmehr die dritte Hauptfunktion des Lebens, die Ernährung, näher besprechen wollen. Denn die mechanische Reizung des Protoplasma spielt eine wichtige Rolle, um die Aufnahme der Nahrung zu ermöglichen. Dieselbe ist am besten bei denjenigen Protozoen zu verfolgen, welche, wie es bei den meisten Tieren der Fall ist, a) Nahrungs feste Nahrungskörper aufnehmen (holozoische Ernährung). Wir gehen aufnähme. ^^^^-^ ^^^ ^^j-^ cinfachstcn Fall aus, dem Fressen eines Rhizopoden, einer Amöbe. Trifft die Amöbe bei ihren Wanderungen auf einen Fremdkörper, so wirkt derselbe, besonders wenn er beweglich ist, als Reiz (Thigmotaxis) und veranlaßt ein lebhaftes Zuströmen von Protoplasma, welches allmählich den Körper umfließt und dem Entosark einverleibt. Lange Zeit wurde angenom- men, daß hierbei eine besondere Auswahl weder bei Amöben noch bei anderen Protozoen stattfindet. Denn auch unverdauliches Material, wie z.B. pulverisiertes Karmin, wird aufgenommen, unter Umständen in solchen Mengen, daß für brauch- bare Nahrung kein Platz mehr ist. Wenn man gleichwohl beim Durchmustern des Futterinhaltes von Protozoen eine Art Auslese findet, wenn Paramaecien z. B. ,,sehr gern" von Amöben, fast gar nicht von den Sonnentierchen (Actino- sphaerien) gefressen werden, wenn Actinosphaerien die blauen Trompeten- tierchen (Stentor caeruleus) anderen Arten {St. polymorphus) vorziehen, so erblickte man den Grund hierzu in nebensächlichen Momenten, daß die Lebens- weise und Verbreitung mancher Tiere kleine Besonderheiten zeigen, welche im Vergleiche zu anderen Tieren es erleichtern oder erschweren, daß sie gefressen werden. Es heße sich sehr wohl vorstellen, daß lebende Tiere vielfach leichter aufgenommen werden, als unbelebtes Material, weil sie durch ihre Bewegungen reizen und so durch Thigmotaxis die Aufnahme begünstigen. In der Neuzeit hat jedoch auch die gegenteilige Auffassung ihre Vertreter gefunden. Man hat sogar versucht, durch sinnreich ausgedachte Experimente dieselbe genauer zu begründen und zu beweisen, daß bei einer gleichmäßigen Mischung verdau- licher und unverdaulicher Substanzen, wie z. B. von fein verteiltem Gelbei und Karmin ersteres in viel größeren Mengen als letzteres aufgenommen wird, daß Paramaecien durch langdauernde Karminfütterung dahin gebracht werden, die Aufnahme dieses unverdaulichen Materials zu verweigern, daß dieselben Tiere zwischen Hefezellen, welche zuvor mit giftigem Thenol-Thionin (Thionin pheni- que), und solchen, welche mit ungiftigem Congorot gefärbt wurden, unterscheiden und erstere zurückweisen und letztere aufnehmen. Man kann diesen Nachweis führen, weil Thionin die Hefezellen blau, Congorot sie rot färbt. Es ergibt sich hier für künftige Untersuchungen ein reiches Feld experimenteller Forschung. Während bei Amöben und anderen Rhizopoden jede Stelle der Oberfläche der Pseudopodien zur Nahrungsaufnahme dienen kann, werden neue Be- dingungen für letztere geschaffen, wenn die Oberflächenmembran des Pro- tozoenkörpers zu einer für die Nahrung nicht mehr durchgängigen Pellicula erhärtet, wie es bei allen Wimperinfusorien und vielen Geißelinfusorien und Nahrungsaufnahme und Verdauung l? Sporozoen der Fall ist. Soll dann noch an der Aufnahme geformter Nahrung festgehalten werden, so muß eine besondere, dazu geeignete Stelle, ein Zell- mund oder Cytostom geschaffen werden. Bei den Wimperinfusorien ist das Cytostom eine Öffnung, die in das cytostom Zeiien Innere des Körpers leitet und in welche die Nahrung durch den Strudel der ™"" ' Wimpern hineingetrieben wird (Fig. 4, 7). Die Öffnung führt in einen Kanal, den Cytopharynx, welcher dadurch ausgezeichnet ist, daß die Pellicula mit ihrem Wimperkleid sich in ihn hinein fortsetzt, wozu noch weitere oft recht komplizierte Strukturen hinzutreten können. Am blinden Ende ist die Pelli- cula unterbrochen; hier vermag daher der starke Strudel der Wimpern die Nahrung samt dem gleichzeitig aufgenommenen Wasser in das weiche Proto- plasma hineinzupressen. So entsteht eine Nahrungsvacuole, ein Tröpfchen Flüssigkeit, in welcher die aufgenommene Nahrung lagert. Während die Nahrungs- vakuole ursprünglich mit dem Cytopharynx inVerbindung stand, schnürt sie sich später ab, liegt nunmehr frei im Plasma und wird durch die mehr oder minder lebhaften Bewegungen desselben im Körper herumgeschleppt (Zyklosis). Ähn- liche Einrichtungen, wie ich sie hier für Wimperinfusorien geschildert habe, kommen auch bei Flagellaten vor, sie können aber auch durch analog funk- tionierende anderweitige Einrichtungen vertreten sein, auf die ich hier nicht weiter eingehen kann. Wir verfolgen nun das Schicksal des aufgenommenen, entweder unmittel- b) Verdauung, bar dem Protoplasma eingelagerten oder von einer Vakuole umhüllten Nahrungskörpers. War derselbe ein lebendes Tier, ein anderes Protozoon, oder ein kleiner Krebs, Wurm oder die Larve eines vielzelligen Tieres, so hören die anfangs vorhandenen, gegen den Feind ankämpfenden Bewegungen bald auf. Unzweifelhaft handelt es sich hierbei um eine vom Protoplasma aus- gehende Giftwirkung. Dann setzt die Verdauung ein. Denn der Körper, so- fern derselbe überhaupt verdaulich ist, verändert sein Aussehen und schrumpft zusammen, offenbar, weil alle verdaulichen Substanzen durch Verdauungs- säfte gelöst und dem Protoplasma zugeführt werden. Der unverdauliche Rest wird ausgeworfen, bei Rhizopoden mit weicher Oberflächenschicht an einer be- liebigen Stelle, bei Infusorien mit festerer Pellicula durch eine nur bei der Entleerung sichtbare Öffnung der Pellicula, die Cytopyge oder den Zellenafter, zeiienafter, Es hat etwas Überraschendes, daß das Protoplasma eine so feine Reak- oefae°cYtfon tionsfähigkeit auf Fremdkörper hat, daß es assimilierbare Teile dem Innern zuführt, ausgelaugte Körper dagegen nach außen befördert. Um so inter- essanter ist es, daß es Rhumbler geglückt ist, ganz analoge Vorgänge mit unbelebtem Material zu erzielen. Er nahm feine, mit Schellack überzogene Glasfäden und brachte dieselben mit einem Chloroformtropfen in Berührung. Da Schellack in Chloroform löslich ist, umfloß der Tropfen den Glasfaden, bis aller Schellack gelöst war. Sowie dieser Moment eintrat, wurde der Glas- faden ausgestoßen. Wir haben hier somit eine vollkommene Analogie zu den Assimilationsvorgängen der Protozoen, so daß man keinen Grund hat, in dem wechselnden Verhalten des Protoplasmas der aufgenommenen Nahrung gegen- 14 Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen Holophytische Ernährunar. Opalina rauarum. Ein viel- kerniges Infusor ohne Mundöff- nung. Über besondere nur mit Hilfe der Lebenskraft erklärbare Erscheinungen zu erblicken. Ernährung durch Es gibt nun vlelc Protozoen, in deren Innerem man niemals geformte, der flüssige Nahrung, y^^^^^^^g harrende Nahrung findet, weil sie entweder von flüssiger Nahrung leben oder nach Art der Pflanzen assimilieren. Ersteres kommt nur bei para- sitischen Protozoen vor, einigen parasitischen Wimperinfusorien, z. B. Opalina ranarum (Fig. 8), außerdem bei der Mehrzahl der Sporozoen (Fig. 5). In solchenFällen wird,auch wenn die Oberfläche von einer Pellicula überzogen ist, ein Cytostom vermißt, weil die flüssige Nahrung durch die Pellicula aufgenommen wird, wie etwas Ähnhches von den ebenfalls parasitischen Bandwürmern bekannt ist. Die an zweiter Stelle genannte, an Pflanzen erinnernde holophytische Ernährungsweise findet sich bei Flagellaten, welche durch den Besitz von Chlorophyllkörnern ausgezeichnet sind, wie z. B. den Volvocineen; sie tritt aber auch bei Formen auf, welche in besonderen Farbstoffträgern, den Chromatophoren, braune oder gelbliche Farbstoffe enthalten, wie die meisten Chrysomonadinen und Dinoflagellaien. In allen diesen Fällen wird unter Beihilfe des Sonnenlichtes Stärke bereitet. Man hätte daher Veranlassung, wie es auch von den meisten Botanikern geschieht, die betreffenden Formen ohne weiteres für einzellige Pflanzen zu erklären, wenn nicht zwei Schwierigkeiten dem entgegenständen. Für manche Formen, besonders aus der Gruppe der Dino- flagellaten, ist Aufnahme geformter Nahrung beobachtet worden; zweitens kommt es vor, daß von naheverwandten Formen die einen Chromatophoren besitzen und sich holophytisch ernähren, die anderen dagegen farblos und auf tierische Ernährung angewiesen sind. Es stellt sich somit heraus, daß bei den Protozoen die Grenzen zwischen Tier- und Pflanzenreich nicht scharf gezogen werden können. Von den durch den Besitz eigenen Chlorophylls ausgezeichneten Proto- zoen sind die zahlreichen Arten zu unterscheiden, welche grün und gelb ge- färbt sind, weil sie grün- und gelbgefärbte einzellige Algen, die Zoochlorellen und Zooxanthellen beherbergen. So finden sich bei fast allen Radiolarien und manchen Thalamophoren die ,, gelben Zellen" (Zooxanthellen) mit solcher Regelmäßigkeit, daß sie lange Zeit für Teile des Radiolars gehalten wurden. In Infusorien des Süßwassers leben Zoochlorellen teils fakultativ, teils als stän- dige Inwohner. Manche Arten haben sogar davon denSpeziesbeinamen ,, viridis" erhalten. Eine Schädigung erfahren die Protozoen durch diese Einwohner nicht. Im Gegenteil, sie profitieren von der von den Pflanzen gebildeten Stärke und dem Sauerstoff. Man unterscheidet daher dieses Zusammensein zu beiderseitigem Vorteil als Symbiose vom Parasitismus. In der Regel benutzen die Protozoen die verdaute Nahrung unmittelbar zum Wachstum ihres Körpers oder um Arbeit zu leisten; seltener kommt es vor, daß sie Reservestoffe bereiten, welche sie mit sich herumtragen. Dieses Sorgen Symbiose mit Algen. Atmung und Ausscheidung i ^ für die Zukunft findet sich, wenn bei der Fortpflanzung zahlreiche kleine Toch- terzellen gebildet werden, welche zu ihrer weiteren Entwicklung viel Nahrung bedürfen. So erzeugen die Gregarinen kleine Körperchen, welche große Ähn- lichkeit mit der sogenannten tierischen Stärke, dem Glycogen, besitzen, derfn Substanz daher den Namen Paraglycogen erhalten hat. Radiolarien stapeln Ölkugeln und Konkretionen in sich auf, welche bei der Vermehrung auf die einzelnen Fortpflanzungskörper verteilt werden. Bei den Stoffwechselvorgängen der Protozoen wird Sauerstoff benötigt, Atmung, um die Oxydationsprozesse zu unterhalten, welche die zur Leistung von Arbeit nötige lebendige Energie erzeugen; die Produkte dieses Stoffwechsels, die Exkrete, müssen aus dem Körper ausgeschieden werden. Der erstere Vor- gang, die Atmung, zeigt bei keinem Protozoon besondere Einrichtungen, da die Kleinheit der Körper, die reiche Oberflächenentwicklung bei Rhizopoden, die durch Cilien und Geißeln vermittelte Strudelbewegung des umgebenden Wassers bei Infusorien die günstigsten Bedingungen für Atmung schafft. Wenn bei den ausschheßhch parasitisch lebenden Sporozoen diese Bedingungen nicht gegeben sind, so hängt das wohl damit zusammen, daß sie wie die meisten Ento- parasiten an aerob sind, d. h. keinen freien Sauerstoff aufnehmen, wohl aber sauerstoffreiche Verbindungen, welche sie zerspalten und aus denen sie die zum Leben nötige Energie gewinnen. Was nun die Ausscheidung der durch den Lebensprozeß unbrauchbar ge- Exkretion, wordenen Stoffe anlangt, so sind dieselben in erster Linie Kohlensäure und vacuoien Wasser, weiterhin geformte Exkrete, die als kristallinische Einschlüsse des Protoplasma auftreten. In dieser Hinsicht sind weit verbreitet Konkretionen von phosphorsaurem Kalk nachgewiesen worden, gelegentlich auch Harn- säure. Wie die festen Exkretkörper nach außen entfernt werden, darüber ist nichts bekannt. Für die Entleerung der in Wasser gelösten Stoffe (Kohlen- säure, vielleicht auch anderer Substanzen) dienen die kontraktilen Vakuolen, Gebilde, welche bei Rhizopoden, Wimper- und Geißelinfusorien eine weite Ver- breitung haben und sich durch zwei leicht zu beobachtende Merkmale von den Nahrungsvakuolen unterscheiden: l. Sie enthalten keine geformten Bestand- teile, sondern nur klare Flüssigkeit, 2. sie ziehen sich in regelmäßigen Zeit- intervallen, deren Größe nach den einzelnen Arten variiert und außerdem von äußeren Umständen, besonders von der Temperatur abhängt, zusammen. Bei den Kontraktionen wird der Inhalt der Vakuolen nach außen entleert, so voll- ständig, daß die Vakuole verschwindet (Fig. 5). Wenn dieselbe nach einiger Zeit aufs neue in die Erscheinung tritt, so geschieht es häufig in der Weise, daß zunächst kleine Bläschen entstehen, die untereinander zusammenfließen. Man kann daraus entnehmen, daß die kontraktilen Vakuolen keine besonderen Wandungen besitzen, sondern Flüssigkeitsansammlungen im Protoplasma sind; sie füllen sich unzweifelhaft aus der Umgebung, was bei den Wimperinfusorien nicht selten zu ganz komphzierten an Drainage erinnernden Einrichtungen führt. Bei Paramaecien ist die Vakuole von einem Kranz radial verlaufender, in sie hinein mündender Kanäle umgeben; bei einem anderen Infusor (Frontonia) j5 Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen sind diese Kanäle reichlich verästelt und durchsetzen den Körper nach allen Richtungen hin; sie erinnern dann in ihrer Anordnung an die Exkretionsorgane (Wassergefäßsystem, Protonephridien) niederer Würmer. Eingebettet in das kontraktile Protoplasma müssen auch die Exkretionskanäle kontraktil sein; sie entleeren ihren Inhalt in die kontraktile Vakuole. Ihre Kontraktion (Sy- stole) und ihr Füllungszustand (Diastole) alternieren mit den entsprechenden Zuständen der kontraktilen Vacuolen, so daß wir folgendes Bild von der Funk- tion des gesamten Apparates bekommen. Die zuführenden Kanäle nehmen aus der Umgebung Wasser auf, welches unbrauchbare Stoffe gelöst enthält, und geben dasselbe an die kontraktile Vakuole ab; während sie sich von neuem füllen, entleert diese die Flüssigkeit nach außen. Die kontraktilen Vakuolen sind nicht überall vorhanden, sie fehlen vor allem den im Meere lebenden Protozoen. Daß ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Anwesenheit der kontraktilen Vakuole und Salzgehalt der Umgebung besteht, zeigt die Beobachtung, daß bei der im Süßwasser lebenden Amoeba verrucosa man die Vakuole allmählich verkleinern und schließlich zum Schwin- den bringen kann, wenn man dem Wasser bis zu i ^% Kochsalz zusetzt. Diese Erfahrungen und Experimente machen es wahrscheinlich, daß die Existenz und die Funktionsweise der kontraktilen Vakuolen eine physikalische Er- klärung erlauben, welche davon ausgehen muß, daß das Meerwasser einen größeren, das Süßwasser einen geringeren Salzgehalt als das Protoplasma hat, daß ersteres somit hypertonisch, letzteres hypotonisch ist. Schalen und ludcm ich dic zahlreichen Bildungsprodukte des Protoplasma übergehe, welche als Einschlüsse des Protozoenkörpers auftreten, aber auf gewisse Arten oder Gruppen beschränkt sind, wie z.B. dieTrichocysten der Paramae den, die Pol- kapseln der Myxosporidien usw., wende ich mich zur Besprechung des Skeletts, welches in manchen Klassen und Ordnungen, wie den Amöhinen und Sporozoen gänzlich fehlt, in anderen, wie den Flagellaten und Cüiaten, gelegentlich vorkommt, in noch anderen dagegen [Radiolarien und Thalamophoren) eine ganz außerordent- liche Bedeutung gewinnt. In beiden Ordnungen der Rhizopoden herrscht eine Mannigfaltigkeit der Skelettbildungen, daß ich auf eine Schilderung verzichten und auf die Figuren 9 und 10 verweisen muß. Ich begnüge mich mit einigen Bemerkungen über das Skelettmaterial. Grundlage des Skeletts ist unter allen Umständen eine organische Masse von unbekannter chemischer Beschaffen- heit; dieselbe hat bei manchen Arten (vielen Monothalamien) an sich schon die nötige Festigkeit; öfters wird sie jedoch durch die Einlagerung von Sand- körnchen, Diatomeenschalen und anderen Fremdkörpern gestützt ; am häufigsten aber ist der Grund der Festigkeit in der Imprägnation mit kohlensaurem Kalk gegeben. Hierin sowie in der ganz enormen Verbreitung der Tiere ist die große Geologische Bcdcutung gegeben, welche die Foraminiferen für den Aufbau der Erde be- Foraminiferen. sitzcu. Bcstcht doch an mauchcu Orten der Meeressand fast ausschließlich aus ihren Schalen. Über die Massenhaftigkeit ihres Auftretens macht man sich erst eine Vorstellung, wenn man bedenkt, daß i Gramm Meeressand, welcher durch Aussieben von allen über i mm großen Stücken befreit worden ist, min- Skelett, Zellkern 17 Mi ■ Fig. g. Kalkskelette von Foraminiferen. destens 50 000 Foraminiferenschalen enthält. Da diese enorme Entwicklung von Individuen und, wie wir hinzu setzen können, auch von Arten in früheren Erdperioden die gleiche war, ist es begreiflich, wie die mächtigen, fast nur aus Foraminiferenschalen bestehenden Ablagerungen der Kreide, des Grünsandsteins und der Nummulitenkalke haben entstehen können. Dieselbe Rolle, wie der Kalk bei den Foraminiferen, spielt die Kiesel- säure bei den Radiolarien, ein noch viel widerstandsfähigeres Material (Fig. 10). Während daher in Meerestiefen von 4000 m abwärts die Schalen der Foraminiferen fehlen, weil sie durch die Kohlensäure des Meeres gelöst werden, sind Radio- larienskelette bis in die größten Meerestiefen anzutreffen. Freilich findet man die Radio- larienskelette nur sel- ten in einer annähernd so großen Menge wie die Schalen der Fora- miniferen. Die Besprechung des Baues der Proto- zoen haben wir mit dem Nucleus oder Zellkern zu beschließen, einem Gebilde, welches sowohl in seiner Form, wie in seinem Bau ungleich mannigfaltiger ist, als der Kern vielzelliger Pflanzen und Tiere. Die bei Pflanzen und Tieren verbreitet- ste Form des Kerns ist die eines ovalen oder kugeligen Bläschens; sie findet sich auch bei Protozoen nicht selten; oft ist dieselbe zu einem wurstförmigen Körper ausgezogen. Ein derartig langgestreckter Kern kann rosenkranzförmig eingeschnürt oder in zwei durch ein Fädchen verbundene Stücke zerlegt sein oder er ist reichlich verästelt und durchsetzt dann nach allen Richtungen das Protoplasma. In seiner stofflichen Zusammensetzung stimmt der Kern mit dem pflanzlichen Zellkern überein. Seine wichtigsten Bestandteile sind i. das .Chromatin oder Nuklein, 2. das Plastin oder die Nukleolarsubstanz, 3. das Linin; dazu kommen als minder wichtige Teile der den Kern durchtränkende Kernsaft und die nicht immer vorhandene Kernmembran. Das Linin bildet das Kerngerüst, auf dessen Maschen Chromatin und Nukleolarsubstanz in der mannigfachsten Weise angeordnet sind. Gewöhnlich sind beide Substanzen K. d. G. in. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. II 2 Kieselskelettc von Radiolarien. Zellkern. Gestalt. i8 Richard von HertwiG: Die einzelligen Organismen innig miteinander verbunden; sie bilden im bläschenförmigen Kern einen zen- tralen Körper, das Karyosom, manchmal außerdem noch eine durch einen Zwischenraum vom Karyosom getrennte Kernrindenschicht. Das Material des Karyosoms kann in mehrere nukleolusartige Körper zerlegt oder in feinsten Körnchen auf dem Retikulum verbreitet sein. Ist das Kernretikulum sehr eng- maschig, das Material des Karyosoms sehr fein auf ihm verteilt, so nehmen die Kerne ein massives Aussehen an, wie es namentlich bei Wimperinfusorien der Fall ist. Ab und zu findet man auch echte Nukleoli, Körper von Nukleolar- substanz, welche sich vom Chromatin gesondert halten. Was ich hier mitteile, sind nur die wichtigsten Zustände des Protozoenkerns, dessen staunenswerte Mannigfaltigkeit noch dadurch erhöht wird, daß die Struktur mit den wechseln- den Funktionszuständen des Tieres abändert. Neben dem Kern findet sich bei vielen Protozoen noch der Chromidialapparat (Fig. 1 1), ein außerhalb des Kerns dem Protoplasma ein- gelagertes Material, welches in seinem mikro- chemischen Verhalten mit dem Chromatin über- einstimmt ; es bildet entwederFäden und Klümp- chen • — Chromidien — oder ein das Protoplasma durchsetzendes Netzwerk ■ — Chromidialnetz. Die Zugehörigkeit des Chromidialapparats zum Kern wird, abgesehen von seinem färberischen Verhalten, auch durch den genetischen Zu- sammenhang, welcher zwischen beiden besteht, bewiesen. Denn es ist durch Beobachtung fest- gestellt, daß sowohl Chromidien durch Auf- lösung von Kernen entstehen, als auch, daß aus dem Chromidialnetz neue Kerne, die Sekundärkerne, gebildet werden können, während die anfangs vor- handenen Primärkerne zugrunde gehen. Moneren. Dic Bcobachtung, daß bei Rhizopoden zu manchen Zeiten keine individuali- sierten Kerne vorkommen, weil dieselben durch den Chromidialapparat ersetzt sind, wirf t neues Licht auf die Frage, ob es kernlose Organismen, sogenannte , , Mone- ren" gibt. Solange die Technik im Nachweis der häufig schwer zu erkennenden Kerne eine sehr unvollkommene war, erfreute sich die von Haeckel stammende Lehre von den Moneren lebhaften Beifalls, zumal weil es leichter verständlich erschien, daß Organismen, welche nur aus einer einzigen Substanz, dem Proto- plasma bestehen, durch Urzeugung entstehen können, als Zellen mit Kern und Protoplasma. Als dann die Zahl der früher für Moneren gehaltenen Orga- nismen zunahm, bei denen der Nachweis von Kernen gelang, entschloß sich die Mehrzahl der Zoologen, die Gruppe der Moneren einzuziehen. Immerhin kennen wir auch jetzt noch Organismen, wie die Bakterien, in denen individualisierte Kerne nicht vorkommen. Hier sind dieselben offenbar dauernd durch ein Chro- midialnetz ersetzt; es würde also auch hier der Zellkörper aus zweierlei Sub- stanzen, aus Kernsubstanz und Protoplasma, bestehen, während der Schwer- Fig. II. Arcella vulgaris. Schale mit Schalen- mündung, zum größten Teil von Protoplasma erfüllt ; in letzterem 2 Kerne und das Chro- midialnetz. Kernlosigkeit, Moneren, Funktion des Kerns ig punkt der Monerenlehre auf den Nachweis einer einheithchen Lebenssubstanz zu legen wäre. Die Lehre, daß zum Leben der Protozoen und wahrscheinlich aller tierischen Bedeutung des und pflanzlichen Zellen das Zusammenwirken vonKernsubstanz und Protoplasma ^™ ' nötig ist, hat im Laufe der letzten Jahrzehnte weitere Stützen durch experi- mentelle Untersuchungen gefunden, welche angestellt wurden, um über die Bedeutung des Nukleus im Zellenleben Klarheit zu gewinnen. Einkernige Proto- zoen {Amöben, größere Infusorien) kann man durchschneiden und dadurch in ein kernhaltiges und ein kernloses Stück zerlegen. Beide Stücke bleiben zunächst am Leben und können sich mit Hilfe ihrer Pseudopodien (Amöben) oder ihrer Wimpern (Infusorien) fortbewegen; im weiteren Verlaufe, wenn auch vielfach erst nach 14 Tagen, sterben die kernlosen Stücke ab, während die kernhaltigen Stücke nicht nur dauernd am Leben bleiben, sondern auch die verloren ge- gangenen Teile regenerieren. Durch den Kernverlust muß somit eine Schädi- gung der Lebensfunktionen eingetreten sein. Es fragt sich welcher.? Wenn ich die in manchen Punkten differierenden Ergebnisse der Experimente überblicke, so komme ich zu dem Resultat, daß bei kernlosen Stücken die Assimilations- fähigkeit aufgehört hat, dementsprechend die Fähigkeit, Nahrung auf- zunehmen, zu verdauen und das Verdaute zum Aufbau neuen Protoplasmas und neuer Plasmaprodukte zu verwenden. In den meisten Fällen wird diese Auffassung durch die direkte Beobachtung bestätigt, indem bei kernlosen Stücken jede Regeneration unterbleibt, die einverleibten Nahrungskörper als unverdauliche Bestandteile ausgestoßen werden, auch wenn sie nicht verdaut sind, dagegen keine Neuaufnahme stattfindet. Wenn von den letzten beiden Sätzen gelegentlich Ausnahmen vorkommen, so liegt die Erklärung nahe, daß in diesen Fällen eine Nachwirkung des entfernten Kerns vorliegt, daß noch ein Vorrat von Enzymen vorhanden war, wie sie zur Nahrungsaufnahme und Verdauung nötig sind und wie sie unter Mitwirkung des Kerns erzeugt werden. Erregbarkeit und Bewegungsfähigkeit scheinen dagegen vom Kernverlust nicht direkt betroffen zu werden, da sie fast die ganze Zeit über fortdauern. Freilich ist die Fortdauer keine kontinuierliche, sondern stoßweise, indem Zeiten der Bewegung mit Zeiten der Ruhe wechseln. Solange eben das Substrat der Be- wegung, das Protoplasma mit seinen Fortbewegungsorganen, noch intakt ist, geht seine Tätigkeit weiter. Merkwürdig ist dabei nur das Eine, daß die Kon- traktihtät nicht nach Art eines abrasselnden Uhrwerks durch ununterbrochene Tätigkeit erschöpft wird. Nicht minder interessant ist es, daß die kontraktile Vakuole in kernlosen Stücken erhalten bleibt und falls sie bei der Durch- schneidung ihm entzogen wurde, sogar neu entsteht. Auch diese Tatsache spricht für die Annahme, daß relativ einfache, vielleicht unmittelbar physikalisch er- klärbare Vorgänge die Entstehung der kontraktilen Vakuolen bedingen. Es würde für das Verständnis der Lebensvorgänge nicht nur der Proto- zoen, sondern aller Organismen von der größten Bedeutung sein, wenn es gelänge, über die Wechselwirkung von Kern und Protoplasma genauere Vorstellungen zu gewinnen. Leider sind unsere Anschauungen hierüber noch zu wenig ge- 2Q Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen klärt, als daß es jetzt schon möglich wäre, eine kurze abschließende Darstellung zu geben. Das Sicherste, was wir über das Wechselverhältnis der beiden wich- tigen Bestandteile wissen, wurde beim Studium der Fortpflanzung gefunden. Ehe wir aber auf diese letzte Grunderscheinung des Lebens eingehen, möchte ich hier einige Worte über einen Vorgang einschalten, der im Lebenshaushalt der Protozoen eine höchst bedeutsame Rolle spielt, den Enzystierungs- prozeß. Enzystierung. Dic EnzysticruHg der Protozoen ist eine Schutzvorrichtung gegen Schädlich- keiten, vor allem gegen die Gefahr des Eintrocknens, welche eintritt, wenn Protozoen aus ihrer normalen flüssigen Umgebung an die Luft geraten. Man findet daher die Erscheinung fast ausschließlich bei parasitischen Protozoen, deren Entwicklungszustände, um von einem Wirt in den anderen zu gelangen, die Luft passieren müssen, und außerdem bei Süßwasserbewohnern, weil die- selben vorwiegend in Pfützen, Tümpeln und Weihern leben, welche gelegent- lich eintrocknen und einfrieren, wodurch den Wasserbewohnern die Lebens- bedingungen entzogen werden. Bei den meeresbewohnenden Protozoen ist die Enzystierung sehr selten; bei den typischen Repräsentanten des Meeres, den Radiolarien und Polythalamien fehlt sie ganz, so daß man Ursache hat, an- zunehmen, daß, wo Enzystierung bei marinen Protozoen auftritt, sie eine von süßwasserbewohnenden Vorfahren ererbte Anpassung ist. Bei der Enzystierung kugeln sich die Protozoen ab, d. h. sie nehmen die Form an, bei welcher die Körpermasse die geringste Oberfläche bietet. Dann werden Hüllen ausgeschieden, nicht selten von komplizierter Struktur, Gal- lerten, feste, undurchgängige Membranen, die ab und zu mit Kieselkörpern im- prägniert sind. Ist die Enzystierung zum Abschluß gebracht, dann können Proto- zoen monate- ja sogar jahrelang an der Luft verharren, ohne ihre ,, Keimfähigkeit" zu verlieren ; d. h. sie bewahren die Fähigkeit aus der Hülle auszukriechen und zu neuem Leben zu erwachen, wenn sie in Wasser oder (bei Parasiten) in Gewebs- Erkiäruug der flüssigkcit geraten. Die Enzystierung erklärt das rätselhafte Erscheinen von n usioneii. Lg^^g-^gggj^ jj^ Infusioncn. Wenn Erde, Heu oder andere Materialien mit Wasser Übergossen werden und in diesen ,,Lifusionen" sich reiches Protozoenleben ent- wickelt, so waren die Keime als Zysten zum Teil in dem übergossenen Material vorhanden gewesen, zum Teil waren sie durch Luft in die Infusion verschleppt worden. Sterilisiert man eine Infusion durch längeres, die Zysten tötendes Kochen, und verhindert den Zutritt neuer Zysten durch Verschluß, so ent- wickelt sich in ihr kein Leben. — Was die Protozoen zur Enzystierung ver- anlaßt, ist nicht genügend bekannt; es scheinen ähnliche Faktoren zu sein, welche die später zu besprechenden Befruchtungs Vorgänge hervorrufen. In der Tat sind Enzystierung und Befruchtung nicht selten zeitlich verknüpft. 4 Fortpflanzung. Auch dic FortpflanzuHg der Protozoen hängt nicht selten mit der Enzystierung zusammen {Gregarinen, Aktinosphaerien) , doch erfolgt sie meist außerhalb der Cyste, während dieTiere sich freier Ortsbewegung erfreuen. — Die einfachste und häufigste Form der Vermehrung ist die Zweiteilung, bei welcher das Tier durch eine meist senkrecht zur Längsachse verlaufende Furche in zwei gleichgroße Enzystierung, Vermehrung" 2 1 Stücke zerlegt wird. Seltener sind die verschiedenen Formen der Knospung, welche das Gemeinsame haben, daß ein kleineres Stück, die ,, Knospe", sich von einem größeren, dem ,, Muttertier", ablöst. Am deutlichsten ist der Charakter der Knospung, wenn die Knospe als ein seitlicher Auswuchs am Muttertier entsteht oder wenn von einem gemeinsamen Muttertier sich zahlreiche Knos- pen ablösen (laterale und multiple Knospung), welche häufig unvollkommen entwickelt sind und erst allmählich die Charaktere des Muttertiers annehmen. Ein bei Protozoen weit verbreiteter Vermehrungsprozeß ist schheßhch die Sporenbildung, bei welcher das stark herangewachsene Tier in kurzer Zeit in viele, oft Hunderte und Tausende von Fortpflanzungskörpern, Sporen, zer- legt wird. Teilung und Knospung führen bei Protozoen nicht selten zu K o 1 o n i e - Koioniebiidu bildung, indem die durch fortgesetzte Vermehrung entstandenen Tiere sich nicht vollkommen voneinander trennen, sondern in organischem Zusammen- hang bleiben. So ist die in Fig. 6 abgebildete Carchesium-Kolonie dadurch entstanden, daß ein auf einem kontraktilen Stiel festsitzendes Muttertier sich teilte, die beiden Tochtertiere zusammenblieben und ein jedes von ihnen die Verlängerung des Stieles für sich fortführte. Die dadurch eingeleitete dicho- tomische Verästelung des Stieles muß sich bei jeder neuen Teilung wieder- holen. So können Stöckchen von vielen Hunderten von Einzeltieren gebildet werden. Noch häufiger (Radiolarien, Flagellaten) kommt Koloniebildung da- durch zustande, daß die Abkömmhnge eines Muttertieres durch Gallerte vereint bleiben. Was uns bei den mannigfachen Fortpflanzungsarten der Protozoen am meisten interessiert, ist das Verhalten des Kerns. Bei Zweiteilung oder Knospung des Tieres vermehrt derselbe sich ebenfalls durch Zweiteilung. Die Teilung erfolgt jedoch nicht, wie die Kernteilung bei vielzelligen Pflanzen und Tieren, nach einem ziemlich gleichförmigen Schema, sondern liefert eine überraschende Mannigfaltigkeit von Bildern, welche zum Teil durch die Ver- schiedenartigkeit im Bau des ruhenden Kerns, zum Teil durch Artverschieden- heiten bedingt ist und dem Studium der Kernteilung ein besonderes Interesse verleiht. Wir finden alle Übergänge von einfacher Kerndurchschnürung (direkte Kernteilung) bis zu ganz komplizierten Formen von ,,Karyokinese" (indirekte Kernteilung). Direkte Kernteilung (sehr wohl zu unterscheiden von der später zu be- Direkte Ker sprechenden Kernzerstückelung) findet sich namentlich bei chromatinreichen '«""»"s- Kernen. Wie es Fig. I2 von einem Infusor darstellt, beginnt die Teilung mit der Konzentration des ovalen oder wurstförmig gestreckten, zweiteiligen oder rosenkranzförmigen Körpers zu einer gedrungenen, oft kugelförmigen Masse. Dann erfolgt eine Streckung in der Längsachse des Tieres, weiterhin eine allmähliche Durchschnürung, bis schheßlich der durch einen dünnen Verbindungsfaden vermittelte Zusammenhang der sich bildenden Tochterkerne durchreißt. Da sich keinerlei Einwirkungen des umgebenden Protoplasmas erkennen lassen, ist die Kernteilung ein automatischer Vorgang. Wir haben Ursache, anzu- 22 Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen Ursache der Teilung Fig. 12. Drei Stadien der Teilung von Paramaecium aurelia. Dazwischen Teilungsstadien der Nebenkerne stärker vergrößert. n Hauptkern, ^ Nebenkerne, m MundöfFnung. nehmen, daß das Liningerüst des Kerns Sitz der zur Teilung führenden Be- wegungsvorgänge ist, was durch die reichHch angehäufte Masse von passiv an der Teilung beteiligtem Chromatin verdeckt wird. Immerhin kommt es schon bei manchen Infusorien vor, daß der Kern eine faserige Struktur annimmt, welche in dem Liningerüst ihre Ursache hat und ab und zu sogar zu kompli- zierteren Strukturen Anlaß gibt. Die kompakte Beschaffenheit des Kerns und die Art seiner Tei- lung gestatten bei Paramaecien und vielen anderen Infusorien den zeitlichen Verlauf des Kernwachs- tums von einer Teilung zur an- deren und seine Beziehung zum Körperwachstum genauer als es sonst möglich ist, zu bestimmen und so tieferen Einblick in den ur- sächlichenZusammenhang des Tei- lungsvorgangs zu gewinnen. Es hat sich dabei herausgestellt, daß In- fusorien, welche soeben aus einer Teilung hervorgegangen sind, bei guter Ernährung heranwachsen, bis sie nach einiger Zeit das Doppelte ihrer Größe erreicht haben. Dann tritt eine neue Teilung ein. Man könnte daraus schließen, daß für jede Infusorienart und so auch für alle übrigen Protozoenarten eine bestimmte von Art zu Art wechselnde Tei- lungsgröße gegeben sei. Von dieser Auffassung ausgehend, hat man lange Zeit die Teilung als ein ,, Wachstum über das individuelle Maß" definiert. Das Irrige dieser Auffassung geht schon daraus hervor, daß die Teilungsgrößen bei Indi- viduen einer und derselben Art sehr verschieden sein können. Es gibt klein- wüchsige und großwüchsige Rassen. Innerhalb einer und derselben Rasse, z. B. bei Abkömmlingen eines und desselben Muttertieres (innerhalb einer so- genannten ,, reinen Linie") kann die Teilungsgröße weiterhin von den verschie- densten Faktoren bestimmt werden. Am klarsten liegen die Verhältnisse bei der Anwendung verschiedener Temperaturen. In höheren Temperaturen ge- züchtete Infusorien sind sehr viel kleiner, vermehren sich dafür rascher als In- fusorien, welche bei niederen Temperaturen gezüchtet werden. So sind z. B. Paramaecien bei einer Temperatur von 10 C. i YgHia-l so groß wie bei einer Tem- peratur von 25", Dilepten bei 12*^ C. sogar 6 mal so groß als bei 32*^. In ana- loger Weise hat es sich herausgestellt, daß dieselben Foraminiferenarten im kalten Wasser des Nordens eine viel bedeutendere Größe erreichen als im warmen Wasser dem Äquator benachbarter Meere. Ein weiteres Mittel, die Teilungsgröße der Infusorien zu verändern, ist darin gegeben, daß man durch störende Einflüsse, z. B. vorübergehende starke Abkühlung, eine schon ein- geleitete Teilung rückgängig macht. Dann muß das Infusor, ähnlich wie es schon früher für Spirogyrazellen nachgewiesen wurde, bis auf das Doppelte Ursache und verschiedene Arten der Teilung 23 seiner gewöhnlichen Teilungsgröße heranwachsen, um sich von neuem teilen zu können. Alle diese Verhältnisse werden unserem Verständnis nähergerückt, wenn wir die Wachstumsverhältnisse von Kern und Protoplasma von einer Teilung zur anderen miteinander vergleichen. Die Massenzunahme des Protoplasmas ist eine gleichmäßige. Der Kern dagegen nimmt nach Ablauf der Teilung zu- nächst an Masse ab, wächst dann lange Zeit über in ganz geringfügiger Weise, bis kurz vorder Teilung ein rapides Anwachsen des Kerns, das Teilungswachs- tum desselben einsetzt. Bezeichnen wir das Massenverhältnis von Kern und Protoplasma als Kernplasmarelation, so verschiebt sich dieselbe von dem durch eine vollzogene Teilung herbeigeführten Gleichgewichtszustand, der ,, Kernplasma-Norm", von einer Teilung zur anderen zu Ungunsten des Kerns, bis ein Maximum derselben, die ,, Kernplasmaspannung", erreicht ist. Offenbar sind die dann einsetzenden Stoffwechselvorgänge, welche das Wachs- tum des Kerns bis auf die durch die Kernplasma-Norm bedingte Größe veran- lassen, Ursache, daß es zur Teilung kommt. Wird um diese Zeit durch künst- liche Beeinflussung die Teilung unterdrückt und die Kernplasma-Norm ohne Teilung hergestellt, so muß durch ein abermaliges Anwachsen des Protoplasma eine erneute Kernplasmaspannung erzielt werden, ehe eine neue Teilung mög- lich ist. In analoger Weise hängt auch die Größenzunahme der Infusorien bei Kälte damit zusammen, daß proportional der Temperaturabnahme die Kernplasmarelation wächst. Bei den Infusorien gibt es nun einen Dimorphismus der Kerne, welcher uns indirekte Kem 1 1 n 1 1 teilung. später noch beschäftigen wird; er kommt darin zum Ausdruck, daß neben dem besprochenen chromatinreichen Kern, dem Hauptkern oder Makronukleus, ein oder mehrere meist chromatinarme Kerne, die Nebenkerne oder Mikronuklei, liegen (Fig. 4). Diese teilen sich in einer ganz anderen, an die Karyokinese der Tiere und Pflanzen erinnernden Weise (Fig. 1 2) . Der Kern nimmt die Gestalt einer Spindel an ; sein Liningerüst liefert feine, von einem Pol zum anderen verlaufende Fasern, die Spindelfasern; das spärhche Chromatin sammelt sich auf den Spindelfasern zu chromosomenähnlichen Körnchenreihen an und liefert so die Aquatorialplatte. Indem die Spindelfasern sich strecken, die Chromosomen der Aquatorialplatte sich teilen und die Tochterchromosomen der Seitenplatten liefern, indem der Spindelkörper sich schließlich in einer sehr komplizierten Weise, auf die ich hier nicht näher eingehen kann, durchschnürt, entstehen zwei Tochterkerne. Eine weitere Annäherung an die Karyokinese der vielzelligen Tiere liefert uns die Kernteilung eines Rhizopoden, des Actinosphaerium Eichhorni (Fig. 13); dies geschieht dadurch, daß die beiden Enden der tonnenförmig gestalteten Kernspindel Einfluß auf die Anordnung des umgebenden Protoplasma ge- winnen und Anhäufungen homogenen Protoplasmas, die Polkegel, veranlassen. Im übrigen verläuft die Teilung wie bei den Nebenkernspindeln der Infusorien. Im Äquator der Spindel bilden sich die Chromosomen; dieselben teilen sich in die Tochterchromosomen, welche nach den Spindelpolen auseinanderweichen und zu den zwei Tochterkernen verschmelzen. 24 Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen Ein letztes Beispiel, welches wir betrachten wollen, besitzt schon die Grundzüge der Karyokinese der höheren Tiere, indem aus dem Kern heraus sich ein besonderes Teilungsorgan der Zelle das,, Centrosoma" entwickelt, welches die Teilung von Kern und Protoplasma beherrscht und ein harmonisches Inein- Fig. 13. Kernteilung von Actinosphaerium Eichhomi. A Kern, an dessen Enden sich Polkegel von Protoplasma entwickelt haben. B Kern nimmt eine tonnenförmige Gestalt und faserige (Spindel-) Struktur an. Chromatin in den Chromosomen der Aquatoriälplatte angehäuft. C Chromosomen der Aquatorialplatte haben sich in die Chromosomen der Seitenplatten geteilt; Kern streckt sich zur Teilung. D und /? vorgerücktere Stadien der Teilung. andergreifen beider Prozesse bedingt. Die Abbildung (Fig. 14) bezieht sich auf einen Rhizopoden, ^caw/Äöcy^^w aculeata. Im Zentrum des ruhenden Tieres lagert das Zentralkorn, auf welches die Achsenfäden der Pseudopodien zu einer sternförmigen Figur orientiert sind. Das Zentralkorn (Centrosoma) teilt sich und liefert zwei Ausstrahlungszentren, zwischen welche der Kern mit den auch hier sich entwickelnden Polkegeln eingeschaltet wird. Aus dem Material der Plasma- kegel und der Kernspindel entsteht eine einheitliche Spindel. Der weitere Verlauf und das Verhalten der Chromosomen sind die gleichen wie bei Actinosphaerium. Wie die Abbildungen 12 und 14 zeigen, gehen Kernteilung und Teilung des gesamten Tieres bei den dargestellen Formen Hand in Hand. Bei Actino- sphaerium ist das nicht der Fall; hier wächst das anfangs einkernige Tier unter ständiger Vermehrung seiner Kerne zu bedeutender Größe heran, so daß schließlich Tiere mit Hunderten von Kernen entstehen. Durch diese Vermehrung der Kerne wird weder eine höhere Leistungsfähigkeit erzielt, noch die Ein- heitlichkeit des Individuums irgendwie verändert. Wir haben daher alle Ursache, im vorliegenden Fall wie in den bei anderen Protozoen häufig vorkommenden Fällen von Vielkernigkeit (Fig. 8) von einem einzelligen Tiere mit vielen Kernen zu reden. Wenn bei einem stark wachsenden Tier in gleichem Maße eine Ver- mehrung der Kerne und damit auch der Kernsubstanz eintritt, so ist das nur ein Zeichen, daß von der Natur ein bestimmtes Massenverhältnis von Kern und Protoplasma eingehalten wird, eine bestimmte ,, Kernplasmarelation". Für diese Auffassung liefern weitere Beweise die zahlreichen Fälle, in denen trotz enormen Wachstums des Gesamttieres die Einkernigkeit gewahrt bleibt. Dann wächst auch der Kern zu riesigen Dimensionen heran, so daß das sonst mikro- skopisch kleine Gebilde mit bloßem Auge gesehen werden kann, wie es bei vielen Radiolarien beobachtet wird. Verschiedene Formen der Kernvermehrung 25 Aus einem großen Einzelkern entwickelt sich bei Protozoen nach einiger Zeit behufs Fortpflanzung stets wieder eine Vielheit von kleinen Kernen. Diese ,, Sekundärkerne" entstehen aus der Substanz und auf Kosten des „Primär- kerns", so daß derselbe allmählich verbraucht wird und zugrunde geht. Damit Fig. 14. Teilung von Acanthocystis aculeata (nach Schaudinn) ; karyokinetische Teilung des Kerns. A Tier mit aus- gestreckten Pseudopodien, Achsenfäden derselben strahlen vom Centrosoma aus. B Teilung des Centrosoma; im Kern entwickeln sich die Chromosomen. C Kern tritt zwischen die auseinander rückenden Centrosomen und nimmt Spindel- struktur an. D, E, P verschiedene Stadien der Karyokinese und beginnende Teilung des Tierkörpers. wird die oben schon erwähnte Sporen- oder Vielzellbildung eingeleitet. Denn nach der Zahl der Sekundärkerne teilt sich das Radiolar in viele einkernige Stücke, die Sporen, welche sich voneinander trennen und zu selbständigen jungen Individuen heranwachsen. Der Übergang eines einkernigen großen Tieres in eine große Summe kleiner Sporen kann noch in einer anderen Weise bewirkt werden. Bei Gregarinen wird ähnlich wie bei reifenden Eiern vielzelliger Tiere die Hauptmasse des Primär- kerns aufgelöst; nur ein kleiner Rest bleibt erhalten und teilt sich in rascher Aufeinanderfolge in eine Generation von Tochterkernen, welche der Ausgangs- punkt für die Sporenbildung werden. Der Kern der Gregarine besteht somit 26 Richard von HertvviG: Die einzelligen Organismen aus zweierlei Material, welches man als generatives Chromatin oder Idio- chromatin und ernährendes oder Trophochromatin unterschieden hat. Das Trophochromatin war nur so lange nötig, als die Gregarine heranwuchs, und geht daher bei der Fortpflanzung zugrunde; das Idiochromatin dagegen bleibt erhalten, weil es die Fortpflanzung besorgt. Dualismus der Dicse Lchrc vom ,, Dualismus der Kernsubstanzen" hat unter Kernsubstanzen. Protozoenforschern viele Anhänger und wurde nicht nur auf alle Protozoen, sondern schließlich sogar auf das ganze Tier- und Pflanzenreich ausgedehnt. Sie wurde dadurch ermöglicht, daß es zuvor schon der Forschung geglückt war, einen Dualismus der Kerne bei großen Gruppen der Protozoen nach- zuweisen. Wir kennen ihn von zwei Klassen, den Flagellaten und den Wimper- infusorien. Dualismus der Bei dcu binuklcatcn Flagellaten findet sich neben dem Hauptkern ein a) Biep\™ropiast ^^^i^^'"^^ K.ern, der Blepharoplast, an der Basis der Geißeln (Fig. 3). Beiden der FiageUaten. Teilungen dcr Ticrc teilt er sich selbständig; zu gewissen Zeiten scheint er durch Teilung des Hauptkerns neu zu entstehen. Seine Funktion ist nicht ganz klar; sie steht in offenbarem Zusammenhang mit der Funktion der Geißel, b) Generativer Viel wichtigcr für dic uns beschäftigende Frage ist der Dualismus der "° Kern der '''^ Kcmc bcl dcu Wi m p c r i n f u s o r i 6 n , von dem schon früher gelegentlich die Wimper- Rede war. Mit wenigen Ausnahmen besitzen die Wimperinfusorien einen ein- jnfusorien. '-' '■ heitlichen großen Kern, den Hauptkern oder Makronukleus, neben demselben einen kleinen Kern, den Nebenkern oder Mikronukleus (Fig. 4 u. 7), der in einer Nische des Hauptkerns oder neben ihm oder auch abseits von ihm lagern kann. Bei manchen Arten (Fig. 12) können zwei, vier oder viele Nebenkerne neben dem einheitlichen Hauptkern vorkommen. Daß der Nebenkern ein Kern be- sonderer Art ist, geht aus seiner abweichenden Struktur hervor, sowie daraus, daß er sich unabhängig vom Hauptkern und nach einem ganz anderen Modus teilt (Fig. 12). Daß er auch im Haushalt der Infusorien eine andere Rolle spielt als der Hauptkern, zeigt unzweideutig sein Verhalten bei der ,, Konjugation". Das Studium dieser Vorgänge ist Ursache geworden, daß man den Nebenkern als generativen oder Geschlechtskern, den Hauptkern als trophischen oder somatischen Kern bezeichnet. Es handelt sich hier um eine Differenzierung zweier Kerne, wie sie oben für die Kernsubstanzen angenommen wurde und wie sie schon seit längerer Zeit nach dem Vorgang von Weismann für die Zellen eines jeden vielzelhgen Organismus behauptet worden ist. Bei den vielzelligen Organismen kann es ja keinem Zweifel unterliegen, daß zwischen den Geschlechts- zellen einerseits und allen übrigen Zellen, den Körperzellen andererseits, ein funktioneller Gegensatz gegeben ist, insofern die somatischen Zellen der Er- haltung des Individuums, die Geschlechtszellen der Erhaltung der Art dienen. Befruchtuugs- Wir Werden so durch den Gang unserer Betrachtungen auf die Bef ruchtungs- ''pfj'tozoen.^'^ Vorgänge der Protozoen, auf ihre Geschlechtstätigkeit geführt, eines der inter- essantesten Kapitel der Protozoenkunde. Es ist noch nicht allzu lange her, daß man unter den Charakteren der Protozoen den Mangel der geschlechtlichen Fortpflanzung aufführte. Erst all- Dualismus der Kerne, Befruchtung" 2 7 mählich wurde man mit den periodisch auftretendenVereinigungen dieser Tiere bekannt, welche man Konjugationen und Kopulationen nennt, und mußte sich überzeugen, daß das Wesentliche bei denselben die mit ihnen ver- knüpften Befruchtungsvorgänge sind. In den letzten Dezennien haben sich dann die Beobachtungen über Befruchtungsvorgänge bei den Protozoen in so rascher Aufeinanderfolge gemehrt, daß es keine größere Abteilung der Proto- zoen gibt, aus der nicht die Erscheinung bekannt geworden wäre. Wir haben daher allen Grund, den Satz zu verfechten, daß Befruchtungsvorgänge zeitweilig in den Entwicklungsgang eines jeden Urtieres eingeschaltet sind. Daraus folgt dann weiter, daß die Befruchtung zu den fundamentalen Vor- gängen jeglichen organischen Lebens gehört. Was nun dem Studium des Befruchtungsprozesses bei Protozoen seine be- sondere Bedeutung verleiht, ist die hier herrschende ungeheure Mannigfaltig- keit, eine Mannigfaltigkeit, welche nicht nur im verschiedenen Verlauf der betreffenden Vorgänge zum Ausdruck kommt, sondern auch im Einfluß, den die Vorgänge auf den Lebenszyklus der Protozoen ausüben. Wir beginnen unsere Besprechung mit den Vereinigungen, welche man aj Piasmogamie. ,,Plasmogamien" nennt. Dieselben finden sich vornehmhch bei Rhizopoden. Zwei oder mehr Individuen vereinigen sich untereinander durch Plasmabrücken, bleiben eine Zeitlang vereinigt und gehen dann wieder auseinander, ohne daß erkennbare Veränderungen eingetreten wären. Bei skelettlosen vielkernigen Formen, wie den Sonnentierchen und den Mycetozoen, kann die Vereinigung eine innigere werden und zur Bildung von Riesenindividuen führen, welche unter Umständen wieder in viele kleinere Individuen auseinandergehen. Diese Vor- gänge haben sicherlich ihre gute physiologische Bedeutung, wenn auch der Zweck derselben sich unserer Beurteilung noch entzieht. Man kann nur ver- muten, daß die durch Piasmogamie bedingte Vermischung verschieden be- schaffenen Protoplasmas irgendwelche günstigeren Bedingungen für die Assimila- tion liefert. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Plasmogamien Vorläufer der echten b) Karyogamie Befruchtungsvorgänge, der Karyogamien, sind. Für letztere ist zweierlei charakteristisch: l.daß die Kerne der sich vereinigenden Tiere zu einem ,,Syn - karyon" verschmelzen, 2. daß diesem eigentlichen Befruchtungsakt Verände- rungen der Kerne vorausgehen, welche man als Reifungsvorgänge bezeichnen muß, weil sie in vielen Fällen, vielleicht sogar stets, in allen wesenthchen Punkten mit den Reifungsvorgängen vielzelliger Tiere übereinstimmen. Die Reif ungs vorgänge, über welche freilich bei vielen Protozoen noch Reifung der Ge- sclilGctitslccriis. nichts bekannt ist, bestehen darin, daß die zur Befruchtung bestimmten Kerne, die wir nunmehr die Geschlechtskerne nennen wollen, zuvor zwei Teilungen durchmachen, so daß vier Kerne gebildet werden. Von denselben gehen in der Regel drei zugrunde und nur der vierte wird bei der Befruchtung verwandt. Die drei zugrunde gehenden Kerne sind den Richtungskörpern des tierischen Eies ver- gleichbar (vgl. das Kapitel über Eireife). Wie bei der Eireife kann die Zahl der Richtungskörper auch nur zwei betragen, indem eine Teilung unterbleibt. 28 Richard von HertwiG: Die einzelligen Organismen Der Zweck der Einrichtung ist eine Halbierung der gesamten Chromatinmenge und zugleich eine Halbierung der Zahl der Chromosomen. Diese „Reduktion" ist bei allen Tieren und Pflanzen nötig, damit die Verdoppelung der Chromo- somenzahl, wie sie durch die Bildung des Synkaryon herbeigeführt wird, bei der Befruchtung nicht zu einer Verdoppelung der für die jedesmalige Art charakteristischen Chromosomenzahl führt. In den Fällen, in denen man keine Richtungskörper hat nachweisen kön- nen, scheinen die Reifeteilungen der Geschlechtskerne gleichwohl vorhanden zu sein; sie haben hier wahrscheinlich den Charakter der Reifeteilungen, wie sie bei der Entwicklung der Spermatozoen vorkommen, bei denen alle vier aus der Teilung resultierenden Kerne als Geschlechtskerne funktionieren, isogamie. Protozocnindividuen, welche anstatt sich weiterhin durch Teilung zu ver- mehren, sich paarweise untereinander vereinigen, nennt man Gameten; die- selben können untereinander gleich sein bis auf die geringen Unterschiede, wie sie wohl überall zwischen verschiedenen Individuen derselben Art vorkommen. Dann spricht man von Isogameten (Fig. 15 u. 17). Der Befruchtungsvorgang selbst besitzt den Charakter der ,,Isogamie"; diese ist somit eine Befruchtung, bei welcher ein Merkmal, welches uns sonst mit der Befruchtung untrennbar verbunden erscheint, die sexuelle Differenzierung, die Unterscheidung von ,, männlich" und ,, weiblich", noch fehlt. Autogamie von Der cinc der beiden uns zur Illustration dienenden Fälle stellt den Befruch- tungsprozeß eines vielkernigen Rhizopoden, des Sonnentierchens Actinosphae- rium Eichhorni dar. Dasselbe enzystiert sich, wenn es zur Be- fruchtung schreitet, und bildet ca. 90 % seiner Kerne zurück; dann teilt es sich in ebensoviel Stücke als die Zahl der übrig- gebliebenen Kerne, der Ge- schlechtskerne, beträgt. Diese einkernigen Stücke umgeben sich abermals mit einer Hülle; es sind die Primärzysten, deren weitere Entwicklung in Fig. 15 dargestellt ist. JedePrimärzyste teilt sich in zwei Stücke, die Gameten; jeder Gamet bildet erst den einen(^i), dann den zwei- ten Richtungskörper (^), welche aus dem Gameten heraustreten, aber noch eine Zeitlang durch Färbung als intensiv gefärbte Körper nachgewiesen werden können. Nach Ablauf der Reife verschmelzen die Gameten untereinander ( 6") und umgeben sich, wenn die Verschmelzung durch Actino- sphaerium. Fig. 15. Isogame Befruchtung von Actiuosphaerium Eichiomi. A Primärzyste in zwei Sekundärzysten geteilt, die linke Sekundär- zyste beginnt die Reifeteilung, die rechte hat den ersten Richtungs- köiper gebildet, ihr Kera beginnt die zweite Reifeteilung. B Ver- schiedene Stadien der Bildung des zweiten Richtungskörpers. C Ver- schmelzung der herangereiften Sekundärzysten, Kerne in Ver- schmelzung begri6Fen, Richtungskörper noch erhalten. D Kerne zum Synkaryon verschmolzen, Richtungskörper rückgebildet, neue Zvstenmembran gebildet. Isogamie, Autogamie und Anisogamie 29 Bildung des Synkaryon zum Abschluß gelangt ist, mit einer festen Hülle [D). Wir haben es hier mit einem extremen Fall von „Inzucht" zu tun, insofern bei der Befruchtung Schwesterzellen sich untereinander vereinigen. Ähnliche Fälle hat man mehrfach beobachtet und für sie den Namen ,, Autogamie" eingeführt. Im Gegensatz zur Isogamie kommt es bei vielen Gruppen der Protozoen zur sexuellen Differenzierung, welche entweder nur schwach angedeutet oder ebenso hochgradig ausgeprägt ist, wie zwischen Eiern und Spermatozoen vielzelliger Tiere. Um ein Beispiel von typischer ,, Anisogamie" genauer zu schildern, wähle ich den Entwicklungsgang des Malariaparasiten. Das Plasmodium m,alariae (Fig. 16) dringt in die roten Blutkörperchen des Anisogamie des IVT A. 1 3.n 3.— Menschen ein, von denen es sich ernährt [A] ; es wächst heran und teilt sich {B) ; parasiten. Fig. 16. Entwicklung des Malariaparasiten. A Frisch infiziertes Blutkörperchen. B, C Vermehrung des Parasiten im Blutkörperchen. D Bildung eines „Halbmonds". E, F Umbildung eines Mikrogametozyten in Mikrogameten. G Befruchtung (Verschmelzung eines Mikrogameten mit einem Makrogameten). H Ookinet. / Darm einer infi- zierten Mücke. Vorderdarm mit Speicheldrüsen, Mitteldarm und Enddarm, ersterer mit zahlreichen verschieden großen herangewachsenen Gokineten, letzterer mit Malpighischen Gefäßen. K — M verschiedene Stadien der Ent- wicklung des Gokineten zu Sporozoiten. N Einige SpeicheldrüsenzeUen der Mücke mit Sporozoiten infiziert. Fig. / ist bei Lupenvergrößerung, alle übrigen Figuren bei sehr starker Vergrößerung gezeichnet. durch den Zerfall des Blutkörperchens, welcher den für dasWechselfieber charak- teristischen Fieberanfall verursacht, werden die Teilstücke frei und infizieren neue Blutkörperchen, in denen sich der geschilderte Vermehrungsprozeß wieder- holt. Nachdem viele Generationen des Plasmodium aufeinander gefolgt sind, nimmt der Entwicklungszyklus einen anderen Charakter an. Die in ein Blut- körperchen eingedrungenen Parasiten wachsen heran, ohne sich zu teilen {D)\ sie werden zu den sogenannten Halbmonden, unter denen man zwei Formen, Makrogametozyten und Mikrogametozyten, unterscheidet. Beide wer- den durch Zerfall der Blutkörperchen frei; zunächst durch geringfügige Merk- male unterschieden, offenbaren sie ihre sexuelle Verschiedenartigkeit, wenn sie durch den Stich und den Saugakt einer Stechmücke (verschiedener Arten der Gattung Anopheles, besonders A. claviger) in den Darm dieses Tieres auf- genommen werden. Hier reift der Makrogametozyt zum Makrogameten heran, der Mikrogametozyt [E, F) liefert durch Teilung mehrere (wahrscheinlich acht) Mikrogameten, kleine fadenförmige bewegliche Gebilde, welche den Makro- ;o Richard von Hertvvig: Die einzelligen Organismen gameten aufsuchen und mit ihm verschmelzen (Befruchtung) (G). Der befruch- tete Makrogametozyt(Ookinet (/fjgenannt) wandert in die Darmwand der Mücke, wächst hier enorm heran (7) und hefert durch einen sehr verwickelten Zell- vermehrungsprozeß viele Hunderte von sichelförmigen Keimen {K, L, M), Sporozoiten, welche sich freimachen und in die Speicheldrüse der Mücke {N) eindringen. Von hier gelangen sie durch den Stich der Mücke in das Blut des Menschen und bedingen so die Malariainfektion. Kopulation und In dcn bcidcu genauer besprochenen Fällen sahen wir eine vollkommene onjugation. y^j-g^^j^j^gj^ung dcr Gamctcn, eine Kopulation, eintreten. Dieselbe ist die bei den Protozoen am meisten ver- breitete Form der Befruchtung; von ihr unterscheidet sich die Konju- gation, welche auf die Klasse der Infusorien beschränkt ist, dadurch, daß die Gameten sich nur vorüber- gehend vereinigen, dann aber aus- einandergehen. Dies ist dadurch ermöglicht, daß es zu einer ge- kreuzten Befruchtung kommt. Aus dem genaueren Studium der Vor- gänge ergibt sich die oben schon be- sprochene Deutung, daß der Haupt- kern der Infusorien ein trophischer, der Nebenkern ein Geschlechtskern ist. Es stellt sich nämlich heraus, daß der Hauptkern im Verlaufe der Konjugation zerstückelt wird und schließlich zugrunde geht, ein Vor- gang, auf den ich hier nicht näher ein- gehe. Dieser Degenerationsprozeß desHauptkerns(Fig. l7/e) kann schon beginnen zur Zeit, in der die beiden Infusorien ,, konjugieren", d. h. ver- eint herumschwimmen; zum Ab- schluß gelangt er erst spät, nachdem lange zuvor die Tiere sich wieder ge- trennt haben. In die Zeit der Konju- gation fallen die bemerkenswerten Umgestaltungen des Nebenkerns, welche mit der Befruchtung enden. Zunächst erfährt der Nebenkern die zwei Reifeteilungen [Ä). Von den vier Teilpro- dukten gehen drei zugrunde, eines bleibt erhalten und zwar der Kern, welcher an einer Stelle liegt, an welcher die Verbindung der beiden ,,Konjuganten" am innigsten ist, indem hier die Körper beider durch eine Brücke verbun- den sind [B). Der durch seine Lage begünstigte, gereifte Nebenkern teilt Fig. 17. Konjugation von Paramaecium. k der Hauptkern in A und B noch unverändert, in C und D in beginnendem Zer- fall. A Zweite Keifeteilung des Nebenkerns, i — 4 die vier Teil- produkte des einen, 5 — 8 die vier Teilprodukte des anderen Gameten. B Die Teilprodukte 2 — 4 und 6 — 8 gehen zugrunde, I und 5 teilen sich in den Wanderkern («/ männlicher Kern) und in den stationären Kern (rc weiblicher Kern). C Die aus- getauschten Wanderkerne verschmelzen mit den stationären Kernen, m' mit to^ ?«= mit ot' (Befruchtung). D Das Syn- karyon (/) teilt sich in /' und /", die Anlagen des neuen Haupt- und Nebenkerns. Wechselseitige Befruchtung der Infusorien ^ I sich in jedem Tier noch einmal in ein der Plasmabrücke benachbartes Stück, den Wanderkern (m), und ein in die Tiefe rückendes Stück, den stationären Kern (w). Nunmehr werden die beiden Wanderkerne zwischen den beiden Konjuganten ausgetauscht, indem sie auf der Protoplasmabrücke, der eine von Tier a nach Tier b, der andere von b nach a wandert; darauf vereinigen sie sich mit den stationären Kernen zum Synkaryon (C). Dieses wird somit von Kernen gebildet, welche von zwei verschiedenen Tieren stammen. Nachdem der Zweck der Konjugation, eine gekreuzte Befruchtung der Nebenkerne, erzielt ist, gehen die Konjuganten wieder auseinander. Während die Nebenkerne bei gewöhnlichen Teilungen immer nur wieder Nebenkerne liefern, hat das Syn- karyon, der befruchtete Nebenkern, durch die Reifung und Befruchtung neue Eigenschaften gewonnen. Es {D,^) teilt sich in Kerne von ungleichem Wert; die einen Kerne werden wieder Nebenkerne, die anderen liefern den Ersatz für den infolge der Konjugation zugrunde gehenden Hauptkern. Wir haben hier einen interessanten Parallelismus zu den Verhältnissen vielzelliger Tiere, deren Ge- schlechtszellen ebenfalls lange Zeit über sich durch Teilung vermehren, aber immer nur wieder Geschlechtszellen liefern. Gereift und befruchtet liefern sie durch fortgesetzte Teilung ein neues Individuum, das sich aus somatischen Zellen und Geschlechtszellen aufbaut. Man könnte nun die Frage aufwerfen, ob man nicht den Wanderkern den männlichen, den stationären Kern den weiblichen Kern nennen sollte, da der erstere sich wie der Samenkern, der letztere wie der Eikern bei Tieren und Pflanzen verhält. Die Beobachtungen über die Beschaffenheit der Kerne geben uns kein Recht, eine derartige prinzipielle Unterscheidung der Kerne durch- zuführen; sie lassen erkennen, daß die beiden Kerne vollkommen gleich gebaut sind. Hierfür spricht auch der Verlauf der seltenen Fälle von anisogamer Konjugation, wie sie bei V orticeüinen vorkommen (Fig. 6). Bei der kolonie- bildenden Vorticelline Carchesium polypinum teilen sich einige Individuen rasch hintereinander und liefern Mikrogameten; diese suchen ungeteilt gebliebene Tiere, Makrogameten, auf und vereinigen sich mit ihnen. Die Kern Ver- änderungen sind die gleichen wie bei der Konjugation der Paramaecien. Die ge- ringe Körpermasse des Mikrogameten wird aber Ursache, daß er schließlich zum größten Teil — mit Ausnahme eines zugrunde gehenden Restes — vom Makro- gameten aufgesaugt wird, womit die Konjugation den Charakter der Kopu- lation gewinnt. Anstatt zweier Kernverschmelzungen ist daher nur eine nötig; dabei verschmelzen die Wanderkerne von Makro- und Mikrogameten, ein Zeichen, daß Wanderkerne und stationäre Kerne untereinander gleich sind. Ehe wir die Mannigfaltigkeit der mitgeteilten Befruchtungserscheinungen einer kritischen Beurteilung unterwerfen, müssen wir noch die Art, in welcher Weise die Befruchtung in den Lebenszyklus der Protozoen eingreift, besprechen. Auch dabei ergeben sich bemerkenswerte Besonderheiten im Vergleich zu höhe- Physiologische ren Tieren und Pflanzen. Bei diesen spricht man von ,, geschlechtlicher BefrucTtung^"^ Fortpflanzung ", weil wir überall die Befruchtung mit der Bildung neuer In- dividuen vereint finden. Und so hat man auch bei Protozoen versucht, die ,2 Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen Befruchtung mit der Fortpflanzung in Beziehung zu bringen. In der Tat gibt es auch nicht wenige Fälle, in denen diese Auffassung zutrifft. Bei den Ma- lariaparasiten wird, wie wir gesehen haben, der Lebenszyklus durch den Vor- gang der Befruchtung in zwei Perioden abgeteilt, eine der Befruchtung vor- ausgehende, also progame Periode, in welcher sich die Vermehrung der Para- siten in den Blutkörperchen abspielt (die Schizogonie) und eine der Be- fruchtung folgende, metagame Periode, in welcher in den Wandungen des Mückendarms eine ganz anders geartete Vermehrungsweise, die Sporogonie, Platz greift. Die Befruchtung tritt ein, wenn die progame Entwicklung zum Stillstand gekommen ist. Die verloren gegangene Vermehrungsfähigkeit wird durch dieselbe zur metagamen Entwicklung neu angefacht. Die metagame Entwicklung könnte man somit als geschlechtliche Fortpflanzung bezeich- nen, die progame als ungeschlechtliche; beide würden sich zu einem Ge- nerationswechsel kombinieren, wie wir ihn auch sonst von Tieren und Pflanzen kennen. Die hiermit sich ergebende Analogie zu den Vorgängen bei vielzelligen Tieren läßt uns jedoch im Stich, wenn wir unsere Betrachtung auf die Wimper- infusorien ausdehnen. Nach einer Periode lebhafter Teilungen treten bei den- selben sogenannte Konjugationsepidemien auf, an welchen aber immer nur ein größerer oder kleinerer Prozentsatz einer Kultur beteiligt ist. Auf die Konjugation folgt dann eine Zeit, in welcher die Vermehrung sehr langsam vor sich geht; das ist die Zeit, in welcher der Kernapparat neu organisiert, der alte Hauptkern resorbiert und der neue ausgebildet werden muß. Auch nach be- endeter Reorganisation ist der Teilungsrhythmus kein lebhafterer als er vorher war. Man kann folgendes Experiment machen. Wenn eine Kopula sich ganz frisch gebildet hat, kann man sie sprengen und die getrennten Tiere bei gutem Futter weiter züchten. Dann teilen sich dieselben in einem sehr lebhaften Tempo weiter. Somit ist nicht einmal eine Zeit der Teilungsunfähigkeit der Konjugation vorausgegangen; erstere kann somit nicht Ursache der letzteren sein. Manche Infusorien hat man unter sorgfältiger Kontrolle mehrere Jahre lang kultiviert, ohne daß Teilungsunfähigkeit und infolgedessen Konjugation eingetreten wäre. Günstige Ernährungsbedingungen können somit das Ein- treten von Konjugationen verhindern. Alle diese Tatsachen lassen erkennen, daß die Konjugation der Wimperinfusorien keinen direkten Einfluß auf die Vermehrung hat. Wir kennen noch eine dritte Art, in welcher die Befruchtung den Ent- wicklungsgang eines Protozoon beeinflussen kann; er findet sich bei Rhizopoden und Flagellaten. Hier tritt nach Ablauf der Befruchtung Enzystierung ein und mit derselben ein nach Wochen und Monaten sich bemessender Stillstand der Teilung. Letztere beginnt erst wieder, wenn nach längerer Ruhe das Tier die Zyste verläßt und neu zu fressen anfängt. Wenn wir nun das Tatsachenmaterial überblicken, welches das Studium der Protozoenbefruchtung gefördert hat, so kommen wir zu folgenden be- merkenswerten Resultaten.' Wesen und Bedeutung der Befruchtung ^^ 1. Die Befruchtung setzt nicht die geschlechtliche Differenzierung vor- aus; vielmehr hat sich die Unterscheidung männlicher und weiblicher Ele- mente erst im Verlaufe der Vervollkommnung der Befruchtungsvorgänge ent- wickelt. 2. Die Befruchtung der Protozoen als solche steht auch mit der Fortpflanzung in keinem unmittelbaren und notwendigen Zusammenhang; man kann sie nicht als ein Mittel betrachten, eine zum Stillstand gelangte Entwicklung anzuregen; wo eine solche Entwicklungsanregung vorliegt, ist sie offenbar zu dem, was den eigentlichen Charakter der Befruchtung ausmacht, neu hinzugetreten. 3. Es gibt nur einen durch die bunte Mannigfaltigkeit der Erscheinungen sich hindurchziehenden Charakter; das ist die Vereinigung zweier Kerne, welche aus verschiedenen Individuen stammen. Die Befruchtung ist somit die Ver- einigung individueller Verschiedenheiten zweier Kerne. Hierbei ist nun von der größten Tragweite das schon früher gewonnene Resultat, daß die Kerne auf den Chemismus und somit auf alle organisierenden Prozesse der Zelle einen be- stimmenden Einfluß ausüben. Auf diese Erfahrung hin und auf Grund eines reichen, bei vielzelligen Organismen gewonnenen Beweismaterials erblicken wir in den Kernen wichtige Eigenschaftsträger. Ihre Vereinigung ist somit Ver- einigung individuell verschiedener Eigenschaften, ist ,,Amphimixis" (Weis- mann). 4. Überraschend ist es, daß die Amphimixis in nicht wenigen Fällen eine so starke Abschwächung erfahren kann, daß ihr Effekt gleich Null sein muß, wie es bei der Autogamie der Fall ist. Hier tritt ein zweiter Faktor in den Vordergrund, welcher mit der Amphimixis verbunden ist und der in einer intensiven Umwandlung der Zelle sich ausspricht, wie sie durch die Reife- teilung und die Wechselbeziehung des neuen Kerns, des Synkaryon, zum Protoplasma gegeben ist. Wir sind durch den Gang unserer Betrachtungen vor die Frage gestellt, Physiologische welche Vorteile sind für den Organismus durch die Amphimixis und die durch Befruchtung. sie bedingte Umorganisation gegeben.? Das ist eine Frage, welche auf allen Ge- bieten des organischen Lebens uns entgegentritt, für deren Förderung und Be- antwortung aber nirgends die Bedingungen so günstig sind wie bei einzelligen Tieren und Pflanzen. Denn was die Befruchtung leistet, kommt hier unmittel- bar an den zur Befruchtung dienenden Zellen zum Ausdruck, nicht erst an den aus Teilung dieser Zellen entstandenen neuen vielzelligen Organismen. So ist es denn begreiflich, daß man besonders bei Protozoen das Befruch- tungsproblem zum Gegenstand mannigfacher experimenteller Untersuchungen gemacht hat, welche, wenn auch nicht zu entscheidenden Resultaten, so doch zu manchen interessanten Ergebnissen geführt haben. Die erste zu entscheidende Frage ist: Was veranlaßt die Protozoen zur ursaciie der Konjugation und Kopulation.'' Man kann hierüber zunächst nur sagen, daß ^"''^"p^,'*"",,,"" es sich um eine Wechselwirkung äußerer und innerer Faktoren handelt. Die inneren Faktoren können wir uns nur vorstellen als Veränderungen in der Organisation, welche durch den ständig fortschreitenden Vermehrungsprozeß K.d.G. ni. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. II 3 ■3A Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen der Protozoen herbeigeführt werden. Ich habe mich in einer Anzahl Arbeiten bemüht, wahrscheinHch zu machen, daß diese Veränderungen das Wechselver- hältnis von Kern und Protoplasma, die Kernplasmarelation betreffen, welche ja auch sonst für den Organismus von fundamentaler Bedeutung ist. Die Frage ist noch zu wenig geklärt, als daß sie hier erörtert werden könnte. Wir können nur sagen, daß die inneren Faktoren im Laufe der Zeit zu einem Zustand der Zelle führen, welchen man als ihre ,, Konjugationsreife" be- zeichnet hat. Den inneren Faktoren stehen die äußeren gegenüber, der Wechsel der Existenzbedingungen, wie er durch gute Ernährung oder Hunger, hohe oder niedere Temperaturen, chemische und physikalische Beschaffenheit des den Tieren zum Aufenthalt dienenden Wassers gegeben ist. Man hat sehr häufig durch Hunger, Beimengung chemischer Stoffe zum Wasser Befruchtungsprozesse ausgelöst, ohne daß es jedoch geglückt wäre, eine Methode ausfindig zu machen, welche unter allen Umständen zu dem gewünschten Resultat führen würde. Dies kommt offenbar daher, daß es sich in jedem einzelnen Fall um ein Zusammenwirken äußererund innerer Faktoren handelt, wie ich das im folgen- den an einer Reihe von Beispielen erläutern möchte. Es ist geglückt, durch gün- stige Existenzbedingungen, besonders durch reiche Fütterung, jahrelang den Ein- tritt der Konjugation bei einem der verbreitetsten Infusorien, dem Paramae- cium putrinum, zu verhindern. Andererseits verursachen Hunger und andere die Befruchtung begünstigende Faktoren keine Konjugation, wenn nicht die dazu erforderliche ,, Reife" vorhanden ist. Am beweisendsten für die Notwendigkeit des Mitwirkens innerer Faktoren ist die Erscheinung, daß von Protozoen, welche unter ganz gleichen Bedingungen leben, immer nur ein größerer oder geringerer Prozentsatz konjugiert, während andere fortfahren, sich zu teilen, oder wenn sie ohne jegliche Nahrung sind, allmählich verhungern. So ist das Endresultat dieser Protozoenforschungen zunächst noch kein befriedigendes. Zwar ist das Befruchtungsproblem experimenteller Untersuchung zugängig gemacht; aber von einer befriedigenden Lösung sind wir noch weit entfernt. Unsterblichkeit Das Bcfruchtungsproblcm steht in engstem Zusammenhang mit einem er rotozoen. -^gi^^gj-gj^ Problcm, übcr wclches ich jetzt noch einiges sagen möchte. Vor Jahren hat Weismann den Satz aufgestellt, daß die einzelligen Organismen und so auch die Protozoen ,, unsterblich" seien; er wollte damit selbstverständlich nicht in Abrede stellen, daß Protozoen durch ungünstige Lebensbedingungen oder starke, auf sie wirkende Schädlichkeiten vernichtet werden können ; unsterblich seien die Protozoen nur insofern, als sie dem physiologischenTod, dem Tod, welcher die notwendige Konsequenzinnerer Bedingungen ist, nicht unterworfen sind. Die- ser physiologische Tod sei vielmehr eine Eigentümlichkeit der vielzelligen Tiere, ein Neuerwerb derselben, welcher dadurch notwendig geworden sei, daß sich bei Metazoen eine Arbeitsteilung zwischen Geschlechtszellen und somatischen Zellen vollzogen habe. Die letzteren, das Soma, seien, wenn man sie auch noch so gut vor äußeren Schädlichkeiten bewahre, dem Untergang geweiht; die Geschlechts- zellen dagegen hätten den Charakter der Unsterblichkeit von den Protozoen Lehre von der Unsterblichkeit der Einzelhgen 3^ überkommen und bewahrt und gäben die Garantie für die Fortexistenz der Lebewesen. Daß die jetzt lebenden Arten der Protozoen, seitdem sie existieren, sich durch fortgesetzte Teilung erhalten haben und noch erhalten, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Ebenso steht es — vielleicht machen nur wenige sehr niedrig organisierte Tiere, von denen man nur Vermehrung durch Teilung kennt, eine Ausnahme — fest, daß vielzellige Tiere eine begrenzte Lebensdauer haben. Während die Kontinuität des Lebens bei den Einzelhgen durch die Individuen selbst gewahrt wird, wird dieselbe bei den Vielzelligen durch ihre Geschlechts- zellen vermittelt. Soweit bestehen die Erwägungen Weismanns vollkommen zu Recht. Fraglich bleibt nur, ob diese Sachlage uns berechtigt, den von Weis- mann erläuterten prinzipiellen Gegensatz zwischen Protozoen und Metazoen anzunehmen, oder ob nicht vielmehr bei den Protozoen Erscheinungen exi- stieren, welche den physiologischen Tod der Vielzelligen vorbereiten. Der- artige Erscheinungen haben wir bei den Wimperinfusorien kennen gelernt, bei denen zeitweihg der funktionierende Kern zugrunde geht und durch Abkömm- linge des Geschlechtskerns ersetzt wird, bei denen somit ein partieller Tod der Zelle eintritt, welcher nur deshalb sich nicht zu einem Tod des gesamten Organismus erweitert, weil die Zelle die Fähigkeit hat, für das Verloren- gegangene Ersatz zu schaffen und somit sich zu regenerieren. Es fragt sich nun, ob der partielle Zelltod der Wimperinfusorien ebenso eine physiologische Notwendigkeit ist, wie der somatische Tod der Vielzelligen, und ob analoge Erscheinungen bei allen Protozoen vorkommen. Zur Lösung dieser Frage sind an Rhizopoden und Wimperinfusorien Expe- züchtungsver- rimente angestellt worden, welche entscheiden sollten, ob es möghch ist, Tiere zoen. in unbegrenzter Vermehrung zu erhalten, ohne daß Schädigungen der Organi- sation auftreten, welche schHeßlich zum Tod führen. Zu dem Zweck wurden die Tiere mit überreichem Futter versehen und Zählkulturen angelegt, um die Ver- mehrungsrate festzustellen. Da die Vermehrung der Protozoen in höheren Tem- peraturen eine viel lebhaftere ist als bei niederen, ist es notwendig, wenn man ganz exakte Resultate erzielen will, die Kulturen bei konstanter Temperatur zu führen. Ferner muß man sehr häufig das Wasser wechseln, um die Möglich- keit auszuschließen, daß sich Schädlichkeiten in die Kultur einschleichen. Die Erneuerung des Wassers ergibt sich bei Zählkulturen übrigens von selbst. Denn bei der ungemeinen Fortpfianzungsfähigkeit der Infusorien muß man jeden zweiten oder dritten Tag die Kultur völlig neu instalheren, um die Zahl der erzüchteten Infusorien zu bestimmen und nur einige wenige (i — 3 Stück) zur weiteren Kultur herauszufangen. Bei diesen Untersuchungen hat es sich herausgestellt, daß die Intensität der Depressions- 1TT 1 -i-i Ol 1 1" ir> zustände der Assmiilation und der Vermehrung periodischen Schwankungen unterliegt, daß Protozoen. Zeiten, in welchen Nahrungsaufnahme und Vermehrung sehr energisch sind, mit Zeiten wechseln, in welchen beide Funktionen in Stillstand geraten. Man sprichtdann von Depressionszuständen der Protozoen. Viele Untersuchungs- reihen führten weiter zu dem Resultat, daß im Laufe einer über viele Monate 3* a5 Richard von Hertwig: Die einzelligen Organismen sich erstreckenden Kultur die Depressionszustände einen immer schwereren Charakter annahmen und daß die Kulturen schließlich nach einer mehrmonat- lichen Dauer durch Absterben der letzten Individuen zu Ende gingen. Die nächstliegende Erklärung für den geschilderten Kulturverlauf wäre, daß die einzelligen Organismen durch fortgesetzte Tätigkeit eine Schädigung erfahren, welche man dem Altern eines vielzelligen Organismus vergleichen kann. Kleinere Schädigungen werden durch vorübergehende Ruheperioden und in denselben ablaufende Reorganisationen ausgeglichen; allmählich aber werden die Schädigungen intensiver und führen dann zum physiologischen Tod. Wür- den die Verhältnisse in der Natur sich genau so abspielen, wie ich es eben dar- gestellt habe, so müßten die Protozoen mit der Zeit aussterben. Dies ist nun tatsächlich nicht der Fall; es wird dadurch verhindert, daß gleichmäßig gün- stige Entwicklungsbedingungen, wie sie der Experimentator einführt, in der Natur niemals gegeben sind. Rasche Vermehrung einer Protozoenart wird Ur- sache, daß die ihr dienende Nahrung aufgebraucht wird. So wird das oben besprochene Zusammenwirken innerer und äußerer Faktoren bedingt, welches zu Konjugation und Enzystierung führt. Damit werden tiefgreifende Reorgani- sationen des Baues ermöglicht, welche nicht, wie die Reorganisationen während der Depressionszustände, vorübergehend, sondern auf längere Zeit den Organismus aufs neue widerstandsfähig machen. Schädigende Dic durch langdaucrndc Protozoenkulturen gewonnenen Erfahrungen haben Exkretc.°'^ aber noch eine andere Erklärung erfahren, daß nämlich durch die eingeführten künstlichen Ernährungsbedingungen Schädigungen verursacht würden, wie sie der Natur fremd seien. Durch dieselben soll im Organismus allmählich eine An- häufung schädlicher Stoffwechselprodukte stattfinden, welche die Entwicklungs- störungen verursachen. In der Tat ist es auch einem amerikanischen Forscher geglückt, einen und denselben Stamm von Paramaecien mehrere Jahre lang zu kultivieren, ohne daß die Kultur ausgestorben wäre, so daß der Experimentator zum Schluß die 2000. Generation zählen konnte. Er hat dies günstige Resultat dadurch erreicht, daß er immer nur wenige Tiere in einem relativ ansehnlichen Quantum Wasser kultivierte und öfters die Art der Ernährung wechselte. Indessen sind auch diese Versuche nicht nach allen Richtungen beweis- kräftig, da sie unentschieden lassen, ob die schließhch gewonnenen Tiere auch in jeder Hinsicht normal waren. Die Fähigkeit der Assimilation und Vermehrung allein ist noch kein sicherer Maßstab hierfür. Es hat sich herausgestellt, daß Protozoenkulturen in dieser Hinsicht sich vollkommen normal verhielten und sich noch monatelang kultivieren heßen, daß sie aber unfähig waren, zu konju- gieren und sich zu enzystieren, daß sie auch Schädlichkeiten gegenüber, z. B. gegenüber den therapeutischen Mitteln, mit denen der Mediziner krankheits- erregende Protozoen bekämpft, nicht mehr die Widerstandskraft jugendhcher Kulturen besaßen. Protozoen und Wir stelicu mit Experimenten, wie ich sie hier geschildert habe, erst am ■ Anfang einer neuen Periode wissenschafthcher Untersuchungen, so daß wir noch keine alle Fragen aufklärenden Resultate erwarten können. Aber wir können Protozoen und Krankheitslehre oy mit Sicherheit darauf rechnen, daß die physiologisch-experimentelle Forschungs- richtung, wenn sie sich mit der bisher so fruchtbaren morphologischen Be- trachtungsweise verbindet, für die Zukunft reiche Ausbeute bringen wird, Aus- beute theoretischer und praktischer Natur. In theoretischer Hinsicht wichtig werden die Protozoenuntersuchungen werden, indem sie uns einen vertieften Einblick in die Physiologie des Zellenlebens verschaffen. Immer wieder begeg- nen wir Bestrebungen, welche den Wert der Zellforschung für die Erklärung der Lebensvorgänge herabzusetzen suchen. Ich erblicke hierin eine vollkom- mene Verkennung der Aufgaben der modernen biologischen Forschung. Noch zu keiner Zeit hat die Zelle eine derartige zentrale Stellung in allen Organi- sationsfragen eingenommen wie jetzt, freilich nicht mehr wie früher als for- males Element, als morphologische Einheit, sondern als der Träger von Lebehs- funktionen, von dessen Leistungsfähigkeit zum guten Teil die Leistungsfähig- keit des Ganzen, das, was man die Konstitution eines Organismus nennt, ab- hängt. Um die Bedingungen der Leistungsfähigkeit der Zelle zu erforschen, gibt es keine geeigneteren Objekte als die Protozoen, weil alle Einflüsse, welche der Experimentator benutzt, hier unmittelbar den Zellkörper treffen, während bei einem vielzelligen Organismus vielerlei Nebenwirkungen in Betracht kom- men, wie sie z. B. durch Blutverteilung, Nervenreiz usw. gegeben sind. Was weiter die praktische Bedeutung der Protozoenkunde anlangt, so ist dieselbe vornehmlich durch die in den letzten zwei Jahrzehnten gewonnene Erkenntnis bedingt, daß eine unverhältnismäßig große Zahl von Krankheits- erregern bei Menschen und Tieren der Klasse der Protozoen angehört. Um nur einige zu nennen, so verweise ich auf die Erreger der Malaria, der Schlaf- krankheit, der vielen verheerenden Tierseuchen der Tropen und wärmeren Klimate, der Nagana- und Surrakrankheit der Huftiere, der Beschälkrankheit der Pferde, der viele Millionen verschlingenden Pebrineerkrankung des Seiden- spinners, der Myxosporidienkrankheiten der Fische usw. Wie die genaue Er- forschung des Entwicklungsganges der Parasiten hier die Mittel zu einer syste- matischen Bekämpfung der Krankheit an die Hand gegeben hat, zeigt am schönsten die Malariaforschung. Zugleich läßt dieselbe erkennen, wie bei einer intensiven Durchforschung eines eng begrenzten Gebietes Theorie und Praxis einander die Hände reichen, indem die Beantwortung vieler aus der Praxis sich ergebender Fragestellungen unsere theoretische Erkenntnis außerordentlich ge- fördert hat und umgekehrt die wachsende theoretische Erkenntnis praktische Maßnahmen ermöglichte. Literatur. (Größere und zusammenfassende Werke.) Ehrenberg, G. : Die Infusionstierchen als vollkommene Organismen. Leipzig 1838. — DujARDiN, T. : Histoire naturelle des Zoophytes Infusoires. Paris 1841. — Stein, Fr.: Der Organismus der Infusionstiere. Leipzig, Bd i 1859. Bd. 2 1867. Bd. 3 1878 — 83. — Haeckel, E.: Die Radiolarien. Eine Monographie. Leipzig 1862. — Schultze, M. : Über den Organismus des Polythalamien. Leipzig 1854. — BÜTSCHLI, O.: Die Protozoen. In Bronn'S Klassen und Ordnungen des Tierreichs. II. Aufl. Leipzig 1880 — 89. — Bloch.mann, F.: Die mikroskopische Tierwelt des Süßwassers. II. Aufl. Hamburg 1895. — Calkins, G.: Protozoology. New York 1909. — Doflein, F.: Lehrbuch der Protozoenkunde. III. Aufl. Jena 191 1. — Jennings, H. S.: Das Verhalten der niederen Organismen unter natürlichen und experimentellen Bedingungen. Deutsch von E. Mangold. Leipzig 19 10. — Provazek, S. V. u. A. : Handbuch der pathogenen Protozoen. Leipzig 1912. — Minchin, E. A.: An in- troduction to the study of the Protozoa. London 1912. ZELLEN UND GEWEBE DES TIERKÖRPERS. Von Heinrich Poll. Die lebendigen Körper aller Tiere mit allen den unendlich mannigfachen Einrichtungen, deren sie für ihre Lebenstätigkeit bedürfen, entstehen, wenn man ihren Werdegang schrittweise rückwärts verfolgt, aus sehr viel kleineren und bei weitem einfacheren Gebilden. Diese in der Regel nur mit Hilfe des Mikroskops sichtbaren Bauteilchen sind einander, mögen sie auch aus noch so verschiedenen Teilen des Körpers, von noch so verschiedenen Tieren oder sogar von Pflanzen stammen, mögen sie im Leben welchen Verrichtungen auch immer obliegen, in bemerkenswertem Grade ähnlich. Man nennt diese Grundbestand- teile aller lebenden Wesen die Zellen. Solche Zellen kommen in der Natur in zeiien. großer Zahl auch als freie, selbständige Lebenseinheiten vor; das gesamte Reich der Einzeller, der Protisten, umfaßt ausschließlich derartige Lebensformen, sei es pflanzlicher, sei es tierischer Art. Da nun einerseits alle Bestandteile der Lebewesen, die an sich keine Zellen sind, aus Zellen sich bilden, da es andererseits noch nicht gelungen ist, selbstän- dig lebensfähige Gebilde zu entdecken, die keine Zellen sind oder sich nicht auf solche zurückführen lassen, so bezeichnet man die Zelle als den Grundbe- standteil alles Lebendigen, als das stets wiederkehrende Element der orga- nischen Welt oder als den Elementarorganismus. Auch er entsteht seiner- seits wieder aus noch kleineren, aus noch einfacheren Einheiten, über deren Wesen man sich indessen bisher noch nicht klar und einig ist. Die Kenntnis vom Bau, von den Verrichtungen der Zellen, von ihren Schicksalen, Umwandlungen und Produkten vermittelt die allgemeine Zellen- lehre oder Cytologie. Die Besonderheiten der tierischen Elementarteile Cytologie, werden in der tierischen Cytologie erörtert. Die Elemente vergesellschaften sich im Körper der höheren Lebewesen, im Gegensatze zu den Protisten, in großer Zahl zu einheitlichen Verbänden mit ge- setzmäßig geordnetem Aufbau und gemeinsamer, ähnlicher Verrichtung: der- artige Zellengemeinschaften, die sich von ihresgleichen durch eigenartige Aus- gestaltung von Struktur und von Funktion unterscheiden, heißen Gewebe. Ihre Gestaltung und Leistung schildert die Gewebelehre oder die Histiologie msüoiogie. (idTiov Gewebe). Im einfachsten denkbaren Falle treten zwei oder mehrere Gewebe dieser Art zusammen, um einen Tierkörper aufzubauen. Zumeist aber ■ ordnen sie sich zu bestimmt gestalteten Gewebekomplexen mit eigenartigen Verrichtungen, zu den Organen: und diese bilden ihrerseits die mannigfachen ^O Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Organoiogie. Wcrkzeugc uiid Apparate des Tierorganismus. Die Organologie lehrt deren Struktur und Verrichtungen kennen, mit ihren Unterabteilungen der groben und feinen Anatomie, der chemischen und physikalischen Physiologie. I. Cytologie. Größe der Zellen. Dic Größc ticrischcr Bauteilchen schwankt in weiten Grenzen. Sie ent- ziehen sich im allgemeinen der Wahrnehmung des unbewaffneten Auges, sind hingegen bei einer ungefähr durchschnittlichen Größe von 750 mm mit mittel- starken Linsen von etwa 200 — 300 f acher Vergrößerung im Mikroskop alle- samt gut sichtbar. Die kleinsten, bekannten tierischen Elementarteile messen etwa Viooo bis V3000 mm. Es sind dies die Blutplättchen (Fig. 36, t), die auch beim Menschen in der Körperfiüssigkeit eine wichtige Rolle spielen. Die größten Zellen erreichen demgegenüber ganz ungeheuerliche Abmessungen : bis zu 12 — 1 5 cm. Das ist der Durchmesser des Straußeneies; und die erst seit wenigen Jahrhunderten ausge- storbenen Riesenvögel auf Madagaskar legten Eier von 8 Litern Inhalt. Ein solches Ei ist allerdings eine einzige Zelle: sie verdankt ihre gewaltige Größe aber zum einen Teile Hüllengebilden, wie Eiweiß und Schale, die mit der Zelle als solcher nichts zu tun haben, zum andern Teile den Nährstoffen, die die eigentliche Zelle, das Gelbe im Ei oder der Eidotter, in sich aufgespeichert hat, um dem jun- gen Keimling bei seiner Entwicklung die nötigen Baustoffe liefern zu können. Die Länge von mehreren Metern erreichen die Nervenzellen, wenn sie mit ihren Ausläufern vom Rückenmark bis zu den äußersten Enden der Glieder den Tier- leib, etwa einer Giraffe, durchziehen. Körpergröße und Zellengröße stehen zueinander in gar keinerlei grundsätz- lichen Beziehungen. Die Körpermasse der größten Tier- oder Baumriesen setzt sich aus einer entsprechend größeren Zahl von Elementarteilen zusammen, als der Leib z. B. eines der winzigen, mikroskopisch kleinen Rädertierchen, die zum Geschlechte der Würmer gerechnet werden; und doch werden diese in ihrer Ge- samtgröße nicht unerheblich von der Abmessung großer einzelliger Tiere über- troffen. Hingegen ist, ungeachtet der überaus wechselnden Masse der Zellen in den verschiedenen Organen eines und desselben Tieres, für jede einzelne Zel- lensorte jeder einzigen Tierart eine bestimmte Größe und Anzahl in überaus engen Grenzen festgelegt. Den Blutzellen, den Samenzellen, den Eizellen einer und derselben Tierspecies kommt, so viele Einzeltiere man auch durchmessen mag, unter ganz geringen Schwankungen stets eine gewisse, gleiche, für diese Tierart typische Zellengröße zu. Und dort, wo man sich der mühseligen Arbeit Zahl der ZeUen. dcr Auszählung dcr Zellen eines bestimmten Organes unterzogen hat, ist man ebenfalls auf eine überraschende Beständigkeit dieser Zahlen gestoßen, z. B. bei den Elementen der Kristallinse des Auges, der Nervenknoten beim Blutegel, der Rückensaite bei den Larven der Seescheiden, einer Gruppe der Manteltiere oder Tunikaten. Das hängt letzten Endes mit der Tatsache zusammen, daß das Verhältnis von Masse zur Oberfläche der Zelle niemals eine bestimmte Grenze überschreitet. i Aufbau der Zellen 41 Ganz ähnliche Verhältnisse und Beziehungen gelten auch für die Formen Formen der der Zellen. Auch sie sind untereinander in denkbar höchstem Grade verschieden (Fig. I). Ein und dasselbe Element kann seine Gestalt häufig in wenigen Minuten auf das erstaunlichste verändern: das sind Zellen ohne feste Eigengestalt (Fig. 7 und 13). Die Zellen mit bestimmter, ein für allemal festgelegter Eigenform aber weisen im Tierkörper alle nur erdenkbaren Figuren auf: dabei sind das Alter des Elements, seine Lage zwischen den Nachbarteilen und schließlich in hohem Grade seine besondere Lebensleistung von gewichtigem Einfluß. Kugel-, Fig. I. Verschiedene Zellenformen. W. Kuglige Zelle : Ei vom Menschen (nach van der Stricht aus Heidrnhain). B. Walzenförmige Zelle (Zylinderzeile) : aus der I )arraschleimhaut eines Salamanders (nach Heidenhain). C. Spindel- förmige Zelle: HindezeUe aus der Regenbogenhaut (nach R.Krause). D. Platte Zelle: aus der Schleimhaut der Mundhöhle des Menschen (nach SiöHR). E. Würfelförmige Zelle: aus der Niere vom Frosch (nach R. Krause). F. Unregelmäßig gestaltete Zelle: Ei des Süßwasserpolypen (nach Kokschhli und Heidkk). G. Unregelmäßig ge- staltete Zelle: Freßzelle aus der Bauchhöhle eines Fadenwurmes (nach Nassonow aus Gurwitsch). Napf- und Eiformen, Walzen und Kegel, Prismen, Würfel und Polyeder, dün- nere und dickere Scheiben von verschieden gestaltigem Umrisse, Fäden von sehr abweichender Länge und Dicke sind die noch einigermaßen regelmäßigen unter den häufig vorkommenden Zellengestalten (Fig. i). Neben ihnen findet sich aber eine Unzahl aller möglichen höchst unregelmäßigen Formen: baum- förmig verzweigte Elemente, flaschen- und retortenförmige Gebilde, Körper von verschiedener Form mit langen fadenartigen Fortsätzen und Anhängen, mit Stacheln und Flügelplatten. Wieder aber ist für dieselbe Sorte von Elementarteilchen bei derselben Tierart eine ganz bestimmte, nur wenig abweichende Zellenform typisch. Den Geübten fällt es nicht schwer, zumal bei der Auswahl einigermaßen charakteri- • 2 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers stischer Zellensorten, z. B. der Keimzellen, auf den ersten Blick für ein Zellen- element anzugeben, welchem Tiere es entstammt. Bei anderen, weniger charak- teristischen Zellengestalten sind allerdings genauere Beobachtungen, auch an- derer Eigentümlichkeiten, Messungen usw. notwendig, und unter Umständen, besonders bei noch unzulänglichen Kenntnissen, ist die Erkennung der Her- kunft schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Es entziehen sich die a r t c h a r ak - ArtzeUen. tcristischeii Eigenschaften der Elemente der Wahrnehmung: sie sind aber trotzdem durch andersartige Untersuchungsmethoden stets nachweisbar. Optische Eigen- Dic mcistcn tierischen Elementarteile sind nahezu farblos, hell und durch- ^"^^ZeUen*^*"^ Scheinend. Einige verdanken farbigen Inhaltskörpern oder -saften bestimmte Eigenfarben, oder der Beschaffenheit ihrer Oberfläche Glanz und Struktur- farbe. Zu diesen zählen die Schuppen vieler Schmetterlinge, zu jenen gehören z. B. die wichtigen Blutzellen der Wirbeltiere, die einen gelbgrünen Farbstoff gelöst enthalten, die Fettzellen mancher Lurche und Kriechtiere, die farbige gelbe oder rote Ölkugeln einschließen; vor allem aber die große Schar der Farb- stoff- oder Pigmentzellen, die braune, schwarze, blaue und rote, grüne, gelbe Farbkörnchen in sich bergen. Die Zellengebilde brechen das Licht im allgemeinen etwas stärker als das Wasser, daher die Beobachtung in wässrigen Flüssigkeiten viele, auch feinere Einzelheiten in den Zellen erkennen läßt. In dicken Schichten erscheint die Substanz der Zellen hellgrau, undurchsichtig. Mechanische Die Festigkeit dei tierischen Elementarteile ist im allgemeinen gering: man ^IfeTzeiielr" kann ihre Konsistenz als zäh flüssig beschreiben. Die Zellen sind mithin weiche, zarte und verletzliche Gebilde. Sie schützen sich indes, wenn sie starken mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sind, durch Verwandlung in recht widerstandsfähige Materien. So ist das feste Hörn z. B. der Krallen, Nägel und Hufe, der steinharte Schmelz der Zähne veränderte Zellensubstanz. Im allge- meinen werden indes im Tierkörper für derartige mechanische Einrichtungen nicht die Zellen selbst, auch nicht wie im Pflanzenkörper, z.B. im Holz, Zellenleichen, benutzt, sondern die verschiedenartigen Bauprodukte des Zellorganismus. Mit der Zartheit der tierischen Elementarteile hängt es zusammen, daß sie, mit verschwindend wenigen Ausnahmen, auf ein Leben in Flüssigkeit angewie- sen sind. Allerdings vertragen vereinzelte Tiere ein Eintrocknen und Aufwei- chen überaus gut, z. B. die Bärttierchen, mikroskopisch kleine Rädertierchen, die man völlig zusammengeschrumpft lange Zeit aufbewahren und durch einen Tropfen Wasser wieder zum Leben erwecken kann. Indes ist dies eine seltene Anpassung an absonderliche Lebenslagen. Nichts schädigt die tierische Zelle im großen ganzen schwerer als Flüssigkeitsverlust. Auch gegen Veränderungen in der Zusammensetzung des flüssigen Mittels, das sie umspült und durchtränkt, ist die tierische Zelle recht empfindhch. Tierische Zellen entbehren im allgemeinen einer besonderen Hülle. Sie sind nackt. Trotzdem aber mischt sich die Substanz der Zelle nicht mit dem Wasser oder der umströmenden Körperflüssigkeit: sie grenzt sich von ihr durch Abscheidung eines feinsten Oberflächenhäutchens ab. Nicht immer sind diese Physikalische und chemische Eigenschaften der Zellen at, Grenzhäutchen der Elementarteile so fein und etwa mit dem Oberflächenhäut- chen der physikalischen Körper vergleichbar. Oft verdichtet sich die Außen- zone der Zelle zu einem mehr oder minder festen Gefüge (Ektoplasma, Crusta) und setzt sich unter Umständen auch ganz scharf vom Zellenleibe ab, so daß sie eine vom Zellenkörper trennbare Hülle (Pellicula) bildet. Solche echte Zellenmembranen sind bei tierischen Elementen überaus selten, weit verbreitet indessen, aber auch nicht überall vorhanden als Zellulosemembranen im Pflan- zenreiche. Auch diese Zellenhüllen sind aber durchaus durchdringlich für Flüssigkeit und gelöste Stoffe vielerlei Art, so daß der Zelle ein steter osmo- osmotischer tischer Stoff austausch mit der Umwelt ermöglicht ist. Ändert man die Salzmenge der Flüssigkeit, in denen die Zellen des Körpers zu leben gewohnt sind, nach Zusammensetzung und Stärke ihrer Bestandteile ab, so dringen Was- ser und gelöste Substanz aus der Zelle heraus oder in ihr Inneres hinein, und bei gar nicht einmal so hochgradigen Eingriffen wird die Zelle unter der Erschei- nung der Quellung oder Schrumpfung vernichtet. So ist das destillierte Wasser eines der unbedingt tödlichen Zellengifte, das wir kennen, weil es osmotisch aus dem Zellenleibe die lebensnotwendigen Stoffe herauszieht. Die Zellensubstanz ist ein wenig schwerer als Wasser; ihr kommt, nach spezifisches einer Bestimmung allerdings an einzelligen Wesen, etwa ein spezifisches Ge- ""zliien. ^' wicht von 1,25 zu. Daher sinken die Zellen im Wasser zu Boden, wenn sie nicht durch besonderen Gehalt an Öl oder Gas oder anderen spezifisch leichteren Körpern schwebend erhalten werden. Die physikalischen Eigenschaften werden, wie die chemischen, dadurch so überaus undurchsichtig, daß die Zelle als solche bereits ein überaus verwickelter Organismus von besonderer Struktur ist. Um die Chemie der Zelle zu Studie- straktm- dei- ren, muß man sie geradezu vernichten: die lebende Zelle bleibt der chemischen Analyse verschlossen, nur die ,, Zellenleichen" lassen sich ihr unterwerfen. Die wichtigsten chemischen Bestandteile der Zelle sind die Eiweiskörper: chemische bis jetzt hat man noch keine Zelle, überhaupt kein Lebewesen gefunden, dem der Zeiien. diese höchst komplizierten Verbindungen gefehlt hätten. An die Existenz der Eiweißkörper erscheint geradezu die Lebensfähigkeit der Zellelemente gebun- den, die die heute lebenden Wesen — Tiere und Pflanzen — aufbauen. In den einzelnen Zellensorten begegnet man einer geradezu erstaunlichen Eiweiß- Vielfältigkeit dieser Eiweißverbindungen: diese Mannigfaltigkeit der Zusam- "^'^ '" ""sen. mensetzung hängt mit dem überaus verwickelten chemischen Aufbau dieser Stoffe zusammen, in deren Wesen die Chemie erst eben hinein zu leuchten be- ginnt, wenngleich sie nur in unendlich wechselnder Bindung Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel enthalten. An dem Aufbau der Zelle beteiligen sich außer den Eiweißstoffen, aber als nicht unumgänglich notwendige Bestandteile, die Fette und die Kohlehydrate, die als Produkte der Fette und Kohlehydrate. Lebenstätigkeit der Zelle auftreten. Fernerhin gehören zum Bestände des tie- rischen Zellenleibes anorganische Salze, unter denen die der Leichtmetalle, und zumal die Chloride, vor allem das Kochsalz oder Chlornatrium, eine besondere Sake. Rolle spielen, ferner Eisen- und Phosphorverbindungen. Seltener kommen in A^ Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers den Zellen noch Silizium, Fluor und einige andere Elemente vor. Keines von diesen ist mithin für die Chemie der Zelle charakteristisch; über ein besonderes Element des Lebens verfügt die Zelle nicht. Die chemische Natur der Zelle, zumal ihrer Eiweißkörper, ist — ungeachtet der unübersehbar großen Mannigfaltigkeit der Eiweißstoffe und ihrer Verbin- dungen in den einzelnen Elementen des gleichen Tierleibes — doch wieder für jede bestimmte Tierart typisch und charakteristisch: ebenso wie dies für Zellenform, Zellengröße und Zellenzahl eines Organes gilt. In der chemischen Verrichtung der Zelle liegt auch der einzige heute bekannte einigermaßen durch- greifende Unterschied zwischen den Elementen des Tier- und Pflanzenkörpers. Die pflanzlichen Elementarteile sind im Gegensatze zu dem tierischen befähigt, mit Hilfe des Blattgrüns oder des Chlorophylls aus einfachen chemischen Ver- bindungen, wie Kohlensäure, Wasser und Salzen, jene hochkomplizierten Bau- stoffe der organischen Welt, die Eiweißkörper, zu erzeugen. Ganz scharf und undurchbrochen ist indes auch diese Gegensätzlichkeit nicht. Denn eine große Reihe pflanzlicher Organismen, z. B. die Pilze, ermangeln jenes Pflanzenfarb- stoffes und mithin der Möglichkeit, anorganische Nährstoffe in organische Ver- bindungen überzuführen. ZeUenwechsei Bci der chemischcu und physikalischen Betätigung der Elementarteilchen im Organismus. /-, . . ., •-tri i r/ii i t-^-t^- hndet eine gewisse Abnutzung, ein Verbrauch an Zellensubstanz statt. Die Ein- zelzelle, die ihre Verrichtungen nicht mehr zu erfüllen vermag, wird ausgeschal- tet und stirbt. Sie ist also als solche im allgemeinen kein Dauerbestandteil des tierischen Organismus. Man hat sich vielmehr den Bestand des Tierleibes in anderer Weise als Dauerwesen vorzustellen: wie etwa ein Volk oder eine Schule oder ein Truppenteil dauernd existiert, trotzdem Einzelpersonen fortwährend oder sogar zu gleicher Zeit in großer Anzahl ausscheiden, indem sie ständig durch Nachwuchs gleichartiger, gleichgestalteter, gleichtätiger Einzelwesen ersetzt werden. Dabei ist die Lebensdauer der einzelnen Zellen eines Organis- mus äußerst verschieden: kurzlebige und langlebige Elemente, unter Umstän- den auch solche, die, wie die Nervenzellen, wahrscheinlich das ganze Leben hindurch bestehen bleiben, sind in dem Ganzen des Organismus vereint. Stocken die Ersatzvorgänge oder trifft die Vernichtung zu viele, oder schädigt sie zu heftig und nicht so schnell oder gar nicht ersetzbare Elementarbestandteile: so ist die Vernichtung des Körpers, der Tod, die unausbleibliche Folge. Die physikalischen und chemischen Erscheinungen der lebendigen Sub- stanz erhalten gegenüber den gleichartigen Prozessen in der unbelebten Natur dadurch ihr besonderes Gepräge, daß diese Ereignisse sich an Objekten von äußerst verwickelter Struktur vollziehen. Diesen inneren Aufbau der Organismen kennen wir heute erst in seinen gröbsten und äußerlichsten Einzelheiten. Die feinere Struktur der lebendigen Masse ist auch unseren verschärften Sinnen, unseren verfeinerten Untersu- chungsmethoden noch unzugänglich. Immerhin haben sich die Kenntnisse auf diesem Gebiete, zumal infolge der Anwendung besserer mikroskopischer Be- obachtungsarten, in der kurzen Zeitspanne seit der Entdeckung der elemen- Physikalische und chemische Eigenschaften der Zellen. — Der Zellenkörper ^e der Zellen. taren Entstehung und Architektur aller Lebewesen unendlich erweitert und vertieft. Es ist zunächst gelungen, in die allgemeinen Grundsätze einen Einblick zu gewinnen, nach denen sich die Zelle — mag sie aussehen, mag sie arbeiten, wie immer es sei — aufbaut und betätigt. Alle Tierzellen besitzen gleichermaßen drei Hauptbestandteile: den Zellen- Bestandteile leib, den Zellenkern und das Zellenzentrum. Außer ihnen beteiligen sich am Aufbau der Elementarteilchen eine große Anzahl sehr verschiedenartiger Ne- benbestandteile. Körper, Kern und Zentrum heißen Grundbestandteile des Elementarorga- nismus, weil sie ohne Ausnahme jeder tierischen Zelle zukommen, weil ohne ihre Tätigkeit und Mitwirkung in der Regel tierisches Leben unmöglich ist. Der Zellenkörper. Der Körper der Zellenelemente besteht seiner Grundmasse nach aus dem Protopi Protoplasma. Diesen Namen hat zuerst der Botaniker v. Mohl auf den Zelleninhalt angewandt; heute wird er oft auch für die Grundmassen anderer or- ganischer Bauteile angewandt, so daß man, um Irrtümern vorzubeugen, am besten die protoplasmatische Grundlage des Zellenleibes als -...„., ,^ , ,.,.^. Cytoplasma bezeichnet. Diese Zellengrundsubstanz ist selbst weder eine chemisch, noch physikalisch, noch strukturell ein- heitliche Masse; sie ist chemisch, physikalisch und ihrem Auf- bau nach eine höchst komplizierte Substanz. So entspricht sie in keiner Weise etwa einem einfachen chemischen Körper, etwa einem der vielen Eiweißstoffe, sondern sie vereint in sich viele verschiedene chemische Verbindungen teils in flüssiger, teils in kolloidaler, teils auch in fester Form. Protoplasma — sagt O. Hertwig — ist ein biologischer Begriff, kein chemi- scher, kein morphologischer Körper. Bei der Anwendung starker Vergrößerungen läßt sich im Protoplasma ein bestimmtes Gefüge erkennen. Strittig ist noch jetzt die Frage, welcher Art diese Struktur sei. Im allge- meinen schließt man sich heute der Vorstellung an, daß es sich um ein äußerst feines Schaum- oder Wabenwerk (Fig. 2) handle, dessen Lamellen sehr kleine Hohlräumchen umschließen (Bütschli). An den Stellen, an denen mehrere dieser Plasmalamellen zusammenstoßen, betten sich alier- feinste Körnchen, die Mikrosomen, ein. Nähere Kenntnisse des ,, kolloidalen" Lösungszustandes, wie sie die physikalische Chemie in der jüngsten Zeit er- mittelt hat, liefern in der Tat Hinweise, daß Eiweißstoffe Bilder von Waben- struktur wohl zu erzeugen vermögen: mit Hohlräumchen, die eine Lösung des Eiweißes in Flüssigkeit erfüllt (Sol-Zustand), umschlossen von Wabenlamellen aus festerer Substanz, vergleichbar etwa der Konsistenz gequollener Gelatine, die eine Lösung von Flüssigkeit im Eiweißstoff darstellen (Gel-Zustand). Häufig F i g. 2. Gefüge des Protoplasmas. Wabenstruktur ei- ner Oberhautzelle eines Regenwur- mes, k = Kern, 7v = Plasmawaben, Wabenban des getrennt durch Pias- Protoplasmas. mascheidewände. (Nach BürscHLi aus Verworn.1 ^5 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers gelingt es auch der stärksten, für uns heute verfügbaren Vergrößerung nicht, im Protoplasma Strukturbilder irgendwelcher Art zu entdecken: so sieht in der Randschicht vieler Zellen die Grundsubstanz homogen aus, und unter Um- ständen erscheinen auch umfänglichere Teile des Zellenleibes gänzlich glasig durchsichtig (Hyaloplasma), wie z. B. die Kriechfortsätze, die bewegliche Zellen aus ihrem Körper vorstrecken. Gleiche Lichtbrechung von Wabenwand und Wabeninhalt, außergewöhnliche Feinheit des Schaumwerkes werden zur Er- klärung solcher Bilder herangezogen. Unwahrscheinlich ist es, daß ganz struktur- lose Protoplasmagebilde am Aufbau der heute lebenden Tierzelle einen Teil haben. Andere, heute nicht mehr allgemein verteidigte Auffassungen wollten in dem Gefüge des Plasmas ein fein verfilztes Netzwerk (Netztheorie), andere ein Ge- rüste von unverbundenen Fäden (Fadengerüsttheorie), noch andere endlich eine Anhäufung von Körnern in einer flüssigen Grundmasse (Körnertheorie) erkennen. In der Tat gewahrt man bei der mikroskopischen Untersuchung im Proto- plasma der weitaus größten Mehrzahl der Zellen fädige und körnige Gebilde (Fig. 8, 9) der verschiedensten Art. Man zählt sie indes heute nicht der Plasma- grundsubstanz zu, sondern betrachtet sie als Einschlüsse des Zellenkörpers, bei deren Besprechung sie ihre Deutung finden werden. zeiieiikera. Dcr Zellenkcm. Man neigte in früherer Zeit sehr dazu, im Protoplasma des Zellenleibes den wesentlichsten Bestandteil des Elementarorganismus zu erblicken. Diese Vor- stellung besteht zu Recht insofern, als eine große Menge von Lebensleistungen sich im Protoplasma vollzieht. In der jüngsten Zeit hat sich indessen das Interesse der Forschung in hervorragendem Grade dem zweiten Hauptbestand- teile aller Zellen zugewandt, dem Kern oder Nucleus: und in der Tat spielt dieser auch bei den wichtigsten Geschehnissen des Zellenlebens eine sehr wesent- liche Rolle. Kern heißt diese besondere Zellensubstanz aus dem Grunde, weil sie als ein abgeschlossenes, besonderes Körperchen mit eigenartiger Beschaffenheit vom Zellenleibe rings umhüllt wird. Dabei liegt er zumeist in der Nähe des Zellenmittelpunktes, doch fast niemals genau im Zentrum, sondern meist etwas exzentrisch und kann durch mechanische Mittel aus seiner Lage als Ganzes fort- gerückt, sogar aus der Zelle mit Nadeln isoliert werden. Zahl der Dic großc Mehrzahl aller Zellen besitzt nur einen einzigen Kern. Diese Ein- Zellenkeme. 1 1 • • 1 • 1 r 11 -r^i ■ 1 tt- 1 <^ ii zahl ist mdessen nicht für alle Elemente typisch. Viele Zellensorten besitzen zwei Nuclei, teils dauernd, teils nur zeitweise, andere gar viele, bis zu zehn und zwanzig Kernen, und zuweilen beobachtet man sie in noch größerer Anzahl. Beispiele vielkerniger Elemente sind die Riesenzellen (Fig. 6), deren Körper die durchschnittlichen Abmessungen der Zelle ebenfalls weit zu überschreiten pflegt. Kernlose Zellen sind nicht bekannt: wenn solche vorkommen, läßt sich erweisen, daß ehedem kernhaltige Elemente ihre Kerne verloren haben, wie die roten Blutkörperchen der Säugetiere, oder aber — was bei Einzellern vor- kommt — die Kernsubstanz findet sich nicht in einem geschlossenen Bläschen Der Zellenkern aj enthalten, sondern gleichmäßig im Zellenleibe feinkörnig verteilt. Zellen ohne Kernsubstanz aber sind in der heute lebenden Tierwelt niemals gefunden worden. Die Größe der Kerne steht zu der Größe des Zellenleibes nicht in einem be- Größe der stimmten Verhältnis: es gibt sehr große Zellen mit kleinen, sehr kleine mit recht ^^i'*^"'^'^''"'^- großen Kernen. Sehr große tierische Kerne finden sich in den Eizellen vieler Tiere: sie sind schon mit bloßem Auge als kleine Pünktchen sichtbar. Die kleinsten messen dagegen nur Bruchteile eines 7iooo mm. Im großen ganzen dürfte die mittlere Größe der Kerne etwa 5 — lo'tau- sendstel Millimeter betragen. Für die gleiche Zellensorte erscheint ein bestimm- tes Massenverhältnis von Zellensubstanz und Kernsubstanz typisch und kon- stant zu sein (Kernplasmarelation von R. Hertwig). Im allgemeinen macht die Kernmasse nur einen geringen Bruchteil, vielleicht ein Fünfzigstel des Zellen- volumens aus. Die Formen der Zellenkerne sind von der Gestalt der Zelle gänzlich unab- Formen der hängig. Die häufigste Erscheinungsweise ist die einer Kugel, einer Linse oder eines '^'^'^'"''''"'■"''• Ellipsoides, doch treten in einzelnen Zellarten auch sehr abweichende Kern- gestalten zutage, walzen-, wurst- und ringförmige Figuren, rosenkranzähnliche Gestalten, wie Hirschgeweihe verzweigte Anordnungen werden beobachtet. Außerdem sind, wie einzelne Zellen, so auch manche Kerne mit dem Vermögen der Formveränderlichkeit begabt. Im allgemeinen kann man Kerne mit gerin- ger und mit beträchtlicher Oberflächenentwicklung unterscheiden: eine recht große Oberfläche des Kernes, wie sie bei vielen sehr unregelmäßigen Kerngestal- ten verwirklicht ist, scheint bei sehr stark tätigen Zellen, bei intensiver Leistung von Vorteil zu sein. Zellkerne sind Gebilde von höchst verwickelten innerem Aufbau. Zunächst Bau der sind sie von einer sehr geschmeidigen, nur selten unsichtbaren, mehr oder min- ^^^i^"''«"'"«- der derben Hülle umschlossen, von der Kernmembran, die den Kerninhalt vor einer völligen Durchmischung mit dem Plasma des Zellenleibes bewahrt, andererseits aber für alle möglichen Stoffe durchgängig ist, so daß beide Zellen- bestandteile in regem chemischen Verkehr miteinander stehen. Der Inhalt des Nucleus besteht aus einer Flüssigkeit, dem Kernsafte, dessen Menge so be- Kcmsaft. trächtlich sein kann, daß der ganze Kern den Anschein eines Bläschens ge- winnt. In anderen Fällen ist nur wenig Kernsaft vorhanden und die festeren Bestandteile überwiegen: dann sehen die Kerne dicht klumpig aus. Den Kern- saft durchspinnen feinste Fädchen, die sich auch innen der Kernmembran dicht anschmiegen und hier oft eine dichtere Häufung zeigen : dieses Kerngerüst Kemgerüst. ist nur äußerst schwer wahrnehmbar und von großer Zartheit. Am Kerngerüst- werk, vielleicht auch in seinen Fäserchen, kleben feine, stark lichtbrechende Körnchen und Kügelchen, die einen sehr wichtigen, vielleicht den wichtigsten Bestandteil des Nucleus ausmachen und fast ausnahmslos in reichlicher Menge, selten sehr spärlich (Nervenzellen) anzutreffen sind. Diese Körnchen haben die merkwürdige Eigenschaft, mancherlei Farbstoffe, wie sie auch in der techni- schen Färberei benutzt werden, stark anzuziehen und sich mit ihnen zu färben. Man nennt sie daher ,,Chromatinkörnchen" (Chromiolen) und ihre Substanz das chromatin. 48 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Chemie des Kernes. „Chromatin". Diese Eigenschaft der Färbbarkeit hat sich die mikroskopische Untersuchungstechnik in großem Maßstabe zunutze gemacht; sie ist sogar zum Ausgangspunkt der gesamten Färbetechnik der Mikroskopie geworden. Außer den Chromatinkörnchen schwimmt im Kerninhalte noch ein typisches Körperchen herum, das auch in der Vielzahl — bis zu Tausenden — vorhanden sein, aber ebensogut einmal fehlen kann: das Kernkörperchen oder der Kernkörpercüen. Nu cleolus. Die Substauz dcs Kemkörperchcns ist im allgemeinen homogen, doch hat man auch in ihm zuweilen noch feinere Strukturen gesehen, die Nu- cleolini. Zuweilen findet man das Kernkörperchen zweifach, aus verschiedenen Substanzen zusammengesetzt (Fig. 3). Man hat, bisher ohne großen Erfolg, versucht, in die chemische Natur dieser Kernbestandteile mit Hilfe ihres Verhaltens gegen Wasser, Alkalien, Säuren, Verdauungslösungen und Farbstoffe genauer einzudringen. Alle diese Struk- turen haben auch den chemischen nachgebildeten Namen er- halten (Linin für das Kerngerüst, Amphipyrenin für die Kern- membran, Plastin oder Paranuclein für das Kernkörperchen). Indessen besagen diese Bezeichnungen durchaus nicht, daß es sich hier um bestimmte chemische Substanzen handelt, ebensowenig wie der Name Chromatin, der nur das färberische Verhalten, insbesondere gegenüber dem unfärbbaren Kerngerüste oder ,,Achromatin" charakterisiert. Mit Sicherheit ist nur bekannt, daß im Kerne vorzugsweise Phosphor- und eisenhaltige Eiweiß- stoffe vertreten sind (Nucleoproteide), die eine chemisch dar- stellbare Säure, die Nucleinsäure, enthalten. Wie der Zellenleib, so kann auch der Kern noch Nebenbestandteile — aller- dings in verschwindend geringer Menge und Anzahl — beherbergen: einzelne Kerne schließen Öltröpfchen, Kriställchen, Farbstoff- oder Pigmentkörn- chen ein. Das Zellenzentrum. Das Zellenzentrum (Cytozentrum, Mikrozentrum, Zentriol) stellt den allerkleinsten und auch erst in jüngster Zeit entdeckten Zellenbestandteil dar. Den Namen Zellenzentrum verdient es einmal wegen seiner oft mathematisch genauen Lage im Mittelpunkte der Zelle, hauptsächlich aber, weil häufig im Zellenleibe strahlige Figuren auftreten, die speichenförmig auf das Zellenzen- trum, auch bei exzentrischer Lage, zustreben. In deren Mitte liegt es, oft von einem hellen Hof umgeben, sehr häufig aber umhüllt von besonderen Schalen aus Protoplasma, das sich in seiner unmittelbaren Umgebung, zuweilen in meh- reren konzentrischen Lagen, verdichtet. (Zentralkörperchen, Zentrosoma, Fig. 4.) Größe und Zahl Das Zellcnzcntrum ist ein Kügelchen von etwa 2 Zehntausendstel Milli- tentren." mctcr Größc, CS stcht ctwa an der Grenze der Sichtbarkeit, läßt sich aber klar und deutlich in günstigen Fällen in der lebenden Zelle nachweisen und mit be- stimmten Farbstoffen gut und kräftig färben. Sehr häufig ist es ein Doppel- kügelchen (Diplosom Fig. 5), dessen beide Einheiten sich unter Umständen Fig. 3. Zelle mit- zweifachem Kern- körperchen oder Nucleolus. Nur der den Kern unmittel- bar umgebende Teil der Zelle ist ge- zeichnet. (Nach Obst aus Heiden- hain.) Zellenzentrum. Das Zellenzentrum 49 Fig. 4. Zellenzentren (s) von Zcntral- körperclieii {zk) umgeben, aus einem auch durch einen Verbindungsstrang, die Zentral- brücke, verknüpft zeigen. Seltener tritt es in Drei- und Mehrzahl auf, aber große Elemente, wie die Riesenzellen, können sehr viele, bis zu 100, ent- halten (Fig. 6). Bei solcher Menge reihen sie sich auch zuweilen zu ganzen Linienfiguren auf. Sel- tener sind die Zellencentra stabförmig, können in- des auch in V- oder X-Gestalt auftreten. Das Zentrum ist dem Zellenleib und Zellen- kern als Grundbestandteil des Elementarorganismus nicht ganz gleichwertig. Zwar scheint es nur wenigen tierischen Elementen zu fehlen, während die höheren Pflanzenzellen seiner ganz entbehren; indessen ver- bringt es bedeutende Perioden auch des Tierzellen- lebens ohne jede Beteiligung. Nur bei einem, aller- vorbereitungsstadiura zur Zellteilung diugs ciucm dcr wichtigsteu Geschehnissc dcs Lcbcns- des Eies eines Wurmes (Rynchelmis). ° Auch sieht man die Dotterkügelchen laufcS , bci dcr FortpflailZUng dcr Zcllc, Spiclt CS (^/), zu beiden Seiten des Kernes {/:) die . • i j_' t-> 11 i- 1 •• , ■• 1 > Zentren mit den Hüllgebilden. (Nach eiuc wichtigc Rollc, dic uus uoch Später naher be- VEjDovsKYu.MKAZEKausGuKwiTscH.) gchäftigcu soll. Es schclut — die neueren For- schungen auf dem Gebiete der Einzelligen-Lehre bestätigen diese schon früher ausgesprochene Vermutung — ein Kernbestandteil zu sein, der in den Zellen- leib übergetreten ist, vielleicht aber auch im Plasma sich bilden und entstehen kann. Besondere Beziehungen gewinnt es oft zu den motorischen Einrich- tungen der Elementarteilchen, den Flimmern, Geißeln, Wimperapparaten, die bei der Zellenbewegung zu betrachten sind. Zuweilen wird es daher auch als Bewegungszentrum oder Kinozentrum der Zelle beschrieben. Nichtzellige Organisationsform der lebendigen Substanz. Die weitaus größte Mehrzahl aller tierischen Lebewesen bedient sich als architektonischer Einheit in der Tat derartiger Elementarteilchen, wie sie als ,, Zellen" in ihren Grundbestandteilen geschildert wurden. Indessen ist die Zelle als solche, d. h. als abgegrenzte kleinste Einheit, durchaus keine unum- gänglich notwendige Voraussetzung für den Aufbau eines lebenden Körpers. Schon dasVorkommen viel- kerniger Zellen weist darauf hin, daß die Absonderung - eines bestimmten , genau begrenzten Protoplasma- ^ klümpchens um einen Kern herum zwar Regel, aber kein Gesetz, zwar das im allge- meinen verwandte Bau- mittel, aber nur eine von den Möglichkeiten aus- K.d.G. III. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. II Gestalt des Zellenzentrums. A B Nichtzellige Organisations- form. Fig. 5 ^ u. 5 j5. Zellcnzentren in Form von Doppelkömchen (d = Diplosoma) unmittelbar unter der Oberfläche der Zellen gelegen. k = Kern, / = Protoplasma, ö Bürsten- saum der Zelle. (Nach Heidbnhain.) Fig. 6. Riesenzelle au.s dem Knochenmark eines Kaninchens. k = Kerne, / = ZellerJeib, z = der Haufen von Zellenzentren. (Nach R. Krause.) 50 Heinrich PolL: Zellen und Gewebe des Tierkörpers macht, um lebende Bauten zu errichten. Wenn auch die größte Mehrzahl der Gebäude einer Stadt aus einzelnen Ziegelsteinen aufgebaut worden sind, so können doch auch Behausungen genau die gleichen Dienste leisten, deren Mauern aus einheitlichen Betonmassen hergestellt sind. In der Tat existieren im Körper große und ausgedehnte Teile, die jede Abgrenzung von Plasmabezirken um Synzytien. Kerne herum vermissen lassen. Man bezeichnet sie als Synzytien, Sym- p 1 a s m e n oder Plasmodien. So ist man nach neuen Untersuchungen zu der Auffassung gelangt, daß das ganze Herz der Säugetiere ein großes Synzytium darstelle. So kennen wir in dem Mutterkuchen der Säugetiere auf den ein- zelnen reichverzweigten zottenartigen Bestandteilen, die die Verbindung von Frucht und Mutter vermitteln, mächtige Protoplasmabeläge, zwischen deren zahllosen Kernen jede Andeutung einer zelligen Abgrenzung fehlt. Man ist daher mit Recht schon seit längerer Zeit von der Anschauung abgekommen, als ob in der Form der Zelle das entscheidende Kennzeichen für die Elementar- struktur der Tiere begründet sei. Sachs hat den Begriff der ,, Zelle" durch den Begriff einer Funktions- oder Leistungseinheit, die anatomische Vorstellung vom Elementarorganismus durch eine physiologische Anschauung ersetzt, und für diese kleinen physiologischen oder biologischen Einheiten den Namen der Energide. ,,Energiden" gewählt. Der weitere Fortschritt der Wissenschaft wird- — schon sind die ersten Ansätze deutlich zu erkennen — genau wie mit dem Zellenbegriff, der am äußerlichen Merkmal der Abgrenzung eines Elementarteiles haftet, auch mit dem Begriff eines notwendig abgrenzbar vorhandenen Kernes auf- räumen. Auch der Kern kann unbeschadet seiner besonderen Leistungen eine Begrenzung gegen die Umgebung, gegen den Zellenleib, wohl einbüßen, ohne doch als wesentlicher Zellenbestandteil zu verschwinden. Der Aufbau der Lebewesen aus Energiden würde im äußersten Falle derart zu verstehen sein, daß kernsubstanz- und zentrosomhaltige Plasmamassen das wahre Bauelement, das eigentliche Leistungselement des Tierkörpers seien. Lebenserschei- nungen der Zellen. Allgemeine Lebensverrichtungen der Elementarteile. Mit Hilfe ihrer Grundbestandteile verrichten die Elementarteile ihre Lebensaufgabe, die im wesentlichen auf vier Haupt-Lebensäußerungen beruht: 1. auf der Fähigkeit, Stoffe aufzunehmen, umzuwandeln und auszuschei- den oder dem Stoffwechsel, 2. auf der Fähigkeit, Reize aufxunehmen, weiterzuleiten und auf andere Elemente zu übertragen oder der Reizbarkeit, 3. auf der Fähigkeit, sich zu bewegen, oder der Beweglichkeit, 4. auf der Fähigkeit, sich zu vermehren, oder der Fortpflanzung. Obgleich nun der Elementarorganismus, sei er zellig oder nichtzellig ge- gliedert, bereits an und für sich zu diesen vier Grundleistungen befähigt er- scheint, so treten doch bei ihrer Ausführung im allgemeinen in großer Zahl neuartige Erscheinungen zutage. Jede lebendige Zelle vermag Stoffe aufzu- nehmen und auszuscheiden; eine Zelle aber, z. B. eine Drüsenzelle, die sich als Hauptaufgabe mit der Bereitung und Ausscheidung von Stoffen beschäftigt, Lebensverrichtungen der Elementarteile 51 Stofifaufnahme. gewinnt besondere Einrichtungen, die sie für ihre Aufgabe in bestimmter Weise besonders tüchtig machen, sie bildet z. B. besondere Abscheidungsröhrchen für ihre Produkte aus. Jede lebende Zelle vermag Reize aufzunehmen und in ihrem Plasma fortzuleiten ; nur wenige sind aber, wie z. B. die Nervenzellen, durch Aus- rüstung mit besonderen Apparaten, etwa den Nervenfibrillen tauglich geworden, diese Reizleitung als Eigenaufgabe zu versehen. Dieses Unterschiedenwerden der Elementarteile nach Leistung und Gestaltung bezeichnet man als, , Differenzie- rung". Sie wird verglichen mit der Arbeitsteilung in menschlichen Gemeinschaf- ten, bei denen jedes Mitglied neben seinen allgemeinen Fähigkeiten als Mensch, als Staatsbürger, noch besondere Aufgaben übernommen hat und für diese in höherem Grade ausgebildet ist. Während im jungen Keimling die Zellen zum größten Teile gleichartig aussehen, ,, differenzieren" sie sich mit dem Fortschritt der Entwicklung und dem Vorrücken des Alters zu besonderen Zellenarten. Die Stoffwechseltätigkeit der Zelle. ;, v^ltf:^^. Stoffwechsel. Die lebenden Elemente sind im fortwährenden Wechsel ihrer Bestandteile begriffen. Sie nehmen während der ganzen Dauer ihres Lebens Stoffe aus der Umgebung auf, verarbeiten sie in ihrem Körperinnern, verwandeln sie dabei in andere Substanzen und geben endlich Stoffe aus ihrem Leibe wieder ab. Gasförmige, gelöste und feste Substanzen kann die Zellesich einverleiben. Die Zufuhr von Gasen, insbesondere von Sauerstoff, ist eine der elementarsten Bedingungen des Zellenlebens überhaupt. Das Werkzeug dieser Aufnahme ist die äußere Zellenoberfläche, die für dieses allerwichtigste Gas durchlässig ist. Ebenso wird auch die Zellenoberfläche ganz oder zum Teil von Stofllösungen bespült, aus denen ihre Elementarteile Sub- stanzen aufzunehmen, zu ,, resorbieren", in der Lage sind. Der Me- chanismus dieser Resorption ist noch nicht hinreichend geklärt. Die Aufnahme von festen Stoffen durch die Zellen ist im Tier- leben nicht sehr weit verbreitet. Bekannt ist sie von den Darm- zellen einiger Würmer, vor allem aber von den Freßzellen oder Phagozyten, Freßzellen, die das Blut und die Gewebe der Tiere, auch des Menschen, in großer Zahl meist als frei bewegliche, teils aber auch als festsitzende Zellen- Individuen beher- bergen. Eine solche Freßzelle kriecht auf ihre Beute, etwa einen Bazillus, ein Blutkörperchen zu, umfließt diese mit ihrem Protoplasma und nimmt es ganz und gar in sein Zelleninneres auf. (Fig. 7, s. auch Fig. I, G.) Bei allen diesen Vorgängen überrascht eine Tatsache in besonders hohem waMfaUigkeit Grade : von dem Gemisch von Gasen, aus dem Vielerlei der gelösten Substanzen, unter den zahlreichen körperlichen Stoflteilchen wählt jede Zellenart nur ge- rade die Bestandteile zur Annahme aus, die ihr zusagen. Sie resorbiert den Sauerstoff, nicht aber die Kohlensäure; die Magenzelle entnimmt dem Blute andere Lösungen als die Nierenzelle, die Freßzelle stürzt sich hastig auf be- Fig. 7. Zwei in kurzem Zwischen- raum gezeichnete Ansichten einer farblosen Blutzelle vom Frosch in ihrer Tätigkeit als „Freß- zelle": sie hat ein Bakterium {b) in ihren Körper auf- genommen. (Nach MliTsCHNIKOFF aUS O. Hertwig.) 52 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers stimmte Bazillenarten, geht aber anderen mit Sorgfalt aus dem Wege. Der Mechanismus dieses Auswahlvermögens ist noch ganz unbekannt. stofFumsatz. Die derart aufgenommenen Substanzen werden nunmehr im Innern der Zellen verarbeitet. Das wichtigste Umsatzprodukt der lebendigen Zelle ist das Protoplasma selbst, das durch den Stoffwechsel der Elementarteilchen neu er- zeugt werden kann. Der Zelle eignet — natürlich nur bis zu einem gewissen Zellenalter — die Fähigkeit zu wachsen. Im späteren Leben beschränkt sich die Protoplasmaproduktion nur auf den Ersatz der beim Lebensprozesse ver- brauchten Bestandteile. Das Ende der Protoplasmaerneuerung aber bedeutet den Tod der Zelle. Man nennt die Fähigkeit der Zelle, aus andersartigen Stoffen eigenes Protoplas- :^i^f^; Fig. 8. Teil eines Durchschnittes durch die Drüsenbläschen [d] der menschlichen Bauch- speicheldrüse. Die Zellen sind gefüllt mit feinen Körnchen, den Zymogenliörnchen {z). Bei J ist ein Schaltröhrchen zu sehen, das die Verbindung zwischen Drüsenausführgängen und abscheidenden Bläschen vermittelt. (Nach R. Krause.) Fig. 9. Granula (g) in den Zellen einer Drüse aus dem Katzenraagen. k = Zellkerne, / =i Lichtung der Druse, b = bindegewebige Umhüllung des Drüsenschlauches. (Nach Arnold.) ma aufzubauen, den Vorgang der Assimilation. •'' '^^u''^'-. ^''^\- d^v^W''.} Ki^^ . /llf'f.M^M^:-:l^Mi^'^b As s i m il a t i o n. Werkzeug der As- similation ist nach den Erfahrungen der Zellenfor- schung immer nur die chemisch-phy- sikalische Fähig- keit bereits vor- handener Zellen. Über dieserwich- tigsten und allge- meinsten Aufgabe der Protoplasmabildung hinaus fällt den verschiedenen Zellenarten indes noch die Verrichtung zu, besondere Substanzen herzustellen, deren der Körper zu seinem Lebensprozesse bedarf. Das chemische Werkzeug dieser Wandlungsvor- gänge scheinen im größten Maßstabe besondere Substanzen von eigenartiger Be- schaffenheit zu sein, die sogenannten Fermente oder Enzyme, die man auch aus den Zellen befreien und für sich — ^allerdings noch nicht als chemische Kör- per — darstellen kann. Ihre Besonderheit besteht darin, daß ihre Gegenwart die Entstehung oder die Zerstörung chemischer Verbindungen in großem Maß- stabe zu bewirken vermag, ohne daß sie sich selbst darin verbrauchen oder auch in die Verbindungen eintreten. Jede Zellensorte scheint dabei, je nach ihrer Aufgabe, besondere spezifische Enzyme zu bilden oder zu enthalten. In manchen Zellen findet man die Enzyme oder Vorstufen zu ihrer Bil- Granuia. dung in der Form kleinerer Körnchen: und solche Körnchen oder ,, Granula" sind es besonders häufig, an denen oder in denen sich die zellenchemischen Vor- gänge abspielen, und die man dann geradezu als Organe des Stoffwechsels, als Stoffwechselorganelle bezeichnet (Fig. 8). Die mikrochemische Zellenuntersuchung wählt aus diesem Grunde die Zellenkörnelungen mit großer Vorliebe zu chemischen Studienobjekten und es Fermente oder Enzyme. Stoffwechseltätigkeit der Zelle 53 gelingt in der Tat oft mit Hilfe einfacher Reaktionen, über die chemische Natur, über Vergehen und Entstehen der Zellenkörnchen ins klare zu kommen. Als Produkte des Stoffwechsels treten in den Zellen des Darmes Fettkügel- Produkte des chen auf, die sich durch Schwärzung mit Osiumtetroxyd sehr deutlich nach- '^'° '^^'^ ^^*' weisen lassen. In den Zellen der Leber, in den Zellen der verschiedensten ande- ren Organe, zumeist im jungen, wachsenden Tiergewebe, finden sich Körnchen eines sonderartigen Kohlehydrates, des Gly cogens (Fig. 9). Andere Zellen schei- den in ihrem Innern Schleimkügelchen oder -fädchen aus, die sich zu großen Massen anhäufen können. Eine große Schar von anderen Zellenelementen be- herbergt Körnchen von unbekannter Zusammensetzung: z. B. die farblosen Blutzellen, und neuere Untersuchungen machen es sogar wahrscheinlich, daß sehr viele, vielleicht alle Zellenarten in ihrem Protoplasma Körnelungen führen. Die Zellen junger Embryonen ererben bereits von den Keimzellen eine Mitgift von Zelleneinschlüssen, die in der letzten Zeit besondere Bedeutung erlangt haben: die Fadenkörnchen oder Mit och ondrien (Fig. lo). Aus ihnen Mitochondrie«, sollen durch die Stoffwechseltätigkeit der Elemente eine große Anzahl von Zellenprodukten hervorgehen, indem sie gestaltlich verändert und chemisch umgewandelt werden. Fig. lO^J — U. ilitochondrieii (;//) im Zelleiileibe des Keimlings vom Huhn, bei D der Kern der Zelle in mitotischer Teilung begriffen. (Nach Mbves aus Heidenhain.) Insbesondere werden sie für die Anlagen der fibrillären Differenzierungen des Protoplasmas erklärt, für die Ausgangsprodukte der Bildung von bestimmten Stützeinrichtungen, der Fibrillen der gewöhnlichen Stützsubstanz, der besonde- ren Stützsubstanz in nervösen Organen, der Ausgestaltung von Bewegungs- organen, der Muskelfibrillen, von Reizleitungsapparaten der Nervenfibrillen. Solcherlei Formbestandteile, wie sie die chemische Umsatzarbeit herstellt, Formwidende befreien sich auch aus dem engen Leibe der Zelle, sie werden, wie man dies ^"z^eiiel. ^"^ gewöhnlich ausdrückt, von den Elementen ,, abgeschieden". In dieser Art ver- mögen die Zellen vielerlei Produkte auszuarbeiten, die sich selbst nur noch in geringerem Grade oder auch gar nicht am Lebensvorgange beteiligen. Die formbildende Tätigkeit der äußeren Körperzellen — aber auch solche innere Oberflächen bekleidender Elemente — scheidet an der Außenfläche derbere festere Häutchen ab: die Cuticulargebilde. In dieser Art entstehen die Cuticniargebiide als Chitin bezeichneten Hautdecken der Gliederfüßler, die Schalen der Muscheln und Schnecken, die derben lederartigen Oberflächenhäute mancher Würmer, z. B. der Rundwürmer. Andere Produkte der chemischen Zellenarbeit sind die Haargebilde, viele Skelettsubstanzen, die Kieselnadeln, die an den ,,Silikoblasten" genannten 54 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Beweglichkeit der Zellen. ~P Fig. II. Bildungszellen von Kieselnadeln (Spi) bei den Schwäm- men, k = Kern, p = Protoplasma. (Nach K. C. ScH.^EiDER.) Energiewechsel der Zellen. Elementen der Kieselschwämme aufgebaut werden, die Kalkbildungszellen der Stachelhäuter, die komplizierte Kalkgerüste entwickeln. (Fig. il.) Diesen mehr oder minder festen Plasmaprodukten stehen zur Seite die flüssigen und gasförmigen Abscheidungen der Elemente. Als flüssige Stoff- wechselerzeugnisse sind die mannigfachen Sekrete und Exkrete des Tierkörpers zu bezeichnen. Für die Abfuhr derartiger flüssiger Fabrikate bilden die Zehen, die sich mit der Seite der Lebenstätigkeit besonders be- schäftigen, die Drüsenzellen, besondere Abfuhrkanälchen aus,diemanZellenhaarröhrchenoderSekretkapillaren nennt (Fig. 12). Im Innenraume des Zellenraumes erscheinen feine wandungslose Röhrchen, die aus der Zelle herausführen, und sich außerhalb des Elementes als gröbere Kanälchen fortsetzen. Für die gasigen Plasmaprodukte, insbeson- dere das allgemeinste tierische Gasfabrikat im Stoffwechsel, sind besondere Abfuhrwege nicht vorgesehen : die Ableitung erfolgt auf dem Wege der Osmose. Hingegen sammeln sich in manchen gasbereitenden Elementen, wie sie in der Schwimm- blase der Fische gefunden werden, die Gasbläschen als feine Schaumvakuolen an, um dann entleert zu werden. Mit den Erscheinungen der Stoffwechseltätigkeit un- trennbar verbunden, dem Auge indessen, auch dem am schärfsten bewaffneten meist unzugänglich, sind die Auf- nahmen, Verwandlungen und Abgaben von Energiebeträ- gen, die bei jeder Arbeit entstehen und vergehen. Sie wer- den meist nur als Massenleistung merklich: die tierische Wärme, die Produktion von Elektrizität, von chemischer Energie findet im Aussehen der Elementarteile keinen Aus- druck. Nur für eine Art der Energieproduktion, für die Abgabe von Lichtkraft, besteht in gewissem Sinne eine Ausnahme. Der Mechanismus des Leuchtens der verschie- denen Tierarten ist ersichtlich ein verschiedener : man führt sie im aügemeinen aber auf den Vorgang der ,,Chemolumi- niszenz" zurück. Bei einzelnen Fröschen, beim Glühwürm- chen hat man nun nachzuweisen vermocht, daß die leuch- tende Substanz nach Art eines Sekretes von bestimmten Leuchtorganen, in diesen in den Leuchtdrüsenzellen produziert wird. Die zweite Grundlebenstätigkeit der lebenden Tierelemente ist die Be- weglichkeit. Die ,, Differenzierung" der Zellen beschränkt indes bei der weitaus größten Mehrzahl aüer Protoplasmen die Eigenbeweglichkeit in so hohem Maße, daß sie kaum oder gar nicht nachzuweisen ist. Dafür aber bilden andere Zellen- arten diese Fähigkeit bis zu einem überraschenden Grade aus. Bemerkenswert ist, daß die Keimzellen und ihre Bildungsstufen in einem hohen Grade Wan- derfähigkeit besitzen, und von ihr in bestimmten Lebensstadien in weitgehen- dem Maße Gebrauch machen. Man vermißt im Körper der höchsten wie der Fig. 12. Haarröhrchen im Innern der Zellen (s) und nach außen in den Gang {g) einer Magen- drüse hineinführend. (Nach K. C. Schneider.) Beweglichkeit der Zelle 55 Fig. 13. Wanderzelle aus dem Schwanz einer Molcli- larve, in Bewegung begriffen (nach HeidiiNHAin): die Zelle wurde in Abständen von so vielen Minuten ge- zeichnet, als die Ziffern angeben. Zelleib grau, Zellen- kern hell. niedersten Tiere kaum jemals die,,Wan- wanderzeUen. derzellen" oder wie sie nach ihren überaus ähnhchen Vertretern unter den Urtier- chen genannt werden: die,,Amöbozyten". Sie bewegen sich ohne besondere Bewe- gungsorgane durch Strömungsvorgänge im Zellenleibe. Man sieht aus dem Körper bald hier, bald dort einen Fortsatz sich vorwölben, die übrige Plasmamasse nach- fiießen, und so wird unter ständigem Ge- staltswechsel die Lage des Elementes zu seiner Umgebung verschoben. (Fig. 13.) Auch die zweite Art der Bewegungs- organe hat ihr Vorbild im Reiche der Ein- zelligen, in der Einrichtung beweglicher Fortsätze des Zellenleibes, der Wimpern Wimper- und und Geißeln. Wie mit einem dichten Pelze von allerfeinsten Härchen erscheinen ein- zelne Zellenarten an ihrerOberfläche über- zogen; sie heißt man ,, Flimmerzellen", weil ihre Außenflächen im ganzen Zusam menhange betrachtet dem Bilde einer unruhig wogenden Oberfläche gleichen, als ob man starre Konturen, die Linien eines Hauses, durch den Dunst eines Kohlen- beckens hindurch betrachte. Bei stärkerer Vergrößerung gewahrt man als Ur- sache dieses unruhigen Wogens das taktmäßig blitzschnell und in regelmäßiger Folge wiederholte Nicken oder Wippen der Wimperhärchen auf einer solchen Zellenoberfläche. Die Wimpern sind im Zellenleibe, ebenso wie die Geißeln, ge- wissermaßen befestigt oder verankert, und das Zentrum für die Bewegung scheinen feinste Körnchen — Basalkörnchen — zu sein, die, an der Basis der Wimperhärchen gelegen, den Zentriolen ähneln und von ihnen auch abgeleitet werden. (Fig 14.) Für Einzelhärchen der Elementarteile oder Geißeln, die in der Einzahl oder zu nur wenigen vereinigt vom Zellenleibe ausgehen, dienen als die besten Beispiele die Samenzellen vieler Tiere, die mit ihrem Flagellenschlag schnell, immer gegen den Strom, zu schwimmen imstande sind. (Fig. 15 S. 56.) Von dem Köpfchen dieser geißeiför- migen ,, Spermien" geht durch ■'X;5'®'f ff liiilüi BÄ, H Spermien, ein ähnliches Basalkörnchen oder dessen Analogon, das auch mit dem Zellenzentrum in inni- ger verwandtschaftlicher Be- ziehungsteht, ein Geißelf aden ab der zuweilen noch mit einer PJS- 14- Flimmerzellen, neben flimmerlosen Zellen, aus dem Neben- hoden vom Kaninchen. Die Flimmern wurzeln an den Basalkörnchen wellenförmig beWeglichenMem- dicht unter der Zellenoberfläche. In den flimmerlosen Zellen ist das , ..,,■. Zellenzentrum als Doppelkörnchen gut sichtbar. Oran ausgerüstet ist. (Nach von Lenhossek aus Heidenhain.) 56 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Fibrillen- bildungen der ZeUe. Muskelzellen. Reizbarkeit der Zellen. 9" } Die Differenzierung besonderer Bewegungselemente bedient sich der Pro- duktion spezieller Fädchen, die sich zusammenziehen und wieder auszudehnen vermögen, der sogenannten kontraktilen Fibrillen oder Myofibrillen. Diese zeichnen sich durch die merkwürdige Eigenschaft aus, das Licht doppelt zu brechen, wie der Kalkspatkristall in einem Polarisationsapparat. Solcherlei Fäserchen werden in vielerlei Zellenarten abgeschieden, die damit die Fähigkeit der Bewegung, der Kontraktilität, gewinnen. Sie kommen in der Tierwelt in zweierlei Ausgestaltungen vor: als einheitliche, homogene, glatte oder als zusammengesetzte Fibrillen, die oft die Neigung haben, sich zu Bündel- chen, den Säulchen, oder Leistchen von verschiede- ner Form zusammenzu- scharen. Die Fibrillen laufen ent- j, .^^ weder der Längsachse der \gr Muskelzelle parallel oder in zfi spiraligen Windungen; aus dieser Anordnung entsteht dann das Bild der schräg- gestreiften oder doppelt schräggestreiften Muskula- tur. Diese Erscheinung hat aber gar nichts zu tun mit der sogenannten ,, Quer- streifung": hier sind es die einzelnen zusammengesetz- ten Fibrillen, die sich von den glatten durch ihren ^« Fig. 15 Samenfäden verschiedener Tiere: i. vom Menschen, von der Fläche und von der Kante gesehen ; 2. von einer Fledermaus; 3. vom Schwein ; 4. von der Ratte ; 5. vom Buchfinken; 6. vom Seeigel. (Nach BALi.ownz, Köllker und VOM Rath aus Weismann.) Fig. 16. Nervenzelle des Menschen mit Neurofibrillen (yi"). ajc = Ab- gangsstelle des Achsenzylinders mit seinen Fibrillen, tien = Dendriten oder Protoplasmafortsätze mit ihren AufbaU aUS cinZClnCn QuCr- Fibrillen. x- = Übergangsstelle der . 1 • 1 Fibrillen von einem Dendriten zum schcibchcn Unterscheiden. anderen. /« = Lücken an der Stelle der Nissischen Körner. /:e = Kern (vgl. auch S. 48). (Nach Bethe aus Schnkider.) In regelmäßiger Folge an- einandergereiht wechseln solche Querscheiben, denen die Eigenschaft der Doppelbrechung zukommt, mit einfachbrechenden ge- wöhnlichen Scheibchen ab, die jene voneinander trennen. Man bezeichnet sie daher im Gegensatz zu den glatten als die quergestreiften Myofibrillen. Zu vielen Hunderten liegen sie vereinigt zu größeren Komplexen in Elementen mit vielen Tausenden von Kernen, während die glatten Fäserchen gewöhnlich nur zu wenigen in meist einkernigen Elementarteilchen sich zusammenordnen. Wir werden den verschiedenen Arten der kontraktilen Fibrillen bei der Betrachtung des speziellen Bewegungsgewebes im Körper wieder begegnen. Die Reizbarkeit der Zellenelemente, ihre dritte Grundeigenschaft, ist im Grunde und in ihren Anfängen von besonderen Zellenorganellen unabhängig. Auf den chemischen Reiz, auf den Lichtreiz hin reagieren Zellen mit Sicher- Reizbarkeit und Fortpflanzung der Zelle 57 Fortpflanzung der Zellen. heit und Beständigkeit, in deren Leibe keinerlei Differenzierungen anzutreffen sind. Die „Arbeitsteilung" schafft indes auch hier besondere Apparate in den Elementen, sowohl für die Reizaufnahme wie für die Reizabgabe oder Reiz- leitung. Auch diese Zellendifferenzierungen treten meist unter dem Bilde von Fädchen oder Härchen auf, die aber gewöhnlich starr sind. Vielerlei Sinnes- elemente, die Hörzellen, die Zellen für die Aufnahme der statischen oder Gleich- gewichtsreize, die Schmeckzellen, sind mit solchen Sinneshärchen ausgerüstet. Für die Reizleitung werden die Neurofibrillen (Fig. i6) in den Neuronenzellen Neurofibrillen, abgeschieden : so anlockend die Analogie mit den feinen Drähten der telegraphi- schen Einrichtungen erscheint, so ist doch heute noch kein einwandfreier Be- weis dafür erbracht, daß gerade die Neurofibrillen an und für sich und nicht vielleicht das die Fäserchen umgebende Zellenplasma oder Neuroplasma die Träger der eigentlichen Reizleitungsvorgänge seien. Die letzte und wichtigste all- gemeine Zellenleistung ist das Fortpflanzungs- oder Ver- mehrungsgeschäft der Ele- mentarteile. Auch diese Fähig- keit geht einer großen Anzahl von Zellen im Laufe der ,, Differenzie- rung" verloren, wenn sie gleich ursprünglich wirklich allen Zellen des Organismus zukommt. Die Erscheinungen der Zellenerzeu- ^. ,.. , ,- ^ , „ ., . . > • , , ° iig. 17. Direkte Kern- und /ellteilung (Aniitose) von einer farb- gung laufen zuweilen ohne jede losen Blutzelle des Frosches. .4. Kern soeben in Zerschnürung T-. , T^- ■ 1 begriffen. B. Kern zerschnürt. C. Zellenleib unmittelbar vor der Benutzung besonderer Einrich- voUendeten zerschnürung. Z>. Zellenteilung beendet. (Nach Arnold tungen des Elementarteilchens aus raubhr-kopsch.) ab, in anderen weit bedeutsameren Fällen treten spezielle Zellenorganelle in Erscheinung und in Funktion, die während des gewöhnlichen Zellenlebens, wäh- rend der Zellenruhe, nicht erkennbar, wohl auch nicht vorhanden sind. Der allgemeine Modus der Zellenvermehrung ist die Teilung der Elemente. In dem einfachsten Falle, bei der direkten Teilung zerschnüren sich Zellenleib Direkte Zeu- und Zellenkern in zwei mehr oder minder genau gleichgroße Hälften (Fig. 17)-"° emeiung. Meist macht der Kern den Anfang: er zerschnürt sich, die beiden Hälften haften eine Weile lang noch mit einem dünnen Faden aneinander, dieser Faden reißt durch. Gleichzeitig beginnt auch die Zelle, sich in die Länge zu strecken, sich an einer Stelle einzuschnüren, und mit der Trennung dieser Brücke ist die Teilung des Elements beendet. Vielfach unterbleibt auch die Zellkörperzer- legung und es entstehen auf diese Weise, z. B. in der Leber, zwei- oder noch mehrkernige Elemente. Auch Abschnürungen kleiner Kernpartikelchen führen zu einer Zerlegung des Nucleus, so daß auf diese Weise Kernfragmente in Ro- setten-, Rosenkranz- oder unregelmäßigen Formen zustande kommen können. Man hat in der letzten Zeit namentlich bei einzeUigen Wesen Erfahrungen ge- sammelt, die solche Kern- und Zellenzerschnürungen als unvollkommene Aus- 58 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers bildungsformen komplizierterer Teilungsvorgänge erkennen lassen. Jedenfalls spielen in den tierischen Organismen derlei einfache und direkte Zellenver- mehrungen eine nur untergeordnete Rolle. Indirekte Kern- Der wichtigcrc und häufigste Zellfortpflanzungsprozeß ist ein weit ver- und zeuteiiung. ^j^kelteres Geschehen. Zwar die Zerlegung des Zellenleibes vollzieht sich in der gleichen einfachen Art, aber am Kerne treten eine Anzahl bemerkenswerter Umgestaltungen und sonderbarer Bewegungsvorgänge auf. Die Umformungen modeln Kern- und Zellenbestandteile in mehr oder minder ausgesprochene Fädchengebilde um: von dem Auftreten dieser Fädchen (griechisch Mitos) hat Mitose, der Prozeß den einen seiner Namen, den der Mitose oder mitotischen Teilung Fig. i8. Schema der Zellteilung: Karyokinese oder Mitose. (Nach R.\L'BER-KoPscH verändert aus Weissenbero.) A. Kern der Zelle in Ruhe, Zentrum soeben geteilt, von der Plasmastrahlung umgeben. B. Färbbare Kemsubstanz, Chromatin, zum Kernfaden oder Knäuel umgewandelt, Kernmembran in Auflösung begriffen. Zentrenstrahlung weiter ausgebildet. C. Kernfaden in die Kernsegmente oder Chromosome zerfallen; Zentren auseinandergerückt, umgeben von der Polstrahlung, verbunden durch die Anlage der Spindel. D. Kernsegmente zum Mutterstern ge- ordnet, die Zentren an den Polen der Spindelfigur, umgeben von der Polstrahlung. E. Die Muttersternsegmente in die Tochterkernsegmente durch Längsspaltung zerlegt. F. Auseinanderweichen der Tochterkernsegmente. Tochter- sternfigur. G. Beginn der Einschnürung des Zellenkörpers, Tochtersterne weiter zu den Spindelpolen gerückt. //. Nahezu vollendete Durchschnürung des Zellenkörpers, Tochterkernsegmente beginnen sich an den Polen zu den Tochterknäueln zusammenzufügen, y. Vollendete Teilung der Zelle, färbbare Kernsubstanz zum Zustand des ruhenden Kerns zurückkehrend, Spindelfigur verschwunden, Kernmembran neu gebildet, Zellenzentren wieder als Doppelkörnchen im Plasma. erhalten. Von den Bewegungsvorgängen, die hierbei an der Kernsubstanz sich Karyokinese. abspicleii, iicnut man ihn auch Kernbewegungsteilung oder Karyokinese. (Fig. i8.) Der ruhende Zellenkern, dessen Bau oben geschildert wurde, gestaltet sich in dem ersten Akte, dem Vorbereitungsstadium oder der Prophase zu einem Kernfaden um: die Chromatinkügelchen reihen sich Körnchen neben Körn- chen aneinander, so daß schließlich der ganze färbbare Kerninhalt aus einem Faden, gebildet aus allen Chromiolen, besteht, die der Ruhekern einschloß. Dieser Faden, einem enggewundenen Knäuel gleich, zerfällt alsbald in einzelne Chromosome. Stücke, dic Kemsegmentc oder Chromosome, deren Anzahl für jedes Tier, für jede Pflanze ein für allemal feststeht: stets tritt bei allen Kernteilungen der gleichen Lebewesenart die gleiche Chromosomenzahl auf. Sie schwankt Kern- und Zellteilung rg dabei in weiten Grenzen: die niederste Zahl, die man bis jetzt auffinden konnte, ist zwei, eine der höchsten i68. Der Mensch besitzt wahrscheinlich, wie viele andere Tiere und Pflanzen auch, 24 Chromosome. Diese Umformungen im Kerne, der seine Membran auflöst und nunmehr mit dem Protoplasma frei verschmilzt, begleiten Wandlungen im Zellenleibe. Das Zellenzentrum spaltet sich — wenn es nicht zuvor schon ein Doppelkörnchen gewesen war — in zwei Kügelchen, um das sich das Protoplasma in Form von prächtigen sonnenartigen Strahlungen anordnet, die man in der lebendigen Zelle gut wahrnehmen kann. Die neuen Zentriolen rücken auseinander, und zwischen ihnen bildet die Proto- plasmastrahlung eine Spindelfigur, in derenÄquator sich die Kernsegmente regel- mäßig sternförmig zu einer Platte gruppieren. Die Centra sind jetzt an die Pole der Spindel gerückt: das zierliche Bild, das jetzt die Zelle darbietet, heißt man den Mutterstern oder den Monaster der Kernteilung. Diese Figur bedeutet den Höhepunkt des ganzen Ereignisses, das Vorbereitungsstadium ist abgeschlossen: es beginnt das Hauptstadium nun, die Metaphase. Ihr wichtigstes Geschehnis ist der springende Punkt des gesamten verwickelten Mechanismus: die Kernsegmente spalten sich ihrer Länge nach in zwei gleiche Hälften; aus den Mutterchromosomen werden die Tochterchromosome. Jede Teiihälfte gleitet nunmehr auf einen Spindelpol zu, die eine nach dem oberen, die andere nach dem unteren, niemals beide zu dem gleichen Zentriol hin. Dadurch wird eine fast mathematisch genau gleichmäßige Verteilung der zu den Kernsegmenten vereinten Chromiolen erzielt. Zumeist wandern die Chro- mosome, wenn sie u-förmige Gestalt besitzen, mit ihren geschlossenen Schen- keln polwärts: aus dem Mutterstern sind die Tochtersterne oder der Dyaster entstanden. Damit tritt der Kern in die Anaphase seiner Teilung ein, begibt sich auf den Rückweg zur Bildung eines Ruhekernes. Auch der Zellenleib be- ginnt nunmehr seine Teilung: er schnürt sich in den Äquator durch eine Ring- furche ein, und während die Tochterchromosome sich an den Polen sammeln, schneidet die Ringfurche, immer stärker und stärker sich vertiefend, durch den ganzen Zellenleib hindurch. Die Spindel, noch eine Zeit lang sichtbar, wird dabei zusammengeschnürt, wie ein Bündel von feinen Drähten. Der Endakt, die Telophase der Teilung, führt den Kern wieder völlig in den Ruhezustand über. Die Chromosome legen sich mit ihren Enden aneinander, bilden wieder einen undeutlichen Knäuel, zerteilen sich in ihre kleinen Chromiolen. Die Kernmembran tritt wieder auf, das Liniennetz erscheint, die Plasmastrahlen schwinden und in den beiden jetzt völlig voneinander abgeschnürten Tochter- zellen liegt der ruhende Kern, der alsbald wieder in eine neue Teilung einzu- treten vermag. Oft vermag man noch an der Lage der Elemente zueinander zu erkennen, welche Zellen aus einer Mutterzelle hervorgingen. Dieses Schema wird nicht immer innegehalten, es gibt abweichende Mito- sentypen, vor allem treten die Chromosome oft in andersartiger Gestalt auf, als Kügelchen, als bohnen- oder nierenförmige Gebilde. Zuweilen erkennt man deutlich, daß sie von verschiedener Form sind und dann findet sich oft die gleiche Gestalt zweimal vertreten. (Fig. 19.) Wichtige Unterschiede von 6o Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Vereiuiguntf lier ZeUen zu Geweben und Organen. Kig. 19. Ansicht der Aquatorialplatte einer iCernteilungsfigur aus dem Hoden eines Käfers , zur Erläute- rung der verschiede- nen Größe und Gestalt der Chromosome. (Nach AViLSON.) diesem normalen Geschehen hegen vor, wenn ein Chromosom ungeteilt in nur eine der Tochterzellen übergeht: Erscheinungen, die zumal bei der Bildung der Geschlechtszellen vorkommen und für die Lehre von der Vererbung besondere Bedeutung ge- wonnen haben. Atypische Mitosen spielen sich mit Vorliebe in krankhaft veränderten Zellen ab, z. B. in den bösartigen Neubil- dungen beim Menschen und Tieren. Fig. 20. Morula oder Maul- beerlarve, ein ZeUenhaufen, hervorgegangen aus der Zell- teilung eines befruchteten Eies vom Lanzettfischchen. (Nach CüRFONTAiNE aus KORSCHKLT und Heider.) Gestalt und Leistung der Gewebe. Die Gewebe und Organe des Tierkörpers. Im Körper der höheren Tiere und Pflanzen leben die Elemen- tarteile nicht wie bei den Urtierchen und Urpflanzen, den Ein- zelligen, für sich allein, sondern im Verbände mit vielen ihresgleichen. Dieses Zusammenleben übt in hohem Maße eine umgestaltende Wirkung auf Bau und Leistung der Einzelelemente aus. Die Zellen müssen sich einander anbe- quemen, sie müssen Vorrichtun- gen entwickeln, um ihren Zusam- menhang zu wahren, sie müssen die vielfältigen Aufgaben des Or- ganismus in gemeinsamer Ar- beit lösen, nicht jede auf eigene Faust, sondern im geordneten Zusammenwirken mit ihren Schwestern. Das geht nun sicher nicht ohne Einbuße ab für das Einzelelement, sie müssen sich in die vorhandene Nahrung, in den verfügbaren Raum teilen ; das bedeutet aber architektonisch und funktionell auch die Möglichkeit, neue und verwickeitere Aufgaben zu bewältigen. Die Bedingungen gegenseitiger struktueller und funktioneller Anpassung erreichen die Elementarteilchen auf dem Wege der Gewebebildung. Gewebe sind Zellengemeinschaften ursprünglich gleichartiger Elemente, einschließlich ihrer Umwandlungsprodukte, befähigt zu einer einheitlichen bestimmten Leistung. Gestalt und Verrichtung der Gewebe hängen von vielerlei verschieden- artigen Bedingungen ab; als hauptsächliche unter ihnen erscheinen : die Art der Zusammenfügung der Einzelelemente, die Beteiligung von mehrfachen und sonderartigen Bestandteilen am Aufbau des Gewebes, die Verwendungsart des Gewebes im Ganzen des Organismus. Diese verschiedenen Prinzipien lassen sich nicht immer klar voneinander scheiden, sondern arbeiten in ihrem Wirken gegeneinander und miteinander in oft nicht immer durchsichtigem Walten. Nur die inneren Bedingungen liegen klar zutage: einerseits werden die Ge- webe im Dienste abweichender, differenter Architektonik und Funktion um- gemodelt: das sind die Differenzierungserscheinungen; andererseits Fig.2i. Schnitt durch eine Keim- blase (Rlastula) vom Lanzettfisch- chen. Die Innenhöhlung (//) wird umschlossen von epithelial zusam- menhängenden ZeUen , in einer Schicht geordnet, k = Kern der Zellen. (Nach Hatschek aus O. Hertwig.) Gewebe und Organe des Tierkörpers ' 5 1 unterliegen sie dem Prinzip, in sich und mit den anderen Geweben neue höhere Einheiten aufzubauen und mit diesen verbunden Arbeit zu leisten: das sind die Integrationserscheinungen. Differentiation und Integration schreiten untrennbar aneinander gefesselt, Hand in Hand einher, die eine ist ohne die andere nicht vereinbar mit dem Fortbestande eines gesetzmäßigen Lebens- prozesses. Zellenverbände von lockerer und straffer Fügung, von der Beweglichkeit einer Flüssigkeit bis zur Steinfestigkeit des Elfenbeins finden sich im Tierorga- nismus nebeneinander. Dies sind beides die extremen Glieder einer Reihe vielstufiger Übergänge, die keine Aufzählung zu erschöpfen vermag. Die Mittel und Wege, die sich die Elementarteilchen schaffen, um sich zu Verbänden zusammenzufügen, sind überaus verschiedener Art. Oft erzeugen die Zellen nur verschwindende Mengen einer klebrigen Kittsubstanz, mittels Kittsubstanzen. derer sie dann oft locker, oft sehr fest aneinander haften. Oder sie produzieren Verzahnungen, die ineinandergreifen, verbinden sich durch feine zarte oder derbe faserige Brücken miteinander. In anderen Fällen liefern sie auf irgend- einem Wege eine Substanz von flüssiger, fest-weicher oder ganz harter Be- schaffenheit, die sie zwischen sich einschieben, in die sie sich einbetten und mit Hilfe derer sie sich miteinander vereinen. Nur wenige Elemente bewahren sich auch im Gewebeverband eine beschränkte oder unbeschränkte Bewegungs- freiheit und kriechen und wandern innerhalb oder auch außerhalb seiner Gren- zen von Ort zu Ort oder vermögen wenigstens sich auszudehnen oder sich zu- sammenzuziehen. Welches von diesen Mitteln das Gewebe im einzelnen sich dienstbar macht, hängt vermutlich ganz von seiner Aufgabe ab, oder dem Platze, auf den es im Laufe der Entwicklung des Lebewesens gewiesen wird. Ein Haufen von Zellenkugeln, entstanden aus der fortgesetzten Teilung einer tierischen Eizelle, durch geringe Mengen einer klebenden Kittsubstanz an- einandergehalten: das ist ein Zustand des tierischen Organismus, wie er bei jeder Entwicklung durchlaufen wird, und wie er jeder Gewebebildung voraus- geht (Fig. 20). Alsbald aber wird er mit dem Fortschreiten der Zellen- teilungen abgelöst von der Bildung eines ersten ganz primitiven Urgewebes: die Zellenelemente verlieren ihre kugelige Gestalt, pressen sich aneinander und bilden miteinander verklebend eine einfache Zellenlage, ein feinstes Häutchen, ein Keimblatt, wie es die Entwicklungsgeschichte nennt (Fig. 21). Gewebe, deren Urbild diese Form der Zellenfügung ist, bei der im wesent- lichen eben lediglich Zellen, durch minimale Klebemengen aneinander gekittet, den Elementarverband aufbauen, heißen Epithel ien.-*^) Solche Epithelien oder F<:pitheigewebe epithelialen Zellenverbände spielen im tierischen Organismus die wichtigste Rolle: es gibt kein einziges Tier, in dessen Leib nicht Epithelien vorhanden sind. Alle anderen Gewebeformationen können fehlen — nur niemals das *) Dieser Name leitet sich ab vom griechischen ctti auf Br\Kr\ Brustwarze. An der Leiche löst sich leicht ein feines Häutchen an der Brustwarze ab, das von dem holländischen Anatomen Ruysch als „EpitheHum" zuerst benannt und späterhin als Beispiel für alle diese feinen Hautbildungen zu einem allgemeinen Fachausdruck verallgemeinert wurde. 52 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Epithel; wie es denn auch dem Ursprünge nach die Ausgangsform aller anderen Gewebeverbände darstellt. Aus dem epithelialen Zellengefüge wandern schon frühzeitig einzelne Ele- mente aus, die sich in den schleimig-gelatinös-wässrigen Abscheidungsproduk- ten der Keimlingszellenlagen verteilen. Damit ist der Typus einer andersartigen Formation geschaffen, bei der die zelligen Elementarteilchen nicht mehr dicht und unmittelbar aneinanderschließen, bei dem außer den zellulären Bestand- teilen noch Abscheidungs- oder Verwandlungsprodukte von Zellen als Substanz zwischen den Zellen eine wesentliche Rolle spielen: das ist der Typus der Grundsubstanz- Grundsubstanzgewcbc, auch Stütz- oder Bindesubstanzgewebe genannt, sewe e. _^^.j ^.^ vorzugswcisc, aber nicht ausschließlich, mechanische Funktionen im Körper erfüllen. Außer den Epithel- und den Grundsubstanzgeweben kommen auf den höheren Stufen der tierischen Entwicklung noch zwei andere Gewebeformen zur Ausbildung, die an sich höhere Spezialisierungen der einfachen Gewebe dar- stellen und deren Arbeiten ursprünglich von den Urgeweben mitausgeführt Muskel- und wurdcu t das sind das Muskelgewebe und das Nervengewebe. Jenes faßt . ervengewe e. ^.^ kontraktilen Elemente des Tierkörpers zu spezieller Arbeit, in eigentüm- licher Architektonik zusammen, dieses die reizleitenden und reizaufnehmenden Elementarteile mitsamt ihren eigenen Stützeinrichtungen. Das Epithelgewebe. Epithelgewebe. Das Epithclgcwebe deckt die äußeren und inneren Oberflächen der tieri- schen Organismen, es überzieht als feine, ununterbrochene Lage die Haut- außenfläche, die Innenflächen des Darmkanales mit allen seinen An- hängen, der Ausscheidungs-und Fortpflanzungsorgane, des Gehirn- und Rücken- marks usf. Die Regel, daß im tierischen Bauplan die Epithelien und ihre Abkömm- hnge die oberflächlichen Körperlagen, daß sie die Grenzschichten gegen die Außenwelt bilden, wird nur selten durchbrochen. Nur ausnahmsweise treten andere Gewebeformen unter Verlust des epithelialen Deckmantels an die Ober- fläche, z. B. am Geweih der Hirsche oder anderer Geweihträger, und auch hier ist das nur eine vorübergehende Erscheinung. Ursprünglich wird die Außen- lage jedes tierischen Organismus immer von einer Epithelhülle gebildet. Das geht soweit, daß auch alle die Räume, die mit der Außenwelt in irgendeiner noch so mittelbaren Verbindung stehen, die durch Umwachsung in den Körper eingeschlossen wurden, immer von Epithelien ausgekleidet bleiben. Aber auch wahre Binnenräume des Körpers werden von dieser Gewebe- form austapeziert und außerdem senkt es sich in die Tiefe des Körpers hinein und bildet die Hauptabscheidungseinrichtungen des Tierkörpers, die Drüsen. Bau der Au dcm Aufbau eines Epithels können sich nur eine einzige oder auch ^' ^ ""■ mehrere, oft sehr viele Lagen oder Schichten von Zellen beteiligen, so daß Häut- chen recht verschiedener Mächtigkeit entstehen, von der Zartheit einer hauch- feinen Membran mit weniger als einem Tausendstel Millimeter Dicke, wie z.B. Epithelgewebe 63 das Epithel des Bauchfelles, des Lungenfelles und der Herzbeutelhöhle, bis zu der derben widerstandsfähigen Epithelbedeckung einer Rhinozeros- oder Elefanten- oberhaut. Man unterscheidet nach der Zahl der Zellenlagen einschichtige oder ungeschichtete und mehrschichtige oder geschichtete Epithelien. Die Gestalten der Elemente, die sich zum Epithelverbande zusammen- schließen, lassen diese Gewebeart in mehrere Hauptgruppen einordnen. Bei den einfachen ungeschichteten Epithelien entscheidet naturgemäß die Form der Elemente in der einzig vorhandenen Zellenlage. Anders ist es bei den ge- schichteten Epithelien. Hier richtet sich die Benennung nach der jeweilig zu oberst, zu äußerst gelegenen Zellenformationen: denn sie ist es, die den spe- zifischen Funktionsdienst verrichtet, während die in der Tiefe ruhenden Ele- mentarteilchen in der Regel für den Ersatz der verbrauchten, zugrunde ge- henden obersten Zellenlagen bestimmt sind, und mithin eine Keimschicht, ein Ersatzlager darstellen. Während die oberen Schichten in der Regel recht dicht aneinandergefügt sind, liegen zwischen den Ersatzzellen oft enge Spalten oder Hohlräume, die dem Saftstrom den Durchtritt gestatten, hin und wieder sogar auch einer Wanderzelle oder sogar vielen von ihnen das Passieren erlauben, die dann auch die obersten Zellenlagen durchdringen. Die einfachsten Grundformen der Epithelialelemente sind die platte, diewür- Gestalt der felförmige und die zylindrisch-prismatische Gestalt: bei der ersten Form bleibt der Dickendurchmesser hinter allen anderen Abmessungen der Zelle weit zu- rück, sie ähnelt einer flachen Scheibe, einer Fliesenplatte oder einem großen Pflasterstein. Bei der kubischen Gestalt halten sich Dickendurchmesser und Breitenmaß im großen ganzen die Wage, bei der zylindrischen Form ist die Grundfigur eine aufrecht stehende Walze oder ein stehendes mehrkantiges Prisma; der Höhendurchmesser übertrifft die anderen Dimensionen der Zelle bei weitem. Nur ist zu bemerken, daß an dieser Form die mannigfachsten Ab- weichungen vorkommen; besondere innere und äußere Differenzierungen der Deckzellen verwischen oft die Eigenform bis zur Unerkennbarkeit. Epithelien, deren Elemente dünnen, flachen Platten gleichen, die mit piatten- ihrer Unterfiäche dem Grundboden aufruhen, mit ihren Rändern Kante an Kante sich den Nachbarelementen anfügen, heißen Platten- oder Pfiaster- epithelien. (Fig. 22 u. 23 s. S. 64.) Beim geschichteten Plattenepithel ist es nur wieder die oberste Zellenschicht, die aus solchen Zellenscheiben zusammengefügt ist: die Elemente der unteren Lagen sind im allgemeinen von rundlicher oder polyedrischer Gestalt, die un- tersten, die an die Bodenfläche angrenzen, haben an dieser Stelle zum min- desten eine ebene Grundfläche. Einfache Plattenepithelien kommen zumeist zur Verwendung, wenn die schützende Deckhülle möglichst zart, möglichst fein, möglichst durchlässig für den Stoffaustausch, sei es gasiger oder flüssiger Art, ausgestaltet werden soll. Die Atmungsorgane, in denen sich der Gaswechsel zwischen Körpersaft und Umgebungsmittel vollzieht, die Teile der Exkretionsorgane, denen Flüssigkeits- abscheidungen, einem Filtrationsprozesse vergleichbar, obliegen, benutzen an epithelien. 64 Heinrich PolL: Zellen und Gewebe des Tierkörpers zweckdienlichen Stellen, so in den Lungenbläschen und den Nierenkörperchen, diese Epithelart zur Lösung ihrer Aufgaben. Recht im Gegensatze dazu stellen die geschichteten Plattenepithelien die wahren Panzereinrichtungen des Tierkörpers. Wo der zartere, weichere Körper gegen die rauhen Angriffe der umgebenden Welt sich zu schützen gezwungen ist, da liefert das geschichtete Plattenepithel Schutz und Schirm. Dem zer- störenden Einfluß von Luft und Wasser, der schneidend harten Kieselhäute der Nährgräser, setzt in der Haut der Wirbeltiere, in Mund, Speiseröhre und Magen der Wiederkäuer das geschichtete Plattenepithel und seine Abkömm- linge seinen Widerstand erfolgreich entgegen. (Fig. 24.) Mehrschichtige Epithelien mit ganz ähnlicher Aufgabe und ähnlichen For- mationen schützen die langen Wege, die zur Ausfuhr der wässrigen Abscheidun- gen des Kör- pers beim Menschen und den höheren Tieren dienen, die Gänge und Reservoire für die Harnab- sonderung. Nur sind hier die obersten Zellenlagen nicht immer plattgestaltet, das ist viel- mehr nur der Fall im Zustande der Dehnung, z. B. bei vollkommener Anfüllung der Harn- blase mit Flüssigkeit. Bei der Entleerung, bei der Zusammenziehung werden die Deckschichtzellen ganz dick und rundlich, während die Wand sich in Fal- ten legt: erst mit erneuter Füllung dehnen sich die Elemente wieder zu platten Schuppen aus. So leistet auch hier diese Epithelform physikalischen Schutz- und Anpassungsdienst gegenüber den Einwirkungen nunmehr körperfremd ge- wordener Ausscheidungsstoffe. Man hat diese Epithelformation mit dem Übergangs- schlcchtcu Namcu ,, Übergangsepithel" bezeichnet. Den physikalischen Aufgaben wird das ,, Deckepithel" noch in weiter- gehendem Maße gerecht durch Umgestaltungen und Produkte, die es im ge- gebenen Falle entwickelt. Zweierlei Wege stehen ihm offen. Entweder wandeln sich die Zellenelemente ganz und gar selbst in überaus widerstandsfähige Substanzen um, sie ändern ihre chemische Zusammensetzung und damit ihre Lebenseigenschaften. Oder aber sie beginnen Stoffe abzusondern, während sie selbst ganz oder zu ihrem größten Teile in ihrer alten Form erhalten bleiben. Fig. 22. Schema eines einfachen Platten- epithels. (Nach TouRNEAus aus Rauber- KOPSCH.) Fig. 23. Einfaches Plattenepithel von der Fläche gesehen, vom Bauchfell einer neu- geborenen Ratte, k =^ Kerne, g = ZcUen- grenzen. (Nach R. Krause.) epithel. Plattenepithel 65 Die erste Methode schlägt das geschichtete Plattenepithel der Körperhaut bei den Wirbeltieren ein — von den niedersten Fischformen abgesehen. Die jeweils an der Oberfläche, in unmittelbarer Berührung mit Luft und Wasser gelegenen Zellen, verwandeln sich in Hornsubstanz; die eigentlichen Hörner verhomung. der Wiederkäuer z. B. sind selbst im Grunde nichts weiter als solche Mäntel derartiger Substanz, die sich an den Stirnknochenzapfen zu besonderer Mäch- tigkeit entwickeln. Auch Hufe und Klauen, Nägel und Krallen, Schuppen, Haare und Federn sind solche besondere Hornorgane, die der Metamorphose des geschichteten Deckepithels der Körperoberfläche ihre Entstehung ver- danken. Das weiche, zarte protoplasmareiche Element der unteren, der Ersatz- schichten desEpithels steig*-, je älter es wird, von nachrückenden jüngeren Schwe- stern emporgedrängt, in die oberen Lagen empor, wird rundlich, dann platt und in seinem Leibe erscheinen feinste Tröpfchen einer Substanz, Keratohyalin genannt, das man früher, wie das in der nächsthöheren Schicht abgelagerte durch- sichtige Eleidin, für eineVorstufe desHor- nes hielt, in das sich allmählich das gesam- te Schüppchen ver- wandelt. Bei den meisten Wirbeltieren werden die verhorn- ten Zellen als Ganzes im Zusammenhange abgestoßen, so z.B. bei der Häutung der Schlangen (Natternhemd). Bei denVögeln und Säugetieren gehen andauernd die obersten in Hornsubstanz verwandelten Schüppchen ver- loren und ersetzen sich rasch durch den Nachschub von unten. Die Hornschüpp- chen kann man in jedem warmen Waschwasser, an jedem Pferdestriegel in Massen abgestreift finden. An der Haut der höheren Wirbeltiere verlieren die Zellen dabei ihre Kerne, die aber z.B. am Nagel vollkommen sichtbar erhalten bleiben. Den notwendigen ausgiebigen Schutz der empfindlichen Körperdecke ver- schafft sich das Deckepithel anderer Tierstämme durch Abscheidung sehr widerstandsfähiger Hüllen. Der mechanischen Leistung wird entweder durch Erzielung lederartiger Festigkeit, z. B. in der Haut vieler Würmer, oder durch die Härte eines Panzers genügt. Die Gliederfüßler, z. B. die Insekten und Krebse, entwickeln in der zarten plattenförmigen, einschichtigen Zellenlage ihre Hautbekleidung als ein zuerst feines zartes, dann durch Anfügung immer neuer Schichten mächtiger und fester werdendes Häutchen, die Chitinbeklei- dung ihres Körpers. (Fig. 25.) Man bezeichnet solche Abscheidungen, Umwand- lungen der äußersten Schichten des Zellenprotoplasmas als Oberhäutchen- oder Cuticularbildungen. In der Regel sind sie sehr feine und zarte Häutchen — Cuticuiar- wir werden ihnen bei anderen Epithelformen wieder begegnen — hier nehmen ' "°^''°' sie sehr mächtigen, unter Umständen ganz gewaltigen Umfang an, so daß sie K. d. G. III. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. II c Fig. 24. GescHclitetes Plattenepithel von der Horn- haut des Menschen. (Nach R. Krause.) Fig. 25. Epithelzellenlage (A) oder Hypodermis einer Blattwespe mit abgeschie- denem Chitin-Oberhäutchen {c/i) oder Chitin-Cuticula. (Nach R. Hertwig aus O. Hertwig.) 66 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers förmliche Schutzschilde oder Gürtel bilden. Bei den Krebsartigen werden diese Panzer durch Verkalkung noch widerstandsfähiger : jede Hummerschere gibt von dieser Eigenschaft ein gutes Bild ! Ja, das platte Deckepithel, hier Hy p o - dermis genannt, weil sie unter dem Panzer liegt, leistet noch mehr. Sie sorgt, wie an dem Hornüberzug der Wirbeltierhaut, auch für den Ersatz. Der Panzer wird dem wachsenden Krebs z. B. zu eng, er wird abgestreift und schon haben unter ihm die hypodermalen Zellen begonnen, einen neuen zu produ- zieren, der vorerst — im Stadium der ,, Butterkrebse" — noch weich und zart ist, alsbald aber dick und hart wird. So erneut sich die Tätigkeit des Deck- epithels Jahr für Jahr. Ähnlichen Vorgängen verdanken die Schalen der Muscheln und Schnecken ihren Ursprung, wenngleich hier nicht die ganze Körperoberfiäche, sondern bestimmte Hautfalten, Mantel genannt, mit ihrem Epithel die Abscheidung der Hartstoffe übernehmen. Es sind das übrigens durchaus nicht immer platte Zellenlagen, sondern oft auch kubische und noch höhere Elemente, wie denn überhaupt bei allge- mein-biologischer Betrachtung die Form der Zelle hinter derEigenart ihrer Leistung oft an Bedeutung in denHintergrund tritt. Dafür ist ein treffendes Beispiel dieUn- sicherheit der Benennungsweise, die häu- fig bei den nicht ausgesprochenen platten und nicht deutlich zylindrischen Epithel- formationen zutage tritt: man muß sich da häufig mit den Ausdrücken: platt-ku- Kubisciies bisch, nicdrig-zylindrisch usf. helfen. Kubische, oder besser prismatische Epithe- ^Ipitheh'^ "^^lien, deren Elementarteilchen nebeneinander liegen, wie etwa die Steine eines Fahrdammpflasters, kommen so gut wie niemals in Schichtung, sondern fast stets in einer Zellenlage, als ein einfaches Würfelepithel vor. Ihre Allgemeinauf- gaben beruhen weniger im Decken und Schützen der Unterlage, sondern mehr in chemischen Leistungen: der Produktion und Absonderung von Substanzen im Dienste des Organismus ; sie teilen diese Fähigkeiten mit dem Prismenepithel, mit dem sie unter vielen Gesichtspunkten gemeinsam behandelt werden können. Beide ruhen nicht mehr mit einer relativ großen Fläche ihrer Unterlage auf, sondern erheben sich über deren Ebene beim zylindrisch-prismatischen Epithel oft zu recht ansehnlichen Höhen (Fig. 26). Sie sind nicht einfach mit ihren Seitenflächen aneinander geklebt, sondern verfügen noch über eine besondere Kitteinrichtung, die sich überall da auszubilden scheint, wo es sich um festen An- und Abschluß von Elementarteilchen aneinander handelt, z. B. auch bei den obersten Zellenlagen des vorhin geschilderten ,, Übergangsepithels". Diese Kittsubstanz umrahmt das Oberende einer jeden Zelle mit einem festen, dichten, aber sehr feinen Leistchen (Fig. 26). Miteinander bilden sie eine Art Gitter oder Netz, in deren Maschen die Zellenoberenden fest darin stecken. Wenn die Form der Elemente recht regelmäßig prismatisch vieleckig ist, dann Fig. 26. Schema des Prismen- oder Zylinderepithels. / = Zellenleib, k = Kern der Zeilen, .f = Schluß- leisten. (Nach TouRNEAUx aus Stöhr.) Zylinderepithel 67 sieht auch das Schlußleisten netz von der Fläche her wie ein zierliches Schiußieisten. Drahtgitter aus. Auch hier beim kubischen und zylindrischen Epithel spielen Häutchen- bildungen am Zellenoberende eine wichtige Rolle. Säume, aus feinsten Borsten oder Härchen gebildet, die im Plasma der Zelle stecken, bedecken die Ober- fläche: zwischen ihnen scheinen feine Poren die Verbindung der Umwelt mit den Zellenräumen zu vermitteln. Der Darm, die Nierenzelle, tragen solche ,,Cuticularsäume"in schöner Ausprägung: oft erscheinen sie auchganz homogen. Diese Zellenfortsätze sind in sich starr und unbeweglich, wenn sie auch viel- leicht unter besonderen Umständen von der Zelle aus eingezogen werden können. Von ihnen unterscheiden sich die beweglichen Zellenhärchen durch ihr lebhaftes Fig^. 27. Haut des Mageiiraumes eines Polypen, nä = Nährzellen mit Geißeln (g). sck/e^Sic\\\eim- zeUen, zöo^Zooclilorellen, kleine Algenzellen, die in der Wand des Magens dauernd leben. (Nach O. Hertwig aus Schneider.) Fig. 28. KragengeißelzeUen aus dem Magen- kammerraum eines Schwammes (Sycon rapha- nus) : die Geißeln ig) sind mit einem Basalkorn (hk) versehen und haften mit einer Geißelwurzel (^) in der Zelle, die am Oberende einen feinen kragenartigen Fortsatz [kr) trägt, k = Kern der Zelle. (Nach K. C. Schneider.) Fig. 2g. Nierenzelle einer Salamanderlarve mit einer Geißel, deren Basis nahe den Zentren der Zelle ge- legen ist. (Nach Meves aus Heiden- hain.) nie stillstehendes Hin- und Herpendeln. Sowohl kubische als zylindrische Epi- FUmmerepithei. thelien, in einfacher oder geschichteter Ausbildung, kommen in der Gestalt von Flimmerepithelien vor; natürlich trägt in den mehrschichtigen Formationen nur die äußere Lage allein diesen Wimpernbesatz. Die Aufgabe dieser Flimmerepi- thelien scheint in der sorgfältigen Reinhaltung der Epitheloberfläche zu bestehen : jedes Staubkörnchen, jeder losgelöste Zellentrümmer wird von dem Wimper- strome erfaßt, mit ziemlich beträchtlicher Schnelligkeit davongetragen. Solcher- lei Tätigkeit dürfen sie in den Nasenwegen, in der Luftröhre, den feinen Ästen der Luftwege und der Lunge, den Bronchien und Bronchiolen üben. Außerdem dienen sie auch zur Fortbewegung des Wassers, zur steten Erneuerung der umgebenden Flüssigkeit, z. B. an den zarten Kiemenblättern, wie sie bei den Muscheln vor- kommen, auf der Haut der Strudelwürmer und vieler anderen wirbellosen Tiere, bei denen sie den Gaswechsel in dieser Weise fördern, und auch zur Er- regung der Flüssigkeitsströmungen überhaupt. Man hat die Beobachtung ge- macht, daß die fadenförmigen Samenzellen stets gegen den Strom schwimmen: die Flimmerepithelien, die man in den weiblichen Fortpflanzungsorganen, in Gebärmutter und Eileiter findet, dürften vielleicht in dieser Art den Sper- mien den Weg weisen. Nur in vereinzelten Fällen übernehmen sie die Orts- bewegung des gesamten Tierorganismus: bei der immerhin nur winzigen Ge- 68 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers samtleistung vermögen sie nur kleine Schwimmwesen, Larven, im Wasser zu erheben und zu bewegen. Geißelepithel. Gcißelepithelien, die auf jeder Zelle nur eine (oder ganz wenige) Haare tragen, sind in den Verdauungsorganen niederer Tierformen weit verbreitet, z. B. bei den Polypen. (Fig. 27.) Sie sind hier ersichtlich für die Aufnahme der Nährstoffe von Bedeutung. Zuweilen stehen die Geißeln wie in einem Kelche von einem kragenartigen Fortsatze des Elementes umgeben, wie in der Nähr- kammer der Schwammtiere: man nennt diese Formation das Kragengeißel- epithel (Fig. 28). Fadenartige Geißeln entwickeln auch Epithelformen, bei denen schwerlich an die Bewegung von Flüssigkeiten gedacht werden kann: chemisch tätige, sekretorische Elemente z. B. in Drüsenzellen, sind mit solchen Geißeln ausgestattet, die man aber sich noch nicht bewegen hat sehen können. (Fig. 29.) Drüsenepithel. > > Bau der Drüsen. Fig. 30. Drüsenzellen {drz) im Epi- Fig. 31. Querschnitt durch eine Darmzotte des Dünndarms vom Affen. thel (e) des Darms vom Regenwurm. lu der Mitte die aus Bindegewebe (b) bestehende ZeUmasse, mit Haargefaß- (Nach K. C. Schneider.) Durchschnitteu tg). Die Achse umhüllt vom einschichtigen zylindrischen Epithel {cg'i, bedeckt mit dem Oberh'äutchen der Cuticula (c). Zwischen den Zylinderzellen dunkle Becher- oder Schleimzellen (s). Kerne der Epithel- zellen {k). (Nach R. Krause.) Die Hauptaufgabe der kubisch-zylindrischen Epithelgruppe liegt nach der chemischen Seite hin: sie sind so recht das Nährgewebe des Körpers. Sie sind es auch, die die zur ,, Ernährung" notwendigen chemischen und phy- sikalischen Hilfsmittel bereiten: sie sind die eigentlichen Hauptdrüsenzellen des tierischen Organismus. Schon eine einzelne Zelle im Epithel kann, sofern sie ihre Stoifwechseltätigkeit in bestimmter einseitiger Art ausgestaltet, als Drüse" funktionieren: das sind dann die einzelligen Drüsen, die bei tierischen Organismen sehr verbreitet sind. Man erkennt sie leicht an dem abweichenden Zelleninhalte, den Granula, die sie oft führen, den Sekreten, die sie im Proto- plasma bereiten. (Fig. 30.) Häufig fallen sie schon durch ihre Form auf, wie z. B. die ,, Becherzellen" genannten Schleimproduzenten im Darmepithel (Fig. 31), die Kolbenzellen im Hautepithel vieler Fische, die verschiedenartig- sten sezernierenden Oberhautelemente in der Epidermis wirbelloser Tiere. Sehr oft überschreiten sie auch die Grenzen des Epithels und wachsen tief in die Unterlage hinein. (Fig. 32.) Ausgiebigere Produktion aber wird nur dann möglich, wenn besondere Epithelialgewebe, ausschließlich oder ganz vorzugsweise, mit der Aufgabe, Stoffe chemisch herzustellen, betraut werden: das sind die mehrzelligen oder die Drüsen 69 Drüsen im eigentlichen Sinne. Alle Übergänge sind hier verwirklicht: von der Entwicklung unmittelbaren Nachbarschaft des Drüschens zu seinem epithelialen Mutter- ^^^ ^''"^^"• boden bis zu einer so beträchtlichen Entfernung, daß jeder organische Zu- sammenhang ganz oder fast ganz aufgehoben erscheint. Mit der Ausschaltung aus dem Mutterboden, dem Epithelialverbande der Oberfiächendecke, voll- ziehen sich in der Drüse Arbeitsteilungen, die zur Ausbildung zweier Ab- schnitte in der Drüse führen: beide sind ihrer Tätigkeit nach und ihrem geweblichen Aufbau sehr verschieden. Am besten erläutert der Entwicklungs- gang einer Drüse diese Unterschiede. Allesamt entstehen die Drüsen durch Zellen- vermehrung des Oberflächenepithels, das dann einen Buckel, eine Einsenkung in die Tiefe des darunter liegenden Gewebes bildet. Diese Epithelsprossen wachsen weiter, verästeln sich an ihren Enden und liefern so einen Epithel- gewebekörper, der durch einen Zellenstrang von größerer oder geringerer Dicke mit der Oberfläche verbunden bleibt. Das ganze System ist entweder von Anfang an hohl oder höhlt sich jedenfalls später aus, so daß im In- nern ein verzweigtes Kanalsystem entsteht. Der Kanal des Verbindungsstranges dient im wesentlichen zur Ausfuhr der gebildeten che- mischen Produkte, seine Wand, der Ursprung- ^.^^/^ liehe Verbindungsstrang, beteiligt sich nicht wesentlich an der chemischen Absonderungs- tätigkeit. Das Epithel des Gewebekörpers hin- gegen widmet sich gänzlich dieser Aufgabe und entleert seine Abscheidungsstoffe in sein Kanal- system hinein, mit dem sie sich oft durch be- sondere Schaltröhrchen in Verbindung setzen. Drüsen dieser Art heißen ,, offene Drüsen", weil sie durch ihre Ausführungswege mit den Körperhohlräumen oder mit der Außenwelt in direkter offener Verbindung stehen. Bei anderen sehr wich- tigen Drüsenformen bildet sich jener Verbindungsstrang mit dem Oberfiächen- epithel zurück oder er wird auch wohl gar nicht erst angelegt, die offene Kom- munikation mit dem Hohlräume des Organismus oder mit der Haut des Körpers schwindet: diese Drüsenart heißt man ,, geschlossene Drüsen" oder Drüsen ohne Ausführungsgang. Der Drüsenkörper besteht dann aus ein- Drüsen ohne zelnen hohlen Drüsenbläschen oder aus Balken und Strängen von Drüsen- -"^"™°s^" elementen. Sie bedienen sich als Exportweg der Blutgefäße oder der Lymph- wege und mischen so ihre für die Existenz des Organismus sehr wichtigen Stoffe den Körpersäften direkt bei. Beispiele offener Drüsen sind die Mehrzahl der Verdauungsdrüsen der Tiere, die man als Speicheldrüsen, Mitteldarmdrüsen, Leber-, Bauchspeicheldrüse bezeichnet, die meisten drüsigen Abfallstoff-Aus- scheidungsorgane, wie die Nieren oder Exkretionsdrüsen, die Hautdrüsen, fer- ner die Geschlechtsdrüsen, zumal die männlichen Keimorgane der tierischen Organismen. Geschlossene Drüsen sind im Reiche der Wirbeltiere z. B. die lebenswichtige Schilddrüse, die Nebenniere, die Unterhirndrüse. Fig. 32. Einzellige Drüse oder ScHeimzeUe (schlz) aus der Oberhaut des Fußes einer Teich- muschel. (Nach K C. SCHNEIDKR.) gang. 70 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Formen der Man hat in der Gewebelehre auf die Formen der Drüsenkanälchen für die Drüsen. Unterscheidung der Drüsenarten Wert gelegt und spricht so von traubenför- migen, von schlauchförmigen, von bläschenförmigen Drüsen. (Fig. 33.) Im Grunde sind indessen diese Differenzen mehr äußerlicher Art, es kommt auf das Produkt und dessen Bestimmung an, das diese chemischen Organe liefern. Bedeutsamer ist hingegen die Komplikation des Drüsenaufbaues. Unver- zweigte Säckchen oder Schläuche bilden die einfachen, verzweigte und stark- verästelte die höheren Formen, die zusammengesetzten Drüsen. Diese sind es, die die mächtigen Drüsengebilde, z. B. eine Leber, eine Niere aufbauen. Das Epithelialgewebe, das, zu- mal bei intensiverer Absonderungs- tätigkeit, einen höchst energischen Stoffwechsel zeigt, bedarf einer aus- giebigen Versorgung mit Nährsub- stanzen, einer guten Durchtränkung mit den Nährfiüssigkeiten des Kör- pers. Es ist eine sehr auffallende und wichtige Erscheinung, daß trotzdem niemals Blut unmittelbar in die Epi- thelialverbände eintritt: kein Epi- thel erhält Blutgefäße. Vielmehr ist die gesamte Zufuhr, Umfuhr und Ab- fuhr von Stoffen der Gewebeflüssig- keit überlassen, die zwischen den Zellen zirkuliert. Hierfür sind oft be- sondere Räumchen vorgesehen, die als haarfeine Spältchen und kleine Lücken zwischen den Epithelialele- menten ausgespart erscheinen, wo sie zu dick und dicht aneinander lie- gen und unmittelbar von den Blut- gefäßen der Unterlage her ernährt ^^S- 33- Schemata von Drüsenformen. Die Drüsen sind plastisch mit einem Stück der Oberfläche dargestellt, auf der sie ausmünden. (Nach Raübek-Kopsch.) und versorgt werden. Zumeist aber treten die Blutgefäße dicht und unmittelbar an die Epithelialelemente heran, umspinnen und umspülen die sehr energisch tätigen Gewebe dieser Art direkt mit ihrem Flüssigkeitsstrom, so daß auf dem Wege der Diffusion oder Osmose allen Anforderungen an Zirkulation genügt werden kann. Diese Eigentümlichkeit der Epithelzellen bedingt es, daß kein Epithel, kein epitheliales Organ für sich allein organisch lebensfähig ist. Immer erscheint es und muß es verbunden bleiben mit einer Unterlage, einer Stütze, die für die Ernährung der Epithelelemente Sorge trägt. Die Epithelien und alle aus Epithelien gefügten Formationen grenzen sich im allgemeinen scharf gegen die anderen Körpergewebe ab. Sie bilden zu diesem Zwecke an den Stellen, an denen sie mit Geweben anderer Art sich vereinen, feinste Membranen aus, die ihnen als Stütze oder Basis dienen. Man nennt Grundsubstanzgewebe 7 1 sie „Basalmembran" oder Grenzmembran. Sie sind zwar oft nicht ganz deut- lich darzustellen, mögen auch hier und da von Fasern oder Lücken durchbrochen werden und verschwinden können, aber in der Regel ist die gewebliche Grenze zwischen Epithelformationen und ihrer Umgebung recht scharf und deutlich, wenigstens bei den höheren Tieren. Eine undurchdringliche Schranke bilden die Grenzhäutchen indessen nicht. Sowohl in der Norm, als auch besonders bei krankhaften Verhältnissen werden die Grenzschichten durchgängig. Grundsubstanzgewebe. Die Grundsubstanzgewebe stehen zu den Epithelformationen in denkbar Grundsubstanz- schärfstem Gegensatz durch die Entwicklung von Zwischensubstanzen, die die ^'''^^ ^' zelligen Elemente voneinander trennen. Zwar sind sie zuweilen in so geringer Menge vorhanden, daß auf diesen gestaltlichen Unterschied allein sich kein sicheres Kennzeichen gründen läßt: z. B. in einzelnen Knorpelarten oder im Fettgewebe oder im blasigen Stütz- gewebe pressen sich die Zellen oft ganz enge und dicht aneinander. Es fehlt indessen allen Grundsubstanzgeweben an der regelmäßigen Orientierung der Zellen, an der unterschiedlichen Ausbildung von zwei verschiedenen Seiten der Zelle, oder, wie man es nennt, an der ,, polaren Differenzierung". Ein Epithelgewebe ist nach der Oberfläche hin oder nach der Seite der Blutgefäße grundsätzlich anders gestaltet, als nach der Seite seiner Unterlage, an seiner Basis. Beim Grundsubstanzgewebe ist das nicht der Fall, die Gewebe bilden in sich gleichartige Massen. Daß unter Umständen an einzelnen Stellen, z. B. an der Grenze zu anderen Geweben hin, epithelähnliche Formationen vor- kommen können, d. h. eine regelmäßige Orientierung der Elemente, tut dem grundlegenden Unterschiede der Gewebe als solchem keinen Eintrag. Als biologische Aufgabe übernehmen die Grundsubstanzgewebe vor- Aufgaben der nehmlich die Stütztätigkeit im Organismus. Sie bilden die formerhaltenden "^'^gewebe!^"'^' Bausteine in der Architektur des Tierkörpers. Sie liefern ferner auch die Hüll- bildungen um andere Organe, die Begrenzungen der einzelnen Baubestandteile gegeneinander. Sie sind es, denen der Zusammenhalt der einzelnen Organe, die Bindung der Teile zum Ganzen anvertraut ist. Ohne sie ist kein vielzelliger Tierorganismus denkbar, wenngleich auf den niedersten Stufen tierischer Or- ganisation die Stützeinrichtungen aus Grundsubstanzgewebe zuweilen auf minimale Mengen beschränkt erscheinen (Stützlamelle der Polypen). Mit dieser mechanischen Funktion ist aber ihr Tätigkeitsfeld nicht erschöpft. Die Zellen des Grundsubstanzgewebes können sich durch Stoffwechsel- und durch Bewegungsarbeit an wichtigen allgemeinen Körperfunktionen hervorragend be- teiligen. So leisten die Elemente der Körperflüssigkeit, die Blut- und Lymphzel- len, wichtige Dienste bei der Aufnahme und Abgabe der gasigen Stoffwechselpro- dukte. Sie führen den Geweben den Sauerstoff zu und entlasten sie von der ge- bildeten Kohlensäure. Andere Zellen führen durch die Tätigkeit ihres Protoplas- mas sekretorische oder exkretorische Arbeiten aus. Sie bilden nach Art von Drü- senzellen in ihrem Körperinnern Stoffe, die sich oft in Körnchenform erkennen 72 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers lassen: solche Körnchenzellen, granulierte Zellen kommen ebenfalls in den Blut- und Lymphwegen der Wirbeltiere, aber auch bei den Gliedertieren als sogenannte Oenozyten vor. Die wichtigsten Reservestoffbehälter hefern ebenfalls Zellen des Grundsubstanzgewebes: Speicher für Kohlenhydrate, z.B. für Glykogen, und für Fette, z. B. für Körperfett und für Nervenölsubstanz oder Myelin. Die Beschaffenheit der Grundsubstanzen ist im großen Reiche der Grund- substanzgewebe überaus verschieden. In ihrer Konsistenz schwankt sie von der Beweglichkeit einer vollkomme- nen Flüssigkeit, wie z. B. beim Blute und der Lymphe, die sich als verflüssigte Grundsubstanzen auffassen lassen, bis zur Härte des Knochens oder der Zähne. Beide Extreme sind durch alle Übergangsstufen miteinander verbunden. ^ B Die einfachste und ursprünglichste Art von Grundsubstanzgewebe besitzt eine sehr weiche, fast flüssig - schleimige Zwischensubstanz, etwa von der Konsistenz einer sehr weichen Gallerte. Gaiiertgewebe. '' ^ j^%J^\^^^^<^fS^ -^^^:^ ® Ji!>)//I^ &,®!^^^ — Solchcs Gallertgcwebe kommt bei den Keim- lingen der Tiere als Uran- lage aller Grundsubstanz- gewebe zur Anlage : in die Gallerte,die von denZellen abgeschieden wurde, wandern Zellen aus dem Epithelialverbande der Keim- blätter hinein. (Fig.34.) Diese Elemente sind oft verästelt und hängen mit ihren Ausläufern untereinander zusammen. Bei niederen Tieren, bei Geweben von hohem Wassergehalt ist diese Gewebeformation recht verbreitet (Schwämme, Medusen, Würmer). (Fig. 35.) Bei erwachsenen höheren Tieren kommt eine Art Gallertgewebe nur im Glaskörper des Auges vor: dieser besteht aus einem dich- ten Gewirr feinster Fäserchen, die aber in der übergroßen Masse von Gewebe- flüssigkeit so verschwinden, daß sie erst vor kurzer Zeit entdeckt worden sind. Das echte Gallertgewebe kann als typischer Vertreter der Grundgewebe mit gleichartiger oder homogener Zwischenzellsubstanz gelten, in der kei- nerlei Struktur wahrnehmbar oder überhaupt vorhanden ist. Hierhin gehört die überaus seltsame Grundsubstanz in dem Mantel der Seescheiden und der übrigen Manteltiere, in der als einziger Ort im gesamten Tierreich die für die Pflanze sonst charakteristische Zellulose vorkommt. Solche Grundmasse existier^, wenn auch in oft nur sehr spärlichem Maße, auch dort, wo noch andere Zwischen- zellengebilde das Gewebe mit aufbauen helfen. So betten sich in sie die Horn- fasern der Schwämme ein, die diesem festen aber elastischen, nach Abtötung aller zelligen Bestandteile übrig bleibenden Filzwerke ihrer Zwischensubstanz die Verwendung im Hausgebrauche verdanken. Auch andere, härtere Skelett- Mdel ' ' UD Fig.34. Anlage des Stützgewebes bei einer Stachelhäuter-Larve : aus dem Epi- thelverbande der Keimblasenlarve ( A.) und Magendarmlarve (B) wandern Zellen in eine gallertige Grundsubstauz («j ein (Mdel). (Nach Selenka aus Wkismasn.) Blut 73 keiten. teilchen z. B. Kieselnadeln und Kalkkörperchen, die von den Zellen der Grund- masse abgeschieden werden, gesellen sich bei den Stachelhäutern und Kalk- schwämmen, sowie bei den Kieselschwämmen der homogenen Grundsubstanz zu. Als Grundsubstanzgewebe mit flüssiger Interzellularmasse können die Körperflüssigkeiten betrachtet werden. Bei den niederen Tieren strömt im Korperflüssig- Körperinnern frei zwischen den Geweben eine Flüssigkeit von wässriger Be- schaffenheit, die Eiweißstoffe gelöst und nur relativ wenig zellige Elemente auf- geschwemmt enthält. Diese Zellen können sich zumeist frei bewegen, nach Art eines Wechseltierchens, einer Amöbe. Sie können sich im Zwischengewebe fest- setzen, dem sie auch zumeist ent- stammen, und auch wieder auswan- dern und sich der Zirkulation bei- mischen. Die Flüssigkeit, mit dem - schlechten Namen Plasma bezeichnet, besorgt hier die Verteilung der gasigen und flüssigen Nährstoffe, die Abfuhr der gelösten und gasförmigen Stoff- wechselprodukte. Auf hohen Stufen-^ der Lebewelt gewinnt sie unter Um- ständen eine abweichende chemische Beschaffenheit: Substanzen, die ihrer chemisch - physikalischen Eigenschaft nach besonders befähigt sind, alsSauer- stoffüberträger zu wirken, treten auf, zumeist als gefärbte Stoffe, als grün- liche, bläuliche oder rötliche ,, Blut- farbstoffe", wie jene bei den Krebs- tieren, diese bei den Würmern vor- kommen. Die freie Zirkulation weicht bei den höheren Tierarten einer Umfuhr innerhalb besonderer Röhrensysteme, der Blutgefäße, deren Rohrnetz zunächst noch nicht kontinuierlich, später aber mit Ausnahme geringfügiger Unter- brechungen einheitlich in sich gegen die Körpergewebe abgeschlossen erscheint. An einigen oder an einer Stelle entwickelt sich ein Motor, das Herz. Die zelligen Bestandteile der Blutflüssigkeiten übernehmen bei dem ,, Blute" im strengen Wortsinne die Ausbildung der Gaswechselstoffe und damit die Leistung der Gasumfuhr im Körper, während dem Blutplasma wohl zum größten Teile die Umfuhr der übrigen flüssigen Nährstoffe zufällt. Die zellulären Blutgebilde BiutzeUen. gewinnen damit die lebenswichtigste Bedeutung im Tierkörper. Man bezeichnet sie nach der Farbe des Blutes her, die sie bedingen, als die ,, roten" Blutkörper- chen oder die ,, Erythrozyten", wenngleich sie für sich allein betrachtet, nur eine gelblich-grüne Farbe aufweisen. Im Blute, auch der Wirbeltiere, fehlen indessen die schon in der Körperflüssigkeit der Wirbellosen vorhandenen beweglichen Elemente nicht: sie sind farblos und ganz durchsichtig und tragen den schlech- ten Namen der ,, weißen", besser der ,, farblosen" Blutelemente. Sie kommen in ^^S- 35- Gallertgewebe von einem Kieselschwamm. Ver- , r u tr ästelte ZeUen (s), mit ihren Ausläufern oft zusammen- ^^^^° hängend, durchziehen eine gallertige Grundsubstanz, ezz = eine Eizelle. (Nach K. C. Schneider.) 74 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Farblose Blut- zellen. Rote Blutzellen. recht verschiedenen Modifikationen vor, sind in der Lymphe allein vorhanden und ihre vorwiegend chemische Tätigkeit kommt oft durch die Verschiedenartig- keit der Körnchen oder Granula in ihrem Zellenleibe zum Ausdruck. (Fig. 36.) Allesamt besitzen sie einen Kern, teils von der gewöhnlichen rundlichen Gestalt, teils auch von sehr bizarrer, wurst- oder brockenartiger Form. Sie ver- mehren sich zuweilen im strömenden Blute durch Teilung, ihrer Hauptmasse nach aber stammen sie ebenso wie die Erythrozyten, aus besonderen Brutstätten, den ,,lymphoiden" oder , , ade- noiden" Organen des Tier- körpers, den Lymphknoten, der inneren Brustdrüse oder Thymus einerseits, dem Kno- chenmark, der Milz anderer- seits, oder noch anderen Or- ganen. Die roten Blutzellen haben bei den Säugetieren und da- her auch bei den Menschen ^Mie ganz besondere Eigenart, frühzeitig nach ihrer Ent- n ° stehung denKern zu verlieren, den sie bei allen übrigen Wirbeltieren besitzen. Siebe- stehen nur noch aus einer Hülle, aus einem feinen Schaumwerk, das den Zellen- Fig. 36. Zellenformen des Blutes vom Menschen: ^, ^' rote Blut- leib durchzicht, Uud dcm rOtCU körperclien oder Erythrozyten, von der Fläche und von der Kante gesehen, in der Gestalt bikonkaver Scheibchen, « dieselben in ihrer Blutf arbstoff oder ,,HämO- natürlichen Napfform. Bei g sind sie zu den sogenannten Geldrollen 1 u ' " J ' A C V. aufgereiht, n, m, a, gl, l: verschiedene Formen der farblosen Blutzellen: gl O b m , ClaS lU dCn oCnaUm- « eine feinkörnige (neutrophile), weine grobkörnige (barophile), «eine masrhfn aufpesauft ist grobkörnige (acidopbile) Zelle, alle drei mit Kömcheneinschlüssen ° ° verschiedener Farbreaktion (Leukozyten), / und gl kleine und große Ihre GrÖßc SChwaukt Ct- ungekömte Zellenformen (Lymphozyten), i Blutplättchen oder Throm- . v i_ • u ■■ t bozyten. (Teilweise nach Szymonowicz- Krause, Rauber-Kopsch WaS, im JJurCnSCunitt beträgt und R. Krause.) ^-^ ^^^^ ^^^^^^ TaUSCndstcl Millimeter. Ihre Zahl beträgt in der Norm beim Manne etwa 5 Millionen, beim Weibe 4V2 Millionen im Kubikmillimeter Blut. Geringe Zahl der roten Blutkörperchen oder unzulänglicher Hämoglobingehalt läßt das Blut dünn, bleich oder wässrig erscheinen und stellt zusammen mit der Vermehrung der farblosen Blutelemente schwere Störungen des tierischen oder menschlichen Organismus dar. Zu den farblosen Blutzellen gehören die kleinsten Bauelemente Blutplättchen, des Körpcrs, die ,, Blutplättchen" mit ihren zwei bis drei Tausendstel großen Zellkörpern. Sie scheinen bei der Gerinnung des Blutes eine bedeutsame Rolle zu spielen. Als körperliche Blutbestandteile nichtzelliger Natur kommen noch feinste Fetttröpfchen und die Blutstäubchen in Betracht, deren Wesen noch nicht genügend erkannt ist. Fasriges Grundsubstanzgewebe 75 Kollagene Fasern. Die wichtigste und verbreitetste Interzellularsubstanz, die von Zellen her- Bindef,-.sern. gestellt oder später auch auf eigene Kosten wachsend und sich vermehrend, in die weiche Grundmasse eingeschlossen wird, sind fasrige Gebilde: das Faser- gewebe oder fasrige Grundsubstanzgewebe beherrscht im allgemeinen im weitaus größten Umfange die Architektonik der Stützeinrichtungen. Sie durchziehen die zarte Schleimgallerte der Medusen ebenso wie das Elfenbein des Elefantenzahnes, sie übertragen als derbste und widerstandsfähigste Bänder und Seile den Muskelzug auf die Knochen des Skeletts ebenso wie sie als feinstes und weichstes Polster Hirn und Rückenmark umhüllen. Fasern des verschie- densten Kalibers, der abweichendsten Ver- bindungsweise, der dif- ferentesten chemischen Natur kommen hier zur Ausbildung und Ver- wendung. Man trennt die Fa- sern nach der chemi- schen Seite hin in sol- che, die beim Kochen Leim geben: die kol- lagenen Fasern. Fein- ste Fibrillen, zu Bün- delchen gröberer und feinerer Art geordnet, bilden das typische Bin- degewebe der Wirbel- tiere und vieler Wirbel- loser. Durchfiechten sie sich locker, in allen Richtungen des Raumes durcheinandergewoben, so ent- steht das ,, lockere" Bindegewebe (Fig. 37); ordnen sie sich straff und parallel fest nebeneinander, so bilden sie als ,, geformtes" Bindegewebe die festen Sehnen (Fig. 38), in Lamellen zusammengepreßt die harte, äußere, weiche Augenhaut, die den Augapfel umhüllt. Bindefasern anderer chemischer Beschaffenheit sind die elastischen EiasUscUe Fasern, die als feinste netzförmig verbundene Fibrillen sich dem gewöhnlichen Bindegewebe, z. B. dem leichtverschieblichen Unterhautgewebe beimischen, an anderen Stellen des Organismus aber sehr dicke derbe Stäbe ausbilden können. Das gewaltige Gewicht eines Säugetierkopfes — man denke an den eines Ele- fanten oder Rhinozeros — wird wesentlich mitgetragen von dem mächtigen Nackenbande, das fast ganz aus elastischen Fasern besteht. Diese elastischen Massen stechen durch ihr fahlgelbes Aussehen von dem blau-weißen Atlas- glanze der kollagenen Bildungen sehr stark ab. In den Blutgefäßen, beson- ders den großen Schlagadern, die, bei jedem Herzschlage durch die Pulsblut- Fig. 37. Lockeres Bindegewebe von der Ratte. Breite Bündelchen kollagener Fibrillen [kf] durchkreuzen sich, untermischt mit feinen, sich verzweigenden elastischen Fasern {el) ; in dem Fasergewirr liegen Zellen mit zarten, feinen Körpern, die gewöhnlichen Bindegewebezellen (bz), daneben Zellen mit be- sonderen Körncheneinschlüssen, Mastzellen [m) und Clasmatozyten [c) oder Zer- fallzellen, die sich zerschuüren und wieder neu bilden können. Außerdem liegen Wanderzellen (iv) im Gewebe. (Nach Rauber-Kopsch.) Ibg sfb sz Fig. 38. Stück des Querschnittes einer Sehne vom Menschen. Von einer SehuenhüUhaut (Peritenonium,/) umschlossen, liegen eng neben- einander die Bündel von Sehneufasern (sfb) mit den Sehnenzellen (sz), in Bündel zusammen- gefaßt und geordnet durch feine Scheidewände von lockerem Bindegewebe (Ibg). (Nach Stöhr.) Fig. 40. Retikuläres Fasergewebe aus dem Lymphknoten einer Katze. In dem Plasmaleibe (/) der Zellen liegen die Kerne (k) und die Fasern (f). Die Lymphkörperchen, die die Maschen des Netzes dicht erfüllen und das Netz selbst fast ganz verdecken, sind entfernt. (Nach Heidenhain.) s—^ Fig. 3Q. Eine gefensterte Membran von der Herzinnenhaut des Menschen aus elastischen Netzen gebildet. (Nach Stöhr.\ F i g. 42. Schnitt durch den Glas- knorpel oder hyalinen Knorpel vom Kehlkopf der Katze. In der glasartig durchsichtigen, homo- genen Grundsubstanz (g\ liegen in Gruppen die Knorpelzellen (z) in den Knorpelhöhlen (h), die von etwas andersartig beschaffener Grundsubstanz, der Knorpel- kapsel \k), umschlossen werden. (Nach Szymonowicz-Krause.) Fi fiiiiiiP' durch Faser- Fig. 41- Schnitt durch Fettgewebe vom Menschen. Die Fett- oder Öl- zellen sind zum Teil (dj) mitten durchschnitten, zum Teil nur tangential ange- schnitten (/■). k = Kern emer Fettzelle, b = lockeres Bindegewebe zwischen den Fettzellen. (Nach R.\uber-Kopsch.\ 43. Schnitt knorpel aus der Zwischenwirbel- bandscheibe vom Menschen. Im fibrillären Gewebe (f) liegen die KnorpelgTundsubstanz (k) um die Knorpelzellen (z) herum. (Nach Raubek-Kopsch.) Retikuläres Gewebe. Knorpelgewebe 77 welle ausgedehnt, stets wieder zu ihrem ursprünglichen Kaliber zurückkehren, sind solche elastischen Netze zu großen elastischen Platten, den sogenannten gefensterten Häuten (Fig. 39), ausgestaltet: die Netzmaschen sind klein und unscheinbar, zu den Fenstern, die Netzfasern zu breiten Strängen geworden, die die Löcher umsäumen. Eine besondere Stelle nehmen die Netzfasern oder das retikuläre Fa- Ketikuiäres sergewebe (Fig. 40) im Körper der höheren Tiere ein, Sie entstehen aus Zellen, die netzförmig miteinander in Verbindung stehen, später aber schwinden, so daß nur ein feines, dichtes Schwammwerk übrig bleibt. Diese Form des Stützgewe- bes beschränkt sich auf die überaus wichtigen Organe des Blutlymphgewebes, Lymphoides das man als lymphoide oder als adenoide Substanz bezeichnet, und die die Lymphknoten, die Milz, das Knochenmark und noch andere Teile des Blut und Lymphe liefernden Organsystems aufbaut. Sein wichtigster Bestandteil sind die kleinen Zellen, die in ungeheurer Zahl die Maschenräume des Netzes erfüllen, dieses selbst ganz verdecken und denen die eigenthche Leistung zufällt, die Körpersäfte mit zelligen Bestandteilen zu versorgen. Spielen im retikulären Fasergewebe die zelligen Baubestandteile die Haupt- rolle, so fehlen sie doch auch den übrigen Fasergeweben keineswegs: überall, auch im derbsten und straffsten Bindegewebe, im lockeren, im gallertartig- Bindezeilen, fasrigen Bindegewebe liegen teils bewegliche, teils feste oder ,,fixe" Zellenele- mente. In einigen Gewebeformen z. B. im Fettgewebe und im Pigmentgewebe drängen besonders gestaltete, mit eigenartiger Leistung betraute Zellensorten die übrigen Gewebeteile weit in den Hintergrund. Die großen glänzenden 01- zellen (Fig. 41) des Fettgewebes, das sich in Trauben oder Strängen, oft längs i-'ettgewebe. der Blutgefäße, ansiedelt, pressen sich oft derart eng aneinander, daß von den Gerüstbestandteilen fast gar nichts mehr zu sehen ist. Die Fasergewebe werden nicht selten durch Einlagerung von anderen Substanzen ihres ursprünglichen Charakters nach Aussehen und Leistung mehr oder weniger entkleidet. Zuweilen ist der fasrige Grundbau noch wohl erkenn- bar. Beim Lanzettfischchen kann man in Kiemenstäben und in den Tentakeln weiche Gebilde vorfinden, die aus veränderten Bindelibrillen eng zusammen- gepreßt aufgebaut werden. In anderen Fällen maskieren chemische Substanzen, die durch die Tätigkeit der Zellen, durch Umbildung ihrer Leibessubstanz ent- stehen, die fibrilläre Zusammensetzung der Grundsubstanz, z. B. im Knorpel- Knorpelgewebe, g e w e b e. Eine besondere Masse, Knorpelschleim oder Chondromukoid genannt, verleiht der gesamten Grundsubstanz einen durchaus homogenen glasigen oder ,, hyalinen" Charakter. (Fig. 42.) Die Zellen, bei den Tintenfischen sternförmig, bei den Wirbellosen rundlich, liegen in Höhlen der Knorpelgrundsubstanz, die sie gänzlich erfüllen und enthalten Fett und Glycogen. Die Knorpelhöhle un- mittelbar umschließt eine festere, dichtere Substanz, die Knorpelkapsel. Zwi- schen den Knorpelkapseln erstreckt sich die Hauptmasse des Knorpelgewebes als einheitliche Masse. Der Knorpel dient mit seiner sehr elastischen fest-weichen Konsistenz als Überzug der in einem Gelenke zusammengefügten Knochen- enden; der Kehlkopf, die Luftröhrenwege, die Rippenenden setzen sich aus yg Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers solchem Gewebe zusammen. Bei niederen Tieren und bei den Jugendstadien der höheren beteiligt er sich in hervorragendem Maße am Aufbau des Skeletts. Die Knorpelfische, die Haie und Rochen, die Tintenfische benutzen gar keine andere Skelettsubstanz als den Knorpel. Die aus Knorpelgewebe gebildeten Organstücke entbehren der Blutgefäße. Ihre Ernährung scheinen sie auf dem Wege der Saftzirkulation zu besorgen, von deren geweblicher Anordnung aber sicheres noch nicht bekannt ist. Abgegrenzt und zu Stücken bestimmter Form ausgestaltet werden die Knorpelpartien durch eine besondere Haut aus derbe- Knorpei-rem Bindegewebe, die Knorpeloberhaut oder das Perichondrium. Oberhaut. j-^^^ Knorpclgcwcbe durchmischt sich in einigen Abarten mit unmaskierten Fasergebilden aus der Fasergewebegruppe. So lagert der elastische Knorpel oder Netzknorpel elastische Fasernetze in seine hyaline Grundsubstanz an, z. B. am Ohrknorpel; so durchwachsen gewöhn- liche nicht maskierte kollagene Fasern den Binde- gewebeknorpel oder Faserknorpel (Fig. 43) schlechthin, wie er an Stellen entsteht, wo Binde- gewebe und Knorpel aneinandergrenzen und sich durchdringen, an Sehnen- und Bänderansätzen am Knorpel, an den Bandscheiben, die die Wirbel // zur Wirbelsäule zusammenfügen. Fasrigen Aufbau der Zwischenzellsubstanz mit Eig. 44. Unterkieferknochen vom Men- Weitgehenden chemischcn Umwandlungen weist sehen. Knochenhöhlen oder Knochen- , • i j ■ , oi i ■ i i i -vtt- i i, • i lakunen mit ihren Fortsätzen, den Knochen- OaS WlChtlgStC SkelcttgeWebC dcr WirbcltlCrC, daS Knochen- ^^d ^^'^^1'^^''° (^)' ^^^ ^'^"-^^i"^^«"«" f "^^'^^'f .'^ ^ Knochengcwebc, auf, an dessen Bauplan sich Zahnhein- ^J '^'°" Flache, lg im Querschnitt, //im o i • i gewebe. Längsschnitt, eingebettet in die Knochen- dlc ZahnbcinSubstaUZ CngC anSChlicßt. Beide grundsubstanz '^K (Verändert nach SxÖHR.t ^^ , , , ., __ , Hartgewebe bestehen ihrer Hauptmasse nach aus Straff nebeneinanderliegenden, in bestimmten Richtungen verlaufenden, leim- gebenden Fasern, die durch eine Zwischenfibrillenmasse, eine Kittsubstanz, zu einer einheitlichen Grundmasse verbunden erscheinen. Sie verdankt ihre beson- deren physikalischen Eigenschaften, ihre Festigkeit und Härte, der Einlagerung von Kalksalzen, der Knochenerde, die im wesentlichen aus kohlensaurem und aus phosphorsaurem Kalk besteht. Man kann diese Knochensalze durch Glühen der Knochen, das sogenannte Kalzinieren, für sich allein darstellen, dabei wird alle organische Substanz zerstört, die Form der Knochen aber im wesentlichen er- halten : nur sind diese kalzinierten Knochen ganz bröckelig und brüchig und zer- fallen bei unsanfter Berührung zu einem Knochenpulver. Es fehlt eben in dem geglühten Knochengewebe die organische Grundsubstanz, die dem ganzen Ge- Knochen- füge Festigkeit und Zusammenhalt verleiht. Auch diese Grundsubstanz, gruadsubstanz. ,-^ ■ i r> • • i r Ossein genannt, läßt sich rem erhalten; man kann dem Knochengewebe durch Einwirkung von starken Säuren, z. B. von Salzsäure oder Salpetersäure, die Kalksalze entziehen, ein Verfahren, dessen man sich sehr häufig mit Nutzen für die Untersuchung des Knochengewebes im gesunden und kranken Zustande be- dienen kann. Bei diesem Prozesse der ,, Entkalkung" bleibt eine biegsame weiche Knochenknorpel. Massc Übrig, dcr f älschlich sogenannte Knochenknorpel, auch wieder genau in Knochen- und Zahnbeingewebe 79 der Form des ursprünglich verwandten Knochens. Nur kann man diesen entkalk- ten Knochen mit dem Messer schneiden, man kann z. B. ein menschliches Ober- armbein zu einemRinge zusammenbiegen und ihm nachher wieder seine ursprüng- liche Gestalt zurückgeben. Ossein und natürlich auch der ganze Knochen liefert, wie alle Bindefasergewebe, beim Kochen Leim, den bekannten Knochenleim. Zu dem geweblichen Aufbau des Knochens gehören außer den Knochen- fibrillen und der Kittsubstanz noch die Knochenzellen. (Fig. 44.) Sie liegen Knocheazeiien. in der verkalkten Grundmasse in platten, etwa lin- senförmigen Hohl- räumchen — den Knochenhöhlen — und entsenden von ihrem Umfange aus strahlenförmig zarte Ausläufer in feinste Kanälchen hinein, die vom Rande der Kno- chenhöhlen aus- gehen und die einzelnen Hohl- räume miteinan- der in Verbindung setzen. Dieses Sy- stem der ,,Canali- culi" und ,,Lacu- der nae ossmm Fig. 45. Zahnbeingewebe des menschliclien Eckzahnes im mikroskopischen Dünnschlifif. Zahnbeinröhrchen (/-) durch- ziehen die Grundsubstanz, das Dentin {d), und enden nahe dein Schmelz {s) mit feinsten Ausläufern. Ein unverkalkter Hohlraum (Interglobularraum i'S') ist zum Teil angeschliffen. (Nach SzymonowiC/C-Krause.) Fig. 46. Teil eines Querschliffes eines menschli- chen Mittelfußknochens : HaversschenKuochen- säulchen {///), die Haversschen Kanäle (/Ä), konzentrisch mit ihren Lamellen umschichtend ; GrundlameUenschichten (G/), dem Umfange der Kuochenhöhle entsprechend geschichtet ; SchaltlameUen {S/}, die Zwischenräume aus- füllend. (Nach Szymonowicz-Krause.) gewebe. Knochenkanäl- chen und Knochenhöhlchen, bietet auf einem Dünnschliffe durch einen Knochen ein überaus zierliches Gefüge dar: solches einfaches Knochengewebe findet sich z. B. am Zahn unterhalb der Zahnkrone, als sogenanntes Zahnzement. Im Zahnbeingewebe (Fig. 45), aus dem — abgesehen vom Schmelzüber- Zahnbein- zug — die Krone und die gesamte Zahnwurzel sich aufbaut, fehlen die Zellen und die Zellenräume; Fibrillen, Kittsubstanz und Verkalkung verhalten sich genau wie im Knochengewebe. Nur ist das Zahnbeingewebe von feinen Röhr- chen, den Zahnbeinröhrchen, durchzogen, in die von Zellen an der Oberfläche der Wurzelhöhle her Fasern, die Zahnbeinfasern, eintreten. Unter der äußeren Zahnoberfläche bleiben einzelne Stellen des Zahnbeingewebes unverkalkt, die sich auf dem Dünnschliff durch einen Zahn als Hohlräume {ig) abzeichnen. Zahnbein- und Knochengewebe passen sich in überaus interessanter Weise den mechanischen Aufgaben an, die sie beim Aufbau der aus ihnen bestehenden Organe im Körper zu erfüllen haben. 3o Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Bau der Hart- Dic Knochcii sind, vom Standpunkte der Leistung betrachtet, Organe, die gewebe. ^^£ ^yg und Druck beansprucht werden. Das Knochengewebe fügt sich, um einen Knochen aufzubauen, zu einzelnen Säulen zusammen, deren Seele ein Blut- gefäß bildet. Dieses Blutgefäß verläuft im zentralen Kanal der Säule, der nach ihrem ersten genauen Untersucher Haversscher Kanal genannt wird. (Fig. 46.) Um diesen Kanal herum schichten sich Knochengewebelamellen konzentrisch auf. Zwischen zwei Lamellen schiebt sich je eine Lage von Knochenzellen ein. In jeder Lamelle ziehen alle Knochenfibrillen parallel miteinander dahin, und zwar ringelt sich der Faserverlauf in jeder Schicht schraubenförmig um die Achse des ganzen Systems, die Schraubengänge aber laufen in je zwei Nach- barschichten abwechselnd in der einen rechts herum, und in der nächsten links herum usf. Diesen Fibrillenverlauf kann man außerordentlich leicht bei der Anwendung des polarisierten Lichtes studieren, da die Bindegewebsfibrillen das Licht doppelt brechen und zwar in verschiedener Weise, je nachdem die Lichtstrahlen sie längs oder quer oder schief treffen. Bei Knochenteilen, die star- kem Zug ausgesetzt sind, stehen die Fibrillenverläufe in zwei Nachbarlamellen sehr schief zueinander. Denkt man sich einen solchen Zug wirksam, so pressen sich rechts und links, also im entgegengesetzten Sinne gewundene Schrauben enge aneinander und verleihen der ganzen Lamellensäule eine hohe Zugfestig- keit. Bei Knochenteilen, die einen starken Druck aushalten müssen, laufen die Knochenfibrillen in Nachbarlamellen fast ganz parallel und werden dadurch um so fester aneinandergepreßt. Ändert sich bei einem geheilten Knochen- bruch, z. B. die mechanische Beanspruchung eines Knochens, so baut sich in überraschend kurzer Zeit das Knochengewebe innerlich entsprechend der Neu- verteilung der Aufgaben um. Der Knochen, dieses feste und derbe Organ, dem man ohne weiteres nur einen geringen Anteil an den lebendigen Tätigkeiten des Organismus zuschreiben möchte, ist in Wirklichkeit eins der regsamsten Ge- webe im gesamten Tierorganismus. Die Zwischenräume dieser Haversschen Säulensysteme werden durch un- vollkommen ausgestaltete Lamellensäulchen, die Schaltlamellensysteme, aus- gefüllt, und an der äußeren und inneren Oberfläche des Knochens laufen des weiteren konzentrisch geschichtete Lamellenreihen, die der äußeren und inne- ren Fläche parallel gehen, und die die Gesamtmasse der inneren Knochen- lamellen zwischen sich fassen. Das Muskelgewebe. Muskelgewebe. Das Bcwegungsgewcbe, in dessen Gefüge sich alle Elemente vereinigen, die mit kontraktilen, der Zusammenziehung fähigen Fäserchen ausgerüstet sind, kommt in zwei verschiedenen Ausgestaltungen von abweichendem Aussehen und von differenter Leistung im Organismus vor, je nachdem sich glatte oder quergestreifte Muskelelemente zum Gewebeverband verbinden. Das glatte Muskelgewebe wird bei den wirbellosen Tieren in weiter Ver- breitung angetroffen, bei den Wirbeltieren beherrscht es die Bewegungen der Eingeweide, der Gefäße, im großen ganzen der Innenorgane des Tierkörpers; es Muskelgewebe 8 1 trug daher früher auch den Namen der organischen Muskulatur. Sie ist dem Einfluß des Willens entzogen: niemand vermag den Darm oder den Magen oder eine Schlagader willkürlich zu bewegen oder in der Bewegung zu hemmen. Das quergestreifte Muskelgewebe wird indessen im wesentlichen für den Aufbau der Skelettmuskeln verwandt, die dem Willensantriebe gehorchen. Es vermag sich rasch zu kontrahieren und wieder auszudehnen, während die glatte Muskelsub- stanz eine langsamere, aber sehr energische und kräftige Zusammenziehung ausführt. Eine besondere Stellung nimmt das Gewebe des Herzmuskels ein, das sich zwar aus quergestreifter Substanz aufbaut und energische Kontrak- tionen leistet, aber doch der Willkür nicht unterworfen ist und auch in seiner Architektonik wichtige Abweichungen von dem Skelettmuskel aufweist. Das glatte Muskelgewebe ist meist in der Form von Lamellen ausge- Glattes bildet, die sich sehr häufig zu Hohlkörpern von rohrförmiger oder blasenförmi- ' "^ ^s^we e ger Gestalt ordnen. In diesen Schichten liegen die glatten Muskelelemente alle gleichgerichtet, nur benachbarte Lagen weisen in der Regel einen verschiedenen Faserverlauf auf. Entweder folgen sie dabei der Längsachse oder sie stehen senkrecht zu ihr. An einzelnen Stellen verdicken sich die Lamellen zu mäch- tigen Ringen: diese Ringmuskeln schließen dann die Lichtung der Hohlorgane fest und undurchgänglich ab, es sind die wahren Schließmuskeln für Hohlräume, wie man sie am Magen- und am Blasenausgange und an vielen anderen Schluß- stellen findet. In anderen Fällen werden zu bestimmten Leistungen Zugstränge oder Balken glatter Muskelsubstanz ausgebildet, oder solide Körper aus Muskel- gewebe, wie z. B. der Kriechfuß der Schnecken einen solchen darstellt. Die Innenarchitektur des glatten Muskelgewebes ist recht einfach (Fig. 47). Bau des giatton Die einzelnen kontraktilen Faserzellen legen sich dicht und enge zusammen und ' "^ * ^''"^ ""^^ haften sowohl der Quere wie der Länge nach überaus fest aneinander: um sie aus ihrem Verbände zu lösen, bedarf es schon sehr kräftiger Einwirkungen, star- ker Kalilauge oder ähnlich wirkender Mittel. Die Verbindung wird durch ein feines und überaus reichliches Bindegewebegerüst hergestellt, das die einzelnen Faserzellen umscheidet und der Quere nach verbindet. Bei dem glatten Muskel- gewebe der Wirbellosen, z. B. der Weichtiere, der Würmer ist die Zusammen- fügung der Elemente vielfach noch eine epithelähnliche, wie denn auch der nicht fibrilläre Zelleibanteil gemeinhin eine weit stärkere Rolle in diesen Muskel- zellen spielt (Fig. 48). Diese Anordnung führt auf die einfachsten Formen kon- traktiler Ausgestaltung von Zellen zurück, auf die Epithelmuskelzellen, die im Epithei- Deckgewebe, wie im Nährgewebe vorkommen können. Bei den Polypen und Medusen z. B. werden im Epithel am basalen Zellenende eine oder einige wenige kontraktile glatte Fibrillen ausgebildet, die dann im Niveau der unteren Zellenfläche eine Lage kontraktilen Fasergewebes erzeugen. (Fig. 49.) Weit komplizierter zusammengesetzt ist die innere Struktur der q u e r - Quergestreiftes gestreiften Muskulatur. Die zelluläre Natur der Elemente ist hier sehr ^^"'''^^^^'''^^''• schwer erkennbar. Die gewöhnliche Muskelfaser der höheren Tiere stellt ein oft sehr langes — bis zu 12 cm messendes — vielkerniges Gebilde dar, das zwar aus einer Zelle hervorgeht, aber keine ,, Zelle" bleibt: ihr Kern teilt sich viel- K. d. G. III. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. II 6 82 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers fach — daher enthält eine solche Muskelfaser oft viele Hunderte von Kernen — , aber die Zellkörperteilung unterbleibt. Die kontraktilen Fibrillen entstehen aus feinen homogenen Stäbchen oder Fädchen, den Mitochondrien, die dann alsbald die sehr charakteristische Quergestreifungsstruktur annehmen. Kon- Muskeifibriueu. traktilc gcstreiftc Muskelfasern sind im Tierreiche weit verbreitet, stimmen aber in ihrer feinen Anordnung überraschend gut überein. Die doppelt brechenden Querstreifen {q), von einfach brechenden Scheibchen (?) beiderseits umschlossen, Fig. 47. Muskelzelle eines Spul- wurmes (Ascaris megalocepha- la): in dem plasmatischen Teile des Zellenleibes (/) liegt der Kern (k), in seinem lauggestreck- ten Teile ordnen sich neben- einander die Myofibrillen { f). (Nach Heidenhais.) Fig. 48. Schema der Zusammensetzung eines Stückes glatter Muskulatur. Die glatten Muskelfasern (ni) mit ihren Fibrillen (f) sind oben und unten abgeschnitten ge- zeichnet. Sie enthalten einen Kern [k) und stecken in breigewebigen Hüllen {h), die durch Quermembranen (b) verbunden wer- den. (Verändert nach Heidenhain.) Fig. 49. Epithelmuskelgewebe eines Polypen. In A unterhalb der polygo- nalen Zellen (z) der Hautschicht zahl- reiche zugehörige Muskelfibrillen (/u). In B isolierte Epithelrauskelzellen mit den Muskelfibrillen au der Zellenbasis. (A nach F.E.Schulze aus Heidenhain, B nach O. u. R. Hertwig aus Heiuen- HAIN.) bilden gewissermaßen die Elemente im Aufbau dieser Faser, die in der Längs- richtung sich stets wiederholt und von ihren Nachbarn durch Scheidewände (2 und m) getrennt wird, die über die ganze Faser hinziehen (Fig. 50). Zwischen den Fibrillen liegen mannigfache Körnergebilde [k), die teils aus Fett, teils aus einem Kohlehydrat, dem Glycogen, und teils aus den gewöhnlichen Plasmakörnchen bestehen, und die für die Stoffwechseltätigkeit der Muskeln eine große Rolle spielen. Die einzelne Muskelfaser hat einen Teil des ursprünglichen Protoplas- mas — oft einen sehr beträchtlichen Anteil, z. B. bei den Würmern — unver- sarkopiasma. mindert bewahrt: man nennt ihn Muskelplasma oder Sarkoplasma. Es trennt und verbindet in mannigfach verschiedener Anordnung die einzelnen Fibrillen miteinander. Außen um die Faser herum zieht eine Art Zellenhaut oder jeden- sarkoiemm. falls ciuc vcrdichtctc, veränderte Plasmalage, Sarkolemm genannt, die sich Muskelgewebe 83 abheben läßt und die die Grenze der Faser gegen das Stützgewebe hin bildet (Fig. 51). Die einzelnen Muskelfasern (Fig. 52) ordnen sich zueinander in der Form Bau des von kleineren oder größeren Bündelchen: sie werden durch ein lockeres Binde- '^"^'^^s^g^j"^" gewebe zusammengehalten, das die Nerven und die Gefäße führt. Man heißt dieses Stützgewebe, dessen feinste Fäserchen die einzelnen Muskelelemente um- Stück eines Quer- schnitts des „Schneidermus- kels" (Musculus sartorius) vom Menschen. Die einzelnen Muskelfasern zu Bündelchen (zw) geordnet, von dem inneren und äußeren Muskelhüllge- webe umscheidet, eingeschlos- sen von der Muskelbinde (3). g = BlutgefäiS. (Nach Heidenhain.) Fig. 50. Schema eines Teiles einer quergestreif- ten Muskelfaser. Sechs Myofibrillen (mf) neben- einander gelegen, mit ihren doppelt brechenden Scheibchen(y) und den ein- fach brechenden Scheib- chen (/;. Die beiden Scheibchenarten sind ge- trennt in Hälften durch Scheidewände (/it und z). Zwischen den Fibrillen Körner (k) und Querfaden- netze (n). (Nach Heidenh.un.) Fig. 53. Eine quergestreifte Muskelfaser (m) und ihr Übergang in die zugehörige Sehne (s). (Teilweise nach R. Krause und Stöhr.) Fig. 54. Schnitt durch das Herz- rauskelgewebe vom Menschen. Netz der quergestreiften Muskelfädchen mit Kernen (n) und den Kittlinien (k). (Nach Heidenhain.) Fig. 52. Querschnitt durch ,_ ... , eine quergestreifte Muskel- (renmysmm mtemum) spinnen, das innere Muskelhüllgewebe An der Ober- trLre.'regTntrsS Aäche dcs Muskcls oder einzelner seiner faser ist umschlossen von der großcH Abteilungen umhüllt es die ge- MuskelhüUe (s), an der die ° ° . .° Kerne (/<■) gelegen sind. Auf Samte Muskclfascrmasse mit breiten dem Querschnitt erscheinen f-w .. ,. 1 •• r> tit 1 11 ..11 die einzelnen Myofibriuen (/) Zugcu, dic man als außcrcs Muskclhull- getrennt durch feine Scheide- wände vom Plasma (p), in dem Körnchen {i) gelegen sind. (Nach R. Krause.) gewebe beschreibt (Perimysium exter- num); als derbes dichtes Stützgewebe- blatt umgibt dann die Muskelbinde, die Fascie, das Muskelorgan als solches. Dieser Aufbau des Muskels erinnert in hohem Grade an die Architektur der Sehne: auch hier sind die einzelnen straffen derben Bindegewebefasern, die man Sehnenfasern nennt, außen ins- gesamt von einer äußeren Sehnenhülle (Feritendineum) umschlossen, im In- nern durch lockeres Stützgewebe in Bündelchen eingeteilt, in denen dann die einzelnen Sehnenfasern liegen. Muskelfasern und Sehnenfasern (Fig. 53) haften ungemein fest aneinander: die Sehnenfaserfibrillen umfassen das kegelig zu- 6* g^ Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers gespitzte Ende der Muskelfaser allseitig und gehen vielleicht sogar unmittelbar in die Muskelfibrillen über. Jedenfalls ist ein überaus fester Zusammenhang, sei es organischer Natur, sei es eine sehr feste Kittsubstanz, für die Kraftüber- tragung der sich zusammenziehenden Muskulatur mittels der Sehne auf die zu bewegenden Organe, die Knochen z. B., unentbehrlich. Die quergestreiften Muskelorgane der Wirbellosen sind im allgemeinen nach einfacherem Bauplan zusammengesetzt, da es sich in der Regel nicht um die Anhäufung so großer Faser- massen handelt. Die Muskelfasern berühren sich hier oft unmittelbar ohne Zwi- schenschaltung einer Hüllsubstanz, besonders da eine Muskelfaserhaut, ein Sar- kolemma oder Myolemma, ausgebildet ist. Die Anheftung an Hartgebilde, z. B. an Chitinstücke, erfolgt auch hier mittels feiner kleiner bindegewebiger Sehnen. Herzmuskel- Das Her z mu s kcl gc wcb c (Fig.54) unterscheidet sich — und zwar auf- gewe e fallcnderwcise bei den Wirbeltieren und auch bei einzelnen Wirbellosen, z. B. dem Kerbs, den Weichtieren — von der gewöhnlichen quergestreiften Musku- latur durch seine Anordnung zu einem Muskelfasernetz. Die Muskelfädchen verbinden sich durch seitliche Abzweigungen miteinander und umschließen Zwischenräume, in denen bei den Wirbeltieren regelmäßig die reichlich vorhan- denen Haarblutgefäße verlaufen. Bei einigen höheren Wirbeltieren erscheinen quer zur Faserrichtung, das ganze Muskelelement durchsetzende oft treppen- Kittiinien. artig abgcsctztc Platten, die sogenannten Kittlinien oder Schaltstücke, in denen man früher die Grenzen der einzelnen Herzmuskelzellen erblickte. Ihre Bedeu- tung ist noch nicht hinreichend genau bekannt, vielleicht stehen sie mit dem Wachstum des Herzens in Verbindung: denn das Herz ist eines der wenigen Organe, das auch nach abgeschlossener Körperentwicklung bis ins hohe Alter hinauf sich zu vergrößern vermag. Bei den niederen Wirbeltieren fehlen diese Schaltplatten vollkommen. Die Querstreifung der Fleischfäserchen weicht vom allgemeinen Querbauplan nicht ab, die Längsfibrillierung tritt indessen beim Herzgewebe überaus deutlich hervor. Die einzelnen Fleischfädchen haben keine Muskelfaserhülle in dem Sinne, wie die Skelettmuskeln, aber eine dichte Sarko- plasmaoberhaut grenzt sie deutlich nach außen ab. Die Fleischmassen der Herzmuskulatur, das Myokardium, sind nach den Herzhöhlen zu, wie nach dem Herzbeutel, durch bindegewebig-elastische Häute abgegrenzt, dessen Ober- fläche mit einem sehr feinen einschichtigen Plattenepithel bekleidet is'. Das Nervengewebe. Nervengewebe. Für dcu Aufbau dcs Nervcngcwebes ist die Ausrüstung der Zellen und ihrer Abkömmlinge mit den Neurofibrillen charakteristisch. Mit der Hauptleistung der nervösen Substanz — der Aufnahme, Leitung und Übertragung von Rei- zen — hängt die gestaltliche Ausprägung der Elemente innig zusammen: ihre Form muß geeignet sein, mehr oder weniger entfernte Örtlichkeiten miteinander leitend zu verknüpfen: diese Aufgabe wird erreicht durch fadenförmige Lei- tungen, durch Fortsätze, die von den Zellen ausgehen. Eine Nervenzelle mit allen ihren Ausläufern und deren Endigungen nennt man eine Nerveneinheit oder ein Neuron. Im Laufe der Entwicklung baut sich ein Nervensystem ^ ' S- 55- Formen der Nervenzellen. A. Eine unipolare Nervenzelle aus dem Spinalknoten eines Kaninchens (nach R.Krause.) B. Eine bipolare Nervenzelle aus dem Nervenknoten des Nervus trigeminus (nach Bidder aus Rauber-Kopsch). C. Eine multipolare Nervenzelle aus dem Rückenmark vom Rind (nach Deiters aus Heiden- hain). D. Eine Pyramidenzelle aus der Großhirnrinde des Menschen (verändert nach Heidenhain). E. Eine PuRKiNjEsche Nervenzelle aus der Kleinhirnrinde vom Menschen (nach Stöhr). F. Eine Nervenzelle des Klein- hirns, deren Nervenfortsatz in der unmittelbaren Nähe der Zelle sich aufzweigt (nach Cajal aus Heidenhain). « ^ Nervenfortsatz oder Neurit, rf = Plasmafortsätze oder Dendriten, «• = Nebenfortsätze oder Collateralen. gg Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Neuron, aus cincr unendlich großen Anzahl von Einzelneuronen auf, die miteinander in gesetzmäßige Beziehungen treten und auch in ihrer Leistung zuweilen ganz deutlich als eine Einheit funktionieren. Außer den Neuronen, dem eigentlichen nervösen Gewebe, bildet das Nerven- system noch eine Stützsubstanz aus, die in die Reihe der Fasergewebe gehört, aber ausschließHch in nervösen Organen angetroffen wird, entwicklungsgeschicht- lich dem Nervengewebe nahe verwandt ist, und daher in der Reihe der Stützge- Neurogiia. wcbc cinc Sondcrstcllung einnimmt : das Nervenkittgewebe oder die N e u r o g 1 i a. Die Gestalten der Nervenzellen sind überaus verwickelt und verschieden. Die Anzahl, Länge, Form der Ausläufer sind es, die den Reizgewebezellen ihre charakteristische Erscheinung aufprägen. (Fig. 55.) Gestalt der Zclleu mit cincm Fortsatze — man nennt sie unipolare Nervenzellen — Nervenzellen, j^g^l^gj^ im allgemeinen eine rundliche, birnenförmige Gestalt. Zwei Ausläufer ziehen nicht selten den Nervenzellenleib spindelförmig in die Länge: das sind die bipolaren Elemente. Die weitaus größte Anzahl der Nervenzellen besitzen jedoch eine große Anzahl von Fortsätzen, sie sind multi polar; durch den Ab- gang dieser vielen Ausläufer gewinnt die Zelle die Form eines Sternes oder eines unregelmäßig vielspitzigen Gebildes, oder sie nimmt Pyramidengestalt oder eine ganz unregelmäßige Form an, die sich unendlich wechselvoll ausgestaltet. Die Größe der Nervenzellen erreicht oft beträchtliche Maße. Viele von ihnen kann man mit bloßem Auge als Pünktchen sehen, einige erreichen so kolossale Abmessungen, daß sie von eigenen Haargefäßen ernährt werden, und imstande sind, allein für sich große Körperorgane zu versorgen, z. B. die elektrischen Zel- len des Zitterwelses (Malapterurus electricus). Die Nervenzelle verfügt — außer ihren allgemeinen Zellbestandteilen dem Plasma, Kern und Zentrum — und der charakteristischen Ausrüstung mit den Neurofibrillen — noch über eine Anzahl von besonderen Apparaten, die mit der Leistung der Elemente in inniger Beziehung stehen. Im Plasma, zwischen den Neurofibrillenfädchen, liegen Schollen, Klumpen, Körner, Spindeln einer be- sonderen Substanz, die sich durch ihre farbchemischen Eigenschaften, dem Chromatin, als ähnlich erweist und daher als chromophile Substanz oder als Cytochromatin bezeichnet wird oder nach ihrem ersten genauen Unter- Nißischc Sucher als Nißlsche Granulation. Ihr Schicksal bei den verschiedenen Ge- Granuia. g^j^g^j^jggg^ am Ncrvcnsystcm hat zuerst einen genauen Einblick in die Lebens- tätigkeit der nervösen Elemente gewinnen lassen (Fig. 56). Durchschneidet man den Fortsatz einer Nervenzelle, oder vergiftet man das Nervensystem mit Nervengiften, wie Morphium, Kokain, oder reizt man das Neuron zu an- dauernder fortwährender Tätigkeit, so verklumpen die einzelnen Nißl- Brocken, oder sie zerfallen staubförmig. Sie verändern jedenfalls in charakteristischer und gesetzmäßiger Weise Aussehen und Anordnung im Nervenzellenleibe. Leichtere Schädigungen oder heilbare und ersetzbareVerletzungen der Nerveneinheit gehen mit einer Wiederherstellung, einer Neuausbildung des Cytochromatins einher. Die Ausläufer der Nervenzelle sind bei den niederen Formen der Reiz- gewebeentwicklung gleichförmig. Auf den hohen Stufen tierischen Lebens Bau der Nervenzellen 87 Neuriten. differenzieren sie sich zu zwei verschiedenen Leistungen und Gestalten. Die einen von ihnen entspringen vom Zellenleibe mit breiten konischen Basisstücken, in dem Cytochromatin gelegen ist, teilen sich alsbald in baumförmige Veräste- lungen und tragen daher den Namen der Dendriten oder der Protoplasma- Dendriten, fortsätze. Sie sind oft in sehr großer Zahl vorhanden und bilden die Hauptmasse der Ausläufer z. B. bei den multipolaren Zellenformen. Die zweite Kategorie von Zellfortsätzen, die meist oder oft nur in der Einzahl an der Zelle vertreten ist und auch fehlen kann, nennt man Neu- riten oder Nerven- faserfortsatz. Es ent- springt aus dem Zellen- leibe mit dem soge- nannten Ursprungs- kegel, der frei vonNißl- scher Granulation ist und außer dem Plasma nur Neurofibrillen wie in einen Trichter in den Fortsatz einströmen läßt. Zuweilen kommt der Neurit auch aus ei- nem Dendriten hervor. Das Schicksal die- ses Neuriten ist ver- schieden. Bei manchen Zellen spaltet er sich in der unmittelbarenNähe der Zellen in Veräste- lungen auf, um mit die- sen zu enden. Sehr häu- fig zieht er eine weite Strecke dahin. Er kann Nebenästchen abgeben, die Collateralen, sich mit vielen seinesgleichen zu einem coiiateraien. Bündel vereinigen und so schließlich auch das Gefüge seines Ursprungsgewebes verlassen, in den Körper hinaustreten und zu einem Nerven werden. Die Nerven sind mithin nichts weiter als Bündel von Fortsätzen der Nervenzellen. (Fig. 57.) Bei sehr vielen niederen Tieren bestehen alle Nerven, bei den höheren die Fasern im Innern der nervösen Zentralorgane, des Gehirnes und des Rücken- marks und die Enden der Nerven lediglich aus den von dem Zellenkörper der zentralen Elemente entsandten Neurofibrillen und einer stets vorhandenen Masse interfibrillärer und perifibrillärer protoplasmatischer Substanz. Man nennt solche Nervenfasern nackte Fasern oder nackte Axone. Dieser Name rührt daher, weil sich derlei Bildungen in den komplizierter gebauten Nerven Fig. 56. Entartung des Cytochroniatins oder der NissLschen Granulation einer NervenzeUe aus dem elektrischen Hirnlappen eines Zitterrochen nach Durchschneidung des elektrischen Nerven. A Normales Bild der Zelle. B und C Entartung im Fortschreiten begriffen. D Entartung vollendet. (Nach Heidenhain.) Hau der Nerven. nf in Fig. 5/. Verschiedene Arten von Nervenfasern. A Sehern atische Darstellung des Zusammenhanges von Nervenzelle und Nervenfaser. (Teilweise nach Rauber-Kopsch.) Vom Zellenkörper (z) gehen aus: i. die Dendriten {d). 2. der Neurit («), der sich verzweigt und mit seinem einen Ast an einer Muskelfaser {m) mittelst einer motorischen Nervenendigung {'le) endet. Von seinem Stamme gehen Nebenästchen oder CoUa- teralen [c) aus, die mit Endbäurachen [e) enden. B Nackte Nervenfasern mit NervenfibriUen von einer Qualle (nach K.C.Schneider). C Marklose Nervenfasern aus der Milz vom Frosch (nach Kölliker aus Heidenhain). b = Bindegewebige Scheidewände, in Röhrenform die quergeschnittenen Bündel der Nervenfasern zusammen- fassend. D Querschnitte durch einige markhaltige Nervenfasern des Rindes (nach v. Kuppfer aus Rauber- Kopsch) : »«= Markscheide, nf= Neurofibrillen des Achsenzylinders. E und ^''Längsschnitte durch Abschnitte markhaltiger Nervenfasern, k = Kern des Nervensegmentes, Rs = RAN\aERsche Schnürringe, «/"= Nerven- fibrillen des Achsenzylinders, n = Neurilemma. In F bei stärkerer VERGRÖSSERUNG der Zusammensetzung der Markscheide [ni) und des Achsenzylinders {nf) sichtbar. {E teilweise nach Rauber-Kopsch, F vom Frosch nach Heidenhain.) G Querschnitt durch einen Teil eines markhaltigen Nerven vom Menschen. Die Nervenfasern (n, werden durch Bindegewebehüllen {b) zusammengehalten, b' Bindegewebe zwischen den Bündeln, b" innerhalb der Bündel (nach StÖhr). // Endbäumchen eines Nerven aus dem Kehldeckel vom Kaninchen (nach Arnstein aus Heiobnhain). Bau der Nervenfasern 89 Myelin. Neurokeratin. Markscheide der Nervenfasern. bei höheren Tieren lediglich als eigentliche Achse der Nervenfasern finden, die nun außen durch Hüllbildungen verschiedenster Art umscheidet werden. Weit- verbreitet ist die Bekleidung mit besonderen Hüllzellen, die eine zarte Scheide, das Neurilemma, bilden. Solche Fasern, aus Neurilemma und einem Axon auf- Neuniemma gebaut, sind bei Wirbeltieren am weitesten, weit aber auch bei Wirbellosen ver- breitet. Sie tragen den Namen der grauen oder der marklosen Nervenfasern, weil ihnen die im Nervengewebe der Wirbellosen nur sehr selten vorhandene, bei den Wirbeltieren aber sehr ausgiebig verwandte glänzende Markhülle der Nervenfaser fehlt. Die markumhüllten, höchst entwickelten Nervenfasergebilde sind Axone, die von feinen Ölröhren umscheidet sind. Das Nervenöl oder Nerven- mark, das Myelin, ist in einer schwammartigen Substanz, in feinsten Maschen aufgesaugt, so daß es trotz seiner flüssigen Be- schaffenheit nicht fließen kann. Das Schaumwerk, das Neuroke- ratin- oder Nervenhorngerüst, umgibt die Achsenfaser allseitig und unmittelbar; zusammen mit dem Myelin bildet es die Mark- scheide der markhaltigenNerven- fasern. Sie besitzt die Gestalt ein- zelner langer Hohlröhrchen, die an ihren Enden mit einer kurzen Unterbrechung kegelig zuge- spitzt aneinanderstoßen. An die- sen Stellen sieht die Markfaser wie eingeschnürt aus. Man nennt diese Stellen die Schnürringe. Die Strecken zwischen je zwei Schnürringen heißt man Nervensegmente. Aus Reihen solcher Nervensegmente baut sich die gesamte markhaltige Nervenfaser auf, die Neurofibrillen mit dem Neuroplasma, die eigentliche reizleitende Seele des Nerven, zieht aber ununterbrochen durch den ganzen Verlauf der Faser hindurch. Innerhalb der Zentralorgane liegen die Markfasern frei .nebeneinander, außerhalb des Gehirns oder Rückenmarks aber werden sie auch noch außen von dem Neurilemma umscheidet. Die Nervenfasern ordnen sich im Gewebeverband zu den eigentlichen Nerven. Nerven zusammen, die nichts weiter sind als Vielheiten solcher Nervenfasern. Seien es marklose, seien es markhaltige Fasern, seien es endlich beide Sorten nebeneinander werden durch Stützgewebe nach Art eines Kabels verbunden und von außen durch eine derbe lamellös geschichtete Bindegewebehülle zu- sammengehalten. Die kleinsten Nerven sind nichts weiter als solche einfachen Nervenfaserbündel. Die großen Nervenstämme indessen bestehen aus vielen Hunderten, ja Tausenden solcher Nervenfaserbündel, die wieder durch Binde- gewebe miteinander vereinigt werden. Bei diesen großen Leitungsorganen drin- gen in das verbindende Stützgewebe Blutgefäße und Lymphgefäße hinein und Fig-. 58. Stück der Hautwand eines Siißwasserpolj'pen von der Fläche gesehen. Einfachster Gewebeverband von Nervenzellen: das Nervengeflecht. Nervenzellen (2) mit ihren Ausläufern (f) versorgen große Abschnitte etwa von Muskelelementen (m) mit nervösen Im- pulsen. (Nach K. C. Schneider.) 90 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Fig. 5g. Endigungen von Nervenfibrillen (_/") an Nervenzellen («) zur Herstellung des Über- tragungskontaktes behufs Überleitung des Reizes von einer Nerveneinheit zu einer anderen. Aus dem Ursprungskern des Hör- nerven vom Kaninchen. (Nach Cajal aus Heidenhain.) oft findet sich auch Fettgewebe darin: Einrichtungen, wie sie für die Ernährung und Erhaltung der Nervenstämme notwendig sind. Bei den einfachen Anordnungsformen der Reizleitungssubstanz im Tierkörper verteilt sie Nervengeflecht. f (}^F J F'^'^r— / sich gleichmäßig in der Gestalt eines Nerven- geflechtes mit Nervenzellen und Nervenfäser- chen. (Fig. 58.) Weit komplizierter gestaltet ist der orga- nische Aufbau der nervösen Organe, wenn es sich nicht um reine Leitwege, wie die Nerven, sondern um zentra- lere höhere Organe handelt. Die einfachsten aller dieser Nervenorgane sind die Nervenknoten oder Ganeiien "" ' '^ ' Ganglien. Siebeherbergen O TT J *T r-rt TTn/lirrtirKr/in Ti-in TSj^aj-ir/^iTTfiTTrill/^Ti / f\ F 1 ff. 6o, ^clleil (s) lind. Fasern des Nervenkitt- außcr Ncrvcnf ascm, dic die gewebes oder der Neu- t-> • i i 1 "j. -u rogiia aus dem Rücken- Rcize ab- Und zuleitcn, auch mark des Orang. Nervenzcllen, die zu den (Nach R. Krause.) ' _ Fasern in bestimmter gesetz- mäßiger Beziehung stehen. In einem solchen Knotenpunkte enden die Nerven- f äserchen zum Teil mit feinen Verästelungen, die sich um Nervenzellen herum- schmiegen und mit ihnen in mehr oder weniger innige Beziehungen treten (Fig.59). Andere Fasern treten mit ihren Neurofibrillen in die Zellen hinein; wie- der andere verlassen die Elemente auf dem Wege der Fortsätze. Die Zellen selbst aber stehen miteinander wieder in ''■^ Verbindung, sei es unmittelbar oder mittelbar. Es gibt auch Zellen, die ledig- lich die Verbreitung ihrer Fortsätze auf das Innere des Knotens beschränken. So werden schon im Innern eines solchen Nervenknotens eine große Reihe von Verbindungs- und Schaltmöglich- keiten verwirklicht. Eine weitere höhere Komplikation wird indessen in den eigentlichen Zen- tralorganen erreicht. Hier sind es ganze Systeme von Fasern, die zur Endigung kommen, in Zellen hineinstrahlen, andere Zellen verlassen; ganze Systeme von verschiedenen Zellenarten, die Verbindungen miteinander eingehen und Ver Nervöse Zentralorgane. Fig. 61. Gliazelle aus dem Nervensystem eines Blut- egels {glz). nf ^ Nervenfasern, gif = Gliafasem. (Nach K. C. Schneider.) Zentrales Nervengewebe. Nervenkittgewebe 91 J rg^ Fig. 62. Rieclisinneszellen (;■) im Epithel der Riechschleim- haut {s) einer Maus gelegen, entsenden feine Riechnerven- fibrillen ( /), die in den Riech- knäulen (g-/) der Riechhim- rinde enden. Diese Elemente {rH} bilden miteinander ein Neuron, das erste Riechneuron (i). In den Knäueln durchflechten sich die Neurofibrillen des ersten Neurons mit den Anfangsfibrillenverzweigungen des zweiten (2), das tiefer in das Zentralnervensystem hineinführt. (Nach Retzius aus Heidenhain.) bindungen der übrigen Fasern und Zellen vermitteln. Jede Region des Zentral- nervensystems hat dabei ihre eigene Aufgabe, ihre eigene Architektur, die im einzelnen zu erforschen, die Aufgabe der speziellen Neurobiologie geworden ist. Die Nervenkittgewebe oder die Neuroglia setzen sich aus Fasern und Neurogiia. Zellen, wie das Neuronengewebe selbst, zusammen. (Fig. 6o.) Fasern und Zellen sind indessen hier durchaus selbständige Gebilde, wenngleich ursprünglich die Fasern von den Zellen her gebildet wer- den. Die Gliafasern sind glatt und ho- mogen, sie bilden ein dichtes starres Filz- werk, das alle die Nervenfasern und Nervenzellen der Zentralorgane umhüllt, einscheidet und voneinander abgrenzt, hier und da auch derbere Scheide wandbil- dungen liefert. In diesemFaserfilz erschei- nen die in der Regel kleinen unschein- baren Gliazellen eingelagert. Unter Um- ständen gewinnen indessen die Nerven- kittzellen auch sehr beträchtliche Grö- ßen, z. B. bei den Egelwürmern. (Fig. 6i.) Der architektonische und funktio- nelle Aufbau nervöser Apparate bleibt unverständlich, wenn er nicht durch die Erläuterung wenigstens der einfachsten Form reizaufnehmender und reizauslö- sender, rezeptorischer und effektorischer, Gewebseinrichtungen ergänzt wird. Die gesamten Reizleitungsgewebe eines Systems bleiben gewissermaßen un- tätig, wenn nicht von irgendeiner Stelle der Außenwelt her Reize zugeführt werden. Solche Reizaufnahmeapparate heißen Sinnesgewebe. Sie bauen sich nach zwei verschiedenen Grundtypen auf. Sinnesnervenzellen liegen in der Oberhaut oder der Schleimhaut, z. B. des Riechorganes der Wirbeltiere. (Fig. 62.) Die Sinnesnervenzellen sind oft mit Fortsätzen ausgerüstet, diezurReizaufnahmegeeignet sind. ImKör- per dieser Zellen liegt ein maschiges nervöses Fibrillen- gerüst, aus dem am basalen Ende eine Nervenfaser aus- tritt, um sich in das zentrale System hineinzubegeben. Bei dem zweiten Typus ist die reizaufnehmende Zelle nicht unmittelbar mit dem Nervensystem durch eigene Neurofibrillen verknüpft, sondern die Empfangszelle ruht auf einem Polster (Fig. 63), steckt in einer Scheide, liegt auf einer Platte feinsten Neuro- fibrillennetzwerkes, das Nervenfäserchen in die Zentralorgane hinein entsendet, um dort über die Vorgänge in der Außenwelt Bericht zu erstatten. Nach diesem Typus sind viele Tasteinrichtungen der Tiere aufgebaut. Die höheren Sinnesgewebe — optische, akustische Reizaufnahmeapparate — unterscheiden sich von diesen einfachen Gewebeformen ledis[lich durch die Bau der nervösen A pparate. Siniiesuerven- zellen. Fig. 63. Ta^tzelle (s) mit Tast- scheibe («), aus einem Neuio- fibrillennetzwerk aufgebaut von einem GRANDRVschen Tastkörper- chen des Entenschnabels J'= die reizableitende Nervenfaser. (Nach Heidenhain.) 92 Heinrich Poll: Zellen und Gewebe des Tierkörpers Nerven- endigungen. höhere Komplikation und die besonderen Anpassungsleistungen. Im Prinzip herrschen die gleichen Baupläne. Der Erfolg einer stattgehabten Reizung äußert sich in der weitaus größten Mehrzahl der Fälle durch Eintritt einer Bewegungs- oder einer chemischen Aktion, einer Muskel- oder einer Drüsentätigkeit. Auch den geweblichen Aufbau dieser Organe beherrscht die Neurofibrille mit dem Neuroplasma: als Beispiele diene die Nervenendigung an einer Muskel- faser (Fig. 64). Nachdem Markscheide und Neurilemm kurz vor der Muskelfaser sich verloren haben, schließt das nackte Axon, das Ende der Nervenfaser, mit einer Platte ab, der Endplatte. Die Endverzweigung des Axons bildet eine ge- weihartige Figur, die sich in eine protoplasmatische Grundmasse, die Sohlen- platte, einbettet. An dieser Stelle wird der Willensim- puls, den die zutretende Ner- venfaser heranbringt, auf die Muskelfaser übertragen und bringt sie zur Zusammen- ziehung (Fig. 65). Das Nervengewebe lei- stet seiner Anordnung und Aufgabe entsprechend zum großen Teil die wichtigste Arbeit : die Einzelzellen, die Einzelgewebe, die Einzel- organe miteinander zu ver- binden und in gesetzmäßig sich gestaltendeBeziehungen Fig. 64. Drei Muskelfasern ^m) von der Ringelnatter mit den Muskelendplatten {e), links von der Fläche, rechts von der Kante gesehen. // = der zutretende Nerv. (Nach R. Krause.) F i g. 65. Quergestreifte Muskelfaser eines Gliedertieres (Cassida equestris) mit herantretendem Nerven («) und der gu SCtZCU. Es Übernimmt dic Endplatte (e). Die Muskelfaser beginnt sich an der Endplatte zusammenzuziehen. tj = doppelt brechende, i = einfach bre- chende Substanz der Querstreifung, J = Sarkolemm. (Nach Rollet.) Zusammenfügung der Ein- zelteile, die durch den Diffe- renzierungsprozeß derZellen, Gewebe undOrganeihreFähigkeitalsGanzes für sich alleinzuleben verloren haben. Diese ,, Integrationsleistung" ist aber nicht allein dem Nervengewebe an- vertraut. Stehen schon rein räumlich betrachtet die Elemente miteinander in nachbarlicher Verbindung, die sich auch häufig durch die Ausgestaltung be- sonderer Verbindungsapparate äußert, so werden sie allesamt durch den ge- meinsamen Anschluß an das Körpersaftsystem zu einem großen Ganzen ver- einigt. An keiner Stelle, die in das Gewebeganze eingeschaltet ist, kann sich etwas ändern, ohne daß nicht physikalisch-chemische Stoffwechseländerungen sich dem ganzen System mitteilen. So arbeiten und entwickeln sich die Einzelglieder jedes Gewebes, jedes Organes, jedes Apparates in stetiger unzerstörbarer Einheitlichkeit miteinander und gestalten die Mannigfaltigkeit der inneren Architektur und Funktion zu einem nach außen als Ganzes erscheinenden Individuum. Literatur. I. Handbücher der Zellen- und Gewebelehre. KÖLLIKER- von Ebner: Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Leipzig 1889. — Heidenhain, M.: Plasma und Zelle. Jena 1907, 191 1. 2. Lehrbücher zur Zellen- und Gewebelehre. Bergh, R. S. : Vorlesungen über die Zelle und die einfachen Gewebe des tierischen Körpers. — Gurwitsch, Alexander: Morphologie und Biologie der Zelle. Jena 1904. — Krause, R.: Kursus der normalen Histologie. Berlin und Wien 191 1. — Oppel, A.: Lehr- buch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere. Jena 1896 bis 1910. — Rauber-Kopsch : Lehrbuch der Anatomie. Leipzig 191 2. — Schneider, K. C.: Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Tiere, Jena 1902. — Szymonowicz-Krause: Lehrbuch der Histologie und mikroskopischen Anatomie. Würzburg 1909. — StöHR - Schultze, R.: Lehrbuch der Histologie. Jena 191 2. — Sobotta: Atlas zur Zellen- und Gewebelehre. Atlas der normalen Histologie. München rgii. 3. Technische Hand- und Lehrbücher der Gewebelehre. Ehrlich, P., Kr.\use, R., Mosse, M., Rosin, H., weil. Weigert, K.: Enzyklopädie der mikroskopischen Technik. Berhn und Wien 19 10. — BÖHM und Oppel: Taschenbuch der mikroskopischen Technik. 1912. 4. Biologie der Zelle. Hertwig, Oskar: Allgemeine Biologie. Jena 1912. — Verworn, M.: Allgemeine Physio- logie. Jena 1909. 5. Allgemeine Schriften über den Bau der Zelle. Altmann, R. : Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig 1894. — BovERl, R.: Ergebnisse über die Konstitution der chromatischen Substanz des Zell- kerns. Jena 1904. — Bütschli, O.: Untersuchungen über mikroskopische Schäume und das Protoplasma. Leipzig 1892. — Flemming, Walther: Zellsubstanz, Kern- und Zellteilung. Leipzig 1882, — Höber, R. : Physikalische Theorie der Zelle und der Gewebe. Leipzig 1911. — Retzius, G.: Zur Kenntnis vom Bau des Zellkernes. Biol. Untersuchungen 188 1. — Schwarz, Fr.: Die morphologische und chemische Zusammensetzung des Protoplasmas. Breslau 1887. — Waldeyer, W.: Die neueren Ansichten über den Bau und das Wesen der Zelle. Leipzig 1895. — Wiesner, J. : Die Elementarstruchu und das Wachstum der lebenden Substanz. Wien 1892. — Wilson, E. B.: The cell in development and interitance. New York 1904. 6. Fortpflanzung" der Zelle. Haecker, V.: Praxis und Theorie der Zellen- und Befruchtungslehre. Jena 1899. — Waldeyer, W. : Die Geschlechtszellen. Hertwigs Hdb. der vergl. u. exp. Entwicklungs- lehre. Jena 1906. 7. Einige spezielle Schriften über das Nervengew eb e.*) Bethe, Albrecht, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig 1903- — Cajal, S. R.: Histologie du systfeme nerveux de l'homme et des vertebr^s. Paris 1909. — Held, H. ; Die Entwicklung des Nervengewebes bei den Wirbeltieren. Leipzig 1909. — v. Lenhossek, M.: Der feinere Bau des Nervensystems. Berlin 1895. — Schiefferdecker, P.: Neurone und Neuronenbahnen. Leipzig 1906. — Verworn, M.: Das Neuron in Anatomie und Physiologie. Jena 1900. — Weigert, R. : Beiträge zur Kenntnis der normalen menschhchen Neuroglia. Frankfurt a. M. 1895. *) Die übrigen Arbeiten über Epithel-, Grundsubstanz- und Muskelgewebe finden sich zumeist in Einzelabhandlungen wissenschaftlicher Zeitschriften. Diese Titel sind aus den Schriftenverzeichnissen der genannten Handbücher zu ersehen. ALLGEMEINE UND EXPERIMENTELLE MORPHOLOGIE UND ENTWICKLUNGSLEHRE DER TIERE. Von Oscar Hertwig. In seinem berühmten Buch über Entwicklungsgeschichte hat Carl Ernst V. Baer ein Gesetz formuliert, ,,daß aus dem Allgemeinsten der Formverhält- nisse sich das weniger Allgemeine und so fort bildet, bis endlich das Speziellste auf- tritt". Das heißt, in anderen Worten ausgedrückt : es zeigen die ersten Entwick- lungsvorgänge im ganzen Tierreich eine auffällige Übereinstimmung, während die Unterschiede, welche für die Vertreter der einzelnen Tierstämme, Klassen und Ordnungen des Systems eigentümlich sind, erst auf späteren Stadien in entsprechendem Maße zur Ausbildung gelangen. Bei der Darstellung in Lehr- büchern ist es daher auch immer mehr Sitte geworden, der speziellen Entwick- lungslehre eine allgemeine vorauszuschicken und in ihr die ersten Stadien der Entwicklung und die sich hier abspielenden allgemeinen Vorgänge, welche für das ganze Tierreich charakteristisch sind, zu besprechen. Auch in der Kultur der Gegenwart empfiehlt es sich, an dieser Darstellung festzuhalten. Die For- schung auf dem Gebiete der allgemeinen Entwicklungslehre sondert sich als- dann wieder in zwei Richtungen, in die vergleichende und die experimentelle. Zwar sind Morphologie und Entwicklungsgeschichte zurzeit noch vorzugsweise auf Beobachtung beruhende Wissenschaften, in denen allgemeine Ergebnisse durch die vergleichende Methode gewonnen werden. Doch nehmen in dieser Beziehung die ersten Entwicklungsstadien eine Sonderstellung ein. Denn wenn wir auch hier die Grundlagen unseres Wissens und ein reiches Material an Kenntnissen, wie es selbstverständlich und nicht anders möglich ist, eben- falls der einfachen direkten Beobachtung der Naturvorgänge zu verdanken haben, so ist doch neben ihr die experimentelle Forschung, welche der Physio- logie, Chemie und Physik ihre großen Erfolge gebracht hat, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt mehr bemüht gewesen, in viele Probleme tiefer einzudringen, als es durch einfache Beobachtung des normalen Geschehens möglich gewesen wäre. Daher sind in unserem ersten Kapitel auch die auf experimentellem Wege ge- wonnenen, zum Teil sehr wichtigen Errungenschaften in gebührender Weise mit zu berücksichtigen; zugleich ist hierbei zu zeigen, auf welche Art und durch welche Mittel das Experiment in der Entwicklungslehre, wie in anderen exakten Wissenschaften, unser Wissen zu erweitern und zu vertiefen berufen ist. Die ,, Kultur der Gegenwart" soll kein Lehrbuch sein, sie soll einem weiteren Leserkreis einen Einblick in die Haupterrungenschaften der neuzeithchen Forschung auf dem Gebiet der Entwicklungslehre geben. Aus dem überreichen Stoff ist daher eine strenge Auswahl und eine Beschränkung auf das Wichtigste Vorbemerkungen nc und Wissenswerteste zu treffen. (0 Wir werden mit der Besprechung der weib- lichen und männlichen Keimzellen beginnen, da sie in allen Klassen des Tier- reiches, wenn wir von einigen Ausnahmen der ungeschlechtlichen Vermehrung absehen, den Ausgangspunkt der einzelnen Entwicklungsprozesse bilden; dann werden wir längere Zeit bei dem wichtigen und interessanten Studium des Be- fruchtungsprozesses verweilen. Da aber ein volles Verständnis desselben nur durch eine genaue Kenntnis von der Entstehung der Ei- und Samenzellen in den Keimdrüsen möglich ist, so wird sich an die Befruchtung ein ergänzender Abschnitt über die Ei- und Samenreife, zur Vervollständigung unserer Einsicht, anschließen. Eine weitere Ergänzung bildet ein Abschnitt über die Ent- wicklungsfähigkeit der Eizelle ohne Befruchtung. Wenn wir in den vier ersten Abschnitten es mit Erscheinungen und Prozessen zu tun haben, welche für das ganze Tierreich als gesetzmäßig bezeichnet werden können, so ist dies teilweise auch noch bei den hierauf folgenden Entwicklungsvorgängen, die uns alsdann beschäftigen werden, der Fall: bei dem Furchungsprozeß oder der Vermehrung des befruchteten Eies durch Teilung, bei der Anordnung der auf Hunderte und Tausende vermehrten Embryonalzellen zu charakteristischen Verbänden, nämlich zu den embryonalen Grundformen der Morula, der Bla- stula und Gastrula. Auf vielen der hier genannten Gebiete werden wir Gelegenheit nehmen, auch auf wichtige Ergebnisse der experimentellen Forschung einzugehen. Ihre Wichtigkeit besteht vor allem darin, daß sie uns eine wertvolle Grundlage für die Besprechung allgemeiner Probleme der Entwicklungslehre geben, wie der Idio- plasmakerntheorie, der Theorie der Biogenesis, der Keimplasma- und Mosaik- theorie, des Prinzips der organbildenden Keimbezirke und der organbildenden Stoffe. Auf Grund dieser Vorbemerkungen und der kurzen Disposition unserer Aufgabe, beginnen wir mit dem Thema unseres ersten Abschnittes. I. Ei und Samenfaden sind einfache Elementarteile des tierischen Körpers; beide haben in gleicher Weise den Formwert von Zellen. Trotzdem stehen sie aber, bei allen Tieren ohne Ausnahme, in ihrem ganzen Aussehen, in ihrer Form, Größe und feineren Zu- sammensetzung in einem ausgesprochenen Gegensatz zueinander. Während die Eier alle übrigen Zellen des tierischen Körpers durch ihre außerordenthche Größe weit übertreffen, sind die Samenfäden ganz im Gegenteil die allerklein- sten; die Eier haben eine kugelige oder ovale Form und sind in verschiedener Weise in besondere Hüllen eingeschlossen, die Samenfäden dagegen sind, wenn wir von einzelnen Tierklassen und Ordnungen absehen, bei den meisten Wirbel- losen und bei allen Wirbeltieren feine, bewegliche Fäden, die in einem Tropfen Samenfiüssigkeit wegen ihrer Kleinheit in ungeheurer Menge enthalten sind. Anmerkung: Die in Klammern gesetzten Zahlen, wie in vorliegendem Fall, beziehen sich auf einzelne Literaturangaben und Anmerkungen, die am Schluß des Kapitels zu- sammengestellt sind. 96 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Das Ei. Wenn wir bei der Untersuchung des feineren Baues mit dem Ei (Fig. i) be- ginnen, so unterscheidet man an ihm, wie an jeder Zelle, als die wichtigsten und wesenthchsten Bestandteile Protoplasma, Kern [kb) und Membran {zp). Die beiden erstgenannten zeigen ein von den gewöhnhchen Gewebszellen sehr verschiedenes Aussehen. In das Protoplasma des Eies sind nämlich bald weniger, bald mehr, zuweilen in ganz ungeheurer Menge, verschiedenartige Substanzen in Form von Körnern, Schollen, Plättchen oder Tropfen {d) ein- gelagert; es sind Nährmaterialien oder wie man in der Physiologie sagt, Reserve- stoffe, welche während der Entwicklung bei der Entstehung neuer Zellen und zur Bildung des embryonalen Körpers all- fo^^^kk^4^ mähhch aufgebraucht werden. Durch sie kann bei reichlichem Vorhandensein das ^■p Protoplasma fast ganz verdeckt werden, in- An dem es nur noch feine Lücken zwischen den ^/ eingelagerten Reservestoffen, gleichsam wie der Mörtel zwischen den Steinen eines Fig. I. Ei aus einem 2 mm dicken Follikel des Kaninchens. Nach Waldeyer. Es ist von der Zona pellucida (z/) umgeben, welcher an einer Stelle Follikelzellen (Jz) aufsitzen. Der Dotter enthält Kügelchen von Deutoplasma («/). In das Keimbläs- chen {A6) ist das Kernnetz (/^«) besonders eingezeich- net, welches einen großen Keimfleck {/c/) einschließt. I. 2. Mauerwerks, ausfüllt. Der in so eigen- tümlicher Weise veränderte Inhalt der Ei- zelle wird im gewöhnlichen Leben, wie auch häufig in der embryologischen Literatur, als der Eidotter (vitellus) bezeichnet. Entsprechend der Masse des Dotters fällt auch der Kern der Eizelle, gewöhnlich das Keimbläschen (Fig. i ; k h) (vesicula germinativa) genannt, imVergleich zu dem- jenigen anderer Elementarteile sehr groß aus. Man unterscheidet am Keimbläschen die flüssige Grundsubstanz, den Kernsaft, die Kernmembran, durch welche die mit Saft gefüllte Höhle gegen den Dotter abgegrenzt wird, das Chromatin und die Nucleoli oder Keimflecke [kf). Das Chromatin ist eine zwar nur in sehr geringer Menge vorhandene, aber biologisch sehr wichtige Substanz; sie tritt in feinen Körnchen und Fäden auf und verdankt ihren Namen der Eigenschaft, gewisse Farbstoffe, wie Karmin und Haemotoxylin oder basische Anilinfarben, aus geeigneten Lösungen an sich zu ziehen. Die Nucleoli oder Keimflecke [kf) sind etwas größere, kuglige oder lappige Körper einer Proteinsubstanz; ihre Zahl kann sich von eins bis auf viele Hun- derte belaufen. Es hängt dies hauptsächhch von der Größe des Eies in den ein- zelnen Tierklassen ab. Der Samenfaden. Im Vergleich ZU dicscr Beschaffenheit des Eies bietet die männliche Keimzelle, auch abgesehen von dem schon hervorgehobenen Größenunter- schied, ein ganz verschiedenes Aussehen dar, zumal wenn sie uns in der ge- 4- Ei und Samenfaden 97 A Ca\ ■Ppr [i- B ■LPpr ■Pt wohnlichen Form eines allerfeinsten Fadens entgegentritt. Man könnte Be- denken tragen, im Samenfaden überhaupt einen der Zelle gleichwertigen Form- teil zu erblicken, wenn wir nicht durch direkte Beobachtung wüßten, daß er in der männlichen Keimdrüse aus einer Samenbildungszelle (Spermatide) durch Umwandlung hervorgeht und daß er aus den drei für die Zelle wesentlichen Be- standteilen, aus Protoplasma, Kern und Centrosom -^f zusammengesetzt ist. Bei sehr starker Vergrößerung kann man nämlich an den Samenfäden (Fig. 2) drei Abschnitte unterscheiden, welche den obengenannten drei Zellbestandteilen entsprechen, den Kopf, den Hals oder das Mittelstück und den Schwanz. In ihrer Form und Größe bieten sie zahlreiche Variationen in den einzelnen Tierarten dar. Bei den menschlichen Samenfäden, die durchschnittlich nur 0,05 mm lang sind, hat der Kopf in der Flächenansicht die Form eines ovalen Flättchens, welches nach hinten dicker als vorn ist. Von der Seite gesehen läßt er sich einer plattgedrückten Birne vergleichen. Der vordere scharfe Rand dient als Schneide, durch welche dem Samenfaden, wie wir bald sehen werden, beim Be- fruchtungsprozeß das Einbohren in die Rinde des Eies erleichtert wird; er ist daher auch als Perfora- torium bezeichnet worden. Der Kopf ist aus dem Kern der Bildungszelle durch Umwandlung hervor- gegangen; er besteht zum größten Teil aus ziemlich kompaktem, ganz homogen aussehendem Chromatin und nimmt infolgedessen auch die charakteristische Kernfärbung an. Der auf den Kopf folgende Hals ist stäbchenförmig und birgt das wichtige Centrosom. An ihn schheßt sich der Schwanzfaden an, der sich aus umgewandeltem Protoplasma gebildet hat, daher kontraktil ist und am lebenden Objekt schlängelnde Bewegungen ausführt. Indem sich mit seiner Hilfe der Samenfaden wie eine einzellige Flagellate mit ziemlicher Geschwindigkeit in der Samenflüssigkeit fortbewegt, kann er mit Recht einer Geißelzelle verglichen werden. Wer Ei und Samenfaden auf ihren Bau genauer untersucht und sie ein- ander vergleichend gegenüberstellt, wird sich auch die Frage vorlegen müssen, warum und zu welchem Zweck die weiblichen und die männlichen Geschlechts- zellen im ganzen Tierreich so außerordentlich verschieden ausgefallen sind und warum sie in ihrer Größe und in ihrer Form so ausgesprochene Gegensätze dar- bieten? Die Frage läßt sich bei einigem Nachdenken leicht beantworten. Sie findet ihre Erklärung in den Vorgängen bei der geschlechtlichen Zeugung und bei den anschließenden Stadien des Entwicklungsprozesses. Wie ich es schon in meinem Lehrbuche der Entwicklungsgeschichte dargestellt habe, ,, kommen bei der Entstehung eines neuen Organismus aus den beiden Keimzellen, die K.d.G.m.iv, Bd2 ZeUeiilehre etc. II 7 F i g. 2. Samenfäden vom Menschen. Nach G.Rbtzius. A.Profil ansieht, B. Flächenansicht. Cp Kopf, Cd Schwanz, Pf Perforatorium, Pc Verbindungsstück des Schwanzes, Ppr Hauptstück des Schwanzes, LPpr Grenze des Hauptstücks gegen das Endstück des Schwanzes Pi. Ungleiche Differenzierung der Keimzellen. q8 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere wir nach ihrer Rolle beim Befruchtungsprozeß als weibliche und männliche bezeichnen, zwei Momente in Betracht, die miteinander konkurrieren und in einem Gegensatz zueinander stehen. Erstens müssen die zwei Zellen, von denen wir bei Besprechung des Befruchtungsprozesses gleich sehen werden, daß sie sich zu einer gemischten Anlage vereinigen, in der Lage sein, sich aufzusuchen und zu verbinden. Zweitens ist es aber auch, wenn aus dem Verschmelzungsprodukt ein vielzelliger, komplizierter gebauter Organismus in einem kurz bemessenen Zeitraum entstehen soll, von Wichtigkeit, daß gleich von Anfang an viel entwicklungsfähige Substanz vorhanden ist und nicht erst auf dem zeitraubenden Umweg der Ernährung von den sich bildenden und diffe- renzierenden Embryonalzellen selbst herbeigeschafft zu werden braucht." ,,Um der ersten Aufgabe zu genügen, müssen die Zellen beweglich und daher aktiv sein; für die zweite Aufgabe dagegen müssen sie entwicklungs- fähige Substanz, Vorräte an Nahrungsstoff, der beim raschen Ablauf des Ent- wicklungsprozesses dann aufgebraucht werden kann, in sich aufspeichern; sie müssen dementsprechend an Größe zunehmen, was wieder naturgemäß eine Beeinträchtigung ihrer Beweglichkeit zur Folge haben muß." ,,So konkurrieren denn zwei Momente miteinander, von denen das eine die Zelle beweglich und aktiv, das andere dagegen sie unbeweglich und passiv zu machen sucht. Die Natur hat beide Aufgaben gelöst, indem sie Eigenschaften, die ihrem Wesen nach in einem Körper unvereinbar, weil gegensätzlich zuein- ander sind, nach dem Prinzip der Arbeitsteilung auf die beiden zum Befruch- tungsakt verbundenen Zellen verteilt hat. Sie hat die eine Keimzelle aktiv und befruchtend, d. h. männlich, die andere dagegen passiv und empfangend, d. h. weiblich gemacht. Die weibliche Zelle, das Ei, hat dabei die Aufgabe über- nommen, für die Substanzen zu sorgen, welche zur Ernährung und Vermehrung des Zellprotoplasma und seiner Differenzierungsprodukte bei einem raschen Ab- lauf des Entwicklungsprozesses erforderlich sind. Sie hat daher während ihrer Ausbildung im Eierstock, in einer Periode, die man auch ganz passend als ihre Vorentwicklung gekennzeichnet hat, Dottermaterial (Reservestoffe) auf- gespeichert und ist dementsprechend groß und unbeweglich geworden. Der männlichen Zelle dagegen ist die zweite Aufgabe zugefallen, die Vereinigung mit der ruhenden Eizelle herbeizuführen. Sie hat sich daher zum Zwecke der Fortbewegung in einen kontraktilen Samenfaden umgebildet und hat sich, je vollkommener sie ihrer Aufgabe angepaßt ist, um so mehr aller Substanzen ent- ledigt, welche, wie z. B. das Dottermaterial oder selbst das Protoplasma, diesem Hauptzweck hinderhch sind. Dabei hat sie zugleich auch eine Form angenommen, welche für den Durchtritt durch die Hüllen, mit welchen sich das Ei zum Schutz umgibt, und für das Einbohren in den Dotter die zweck- mäßigste ist." Nachdem wir so den Gegensatz in der Form und Größe der beiderlei Ge- schlechtszellen in befriedigender Weise glauben erklärt zu haben, können wir uns nun auch zu dem Vorgang wenden, der Jahrhunderte lang die Wißbegier der Naturforscher angeregt und zur Aufstellung zahlreicher verschiedenartiger Der Befruchtungsprozeß qq Theorien veranlaßt hat, aber trotzdem für sie bis in unsere Tage ein uner- forschbares Mysterium gebheben war. Denn ein solcher Vorgang war der Be- fruchtungsprozeß. Als einst der berühmte Physiologe Haller in seinem großen Handbuch der Physiologie an das Kapitel der Zeugung kam, hat er es mit der damals gewiß berechtigten Klage begonnen: ,,Ingratissimum opus, scribere de iis, quae multis a natura circumiectis tenebris velata, sensuum luci inac- cessa, hominum agitantur opinionibus." 2. Der Befruchtungsprozeß. Es ist eine bekannte Erfahrung, daß reife Eier, von wenigen Ausnahmen Ältere zeagungs- abgesehen, damit sie in den Entwicklungsprozeß eintreten können, zuvor der t^^eorien Befruchtung bedürfen. Andernfalls erlischt ihre Lebensfähigkeit, und es beginnt ihr Zerfall mit unerwarteter Schnelligkeit einzutreten. Schon von alters her hat man daher darüber nachgedacht, in welchen Eigenschaften diese entwick- lungserregende Kraft des Samens besteht, und in welcher Weise sie sich im Ei geltend macht. Bei derartigen Betrachtungen kam man freihch über völlig haltlose Hypothesen im 17. und 18. Jahrhundert nicht hinaus, da es an den für die Beantwortung unentbehrlichen Vorbedingungen, an Beobachtungs- tatsachen, welche in den Naturwissenschaften die Grundlage für jeden Fort- schritt bilden, noch fehlte. Da der Samen bei den Wirbeltieren, welche den am nächsten liegenden Ausgangspunkt für Reflexionen bildeten, aus zwei Bestand- teilen, aus einer den Spermageruch darbietenden Flüssigkeit und aus geformten, beweglichen Körperchen, den Samenfäden, besteht, so waren sich die For- scher lange Zeit darüber im unklaren, welcher von beiden Teilen das eigent- lich befruchtende Prinzip sei. Gewöhnlich hielt man für dasselbe fast allge- mein die Samenflüssigkeit; sie sollte durch die Eihüllen durchdringen, mit dem Inhalt sich vermischen und so auf chemischem Wege den Anstoß zur Ent- wicklung geben. Mit den Samenfäden aber, in welchen einst die noch später zu besprechende Schule der Animalkulisten die präformierten Geschöpfe er- blickt hatte, wußte man bei dieser Ansicht nichts Rechtes anzufangen; man hielt sie vielfach für kleinste parasitische Tiere, für Spermatozoä, welche die Samenfiüssigkeit, Infusorien vergleichbar, bevölkern. (Valisneri.) Findet sich doch noch in der berühmten Physiologie von Joh. Müller aus dem Jahr 1840 die Bemerkung: ,,0b die Samentierchen parasitische Tiere oder belebte Urteilchen des Tieres, in welchem sie vorkommen, sind, läßt sich für jetzt noch nicht mit Sicherheit beantworten." Eine Klärung wurde erst allmähhch, teils durch das physiologische Ex- periment, teils durch mikroskopische Beobachtungen herbeigeführt. Indem man Froschsamen durch Filtration in seine flüssigen und festen Bestandteile trennte (Spallanzani, Leuckart), konnte festgestellt werden, daß mit der Flüssigkeit benetzte Eier unentwickelt blieben und bald zerfielen, während solche, die mit dem Filterrückstand, mit den Samenfäden, betupft wurden, sich alsbald auch regelrecht teilten und entwickelten. Auf der anderen Seite wurde die Lehre von der Parasitennatur der Samenfäden durch die sich immer I OO Oscar Hertwig : Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere mehr vervollkommnende mikroskopische Forschungsmethode unhaltbar ge- macht, da ihre Entstehung in den Geschlechtsorganen des sie bergenden Tieres durch Umwandlung von Zellen direkt bewiesen werden konnte. So spitzte sich denn von jetzt ab das Problem der Befruchtung immer mehr in die Frage zu, in welcher Weise und wodurch die Samenfäden den Anstoß zur Entwick- lung des Eies geben. Daß diese sich bei der Befruchtung an der Oberfläche der Eier oft in großer Zahl festsetzen und an den Eihüllen haften bleiben, wobei sie mit den Geißeln lebhafte pendelnde Bewegungen ausführen, konnte bei mikroskopischer Untersuchung geeigneter Objekte häufig wahrgenommen werden. Derartige Beobachtungen gaben wohl die Anregung zu einer 1847 aufgestellten chemisch-physikalischen Erklärung des Befruchtungsprozesses durch Kontakt (Bischof!. Leuckart). Nach ihr sind ,, die Vorgänge im befruch- teten Ei das Produkt von zweierlei Faktoren, von der primitiven Disposition des Bildungsmateriales und von der molekularen Bewegung, die demselben von den Samenkörperchen bei der Berührung mitgeteilt wird." Die Kontakttheorie wurde indessen bald durch neue Beobachtungen über- holt und in den Schatten gestellt. Von verschiedenen Forschern (Barry, Newport, Nelson, Meißner, Bütschli, Auerbach usw.) wurden Beobach- tungen, die zum Teil allerdings noch wenig zuverlässig und unsicher waren, mitgeteilt, daß man in dem Dotter der Eier bei verschiedenen Tieren (Kanin- chen, Frosch, Ascaris) eingedrungene Samenfäden aufgefunden habe. Diese sollten dann bald nach dem Eindringen zerfallen und sich allmählich auf- lösen. Daher neigte man von jetzt ab mehr der Ansicht zu, daß die Samen- fäden wohl meist in größerer Zahl sich in das Ei einbohren und durch ihren Zerfall und durch Vermischung ihrer Substanz mit dem Dotter befruchtend wirken. Den Stand der Befruchtungsfrage, wie er bis zum Jahre 1875 lag, hat Wundt in seinem Lehrbuch der Physiologie (1873) in richtiger Weise zutreffend durch folgende zusammenfassende Sätze bezeichnet: ,,Die wesentliche Be- dingung der Befruchtung ist höchst wahrscheinlich das Eindringen der Samen- körperchen in den Eiinhalt, das in den verschiedensten Wirbeltierklassen nachgewiesen werden konnte. Nachdem die Samenkörperchen in das Ei ein- gedrungen sind, verlieren sie sehr schnell ihre Beweglichkeit und lösen sich im Dotter auf. Eine Theorie oder auch nur irgend begründete Hypothese über die Natur der Vorgänge, durch welche die Samenelemente nach ihrem Ein- dringen in den Dotter in diesem den Entwicklungsprozeß anregen, besitzen wir nicht." Ein neuer Wendepunkt trat in dem Jahre 1875 ein, in welchem an einem besonders geeigneten Objekt und mit den Hilfsmitteln moderner mikrosko- pischer Technik das Eindringen des Samenfadens in das Ei und die dadurch im Innern des Dotters hervorgerufene Veränderung auf das genaueste fest- gestellt und so die mikroskopische Grundlage für die jetzt gültige ,, biologische Theorie des Befruchtungsprozesses" (Oscar Hertwig) gewonnen wurde.(^) Künstliche Für das mikroskopische Studium des Befruchtungsprozesses sind Tiere Befruchtung. . ,, ,,,. i ■,,■-,• t^- ■, ■ • i geeignet, weiche erstens sehr kleine und durchsichtige Eier besitzen, in denen Der Befruchtungsprozeß lOl man bei Verwendung starker Vergrößerungslinsen im Dotter die kleinsten Körnchen wahrnehmen kann und welche zweitens die Vornahme der künst- lichen Befruchtung gestatten. Denn in diesem Fall gewinnt der Forscher die Möglichkeit, den Eintritt der Befruchtung zu einem von ihm willkürlich gewählten Termin zu bestim- men; er kommt hierdurch in die Lage, alle Veränderungen vom ersten Augen- blick bis zu dem Punkt zu verfolgen, an welchem man die Befruchtungsvorgänge als abgeschlossen bezeich- nen kann. Ein derartiges geeig- netes Material liefern uns die Echinodermen, beson- ders die Seeigel, an welchen der Verlauf der Befruch- tung in lückenloser Folge zuerst aufgeklärt werden konnte. Sie sind ebenso wie die etwas später für Befruchtungsstudien ver- werteten Nematoden (un- ter ihnen besonders Ascaris megalocephala, der Pferde- spulwurm) bisin die neueste Z/Clt das KiaSSlSCne iViaterial Fig. 3. Schema über den Befruchtungsprozeß des Seeigeleies. Nach o-phlif^Kpn wpInViPC immpr Hertwig. A. Das reife Ei im Moment der Befruchtung, mit Eikern (etA) gCUllCUCll, WCH-nCb IllUUCl und Empfängnishügel (^). Am eingedrungeneu Samenfaden ist der Kopf (^), wieder von neuem unter- ^"^^ Mittelstück (m) und der Endfaden zu unterscheiden. £ — D. Drei Stadien in der Annäherung von Samenkern und Eikern bis zur gegen- SUCht wird. Die Seeigel, seltlgen Anlagerung; in B ist die zum Schutz gebildete Dotterhaut {dA) < 1 . U U ■ ™^'' gezeichnet, dagegen in C und D weggelassen, sk Samenkern, ezA Ei- an WelCne wir uns aUCn bei j^gj-n, c Centrosom, ^/! Dotterhaut, e Empfängnishügel. dieser Darstellung zunächst halten wollen, sind getrennten Geschlechts. Um die künstliche Befruchtung auszuführen, entleert man von einem laichreifen Weibchen reife Eier aus dem Eierstock in ein kleines, mit Seewasser gefülltes Uhrschälchen, entnimmt dann in derselben Weise einem männlichen Tiere frischen Samen und ver- dünnt ihn in einem zweiten Uhrschälchen in reichlicher Weise mit Meerwasser. Auf einem Objektträger bringt man je einen Tropfen eierhaltiger und samen- haltiger Flüssigkeit mit einer feinen Glaspipette zusammen, vermischt sie und deckt sofort das Präparat unter geeigneten Kautelen, damit die Eier nicht gepreßt und zerdrückt werden können, vorsichtig mit einem Deckgläschen zu; dann beginnt man unverzüglich die Beobachtung bei starker Vergrößerung. Man kann jetzt am lebenden Objekt leicht verfolgen, wie von den zahl- Verlauf der reichen, im Wasser lebhaft herumschwimmenden Samenfäden (Fig. 3) sich^^"^"*^ '"''^' immer mehr auf der Oberfläche der Eier festsetzen, wobei sie fortfahren, mit lO? Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere ihrer Geißel peitschende Bewegungen auszuführen. Stets aber wird unter normalen Verhältnissen die Befruchtung nur von einem einzi- gen Samenfaden und zwar von demjenigen ausgeführt, der sich am frühe- sten dem membranlosen Ei genähert hat. An der Stelle, wo sein Kopf, der die Gestalt einer kleinen Spitzkugel hat, mit seiner scharfen Spitze die Ober- fläche des Dotters berührt, reagiert diese auf den Reiz durch Bildung eines kleinen Höckers von homogenem Protoplasma, des Empfängnishügels (Fig. 3, Ae), wie ich ihn zu nennen vorgeschlagen habe. Durch sein Auftreten wird der Beobachter gewöhnlich zuerst auf den Beginn des Befruchtungsprozesses auf- merksam gemacht. Denn am Empfängnishügel bohrt sich der Samenfaden rasch mit seinem Kopf {Ak) in das Ei ein, so daß nur der kontraktile faden- förmige Anhang noch eine Weile nach außen hervorsieht. Fast gleichzeitig wird eine feine Membran (Fig. 3, Bdh) vom befruchteten Ei auf seiner ganzen Oberfläche ausgeschieden; sie beginnt zuerst in der Umgebung des Empfäng- nishügels und breitet sich von hier rasch um das ganze Ei aus. Im Moment ihrer Ausscheidung liegt sie der Dotterrinde unmittelbar auf, doch nur eine verschwindend kurze Zeit; denn bald beginnt sie sich von ihr abzuheben und durch einen immer breiter werdenden Zwischenraum, der von klarer Flüssig- keit (dem Liquor perivitellinus) erfüllt ist, getrennt zu werden. Die Ab- hebung wird dadurch hervorgerufen, daß der protoplasmatische Eiinhalt in- folge des Reizes beim Eindringen des Samenfadens und in unmittelbarem Anschluß an die durch ihn vorher ebenfalls ausgelöste Membranbildung sich etwas zusammenzieht und dabei Flüssigkeit aus seinem Innern auspreßt. Die Bildung einer Dotterhaut (Membrana vitellina) hat außer dem Schutz, den sie später dem sich in ihrem Innern entwickelnden Embryo bietet, auch noch die hohe physiologische Bedeutung, daß sie für alle die übrigen Samen- fäden, die sich in reicher Menge auf ihrer Oberfläche ansetzen, ganz undurch- dringlich ist und dadurch eine Befruchtung durch mehr als einen Samenfaden unmöglich macht, was ich ja schon früher als das normale bezeichnet habe. An diese verschiedenen Vorgänge, die sich teils nach- teils nebeneinander in ein paar Minuten abspielen, schließen sich unmittelbar weitere Veränderun- gen an, die man als den inneren Befruchtungsakt zusammenfassen kann. Der in die Eirinde eingedrungene Kopf beginnt sich alsbald in der Weise zu drehen, daß der auf ihn folgende Hals mit dem Centrosom (Fig. 3, Bc) nach einwärts zu liegen kommt. Dabei wird das Centrosom zum Mittelpunkt einer Strah- iungsfigur, da sich das Protoplasma in seiner unmittelbaren Umgebung zu einem strahhgen Gefüge, wie Eisenfeilspäne um den Pol eines Magneten, an- zuordnen beginnt. Auch vergrößert sich der Kopf zusehends, indem sein Chro- matin sich mit Flüssigkeit, die es aus dem Dotter bezieht, vollsaugt und seine Form einer Spitzkugel verhert. Er wandelt sich auf diesem Wege allmähhch wieder in einen bläschenförmigen Samenkern (Fig. 3, Bsk) um. Und jetzt beginnt — etwa 5 Minuten nach Vornahme der Befruchtung — ein interessantes, am lebenden Objekt gut sichtbares Phänomen das Auge des Beobachters zu fesseln. Die beiden im Ei vorhandenen Kerne setzen sich in Der Befruchtungsprozeß lO.S ks kf kn km 1 ' I I Bewegung und wandern langsam, doch mit wahrnehmbarer Geschwindigkeit, aufeinander zu, als ob sie sich gegenseitig anzögen (Fig. 3, A — D sk u. eik). Der durch das Spermatozoon neu eingeführte Samenkern verändert rascher seinen Ort, wobei ihm die schon oben erwähnte Protoplasmastrahlung mit dem in ihr eingeschlossenen Centrosom voranschreitet und sich dabei immer weiter in der Umgebung ausbreitet. Langsamer bewegt sich der etwas größere Kern der Eizelle, der keine eigene Strahlung besitzt. Derselbe unterscheidet sich zu dieser Zeit, wie ein Vergleich der Figuren 4 und 5 sofort lehrt, sehr wesent- lich von dem Keimbläschen (Fig. 5 kb), welches nur einem unreifen Zustand des Eies eigentümlich ist. Er ist beim Seeigel wie überhaupt auch bei allen übrigen Tieren außerordentlich viel kleiner als dasselbe und hebt sich Fii Fig. 5. Unreifes Ei aus dem Eier- stock eines Seeigels mit Keim- bläschen. Nacli Oscar Hertwig. km Kernmembran, kn Kernnetz, kf Keirafleck, ks Kernsaft. Reifes Ei vom Seeigel. nur als heller, wenig scharf Es scUießt im Dotter den sehr , T-,, , , kleinen, homogenen Eikern {eik) begrenzter l^leck von dem ein. Nach oscar hertwig. feinkörnigen, weniger durch- sichtigen Dotter ab (Fig. ä^eik). Infolge wichtiger Veränderungen, die in einem folgenden Abschnitt noch eine besondere Darstellung finden werden, ist er aus einem kleinen, aber physiologisch sehr wichtigen Bruchteil der Sub- stanz des Keimbläschens hervorgegangen, während andere Bestandteile des- selben teils aufgelöst teils in anderer Weise ganz aus dem Dotter entfernt wor- den sind. Er ist daher auch vom Keimbläschen mit Recht durch einen be- sonderen Namen als ,, Eikern" unterschieden worden. Wie jenes für die un- reife weibliche Keimzelle (Fig. 5) ist dieser für das ,,Reifei" (Fig. 4) charak- teristisch. Beide Kerne treffen sich etwa eine Viertelstunde nach Beginn der Be- fruchtung nahe der Mitte des Eies, legen sich immer fester zusammen und platten sich an der Berührungsfläche gegenseitig so ab, daß der Samenkern dem etwas größeren Eikern wie eine kleine Calotte aufsitzt (Fig. 3, D eik u. sk); schließlich verschmelzen sie vollständig untereinander zu einem Gebilde, das teils aus väterlicher teils aus mütterlicher Substanz durch Vermischung (Amphimixis) hervorgegangen ist. Das Verschmelzungsprodukt muß daher wieder mit einem besonderen Namen als ,, Keimkern" oder ,,Furchungs- kern" unterschieden werden. Es liegt inmitten einer Strahlungsfigur, welche in der Umgebung des Centrosoms (Fig. 3, Cc) entstanden den Samenkern auf seiner Wanderung begleitet und sich jetzt durch die ganze Dottermasse bis an die Oberfläche ausgebreitet hat (Fig. 3, D). Mit der Verschmelzung der beiden Kerne ist der Befruchtungsprozeß beendet ; durch ihn hat das Ei die Fähigkeit zu seiner Entwicklung erworben, welche gewöhnlich sofort mit I04 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere einer neuen Reihe von Erscheinungen beginnt, die als Teilungs- oder Fur- chungsprozeß in der Entwicklungslehre zusammengefaßt werden. Verbreitung des Die Befruchtungsvorgängc, die wir auf den vorausgegangenen Seiten Befruchtungs- ^ Seeigel kennen gelernt haben, sind in den seit ihrer Entdeckung ver- prozesses. ja o ' ö flossenen drei Jahrzehnten nicht nur von vielen Beobachtern an dem gleichen Objekt bestätigt, sondern auch an den Vertretern zahlreicher anderer Tier- formen, bei Cölenteraten, bei vielen Würmern und Mollusken, bei verschiede- nen Arthropoden, bei Tunikaten und Wirbeltieren wie bei Amphioxus, bei der Forelle, dem Frosch, dem Triton, der Maus usw. in prinzipiell der gleichen Weise nachgewiesen worden. Es handelt sich daher um allgemein gültige oder gesetzmäßige Erscheinungen für das gesamte Tierreich. So ist denn auch der deduktive Schluß naturwissenschaftlich voll berechtigt, daß der Befruchtungs- prozeß in allen den Fällen, in denen er wie im Ei des Menschen, der Beobach- tung unzugänglich ist, sich in derselben Weise ebenfalls abspielen wird, überfruchtung. Was wir bishcr besprochen haben, ist die Befruchtung in ihrem normalen Polyspermie. Verlauf; sie kann aber auch in dieser und jener Weise gestört werden und dann zu Erscheinungen führen, die als Überfruchtung oder Polyspermie bekannt sind. Polyspermie kann bei Eiern beobachtet werden, bei denen schon längere Zeit seit ihrer Reife verflossen und dadurch ein Zustand ein- getreten ist, den man Überreife nennt, ferner aber auch bei Eiern, die unter anormale Bedingungen vor und während der Befruchtung geraten sind. Der Experimentator hat hier Gelegenheit, Polyspermie durch die verschieden- artigsten Eingriffe willkürlich hervorzurufen. Er kann zum Beispiel, was am meisten von allgemeinem Interesse sein wird, Eier, die zur Vornahme experi- menteller Eingriffe geeignet sind, wie solche der Seeigel, in einen narkose- artigen Zustand versetzen mit den Mitteln, welche das Nervensystem des Menschen betäuben, wie Chloralhydrat, Kokain, Morphium usw. Wenn geringe Dosen dieser Narkotika zu Seewasser hinzugesetzt werden, in welchem sich Seeigeleier befinden, so genügen schon wenige Minuten, um in ihnen eine Art Narkose hervorzurufen. Dies zeigt sich sofort, wenn man sie in reines Seewasser zurückbringt und dann mit frischem Samen befruchtet. Denn von den Samen- fäden, die sich der Oberfläche eines Eies nähern, dringen anstatt eines, jetzt zwei, drei und noch mehr ein. An verschiedenen Stellen sieht daher der Be- obachter in kurzen Intervallen hintereinander zwei, drei und mehr Empfäng- nishügel in der Dotterrinde entstehen und ebensoviel Strahlenfiguren im Protoplasma gebildet werden, in deren Mittelpunkten die Köpfe der einge- drungenen Samenfäden hegen. Wodurch ist diese Abweichung vom normalen Verlauf bedingt worden.? Die Erklärung für sie möchte wohl folgende sein. Durch die Narkotika ist die Erregbarkeit (Irritabilität) des Protoplasma in verschiedenem Maße herabgesetzt worden. Das Ei reagiert daher nicht mehr sofort auf den Reiz des zuerst eindringenden Samenfadens durch die Abschei- dung einer Dotterhaut; noch ein zweiter, ein dritter Samenfaden und so fort erhalten dadurch Gelegenheit sich am Ei anzusetzen und einzubohren, bis in- folge der verstärkten Reizung die verspätete Bildung der Dotterhaut doch noch Theorie der Befruchtung 105 erfolgt und ein weiteres Eindringen unmöglich macht. Wie fortgesetzte Be- obachtung lehrt, entwickeln sich zwar überfruchtete Eier noch eine Zeitlang weiter, hefern aber ganz abnorme Produkte, die sehr frühzeitig zugrunde gehen. Infolge der zahlreichen Samenkerne, die sich im Dotter neben dem Eikern befinden, entstehen von Anfang an irreguläre Kernteilungsfiguren und an Stelle normaler Zellteilungen unregelmäßige Zerklüftungen des Dotters (Knospenfurchung), die schheßlich zu vollständigem Zerfall führen. Durch den Verlauf der Polyspermie wird somit bestätigt, was wir gleich am Anfang hervorgehoben haben, daß die normale Befruchtung nur von einem einzigen Samenfaden ausgeführt wird. Zum Schluß fassen wir daher auf Grund der mitgeteilten Tatsachen, die eine Errungenschaft der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts sind, das Wesen der Befruchtung in die kurzen Sätze zu- sammen: Die Befruchtung hat zur Aufgabe, die Vereinigung zweier Zellen herbei- „Die biologische zuführen, die von einem weiblichen und einem männlichen Individuum der fruchtung." gleichen Art abstammen und in ihrer Verbindung die Anlage für ein neues Ge- schöpf liefern, das Eigenschaften von beiden Erzeugern darbietet. Der wich- tigste Vorgang bei der Zellverschmelzung ist aber offenbar die Vereinigung, oder um einen Ausdruck von Weismann zu gebrauchen, die Amphimixis von Ei- und Samenkern. Zur Erfüllung dieser Aufgabe sind die beiderlei Geschlechts- zellen während ihrer Entstehung in den weiblichen und männlichen Keim- drüsen in verschiedener Weise gleichsam vorbereitet und nach dem Gesetz der Arbeitsteilung in entgegengesetzter Richtung differenziert worden. Die Ei- zelle ist mit einer großen Masse von Nährmaterial beladen worden, durch welches allein ein rascher Ablauf der ersten Entwicklungsprozesse ermöglicht wird; sie ist daher groß und unbeweglich geworden. Damit aber unter diesen Umständen eine Befruchtung noch zustande kommen kann, mußte die männ- liche Zelle klein und beweglich und zum Eindringen in das kuglige Ei geeignet werden. Die so grundverschiedene Beschaffenheit der weiblichen und der männ- lichen Keimzellen findet so ihre einfache Erklärung aus der entgegengesetzten Natur der Aufgaben, die sie als die Grundlagen eines auf geschlechtlicher Zeu- gung beruhenden Entwicklungsprozesses übernommen haben. Durch ,, die biologische Theorie der Befruchtung" ist jetzt auch ein befrie- streit der Ovisten digender Abschluß für eine alte Streitfrage gewonnen worden, welche einst " ^3°^^ während mehrerer Jahrhunderte zwischen der Schule der Ovisten und der Animalkulisten bestanden und eine große Rolle in der Geschichte der Wissen- schaften gespielt hat. Mit Befriedigung aber muß es uns noch jetzt erfüllen, wenn wir an die Gedankenarbeit der großen Naturforscher vergangener Zeiten anknüpfend klar erkennen können, wie auf beiden Seiten Wahrheit und Irr- tum verteilt waren, und warum damals eine Vereinigung der beiden entgegen- gesetzten Standpunkte nicht möglich war. Daß die in der alten Zeit un- lösbare Streitfrage der Ovisten und der Animalkuhsten entstehen konnte, lag wesentlich in dem Dogma der Präformation, welches aufgebaut auf dem Boden kirchhcher Überlieferungen das 16. bis 18. Jahrhundert beherrscht hat. io6 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Nach der Lehre der Präformation, welcher so hervorragende Forscher wie Swammerdam, Harvey, Leibniz, Spallanzani, Haller, Bonnet u. a. anhingen, stellt der Keim eines neuen Geschöpfes nichts anderes dar, als ein vollständiges, nur außerordentlich verkleinertes Miniaturbild desselben. Im unbebrüteten Hühnerei z. B. sollte nach dieser Vorstellung schon von Anfang an ein wirk- liches Küchelchen mit allen seinen Organen, mit Herz, Darmkanal, Drüsen usw. enthalten sein, nur in einer für uns nicht erkennbaren Weise, weil alle Teile anfangs unendlich klein und eben deswegen zugleich auch durchsichtig sein sollten. Nach dieser Auffassung ist die Entwicklung eines Tieres nur ein Wachs- tumsprozeß, bei welchem die schon im kleinen vorhandenen Organe nur größer und größer werden. Anfangs betrachteten die Anhänger der Präformations- theorie das Ei als das präformierte Geschöpf, da man ja dasselbe direkt aus ihm entstehen sah. Der berühmte Harvey hat solcher Vorstellung in dem be- kannten Satz: Omne vivum ex ovo, einen kurzen Ausdruck gegeben. Ein Zweifel an seiner Richtigkeit konnte indessen später auftauchen, als Leeu- wenhoek, der erste Mikroskopiker seiner Zeit, in der Samenfiüssigkeit mit Hilfe selbst angefertigter Vergrößerungsgläser bewegliche Körperchen, die Spermatozoen, im Jahre 1 677 entdeckte. Und da diese wegen ihrer wurmf örmigen Gestalt und wegen ihrer Fähigkeit, durch Bewegung den Ort zu verändern, eine viel größere Ähnlichkeit mit Lebewesen darbieten, als die großen kugeligen Eier, die selbst erst, um sich entwickeln zu können, der Befruchtung durch den Samen bedürfen, so kam ihm der an sich naheliegende Gedanke, daß nicht die Eier, sondern die Spermatozoen die wahren Miniaturgeschöpfe sind. Nun bedurfte es nur noch weniger Zutaten, um die Hypothese der Animalkulisten als Gegenstück zu derjenigen der Ovisten fertig auszubilden. Wenn die Ovisten die Samenfiüssigkeit nur als ein Reiz- und Nährmittel, um das Miniaturge- schöpf im Ei zum Wachstum zu bringen, betrachteten, so kehrten die Animal- kulisten den Sachverhalt jetzt einfach um; sie erblickten im Ei nur den geeig- neten Nährboden für das Wachstum des Samenfadens und ließen denselben in das Ei einfach hineinschlüpfen, obwohl sie einen derartigen Vorgang zur da- maligen Zeit nicht hatten beobachten können. Leeuwenhoek selbst hat sich vergeblich um seinen Nachweis bemüht. Die Lehre der Animalkulisten, welcher sich auch der berühmte Leibniz anschloß, geriet übrigens bald in der Wissenschaft in Mißkredit. Teils lag dies an den phantastischen Übertreibungen, in welche dilettantenhafte Natur- forscher verfielen. So verstieg sich ein Schriftsteller, der unter dem angenom- menen Namen Dalenpatius schrieb, zu der kühnen Behauptung, daß er die Häutung eines menschlichen Samenfadens unter dem Vergrößerungsglas direkt habe verfolgen können, und er lieferte als Beweis hierfür eine Abbildung eines so frisch gehäuteten Miniaturmenschen, an welchem er den noch von der Hülle be- deckten Kopf und die eben frei gewordene Brust, Arme und Beine im kleinen dar- stellte (Fig. 6). Hartsoeker aber lieferte zur Hypothese Leeuwenhoeks eine Illustration (Fig. 7), in welcher er in das jetzt Kopf genannte Stück des Samen- Ovisten und Animalkulisten 107 Fig. 6. Ein mensch- licher Samenfaden nach der Häutung. Phantasiebild von Dalenpatius. fadens einen menschlichen Embryo mit zusammengeschlagenen Extremitäten einzeichnete, den kontraktilen Faden aber zur Nabelschnur machte, durch welche der Samenfaden, wenn er ins Ei geschlüpft ist, den In- halt desselben zu seiner Ernährung aufsaugt. Ihren Todesstoß aber erlitt die Hypothese, als durch Bonnet die Partheno- genese entdeckt und durch ihn der Beweis geliefert wurde, daß auch ohne Befruchtung, also ohne den Zutritt eines Samen- tierchens, sich das Ei zu einem Geschöpf entwickelt und daß es daher mehr als ein bloßes Nahrungsmittel ist. So kam denn die Zeit, wo unter der Herrschaft der Ovisten die Sper- matozoen für parasitische Geschöpfe des Samens, vergleich- bar den Infusorien in faulenden Flüssigkeiten , gehalten wurden. Wenn wir jetzt von dem Standpunkt unserer neu gewon- nenen Erkenntnis des Befruchtungsprozesses aus die sich wider- sprechenden Lehren der Ovisten und der Animalkulisten beur- teilen und sie zu verstehen uns bemühen, so sehen wir Wahrheit und Irrtum auf beiden Seiten in eigenartiger Mischung verteilt, und begreifen zugleich, daß die alten Naturforscher in das Wesen E«y v der Befruchtung zu ihrer Zeit nicht tiefer einzudringen ver- \%\-m, mochten, nicht nur weil ihnen die Vorstellung vom elementaren V/-4";''"^^ '' Aufbau der Organismen, vor allem auch der Begriff der Zelle als einer niederen Lebenseinheit noch ganz fehlte, sondern auch weil sie in dem Dogma der Präformation in einer die vor- urteilslose Beobachtung hemmenden Weise befangen waren. Denn wie ich in einem in St. Louis gehaltenen Vortrag über die Probleme der Zeugungs- und Vererbungslehre schon be- merkt habe, „der Gedanke der Verschmelzung zweier Organis- men zu einer neuen Einheit, durch welchen der Hauptstreit- punkt der beiden sich bekämpfenden Schulen in einfacher und der Wirklichkeit entsprechenden Weise würde beseitigt worden sein, konnte den Anhängern der Präformationstheorie nicht in den Sinn kommen. Denn wenn die Keime schon die Miniatur- geschöpfe sind, zusammengesetzt aus vielen Organen, wie sollte es möglich sein, daß sie sich paarweise zu einem einheit- lichen Organismus verbinden und gleichsam mit ihren Organen und Geweben in eins zusammenfließen.?" Unter der Herrschaft der Präformationstheorie konnte es nur heißen: Entweder das Ei oder der Samenfaden ist das präformierte Geschöpf. Das eine schloß das andere aus. Für uns dagegen, die wir wissen, daß die Keime abgelöste Zellen der Eltern, also relativ einfache Elementarorganismen sind, trägt die Vorstellung der Amphimixis keine derartigen Schwierigkeiten in sich. Und im übrigen handelt es sich ja für uns auch um feste Tatsachen. Können wir doch die Vereinigung einer Fig. 7. Schema eines menschlichen Samen- fadens nach der Auf- fassung der Animal- kulisten. Nach Hartsoeker. lo8 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d Tiere weiblichen und einer männlichen Zelle und sogar die Vereinigung ihrer ein- zelnen Bestandteile, besonders ihrer Kerne und der in ihnen eingeschlossenen Substanzen, direkt unter dem Mikroskop verfolgen. Mit der Erkenntnis der Möghchkeit einer Amphimixis wird zugleich die Erscheinung, daß die Kinder ihren beiden Erzeugern gleichen, eine Tatsache, für welche die Naturforscher bis ins 19. Jahrhundert hinein keine rechte Erklärung zu geben wußten, unserem Verständnisnähergerückt. Die Kinder gleichen beiden, weil sie aus der Substanz von Vater und Mutter oder mit anderen Worten, aus der Vereinigung einer väterlichen und einer mütterlichen Anlage hervorgegangen sind. An die Stelle der Miniaturgeschöpfe in der alten Lehre der Präformation ist jetzt in der biologischen Wissenschaft der Begriff der Anlage getreten, welche in der stofflichen Zusammensetzung und Organisation der Zelle, speziell der Ei- und Samenzelle, gegeben ist. Begriff der Zelle Gchcn wir daher an dieser Stelle auf den modernen Begriff ,,der as.nage. ^elle als Au 1 a g c" in einigen Sätzcn ctwas näher ciu. Er führt uns auf einen Vorstellungskreis, nach welchem wir auch die Keimzellen als wahre Wunder- werke der natürlichen organischen Schöpfung betrachten müssen. In der Tat, bei tieferem Nachdenken können Ei- und Samenzelle nichts weniger als ein- fache Klümpchen einer homogenen, strukturlosen Protoplasmamasse sein, wie es so häufig bemerkt worden ist, in der Absicht, die Entwicklung als einen chemisch-physikalischen Naturprozeß, der mit dem einfachsten Ausgangs- material beginnt, dem Laien darzustellen und verständlich zu machen. Vor einer solchen Ansicht muß uns schon die einfache logische Überlegung schützen, daß alle die zahllosen pflanzlichen und tierischen Lebewesen das Anfangs- stadium ihrer Entwicklung als Zellen beginnen und daß schon auf diesem An- fangsstadium bis in das feinste Detail im voraus darüber entschieden ist, was für eine Art Lebewesen mit seinen Stammes-, Klassen-, Familien-, Spezies- und selbst individuellen Eigenschaften aus jeder Zelle entstehen wird. Denn darüber kann doch nicht der allergeringste Zweifel herrschen, daß, wenn die Keimzellen auch zu ihrer Entwicklung von außen her Stoff und Kraft notwen- digerweise beziehen müssen, doch nicht von außen her über die Eigenart der aus ihnen entstehenden Lebewesen entschieden wird. Vielmehr tragen die Keimzellen ihre Eigenart durch die Abstammung von spezifisch gestalteten Eltern bereits in ihrer Anlage oder ererbten Organisation in sich. Wenn in einem Brutschrank nebeneinander ein Hühner-, ein Enten- und ein Gänseei unter genau den gleichen äußeren Bedingungen, bei derselben Feuchtigkeit und Wärme und in der gleichen Atmosphäre bebrütet werden, so wird niemand auch nur den geringsten Zweifel von vornherein darüber hegen, welche Vogel- art aus jedem Ei auskriechen wird. Da nun für alle drei die äußeren Entwick- lungsbedingungen genau die gleichen sind, so kann einzig und allein in der von vornherein gegebenen Anlage der drei Zellen die Ursache für die zahllosen Ver- schiedenheiten liegen, durch welche Huhn, Ente und Gans in jedem einzelnen Organ, in jedem Gewebe, wie z. B. in der Zahl, Größe, Anordnung, Struktur und Färbung ihrer Federn, voneinander abweichen. Die Zelle als Anlage log Durch dergleichen Erwägungen bin ich in meiner allgemeinen Biologie dazu Die „ArtzeUe" geführt worden, den Begriff der ,, Art z eile" aufzustellen, das heißt einer Zelle, in deren feinerer Organisation die wesentlichen Eigenschaften der Art als Bestim- mungsstücke, übersetzt in das System von Zelleneigenschaften, enthalten sind (3). Demgemäß sind auch die Artzellen ebensogut wie die fertig ausgebildeten Lebe- wesen schon die Repräsentanten der Spezies, deren wesenthche Charaktere in ihnen auf die einfachste Formel gebracht sind. Auch sie besitzen schon als Träger der Arteigenschaften eine komplizierte Organisation, welche ebensogut wie das in seinen Organen differenzierte Individuum das Endprodukt eines außerordentlich langen phylogenetischen Entwicklungsprozesses darstellt. Schon die Artzellen sind, wenn wir uns eines Ausdrucks von Boveri bedienen, historische Organismen. Wir haben in den Artzellen eine ungeheure Fülle von verschiedenen Organisationen vor uns, die wir mit unseren Sinnen wahrzunehmen zurzeit außerstande sind. Auch die mikroskopische Untersuchung mit den stärksten Linsen verschafft uns kein Bild von den Merkmalen, durch die sich weibliche und männliche Keimzellen der einzelnen Spezies voneinander unterscheiden müssen. Doch kann uns hier die Überlegung leiten, daß die bis jetzt beschriebenen Tierarten schon mehr als eine halbe Milhon betragen, daß mehrere Hunderttausend verschiedener Pflanzenspezies existieren, daß ferner viele Pflanzen- und Tierarten in zahlreichen Rassen, Varietäten und reinen Linien auftreten und mit verwandten Arten eine bunte Fülle von Misch- lingen bilden können und daß dementsprechend groß auch die Zahl der Keim- zellen ausfallen muß, die sich durch Verschiedenheiten ihrer Organisation von- einander unterscheiden. Kann eine derartige Überlegung es für uns noch zweifelhaft sein lassen, daß schon die ,, einfache Zelle" mancher Autoren in Wirklichkeit eine Form des Lebens ist, die eine unser Denkvermögen überstei- gende Fülle von Verschiedenheiten höheren und niederen Grades besitzen muß.? In der Neuzeit beginnt sich eine Forschungsrichtung zu entwickeln, welche Meadeiismus. in das unseren Sinnen noch unzugängliche Gebiet mit Hilfe des biologischen Experimentes tiefer einzudringen versucht. Sie ist vor Jahrzehnten zuerst von dem Augustinerpater Mendel (4) begründet worden, so daß sie ihm zu Ehren häufig als ,,Mendelismus" bezeichnet wird. Sie versucht, worüber an anderer Stelle dieses Werkes Näheres berichtet wird, in die Gesetze der Vererbung ein- zudringen, und zwar durch das Studium der Eigenschaften pflanzlicher und tie- rischer Bastarde und ihrer Nachkommenschaft in mehreren Generationen. Wer sich mit der Bastardierung von Vertretern zweier Varietäten, Rassen oder selbst näher verwandter Arten beschäftigt, wird sich bald überzeugen, daß der aus solcher illegitimen Verbindung entsprungene Mischling Eigen- schaften von beiden Eltern erbt, und daß er hierbei bald in diesem Punkt mehr der Mutter, in jenem dem Vater gleicht. Was aber noch wichtiger ist, auch solche Eigenschaften von Vater und Mutter, die im Bastard zu fehlen scheinen oder nicht zur Entwicklung gekommen sind, müssen noch in ihm in irgendeiner Weise ver- borgen oder, wie man sagt, ,,als latente Anlagen" vorhanden sein. Denn wenn man aus der ersten Bastardgeneration durch Inzucht eine zweite und dritte I lo Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Generation gewinnt, so fallen diese Nachkommen nach einem festen, von Mendel zuerst ermittelten Zahlenverhältnis voneinander verschieden aus; ein Teil trägt genau wieder den Charakter der elterlichen Bastarde, ein zweiter Teil dagegen gleicht vollständig der Großmutter, ein dritter dem Großvater; also zeigt er zum Teil jetzt Eigenschaften, welche die Bastardeltern selbst nicht als sichtbare Merkmale, sondern nur als latente von den Stammeltern ererbte Anlagen besessen haben. Da nun die Übertragung oder die Vererbung von Eigenschaften der Eltern auf die Kinder durch die Vermittlung der weiblichen und männlichen Keimzellen geschieht, so müssen dieselben einander als Erb- schaftsträger gleichwertig oder äquivalent sein, indem das Ei alle Eigenschaften der Mutter, der Samenfaden alle Eigenschaften des Vaters auf das Mischpro- dukt als Anlagen überträgt. Mit dieser auf Beobachtung fundierten Tatsache verbinden die Mende- lianer die Vorstellung, die sich jedenfalls als Mittel der Verständigung sehr emp- fiehlt, daß bei der Befruchtung korrespondierende mütterliche und väter- liche Merkmale, die als Anlagen durch die Keimzellen auf das Zeugungspro- dukt übertragen werden, sich in diesem zu Anlagepaaren vereinen. Für den Fall, daß in einem Paare die von dem Vater und die von der Mutter herrührende Anlage verschieden sind, kann die eine sich im Entwicklungsprozeß zu einem sichtbaren Merkmal entfalten, die andere aber unterdrückt oder an der Ent- faltung durch irgendeinen Umstand verhindert werden; die eine wird daher als die dominierende, die andere als die latente oder rezessive Anlage unter- schieden. Diese kann dann aber in einer Enkelgeneration aus später zu be- sprechenden Gründen wieder zur Entfaltung gelangen, idiopiasma- Wcnn wir an dcr Vorstcllung fcsthaltcn, dic durch dieStudienderVererbungs- von Nä'g'eH. ß'^sch^^'^'-^'^gß^ "^^oh^begründet ist, daß die beiderlei Keimzellen in be- zug auf die Vererbung elterlicher Eigenschaften einander durch- aus gleichwertig sind, so scheint in einem offenbaren Widerspruch hierzu die Tatsache zu stehen, daß das Ei mit tausend- und millionenmal mehr Sub- stanz als der Samenfaden an dem Entwicklungsprozeß des kindlichen Orga- nismus beteihgt ist. Hier liegt offenbar ein Verhältnis vor, das der Erklärung bedarf. Der berühmte Botaniker Nägeli (5) hat das Problem zuerst aufgeworfen und in seinem gedankenreichen Werk: ,,Die mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre" den Versuch einer Erklärung durch Aufstellung seiner vielumstrittenen Idioplasmatheorie gemacht. In ihr unterscheidet er an den weiblichen und männlichen Keimzellen zwei verschiedene Substanzen, ein Idiopiasma, das im Ei- und Samenfaden in gleicher Menge vertreten ist, und ein Ernährungsplasma, welches im Ei in mehr oder minder großer Masse an- gehäuft ist. Das Idiopiasma bezeichnet er als die Substanz, durch welche die erblichen Eigenschaften von Vater und Mutter als Anlagen auf das Kind über- tragen werden, welche Ansicht er in folgender Weise zu begründen sucht: „Idiopiasma und gewöhnliches Plasma" — so heißt es in seinem Buch — ,,habe ich als verschieden angegeben, weil mir dies der einfachste und natürhchste Weg scheint, um die ungleichen Beziehungen der Plasmasubstanzen zu den erb- Idioplasmatheorie 1 1 1 liehen Anlagen zu begreifen, wie sie bei der geschlechtlichen Fortpflanzung deutlich werden. An die befruchtete und entwicklungsfähige Eizelle hat die Mutter hundert- oder tausendmal mehr Plasmasubstanzen, in denselben aber keinen größeren Anteil an erblichen Eigenschaften geliefert als der Vater. Wenn das unbefruchtete Ei ganz aus Idioplasma bestände, so würde man nicht begreifen, warum es nicht entsprechend seiner Masse in dem Kinde wirksam wäre, warum dieses nicht immer in ganz überwiegendem Grade der Mutter ähnlich würde. Besteht die spezifische Eigentümhchkeit, das Idioplasma in der Anordnung und Beschaffenheit der Mizelle, so läßt sich eine gleich große Erbschaftsübertragung nur denken, wenn in den bei der Befruchtung sich ver- einigenden Substanzen gleich viel Idioplasma enthalten ist." So wenig gegen den logischen Gedankengang von Nägeli einzuwenden ist, so liegt doch eine große Schwäche der Theorie darin, daß von ihrem Ur- heber auch nicht der geringste Versuch gemacht worden ist zu entscheiden, was in den Keimzellen Idioplasma und was Ernährungsplasma ist. Auch hier bleibt Nägeli vollständig auf dem Boden der Hypothese stehen. Ausgehend von seiner Mizellartheorie läßt er das Idioplasma aus Mizellen zusammengesetzt sein, die in gesetzmäßiger fester Verbindung zu Fäden aneinander gereiht sind und ein mikroskopisch unsichtbares Netzwerk bilden, das sich durch den ganzen Zellkörper ausbreitet, für das dazwischen gelegene Ernährungsplasma dagegen nimmt er einen großen Wasserreichtum und einen lockeren Zusammen- hang zwischen den Mizellen an. Auf einen festen Grund und Boden ist die Idioplasmatheorie erst durch die mikroskopische Untersuchung des Befruchtungsprozesses und den hier ge- führten Nachweis gestellt worden, daß in der Tat eine Substanz, welche eine hervorragend wichtige Rolle im Entwicklungsprozeß spielt und allen von der Hypothese gestellten Anforderungen entspricht, in den Kernen von Ei und Samenfaden in äquivalenter Menge enthalten ist. So konnte denn die Idio- plasmatheorie mehr und mehr ihres hypothetischen Charakters entkleidet, an der Hand von Beobachtungstatsachen auf ihren Wert geprüft und für die Wissenschaft erst eigentlich nutzbar gemacht werden. Eine weitere Begrün- dung dieses neuen Standpunktes kann aber mit Vorteil erst gegeben werden, wenn wir uns im nächsten Abschnitt zuvor mit der Entstehung von Ei und Samenzelle und vor allen Dingen mit den viel untersuchten Vorgängen, die man als ihren Reifeprozeß und als die Reduktionsteilung bezeichnet, in den wesentlichen Grundzügen bekannt gemacht haben. 3. Ei- und Samenbildung. (Ovo- und Spermiogenese.) Bei ihrer Entstehung und Ausbildung in Eierstock und Hoden bieten die Ei- u. Samen 1 1 • • u bildung. Keimzellen schon sehr frühzeitig Veränderungen dar, durch welche sie sich von allen übrigen Gewebszellen unterscheiden und auf ihre zukünftige Bestim- mung gewissermaßen vorbereiten. Ein vorzügliches Untersuchungsobjekt (^) hierfür geben die Geschlechtsprodukte von Ascaris megalocephala ab, welche auch für das Studium der Befruchtung schon im vorausgegangenen Abschnitt 112 Oscar HertwiG : Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere mit in erster Reihe empfohlen wurden. Mit Umgehung aller strittigen Fragen, die auf dem so viel bearbeiteten Forschungsgebiet noch in großer Zahl bestehen, müssen wir uns, da die Darstellung auf einen weiteren Leserkreis Rücksicht zu nehmen hat, auf das Notwendigste und Wesentlichste beschränken. Das Wesentliche besteht in sehr auffälligen und eigentümlichen Verände- rungen, welche das Chromatin in den Kernen der Samenmutterzelle (Sperma- tozyte) und der ihr entsprechenden Eimutterzelle (Ovozyte) in einer Reihe auf- einanderfolgender Stadien erfährt. Wie bei einer gewöhnlichen Zellteilung beginnt sich das Chromatin, das während des sogenannten Ruhestadiums des Kernes in Körnchen und Strängen im Saftraum ausgebreitet ist, auf wenige große, fadenförmige Chromosomen zu verteilen. Ihre Zahl ist bei Ascaris megalocephala bivalens im Vergleich zu anderen Tieren eine sehr geringe und beträgt nur vier. Nach ihrer Entstehung ordnen sich die Chromosomen in einer Weise, die noch nicht über allen Einwand festgestellt ist, zu zwei Paaren an und beginnen sich zugleich wie im Verlauf einer Karyokinese ihrer Länge nach in zwei Tochterchromosomen zu spalten. Infolgedessen sind zwei Verhältnisse geschaffen, wie sie im Lebenszyklus gewöhnlicher Gewebszellen nicht beobachtet werden; erstens bilden die Chromosomen zwei Vierergruppen oder Tetraden, in denen sie durch eine protoplasmatische Substanz (Linin) untereinander verbunden sind, eine Anordnung, die nur diesem bestimmten Stadium in der Oo- und Spermiogenese (Fig. 9 A, ch u. 8 A, ch) eigentüm- lich ist, und zweitens ist infolge der Spaltung ihre Zahl auf das Doppelte (von 4 auf 8) vermehrt, wie es bei Gewebszellen erst kurz vor der Teilung, bei der Umwandlung des Muttersterns in die beiden Tochtersterne, geschieht. (Man vergleiche hierüber den Abschnitt über Karyokinese.) Im weiteren Verlauf findet dann auch diese bemerkenswerte Anordnung der chromatischen Sub- stanz in Vierergruppen darin ihre Erklärung, daß am Ende der Spermiogenese und Oogenese gleich zwei Teilungen anstatt einer rasch aufeinander folgen und daß zwischen ihnen das Ruhestadium des Kerns ausfällt, während nach einer gewöhnlichen Karyokinese sich sonst immer wieder ein bläschenförmiger Ruhe- kern ausbildet. Man kann daher wohl sagen, daß durch die Anordnung in Tetraden die chromatische Substanz vom Kern der Ei- und Samenmutterzelle frühzeitig auf eine doppelte Teilung im voraus vorbereitet worden ist. Spermiogenese. Auch soust noch bietet die Samen- und Eireifung im einzelnen interessante Besonderheiten dar, die an der Hand der beiden Schemata (Fig. 8 u. 9) kurz besprochen werden sollen. In den Samenmutterzellen, die erheblich kleiner als die dotterreichen Eier sind (Fig. 8^4), liegt der bläschenförmige Kern {k) mit den beiden Vierergruppen [ch) in der Mitte und behält diese Lage auch bei, wenn er sich bei Beginn der Karyokinese in eine Spindel umwandelt (Fig. 85, sp u. ch). Die in ihrer Mitte angeordneten beiden Vierergruppen lassen hierauf eine jede ihre Chromosomen in zwei Hälften (Fig. 86") trennen, die aus Paaren oder Dyaden [ch] zusammengesetzt sind. Während die Paare nach den Enden der Spindel auseinanderweichen, wird die Mutterzelle durch eine zur Spindel- achse senkrecht gestellte und sie in der Mitte schneidende Teilebene (Fig. d>D) Ei- und Samenbildunsf 113 in zwei gleichgroße Tochterzellen {tz) zerlegt, deren jede vier zu Paaren ver- bundene Chromosomen {ch) erhält. Diese ordnen sich sofort ohne Zwischen- schaltung eines Ruhestadiums auf einer zweiten neuentstandenen Spindel an (Fig. 8£); wieder weichen die Chromosomen in den Zweiergruppen in entgegen- gesetzten Richtungen aus- einander (Fig. 8 F) und wer- den, indem abermals eine Teilebene zwischen ihnen die Tochterzelle halbiert, auf je zwei Enkelzellen (Fig. 86^) verteilt, die dann nur noch zwei Chromoso- men, eins von jeder Zweier- gruppe, besitzt. Auf diese Weise sind aus der Samen- mutterzelle (Spermatozyte) (Fig. 8^) durch doppelte Teilung vier gleichgroße Enkelzellen (Spermatiden) (Fig. 8G u. H.) hervorge- gangen, die sich in die ur- sprünglich in Vierergruppen angeordneten acht Chromo- somen genau geteilt und da- her je zwei erhalten haben, von jeder Vierergruppe ein Element. Zuletzt wird die Samenbildung dadurch voll- endet, daß die vier Samen- zellen (Spermatiden) sich allmählich zu den reifen Sa- menkörperchen (Spermato- somen) (Fig. Sy) umwan- deln. Diese besitzen bei As- caris nicht die charakteri- stische Fadenform wie bei den meisten Tieren, sondern mehr die Gestalt eines Ke- gels oder einer Spitzkugel. Bei der Umwandlung ver- schmelzen die beiden Chro- mosomen der Spermatiden K. d. G. III. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. II Fig. 8. Schema der Saraenbildung (Spermatogenese) von Ascaris megalo- ceph. bivalens. Nach O. Hertwig. Entwicklung der Samenkörper aus der Samenmutterzelle (Spermatozyte). A Samenmutterzelle mit zwei Vierergruppeu (ch) (Tetraden) im Kern (k), c Zentrosom mit Strahlung. B Dieselbe im Teilstadium mit Spindel [sp) und zwei Vierergruppen (ch). C Spindel eines nächstfolgenden Stadiums, auf dem sich jede Tetrade in zwei Chromosomenpaare (Dyaden) gesondert hat. D Zwei aus Tei- lung der SaraenmutterzeUe entstandene TochterzeUen (^2), Präsper- matiden Waldeyers, von denen jede die halbe Spindel mit zwei Chromosomenpaaren (Dyaden) einschließt. Das Zentrosom hat sich wieder in zwei Tochterzentrosomen geteilt, zwischen denen sich eine neue kleine Spindel anlegt. E Die neue Spindel (sp) in jeder Präsper- matide hat sich vergrößert und in ihrer Mitte die beiden Chromosomen- paare (ch^ und ch''-) aufgenommen. F An der Spindel haben sich die Chromosomen (ch^ und ch"^) jedes Paares voneinander getrennt und den beiden Spindelpolen genähert. G Die beiden Präspermatiden haben sich in vier Enkelzelleu (ez) der Spermatozyte oder in die vier Sperma- tiden geteilt. Von diesen birgt jede nur zwei Chromosomen [ein Ele- ment von jeder Vierergruppe der Figur A und ein Zentrosom (c)]. H Die zwei Chromosomen der Spermatiden (ez) platten sich aneinander ab und bilden schließlich einen kleinen kompakten, kugeligen Kern [k). J Jede Spermatide wandelt sich in einen Samenkörper (sp) von der Form einer Spitzkugel um [k = Kern). 8 114 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. ■ ch Oogenese. sp m ck m ch ^ Fig. 9 A — //. Acht Stadien vom Befruchtungsprozeß, der Bildung der Polzellen und der ersten Teilung des Eies von Ascaris megaloc. bival. Nach O.Hertwig. ^Keim- bläschen (kd) mit zwei Vierergruppen (Tetraden) von Chromosomen (c/t), die zur Unterscheidung von den Chromosomen männlicher Herkunft als helle Kreise ge- zeichnet sind. Samenkörper {s) mit zwei schwarz ge zeichneten Chromosomen. B Erste Richtungsspindel {sp) mit zwei Vierergruppen {ch). Samenkörper {s) mit zwei Chromo- somen. C Bildung der ersten Polzelle {pz'-) und Entfernung von zwei Chromosomen jeder Vierergruppe. Aus dem Samenkörper entsteht der Samenkern {si). D Bildung der zweiten Polzelle (pz ) und des Eikems {eik), der von jeder Dyade der zweiten Polspindel je ein Chromosom enthält {ch). E Annäherung von Ei- und Samenkem {eik, sk), deren Chromosomen zur Unterscheidung als helle und schwarze Kreise {w.ch und ni.ch) dargestellt sind, c Zentrosom. ./^Befruchtetes Ei mit erster Teil- spindel, deren vier Chromosomen zur Hälfte (■zw.C;^) vom Eikem, zur andern Hälfte {m.ch) vom Samenkem abstammen. G Die weiblichen (w.ch) und die männlichen Chromosomen von F haben sich der Länge nach gespalten und sind in zwei Gruppen von Tochterchromosomen auseinander gewichen {sp Spindel, c Zentrosom). H Die beiden Teilhälften des Eies enthalten Tochterkerne, deren vier Chromosomen zur Hälfte vom Eikern (zu. ch), zur Hälfte vom Samenkem (?«. ck) abstammen. Entwicklungslehre d. Tiere ZU einem kleinen, kompakten, kugeligen Kern, in dem wahr- scheinlich auch das Centrosom der letzten Teilungsfigur, die Grundlage für das bei der Befruchtung wie- der auftauchende Cen- trosom, mit einge- schlössen ist. Bei der Eireife (Fig. 9 A — H) spielen sich im Kern genau die- selben Vorgänge, wie sie oben beschrieben wurden, ab, aber die vier Zellen, die hierbei entstehen, fallen in ihrer Größe außer- ordentlich verschieden aus. Infolgedessen bie- ten hier die Reifetei- lungen äußerlich ein ganz anderes Aussehen dar. Wenn in der großen dotterreichen Eimutterzelle der Kern oder, wie er hier gewöhnlich heißt, das Keimbläschen (Fig. 9 A, ^&)sich in die Spin- del umwandelt, so bleibt diese nicht in der Mitte des Eies lie- gen, sondern wandert bis an die Oberfläche empor und nimmt hier eine Stellung in der Richtung des Eiradius ein (Fig. 9 5, sp). An der Stelle, wo sie mit ihrem einen Ende die Eirinde berührt, Ei- und Samenbildung j i c wölbt sich hierauf der Dotter zu einem kleinen Hügel empor, in welchen gleich- zeitig die Spindel zur Hälfte hineinrückt (Fig. gC, pz^). Der Hügel wird hierauf an seiner Basis eingeschnürt und mit der in ihm eingeschlossenen Hälfte der Spindel vom übrigen Eiinhalt als ein winziges Kügelchen abgetrennt. Dasselbe führt von der Zeit her, wo es zuerst beobachtet, aber in seiner Bedeutung voll- ständig verkannt wurde, den Namen Richtungskörperchen oder Polzelle, Namen, die auch jetzt noch gebraucht werden. Den ersten gab man, durch die Wahrnehmung veranlaßt, daß von dem Orte aus, wo sich das Richtungskörper- chen befindet, die erste Teilebene gebildet wird. Der zweite Name aber wurde gewählt, weil der Ort seiner Entstehung kein willkürlicher ist, sondern bei Eiern, die nach ihrer inneren Organisation polar differenziert sind, dem animalen Pol entspricht, welcher bei der Ruhelage des Eies nach oben gerichtet ist. Der animale Pol läßt sich daher aus der Lage der Polzellen sofort bestimmen. In früheren Zeiten war die Ansicht weit verbreitet, daß in dem kleinen Kügelchen irgendein unbrauchbar gewordener Bestandteil, wobei man an das dem Untergang kurz zuvor verfallene Keimbläschen dachte, aus dem Ei aus- gestoßen werde; sprach doch ein Forscher zur drastischen Bezeichnung dieses Standpunktes vom Richtungskörperchen als von dem Kot des Eies. Jetzt wissen wir auf Grund der eben beschriebenen Vorgänge, daß es sich um eine wirkhche, durchKaryokinese gebildete, kleineZelle handelt. Denn das Richtungskörperchen besitzt nicht nur alle Merkmale einer Zelle, Protoplasma und Kern, sondern ist auch durch einen wirklichen Teilungsprozeß aus einer Mutterzelle entstanden. Allerdings sind in diesem Fall die Teilprodukte von sehr ungleicher Größe; aber dies ist nur ein nebensächlicher Unterschied, der sich weder gegen die Zellnatur der Kügelchen, noch gegen ihre Entstehung durch Zellteilung geltend machen läßt. Ungleiche (inaequale) Zellteilungen werden ja, wenn wir das ganze Tier- reich überbhcken, hier und da in allen möglichen Abstufungen beobachtet und als Knospung bezeichnet, wenn es sich um so erhebliche Größenunterschiede zwischen den Teilprodukten wie in dem vorliegenden Fall handelt. Die Polzelle ist daher eine Knospe, entstanden aus einer oft riesig großen Mutterzelle, dem Ei. Sofort nach der Abschnürung der ersten Knospe wiederholt sich der- selbe Vorgang noch einmal. Die an der Oberfläche des Dotters zurückgebliebene halbe Spindel mit ihren beiden Chromosomenpaaren ergänzt sich, ohne in das bläschenförmige Ruhestadium des Kerns zuvor wieder eingetreten zu sein, rasch wieder zu einer vollen Spindel; wieder wölbt sich unter der ersten Pol- zelle ein kleiner protoplasmatischer Hügel empor, der die zweite Spindel, nach- dem die beiden Elemente jeder Zweiergruppe sich in entgegengesetzter Rich- tung voneinander getrennt haben, wieder zur Hälfte in sich aufnimmt und darauf als Kügelchen abschnürt (Fig. gD, pz^). Im Ei bleiben mithin jetzt von den acht Chromosomen der beiden Vierergruppen (Fig. 9, A u. B, ch) nur zwei zurück, ein Element von jeder Gruppe, und bilden die Grundlage für den Eikern (Fig. gD, eik), der sich von dem Keimbläschen des unreifen Eies so wesentlich unterscheidet und bei dem Befruchtungsprozeß in der früher be- schriebenen Weise eine wichtige Rolle spielt. Da nun gleichzeitig auch die erste 8* Ii6 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Polzelle oft noch einmal geteilt wird, liegen im ganzen drei Kügelchen dem reifen Ei auf (Fig. gE). Vergleich der Ei- Die Vergleichspunkte zwischen Ei- und Samenbildung liegen jetzt klar '"'^" zutage (7). Wie die Samenmutterzelle, hat sich auch die Eimutterzelle rasch hintereinander zweimal geteilt, so daß hier wie dort vier Zellen gebildet worden sind. Dabei ist zwischen beiden Kernteilungen das Ruhestadium des Kerns, was bei gewöhnlichen Zellteilungen niemals geschieht, ganz ausgefallen. Hier wie dort sind die acht Chromosomen des Kerns, welche zu Vierergruppen mit- einander verbunden waren, in gleicher Weise auf die vier Enkelzellen verteilt worden, so daß jede ein Element jeder Vierergruppe erhalten hat. Zwischen Ei- und Samenbildung besteht eine Abweichung allein in dem Punkt, daß die vier Teilprodukte der Samenmutterzelle, die Spermatiden, von genau der- selben Größe sind (Fig. 8, G u. H) und sich ohne Unterschied in befruchtungs- fähige Samenkörper [J) umwandeln, daß dagegen aus der Eimutterzelle vier sehr ungleich große Zellen entstanden sind (Fig. gE): das Reif ei, welches zur Befruchtung und zur Grundlage für einen neuen Organismus allein geeignet ist, und die drei kleinen Polzellen, welche für die weitere Entwicklung ohne jede Bedeutung sind und allmählich zugrunde gehen. Diese können mit Recht als Abortiveier gedeutet werden, da sie, wie der Vergleich gelehrt hat, in der- selben Weise wie die vier Samenkörper von einer entsprechenden Mutterzelle (Ovocyte, Spermatocyte) abstammen. Das Rudimentärwerden der drei Pol- zellen läßt sich biologisch auch leicht verstehen, wenn wir uns unserer früheren Betrachtung erinnern, daß Ei- und Samenzelle für den Befruchtungs- und Entwicklungsprozeß mit verschiedenen Aufgaben betraut und dementspre- chend auch verschieden differenziert worden sind. Da es beim Ei darauf an- kommt, eine große Masse Nährmaterial während seines Wachstums im Eier- stock anzusammeln, so würde dieser Aufgabe im letzten Moment entgegenge- wirkt werden, wenn bei der Reife schließlich das Ei durch zwei Teilungen in vier gleich große Stücke zerlegt werden würde. Um diesen Verlust zu verhüten, dient der Kunstgriff der Natur, drei Zellen leer ausgehen zu lassen, damit von den vieren die eine für den Entwicklungsprozeß besser ausgerüstet ist, ähnlich wie bei Fideikommissen ein Haupterbe auf Kosten aller übrigen bevor- zugt wird. Man könnte hier den Einwurf machen, daß sich dieser Zweck in einfacherer Weise hätte erreichen lassen, wenn überhaupt die letzten Teilungen ganz unterblieben wären. Hierbei wird aber vergessen, daß diese Teilungen in anderer Richtung unentbehrlich sind, da durch sie ja erst das Mengenver- hältnis der chromatischen Substanz in ganz bestimmter Weise reguliert wird. Würden sie bei der Eibildung ausbleiben, so würde der Kern des Eies (Fig. 9, A, kb, ch) bei der Befruchtung ja viermal soviel Chromatin als der vom Samen- faden abstammende Samenkern (Fig. 8, J, k u. Fig. 9, Dsk) besitzen, und da- durch von ihm wesentlich verschieden sein. Um ein volles Verständnis der Ei- und Samenreife zu gewinnen, müssen wir daher jetzt noch auf die wichtige Frage nach der Regulierung der Kernsub- stanz bei der Ei- und Samenbildung eingehen. Das Zahlengesetz der Chromosomen 117 Bei dieser Frage haben wir an die Art des Kernwachstums und an zahiengesetzder das Zahlengesetz der Chromosomen anzuknüpfen. Bei der Vermehrung der Zellen ist der Kern in hervorragender Weise beteihgt, wie aus der Reihe der höchst auffälligen Veränderungen, von denen er gerade vorzugsweise be- troffen wird, geschlossen werden muß (Fig. 10, A — F). Während des Ruhe- stadiums des Kerns bis zur nächsten Teilung — so nimmt man an — findet eine Verdoppelung der Masse seines Chromatins statt (Fig. 10^). Beider Karyokinese wird es durch die Anordnung in einen feinen Faden, durch die Trennung desselben in eine bestimmte Anzahl von Chromosomen [Bu.C] und durch ihre Längsspal- tung {D) genau halbiert und auf die beiden Toch- terzellen {E u. F) verteilt. In diesen wächst es wäh- rend des bläschenförmi- gen Kernzustandes all- mählich wieder auf das Doppelte heran, um bei der nächsten Kernteilung wieder halbiert zu werden und so fort. Der Prozeß der Karyokinese erscheint mitHinblick auf seine auf- fällige Substanzumlage- rung aber auch geeignet, wie als Mittel zur Halbie- rung des Chromatins, so auch als Mittel einer gleichmäßigen Verteilung seiner verschiedenartigen Qualitäten auf die Toch- terzellen zu dienen, vor- ausgesetzt daß in ihm qua- litativ verschiedene Stoffe enthalten sind. Nehmen wir zum Beispiel an, jedes A B Fig. 10. Sechs Stadien der Zellteilung und Kernteilung Karyokinese). Nach HertwIG. A. (Erstes Stadium.) Zelle mit ruhendem, bläschenförmigem Kern und einem Zentrosom (c). Der Kern zeigt ein Liniennetz mit auf- gelagerten Körnern und Fäden von Chromatin (ch). B. (Zweites Stadium.) Während der Vorbereitung zur Teilung (Prophase) hat sich das Chromatin zu einem Faden zusammengezogen, der hierauf durch Querteilung in vier Stücke (Chromosomen) zerlegt ist. Das Zentrosom (c) der Figur A hat sich geteilt, und zwischen den auseinander gerückten Teilstücken ist eine Spindel entstanden. C. (Drittes Stadium.) Der bläschenförmige Kern hat sich auf- gelöst. Die beiden Zentrosomen der Fig. B sind weiter auseinander gerückt, und die Spindel (sp) zwischen ihnen ist erheblich größer geworden. Die vier Chromosomen [ch) der Fig. B haben sich in der Mitte der Spindel regelmäßig zum Mutterstern angeordnet. D. (Viertes Stadium.) Die vier Chromosomen der Spindel haben sich ihrer Länge nach in je zwei Tochter- chromosomen (c/z' und ch"-) gespalten. E. (Fünftes Stadium.) Die durch Längsspaltung entstandenen Tochterchromosomen haben sich nach den entgegengesetzten Enden der länger gewordenen Spindel immer weiter voneinander entfernt (Bildung der zwei Tochtersterne). Die Zelle beginnt sich jetzt in ihrer Mitte (//) einzuschnüren. F. (Sechstes Stadium.) Die Durchschnürung ist eine vollständige geworden ; die Mutterzelle ist infolge- dessen in zwei Hälften zerlegt. In jeder Tochterzelle ist aus der Hälfte der Spindel ein bläschenförmiger Tochterkern entstanden, welcher die chromatische Substanz von vier Tochterchromosomen [cH) enthält. Jedem Tochterkern {k) liegt ein Zentrosom (c) an. Ii8 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Chromosom bestände aus einer einfachen Reihe von verschiedenartigen Kügel- chen, so würden diese infolge der Längsspaltung halbiert und ihre Hälften würden auf die beiden Tochterzellen gleichmäßig verteilt werden müssen. Diese Mög- lichkeit zusammen mit der Kompliziertheit der Karyokinese im Vergleich zur einfachen Durchschnürung des Protoplasma bei einer Teilung scheint darauf hinzudeuten, daß wir es im Chromatin mit einem für den Lebensprozeß der Zelle besonders wichtigen Stoff zu tun haben. Denselben Schluß können wir auch noch aus einem weiteren gesetz- mäßigen Verhalten des Chromatins ziehen. Den vielen Forschern, die sich mit dem Studium des Karyokinese beschäftigt haben, ist es schon früh auf- gefallen, daß die Zahl der Chromosomen bei den Kernteilungen einer Tierart in allen Zellen immer genau die gleiche ist, mag es sich um eine Epidermis-, eine Drüsen-, eine Muskel-, Bindegewebs- oder Knorpelzelle usw. handeln. Dagegen zeigen verschiedene Tierarten oft große Unterschiede in der Zahl der sich bildenden Chromosomen; denn sie kann 2 oder 4 (Fig. 10, A — F) oder 6 oder 16 oder 24 und so weiter betragen. Von allen Zellen einer Spezies wird aber immer die ihr eigentümliche Chromosomenzahl bei der Karyokinese fest- gehalten. Daher hat man die Konstanz dieser Erscheinungen als das Zahlen - gesetz der Chromosomen bezeichnet. Und damit kommen wir zu dem für unsere Betrachtung wichtigsten Punkt. Von dem Zahlengesetz der Chromosomen weichen bei allen Tieren die reifen Ei- und Samenzellen aus- nahmlos ab. Denn im Ei- und Samenkern werden immer nur halb soviel Chromosomen als in den Kernen aller übrigen Zellen der betreffenden Tier- art aufgefunden (Fig. 8, G u. H; Fig. 9, D, eik u. sk). Die einen sind daher Vollkerne, die anderen nur Halbkerne in bezug auf ihren Chromatin- gehalt und die Zahl ihrer Chromosomen. Auch hierin handelt es sich um eine gesetzmäßige Erscheinung, die durch zahlreiche Untersuchungen an den Vertretern der verschiedenartigsten Tierabteilungen nachgewiesen wor- den ist. Bei Berücksichtigung dieser Verhältnisse wird es uns jetzt sofort klar, warum bei der Reifung der Eizelle die Bildung der Polzellen, trotzdem sie nur abortive oder rudimentäre Eier sind, nicht ganz unterdrückt werden konnte. Reduktions- Denn die bei ihrer Bildung stattfindenden Kernteilungen sind notwendig, um die für die reifen Geschlechtsprodukte gesetzmäßige Regulierung der Chromosomenzahl herbeizuführen. Unsere ganze Betrachtung über die Ei- und Samenreife können wir daher in das allgemeine Ergebnis zusammenfassen : Durch die außerordentlich früh eintretende Anordnung der chromatischen Substanz in Vierergruppen, durch die Verteilung der vier Chromosomen einer Gruppe auf vier Zellen, durch zwei sich ohne Pause aneinander anschließende Teilungen — näm- lich bei der Samenreife auf vier Spermatiden (Fig. 8), bei der Ei- reife auf das Reifei und auf drei Polzellen (Fig. 9) wird die Masse des Chromatins sowie die Zahl der Chromosomen auf die Hälfte dessen herabgesetzt, was andere Zellen nach einer Teilung er- prozeß. Reduktionsprozeß und Äquivalenz von Ei- und Samenkern iio halten. Mithin sind Ei- und Samenkern in bezug auf die Masse des Chromatins und die Chromosomenzahl nur Halbkerne. (Pro- nuclei.) Dem gesamten Vorgang hat man in der embryologischen Literatur den passenden Namen Reduktionsprozeß gegeben und verbindet hiermit ge- wöhnlich noch die Vorstellung, daß gleichzeitig mit der Halbierung des Chro- matins nach Masse und Zahl auch eine qualitativ ungleiche Verteilung seiner Bestandteile, eine qualitative Sonderunp verbunden ist, wobei man gern auf letztere das Hauptgewicht legt. Es ist klar, daß durch die mikroskopische Untersuchung nur die quantitative Reduktion nachgewiesen und sicher ge- stellt ist, daß dagegen eine quahtative Sonderung nur auf Grund physiologi- scher Erwägungen, auf die später noch einzugehen sein wird, angenommen werden kann und daher im Verhältnis zu jener einen mehr hypothetischen Charakter trägt. Dem aufmerksamen Leser wird bei unserer ganzen Darstellung nicht ent- gangen sein, daß Ei- und Samenreife, indem sie Halbkerne schaffen, in innig- ster Beziehung zum Befruchtungsprozeß stehen. Denn dieser wirkt ja in einem der Reduktion entgegengesetzten Sinne. Dadurch daß durch die Be- fruchtung ein Samenkern in das Ei eingeführt wird, der mit dem Eikern verschmilzt und seine Chromatinmasse verdoppelt, wird aus zwei Halbkernen erst wieder ein Vollkern hergestellt, von dem dann alle Kerngenerationen des neuen Geschöpfes ab- stammen. Wenn in einer Zelle eine Reduktion der Kernsubstanz stattgefun- den hat, dann muß, wenn anders der für eine Tierart typische Chromatin- bestand in den aus ihr entstehenden Zellgenerationen gewahrt werden soll, eine Befruchtung oder ein ihr gleichartiger Prozeß hinzutreten. Eine redu- zierte Zelle kann daher als eine befruchtungsbedürftige an- gesehen werden. Und umgekehrt ist aus denselben Gesichtspunkten, wenn eine Verschmelzung zweier Zellen durch Befruchtung erfolgt ist, als Ergän- zung entweder eine vorausgegangene Reduktion ihrer Kerne oder ein diesem entsprechender Vorgang erforderlich. Denn ,, nehmen wir an", wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, ,,daß der Prozeß der Reduktion nicht bestände, so würden bei der Befruchtung zwei Vollkerne zur Vereinigung kommen, also würde eine Verdoppelung des Chromatins über die Norm hinaus die Folge sein. Bei jeder neuen geschlechthchen Zeugung würde sich derselbe Vorgang wiederholen; es würde somit im Laufe der Generationen eine Summation der Kernsubstanzen und ein sich steigerndes Mißverhältnis zwischen ihnen und dem Protoplasma in kurzer Zeit herbeigeführt werden, der Art, daß der Um- fang einer Zelle für sie überhaupt keinen Raum mehr böte. Durch derartige Überlegungen geleitet, können wir auch sagen: Durch die der Befruchtung vorausgehende Reduktion wird in einfachster Weise verhindert, daß die Ver- schmelzung zweier Kerne eine Summation der Kernmasse und der Zahl der Chromosomen auf das Doppelte und Vielfache des für die betreffende Tierart geltenden Normalmaßes herbeiführt." I20 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u, Entwicklungslehre d. Tiere Äquivalenz von Nachdcm wir uns mit den Tatsachen der Ei- und Samenbildung und mit Ei- und Samen- ■, Erklärung bekannt gemacht haben, sind wir jetzt besser in den Stand kern. o o gesetzt, die Lehre, daß dem Idioplasma von Nägeli die Kernsubstanz, be- sonders das Chromatin entspricht, näher zu begründen: Das erste und wich- tigste Argument habe ich die Äquivalenz der männlichen und der weiblichen Erbmasse genannt. Auf Grund der Erfahrungen, die man beim Studium der Bastardzeugung, namenthch in der durch Mendel begründeten Forschungsrichtung, gewonnen hat, sind Ei- und Samenzelle zwei einander gleichwertige Einheiten, von denen eine jede mit allen erbhchen Eigenschaften der Art ausgestattet ist. Die Vererbung von Eigenschaften kann nur durch spezifisch organisierte Substanzen oder Erbmassen geschehen, welche den den Eltern eigentümlichen Lebensprozeß auf die Kinder übertragen. Da nun aber Ei- und Samenfäden sich bei gleicher Vererbungspotenz in der Masse ihrer Substanzen ganz kolossal unterscheiden, diese Substanzen aber zugleich aus sehr heterogenen Bestandteilen aufgebaut sind, müssen wir mit Nägeli zwei verschiedene Arten von Substanzen, solche, die für die Vererbung vorzugs- weise und solche, die weniger für sie in Frage kommen, oder idioplasmatische und nicht idioplasmatische unterscheiden. Erstere müssen im Zelleben eine führende, determinierende, letztere eine mehr untergeordnete Rolle spielen; jene müssen daher in den beiderlei Geschlechtszellen als Träger der erblichen Eigenschaften in nahezu gleich großer Masse enthalten sein, während die Quantität der nicht idioplasmatischen Stoffe in weitem Umfang variieren kann. Es kann nun nach dem Studium des Befruchtungsprozesses nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß Ei- und Samenkern bei der Vereinigung der beiden Keimzellen die einzigen Gebilde sind, welche äquivalente Stoffmengen enthalten und sie zur Bildung des Keimkerns vereinigen. Das klassische Bei- spiel hierfür ist das Ei vom Pferdespulwurm, in welchem der Eikern (Fig. 9, E, eik, weh) zwei Chromosomen weiblicher Herkunft, der Samenkern [sk u. mch) zwei Chromosomen männlicher Herkunft von entsprechender Größe liefert. Wir ziehen somit aus den Tatsachen der Befruchtungslehre den wichtigen Schluß: Da bei der Befruchtung die Kernsubstanzen (Chromatin) die einzigen an Masse äquivalenten Stoffe sind, die sich zu einer neuen Anlage, dem Keim- kern, vereinigen , so entsprechen sie wie keine andere Substanz der Keimzellen dem von Nägeh aufgestellten Begriff des Idioplasma und müssen daher in erster Reihe als die von den Eltern auf das Kind übertragenen Erbmassen angesehen werden. Erbgleiche Einen zweiten wichtigen Beweis erblicke ich in dem Satz von der gleich - Kernteilung. .^gj.^jggj^ Verteilung der sich vermehrenden Erbmassen auf die aus dem be- fruchteten Ei hervorgehenden Zellen. Denn eine solche muß stattfinden, da jeder Körperteil, der im Laufe der Entwicklung entsteht, ja schließlich jede Zelle ein Mischprodukt von Eigenschaften beider Eltern darstellt. Nach den Erfahrungen, die man beim Studium der ungeschlechtlichen oder vegetativen Vermehrung, der Regeneration usw., namentlich bei niederen pflanzlichen und tierischen Organismen, gesammelt hat, läßt sich diese Ansicht näher begründen Mendels Spaltungsregeln 121 und aus ihr folgern, daß die durch den Samenfaden eingeführte Anlagesubstanz des männlichen Erzeugers im Eiinhalt überall verbreitet, d. h. beim Furchungs- prozeß jeder Embryonalzelle mitgeteilt werden muß. Auch in dieser Beziehung kennen wir aus Erfahrungen, die in mikroskopischen Studien fest begründet sind, nur einen einzigen Prozeß, in dem wirklich die von der Theorie geforderte Ver- teilungsweise in der Tat vollständig verwirklicht wird, nämlich die Vermeh- rungs- und Verteilungsweise der Kernsubstanzen durch die Karyokinese. Beim Ei des Pferdespulwurms läßt sich dies bei der ersten Teilung des Eies mit aller nur wünschenswerten Sicherheit feststellen. Wenn Ei- und Samen- kern, deren Beschaffenheit wir schon früher kennen gelernt haben, zusammen die erste Teilspindel bilden (Fig. 9, F), so wissen wir, daß von ihren vier Chromosomen zwei vom Eikern {weh), zwei vom Samenkern [mch] ab- stammen. Da nun wie bei jeder Karyokinese die Chromosomen sich im Stadium des Muttersterns ihrer Länge nach spalten, da hierauf ihre Spaltprodukte, die Tochterchromosomen, sich in der schon besprochenen Weise voneinander trennen (Fig. 9, G weh u. mch), die Tochtersterne bilden und schließlich in den Aufbau der Tochterkerne der beiden neuen Zellen (Fig. 9, H weh u. meh) über- gehen, so ist in diesem Fall der unumstößliche und wichtige Beweis geführt, daß beim ersten Teilakt des befruchteten Eies dem Tochterkern in jeder Teil- hälfte genau die gleiche Menge Chromatin vom Eikern wie vom Samenkern zugeführt wird. Derselbe Vorgang wiederholt sich wahrscheinlich auch bei jedem späteren Teilungsschritt, so daß schließhch der Kern jeder Gewebs- zelle aus äquivalenten Mengen des durch Wachstum sich vermehrenden Chromatins mütterlicher und väterlicher Abkunft zusammengesetzt ist. Zwar läßt sich die gleichmäßige Verteilung nicht mehr wie beim ersten Teilungsakt später durch Beobachtung wirkhch feststellen, aber nach dem, was wir von dem Wesen der Kernteilung wissen, läßt sich unsere Annahme als im höchsten Grade wahrscheinlich bezeichnen. Einen dritten wichtigen Beweis erblicke ich in der schon oben festgestellten Bedeutung der und besprochenen Tatsache, daß einer Summation der Kernsubstanzen, die ^''d'jkfcionstei- durch aufeinander folgende Befruchtungsprozesse in der Reihe der Zeu- gungsgenerationen herbeigeführt werden müßte, durch einen vorausgehenden Reduktionsprozeß entgegengewirkt wird. Denn hierdurch wird tatsächlich in einfachster Weise eine Bedingung erfüllt, welche NägeH in seiner spekulativen Idioplasmatheorie als ein Erfordernis der Vernunft nachgewiesen hat. In diesem Punkt begegnen sich aber auch die durch mikroskopische For- schung gewonnenen Errungenschaften mit den ganz unabhängig von ihr er- reichten experimentellen Ergebnissen des Mendelismus(8). Als Mendel verschiedene durch Kreuzung erhaltene Bastarde auf dem Mendels Wege der Selbstbefruchtung durch viele Generationen weiter züchtete und Spaitungsregei. ihre Merkmale genau studierte, kam er zu der überraschenden, aber in der Folge stets wieder von neuem bestätigten Entdeckung, daß sich nicht alle Bastarde, auch bei Vermeidung aller Fehlerquellen, als reine Formen weiter- züchten lassen. Sie sind zum Teil in ihren Eigenschaften unbeständig und 17 2 Oscar Hertwig : Allgem. u. experimentelle Morphologie u, Entwicklungslehre d. Tiere schlagen, wie man sich früher ausdrückte, nach einem Prozentsatz, der sich in einem bestimmten Zahlenverhältnis i : 2 : i ausdrücken läßt, auf ihre ur- sprünglichen Elternformen zurück. Seine Erklärung findet der in einem festen Zahlenverhältnis erfolgende Rückschlag auf die beiden Elternformen durch die Mendelsche Spaltungs- regel. Ihr zur Folge bleibt das durch illegitime Verbindung zweier Varie- täten entstandene Bastardidioplasma zur Zeit, wenn der Bastard selbst seine Keimzellen bildet, als solches nicht erhalten; es trennen sich bei der Ei- und Samenbildung die durch Befruchtung entstandenen antagonistischen Doppel- anlagen, welche zusammen den Charakter des Bastards bedingen, wieder voneinander sowohl im weibhchen wie im männhchen Geschlecht; bei dieser Spaltung werden sie in gleichem Zahlenverhältnis auf die männlichen und die weiblichen Keimzellen verteilt. Diese schlagen also in der Konstitution ihres Idioplasma wieder auf die zur Bastardierung benutzten elterlichen Ausgangs- formen zurück. Es liegt klar auf der Hand, daß sich die Mendelsche Spaltungsregel auf das beste mit der auf mikroskopischem Wege festgestellten Reduktions- teilung in Verbindung bringen läßt. Denn durch die Reduktion wird ja das Chromatin, das durch die Befruchtung an Masse und Chromosomenzahl ver- doppelt worden ist, wieder auf die Hälfte herabgesetzt. Anhänger der Indi- vidualitätshypothese der Chromosomen nehmen hierbei zum Teil an, daß die Abkömmlinge mütterhcher und väterlicher Idioplasmen wieder voneinander getrennt werden. Zur Veranschaulichung dieses Sachverhaltes bedient sich de Vries in einem Vortrag eines Bildes und vergleicht die durch Befruchtung verbundenen elterlichen Idioplasmen mit zwei Personen, die sich vereinigen, um eine Strecke Weges in gemeinsamer Wanderschaft zurückzulegen, nach einiger Zeit aber voneinander Abschied nehmen und sich ein jeder einen neuen Begleiter für die nächste Wegestrecke suchen. Der Vergleich ist sehr anschau- lich, aber nur teilweise zutreffend, da die Spaltungsregel durch eine zweite Regel der Mendelschule, welche von der Mischbarkeit der Anlagen handelt, eine Einschränkung erfährt, auf welche hier einzugehen zu weit führen würde. Bei Berücksichtigung derselben entspricht dem wirklichen Sachverhalt wohl mehr der in meiner allgemeinen Biologie gemachte Vergleich mit ,,zwei Heerscharen, die sich zu gemeinsamer Aktion verbunden haben und während derselben einen Austausch in ihrem Personenbestand vornehmen und auch neue Formationen bilden, bei ihrer späteren Trennung aber diese Veränderun- gen nicht wieder rückgängig machen". Mag sich im übrigen die Spaltung oder Reduktion in dieser oder jener Weise vollziehen, ohne oder mit voraus- gegangener Mischung einzelner Anlagen und neuer Kombination derselben, so bleibt hiervon unser Hinweis auf die Übereinstimmung der Mendelschen Spaltungsregel mit der mikroskopisch nachgewiesenen Reduktion ganz unbe- rührt und wird nur in dieser oder jener Richtung einer Modifikation bedürfen. Wohl mit Recht habe ich daher in meiner Schrift: ,,Der Kampf um Kernfragen der Entwicklungs- und Vererbungslehre" die Übereinstimmung Veränderung der Keimzellen durch Radiumstrahlen 123 zwischen Ergebnissen, die unabhängig voneinander auf mikroskopischem und experimentellem Forschungsgebiet gewonnen worden sind, als eine höchst be- merkenswerte bezeichnet. Sie kann uns daher als viertes Argument zugunsten der Ansicht dienen, daß in den Kernen das Idioplasma zu suchen ist. In den letzten Jahren ist noch ein fünfter Beweis hinzugekommen, der Beweis durch ebenfalls auf experimentellem Gebiete liegt und darin besteht, die Natur der Ke*mzene°nmk Keimzellen durch äußere Eingriffe zu verändern und zu verfolgen, wie die Radium, von ihnen neu erworbenen Eigenschaften sich in Abänderungen des Ent- wicklungsprozesses Geltung verschaffen. Ein sehr wirkungsvolles und zu- gleich sehr bequem zu handhabendes und in seinen Wirkungen auf das feinste regulierbares Mittel ist die Bestrahlung der Keimzellen durch Radium oder Mesothorium ('^). Mehr als die meisten anderen Gewebs- elemente reagieren Eier und Samenfäden in sehr empfindlicher Weise auf diesen Eingriff. Zwar kann man auch bei stärkster mikro- skopischer Vergrößerung keine sichtbare Veränderung in ihrer Organisation als Fol- gen einer stattgehabten Bestrahlung wahr- nehmen. Daß aber eine solche und zwar proportional der Stärke der Einwirkung, und nicht nur vorübergehend, sondern auf die Dauer eingetreten ist, lehrt die mehr oder minder gestörte Entwicklung von Eiern, bei denen beide Komponenten oder auch nur eine von beiden vor der Befruchtung bestrahlt worden sind. Um bloß einige Erscheinungen zu nennen, so kann bei stärkerer Radium- wirkung verlangsamte Teilung, schließlich Stillstand der Entwicklung auf diesem oder jenem frühen Keimesstadium und Zerfall eintreten, zum Bei- spiel während der Gastrulation oder schon früher, wenn sich eben die Keim- blase gebildet hat. Bei schwächerer und kürzerer Bestrahlung entstehen Larven, die ein Alter von einer, von zwei und drei Wochen erreichen und dem- entsprechend weiter in der Anlage der einzelnen Organe und in der ge- weblichen Differenzierung fortgeschritten sind. Aber alle diese Larven sind, wie man sich wohl ausdrücken kann, radiumkrank. Durchweg sind sie im Vergleich zu normalen Tieren (Fig. llA) zwerghaft verkümmert (Fig. iiB), dabei häufig mißgebildet, indem in manchen Fällen sich Spina bifida, in ande- ren Anencephalie eingestellt hat; oder sie sind auch sonst in ihrer Organent- wicklung geschädigt. Hierbei ist unschwer zu erkennen, daß manche Organe wie Darm, Chorda, Vorniere, Haftnäpfe normal erscheinen, andere dagegen mehr unter den Folgen der Radiumbestrahlung zu leiden haben, wie das Zentralnervensystem und die Augen, die in größerer oder kleinerer Ausdeh- nung Merkmale des Zerfalls zeigen, oder das Herz und das Blut, welche ver- kümmert sind, oder die Epidermis, welche an manchen Stellen zu zottigen Wucherungen neigt (Fig. 12). In den pathologischen Organen aber gewahrt F i g. 1 1 ^ u. Ä Fünf Tage alte Radiutnlarve B von Rana fusca und zuge- hörige, gleichalterigeCon- trolle A. Das Ei von B wurde mit Samenfäden be- fruchtet, die 50 Minuten lang mit Radium bestrahlt worden waren. 124 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere man unregelmäßige Kernteilungsfiguren (pluripolare Mitosen), krankhaft ver- änderte Kerne (Pyknose), Neigung der Zellen, sich zu Kugeln abzurunden und aus dem festen normalen Zellverband loszulösen, schließhch abzusterben und zu zerfallen. So kann man den Entwicklungsprozeß mit seinen mannigfach eigenartigen Störungen gewissermaßen als ein fei- nes Reagens benutzen, um in die Schädigung, welche die Keim- zellen während der Bestrahlung erlitten haben, einen Einblick zu gewinnen und sich ein Urteil über sie zu bilden. Was nun nach diesen Vorbemerkungen die Experimente selbst betrifft, so haben zu denselben die Geschlechtsprodukte des Frosches (Rana fusca und Rana viridis) gedient. Vier verschiedene Arten ihrer Ausführung sind möghch und auch vorgenommen wor- den. Erstens kann man die bereits be- fruchteten Froscheier Bruchteile einer Stunde oder i bis 5 Stunden lang mit verschieden starken Radium- oder Me- sothorium-Präparaten bestrahlen. Zwei- tens können die Samenfäden der Be- strahlung ausgesetzt und dann zur Be- fruchtung unbestrahlter Eier verwandt werden, drittens kann der Versuch auch umgekehrt ausgeführt werden, in- dem man die Eier bestrahlt und sie mit normalen Samenfäden befruchtet, viertens endlich können Eier und Samen- fäden für sich bestrahlt und erst zum Schluß zur Befruchtung zusammen- gebracht werden. Zur kürzeren Unterscheidung und bequemeren Verstän- digung sollen die vier verschiedenen Experimente als die A-, B-, C- und D- Serie bezeichnet werden. Bei Bestrahlung des Froscheies mit demselben Präparat und bei Ein- haltung der gleichen Zeitdauer werden sehr verschiedene Ergebnisse erhalten, je nachdem es sich um Versuche der A- oder der 6"- Serie handelt. Im ersten Fall entwickeln sich die Eier, wenn sie mit einem Präparat von 7,4 mg reinen Radiumbromids während einer Stunde bestrahlt wurden, nur bis zum Stadium der Keimblase, um dann abzusterben und zu zerfallen; in der C- Serie dagegen geht die Entwicklung noch über diese Zeit Tage und selbst eine Woche lang weiter und es entstehen Larven, die zwar mehr oder minder stark pathologisch, aber doch imstande sind, alle Organe: Nervenrohr, Sinnesorgane, Chorda, Muskelsegmente, Herz, Vorniere, Kiemen, Haftnäpfe usw. zu bilden. Man muß daher sagen, daß in der C- Serie das bestrahlte Ei durch die Befruchtung mit einem gesunden Samenfaden in einer sehr erstaunlichen Weise aufge- frischt und verjüngt wird; denn durch ihn erhält es wieder das verlorene Ver- mögen, sich unter Ausbildung aller Organe weiter zu entwickeln. Erstaunlich ist diese Wirkung, wenn man den geradezu enormen Unterschied zwischen der bestrahlten und der nicht bestrahlten Substanzmasse berücksichtigt. Denn Fig. 12. Schnitt durch die Bauchhaut mit zottigen Exreszenzen einer sieben Tage alten Lar\'e von Rana fusca. .Sie stammt von einem Ei, das vor der Be- fruchtung zwei Stunden mit Radium bestrahlt und dann mit unbestrahltem Samen befruchtet worden ist (C-Serie). ^/Rest der Keimblasenhöhle. /Ä Leibeshöhle Veränderung der Keimzellen durch Radiumstrahlen 125 der winzige Samenfaden ist, wenn wir uns eines Vergleiches bedienen wollen, ,,im Verhältnis zum großen Froschei eine so verschwindend kleine Substanz- menge, wie in einem mehrere Zentner schweren, mit Weizenkörnern gefüllten Sack ein einzelnes Weizenkorn". Daher kann es auch nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß der Samenfaden aus einer sehr wirkungsvollen Sub- stanz bestehen muß, wenn er die Schädigung der Radiumbestrahlung in der millionenfach größeren Masse des Eies in so hohem Grade zu überwinden vermag. Seine Wirkung hört aber sofort auf, wenn er ebenfalls bestrahlt worden ist; Beweis hierfür ist die gleichfalls experimentell festgestellte Tat- sache, daß die Ergebnisse in der A- und D- Serie ganz genau übereinstimmen. In ebenso überraschender Weise tritt die Wirksamkeit der Substanz des Samenfadens in der 5- Serie hervor. Denn ein von Haus aus gesundes Ei wird durch die Befruchtung mit einem bestrahlten Samenfaden in demselben Grade radiumkrank gemacht, wie in der C- Serie ein bestrahltes, aber normal be- fruchtetes Ei. Es macht also im Endergebnis keinen bemerkenswerten Unter- schied aus, ob das Ei vor der Befruchtung bestrahlt und mit einem gesunden Samenfaden befruchtet oder ob umgekehrt das gesunde Ei mit einem bestrahl- ten Samenfaden befruchtet wurde. Beide Keimzellen verhalten sich daher in bezug auf ihre Fähigkeit, die Radiumwirkung auf das Zeugungsprodukt zu übertragen und auf den Verlauf des Entwicklungsprozesses dadurch einzu- wirken, als durchaus gleichwertige Faktoren. Durch Vergleich der 5- Serie mit der C"- Serie geht wohl zunächst das eine klar hervor, daß irgendwelche Veränderungen, die eventuell durch die Be- strahlung im Protoplasma und im Nahrungsdotter hervorgerufen worden sind, nicht der Faktor sein können, auf den sich die Radiumkrankheit des Entwick- lungsproduktes zurückführen läßt. Denn dann müßte ja die Entwicklung in der C'-Serie viel tausendmal schlechter als in der ß-Serie ausfallen. Wie sollte unter diesen Umständen in der C- Serie die gesunde Substanz des Samen- fadens überhaupt nur zur Wirkung gelangen können, da in ihm Protoplasma und Nahrungsdotter so gut wie gar nicht vorhanden sind und ihre geringe Menge eine so homöopathische Dosis ist, daß sie sich bei ihrer Verteilung im Ei wie ein Tropfen im Meer spurlos verlieren würde. Ganz anders gestaltet sich die Sachlage, wenn wir annehmen, daß die Kern- substanzen, deren Äquivalenz in den weiblichen und männlichen Keimzellen eine feststehende Tatsache ist, durch die Radiumstrahlen verändert werden und dadurch die eigentümlichen Erscheinungen mit ihrer großen Mannigfaltig- keit beim Entwicklungsprozeß verursachen. Die unverhältnismäßig große Wirkung, die ein kleiner Samenfaden ausübt, hat durchaus nichts Wunder- bares mehr, wenn man berücksichtigt, daß die im Samenkern enthal- tene Substanz das Vermögen besitzt, im Ei zu wachsen und sich auf dem Weg der Karyokinese periodisch bald auf das Hun- dert- und Tausendfache und so weiter zu vermehren. Denn die Fähigkeit des Chromatins zur Vermehrung und Teilung wird nicht zerstört, solange die Radiumbestrahlung ein bestimmtes Maß der Intensität und Dauer Ip6 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere nicht übersteigt. Durch Wachstum und Teilung wird daher die radium- kranke Substanz des Samenkerns schheßhch im gesamten Eiinhalt verteilt und jeder Embryonalzelle zugeführt; es wird so ohne weiteres verständ- hch, daß sie, trotzdem sie nur eine homöopathische Dosis im bestrahlten Samenfaden darstellt, schließhch die mehr als tausendmal größere Masse des Eies im Entwicklungsprozeß vergiftet. Sie wirkt, wenn ich mich eines früher gebrauchten, die Sachlage gut aufklärenden Vergleichs bediene, wie ein Contagium vivum, wie ein Bacterium, wenn es im tierischen Körper eine Infektionskrankheit verursacht. Ein einzelner Milzbrandbazillus, durch eine Wunde in den menschlichen Körper eingeführt, ist ein sehr harmloser Ein- dringling, wenn er sich nicht vermehrt. Auch wenn er einem allergiftigsten Stamm angehört, kann er durch seine chemischen Eigenschaften allein auch nicht die geringste Erkrankung hervorrufen, solange er vereinzelt bleibt, da- gegen in wenigen Tagen das Leben vernichten, wenn er in rapider Vermehrung eine Nachkommenschaft erzeugt hat, welche mit dem Blut alle Organe und Ge- webe des erkrankten Tieres überschwemmt. Bei unserer Annahme wird aber nicht nur die große Wirkung des be- strahlten Samenfadens auf das gesunde Ei, sondern ebenso der gleiche Ausfall der Ergebnisse von der B- und C- Serie erklärt. In dem einen wie in dem ande- ren Experiment besteht ja der bei der Befruchtung aus Amphimixis hervor- gegangene Keimkern aus je einer Komponente gesunder und einer Komponente radiumkranker Substanz, welche zusammen den Verlauf der Entwicklung be- stimmen. Ob hierbei die gesunde oder die radiumkranke Substanz vom Ei- oder Samenkern abstammt, kann doch wohl für den Ausfall des Entwick- lungsproduktes keinen Unterschied ausmachen. Wenn unsere Erklärung richtig ist, und ich wüßte nicht, was sich Besseres an ihre Stelle setzen ließe, da alle Modifikationen der vielfach variierten Experimente mit ihr übereinstimmen, dann bilden die Radiumversuche an den Keimzellen, besonders der Vergleich der verschiedenen Ergebnisse in der A-, B-, C- und D- Serie einen experimentellen Beweis für die Richtigkeit der Lehre von der Idioplasmanatur der Kernsubstanzen. 4. Die Entwicklungsfähigkeit der Eizelle auch ohne Befruchtung. Daß die Befruchtung ein außerordentlich wichtiger Vorgang für die Er- zeugung neuer Lebewesen und für die Erhaltung des Organismenreiches ist, lehrt ihre weite Verbreitung bei Tieren und Pflanzen und selbst bei den nieder- sten einzelligen Wesen; man könnte es auch aus dem Umstand schließen, daß reife Eier, die nicht rechtzeitig befruchtet werden, unter den gewöhnlichen Bedingungen rasch abzusterben und zu zerfallen pflegen. Über solchen Tat- sachen darf man aber nicht vergessen, daß das Ei auch an sich schon eine eminent entwicklungsfähige Substanz darstellt, und daß, wenn es sich gleich- wohl ohne Befruchtung nicht entwickelt, dies nur an einem hemmenden, seiner Natur nach uns unbekannten Moment liegt, welches für gewöhnlich als eine Nebenwirkung zugleich mit der Befruchtung entfernt wird. Wenn wir die Parthenogenese (Jungfernzeugung) 127 Verhältnisse von diesem Gesichtspunkt aus ansehen, dann werden uns die immerhin spärhchen Fälle, in denen Entwicklung der Eier ohne Befruchtung beobachtet worden ist, nichts Überraschendes oder gar Wunderbares dar- bieten. Bei der Entwicklung des Eies ohne Befruchtung hat man die natür- liche und die künstliche Parthenogenese zu unterscheiden. a) Die natürliche Parthenogenese oder Jungfernzeugung. Wenn in unserer Zeit jemand veröffentlichen würde, daß er beobachtet Natürliche Par- habe, wie eine Hündin, ohne vorher von einem Hunde belegt worden zu sein, ''°°'=-«°«^'>*^- lebendige Junge geworfen habe, so würde seine Mitteilung gewiß, und wohl auch mit Recht, allgemeinem Zweifel begegnen; man würde einen Irrtum vor- aussetzen. Ähnlich ist es dem Genfer Philosophen und Naturforscher Bonnet, aber damals mit Unrecht, ergangen, als er im Jahre 1762 durch sorgfältiges Studium der Vermehrungsweise der Blattläuse zum erstenmal das Vorkommen von Jungfernzeugung im Tierreich, d. h. die Tatsache entdeckte, daß bei manchen Tierarten Eier, die nicht befruchtet worden sind, sich zu jungen Tieren entwickeln können. Denn als Bonnet einen Bericht über seine Ent- deckung durch seinen Freund Reaumur, den berühmten Physiker und Bio- logen, der Pariser Akademie mitteilen ließ, bezweifelte diese ihre Richtigkeit und äußerte in einem Antwortschreiben ihre Bedenken, wie es wörtlich heißt: ,, gegen eine Entdeckung, welche einem allgemeinen und durch alle bisherigen Erfahrungen einmütig bestätigten Gesetz geradezu entgegen wäre". Die Experimente von Bonnet waren aber durchaus richtig, wie er selbst durch Wiederholung derselben unter Einhaltung noch strengerer Kautelen nachwies. Indem sie aber eine irrtümliche Meinung berichtigten, gaben sie selbst wieder den Ausgangspunkt für einen neuen Irrtum, insofern jetzt die Naturforscher es dadurch als erwiesen erachteten, daß die Samenfäden nicht tierische Keime sein könnten, wie es Leeuwenhoek und mit ihm die Schule der Ani- malkulisten behauptet hatte. So bietet dieser Fall ein lehrreiches Beispiel, wie man in der Biologie mit dem Wort ,, Naturgesetz" sehr vorsichtig um- gehen muß. Sind doch die Lebensprozesse und ganz besonders die Entwick- lung eines Organismus etwas so ungemein Kompliziertes, daß die ursächlichen Zusammenhänge des Geschehens nur zum kleinsten Teil von uns beim der- zeitigen Stand unseres Wissens durchschaut werden können. Eine an sich geringfügige Veränderung kann oft schon ausreichen, um einen Lebensvor- gang uns in einem ganz neuen Lichte zu zeigen. Daher ist es von vornherein viel besser, anstatt von einem Gesetz zu sprechen, in der Biologie das Wort Regel zu gebrauchen, da dieses ja bekanntlich Ausnahmen zuläßt. Die Entwicklung von Eiern ohne Befruchtung ist im Stamm der Wirbel- tiere noch niemals beobachtet worden, dagegen kommt sie bei Wirbellosen in bestimmten Familien als eine regelmäßige Erscheinung und gewöhnlich in einem bestimmten Wechsel mit der geschlechtlichen Zeugungsform nicht selten vor. Namenthch findet sie sich bei kleineren Tieren aus dem Stamm der Arthro- poden, bei Aphiden und Daphnoiden, bei Lepidoptern usw. Bei Daphnoiden 128 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere und Aphiden, die am häufigsten und genauesten untersucht worden sind und sich am leichtesten beobachten lassen, ist der Hergang im allgemeinen der, daß ein und dasselbe Weibchen zu gewissen Zeiten in ihrem Eierstock nur Eier hervorbringt, welche sich ohne Befruchtung entwickeln, und zu anderer Zeit wieder Eier, welche der Befruchtung bedürfen. Jene werden auch als Sommer-, diese als Wintereier unterschieden, da die einen während der warmen Jahreszeit, die andern vor Beginn des Winters gebildet werden. Die partheno- genetischen Sommereier sind dotterarm, sehr klein und entstehen in sehr großer Zahl und rasch hintereinander in den Keimstöcken; sie dienen dadurch als Mittel, durch welches sich die betreffende Tierart zur Zeit, wo Nahrungsüber- fiuß herrscht, ungeheuer vermehren kann. Die Wintereier dagegen zeichnen sich durch beträchtliche Größe und Dotterreichtum aus und werden nur in geringerer Zahl angelegt. Wenn sie befruchtet worden sind, machen sie ge- wöhnlich während der Winterszeit ein Ruhestadium durch, daher für sie auch der Name Dauereier gebraucht wird. Indem wir uns auf diese wenigen Bemerkungen beschränken, da die Parthenogenese schon an anderer Stelle ihre Darstellung gefunden hat, bleibt nur ein Punkt noch zu besprechen übrig, der wegen seiner engen Beziehung zu der in einem früheren Abschnitt dargestellten Eireife für uns von besonderem Interesse ist. Damals war von uns die Ansicht ausgesprochen worden, daß Ei- und Samenreife eine Vorbereitung der Keimzellen für den Befruchtungs- prozeß insofern sind, als hierbei durch eine Reduktion des Chromatins haploide oder Halbkerne entstehen, die durch die Befruchtung wieder zu diploiden oder Vollkernen ergänzt werden. Das Studium der Sommer- und Wintereier bei par- thenogenetischen Tieren liefert einen der schönsten Belege für die Richtigkeit dieser Ansicht. Besteht doch in der Bildung der Polzellen und im Chromatin- gehalt der Eikerne ein auffälliger Unterschied zwischen beiden! Denn bei den Sommereiern, welche von vornherein für Entwicklung ohne Befruchtung be- stimmt sind, unterbleibt von vornherein die Bildung einer zweiten Polzelle und infolgedessen auch die mit diesem Vorgang verbundene Reduktion der Kernsubstanz. Auch ohne Befruchtung besitzt daher ihr Eikern die ganze Chromatinmasse eines Normalkernes und die volle Chromosomenzahl; er ist also, wie die Botaniker sagen, diploid. Dagegen werden bei den befruchtungs- bedürftigen Wintereiern stets zwei Polzellen abgeschnürt, so daß sie infolge- dessen haploide oder Halbkerne erhalten. So interessant nun auch dieser Unterschied zwischen parthenogenetischen und befruchtungsbedürftigen Eiern ist, so darf man doch nicht glauben, daß die Eier nur gerade dadurch, daß die zweite Polzelle unterdrückt worden ist, parthenogenetisch geworden sind oder daß auf diesem Wege das Wesen der Parthenogenese ihre Erklärung gefunden hat. Denn wie ich in meiner all- gemeinen Biologie hervorgehoben habe, ,,hat das Sommerei die Neigung, sich ohne Befruchtung zu entwickeln, schon ehe es zur Bildung der Polzellen schreitet, wie aus der bereits vorausgegangenen geringen Ansammlung des Dotters, aus der abweichenden Beschaffenheit der Hüllen und anderen Merk- Parthenogenese (Jungfernzeugung) I2g malen hervorgeht. Das Ei wird nicht dadurch parthenogenetisch, weil es keine zweite Polzelle bildet, sondern weil es schon für parthenogenetische Ent- wicklung bestimmt ist, bildet es die zweite Polzelle nicht; es bildet sie nicht, weil unter diesen Verhältnissen eine Reduktion der Kernmasse, die ja eine nachfolgende Befruchtung zur Voraussetzung hat, keinen Zweck mehr hat." Auch wäre es falsch, wenn man etwa glauben wollte, daß Halbkerne das Ver- mögen, sich zu teilen, eingebüßt hätten. Das ist keineswegs der Fall, wie sich durch Beobachtung und Experimente hat feststellen lassen. Denn einmal ist in einzelnen wenigen Fällen beobachtet worden, daß auch parthenogenetische Eier (Liparis, Biene) beide Reifeteilungen durchmachen und daß bei Kryptogamen die parthenogenetischen Generationen haploide Halbkerne haben. Zweitens läßt sich Entwicklung mit Halbkernen auch durch experimentelle Eingriffe in sehr verschiedener Weise erreichen. Es führt uns dies zur Besprechung der künstlichen oder experimentellen Parthenogenese. b) Die experimentelle Parthenogenese. Wir beginnen den Abschnitt mit folgendem Experiment. Eier von See- Experimentelle igeln oder von anderen hierzu geeigneten Tieren kann man durch kräftiges 'MerogoX"'' Schütteln in einem mit Meerwasser gefülltem Röhrchen in Teilstücke zerlegen, von welchen die meisten kernlos geworden sind. Wenn dann die kernlosen Stücke in einem Uhrschälchen isoliert und mit etwas Samenflüssigkeit ver- mischt werden, so lassen sie sich ebensogut wie normale Eier noch befruchten; das heißt, es dringt ein Samenfaden, zuweilen auch ihrer mehrere, in das nackte Protoplasma ein, welches sich dann ebenfalls zum Schutz mit einer Dotterhaut umgibt. Aus dem Kopf des Fadens entsteht ein Samenkern, der, weil er keinen Partner findet, haploid bleibt, sich trotzdem aber bald in eine Spindel umwandelt und teilt. Wenn das isolierte Plasmastück genügend groß und nur einfach befruchtet war, so spielt sich in ihm ein normaler Teilungs- prozeß ab, es kommt sogar nach einiger Zeit zur Ausbildung einer Larve, in welcher alle Zellkerne nur väterliches Chromatin enthalten. So bildet dieser experimentell hervorgerufene Prozeß, der in der Literatur als Merogonie bekannt ist, gewissermaßen ein Seitenstück zur Parthenogenese, bei welcher die Larven nur mit Kernen und mit Chromatin mütterhcher Herkunft aus- gestattet sind. Im letzten Jahrzehnt sind von verschiedenen Forschern Versuche an- gestellt worden, bei Eiern von Tieren, welche normalerweise keine Partheno- genese zeigen, durch äußere Eingriffe Entwicklung ohne vorhergegangene Be- fruchtung hervorzurufen. Die Eingriffe waren bald chemische, bald ther- mische, bald mechanische. Nur einige wenige Objekte haben sich bisher für derartige Experimente als geeignet erwiesen und gute Resultate ergeben. Als geeignet sind in erster Linie wieder die Eier von Seeigeln und See- sternen, von einigen Mollusken und Ringelwürmern, aber auch sogar von unse- ren beiden, gewöhnhchen Froscharten (Rana fusca und Rana esculenta) zu nennen. K. d. G. in. IV. Bd 2 Zellenlehre etc. II Q 130 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Wenn wir zuerst mit der Besprechung der chemischen Eingriffe beginnen, so wurden dieselben in der Weise ausgeführt, daß Meerwasser entweder mit Mg CI2 oder Ka Cl oder Ca Cl^ in verschiedenen Prozenten versetzt wurde. In dieselbe brachte der Experimentator unbefruchtete Eier von Seesternen und Seeigeln und ließ sie darin eine Viertel- bis zwei Stunden verweilen; hierauf wurden sie wieder in reines Meerwasser zurückgebracht. Durch vieles Ausprobieren wurden geeignete Mischungen und Verfahren ermittelt, durch welche Eier zur Abscheidung einer Dotterhaut, zur Teilung und weiteren Entwicklung gebracht werden konnten. Allerdings wurde auch bei den gün- stigsten Resultaten eine gleichmäßige Einwirkung der chemischen Reizmittel auf das Eimaterial nicht erreicht. Denn von Tausenden von Eiern entwickel- ten sich in den einzelnen Versuchen immer nur ein bald kleinerer, bald größerer Prozentsatz und auch dieser oft in unregelmäßiger Weise. Einige Seeigeleier starben schon auf dem ersten Teilungsstadium ab, andere entwickelten sich bis zur Keimblase, ehe sie zerfielen; nur ein Teil ließ sich bis zu frei herum- schwimmenden Plutei züchten, wenn in den Kulturen gerade das geeignetste Mischungsverhältnis der Salzlösungen und die richtige Dauer ihrer Einwir- kung getroffen war. Das Verfahren ist launenhaft und von manchen Kleinig- keiten abhängig. Versuche, die im Laboratorium am Atlantischen Ozean gute Resultate geliefert hatten, verliefen ergebnislos, als sie an der gleichen See- igelart und genau in derselben Weise an der Zoologischen Station in Neapel ausgeführt wurden. Übrigens kann der Experimentator dieselben Eier auch noch durch manche ganz anders geartete Eingriffe zur Entwicklung anregen, durch Ein- leiten von Kohlensäure durch das Meerwasser oder dadurch, daß unbefruchtete Eier plötzlich wenige Minuten bis zu einer höheren Temperatur erwärmt und sofort wieder abgekühlt werden, oder durch mechanische Eingriffe. So teilten sich Seesterneier, als sie auf einem bestimmten Stadium während der Auf- lösung des Keimbläschens vorsichtig geschüttelt wurden. Ferner begannen sich sogar direkt dem Uterus entnommene Eier von Rana fusca in einem großen Prozentsatz zu entwickeln, als sie einzeln mit einer feinen, scharf zu- gespitzten Platinnadel vorsichtig angestochen und mit Wasser übergössen wurden. Von ihnen starben die meisten allerdings schon während früher Teilungs- stadien ab, einige aber wandelten sich in eine Gastrula um, und von diesen ließ sich ein Teil noch wochenlang weiter züchten. Auch unter ihnen wird, je älter die Larven werden, der Prozentsatz der überlebenden immer geringer. Von 10 000 angestochenen Eiern von Rana fusca kamen nur 120 Larven zum Ausschlüpfen aus den Gallerthüllen und von diesen konnten wieder nur drei Larven bis zur Metamorphose gebracht werden. Alles dies deutet darauf hin, daß die durch künstliche Reizmittel zur Entwicklung gebrachten Froscheier nur wenig lebenskräftig sind. Die chemische Die Entdeckung, daß die Eier mancher Tiere sich durch chemische Ein- BefruchtuiTg. griffe ZU cincr Entwicklung, die sonst ausgeblieben sein würde, anregen lassen, hat vorübergehend zu irrigen Auffassungen geführt, die durch die Tages- Experimentelle Parthenogenese 1 3 i literatur in Laienkreisen weiter verbreitet wurden und auch in den Ideen- gängen biologisch ungeschulter Forscher eine Bedeutung gewonnen haben. Glaubte man doch allen Ernstes eine Grundlage für eine chemische Theorie der Befruchtung gewonnen zu haben und jetzt auf dem besten Wege zu sein, das Wesen der Befruchtung als einen chemisch-physikalischen Prozeß er- klären zu können. In humoristisch-scherzhafter Weise hat Boltzmann, der jüngst verstorbene, ausgezeichnete Professor der mathematischen Physik in Wien, diesen Gedankengang in einer 1905 erschienenen populären Schrift zum Ausdruck gebracht. Auf seiner Vortragsreise in Amerika hatte er Ge- legenheit den amerikanischen Physiologen Loeb in seinem Laboratorium bei St. Francisco zur Zeit zu besuchen, als er gerade mit seinen bekannten Experi- menten beschäftigt war, und fand hier die Anregung zu folgender Betrach- tung: ,,Loeb experimentierte", so lauten seine Worte, ,,mit Tiergattungen, wo Parthenogenese niemals vorkommt, mit Seeigeln und Seesternen, und zeigte, daß auf deren Eier die gleichen Wirkungen, die sonst nur der männliche Samen erzeugt, durch vollkommen leblose Säuren ausgeübt werden können, so daß sich die der Wirkung von Kohlensäure, Buttersäure oder Propylessigsäure unter passenden Umständen ausgesetzten Eier gerade so entwickeln wie normal befruchtete." ,,Man begreift, wie wichtig die Entdeckung ist, daß sich ein Prozeß, der bisher nur als Folge einer besonderen Lebenstätigkeit angesehen wurde, auch durch rein chemische Reagenzien herbeiführen läßt; und wenn derselbe nicht bloß für die Seeigel, sondern auch für Lebewesen bis zum Men- schen hinauf gilt, welche sozialen Umwälzungen werden daraus folgen! Eine Frauenemanzipation, wie sie die heutigen Frauenrechtlerinnen nicht einmal träumen. Der Mann wird einfach überflüssig. Ein Fläschchen mit geschickt gemischten Chemikahen gefüllt, ersetzt ihn vollständig. Dabei kann noch die Vererbung viel rationeller betrieben werden als jetzt, wo sie so vielen Zufällig- keiten unterworfen ist. Nicht lange, und man findet, welche Mischung Knaben, welche Mädchen Hefert, und da die ersteren vollkommen überflüssig sind, werden davon nur wenige Exemplare für die zoologischen Gärten erzeugt." Von biologischer Seite ist manches gegen die chemische Theorie der Be- fruchtung, die uns in anderer Form auch sonst noch in der Literatur begegnet, einzuwenden. Es ist unrichtig zu glauben, man habe durch chemische Flüssig- keiten die Befruchtung des Eies ersetzt oder auch nur einzelne Seiten dieses Vorgangs nachgeahmt oder man sei jetzt auf dem besten Wege, die Befruch- tung als einen chemischen Prozeß zu erklären. Denn alle diese Experimente haben eigenthch mit dem Befruchtungsvorgang überhaupt gar nichts zu tun. Die in ihnen angewandten Mittel sind nur Reize, durch welche eine Fähigkeit, die schon in der Organisation des Eies von Haus aus gegeben ist, die Fähigkeit sich zu teilen, sich zu entwickeln und einen fertigen Organismus zu hefern, veranlaßt wird, in Aktion zu treten; oder es wird durch sie, wenn wir uns der Sprachweise der Physiker bedienen wollen , die Umsetzung von Spannkraft in lebendige Kraft ausgelöst. Mit der Natur des Entwicklungsprozesses hat das angewandte Mittel, welches den Anstoß gibt oder auslösend wirkt, gar nichts 9 * 1.^2 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere ZU tun; daher es denn auch ganz gleichgültig ist, ob die Entwicklung durch ein chemisches oder thermisches oder mechanisches Mittel in den Gang gebracht wird, wie es auch gleichgültig ist, ob dieses oder jenes Salzgemisch verwendet wird, wenn es überhaupt nur vom Ei vertragen wird und der Entwicklungs- maschine, welches eben einzig und allein das Ei ist, den gewünschten An- stoß gibt. Schon jetzt hat man als Entwicklungserreger Gemische mit Mg Cl^ oder Ka Cl oder Ca Cl^, oder mit Kohlensäure oder mit Butter- und Propion- säure usw. mit Erfolg benutzt. Mit Geduld und Geschick beim Probieren wird man noch 10, 20 und viel mehr Substanzen ausfindig machen können, mit denen sich ähnliche Resultate gewinnen lassen. Die biologische Und nun vergleichen wir hiermit den Vorgang der Befruchtung. Zwar ist Befruchtung, es richtig, daß durch ihn in der Regel das Ei ebenfalls erst zur Entwicklung angeregt wird, wodurch der Schein einer Übereinstimmung mit der Wirkung der oben aufgeführten Mittel beim oberflächlichen Beobachter erweckt wer- den kann. Die Entwicklungserregung tritt aber bei der Befruchtung nicht immer ein. Denn in manchen Fällen müssen die befruchteten Eier, wie z. B. die sogenannten Wintereier der Arthropoden erst ein monatelanges Ruhe- stadium durchmachen, ehe sie sich zu entwickeln beginnen. Die Entwick- lungserregung ist überhaupt bei der Befruchtung nur ein untergeordneter Vorgang. Die Hauptsache bei ihr ist die Vereinigung von zwei lebenden Zellen und die auf diesem Wege ermöglichte Kombina- . tion der Eigenschaften der zwei bei der Zeugung beteiligten Individuen. Wie kann man bei dieser Sachlage von einer chemischen Er- klärung oder von einer Nachahmung oder von einem Ersatz der Befruchtung reden! Denn wer wird wohl glauben, daß durch ein Salzgemisch die Eigen- schaften des männlichen Erzeugers auf die Eizelle übertragen, also die ver- erbende Kraft der Samenkörper ersetzt werden könne. '^ Ein Ersatz würde doch nur in dem Fall geschaffen sein, wenn der Experimentator auf künst- lichem Wege eine männliche Keimzelle erzeugen und durch sie mit neuem Idioplasma neue erbliche Eigenschaften auf das Ei übertragen könnte! Also hat die durch experimentelle Eingriffe der verschiedensten Art hervorgerufene Entwicklung der Eizelle mit der Befruchtung überhaupt gar nichts zu tun; sie ist eine Entwicklung ohne Befruchtung, sie reiht sich daher an die Parthenogenese an und kann von dem durch Bonnet zuerst beobachteten natürlichen Vorgang als experimentelle oder künstliche Parthenogenese unterschieden werden, und diese kann wieder, je nach den angewandten Mitteln, deren Zahl eine sehr große ist, eine chemische, eine thermische, eine mechanische, eine traumatische usw. sein. Beim Vergleich der natürlichen mit der experimentellen Parthenogenese sollte übrigens nicht übersehen werden, wie verschieden dieselben in ihren Endergebnissen sind. Jene liefert durchweg normale und lebenskräftige, zur Erhaltung der Art taugliche Individuen. Dagegen stellen alle chemischen Mittel, die zur Erzielung künstlicher Parthenogenese verwandt werden, nichts Furchungsprozeß 133 weniger als ein Lebenselixier dar. Die mit ihnen behandelten Eier werden mehr oder minder geschädigt, und wenn sie nicht schon gleich am Beginn der Entwicklung absterben, so liefern sie krankhafte, verkrüppelte oder geschwächte Larven. Wie die chemischen verhalten sich in dieser Beziehung auch die thermischen und die mechanischen Eingriffe. Während 10 000 befruchtete Froscheier auch ebenso viele gesunde Larven liefern, wenn sonst die Bedin- gungen günstige sind, konnten von ebenso vielen angestochenen, parthenoge- netischen Eiern nur 120 Larven zum Ausschlüpfen aus den Gallerthüllen und von diesen wieder nur drei bis zur Metamorphose gebracht werden. 5. Furchungsprozeß, Blastula, Gastrula, Keimblattlehre. Die ersten Entwicklungsprozesse des Eies nach der Befruchtung bis zur Furchungs- Bildung der beiden primären Keimblätter zeigen im ganzen Tierreich so viele ^"^""'^ ' prinzipielle Übereinstimmungen, daß sich eine gemeinsame Besprechung der- selben bequem durchführen läßt. Nachdem sich Eikern und Samenkern mitein- ander verbunden haben, beginnt eine Periode, in welcher das Ei rasch nach- einander in 2, 4, 8, 16, 32 und mehr Teilstücke oder Embryonalzellen zerlegt wird. Schließlich besteht es aus vielen hundert Zellen, die in demselben Maße, als die Zerlegung fortschreitet, immer kleiner geworden sind. In der Em- bryologie nennt man diese Periode den Furchungs- oder Teilungspro- zeß. Der Name Furchung stammt noch aus der Zeit vor der Begründung der Zelltheorie und wurde von den französischen Forschern Prevost und Dumas eingeführt, als sie im Jahre 1824 auf der Oberfläche des relativ großen Froscheies bald nach der Befruchtung mittels Lupenvergrößerung Furchen entstehen sahen, die an Zahl immer mehr zunahmen und dementsprechend die Oberfläche in immer kleiner werdende Felder zerlegten. Sie glaubten, daß die Furchen nur ein wenig in die Eirinde einschnitten und durch die Ein- wirkung der Samenflüssigkeit hervorgerufen seien. Daß sie nach innen in Teilebenen übergehen und so den ganzen Eiinhalt in Teilstücke, die Zellen sind, zerlegen, wurde erst allmählich nach Begründung der Zellentheorie und bei ihrem Ausbau festgestellt. Der Name Furchungsprozeß aber ist seit jener Zeit geblieben, obwohl es richtiger wäre, nur von einem Teilungsprozeß zu sprechen. Bei jeder Teilung sind Kern und Protoplasma gemeinsam tätig, doch kommt hierbei dem erstem die mehr führende Rolle zu. Denn der Kern zeigt die ersten und am meisten auffallenden Veränderungen; er durchläuft all- mählich die schon früher besprochene Reihe von karyokinetischen Figuren, durch welche seine Substanz in zwei gleiche Hälften zerlegt wird (Fig. 9 F u. G). Im Zusammenhang hiermit ordnet sich das Protoplasma um die bei- den Enden der Kernspindel und die dort gelegenen Zentrosomen in zwei Strah- lensysteme an, die erst klein beginnen und dann entsprechend den einzelnen Stadien der Karyokinese an Ausdehnung so lange zunehmen, bis sie den ganzen Eiinhalt in zwei strahlige und um die Zentrosomen zentrierte Hälften um- gewandelt haben. Die hierdurch im Innern schon vorbereitete Scheidung der j-^A Oscar HertwiG: AUgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Substanzen kommt dann auch äußerlich zum Ausdruck. Entsprechend einer Ebene, welche die Mitte der Spindel senkrecht zu ihrer Längsachse schneidet (Fig. 9, G), entsteht eine Ringfurche an der Oberfläche des Eies; rasch tiefer einschneidend zerlegt sie die Eisubstanz in kurzer Zeit in zwei meist gleich große Hälften, von denen eine jede die Hälfte der Spindel mit einer Gruppe der Tochterchromosome, die Hälfte der Kernspindel und ein protoplasma- tisches Strahlensystem erhält. In jeder der beiden Tochterzellen, die sich an ihrer Berührungsfläche zu Halbkugeln abplatten, entsteht jetzt wieder ein bläschenförmiger Kern (Fig. 9, H) aus jeder Gruppe der Tochterchromosomen. Sein Chromatin beginnt in der jetzt folgenden Ruhepause sich rasch wieder so weit zu vermehren, bis es das Volumen vor der ersten Teilung erreicht hat, worauf eine neue Teilperiode eintritt; und so geht es fort in rascher Folge. Gesetz des pro- Schon früher wurde darauf aufmerksam gemacht, daß das Chromatin KemwacS ^^^ Keimkemcs zur Hälfte vom Eikern (Fig. 9, G u. H, weh), zur Hälfte vom turas. Kopf des eingedrungenen Samenfadens (Fig. 9, G u. H, mch) abstammt und in diesem Verhältnis durch die Karyokinese auf die beiden ersten Tochter- zellen verteilt wird. Wahrscheinlich wird dieser Verteilungsmodus auch weiter beibehalten werden, da manche Gründe sich zugunsten einer derartigen Annahme geltend machen lassen. Wir gelangen auf diesem Wege zu zwei hochbedeutsamen Ergebnissen. Einmal leiten sich alle Kerne des erwachsenen Tieres vom ursprünglichen Keimkern durch eine unendlich lange Folge von Teilungsprozessen her, in der Weise, daß das Chromatin in periodischer Folge sich bis zu einem bestimmten Maximum vermehrt und darauf in zwei Hälften geteilt wird (Gesetz des proportionalen Kernwachstums). Zweitens enthält infolge dieses Prozesses jeder der so entstandenen zahllosen Kerne zu gleichen Teilen väterhches und mütterhches Chromatin, das heißt Chromatin, welches in letzter Instanz infolge des Befruchtungsprozesses teils vom Vater durch den Samenkern, teils von der Mutter durch den Eikern abstammt. Der Lehr- satz: omnis cellula e cellula findet so seine notwendige Ergänzung in dem gleich- wichtigen Zusatz: omnis nucleus e nucleo. Von dieser allgemeinen Gesetzmäßigkeit abgesehen bietet der Furchungs- prozeß der Eier in den einzelnen Stämmen, Klassen und Abteilungen des Tier- reiches erhebliche Verschiedenheiten dar. Von den wichtigsten derselben einen systematischen Überblick zu gewinnen, wird unsere nächste Aufgabe sein. Verschiedener Für dcu Verschiedenen Verlauf des Furchungsprozesses ist fast aus- schheßlich maßgebend der gröbere Aufbau der unbefruchteten und der be- fruchteten Eizelle aus Protoplasma und Reservestoffen und die hiervon ab- hängige Lage des Eikerns. Je nachdem die Reservestoffe in geringerer oder größerer Menge vorhanden und in dieser oder jener Weise angeordnet sind, kann man verschiedene Typen von Eiern aufstellen, von denen drei am weite- sten verbreitet und für uns am wichtigsten sind, nämlich der isolecithale, der telolecithale und der centrolecithale Typus. Isolecithale Eier. Im isolccithalen Typus sind die Eier verhältnismäßig klein und nur wenig mit Reservestoffen ausgerüstet, die im Protoplasma mehr gleichmäßig Furchungsprozeß 135 Eier. verteilt sind. Beispiele liefern uns hierfür die Eier der Seeigel (Fig. 4) unter den Wirbellosen, unter den Wirbeltieren die Eier des Amphioxus, der Säugetiere und des Menschen; nicht selten sind diese Eier so klein, daß sie eben noch mit unbewaffnetem Auge zu erkennen sind. Beim telolecithalen Typus sind die Eier in viel reicherem Maße mit Xeioiecithaie Reservestoffen ausgerüstet und dementsprechend größer geworden. Sie können bei manchen Tierarten ganz riesige Dimensionen erreichen, wie im Eigelb des Hühner- oder gar des Straußeneies. Trotzdem bewahren sie auch in diesen Fällen den Formwert einer einfachen Zelle. Indem Dotter- plättchen und Schollen, Dotterkugeln aus Fett oder Protein und Lecithin- stoffen dicht gedrängt nebeneinander liegen (Fig. 13 u. 14), wird das eigent- liche Proto- plasma zu ei- nem feinen Ge- rüstwerk um- gewandelt, welches die Lücken wie ein Mörtel aus- füllt. Mit der Scarxeren /\n- pig. i^. Schema eines Eies mit polständigem Flg. 14. Scliema eines Eies mit mittelständigem Sammlung' von Nahrungsdotter. Der BUdungsdotter bildet am Nahrungsdotter. Das Keimbläschen (/^i5) nimmt ö ^ aulmalen Pol AP eine Keimscheibe (ksc/t), die Mitte des Nahrungsdotters {nd) ein, welcher Nährmaterial in weicher das Keimbläschen (/^^) eingeschlossen von einem Mantel von Bildungsdotter (/5(/) ein- . ist. Der Nahrungsdotter (nd) füllt den übrigen gehüllt wird. gent regel- Elraum nach dem vegetativen Pol ( VP) zu aus. ^^■Aa:„ „, „U Nach Hert\vig. mäßig auch eine polare Differenzierung des Dotters Hand in Hand (Fig. 13). Sie wird da- durch hervorgerufen, daß die Ablagerung des Deutoplasma [nd) in einer Hälfte der Eikugel reichlicher als in der anderen erfolgt. Hierdurch bildet sich zwi- schen beiden ein wichtiger Gegensatz aus, der sich an verschiedenen Merk- malen erkennen läßt und während längerer Zeit den ersten Entwicklungs- stadien ein charakteristisches Gepräge verleiht. In der Regel ist das Deuto- plasma viel schwerer als das Protoplasma. Dadurch erhält die Eikugel, wenn sie sich frei bewegen kann, eine feste Ruhelage im Raum, indem die dotter- reichere Hälfte sich nach abwärts [V P), die protoplasmatische nach aufwärts richtet [AP). Eine Linie, welche die Mittelpunkte der beiden verbindet, hat daher das Bestreben, sich lotrecht einzustellen, und wird als Eiachse (Fig. 13) bezeichnet. Ihre beiden Endpunkte bilden den oberen oder animalen {AP) und den unteren oder vegetativen Pol der Eikugel {VP). Ebenso kann man auch ihre protoplasma- und ihre deutoplasmareichere Hälfte als die animale und als die vegetative unterscheiden. Die polar-diiferenzierten Eier zerfallen wieder in zwei wichtige Unter- gruppen. In der einen geht die vegetative Hälfte mehr allmähhch in die animale über. Das Ei erreicht den Umfang eines Hirsekorns oder einer Erbse. I :!5 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Bei der Furchung wird sein ganzer Inhalt in 2, 4, 8 Stücke und so weiter zer- legt; ein bekanntes Beispiel dieser Art ist das Froschei. Bei ihm ist die po- lare Differenzierung auch leicht an der verschiedenen Färbung der beiden Hälften zu erkennen; bei Rana fusca z. B. ist die animale Hälfte durch braune Pigmentkörnchen, die in der Rindenschicht abgelagert sind, braunschwarz gefärbt, während die vegetative wegen der fehlenden Pigmentierung hellgelb aussieht. Bei der zweiten Untergruppe ist es zu einer noch schärferen Sonderung zwischen einem vegetativen und einem animalen Abschnitt des Inhalts da- durch gekommen, daß sich vom ersteren eine meist kleine Menge von Proto- plasma schärfer abgesondert und die Form einer Scheibe (Discus proligerus) angenommen hat, welche die Umgebung des animalen Poles einnimmt (Fig. 13, Ksch). Hiermit hängt in der Folge eine sehr tiefgreifende Abänderung des ganzen Furchungsprozesses zusammen. Derselbe bleibt nämlich nur auf die Keimscheibe beschränkt, während der größere vegetative Abschnitt über- haupt nicht in Zellen zerlegt wird und an der Entwicklung keinen direkten Anteil nimmt. So bildet sich der schon im unbefruchteten Ei vorhandene Gegensatz mit der fortschreitenden Entwicklung von Tag zu Tag schärfer aus. Denn nur die in Zellen zerlegte Keimscheibe wird zur Ausbildung der ein- zelnen Organe des Embryos verwandt, die vegetative Hauptmasse des Eies bleibt dagegen mehr oder minder unverändert und wird allmählich als Nah- rungsmaterial aufgebraucht; sie wird daher häufig auch als Nahrungsdotter (vitellus nutritivus), die Keimscheibe aber als Bildungsdotter (vitellus for- mativus) bezeichnet. Eine so weit getriebene Sonderung findet sich unter den Wirbeltieren in der Klasse der Fische, Reptihen und Vögel, unter den Wirbellosen bei den Cephalopoden. In der Klasse der Vögel erreichen auch die Eizellen die größten Dimensionen, wie im Eigelb vom Huhn und vom Strauß. Hühnerei. Da vou altcu Zcitcu her das Hühnerei am häufigsten für embryologische Untersuchungen gedient hat, ist es wohl am Platz, mit ein paar Sätzen auf seine Zusammensetzung noch etwas näher einzugehen und es als Beispiel für die zweite Untergruppe zu benutzen (Fig. 15). Im abgelegten Hühnerei ist nur das sogenannte Gelbei die zu außerordentlicher Größe herangewachsene weib- liche Keimzelle, wie es denn auch allein im traubenförmigen Eierstock aus- gebildet worden ist. Alles übrige sind verschiedenartige Hüllen, welche erst im Eileiter als Zutaten hinzugesellt worden sind: das Eiweiß, die Schalenhaut und die Kalkschale. Das Gelbei wird von einem dünnen und festen Häutchen, der Dottermembran [vi], eingeschlossen. In seinem Inhalt findet sich die sehr kleine Keimscheibe [bl), in welcher während der Ausbildung im Eierstock das Keimbläschen eingeschlossen ist; sie wird im Volksmund auch Hahnentritt genannt; sie schwimmt im Eigelb immer oben auf und zeigt uns den animalen Pol an, da sie aus dem leichtern Bildungsdotter, aus feinkörnigem Proto- plasma, besteht. Alles übrige ist Nahrungsdotter, der am Furchungsprozeß unbeteiligt bleibt und aus zahllosen Dotterkügelchen zusammengesetzt ist. Furchungsprozeß 137 a. c. h. sm. Nach der verschiedenen Beschaffenheit und Färbung der letzteren zerfällt er in den weißen [wy] und den gelben Nahrungsdotter {yy), die in dünneren und dickeren Kugelschalen miteinander abwechselnd um einen zentralen Kern von weißem Dotter [wy] (derLatebra) angeordnet sind. Wenn die reife Eizelle aus dem Eierstock ausgetreten und in den Eileiter gelangt ist, wird sie gleich am Anfang desselben befruchtet und zuerst mit einer dicken Eiweißhülle, dann mit einer Faserhaut und zum Schluß mit einer Kalkschale umgeben. Diese Umhüllungen bilden sich um das Gelbei, während es sich langsam von der inneren zur äußeren Öffnung des Eileiters fortbewegt, in zwei verschie- denen Abschnitten desselben als Absonderungen von zwei verschiedenen, in seiner Wand gelegenen Drüsen. Während der Absonderung des Eiweißes [w] (Albumen) im ersten Ab- schnitt entstehen noch zwei eigentümliche, spiralig aufge- wundene Stränge von dichte- remEiweiß, dieHagelschnüre oder Chalazen [cht], welche sich von zwei entgegengesetzten Stellen der Eikugel durch das flüssige Albumen hindurch zu dem stumpfen und dem spitzen Pole des Eies begeben. Die das Eiweiß nach außen ab- schließende Schalenhaut ist aus festen, verfilzten Fasern zu- sammengesetzt und in zwei Lamellen zerlegbar. Diese wei- chen, wenn das Ei nach außen abgelegt worden ist, an seinem stumpfen Pol auseinander {sm u. ism) und lassen dadurch einen Hohlraum entstehen, der sich mit Luft füllt und daher Luftkammer [ach) genannt wird. Die Luftkammer dehnt sich während der Bebrütung von Tag zu Tag mehr aus; sie dient dem sich entwickelnden Hühn- chen zur Atmung. Die Kalkschale (Testa) [s] bildet sich zuletzt, indem Kalkkristalle, die von kalksezernierenden Drüsen abgeschieden w^erden, auf die Faserhaut abgelagert und aus einer anfangs weichen in eine allmähhch er- härtende Schicht umgewandelt werden. Sie ist von zahlreichen Porenkanäl- chen durchsetzt, so daß atmosphärische Luft durch sie zum Eidotter hindurch- treten kann. Für die Entwicklung des Hühnchens während der Bebrütung ist dies unbedingt nötig, da bei der Bildung der embryonalen Zellen ein starker Sauerstoffverbrauch stattfindet. Werden daher die Poren der Kalkschale durch einen Anstrich mit Öl oder Firnis verschlossen, so hört die Entwicklung des be- Fig. 15. Scliematisclier Längsschnitt eines unbebrüteten Hühnereies. (Nach Allen Thomson, etwas verändert.) b.i. Keimscheibe; w.}. weißer Dotter, derselbe besteht aus einer zentralen, flaschenförmigen Masse und einer Anzahl konzentrisch den gelben Dotter y.y. um- gebender Schichten ; z/./'. Dotterhaut; .r. etwas flüssige Eiweißschicht, welche den Dotter unmittelbar umgibt; iv. Eiweiß, aus abwechselnd dichteren und flüssigen Lagen zusammengesetzt; c/tJ. Chalazen iHagelschnüre) ; a.ch. Luftkammer am stumpfen Ende des Eies; sie ist einfach ein Zwischenraum zwischen den beiden Schichten der Schalenhaut; z'.s.m. innere, s.m. äußere Schicht der Schalenhaut; ji\ Schale. 128 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere brüteten Eies nicht nur in wenigen Stunden auf, sondern es schließt sich an den Stillstand bald auch der Tod und Zerfall des Keimes an. centroiecithaie Der dritte Typus der Eier endlich, der centrolecithale oder der polar ^'®''' differenzierte, soll uns nur kurz beschäftigen (Fig. 14). Im Stamm der Wirbel- tiere wird er gar nicht vorgefunden, häufiger dagegen im Stamm der Arthro- poden und besonders der Insekten. Wie schon im Namen ausgedrückt ist, hat hier auch eine Sonderung des mit Deutoplasma reich versorgten Eiinhalts in einen Bildungsdotter und einen Nahrungsdotter, wie bei Fischen, Rep- tihen und Vögeln, stattgefunden; während bei diesen aber der Bildungsdotter sich am animalen Pol als Keimscheibe abgesondert hat (Fig. 13, ksch), stellt er hier an der ganzen Oberfläche des Eies eine dickere, feinkörnige Rinden- schicht dar (Fig. 14, bd) und schließt den zentral gelegenen Nahrungsdotter ein {nd), der gewöhnlich viele kughge Fettropfen und andere stark licht- brechende Dotterkonkremente enthält. Auch bei den centrolecithalen Eiern wird der Nahrungsdotter während des Furchungsprozesses gewöhnlich nicht in Zellen zerlegt; solche bilden sich bloß aus der Rindenschicht und liefern eine dünne Lage von Zellen, die Keimhaut, welche wie eine Blase den zentral gelegenen oder mittelständigen, nicht in Zellen abgeteilten Nahrungsdotter einschließt. TeUungsregein. Die schou kurz bcsprochenc Organisation des Eiinhalts, welche uns drei Typen mit mehreren Unterarten zu unterscheiden veranlaßt hat, übt einen wichtigen und tiefgreifenden Einfluß auf die Anfangsstadien des Entwick- lungsprozesses in vielen Richtungen aus, auf die Lage des Keimkerns nach der Befruchtung, auf die Richtung und Aufeinanderfolge der Teilebenen, auf die Größe und Form der Teilstücke. Über diese Verhältnisse lassen sich vier Regeln aufstellen. Erste Regel: Vom Kern wurde schon früher einmal hervorgehoben, daß, wenn er in Aktivität tritt, wie bei der Karyokinese, sich zwischen ihm und dem umgebenden Protoplasma innige Wechselwirkungen ausbilden. Ihren sinnfälligen Ausdruck finden dieselben in den Strahlenfiguren, zu denen sich die Protoplasmateilchen um den Kern und seine Centrosomen, wie Eisenfeil- späne um die Pole eines Magneten, anordnen (Fig. 16). Als Folge derartiger Wechselwirkungen läßt sich die allgemeine Regel aufstellen, daß der Kern stets in der Mitte seiner Wirkungssphäre gefunden wird. Daher sehen wir in kleinen, isolecithalen Eiern (Fig. 16) nach der Befruchtung den von einer Strahlensphäre umgebenen Keimkern sich nach dem geome- trischen Mittelpunkt bewegen und sich, wenn das Ei eine Kugel ist, in ihrem Zentrum, dagegen wenn es eine ovale Form hat, in der Mitte der die beiden Pole verbindenden Längsachse einstellen. Von dieser Normalstellung treten indessen Abweichungen ein, wenn in das Protoplasma Reservestoffe in größerer Masse abgelagert und in ungleichmäßiger Weise verteilt sind. Denn diese sind ja eine rein passive Masse, welche an den Bewegungsvorgängen von Kern und Protoplasma und an den zwischen ihnen stattfindenden Wechselwirkungen direkt nicht teilnimmt. Furchungsprozeß l^g Daher kann der Keimkern an einem polar differenzierten Ei, wenn es Kugelform hat, nicht mehr im Zentrum gesucht werden, sondern er muß, um die Mitte seiner Wirkungssphäre einzunehmen, sich um so mehr in die Nähe des animalen Poles begeben, je mehr an ihm das Protoplasma angesammelt ist. Beim Froschei findet er sich daher oberhalb des Zentrums in der animalen Hälfte und bei den meroblastischen Eiern (Fig. 13, kh) der Fische, Reptilien und Vögel ist er noch weiter nach oben gerückt und ganz in die Keimscheibe [ksch) aufgenommen. Zweite Regel: Als eine notwendige Ergänzung zu dieser Regel ergibt sich der weitere zweite Satz, daß durch die Verteilung und Konzentration des Protoplasma auch die Lage der Spindel, wenn sich der Kern zur Teilung anschickt, bestimmt werden muß. Die beiden Pole der Teilungsfigur müssen in der Richtung der größten Protoplasmamassen zu liegen kommen, etwa in derselben Weise, wie die Lage der Pole eines Magneten durch Eisenteile in seiner Umgebung beeinflußt wird. Demnach kann in einem isolecithalen, kugeligen Ei mit gleichmäßiger Vertei- lung des Protoplasma die Achse der zentral gelegenen Kernspindel mit der Richtungeines beliebigen Radius, dagegen in einem entsprechenden, aber oval geform- ten Ei nur mit seinem längsten Durchmesser zu- r 11 T • 1 • 1 T-i ±, 1 Eier. 16. Befruchtetes Seeigelei sammenfallen. In emer kreisrunden Protoplasma- ,,^^"1^ ^^^ Verschmelzung von el- scheibe, wie der Keimscheibe der meroblastischen Eier und Samenkem. Der Eimhait ist um den zentral gelegenen Keim- stellt sich die Spindelachse parallel zur Oberfläche in kern zu einer straUenfigur an- , ,. , . T-^ 1 . . , o 1 -1 geordnet. Nach Hertwig. einem beliebigen Durchmesser, m emer ovalen Scheibe dagegen wieder nur in dem längsten Durchmesser ein. Ferner muß bei un- gleichmäßig erfolgter, massenhafter Ablagerung von Deutoplasma auch die Spindel in den protoplasmareicheren Abschnitt der Zelle, also nach dem ani- malen Pol des Eies zu, verschoben werden. Dritte Regel: Von der Lage und Stellung der Kernspindel in der Zelle wird aber wieder die Ausbildung der Teilebene vollständig bestimmt. Denn sie erfolgt immer in der Weise, daß sie die Achse der Kernspindel in ihrer Mitte und unter rechtem Winkel schneidet (Fig. 10, E u. F). Eine Zelle muß daher, wie die Physiker sagen, in einer Fläche minimae areae geteilt werden. Indem wir in der angegebenen Weise aus den Wechselbeziehungen von Protoplasma und Kern die Gesetzmäßigkeiten des Teilungsprozesses des Eies und seine zahlreichen, verschiedenen Modifikationen herleiten, wird uns jetzt auch noch eine vierte Regel verständlich werden, welche lautet: Die Schnel- ligkeit, mit welcher sich eine Zelle teilt, ist proportional der Konzentration des in ihr befindlichen Protoplasma. Protoplasmareiche Zellen teilen sich rascher als protoplasmaärmere, aber dotterreichere. Um dies zu verstehen, hat man sich daran zu erinnern, daß die Reservestoffe nur ein passives, in das Protoplasma eingelagertes Material darstellen, während die Arbeit der Teilung allein von den aktiven Substanzen der Zelle, von Kern und Protoplasma, ver- I40 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d, Tiere Die totale, äquale Teilung. richtet wird. Die Teilung muß daher um so mehr erschwert werden, je mehr passive Substanz von der Zelle mit bewältigt werden muß. In Überein- stimmung hiermit werden wir denn auch später sehen, daß bei den polar differenzierten Eiern alle Teilungsprozesse vom animalen Pole ihren Ausgang nehmen und langsam nach dem vegetativen Pol fortschreiten, um dort ihren Abschluß zu finden. Auch wird es uns verständlich werden, daß wenn die Ansammlung von Deutoplasma ein gewisses Maß überschreitet, das Proto- plasma es überhaupt nicht mehr zu bewältigen fähig ist und daß die Teilung dann nur auf den protoplasmatischen Abschnitt der polar differenzierten Eier der Fische, Reptilien und Vögel, d. h. auf die Keimscheibe beschränkt bleibt. Nachdem diese allgemeinen Gesichts- punkte zum besseren Verständnis vor- ausgeschickt worden sind, wollen wir nun einige wichtigere Verschiedenheiten, die der Furchungsprozeß in der Tierreihe darbietet, in das Auge fassen, und an einigen Beispielen erläutern. Gewöhn- lich unterscheidet man drei Haupttypen, innerhalb deren dann weitere Unterarten auseinandergehalten werden können : I. die totale Teilung, die dann weiter in äquale, inäquale, und spiralische zer- fällt, II. die partielle Teilung, III. die Vielzellbildung. Bei der totalen Teilung wird das ganze Ei in zwei entweder gleich oder ungleich große Stücke vollständig zerlegt. Sie kommt bei Eiern vor, in denen die Ansammlung des Deutoplasma die Grenze, innerhalb deren eine Bewäl- tigung und Zerlegung noch möglich ist, nicht überschritten hat. Sie findet sich also bei allen isolecithalen, aber auch bei einem großen Teil der telo- lecithalen Eier. Bei ersteren gestaltet sich die totale Teilung zu einer äqualen, bei letzteren zu einer inäqualen, doch so, daß Übergänge von einer zur anderen Gruppe herüberführen. Als Beispiele für die äquale Teilung können die Eier der Seeigel oder des Amphioxus (Fig. 17) oder der Säugetiere dienen. Das kleine kugelige Ei wird bald nach der Befruchtung durch die erste Teilung in zwei Halbkugeln, diese werden durch eine zweite in vier Quadranten, durch eine dritte in acht Oktan- ten und so fort in geometrischer Progression in 16, 32, 64 und mehr Stücke zerlegt. Während des zweiten und dritten Stadiums läßt sich ein streng ge- setzmäßiges Verhalten in der Richtung, welche die sich bildenden Furchungs- ebenen zueinander einhalten, erkennen. Die erste Ebene wird nämlich von der zweiten unter rechtem Winkel geschnitten; durch die Achse, in welcher sich die beiden ersten Ebenen schneiden, geht wieder die dritte unter einem rechten Winkel hindurch. Auch im weiteren Verlauf läßt sich im allgemeinen Fig. 17. Erste Teilungsstadien von Amphioxus lanceol. Nach Hatschek. A Ungeteiltes Ei mit Polzelle. B In zwei Tochterzellen geteiltes Ei. C In vier EmbryonalzeUen geteiltes Ei, von oben gesehen. D Achtzelliges Stadium in seitlicher Ansicht. Furchungsprozeß 141 m ÖO' p Q o -^ ■ ,0O o c Fig. 18. Viergeteiltes Ei voti Sagitta, vom animalen Pol aus gesehen. Nach O. Hertwig. J^ Furchungshöhle. ß Brechungslinie. feststellen, daß die nächstfolgende Teilebene die vorausgehende immer unter rechtem Winkel, und zwar in einer ,, Fläche minimae areae" durchtrennt. Die Zerlegung der Eier in Zellen erfolgt daher im großen und ganzen durch Teilebenen, die alternierend in den drei Richtungen des Raumes entstehen. Wenn wir uns der Benennungen auf der Erdkugel bedienen, so können wir die Enden der Eiachse als ihre Pole (animalen, bzw. vegetativen Pol), die beiden ersten Teilungsebenen als meridionale, die dritte als eine äquatoriale, ferner Ebenen, welche dem Äquator parallel verlaufen und in ihrer Richtung den Breitengraden der Erdkugel entsprechen, als latitudinale be- zeichnen. Tangential endlich können solche Ebe- nen heißen, welche ein oberflächlich gelegenes Stück von einem zentralen trennen und mehr oder minder der Kugeloberfläche parallel gerichtet sind. Im weiteren Verlauf behalten übrigens die Teil- ebenen ihre ursprüngliche Lage zueinander ge- wöhnlich nicht bei. Da die Zellen infolge ihres Wasserreichtums weich sind, erleiden sie durch Gleitbewegungen Verschiebungen gegeneinander, die auf dem Stadium der Vierteilung am leich- testen zu erkennen und in manchen Fällen sehr erheblich sind. Während alle vier Zellen sich mit ihren oberen und unteren Enden am animalen und am vegetativen Pol treffen sollten, werden zwei von ihnen oben, die beiden anderen unten etwas zur Seite gedrängt. Infolgedessen stößt jetzt nur ein Zellenpaar am oberen Pol, das andere am unteren Pol mit einer queren Furche zusammen, die gewöhnlich als Brechungslinie beschrieben wird. In besonders prägnanter Weise ist eine derartige, durch Gleitbewegung herbei- geführte Veränderung in der ursprünghchen Lage der ersten vier Embryonal- zellen in der Figur 18, dem Ei einer Sagitta, und in Figur 19, dem oval geform- ten Ei von Ascaris nigrovenosa, zu sehen. Wenn die Brechungslinie auch nicht immer so lang und deutlich wie in diesen zwei Beispielen ausfällt, so wird sie doch niemals ganz vermißt werden. Alle diese Erscheinungen der Zellen- verschiebungen im Laufe des Furchungsprozesses lassen sich in physikalischer Beziehung nach dem von Plateau ermittelten Gesetz über die Anordnung von Blasen in schaumigen Gemischen erklären. Nach dem Plateauschen Gesetz nämlich ordnen sich die Scheidewände, welche in einem Schaum zur Abgrenzung der einzelnen Blasen oder ,, Zellen" dienen, nach dem Prinzip der kleinsten Flächen oder so an, daß bei dem gegebenen Volumen der einzelnen Blasen die Summe aller Oberflächen ein Minimum wird. ,, Hier- bei treffen längs einer gemeinsamen Kante nie mehr als drei Lamellen zu- sammen unter gleichen Winkeln von 170° und in einem Punkt nur vier Lamellen." Fig. 19. Viergeteiltes Ei von Ascaris nigrovenosa. Nach Auerbach. 14.2 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Wenn durch fortgesetzte Teilungen, die sich in kurzen Intervallen und nach einem gewissen Rhythmus aufeinanderfolgen, lOO und mehr Embryonal- zellen entstanden sind, so bilden sie einen kugligen Haufen, die Morula oder Maulbeerkugel (Fig. 33 A). Zu dem Vergleich mit der Frucht einer Maulbeere ist man geführt worden, weil auf diesem Stadium die noch relativ großen Embryonalzellen mit gewölbten Flächen nach außen hervorstehen und durch tiefe Furchen deutlich voneinander abgegrenzt sind. Während der Furchung tritt auch noch eine Veränderung im Innern des Zellenhaufens ein; es bildet sich durch Auseinanderweichen der Zellen ein mit Flüssigkeit erfüllter Hohl- räum, der anfangs klein, allmählich an Ausdehnung gewinnt. Er heißt die Furchungshöhle. Die totale, in- Als Bcispicl für die inäquale Furchung soll uns das schon früher beschrie- aqua e urc ung. ^^^^ Froschci dicncn. Eine Stunde nach der Befruchtung hat sich dasselbe 124 8 durch Ausstoßung von Flüssigkeit von der dicken Dotterhaut, welche nach außen noch von einer mäch- tigen, im Wasser auf- quellenden Gallerte umschlossen ist, zu- rückgezogen, ist da- durch beweglich ge- worden und kann sich jetzt nach der Schwere seiner Substanzen im Raum orientieren; es kehrt also den schwarz pigmentierten animalen, leichteren Teil der Kugeloberfiäche nach oben, was als ein sicheres Zeichen der eingetretenen Befruchtung angesehen werden kann. Denn das Froschei wird nicht sofort, wie das Seeigelei, beim Zu- satz des Samens befruchtet, da die Samenfäden sich erst durch die dicke, quellende Gallerte hindurcharbeiten müssen, ehe einer von ihnen zur Eizelle selbst gelangt und in sie eindringt. Das Zurückziehen des Dotters von der Dotterhaut zeigt uns diesen Moment der eingetretenen Befruchtung an. Die alsdann erfolgenden beiden ersten Teilungen liefern zunächst wie bei dem äqualen Typus vier gleich große Teilstücke (Fig. 20, i. 2. 4). Der inäquale Charakter der Furchung macht sich erst vom dritten Teilungsstadium an bemerkbar (Fig. 20, 8) und ist leicht aus folgenden Verhältnissen des Eibaues zu erklären. In jeder der vier Quadranten besitzt der obere Abschnitt infolge der früher besprochenen polaren Differenzierung des Eies mehr Protoplasma, der untere mehr Deutoplasma. Dementsprechend liegt der Kern in jedem Teilstück (Fig. 21) näher dem animalen Pol oberhalb des Äquators. Wenn sich derselbe zur nächsten Teilungsfigur umwandelt, muß sich die Achse der Spindel [sp] nach der früher besprochenen zweiten Teilungsregel in die längste Achse des Quadranten einstellen und in seinem oberen, animalen Abschnitt eingeschlossen sein. Ferner muß nach unserer dritten Regel die Tei- Fig. 20. Furcliung des Eies von Rana temporaria. Nach Ecker. Die über den Figuren stehenden Zahlen geben die Anzahl der in dem betreffenden Stadium vorhandenen Segmente an. Furchungsprozeß 14^ lungsebene eine horizontale werden und da sie mehr oder minder weit oberhalb des Äquators entstehen muß, den Quadranten in ein oberes, schwarz pigmen- tiertes, protoplasmareicheres Stück und in einen erheblich größeren, unteren, dotterreicheren Abschnitt zerlegen (Fig. 21). Mit dem dritten Stadium ist mithin jetzt die Furchung eine inäquale geworden (Fig. 20, 8). Von den acht Zellen sind vier kleiner, vier erheblich größer; jene sind um den animalen, diese um den vegetativen Pol herumgruppiert und werden daher auch ebenso wie ihre Deszendenten als animale und als vegetative Zellen unterschieden. Im weiteren Verlauf der Furchung wird der Unterschied zwischen ihnen noch größer (Fig. 20, 16.32.64). Denn die animalen Zellen teilen sich nach kür- zeren Intervallen, also häufiger als die vegetativen, da sie protoplasmareicher sind, was ja für die Schnelligkeit der Teilung nach ^,^^7»^ >-^?^->^ p unserer vierten Regel von großem Einfluß ist. So ist /v ; ""^^ — 'P^' denn das Endergebnis der inäqualen Furchung eine f;;;M\: l/, ijpäf>^^^ — sp Maulbeerkugel mit zwei ganz ungleichwertigen Half- [ ■] ten, nämlich mit einer nach oben gelegenen, animalen \ '""i^^ Hälfte kleiner, pigmentierter Zellen und mit einer V '/ nach abwärts gekehrten, vegetativen Hälfte mit viel ^, 0 größeren, dotterreichen, hellen Zellen. Der am Äqua- . . . . t'ig- 21- Scliema der Teilung des tor gelegene rmgförmige Substanzstreifen, der zwi- Froscheies auf dem dritten sta- schen beiden Hälften einen Übergang vermittelt, heißt wre^r'ln'^lArJutl'Ine^hori'^ die Randzone. Der inäquale Charakter der Morula ^°."'^'« "^.-^^ Latitudinaifurche zu teilen beginnen. P pigmentierte gibt sich außer in der Größe der Zellen an den beiden Oberfläche des Eies am am- ■n 1 1 1 • 1 T 1 T^ 1 1 ..1 1 malen Pol; /r protoplasmatischer, Polen auch noch m der Lage der Furchungshohle ^ dotterreicher Teil des Eies; zu erkennen. Diese ist weiter in die animale Hälfte '^ Kemspmdei. hineingedrängt und da diese hierdurch noch leichter als die vegetative wird, so stellt sich auf diesem Stadium der animale Pol, wenn man die Eier zu drehen versucht, noch energischer und rascher als auf den Anfangstadien der Entwicklung nach oben ein. Wenn man den Furchungsprozeß bei sehr zahlreichen Vertretern aus allen Klassen des Tierreichs studiert, so kann man alle möglichen Übergänge in der Größe der Teilstücke zwischen äqualer und inäqualer Furchung be- obachten. Von manchen Forschern wird sogar geltend gemacht, daß es eine absolut äquale Furchung vielleicht überhaupt nicht gibt, da bei genauer Mes- sung sich geringe Differenzen wohl überall würden feststellen lassen. Wenn dies auch richtig sein mag, so wird dadurch die Zweckmäßigkeit, die beiden Fur- chungstypen zu unterscheiden, nicht getroffen. Denn Übergänge finden sich schheßlich zwischen allen Formen des Furchungsprozesses vor, welche man überhaupt aufstellen kann. Welche überaus erhebhchen Unterschiede in der Größe zwischen den am animalen und den am vegetativen Pol gelegenen Ele- menten auf dem Achtzellenstadium bestehen können, zeigt uns in lehrreicher Weise eine Zusammenstellung von vier verschiedenen Tieren. Bei Clepsine, einer Blutegelart, sind die vier animalen Zellen im Vergleich zu den vegeta- tiven am kleinsten (Fig. 22, Ä), bei Rhynchelmis, einem Ringelwurm, haben 144 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere sie schon ein wenig an Größe gewonnen (Fig. 22, B), bei der Malermuschel (Unio) ist der Unterschied zwischen animalen und vegetativen Zellen (Fig. 22, C) etwa so groß wie beim Froschei (Fig. 20, 8), beim Amphioxus (Fig. 22, D u. 17, D) dagegen so gering, daß man das Beispiel auch zur äqualen Furchung hinzurechnen kann oder wie es ebenfalls geschehen ist, zur Aufstellung einer besonderen Unterart, der adäqualen Furchung, benutzt hat. Promorphologie Außcr der bishcr erörterten polaren Differenzierung, welche den Verlauf des Eies. ^^^ ersten Entwicklungsprozesse in so eingreifender und auffälliger Weise beeinflußt, gibt e§ noch eine feinere Organisation des un- befruchteten und befruchte- ten Eies, in welcher schon früh die spätere Grundform oder Promorphologie des fer- tig entwickelten Tieres ge- wissermaßen angedeutet ist. Deutlich erkennbar ist die- selbe allerdings nur in einer geringen Anzahl auserlesener Fälle, bei denen wir noch ihres weitreichenden Inter- esses wegen einen Augenblick verweilen wollen. Wie es eine Promorphologie des ausgebil- deten Tieres gibt, so könnte man gleichsam auch von einer Promorphologie des ^ -^ Eies reden. Dieselbe wird Fig. 22^ — D. Das Achtzellenstadium von den Eiern vier verschiedener J J u U -f A fi. Tiere, welche Abstufungen in der Größe der durch inaequale Teilung daClUrCn lierVOrgerUlen, Clalo entstandenen Tochterzellen zeigen. Nach Wilson. A Ei von Clep- T Tntpr^phipHp in HpT AflOrd- sine. Nach Whitman. B Ei des Chaetopoden Rhynchelmis. Nach Vejdovsky. C Ei des LamelHbranchiers Unio. Nach Lillie. D Ei nUUg dcr EisubstanZCU nicht von Amphioxus. Alle vier Objekte vom animalen Pol aus gesehen. . . -r-. • i nur m einer Richtung wie bei der besprochenen polaren Differenzierung, sondern nach allen drei Dimen- sionen des Raumes bestehen. Infolgedessen lassen sich drei Richtungslinien oder Achsen nach den drei Dimensionen des Raumes durch die Eikugel hin- durchlegen und spezieller charakterisieren; desgleichen können bestimmte Symmetrieebenen ermittelt werden, in denen es allein möghch ist, den kug- ligen Körper symmetrisch zu halbieren. Drei Anordnungsweisen sind bisher bekannt geworden, die man als bilateral -symmetrischen, als radiären und als Spiralen Organisationstypus bezeichnen kann. Biiaterai-sym- Eiuc bilateral symmetrische Organisation ist bisher an den Eiern Ttruktur! ^on einzelnen Tieren aufgefunden worden, deren Körper wie bei den Verte- braten eine bilaterale Symmetrie aufweist. Die am meisten studierten Objekte sind die Eier von Rana fusca und viridis, sowie von Clavellina. Bei Rana Promorphologie des Eies 145 viridis stellt sich das im Wasser schwebende Ei so ein, daß der pigmentfreie gelbe Dotter bei Betrachtung von oben an einer Stelle des Randes als Halb- mond zu sehen ist. Nur eine diesen Halbmond unter rechtem Winkel und lotrecht schneidende Ebene zerlegt das Ei in zwei symmetrische Hälften und kann daher als die Median- oder Symmetrieebene der Eikugel bezeichnet werden. Da zu ihren beiden Seiten die Substanzen von ungleicher Schwere und von verschiedenem physiologischem Wert, Deutoplasma und Protoplasma, symmetrisch verteilt sind, muß sie sich stets der Schwere nach senkrecht ein- stellen, so daß ihr auch die Bedeutung einer Gleichgewichtsebene zukommt. Weniger deutlich tritt bei dem stärker pigmentierten Ei von Rana fusca die bilateral-symmetrische Organisation nach der Befruchtung hervor; doch läßt sie sich auch hier daran erkennen (Fig. 23), daß sich die pigmentierte obere und die pigmentfreie, etwas gelblich oder grau aussehende untere Hälfte der Kugel so gegeneinander abgrenzen, daß an der spä- teren, hinteren Seite das helle Dotterfeld bis über den Äquator höher hinaufreicht, während vorn umgekehrt die Oberfläche noch eine Strecke unter dem Äquator schwarz pigmentiert ist. Von vorn gesehen zeigt daher das Ei ein viel kleineres Dot- terfeld (Fig. 23 A) als bei Betrachtung von hinten (Fig. 23 B). In der Mehrzahl der Eier stellt sich die erste Spindel mit ihrer Längsachse in horizontaler Rich- tung und rechtwinklig zur Symmetrieebene ein, so daß die Teilebene mit der Symmetrieebene zusammenfällt und das Ei in eine linke und rechte sym- metrische Hälfte zerlegt, die den späteren Körperhälften entsprechen. Ebenso fällt beim Ei von Clavellina, einer Ascidie, die erste Teilebene mit der Median- ebene zusammen und es bildet sich hier im Verlauf der ersten Teilstadien ein besonders schönes, bilateral-symmetrisches Zellenmosaik aus, von welchem uns Figur 24 eine Anschauung gibt. Auf dem Stadium von 16 Zellen stellt die Linie ap die Symmetrieebene der Eier dar, mit welcher sowohl die erste Teil- ebene als auch die spätere Medianebene des Embryos zusammenfällt. Gleich- zeitig läßt sich schon nach der verschiedenen Größe der Zellen das spätere Kopfende [a] und das Schwanzende {p) deutlich erkennen. Der Radiärtypus ist weniger deutlich ausgeprägt und bis jetzt auch Radiäre weniger genau untersucht. Er findet sich häufig bei Eiern, die Vertretern des ^"■"''''"'• Coelenteratenstammes angehören. Da seine Beschreibung uns auf zu viele Einzelheiten führen würde, unterlassen wir es, näher auf ihn einzugehen. Dagegen verlangen die eigentümlichen Verhältnisse, die der spiralige Typus Spiraiige darbietet, noch eine kurze Besprechung. Der spirahge Typus ist bei den Eiern mancher Würmer und Mollusken beobachtet worden. Bei den Mollusken, deren Verhalten uns hier allein noch einen Augenbhck beschäftigen soll, sind die K.d.G.m.iv,Bd2 Zellenlehre etc. II Fig. 23 ^ und B. Ei von Rana fusca im Beginn der Zweiteilung, A von vorn, B von hinten gesehen, um zu zeigen, daß das lichtere Feld auf der hinteren Seite des Eies mehr Raum einnimmt als auf der vorderen und daß infolgedessen das befruchtete Ei eine Symmetrieebene besitzt, welche gewöhnlich mit der ersten Teilebene zusammenfallt. Nach O. ScHULTZE. Struktur. 10 146 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere verschiedenen Substanzen im Ei so angeordnet, daß zur Zeit, wo sich der Keim- kern in die Spindel umwandelt, diese eine schräge Stellung im Verhältnis zur Eiachse einnimmt (Fig. 25,^). Wenn es dann zur Teilung kommt, bildet sich die erste Ebene ebenfalls schräg zur Eiachse aus, da sie ja die Mitte der Spindel unter rechtem Winkel schneiden muß. Auch in der Folge wiederholt sich diese schräge Stelle der weiterhin entstehenden Teilebenen, doch so, daß sie dabei in ihrer Richtung alternieren. Dementsprechend nehmen auch die Spindeln in den Embryonalzellen eine schräge und zugleich in ihrer Aufeinanderfolge alternierende Richtung ein. Das Verhalten gewinnt an Interesse noch dadurch, daß bei verschiedenen Spezies die schräg gestellte Spindel in entgegengesetzter Richtung zur Eiachse orientiert ist, wie sich aus dem in Fig. 25, A u. B gegebenen Schema leicht ersehen läßt. Man unterscheidet daher bei den Molluskeneiern eine dexiotrope und eine läotrope, oder eine rechts- und links- wendige Stellung der Spindeln und ebenso der daraus hervorgehenden Teilebenen, so daß dann auch die ganze Anordnung der Embryo- nalzellen zueinander hier dexiotrop, dort läotrop ausfällt. — Wie bei den bilateral-sym- metrischen Tieren, so spiegelt sich gewisser- maßen auch bei den Mollusken die spätere Form des Körpers und die Anordnung ein- zelner Organe schon in der besonderen Plasma- struktur der Eier wieder, in der Spiralen Lage der Spindeln, der Teilungsebenen und Anordnung der Embryonalzellen. Während die meisten Schnecken rechtsgewundene Schalen besitzen, deren Höhle von dem gleichgewundenen Eingeweidesack ausgefüllt wird , sind bei einzelnen Arten der Gastropoden, bei Physa, Planorbis, Ancylus die Schalen mit ihrem Inhalt links- gewunden; im Vergleich zu jenen zeigen diese infolgedessen ,, einen vollstän- digen Situs inversus viscerum derart, daß z. B. die Mantelöffnung, der After und die Genitalöffnung links gelegen ist". Dementsprechend ist auch die Ei- struktur im ersten Fall schon dexiotrop, im zweiten Fall dagegen schon läotrop angelegt. Wie man von einem Situs inversus viscerum beim erwachsenen Tiere, so kann man in bezug auf die Anordnung der Embryonalzellen beim Vergleich der dexiotropen mit den läotropen Eiern von ,, einem vollständigen Situs inversus der Blastomeren" mit Korscheit und Heider reden. Es sind dies gewiß äußerst prägnante Beispiele für nähere Beziehungen, die schon zwischen der Organisation des Eies in seinen Anfangsstadien zu manchen Formverhält- nissen des fertigen Tieres, zur Verteilung und Anordnung seiner Substanz in den drei Richtungen des Raumes, unter Ausbildung besonderer Achsen und besonderer Symmetrieebenen bestehen. Den Grundformen der Tiere ent- sprechen in diesen Fällen bald mehr bald minder schon gewisse Grundformen ihrer Eier, so daß auch sie in eine allgemeine Promorphologie mit aufgenommen Fig. 24. Bilaterales Stadium von 16 Zellen ^■om Ei von Clavellina. Nach Van Beneden und JuLiN. a vorderes, / hinteres Ende. Promorphologie des Eies 147 veg an zu werden verdienen. Durch diese und ähnliche Beobachtungen sind einzelne Forscher veranlaßt worden, „das Prinzip der organbildenden Keimbezirke" aufzustellen und den Verlauf des Entwicklungsprozesses von ihm abhängig zu machen. Auch von einer Mosaiktheorie der Entwicklung hat man geredet, indem man frühe Furchungsstadien, in denen bei manchen Tierarten die Zellen sich durch verschiedene Größe unterscheiden und dabei in besonders regelmäßiger Weise symmetrisch angeordnet sind, als Zellenmosaik und als Mosaikfurchung bezeichnet hat. Wir erwähnen diese Theorien schon an dieser Stelle, obwohl wir uns erst später mit ihnen noch näher beschäftigen werden. Nach diesem Exkurs auf die feinere Ei- struktur wenden wir uns wieder der Darstel- lung des Furchungsprozesses zu, dessen zweiter Haupttypus, die partielle Teilung, jetzt noch zu untersuchen bleibt. Das Wesen derselben besteht, wie schon der Name sagt, darin, daß von den Eiern, die gewöhnlich infolge massen- hafter Aufspeicherung von Deutoplasma sehr große Dimensionen erreichen, nur ein kleinerer Abschnitt in Zellen zerlegt wird, während der größere Rest als Nahrungsdotter ungeteilt bleibt. Partielle Teilung findet sich sowohl bei Eiern des telolecithalen als auch des centroleci- thalen Typus und zerfällt daher, da sie inner- halb beider Typen in wesentlich verschiedener Weise abläuft, in die beiden Unterarten der partiell discoidalen und der partiell super- ficialen Furchung. Die discoidale Furchung tritt bei Eiern mit telolecithalem Bau des Dotters auf in allen Fällen, wo sich auf dieser Grundlage eine schärfere Sonderung in einen Nahrungsdotter und in einen Bildungsdotter oder eine Keimscheibe ausgebildet hat (Fig. 13). Das ist der Fall bei einigen Klassen der Wirbeltiere, bei den Fischen, Rep- tihen und Vögeln und bei einigen wenigen Abteilungen der Wirbellosen, wie bei den Cephalopoden, den Skorpionen und den Pyrosomen. Bei allen ist die Teilung nur auf den Bildungsdotter beschränkt, während der meist er- heblich größere Rest des Eies nicht in Zellen zerlegt wird, sondern als solcher bis in späte Stadien der Entwicklung bestehen bleibt, schließlich in den Darmkanal aufgenommen und allmählich zur Ernährung der embryonalen Zellen aufgebraucht wird. Als Beispiel, wie sich die Keimscheibe mit dem in ihr eingeschlossenen Keimkern in Zellen zerlegt, mag uns das Hühnerei Fig. 25 yl und ß. Lage der Kernspindel in Discoidale einem nach dem Spiraltypus gebauten Ei. Furchung. A bei dexiotroper, B bei läotroper Teilung. an auimaler, veg vegetativer Pol der Eiachse. Nach Heider und Korschelt. IC :m % -\< ./ <^ 148 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere dienen. Noch im Anfang des Eileiters, wo die Befruchtung vor sich geht, bildet sich die erste Kernspindel aus und stellt sich nach den früher be- sprochenen Teilungsregeln in die Mitte der Scheibe in horizontaler Richtung ein. Durch die erste Teilungsebene, die in senkrechter Richtung orientiert ist, und nur bis zur Grenze des Nahrungsdotters durchschneidet, werden zwei Segmente abgetrennt, die nach unten noch mit dem Nahrungsdotter und dadurch auch untereinander zusammenhängen. Die zweite Teilung er- folgt ebenso in vertikaler Richtung und schneidet rechtwinklig die zuerst entstandene Furche, so daß die Scheibe in ihrer Mitte in vier Segmente zer- legt wird (Fig. 26). Während nun aber im dritten Teilungszyklus beim Froschei die Teilung in horizontaler Richtung erfolgt, tritt sie hier noch einmal in ver- tikaler Richtung ein, „.-^j^f^-^-"^^'-. .-.^^ ■ .--■s**"'^-'-^ so daß um den anima- len Pol acht Segmente herumgruppiert sind, die an ihm mit spitzen Enden zusammen- stoßen, dagegen mit ihren breiten Enden nach der Peripherie ge- wandt sind und in eine noch nicht zerlegte Randzone der Keim- scheibe übergehen. Erst vom vierten Teilungszyklus an erscheinen latitudinale Furchen, d. h. solche, die dem Äquator der Eikugel parallel gerichtet sind; sie zerlegen die acht Segmente in acht kleinere zentrale und in acht größere periphere Teilstücke. Indem von nun an meridionale und latitudinale Furchen gewöhnlich alternierend auftreten, zerfällt die Keimscheibe (Fig. 27 u. 28) in immer zahlreichere Stücke, welche so angeordnet sind, daß die kleineren in der Umgebung des animalen Poles der Mitte der Scheibe, die größeren an ihrer Peripherie liegen. Die am meisten peripheren werden noch besonders als die Randsegmente unterschieden. Bis zum fünften Teilungszyklus besteht die Keimscheibe aus einer einfachen Lage von Segmenten, die an ihrer Basis noch mit dem gemeinsamen Nah- rungsdotter zusammenhängen. Erst von hier an wird sie durch einen Prozeß, der in der Mitte beginnt und allmählich nach dem Rand zu fortschreitet, auch ihrer Dicke nach in zwei, drei und mehr Lagen von Zellen zerlegt. Es geschieht dies dadurch, daß in den kleineren Segmenten der Mitte die Kernspindeln sich in vertikaler Richtung einstellen, daß daher tangential zur Oberfläche des Eies Teilebenen entstehen und die zentralen Segmente in oberflächliche und tiefere Hälften zerlegen. Erstere werden hierdurch vollständig als Embryonal- zellen isoliert, letztere hängen dagegen nach unten noch mit dem Nahrungsdotter zusammen. Das Schema der Fig. 29 wird dazu dienen, den Vorgang noch mehr, als es die bloße Beschreibung vermag, dem Verständnis näher zu bringen. Fig. 26. Keimsclieibe eines Hühner- eies, in vier Segmente geteilt. Nach KÖLLIKER. Fig. 27. Keimscheibe eines Hühner- eies mit elf Randsegmenten. Nach KÖLLIKER. Furchungsprozeß 149 Wenn nach längerer Dauer des Furchungsprozesses die Keimscheibe in ihrer ganzen Ausdehnung in sehr viele kleine Embryonalzellen geteilt ist, so werden schließlich einzelne Kerne auch in die oberflächlichste Schicht des Nahrungsdotters unmittelbar unter der zelligen Keimscheibe mit aufgenommen. Es muß dies immer dann eintreten, wenn aus den am tiefsten gelegenen Ker- nen vertikal gestellte Spindeln entstehen, die mit ihrem einen Ende in den Nahrungsdotter eintauchen und in diesem nach ihrer Halbierung durch eine tangentiale Teilebene zur Hälfte zurück- bleiben und einen bläschenförmigen Ruhe- kern liefern. Die so an der Grenze im Nahrungsdotter eingeschlossenen Kerne sind unter dem Namen der Dotterkerne bekannt. Da um sie keine Abgrenzung von Zellen zustande kommt, bilden sie h c d e f g h o»'oVo Fig. 28. Keimscheibe eines Hühnereies mit vielen Randsegmenten. Nach Kölliker. sp ds Fig. 2g. Schema von der Zerlegung der Keirascheibe eines meroblastischen Eies in Zellen. Durchschnittsbild. Nach Hehtwig. ds Dottersyncytium; sp in radialer Richtung ein- gestellte Spindel. gemeinsam eine unter der Keimscheibe gelegene, dünne Schicht, das Dotter- syncytium, welches eine Art Übergang zwischen dem in Zellen zerlegten und dem ungeteilten größeren Abschnitt des Eies vermittelt. Die partiell-superfizielle Furchung ist bei Arthropoden, sowohl bei Cru- Superfizielle staceen wie bei Insekten, weit verbreitet, während sie im Stamm der Wirbel- ""^"^ "°^' tiere niemals beobachtet wird. Sie setzt einen centrolecithalen Bau des Eies voraus (Fig. 14). Nach der Befruchtung liegt der Keimkern in der Mitte des Nahrungsdotters, eingeschlossen in einer Hülle von Protoplasma, und beginnt sich in dieser zu teilen. An die Kernteilung schließt sich aber, ebenso wie bei ihren Wiederholungen, keine Teilung des ganzen Eies an. Die Kerne allein vermehren sich von 2 auf 4, 8, 16, 32, 64 und so fort; sie rücken hierbei aus- einander und verteilen sich im Nahrungsdotter, der unzerlegt bleibt, nach allen Richtungen. Obwohl so der Entwicklungsprozeß schon längere Zeit seinen Anfang genommen hat, sieht gleichwohl das ganze Ei bei Betrachtung seiner Oberfläche unverändert und ähnlich dem unbefruchteten aus. Das Bild ändert sich erst später, wenn schon Hunderte von Kernen entstanden sind, und dann oft in sehr kurzer Zeit dadurch, daß die im Innern des Nahrungsdotters zer- streuten Kerne mit ihren Hüllen von Protoplasma nach der Oberfläche hin- wandern, in die protoplasmatische Rindenschicht eindringen und sich in ihr gleichmäßig verteilen. Allein die Rinde des Eies wird dann schließlich in so viele Zellen zerlegt, als Kerne in ihr eingeschlossen sind, und dadurch in die ICQ Oscar Hertwig: Allgem. u, experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Keimhaut oder das Blastoderm umgewandelt; der zentrale Nahrungsdotter dagegen, auch wenn er noch einige zurückgebliebene Kerne einschheßt, bleibt meistens ungeteilt und füllt die Höhle der Keimhaut aus, von welcher er all- mählich bei der Bildung des embryonalen Körpers aufgebraucht wird. Prinzip der Auf das gcnaucstc Studium des Furchungsprozesses ist seit Jahrzehnten organbildenden j großc Arbeit verwaudt worden. Mit großer Beobachtungsgabe und be- Iveimbezirke. ö o o o wundernswerter Geduld haben manche Forscher an besonders geeigneten Objekten die Richtung der aufeinanderfolgenden Teilungsebenen, die Größe und Form der sich vermehrenden Zellen, ihre Abstammung voneinander, gewissermaßen einen wirklichen Stammbaum der vielen aus dem befruchteten Ei hervorgegangenen Zellgenerationen festzustellen versucht. Besonders haben Eier mit einem ausgesprochenen ,, Zellenmosaik" (Nematoden und einige andere Würmer, Mollusken, Tunikaten usw.) zu solchen Studien einen Anreiz geboten. Man wünschte auf diesem Weg einen Beweis für das Prinzip der organbildenden Keimbezirke ('°) zu gewinnen, also zu zeigen, daß ein- zelne Zellen des noch wenig geteilten Eies die Substanzanlagen für bestimmte später hervorgehende Organe sind. Man wollte, wie His sich ausdrückt, ,,auf dem Wege rückläufiger Verfolgung dahin kommen, auch in der Periode un- vollkommener oder mangelnder morphologischer Gliederung des Eies den Ort jeder Anlage räumlich zu bestimmen". Als Substanzanlage bezeichnete man dabei denjenigen Bezirk des Eies, der schließlich das Material zur Bildung eines Organs hergibt. In dem Prinzip der organbildenden Keimbezirke liegt in mancher Beziehung ein Wiederaufleben der alten Präformationstheorie in einer den Fortschritten moderner Forschung mehr angepaßten Form vor. Nun wird man ja zugeben müssen, daß die Substanz bereits differenzierter Organe, wenn wir die normale Entwicklung Schritt für Schritt zurückverfolgen, schließhch aus bestimmten Bezirken des erst in wenige Zellen geghederten, eventuell auch des noch ungeteilten Eies abstammen muß. Das verlangt wohl schon die Kontinuität des Geschehens. Doch ist bei solchen Erwägungen zweierlei nicht aus dem Auge zu verlieren. Einmal sind die meisten Organe aus mehreren genetisch verschiedenen Geweben aufgebaut, wie Epithel- zellen, Bindegewebe, Blutgefäßen, Nerven usw., die, an verschiedenen Orten entstanden, sich erst durch komplizierte Wachstumsprozesse zu einem funktionellen Ganzen verbunden haben; daher sind sie auch nicht von einer bestimmten Embryonalzelle oder gar einem einzelnen Substanzbezirk ableitbar. Zweitens aber, und das ist noch wichtiger, läßt sich auf dem ein- geschlagenen Weg der Beobachtung und Beschreibung nicht feststellen, ob die Zelle, welche beim gewöhnlichen Geschehen in ein späteres Organ aufgeht, von vornherein nur dieses zu bilden die Fähigkeit hat oder wie sich Driesch ausdrückt, eine festbestimmte prospektive Potenz besitzt. Nur wenn dies der Fall ist, wäre man berechtigt, eine Embryonalzelle, deswegen weil aus ihr ein späteres Organ entsteht, zugleich auch als eine schon vorher bestimmte, feste Anlage zu bezeichnen. Nur dann würde das Prinzip der organbildenden Keim- bezirke, welches von vornherein nur eine deskriptive Bedeutung beanspruchen Experimentelle Abänderung der Eiteilung 151 kann, solange es auf rückläufiger Verfolgung des Entwicklungsprozesses be- ruht, von kausalanalytischem Wert sein. In diesem Fall würde aber auch die Entwicklung sich gewissermaßen in einem fest ausgefahrenen Gleis bewegen, somit zu einem zwangsläufigen Prozeß werden. Zur Klärung dieser wichtigen Frage, aus deren Verfolgung interessante wissenschafthche Streitigkeiten hervorgegangen sind, hat sich das biologische Experiment als Hilfsmittel wissenschaftlicher Erkenntnis in erfolgreicher Weise verwenden lassen. Seit mehreren Jahrzehnten haben sich die Anfangs- stadien der Entwicklung, namentlich der Furchungsprozeß, als ein sehr dank- bares Gebiet für den experimentierenden Forscher, geeignet für eine frucht- bare Verbindung von Beobachtung und Experiment erwiesen. So wollen wir uns denn jetzt auch mit dem auf diesem Wege gewonnenen Schatz entwick- lungsgeschichthcher Kenntnisse bekannt machen. Wenn wir beim Studium der verschiedensten Vertreter des Tierreichs die Experimentelle Teilung des Eies auf den vorausgehenden Seiten als einen Prozeß von wunder- ,^;^ "EUeTiMg. barer Regelmäßigkeit kennen gelernt haben, so ist doch nichts leichter als sie durch äußere Eingriffe so zu beeinflussen, daß dadurch ein absolut anderes Zellenmosaik entsteht. Gleichwohl werden auf diesen stark abgeänderten Wegen auch ganz normale Entwicklungsprodukte zum Schluß gehefert. Eines der einfachsten und zugleich am meisten angewandten, experimentellen Ver- fahren besteht darin, die Form der Eier bald nach der Befruchtung durch Druck abzuändern. Man bringt zu dem Zweck die Objekte in einem Tropfen Wasser zwischen zwei parallel gestellte Objektträger und nähert dieselben in vorsichtiger Weise einander so weit, bis das kugelige Ei je nach dem Grade der Pressung in eine dickere oder dünnere Scheibe umgewandelt worden ist. Zur Ausführung derartiger Experimente hat man auch besondere Kom- pressorien konstruiert. Wenn man sich nun hierbei der Regeln erinnert, welche früher über die Stellung der Spindel und über ihre Abhängigkeit von der Form des einhüllenden Protoplasmamantels, ferner von der Lage der Teilebenen zur Stellung der Spindel schon auseinander gesetzt worden sind, so wird man leicht verstehen, wie die unter Druck und Zug entstehenden Zellenmosaike ein ganz anderes Aussehen als im normalen Ei gewinnen müssen. Die Eier von Seeigel und Frosch sind auch hierfür die am meisten benutz- ten Objekte gewesen. Wenn das befruchtete Seeigelei zu einer dicken Platte komprimiert worden ist, so muß sich die erste Kernspindel nach dem früher Gesagten parallel zu den komprimierenden Platten einstellen; die erste Zell- teilung muß schon senkrecht zur Druckfiäche zu liegen kommen, ebenso die zweite, welche die erste unter rechtem Winkel schneidet. Wenn hierauf der längste Durchmesser dieser vier Zellen bei entsprechend starker Pressung noch parallel zu den komprimierenden Platten liegt (Fig. 30, A), so müssen ihre vier Spindeln abermals eine horizontale Lage einnehmen, so daß wieder vertikale Teilebenen entstehen und acht in einer Ebene nebeneinander angeordnete Zellen liefern, während bei normaler Entwicklung die vier Quadranten bei vertikaler Stellung der Spindel und horizontaler Ausbildung der Teilebenen in 152 Oscar Hertwig: Allgem u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere A B C D zwei übereinander gelegene Kreise von je vier Zellen zerlegt werden. Bei weiter fortgesetzter Kompression kann man auch die acht nebeneinander gelegenen Stücke der einfachen Scheibe (Fig. 30, B) zwingen, sich durch ver- tikale Teilebenen in 16, und diese wieder sich ebenso in 32 Zellen (Fig. 30, C) zu teilen, die alle in einer Ebene nebeneinander liegen und eine ganz dünne ein- fache Scheibe liefern. Teilungsebenen in horizontaler Richtung können erst von dem Moment an auftreten, wo Zellen entstanden sind, deren längster Durchmesser dem Zwischenräum der komprimierenden Platten entspricht. In Fig. 30 Z), einem Stadium von 64 Zellen, die sich abermals zur Tei- lung anschicken, ist dies bei einigen Zellen eingetreten, welche mit einem Kreuz bezeichnet sind. Sie sind kleiner als die Nachbarzellen und enthalten Spindeln, die senkrecht gestellt sind, während die übrigen wieder horizontal liegen. Von dem Moment an, wo der Druck auf das Ei aufgehoben wird, be- ginnt daher die vorher einfache Zellen- platte sich in zwei Lagen zu trennen. So geht schließlich auch auf diesem Wege trotz aller erheblichen Abwei- chungen aus der Platte eine Blase her- vor, wenn durch Abscheidung von Flüssigkeit sich die zwei Lagen weiter voneinander entfernen, bis sie eine Kugeloberfläche umgrenzen. Die Druckversuche am Ei des Frosches lassen eine noch größere Zahl von Variationen als beim Seeigelei zu, weil es polar differenziert ist. Infolge- dessen fällt die Wirkung des Druckes verschieden aus, je nachdem der Ei- inhalt in der Richtung der vertikalen Achse (Fig. 31, ^) oder einer horizon- talen Querachse (Fig. 31,5), im ersten Fall also zwischen zwei horizontalen, im zweiten Fall zwischen zwei vertikalen Glasplatten zur Scheibe abgeplattet wird. Wenn auch bei gleich starker Pressung in dorsoventraler oder lateraler Richtung die Froscheier in gleich dicke Platten umgewandelt werden, so muß in beiden ein ganz verschiedenartiges Furchungsmosaik entstehen, da in ihnen Protoplasma und Deutoplasma ganz andere Lagen zueinander einnehmen. Bei dorsoventraler Pressung findet sich das leichtere Protoplasma an der pigmentierten oberen Fläche, bei lateraler Pressung am pigmentierten oberen Rand der Scheibe vor (vgl. Fig. 31, A und Fig. 31, B). Hierdurch werden wieder die Lage des Keimkerns, die Stellung der Spindel und die Richtung der Teil- ebene für beide Fälle in verschiedener Weise bestimmt. Die Abänderungen F i g. 30 A — D. Eier von Echinus unter Pressung. A, B nacli Driesch, C, D nacli Ziegler. A Teilung auf dem vier- zelligen, B auf dem achtzelligen Stadium. C Stadium von 32 Zellen, die durch vertikale Teilebenen aus i6 Zellen entstanden und in einer Ebene nebeneinander gelegen sind. D Vorbereitung zur Teilung in 64 Zellen. In den meisten Zellen geschieht die Teilung noch durch vertikale t.benen, was durch horizontale Striche (Richtung der Spindelachse) angegeben ist. In den mit einem Kreuz (f ) bezeichneten Zellen steht die Spindelachse vertikal oder schräg, so daß die Teilebene in mehr oder minder horizontaler Richtung erfolgt. Experimentelle Abänderung" der Eiteilung 153 in den beiden Furchungsbildern finden ihren prägnantesten Ausdruck in dem ungleichzeitigen Auftreten der ersten äquatorialen Furche. Während diese unter normalen Verhältnissen im dritten Teilungszyklus auftritt (Fig. 20, 8), bildet sie sich bei der dorsoventralen Kompression erst im vierten Zyklus, bei der lateralen aber schon im zweiten Zyklus aus. Dort erfolgt sie verspätet, so daß die Verhältnisse denen bei der partiellen Furchung einer Keimscheibe gleichen (Fig. 32, A) ; hier ist sie verfrüht, da sie sich gleich an die erste vertikale Teilung anschließt (Fig. 32, B). Während normalerweise auf dem Achtzellen- stadium vier Zellen um den animalen, vier um den vegetativen Pol in zwei Kreisen übereinander angeordnet sind, liegen sie bei der dorsoventralen Kompression nur in einer Ebene nebeneinander (Fig. 32, A), dagegen bei der B A A B Fig. 31 ^ und B. Zwei Schemata gepreßter Froscheier. Nach Morgan aus Korschelt und Heiuer. A Seiten- ansicht des zwischen horizontalen Platten gepreßten Eies. Die dunklere animale Eihälfte ist durch Schraf- fierung angedeutet. B Seitenansicht des zwischen vertikalen Platten gepreßten Eies. Fig. 32 A und B. A Ei von Rana temporaria zwischen horizontal gestellten Glasplatten wie in Fig. 31 A gepreßt, vom animalen Pol aus gesehen. Teilung in acht nebeneinander gelegene Zellen. B Ei von Rana temporaria zwischen senkrecht gestellten Plat- ten wie in Fig. 31 .ff gepreßt, in seitlicher An- sicht. Teilung in vier inaequale Zellen, von denen die beiden animalen über den vegetativen liegen. Nach Hertwig. lateralen Kompression in zwei Reihen, anstatt in zwei Kreisen übereinander (Fig. 32, B). Dementsprechend nehmen dann natürlich auch alle nachfolgen- den Teilungen einen abweichenden Verlauf. Unter Berücksichtigung der früher von mir aufgestellten Teilungsregeln werden sich alle diese Abwei- chungen leicht verstehen lassen, wenn man sich die durch Pressung hervor- gerufene, abgeänderte Form des Eies und die ihr entsprechende andersartige Verteilung von Protoplasma und Deutoplasma klar gemacht hat. Es läßt sich wohl kaum ein besserer experimenteller Beweis für die Richtigkeit der Teilungsregeln als der vorliegende erwarten. Obwohl die ersten Stadien des Furchungsprozesses sich noch auf ver- schiedenen anderen Wegen für die experimentelle Forschung und zur Beant- wortung wichtiger allgemeiner Probleme nutzbar machen lassen, so empfiehlt es sich doch aus didaktischen Gründen, erst später hierauf einzugehen, nach- dem wir zuvor den Verlauf der normalen Entwicklung weiter verfolgt haben. Die an die Morula (Fig. 33, A) sich anschließenden Stadien, welche noch bei Wirbellosen und Wirbeltieren vielfache Übereinstimmungen zeigen und daher in das Bereich unseres einleitenden allgemeinen Kapitels fallen, sind die Blastula und die Gastrula. Beginnen wir mit den Wirbeltieren, die ja wegen der Zugehörigkeit des Menschen zu ihnen für den Laien ein größeres Interesse besitzen. I CA Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere Keimblase. In eine Keim blase (Blastula) wandelt sich die Maulbeerkugel, bei deren Betrachtung wir zuletzt stehen gebheben waren, dadurch um, daß die Flüssig- keit, welche sich im Verlauf der Furchung schon anzusammeln begonnen hatte, an Masse erhebhch zunimmt und die Embryonalzellen, deren Zahl sich durch Teilung fortwährend auf Hunderte, schließlich auf Tausende vermehrt hat, nach außen auseinander drängt (Fig. 33, B). Die kleiner gewordenen Zellen ordnen sich dabei zur Begrenzung der Oberfläche zu einem Epithel fester an- einander und bilden die Wand einer Blase, deren Höhle als Blastocoel be- zeichnet wird. ■ f. In ihrem Bau bieten uns die Keimblasen in den einzelnen Klassen der Wirbeltiere wieder charakteristische Modifikationen dar, welche mit den schon besprochenen Verschiedenheiten im Bau des befruchteten Eies und in dem Ab- B lauf des Furchungsprozesses in ursächlichem Zusammen- hang stehen. Die einfachste und ursprünglichste Form fin- det sich beim Amphioxus lan- ceolatus (Fig. 33,5). Die dünne Wand der Blase besteht hier aus einer einfachen Lage von Zylinderzellen, die nur in der Umgebung des vegetativen Po- F lg. 33^ und B. Zwei embryonale Anfangsstadien von Amphioxus , t^ lanceolatus. Nach Hatschek. A Maulbeerkugel oder Morula. IcS CtWaS mehr DcutOplaSma £ Medianschnitt durch die Keimblase oder Blastula. ,11, 1 i 1 ■■ r> enthalten und daher großer sind. Auch bei den Säugetieren bildet sich aus der kleinen Maulbeerkugel, während sie durch die Flimmerung des Eileiters allmählich in die Höhle der Ge- bärmutter getrieben wird und sich dort in einer Grube der Schleimhaut wie in einem Nest festsetzt, eine dünnwandige Blase, die bald die ursprüngliche Ei- zelle um das 1 00 fache und mehr an Umfang übertrifft (Fig. 34). Aus diesem Ver- halten ist auch ein Irrtum von Regnier de Graaff und anderen älteren Anatomen zu erklären und zu entschuldigen, der Irrtum nämhch, daß sie die großen Graaff- schen Bläschen des Eierstocks, in welchen die vielmals kleineren Eier der Säuge- tiere erst eingebettet sind, für diese selbst hielten. Sie kamen auf diese Ver- wechslung, weil sie bei der Öffnung der Gebärmutter von Säugetieren, z. B. vom Kaninchen am Beginn der Trächtigkeit, in ihr Blasen vorfanden, die etwa ebenso groß wie die im Eierstock beobachteten waren und daher für identisch mit ihnen gehalten wurden. Erst dem berühmten Embryologen Carl Ernst v. Baer (") gelang es im Jahr 1827 diesen Irrtum aufzuklären und bei der Untersuchung des Eierstocks einer Hündin aus dem Graaffschen Bläschen das in ihm ein- geschlossene, vielmals kleinere, wahre Ei zu isoHeren und mit Lupenvergröße- rung anderen Forschern zu demonstrieren. Was das weitere Schicksal der Keimblase bei den Säugetieren betrifft, so wird sie infolge der ganz außerordenthch reichen Ansammlung von Flüssig- keit schHeßhch so stark ausgedehnt, daß sich die Zellen in ihrer Wand zu ganz Keimblase und Gastrula 155 dünnen, in einer einfachen Lage angeordneten Schüppchen abgeflacht haben, die der gleichfalls stark ausgedehnten und verdünnten Zona pellucida dicht anliegen. Außerdem unterscheidet sich die ,,Vesicula blastodermica" der Säuge- tiere auch noch in einem zweiten wichtigeren Punkt von derjenigen des Am- phioxus. In einem kleinen Bezirk nämHch liegen noch größere, kuglige und locker verbundene Embryonalzellen der dünnen Membran als eine platte Scheibe oder als ein niedriger Hügel von innen an und bilden den sogenannten Fur- chungskugelrest (Fig. 34). Der Bezirk ist sehr wichtig. Denn nur in seinem Bereich finden alle späteren Entwicklungsprozesse statt, die zu der Bildung des embryonalen Körpers führen. Bei vielen Säugetieren, wie z. B. bei den Wiederkäuern wächst die Keimblase frühzeitig zu einem sehr langen, dünnen ■* .-^C rz-. Fig. 34. Ältere Keimblase eines Kaninchens. Nach E. VAN Beneden, sp Zona pellucida. m dünne, aus einer Lage platter Zellen bestehende Wand der Keimblase. * Haufen runder Embryonalzellen, welcher der Blasenwand als Scheibe anliegt. F>g' 35- Keimblase von Triton taeniatus. Nach Hertwig. kh Keirablasenhöhle, dz dotterreiche Zellen, rz Randzone. Schlauch aus, dessen Mitte die verdickte Stelle enthält, aus der sich allein der Embryo anlegt. Bei den Eiern der Amphibien mit inäqualer Furchung wird auch ihre Keimblase eine inäquale (Fig. 35) und zeigt sich aus einer dünn- und einer dickwandigen Hälfte zusammengesetzt. Letztere entsteht aus den großen, schon beim Furchungsprozeß besprochenen, vegetativen Zellen, die nach innen einen weit in das Blastocoel vorspringenden Hügel bedingen. Wegen ihrer größeren Schwere ist sie im Wasser stets nach abwärts gekehrt und kann daher auch als der Boden der Keimblase bezeichnet werden, während die schwarzpigmentierte, kleinzellige, animale Hälfte die dazu gehörige ,, Decke" liefert. Infolgedessen liegt jetzt die zwischen Boden und Decke eingeschlossene und durch den vorspringenden Dotterhügel verengte Keimblasenhöhle ex- zentrisch. Am stärksten modifiziert sind die Keimblasen von den Eiern mit par- tieller, discoidaler Furchung (Fische, Reptilien, Vögel; Fig. 36); man würde hier von einem Stadium der Keimblase überhaupt nicht reden, wenn man nicht durch den Vergleich mit den entsprechenden Verhältnissen der übrigen Wirbel- tiere hierzu veranlaßt würde. Infolge des kolossalen Dottergehalts der Eier ist die Keimblasenhöhle fast bis zum Verschwinden eingeengt und nur noch ic5 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere als ein schmaler, mit eiweißhaltiger Flüssigkeit erfüllter, kleiner Spalt erhalten. Man könnte auch sagen, daß sie zum größeren Teil durch den nicht in Zellen zerlegten Nahrungsdotter ausgefüllt wird. Die in Zellen zerlegte Keimscheibe der meroblastischen Eier läßt sich der Decke der Keimblase bei den Amphi- bien, der ungeteilte Nahrungsdotter hier den vegetativen Zellen dort ver- gleichen. Gastruia. Aus dcr Kcimblasc entsteht im weiteren Verlauf der Entwicklung die Gastrula oder Darmlarve. Die Umwandlung erfolgt in den einfacheren Fällen dadurch, daß ein Bezirk der Blasenwand in den inneren Hohlraum eingestülpt und so ein neuer, nach außen geöffneter Hohlraum hergestellt wird (Fig. 37, A u. B). Der Vorgang, der in der embryologischen Terminologie Invagina- tion heißt, vollzieht sich wieder, je nach der Beschaffenheit der Keimblase, in verschieden modifizierter Weise. - I I I Während die Verhältnisse beim Am- ^'^^''''^'^'-B^mn^^^^^^m^MF^^^M:^ phioxus am emfachsten liegen, smd sie bei den Amphibien weniger, bei den Fischen schon stärker abgeän- dert, bei den Vögeln und zumal bei den Säugetieren aber kaum noch als Invagination zu erkennen und mit den Befunden beim Amphioxus Fig. 36. Medianschnitt durch eine Keimblase von Pristiurus. kaum nOCh auf cinC Stufe ZU Stelleil. Nach RüCKERT. äk Dotterkern, kz Keimzellen. _ _ ■ r^ Beim Amphioxus aber geht die Ga- strulation in folgender Weise vor sich. Der Bezirk der Keimblase, der die wenig größeren, deutoplasmareicheren Zellen besitzt (Fig. 33, B), beginnt sich abzuflachen und dann nach innen etwas einzubuchten (Fig. 37, Ä). Die Keimblasenhöhle wird dementsprechend eingeengt. Beim weiteren Fort- schreiten der Einstülpung wird schließhch der eingebuchtete Bezirk bis an die Innenfläche des entgegengesetzten Abschnitts der Blasenwand unter voll- ständigem Schwund der ursprünghchen Höhle herangedrängt (Fig. 37, B). Der Keim hat dadurch die Form einer Schüssel, noch später durch weitere Umwandlung die Form eines Bechers angenommen, so daß die Gastrula häufig auch als ,, Becherlarve" beschrieben wird. Während die Keim- blasenhöhle geschwunden ist, hat sich infolge der Einstülpung ein neuer Hohl- raum gebildet, der Urdarm; er ist das erste im Dienst der Ernährung stehende Organ des tierischen Körpers, von dem sich auf späteren Stufen der Entwick- lung der bleibende Darm nebst vielen anderen Organen herleitet. Die anfangs weite Öffnung der Becherlarve nach außen heißt der Urmund; derselbe hat aber, was gleich hier, um keine falsche Vorstellung aufkommen zu lassen, er- wähnt sein mag, mit dem bleibenden Mund nichts zu schaffen; denn dieser wird erst auf weit späterer Stufe am entgegengesetzten Ende, also am Grund des Bechers, als eine neue Durchbruchsöffnung angelegt. Der Urmund aber ist bei den Wirbeltieren nur ein vergängliches Gebilde, er schließt sich später und verschwindet mit Ausnahme eines Restes, der zum After wird. Im Ver- Keimblase und Gastrula 157 gleich zum ausgebildeten Tiere entspricht daher auch der Grund des Urdarms dem vorderen, seine Öffnung dem hinteren Ende des Körpers. Auch Rücken- und Bauchfläche lassen sich schon jetzt voneinander unterscheiden, da jene mehr abgeflacht, diese mehr nach unten vorgewölbt ist. An der Gastrula sind daher auch die drei Achsen des Wirbeltierkörpers, Längs-, Quer- und Dorso- ventralachse bereits deutlich zu erkennen. Im Gegensatz zur Keimblase mit ihrer einfachen Wand setzt sich die Wand des Bechers infolge der Einstülpung aus zwei Zellenschichten, den beiden primären Keimblättern zusammen, die nach ihrer Lage als äußeres und als inneres oder mit griechischen Worten als Ektoderm und als Entoderm vonein- ander unterschieden werden. Beide gehen an den ,, Lippen des Urmundes durch Umschlag" ineinander über. Mit ihrer Entstehung hat sich eine der wichtigsten Sonderungen im Zellmaterial des Keimes, ver- bunden mit einer durchgrei- fenden Arbeitsteilung, voll- zogen. Denn das äußere Keimblatt dient hinfort zur äußeren Begrenzung des Kör- pers und liefert später durch weitere Sonderung allein alle Organe, die dem Verkehr mit der Außenwelt dienen: die Epidermis, die Hautdrüsen, das Nervensystem und den für die Funktion wesentlichen Bestandteil der Sinnesorgane. Das innere Keimblatt dagegen besorgt, indem es den Urdarm auskleidet, einmal die Nahrungsaufnahme, läßt aber außerdem noch die Mehr- zahl der im Innern des Körpers gelegenen Organe, wie die Eingeweidedrüsen, aber auch die quergestreifte Muskulatur, die Wand der Leibeshöhle, Harn- und Geschlechtsorgane aus sich hervorgehen. Alles, was mit der Entstehung der beiden primären Zellenschichten des Körpers, mit ihrer weiteren Sonderung in vier Schichten und mit der Zurückführung aller Organe und Gewebe auf diese primären Zellenlagen zusammenhängt, bezeichnet man als die Lehre von den Keimblättern, welche eines der wichtigsten und interessantesten Kapitel der Entwicklungslehre darstellt. Die Entwicklung der beiden primären Keimblätter durch Einstülpung Arbeitsteilung (Invagination) bietet uns zugleich ein sehr lehrreiches, weil sehr einfaches ^j^y^ Beispiel für die Entstehungsweise zweier Organe aus einer gemeinsamen, ein- heitlichen Anlage. Durch die Einstülpung werden ja die gleichartigen Zellen der Kugeloberfläche in verschiedene Beziehungen zur Außenwelt gebracht; sie müssen demgemäß verschiedene Entwicklungsbahnen einschlagen und sich besonderen, den neuen Verhältnissen entsprechenden Aufgaben anpassen. Da- durch werden sie später wie in ihrer Funktion, so auch in ihrem Aussehen allmählich immer mehr verschieden voneinander und zu Bestandteilen ver- Fig. 37^ und B. Entwicklung der Becherlarve des Amphioxus aus der Keirablase (Fig. t^t, B] durch Einstülpung. A Beginn der Ein- stülpung. B Fertig entwickelte Becherlarve (Gastrula). Nach Hatschek. und renzierung. I cg Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere schiedener Organe und Gewebe umgewandelt. Man bezeichnet diese beiden Vorgänge, durch welche ein ursprünglich gleichartiges Zellenmaterial in funk- tionell und strukturell verschiedene Bestandteile zerlegt wird, als die beiden eng zusammengehörigen Prozesse der physiologischen Arbeitsteilung und der morphologischen und histologischen Sonderung oder Differenzierung. Gastruia der Schou größere Schwierigkeiten als beim Amphioxus, wo die Verhältnisse - mp leii. ^^ einfach liegen, bereitet der Verlauf der Gastrulation bei den Wirbeltieren, deren Eier sich inäqual furchen, wie bei den Amphibien. Denn bei ihnen bildet diealsHaufen in die Keim- blasenhöhle vorspringen- de Masse der vegetativen Zellen (Fig. 35) einen Bal- last, durch welchen die Einstülpung sehr er- schwert wird, daher sie denn auch einen dem- entsprechend längeren Zeitraum, beim Frosch zwei Tage, für sich erfordert. Die Einstülpung beginnt in einem kleinen Bezirk am Übergang der Decke in den Boden der Keimblase, in der sogenannten Randzone. Es entsteht hier eine anfangs kleine Rinne, die als enger Spalt in die Dottermasse allmählich tiefer eindringt (Fig. 38) und so zum Ausgang für die Bildung des Urdarms wird. Im weiteren Verlauf vergrößert sich dieselbe im Bereich der Rand- zone an ihren beiden Enden, nimmt die Form einer Sichel, dann eines Huf- eisens an und schließt sich zuletzt zu einem Ring, der die Dotterzellen am Boden der Keimblase rings umfaßt (Fig. 39). Der Ring entspricht dem Urmund des Amphioxus, unterscheidet sich aber von ihm dadurch, daß er keine weite Öffnung umschließt, sondern von einer hellen Masse von Dotter- zellen, dem sogenannten Rusconischen Dotterpfropf {d), vollkommen aus- gefüllt wird. Der anfangs weite Urmund (auch Blastoporus bei den Amphi- bien genannt) wird während der Gastrulation Schritt für Schritt immer enger, da seine Lippe, welche durch die oben erwähnte Rinnenbildung be- grenzt wird, über die vegetative Hälfte des Keims herüberwächst und sie so allmählich in das Innere das Urdarms aufnimmt. Währenddessen ist auch fortgesetzt neues Zellenmaterial in dem Bereich der Urmundlippe, in ähnlicher Weise wie bei der Gastrulation des Amphioxus, nach innen eingestülpt, ist die ifz vi 7t dl Uli j'k ak Fig. 38. Längsdurchschnitt durch eine Keira- blase von Triton mit beginnender Gastrula- einstülpung. Nach Hertwig. alt, ili äußeres, inneres Keimblatt; lih Keimblasenhöhle; ud Urdarm; u Urmund; dz Dotterzellen; dl, vi dorsale, ventrale Lippe des Urraundes. Fig. 39. Längsdurchschnitt durch eine fertig gebildete Gastruia von Triton. Nach Hertwig. ak, ik, dz, dl, vi, ud wie in Fig. 38. d Dotter- pfropf, ink mittleres Keimblatt. Keimblase und Gastrula 159 Keimblasenhöhle verdrängt und durch die Urdarmhöhle ersetzt worden (Fig. 39, ud). Letztere wird zuerst nur als kleiner, enger Spalt angelegt (Fig. 38, ud) und gewinnt erst später an Ausdehnung. So gestaltet sich bei den Amphibien die Gastrulation, weil bei ihr viel passives Dottermaterial in den Urdarm mit aufzunehmen ist, zu einem komplizierteren Prozeß als beim Amphioxus, zu einem Prozeß, in dessen Verlauf teils Zellen zur Verdrängung des Blastocoels (Fig.38, kh) in das Innere eingestülpt, teils die vegetative Hälfte der Keimblase durch die Bildung und Vergrößerung der Urmundlippen überwachsen wird. Durch die Gastrulation entstehen auch hier zwei Keimblätter, das Ekto- derm, welches schwarz pigmentiert ist, und das Entoderm, welches das Pigment nur spärlich enthält und zum großen Teil von den Dotterzellen gebildet wird, die ursprünglich dem Boden der Keimblase angehörten. Letztere nehmen auch an der Gastrula die spä- tere Bauchseite ein (Fig. 39), füllen wegen ihrer ß ■^^:i:iMi:m$i!M. großen Masse den Ur- darm über die Hälfte gd aus und setzen sich m den «o - ^/|o;^oo tr'iS^jIi^^^^^^' °'-°-°^' °- - ° ""^ Urmund als Rusconi- '^^ ' o^ ^ 0000 ^O^ (-> o s. Größe sieht man es ihnen sofort // \\ // ^X\ v C~)u an, ob sie von einem ganzen Ei (Fig. \i f \\\(ll lll 45,^) oder von einem halben Teil- | ( I ll \ i i ^J //^ "^ stück (Fig. 45,5) oder von einem \ ) / uj ^ r\i O )) Viertelstück (Fig. 45, C) oder gar ^-^^^i^^^ZH^:^:^^ \ . l Hl Triton. von einem Achtelstück (Fig. 45, D) F;g45-^-^.NormaleGastrula und Teilgastmlae von Amphioxus. \ o -r../! / Nach WILSON. A aus dem ganzen Ei, B aus einer einzigen, abstammen. Unter günstigen Ver- künstlich isolierten Zelle des zweigeteilten, C des viergeteilten, ,..,,. , . , , . „ Z> des achtgeteilten Eies gezüchtete Gastrula. haltnissen lassen sich die Zwerg- gastrulae von halber und von viertel Größe auch noch weiter zu kleinen Am- phioxuslarven züchten, die Chorda, Nervenrohr, Muskelsegmente, Darm usw. in normaler Weise, nur alles in entsprechend verkleinertem Maßstab besitzen. Nun darf man nicht glauben, daß ähnliche Ergebnisse etwa nur bei Zwergiarven von niederen Wirbellosen zu gewinnen wären. Auch bei Amphibien ist es geglückt, aus einem Ei auf experimentellem Wege zwei Larven hervorzubringen. Aller- dings muß hier zur Trennung der beiden ersten Teilhälften ein anderes Ver- fahren eingeschlagen werden; denn ,,die Schüttelmethode" führt hier nicht zum Ziel, teils weil der Dotter von einer dicken, nicht leicht zu zerreißenden Membran umschlossen wird, teils weil die durch die erste Teilung entstandenen Halbkugeln des hirsekorngroßen Eies in weiter Ausdehnung zu fest anein- anderhaften. Hier hilft man sich in der Weise, daß man das noch mitten in seiner Teilung begriffene Ei mit einem feinen Kokonfaden entsprechend der Teilebene umschnürt und die Schlinge langsam zuzieht. Wenn auch nicht in allen Fällen gelingt es doch in einigen mit diesem Verfahren die beiden Teil- hälften voneinander zu isolieren. Und siehe da: aus beiden Hälften eines Tritoneies, das für solche Versuche sich wegen seiner ovalen Form am meisten empfiehlt (Fig. 46), entwickeln sich kleine Molchlarven, die als Zeichen ihrer gemeinsamen Abstammung aus einem Ei noch von einer gemeinsamen Dotter- haut und Gallerthülle (g) umgeben sind. Von einem normalen Tier unterschei- den sie sich ebenfalls wie die Amphioxuszwerge nur durch ihre halbe Größe; sie führen, wenn sie alt genug geworden sind, zuckende Bewegungen in ihren Hüllen aus. Vom normalen Tier nur durch ihre halbe Größe unterschieden, i7o Oscar Hertwig: AUgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere besitzen sie wie dieses alle Organe; ein jedes von ihnen hat ein Gehirn und Rückenmark, zwei Augen, zwei Hörbläschen, zwei Riechgrübchen usw. Künstlich er- Nicht immer gelingt die vollständige Trennung der beiden Teilstücke ^m"ißbüd^ngen! eincs Eics weder beim Schütteln noch beim Durchschnüren. Im ersten Fall können sich beide Hälften in der erhalten gebliebenen Hülle nur etwas ver- schieben und ihre Stellung zueinander verändern, im zweiten Fall bleiben sie durch einen mehr oder minder dicken Stiel innerhalb des Schnürrings noch ver- bunden. Das Ergebnis gibt uns eine ebenso interessante wie wichtige Ergän- zung zu dem vorigen. Denn unter solchen Verhältnissen kommt es zur Ent- stehung von Doppelmißbildungen der verschiedensten Art. So zeigt uns Figur 47 vier etwas verschiedenartige Beispiele von Doppelgastrulae von Amphioxus. Schon die Veränderung in der Stellung der beiden ersten Teil- (^ hälften, die durch das Schütteln hervorgerufen wurde, hat genügt, jede zu getrennter Entwick- lung zu veranlassen. Indem jetzt zwei Zellen- haufen, die nur eine Strecke weit verbunden sind, aus dem Furchungsprozeß hervorgehen, entwickelt sf sich in jedem Haufen eine eigene Keimblasenhöhle; Fig 46. Ein Ei von Triton cristatus, bei hierauf cntstcht an jcdcr Hälfte der Zwillingskeim- welchem auf dem Zweiteilungsstadium die -' <-> zwei Zellen durch Umschnürung mit einem blaSC clne ElnStÜlpUUg für sich. Und aUCh hicr Seidenfaden getrennt wurden und sich in- itt i-i i-i t->ii-i foigedessen zu zwei selbständigen Embry- kann man durch Vergleich verschiedener r alle sich 7Z^S^J^:^^^k^. weiter noch davon überzeugen, wie geringfügige standenen Embryonen. Nach herlitzka. ^j^^j zufälHgc Abwcichungeu iu der Stellung der beiden Zellen zueinander die spätere Form der Zwillinge sehr wesentlich ver- ändern können. So ist in Fig. 47, A ein Urmund nach vorn, der andere nach hinten, in Figur 47, B sind sie nach entgegengesetzten Seiten gerichtet, in C und D sind sie in der gleichen Richtung orientiert, aber verschieden weit von- einander getrennt. Schon auf Grund dieser Befunde kann man voraussagen, daß auch die weiter entwickelten Doppellarven verschieden ausfallen und daß AmphioxuszwiUinge entstehen werden, deren Kopfenden entweder in entgegen- gesetzten oder in gleichen Richtungen orientiert, die ferner mit der Bauch-, der Seiten- oder Rückenfläche verschieden weit verbunden sein werden. Ein Produkt unvollkommener Durchschnürung eines zweigeteilten Triton- eies ist in Figur 48 abgebildet, eine Mißbildung mit vollständig voneinander getrennten Köpfen und verdoppelten vorderen Rumpfabschnitten, die nach hinten untereinander verwachsen sind und allmählich in einen gemeinsamen einfachen Rumpf und in ein einfaches Schwanzende übergehen. Die Dupli- citas anterior, wie in der Lehre der Mißbildungen (Teratologie) das abgebildete Monstrum heißt, war schon so weit entwickelt, daß es aus den Eihüllen aus- geschlüpft war, im Zuchtglas hurtig herumzuschwimmen und auch Nahrung aufzunehmen vermochte. Es wird hier gewiß von mancher Seite die Frage aufgeworfen werden, wie weit sich die Zerlegung des Eies in entwicklungsfähige Teilstücke wird aus- führen lassen. Wie das Experiment gelehrt hat, ist die Grenze gewöhnlich Doppelmißbildungen 171 bei Achtelstücken erreicht. Wenn eine isoHerte Embryonalzelle des löteiligen Stadiums sich auch noch teilt und einen Zellenhaufen liefert, eventuell sogar zu einer Keimblase wird, so kommt es doch nicht mehr zur Gastrulation, und das Bruchstück stirbt bald ab. Die Entwicklung zu einer normalen Zwerglarve setzt demnach immer ein gewisses Quantum entwicklungsfähiger Substanz voraus. Die von den Regulationseiern mitgeteilten Experimente sind ebenso wie Beweis für die die Kompressionsversuche, durch welche eine Umlagerung der Kerne und eine '"hl^o'rie'^ veränderte Form und Gruppierung der Embryonalzellen herbeigeführt wird, Fig. 48. Larve von Triton taeniatus mit Fig. 47^ — D. VierDoppelgastrulae von Ainphioxus (.4, B, C, D), entstanden durch ^gj^^giiender Ver- Schütteln des Eies auf dem Stadium der Zweiteilung, sieben Stunden nach ^onDelune des Vor- der Befruchtung. Nach Wilson. «' u'- Nach verschiedenen Richtungen ^grendes. (Dupli- orientierter Urmund der zwei aus je einer Eihälfte entstandenen Gastrulae; citas anterior.) u gemeinsamer Urmund zweier Gastrulae. Nach Spemann. ein wertvolles Beweismaterial zugunsten der Biogenesistheorie. Denn wenn man aus einem Ei anstatt einer Larve 2, 4 oder 8 Zwerglarven experimentell gewinnen kann, Zwerglarven, die abgesehen von ihrer halben, viertel oder achtel Größe sonst normal und ohne Defekte entwickelt sind, dann ist der unanfechtbare Beweis geliefert, daß während der ersten Furchungsstadien erbgleiche Teilung stattgefunden oder daß jede Embryonalzelle die volle, un- zerlegte Erbmasse erhalten hat. Man erkennt aber auch, wie die Lage und Ver- bindung der Zellen zueinander darüber entscheidet, was im Laufe der Entwick- lung aus ihren Abkömmlingen wird. Wir ziehen daher aus den mitgeteilten Experimenten die für die tierische Formbildung sehr wichtige Schlußfolgerung: bei vielen, selbst höchstentwickelten Tieren (Vertebraten) besitzen, wie sicher festgestellt ist, die ersten aus dem Ei durch Teilung entstandenen Zellen nicht nur die Fähigkeit sich zu einem Teil des Embryos umzuwandeln, wie es bei dem normalen Verlauf der Entwicklung geschieht, sondern jede trägt gleich- zeitig auch noch die Anlage zum Ganzen in sich. Die ersten Teilungen der Ei- zelle können daher nur erbgleiche sein. Eine Zerlegung der Anlage in verschie- denartige Gruppen von Einzelanlagen oder eine erbungleiche Teilung findet 172 Oscar HertwiG: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere nicht statt. Was aus einer Embryonalzelle wird, ob sie sich nur zu einem Teil eines Embryos oder für sich allein zu einem ganzen Embryo oder zu einem Stück einer Mehrfachbildung entwickelt, hängt lediglich von gewissen äußeren Bedingungen ab, nämlich lediglich davon, ob sich eine Embryonalzelle unter dem Einfluß von anderen Embryonalzellen befindet, mit denen sie zu einem zusammengesetzten Ganzen vereint ist, oder ob sich die Embryonalzellen, vom Ganzen abgelöst, für sich allein entwickeln. 2. Die Mosaikeier, Weniger klare Ergebnisse als die zuerst besprochene liefert uns eine zweite Gruppe von Objekten, welche gewöhnlich als die Mosaikeier bezeichnet werden. Sie schließen in ihrem Protoplasma verschiedenartiges Deutoplasma ein und lassen ungleiche Bezirke von homogenem, feinkörnigem und grobkörnigem, von pigmentiertem und unpigmentiertem Dotter unterscheiden, und wenn sie auch nicht immer sehr groß und dotterreich sind, so zeichnen sie sich doch durch eine eigenartige und der Regulation nicht leicht zugängliche Eistruktur aus. Infolgedessen zeigt auch der Furchungsprozeß bei ihnen ein eigenartiges Gepräge mit verschieden großen, typisch gelagerten und aufeinander folgenden Embryonalzellen; er liefert mit einem Wort ein oft sehr charakteri- stisches, der speziellen Tierart eigenes Furchungsmosaik. Bei den zu dieser Gruppe gehörigen Tieren werden die ersten Stufen der Entwicklung in unver- hältnismäßig kurzer Zeit durchlaufen, so daß die Larven oft wenige Stunden nach der Befruchtung schon die Eihüllen verlassen (Trochophora, Pilidium). Auch wenn sie beim Ausschlüpfen erst aus einer kleineren Zahl von Zellen be- stehen, sind diese doch schon in verschiedener Weise differenziert. Daher bieten die Mosaikeier für die Forscher, welche den Stammbaum der Zellen bis zur Ausbildung besonderer Organe durch kontinuierliche Beobachtung wäh- rend des Lebens zu verfolgen bemüht sind, besonders dankbare Objekte. Bei ihnen ist es gelungen, einen kontinuierlichen Zusammenhang zwischen be- stimmten Embryonalzellen der ersten Furchungsstadien und den sich ab- sondernden Organen auf späterer Stufe der Entwicklung nachzuweisen. Be- sonders typische Vertreter dieser Gruppe sind die Ctenophoren, einige Wür- mer, Mollusken, Ascidien. Wenn einzelne Embryonalzellen durch entsprechende Eingriffe wie bei den Regulationseiern, aus der Entwicklung ausgeschaltet werden, so entstehen aus den überlebenden Teilstücken an Stelle kleinerer Ganzbildungen nur Larven mit bestimmten Defekten. Dadurch werden die Ergebnisse zur Beantwortung der theoretischen Fragen nicht so klar und ein- deutig, wie bei den Experimenten, welche an den Regulationseiern ausgeführt wurden. Als Beispiele mögen zwei Experimentaluntersuchungen dienen, von denen eine am Ctenophorenei, die andere am Molluskenei ausgeführt wurde. Das dotter- reiche Ctenophorenei besteht aus einer inneren, sehr leichten, grobvakuoligen Dottermasse mit einem protoplasmatischen Überzug. Es macht eine Mosaik- furchung durch, bei welcher auf dem vierten Teilstadium (Fig. 49) acht sehr Mosaikeier 173 große und acht sehr kleine, regehnäßig gruppierte Zellen, die Makromeren und die Mikromeren, entstanden sind. Es ist möglich eine Trennung der Teilstücke so vorzunehmen, daß sie noch von einer gemeinsamen Dotterhaut umschlossen bleiben. Der Experimentator erhält dadurch den Vorteil, daß er die aus einem Ei abstammenden Larven miteinander vergleichen kann. So sind in Figur 50 durch Zerlegung eines schon ziemlich weit abgefurchten Eies, bei welchem die Makromeren schon von den Mikromeren umwachsen waren, vier Stücke er- halten worden, die sich zu vier flimmernden Larven entwickelt haben. Aber diese sind nicht verkleinerte Normal- larven. Denn für die Ctenophoren sind acht Rippen von Flimmerplättchen typisch. Von den vier Larven unserer Figur hat aber eine drei, zwei haben zwei und die vierte und abnormste hat nur eine Rippe entwickelt. Erst alle aus einem Ei gezüchteten Larven er- ^3^: in 8 Makkomeren und m 8 Mikromeren. A vom A B Fig. 49^4 und B. Ctenophorenei, das in i6 Zellen geteilt ist: in 8 Makkomeren und in 8 Mikromeren. A vom ganzen sich, indem sie acht Rippen von ^.nimalen Pol, B von der Seite gesehen. Nach Ziegler. Flimmerplättchen besitzen. Dagegen hat jede von ihnen ein eigenes Darm- rohr und repräsentiert ein lebensfähi- geslndividuum, das von einer normalen Ctenophorenlarve nur durch Defekte an einem für dieLebenserhaltung unter- geordneten Organsysten abweicht. Zugunsten der Theorie der organ- bildenden Stoffe sind namentlich Ex- perimente verwertet worden, zu wel- chen die Eier von Mollusken, wie Z. ß. pig. 5^. vier Larven A, B, C. D, weiche aus einem Ei von von Dentalium, gedient haben. Schon ^^^'■°'' """^^^ '^"'^^ Zerlegung desselben in vier stücke ge- ° züchtet sind. Nach Fischel. h Eihülle, x Flimmerplättchen. vor der Teilung läßt das Ei von Denta- lium (Fig. 51,-^) drei Zonen unterscheiden, eine obere und eine untere helle Scheibe, die durch einen breiten, pigmentierten Ring voneinander geschieden werden. Bei Beginn der Teilung nimmt das Ei die bekannte Kleeblattform an, indem die untere helle Scheibe sich vorwölbt und durch eine tiefe Furche sich vom übrigen Inhalt als Pollappen absetzt. Dieser wird bei der ersten Teilung (Fig. 51,5) nur einer der beiden Tochterzellen zugeteilt, an welcher er sich alsdann wieder als helle Scheibe ähnlich wie auf dem Ausgangsstadium ausbreitet (Fig. 51, C). Ein entsprechender Vorgang, Bildung eines besonderen Follappens an der Tochterzelle, welche die Substanz für ihn erhalten hatte, wiederholt sich noch zweimal bei der zweiten und dritten Teilung. Erst auf dem vierten Stadium wird er als Zelle für sich, als sogenannter Somatoblast, abgetrennt. Man kann nun in verschiedenster Weise operative Eingriffe an den klei- nen Eiern vornehmen. Man kann mit einem feinen Messerchen den Pollappen während einer der Teilungen abschneiden. Dann entwickelt sich das Ei zwar 174 Oscar Hertwig: Allgem. u. experimentelle Morphologie u. Entwicklungslehre d. Tiere weiter und wandelt sich auch zur Gastrula um; die aus den Hüllen ausschlüp- fende Larve zeigt aber Defekte; für die Molluskenentwicklung charakteristische Organe, wie die posttrochale Region und das Apikaiorgan fehlen. Wenn man ferner während der ersten und der zweiten Teilung die Embryonalzellen von- einander trennt und isoliert weiter züchtet, so entwickeln alle, welche den Pol- lappen als Anhängsel besitzen, normale oder fast normale Zwerglarven von A B Fig. 51^ — C. Die ersten Entwicklungsstadien des Eies von Dentalium. Nach Wilson. A Ei eine Stunde nach der Befruchtung mit zwei Polzellen und dem oberen und unteren hellen scheibenförmigen Hof in seitlicher Ansicht. B Ei während der ersten Teilung in die Zellen AB und CD und auf dem Stadium der Kleeblattfigur. Der Pol- lappen /l bleibt bei der Durchschnürung mit der Zelle CD verbundeu. C Beendete Zweiteilung. Die Substanz des Pollappens hat sich wieder als helle Scheibe auf der unteren Fläche der Zelle CD ausgebreitet. halber oder viertel Größe, die anderen Embryonalzellen aber werden nur ver- kümmerte Larven, denen die posttrochale Region und das Apikaiorgan fehlen. Anhänger der organbildenden Substanzen oder der Mosaiktheorie haben daraus geschlossen, daß die Potenz oder das Material zur Bildung der fehlenden Organe in dem Pollappen enthalten ist; sie erblicken die Aufgabe des Furchungs- Prozesses darin, die im Ei regional verteilten formativen Stoffe voneinander zu sondern und auf die einzelnen Embryonalzellen zu verteilen, welche hier- durch für bestimmte Aufgaben in der weiteren Entwicklung determiniert wer- den. Nach ihrer Vorstellung gestaltet sich bei diesen Eiern der Anfang der Ent- wicklung zu einer Mosaikarbeit. In der Deutung des verschiedenen Ausfalls der Ergebnisse, zu welchen die experimentelle Untersuchung der,, Regulationseier "und der,, Mosaikeier"geführt hat, weichen zurzeit die einzelnen Forscher noch weit auseinander, doch besteht für mich kein Zweifel, daß die noch im Gang befindliche literarische Fehde schließlich zugunsten der früher (Seite 108 — 126) besprochenen ,,Idioplasma- kerntheorie" und der ,, Biogenesis" (Seite 164) ausfallen wird. Noch manche andere Wege sind der experimentellen Forschung bei dem Studium der ersten Entwicklungsprozesse im Tierreich eröffnet worden, doch müssen die auf den vorausgehenden Seiten mitgeteilten Experimente, wie ich glaube, wohl als die wichtigsten und als die erfolgreichsten bezeichnet werden. Ihre Besprechung in der ,, Kultur der Gegenwart" schien mir daher dringend ge- boten und geeignet zu sein, auch das Interesse weiterer Kreise für die Aufgaben der experimentellen Biologie zu erwecken. Literaturangaben und Anmerkungen. 1. (zu Seite 95): Der Leser, der genauere Auskunft über die im vorliegenden Kapitel ab- gehandelten Gegenstände wünscht, sei noch auf folgende Lehrbücher verwiesen: 1. Oscar Hertwig, Allgemeine Biologie. 4. Aufl. 1912. 2. Derselbe, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbel- tiere. 9. Aufl. 1910. 3. KORSCHELT und Heider, Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Allgemeiner Teil. 1902. 4. Edm. Wilson, The cell in development and inheritance. 2. Aufl. 1900. 2. (zu Seite 100) : Der Befruchtungsprozeß im Tierreich wurde zum erstenmal im Jahre 1875 durch Oscar Hertwig entdeckt und beschrieben in seiner Schrift: Beiträge zur Kenntnis der Bildung, Befruchtung und Teilung des tierischen Eies. Morphol. Jahrb. Bd. I 1875. Bd. III 1877. Bd. IV 1878. Im Anschluß an diese Entdeckung wurde bald darauf auch der Befruchtungs- vorgang bei phanerogamen Pflanzen durch Strasburger aufgeklärt: Über Befruchtung und Zell- teilung. Jena 1878, Ein weiterer, wichtiger Fortschritt in der Erkenntnis des Befruchtungs- prozesses wurde 1883 durch die ausgezeichnete Untersuchung Ed. von Benedens herbeigeführt: Recherches sur la maturation de l'oeuf, la fecondation et la division cellulaire. 3 . (zu Seite 109) : Den Begriff der Artzelle habe ich in meiner allgemeinen Biologie , 4. Aufl. S. 454, 710 — 715, eingeführt und näher begründet. 4. (zu Seite 109): G.Mendel, Versuche über Pflanzenhybriden. Zwei Abhandl. 1865 u. 1869. Abgedruckt in Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften. Nr. 121. 1901. 5. (zu Seite 1 10): C. v. NÄGELI, Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre. München u. Leipzig. 1884. 6. (zu Seite iii): ED. v. Beneden, Recherches sur la maturation de Toeuf, la fecondation et la division cellulaire. 1883. Th. Boveri, Zellstudien: Jena 1887, 1888. 7. (zu Seite 116): Daß Ei- und Samenbildung parallele Vorgänge zeigen, die sich Punkt für Punkt entsprechen, wurde 1890 von Oscar Hertwig nachgewiesen in der Schrift: Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden. (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36. 1890.) 8. (zu Seite 121): In kurzer Zeit ist über die Mendelschen Regeln eine große Literatur ent- standen, aus welcher besonders folgende Schriften namhaft gemacht seien: 1. B.\teson, Mendel's principles of heredity. Cambridge 1909. 2. E. Baur, Einführung in die experimentelle Vererbungslehre. 1911. 3. V. H AECKER, Allgemeine Vererbungslehre. 191 1. 4. Goldschmidt: Einführung in die Vererbungswissenschaft. 1911, 9. (zu Seite 123): Das Studium der Wirkungen, welche Radiumstrahlung auf biologische Prozesse ausübt, gehört ganz der neuesten Zeit an. Eine kurze Darstellung der bisher ge- wonnenen Ergebnisse findet sich in dem soeben erschienenen Handbuch der Radiumbiologie und Therapie 19 13 in Kapitel XI. OscAR Hertwig, Radiumeinwirkung auf das lebende Gewebe und auf embryonale Entwicklungsprozesse. Seite 163 — 184. 10. (zu Seite 150): W. His. Unsere Körperform und das physiologische Problem ihrer Entstehung. Briefe an einen befreundeten Naturforscher. Leipzig 1874. 11. (zu Seite 154): C.E. v. Baer. De ovi mammalium et hominis genesiepistola. Lipsiae 1827. 12. (zu Seite 164): Außer den unter Nr. i schon aufgeführten Lehrbüchern seien noch genannt: OsCAR Hertwig. Der Kampf um Kernfragen der Entwicklungs- und Vererbungs- lehre. Jena 1909. H. Driesch. Analytische Theorie der organischen Entwicklung. Leipzig 1894. C. Rabl. Über organbildende Substanzen und ihre Bedeutung für die Vererbung. Leipzig 1906. Aug. Weismann. Das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung. Jena 1912. W. Roux. Ge- sammelte Abhandlungen über Entwicklungsmechanik. Ferner sind folgende Lehrbücher der experimentellen Entwicklungslehre noch anzuführen: Morgan, Th. H. The developement of the frog's egg. An introduction to experiraental embryology. 1897. Maas, O. Einführung in die experimentelle Entwicklungsgeschichte. 1903. Morgan, Th. H. Experimentelle Zoologie. Deutsche Übersetzung von Rhumbler. 1909. Jenkinson. Experimental embryology. Oxford 1909. ENTWICKLUNGSGESCHICHTE UND MORPHOLOGIE DER WIRBELLOSEN. Von Karl Heider. I. EINLEITUNG. Vor die Aufgabe gestellt, eine tierische Form wissenschaftlich zu beschrei- ben, werden wir folgende Punkte zu beachten haben: Tektonik j Dig Achsen- und Symmetrieverhältnisse oder das rein Pro- der Tiere. . .--. ,, morphologische, um mit Haeckel zu sprechen. Wir werden zu erörtern haben, ob das betreffende Wesen radiär oder bilateralsymmetrisch gebaut ist und welche Hauptrichtungen durch besondere Organbildungen im Körper gekenn- zeichnet sind. Es wird sich hieran die Behandlung der Frage schließen, ob die Wiederholung gleichartiger Organe nur im Umkreise der Hauptachse, also nach Antimeren, oder auch in regelmäßiger Aufeinanderfolge nach der Länge der Hauptachse, das heißt nach Metameren, stattfindet. 2. Den Schichtenbau des Körpers. Im allgemeinen kann man aus- sprechen, daß die Haut die äußere Körperschicht, die Darmwand die innerste Körperschicht der Tiere darstellt, zwischen welchen sich je nach Organisations- höhe der betreffenden Form noch mannigfaltige Zwischenschichten einschieben. 3. Den Bau und die Anordnung der einzelnen Organe. Erst nach Feststellung der Achsenverhältnisse und des Schichtenbaues werden wir auf die mit ihrer Funktion so innig verknüpfte Gestalt der einzelnen Organe resp. Organsysteme einzugehen haben. Wir werden hierbei vor allem das rela- tive Lageverhältnis der Organe zueinander im Auge behalten müssen. 4. Den histologischen Aufbau der Organe. Wir werden den einzel- nen Geweben, der Zusammensetzung der Organe aus Zellen und dem spezifi- schen Charakter der Zellen und der Zellprodukte unsere Aufmerksamkeit zu- zuwenden haben. Auch in dieser Beziehung scheiden sich die großen Stämme des Tierreichs vielfach in ungemein charakteristischer Weise. Es sei daran er- innert, daß Knorpel- und Knochengewebe fast ausschließlich im Kreise der Vertebraten zur Entwicklung kommt, daß nur bei diesen geschichtete Epithe- lien zu finden sind, daß in jenen Gruppen, in denen stärkere Cuticularisierung der Körperoberflächen eintritt, die Fähigkeit Wimperepithelien zu entwickeln völhg abhanden kommt, wie bei den Nematoden und Arthropoden, daß Nessel- zellen zu den charakteristischen Eigentümlichkeiten einer Gruppe der Coelente- raten gehören, während den Spongien Kragenzellen zukommen und Ähnliches. Gleichsam als hätte die Natur uns selbst auf die im vorstehenden gekenn- zeichnete Reihenfolge in der Erkenntnis des morphologischen Aufbaues der Tektonik der Tiere. Entwicklungsperioden 177 tierischen Form verweisen wollen, so ergibt sich in der Entwicklung der einzel- nen Lebensformen aus dem befruchteten Ei eine mit der vorstehenden Auf- stellung übereinstimmende Folge fortschreitender Differenzierung. Schon Karl Ernst von Baer unterschied in der embryonalen Entwicklung der Tiere vier Abschnitte: 1. Die Periode der Furchung. Sie kann als jene Zeitperiode in der Kntwickiungs- Entwicklung betrachtet werden, in welcher uns von Differenzierungen eigentlich nichts als die primären Achsen- und Symmetrieverhältnisse der betreffenden Lebensform entgegentreten. Schon das befruchtete Ei (Fig. l) ist stets ein axial gebauter Organismus und die primäre Eiachse {a — v) erhält sich in allen folgenden Entwicklungsstufen, wenngleich vielfach später in ihren Beziehungen zu den einzelnen Organen sich verändernd. Wenn durch aufeinanderfolgende Zellteilungen (Furchung des Eies) ein anfangs mehr homogenes Material an ein- zelnen Bausteinen oder Lebenselementen geschaffen wird (Fig. 2), so zeigt letzte- res die vom Ei überkommene axiale Anordnung, während frühzeitig die Aus- bildung von Nebenachsen, das Auftreten bilateral-symmetrischer Blastomeren- anordnung usw. einsetzt. 2. Die Periode der Keimblätterbildung. Sie ist der Anlage des primären Schichtenbaues der betreffenden Lebensform gewidmet. Ist in der Periode der Furchung — wie erwähnt — • nur ein mehr gleichartiges, bloß nach Achsen- und Symmetrieverhältnissen geordnetes Zellmaterial gegeben, so kom- men jetzt differente Körperschichten: die Keimblätter des Embryos in Er- scheinung. Da von der unendlichen Mannigfaltigkeit einzelner Organbildungen noch nichts vorhanden ist, so tritt uns in dieser Periode der Schichtenbau des betreffenden Wesens in vereinfachter übersichtlicher Form entgegen — Grund genug für die Tatsache, daß die Aufklärung der Vorgänge der Keimblätter- bildung ein Lieblingsthema für die Untersuchungen der Embryologen gebil- det hat. 3. Die Periode der Organentwicklung. In dieser werden aus den nun angelegten Körperschichten die einzelnen Organe hervorgebildet. Ein fort- schreitender Umwandlungs- und Differenzierungsprozeß, von einfachsten An- lagen bis zu immer komplizierteren Bildungen führend, bringt schließlich die definitive Form der einzelnen Organe hervor. 4. Die Periode der histologischen Differenzierung. Verhältnis- mäßigspät, erst dann, wenn die Organe des Embryos sich anschicken, zur selb- ständigen Ausübung ihrer Funktion überzugehen, treten jene mannigfaltigen Umwandlungen an ihren Zellen ein, welche zu diesen Funktionen in Beziehung stehen. Nun erst werden Interzellularsubstanzen gebildet, Wimpern entwickelt, Muskel- und Nerveniibrillen treten in Erscheinung, die Drüsenzellen zeigen Spu- ren ihres charakteristischen Inhaltes usw. Demgegenüber weisen die Zellen der Entwicklungsstufen der früheren Perioden, wie man sich auszudrücken pflegt, embryonalen Charakter auf. Es sind mehr gleichartige, der Differenzierung entbehrende Elemente. K.d.G.IU.iv,Bd2 ZeUenlehre etc. II 12 178 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen A. Achsen- und Symmetrieverhältnisse. Nicht im Sinne geometrisch streng festgelegter Linien oder kristallogra- phischer Achsen, sondern mehr zur Kennzeichnung bestimmter den Körper durch- setzender Richtungen sprechen wir bei der Beschreibung der uns hier interes- sierenden Lebensformen von Körperachsen. So z. B. wenn wir im Körper des Menschen eine vom Scheitel zum Fußpunkt ziehende Hauptachse von einer die rechte und linke Körperhälfte verbindenden Dextrosinistralachse und einer vom Rücken zur Bauchseite ziehenden Dorsoventralachse scheiden. Wir würden CL besser von dextrosinistraler resp. von dorso- ventraler Richtung sprechen. Immerhin hat die Annahme bestimmter Achsen, die ja in manchen Fällen schärfer als in dem herange- zogenen Beispiele ausgeprägt erscheinen, sich in der Beschreibung der Tiere eingebürgert und mag sonach auch hier festgehalten wer- den. Wir unterscheiden isopole und heteropole Körperachsen. Von isopolen Achsen sprechen wir dann, wenn die betreffende Körperrich- tungzwei Organbildungen gleichartiger Natur miteinander verbindet, wie z. B. im Körper des Menschen die beiden Schultergelenke und die beiden Hüftgelenke durch eine in dextro- sinistraler Richtung verlaufende Linie verbun- den gedacht werden können. Als heteropole Achsen werden solche bezeichnet, deren Enden durch differente Organbildungen eingenom- men erscheinen. So ist die dorsoventrale Rich- tung im Körper des Menschen und der Bilaterien eine heteropole, da sie Organe der Rücken- mit den davon verschiedenen Organen der Bauchseite verbindet. Die Haupt- oder Körperlängsachse der Tiere ist stets eine heteropole, da sie Regionen differenter Art, z. B. die Schnauzenspitze mit der Schwanzspitze ver- bindet. Es tritt im Tierreiche im allgemeinen die Tendenz zutage, mit fort- schreitender Differenzierung an Stelle von isopolen heteropole Körperachsen zur Ausbildung zu bringen. Wir unterscheiden bei den Tieren folgende durch ihre Achsen- und Sym- metrieverhältnisse gekennzeichnete Haupttypen der Gestaltung: I. Der monaxone Typus, welcher durch das Vorhandensein einer ein- zigen, heteropol differenzierten Achse, der primären Längsachse, gekennzeich- net ist. Schon das befruchtete Ei (Fig. i) ist in den meisten Fällen ein monaxo- nes Gebilde. Die Hauptachse [a — v), hier als primäre Eiachse bezeichnet, reicht vom animalen zum vegetativen Pole. Der animale Pol (a) ist durch die Lage der Richtungskörperchen [r), durch die genäherte Lage des Zellkerns (ersten Furchungskernes k) und durch dichtere Ansammlung plastischer proto- u Fig. I. Befruchtete Eizelle im Durchschnitt (Schema), a — v primäre Eiachse, a animaler Pol, v vegetativer Pol, r Richtungskörperchen, k erster Furchungskern, d Nahrungsdotter- kügelchen. Achsen- und Symmetrieverhältnisse. Monaxoner Typus 179 a plasmatischer Substanzen (Bildungsdotter) gekennzeichnet, während die dem vegetativen Pole [v) genäherte Eihälfte durch reichlicheres Vorhandensein von Nahrungsdotter {d) auffällt. Wenn dann in der Periode der Furchung (Fig. 2A) durch fortgesetzte Zellteilungen der Eiin- halt in eine größere Zahl von Furchungs- kugeln (Blastomeren) zerfällt, erhält sich der gekennzeichnete axiale Bau. Sowohl an den Furchungsstadien, als auch an dem darauf folgenden Stadium der einschich- tigen Keimblase (Blastulastadium Fig. 2B) kennzeichnet sich der animale Pol als jene Stelle des Keimes, an welcher die Zellen die geringste Größe aufweisen, während die Zel- len des vegetativen Poles durch beträcht- lichere Größenentwicklung und körnchen- reicheren Inhalt auffallen. a .-^ ,efi -^ad Fig. 2. A Späteres Furchungsstadium, B Bla- stulastadium im Durchschnitt (Schema). a — V primäre Eiachse, a animaler Pol, durch die Richtungskörperchen gekennzeichnet, v vege- tativer Pol, f Furchungshöhle (Blastocoel), auch als primäre Leibeshöhle bezeichnet. F i g. 3. Einstülpungs-Gastrula im Durchschnitt (Schema). Man vergleiche das vorhergehende Stadium Fig. 2 B. Durch Ein- stülpung der Zellen der vegetativen Hälfte ist der Urdarm [ud) entwickelt worden, a — a primäre Eiachse, ec Ectoderm oder äußeres Keimblatt, en Entoderm oder inneres Keimblatt, /"primäre Leibeshöhle, aus der Furchungshöhle hervorgegangen, tid Urdarmhöhle, bp Urmund oder Blastoporus. Wenn sodann die Periode der Keimblätterbildung einsetzt, indem die Zel- len des vegetativen Poles durch einen Einstülpungsvorgang in das Innere ver- lagert werden (Fig. 3), wodurch das erste primäre Organ des Keimes, der Ur- darm (wi), zur Entwicklung gelangt (Gastrulastadium), so bleibt auch hier noch vielfach der ursprüngliche monaxone Bau des Keimes erhalten. Die primäre Körperachse {a — a) zieht in diesem Falle vom Scheitel der Gastrula zu dem gegenüberliegenden Urmund (Blastoporus hp). 12' i8o K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen 2. Der radiär-symmetrische Typus geht aus dem monaxonen Bau dadurch hervor, daß im Umkreise der Hauptachse bestimmte unter sich gleich- artige Organe in mehrfacher Zahl zur Entwicklung kommen. Sie kennzeichnen uns dann die sogenannten Nebenachsen. Wir sprechen in diesem Falle von so vielen Radien, als derartige ausgezeichnete Organe zu beobachten sind. So würde in dem Falle des von uns gewählten Beispieles (Stauridium cladonema [Fig. 4], ein Hydroidpolyp) durch das Auftreten von vier Tentakeln eine vier- -/• Fig. 4. A Seitenansicht eines Hydroidpolypen mit vierstrahlig radiär- symmetrischem Bau, Stauridium cladonema. B Schema eines Quer- schnittes in der Höhe des vorderen Tentakelkranzes ; ein Antimer durch Schraffierung gekennzeichnet, a — a Hauptachse, r — r, r — r die Nebenachsen resp. die vier Radien, i^i, r"— zdie Interradien, m Mund. strahlige Radiärsymmetrie begründet sein. Wir können dies Wesen durch zwei den Radien entsprechende Schnittebenen (r — r inFig.4B) in vier gleiche Viertel zerlegen. Aber auch durch zwei, gegen die genannten um 45° verschobene interradial gelagerte Ebenen (f — i) wird eine solche Teilung in vier gleiche Viertel bewerkstelligt werden können. Derartige Teilstücke bezeichnen wir sodann als Gegenstücke oder Antimeren. 3. Der disymmetrische Typus findet sich selten z. B. in der merk- würdigen Gruppe der Rippenquallen oder Ctenophoren (Fig. 5). Er kann gewissermaßen als Vorstufe des Bilateraltypus betrachtet werden und läßt sich von dem vierstrahligen Radiärtypus ableiten unter der Annahme, daß von den vier Radien je zwei [h, h und c, c in Fig. 5B) unter sich gleich, aber von den benachbarten different entwickelt wurden. Wir haben sonach hier zwei isopole differente Nebenachsen. Radiärtypus, disymmetrischer, Bilateral- und asymmetrischer Typus l8l 4. Der Bilateraltypus, welcher dem Bau der meisten Tiere, an denen wir ein Vorn und Hinten, ein Rechts und Links, eine Rücken- und eine Bauch- seite unterscheiden können, zugrunde liegt. Der Bau einer Eidechse kann uns hier als Typus dienen. Diehete- ropole Körperlängsachse oder Hauptachse verbindet die Schnauzenspitze mit der Schwanzspitze. Von den beiden in jedem beliebigen Quer- schnitte zu konstruierenden Ne- benachsen ist die vom Rücken zum Bauch ziehende heteropol, während die von rechts nach links laufende isopol ist. Ein anderes Beispiel bilateralsym- metrischen Körperbaues stellt ein vielen Wurm- und Mollus- kenformen zukommendes Ju- gendstadium, die sog. Trocho- phora (Fig. 6) dar. Der birnför- mige Körperumriß erinnert an die Ctenophoren (Fig. 5 A). Wie dort so ist auch hier der eine Pol der Hauptachse {a — a') durch ein eigenartiges Sinnesorgan (die sog. Scheitelplatte sp) ein- genommen, während wir am Gegenpol den After {an) vorfin- den. Zwei Wimperkränze {pt und mt) umziehen den Äquator des Körpers. Die Bauchseite [v] ist durch die Lage der Mundöff- nung (w) und durch eine vom postoralen Wimperreifen gegen den After sich erstreckende Wimperfurche {nt) markiert. Das Hauptkennzeichen die- ses Bauplanes ist darin gegeben, daß der Körper durch eine einzige Ebene (Fig. 6C, d — v), welche durch die Lage der Hauptachse und der Dorsoventralachse bestimmt ist, in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften zerlegt werden kann. Darin ist es auch begründet, daß an jedem Querschnitte gleichartige Organbildungen nur in der Zweizahl auftreten können. 5. Der asymmetrische Typus. Er geht aus dem Bilateraltypus da- durch hervor, daß die rechte und linke Körperhälfte sich in differenter Weise 'I? Fig. 5. Schematische Darstellung des Baues einer Rippenqualle zur Verdeutlichung des disymmetrischen Typus. A Seitenansicht, ß Ansicht vom Scheitelpole. a — a Hauptachse, i — d, c — c Neben- achsen, m Mund, j Sinneskörper, t Fangfaden oder Tentakel. l82 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen entwickeln. Derartige Fälle von asymmetrischer Körperentwicklung sind be- sonders im Kreise der Mollusken (bei den Schnecken) verbreitet. In diesem Falle sind dann drei aufeinander senkrecht stehende, heteropol entwickelte Körperachsen oder Richtungen zur Ausbildung gekommen. nv ^7//0' \a/2. (t Fig. 6. Schematisclie Darstellung der freischwimmen- den Larvenform eines marinen Ringelwurras, sog.Trocho- phora (im Anschlüsse an Hatschek). Zur Erörterung des bilateral-symmetrischen Bauplanes. A Ansicht von der linken Körperseite, B Ansicht von der Ventralseite, C Ansicht vom Scheitelpole. In A und C schimmert von den inneren Organen der Darm durch. In A und B bezeichnet die Linie a — a die Hauptachse oder die spätere Längsachse des Körpers, a kennzeichnet das spätere Vorderende, a' das spätere Hinterende des Wurmes. In C entspricht die Linie d — v der vom Rücken zur Bauchseite ziehenden Nebenachse (Dorsoventral- achse), die Linie r — / der von der rechten zur linken Körperseite ziehenden Nebenachse (Dextrosinistral- achse). a — a' Hauptachse, an After, d dorsal, / links, ■m IMund, 7>is Mitteldarm oder Mesenteron, 7nt posto- ralerWimperkranz oderMetatroch, «2* ventrale Flimmer- rinne oder Neurotrochoid, pr Hinterdarm oder Procto- daeum, pi praeoraler Wimperkranz oder Prototroch, >■ rechts, sp apicales Sinnesorgan, sog. Scheitelplatte, st Vorderdarm oder Stomodaeum, v ventral. B. Antimeren und Metameren. Schnittebenen, welche durch den Körper eines Tieres derartig gelegt wer- den, daß die Längsachse in sie fällt und daß der Körper durch dieselben in gleiche oder spiegelbildlich gleiche Teile zerlegt wird, teilen den Körper in Gegenstücke oder Antimeren. Wir haben schon oben (S. l8o) davon ge- sprochen. Bei bilateral-symmetrischen Tieren sind nur zwei spiegelbildlich Antimeren und Metameren 183 gleiche Antimeren vorhanden: die rechte und linke Körperhälfte. Die Ebene (Fig. 6C, d — v), welche hier die beiden Antimeren voneinander trennt, wird als Medianebene bezeichnet. Sie ist für die Auffassung des Körperbaues der Bilaterien von besonderer Wichtigkeit. In sie müssen alle jene Organe fallen, welche nur in der Einzahl vorhanden sind, z. B. bei Vertebratenembryonen: der Darm, die Chorda und das Medullarrohr. Dagegen müssen bei streng durch- geführter bilateraler Symmetrie alle Organe, welche nicht in die Medianebene fallen, doppelt vorhanden sein. Der Körpereines radiärsymmetrischen Tieres zerfällt durch Teilung in der Richtung der Inter- radien [i, i in Fig. 4B) in so viele Antimeren als Radien zu unterscheiden sind, und zwar sind die Antimeren in diesem Falle gleich und kongruent. Dagegen kann hier jedes einzelne Antimer durch eine radiär geführte Schnittebene in zwei spiegel- bildlich gleiche Hälften geteilt werden. Die Antimeren bezeichnen uns also jene seit- lichen Körperabschnitte, welche durch gleich- artige Organbildungen gekennzeichnet sind. Dagegen finden wir bei vielen Tieren eine Wieder- holung gleichartiger Organbildungen in hinter- einander gelegenen Körperabschnitten (Fig. 7), und diese werden dann als Folgestücke oder Me- tameren bezeichnet. So zeigt uns z. B. ein Tau- sendfuß zahlreiche hintereinander folgende Bein- paare. In den meisten Fällen sind die einzelnen Metameren durch Ringfurchen voneinander ge- trennt. Wir sprechen daher von metamerer Seg- mentierung und bezeichnen die hintereinander folgenden, durch gleichartige Organentwicklung gekennzeichneten Körperabschnitte als Seg- mente. So beruht z. B. jene Ringelung, welche der Körper des Regenwurmes und vieler anderer Tiere auf den ersten Blick erkennen läßt, auf metamerer Segmentierung. Die Entwicklungsgeschichte lehrt, daß metamere Entwicklung des Körpers zuerst in den Bildungen des mittleren Keimblattes (des Mesoderms) zum Aus- druck kommt. Da das mittlere Keimblatt innige Beziehungen zur Entwicklung der Geschlechtsorgane der Bilaterien erkennen läßt, so wäre man wohl ver- sucht, in einer regelmäßigen Aufeinanderfolge multipel ausgebildeter Ge- schlechtsdrüsen (Gonaden) den ersten Urquell für die Entstehung meta- merer Segmentierung zu erblicken. Besonders sind es die Verhältnisse bei den metamer gegliederten Bandwürmern, welche nach dieser Richtung suggestiv wirken. Fig. 7. Vorderes Körperende eines ma- rinen Ringelwurms, Eunice limosa (nach Ehlbrs) als Beispiel für metamere Seg- mentierung des Körpers. Der Rumpf- abschnitt des Tieres zerfäUt in hinter- einander folgende Ringel oder Segmente, welche gleichartig oder ähnlich gebaut sind. i84 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Sind alle Körpersegmente eines metamer gegliederten Tieres unter sich bleich oder doch nahezu gleich, so sprechen wir von homonomer Segmentierung. Aber das in der Natur so unendlich wirksame Gesetz fortschreitender Differen- zierung führt in vielen Fällen dazu, daß gewisse Segmentgruppen zu höheren Einheiten zusammengefaßt und von den übrigen Regionen des Körpers dif- ferent werden. Wir sprechen im Falle derartiger Regionenbildung an metamer gegliederten Tieren von heteronomer Segmentierung. So besteht der Körper eines Insekts aus drei Abschnitten: Kopf, Brust und Hinterleib, von denen jeder aus einer bestimmten Zahl von Körpersegmenten zusammengesetzt ist. Die einzelnen Segmente dieser drei Regionen, durch die Beschaffenheit ihrer An- hänge sowie durch sonstige Merkmale des Baues deutlich voneinander ver- schieden, erscheinen bei ihrem ersten Auftreten im Insektenembryo viel gleich- artiger entwickelt. C. Protozoen und Metazoen. Die erste oberste Einteilung des Tierreiches führt zur Scheidung zweier großer Stämme, die wir mit Haeckel als Protozoen und Metazoen bezeichnen. Wir rechnen zu den Protozoen alle jene niedersten, meist einzelligen Organis- men, welche sich nach der Art ihrer Ernährung und Fortbewegung als nähere Verwandte der tierischen Reihe kennzeichnen. Freilich sind hier die Grenzen gegenüber niedersten pflanzlichen Formen vielfach kaum zu finden. Den Pro- tozoen werden als Metazoen alle jene Tiere gegenübergestellt, deren Körper aus zahlreichen Zellen zusammengesetzt, eine Individuahtät höherer Ordnung, eine aus einer Zellkolonie hervorgegangene Lebenseinheit darstellt. Indem diese den Körper der Metazoen zusammensetzenden Einzelelemente sich verschiedenen Aufgaben widmen, kommt es zur Sonderung differenter Gewebe, daher man die Metazoen auch als ,, Gewebetiere" bezeichnet hat. Es gehört zu den Eigentüm- hchkeiten der Metazoen, daß die ersten zur Anlage kommenden Gewebsformen des Körpers schichtweise entwickelt werden. Diese Schichten werden als ,, Keimblätter" bezeichnet, wonach für die Metazoen auch der Ausdruck,, Keim- blattiere" geprägt wurde. Wir können sagen, daß der Aufbau aller Metazoen sich in letzter Linie auf das Gastrulastadium (Fig. 3, S. 179) zurückführen läßt. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die Kluft zwischen Protozoen und Meta- zoen zu überbrücken. Man hat gewisse, einfach organisierte Lebensformen in eine zwischen diesen stehende, vermittelnde Gruppe der Mesozoen vereinigt. Es handelt sich hier um Wesen etwas zweifelhafter Art. Während es in gewissen Fällen parasitäre Formen sind und der Gedanke naheliegt, daß ihre Organisation infolge des Schmarotzertums eine sekundäre Vereinfachung erfahren hat, möchten wir es in anderen Fällen nur mit Jugendzuständen zu tun haben, deren Entwicklungzyklus bisher ungenügend erkannt ist. Im allgemeinen weist uns die Ontogenie der Metazoen den Weg, auf dem die Kluft zwischen Proto- zoen und Metazoen zu überbrücken ist. Sie lehrt uns, wie der Metazoenor- ganismus, von einem einzelligen Ausgangspunkte (der Eizelle) ausgehend, durch mannigfaltige mit Zellteilungen verbundene Umwandlungen zu immer kom- plizierteren Organisationsstufen emporsteigt. Protozoen und Metazoen. Systematische Übersicht 185 D. Übersicht des zoologischen Systems. Zur Orientierung der Leser und um für das Folgende ein übersichtliches Schema des Aufbaues des Tierreiches nach seinen über- und untergeordneten Gruppen vorauszuschicken, bringen wir hier eine Zusammenstellung des in diesen Blättern zur Anwendung kommenden Systems. Es handelt sich uns hierbei mehr um eine Gruppierung zum Zwecke, dem Leser das Verständnis zu erleichtern, als um eine Aufstellung von streng wissenschaftlichem Charakter. Daher haben auch einzelne Gruppen, wie die nur als populärer Sammelbegriff zu betrachtende der ,, Würmer oder Vermes" hier Aufnahme gefunden. Regnum animale. Tierreich. Subregnum Divisio Subdivisio Typus Unterreich Abteilung Unterabteilung Tierkreis I. Protozoa I. Protozoa Urtiere II. Metazoa A. Cocleritej-ata II. Spongiaria Schvvammtiere Keimblattiere Pflanzentiere III. Cnidaria Nesseltiere IV. Ctenophora Rippenquallen B. Bilatei'ia a) Protostomia V. Vermes Würmer. Hierher die Scolecida und Annelida VI. Arthropoda Gliederfüßler. Hier- her die Crustacea, Arachno- morpha und Antennata VII. Mollusca Weichtiere VIII. Tentaculata Kranzfühler. Hier- her die Bryozoen und Brachio- poden b) Deuterostomia IX. Chaetognatha Borstenkiefer. Hierher Sagitta X. Enteropneusta Schlundatmer XI. Echinodermata Stachelhäuter XII. Chordonia Chordatiere. Hier- her die Tunicata (Manteltiere), Acrania (Kopflose) und die Vertebrata (Wirbeltiere) Es ist hier nur die Gliederung der Gruppen des Tierreiches bis herab zu den Typen (Tierkreisen) gegeben worden. Wie sich die Typen weiter in Klassen und Ordnungen auflösen, soll gelegentlich an verschiedenen Stellen des Textes angedeutet werden. Im übrigen sei auf die Aufstellung von C. Grobben in Claus- Grobben, Lehrbuch der Zoologie, 2. Auflage, Marburg 1909, S. 21, ver- wiesen, der wir hier im wesentlichen nachgefolgt sind. Wir haben im vorhergehenden als Beispiele einige Grundformen morpho- logischer Gestaltung herangezogen, die uns weiterhin noch mehrfach beschäf- tigen werden. Es sind dies die Formen der Gastrula (Fig. 3), der Ctenophore (Fig. 5) und der Trochophora (Fig. 6). Wir werden sehen, daß viele Formen der tierischen Organisation sich in letzter Linie auf diese Urtypen zurückführen lassen. l86 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen II. COELENTERATA. PFLANZENTIERE. Die niedersten Formen der Metazoen stehen ihrem Baue nach dem oben gekennzeichneten Gastrulastadium noch ziemlich nahe und lassen sich unschwer auf diese Grundform zurückführen. Immerhin begegnen wir schon hier einer verwirrenden Mannigfaltigkeit von Gestalten. Es handelt sich zum Teil um massige am Grunde des Meeres festgewachsene Gebilde, wie bei den Schwäm- men, zum Teil um blumenähnliche Wesen, wie bei den Seeanemonen, um baum- förmig verästelte Formen, anscheinend mit Blütenköpfchen, wie sie uns in der Gruppe der Korallen entgegentreten, oder um jene wundervollen Glasglocken des Meeres, die man als Quallen bezeichnet. So abweichend von allen anderen tierischen Gebilden erschienen den ersten Untersuchern diese merkwürdigen Wesen, daß sie sie als Zoophyten dem Pflanzenreiche zu nähern suchten. Finne, im Ausdrucke stets geistreich und von treffender Kürze, nennt sie: ,,Plantae vegetantes, floribus animatis." Bei näherer Betrachtung erweisen sie sich als echte Tiere, Darmwesen, welche ihre Beute mit Fangfäden erhaschen, mit dem Munde verschlingen und in ihrem Magen verdauen. Einigen dieser Formen kommen komplizierte Sinnesapparate und ein wohlentwickeltes Nerven- system zu. Es wird sich für uns darum handeln, die ganze Mannigfaltigkeit jener Formen, die wir als Coelenteraten zusammenfassen, in Gruppen zu ordnen, für jeden einzelnen dieser so gewonnenen Typen das Grundschema des Baues zu erläutern und auf Grund ihrer Entwicklungsweise die Zurückführung auf die einfache Form des Gastrulastadiums zu versuchen. Halten wir zunächst drei Grundtypen der Coelenteraten auseinander: I. den Schwammtypus (Typus der Spongien oder Poriferen), 2. den Nesseltier- typus (Typus der Cnidarien) und 3. den Kammquallentypus (Typus der Cteno- phoren). Erst wenn wir uns mit diesen drei Typen vertraut gemacht haben, werden wir uns in die Lage versetzt sehen, das ihnen Gemeinsame ins Auge zu fassen. A. Spongien oder Poriferen, Schwämme. Die Schwämme sind vorwiegend Bewohner des Meeresgrundes. Eine ein- heitHche Grundform ist an ihnen kaum festzustellen. Als klumpige, massige, unregelmäßige Gebilde erscheinen sie auf Steinen festgewachsen, manche nehmen verästelte Gestalt an, andere überziehen die Felsen des Meeresgrundes als unregelmäßig geformte Krusten. Von Bewegung ist an ihnen kaum etwas zu bemerken. Doch finden wir ihre Oberfläche von feinen Lücken (Poren) durchsetzt, welche sich manchmal, dank der Wirksamkeit kontraktiler Zellen, öffnen und schließen. Eine Strömung des Wassers, durch Geißelzellen des inneren Kanalsystems verursacht, fließt durch diese Poren (Fig. 8 po) ein und verläßt den Schwamm durch eine größere After- oder Kloakenöffnung (Fig. 8 os), die man unpassenderweise als Osculum bezeichnet. Mit dieser Wasser- strömung werden kleinste Nahrungspartikelchen herbeigeführt. Der Schwamm erscheint als eine Einrichtung zur Filtration des Seewassers. Bau der Spongien 187 Um den Grundbauplan dieser lethargischen Wesen zu erkennen, müssen wir uns an die kleineren und gracilen Formen halten, die wir in der Gruppe der Kalkschwämme vorfinden. Es sind dies Formen, die sich ein Skelett aus zier- lichen Kalknadeln bauen, ein Lieblingsobjekt morphologischer Forschung seit den Zeiten, da die jugendfrische Begeisterung Haeckels sich ihrem Studium zuwandte. Ein Entwicklungsstadium aus dem Kreise dieser Formen, ein Miniaturschwämmchen einfach- ster Art, wird als Olynthus bezeich- net (Fig. 8). Es stellt sich uns als ein zylinderförmig gestaltetes oder mörserförmiges (schlauchartiges) Hohlwesen dar. Die Hauptachse des Körpers ist leicht festzustellen. Mit dem einen Pole derselben ist das Tier an einer festen Unterlage angewachsen, während wir an dem gegenüberliegenden Pole eine grö- ßere Öffnung, das schon erwähnte Osculum, die Ausströmungs- oder Afteröffnung (Fig. 8 os) erkennen. Das Innere nimmt ein einheitlicher Hohlraum, die Magen- oder Ga- stralhöhle, ein, welcher, durch zahl- reiche in der Leibeswandung be- findliche Foren{po) gewissermaßen sekundär entstandene vervielfäl- F i g. 8. Olynthus-Stadium von Sycon raphanus. Nach F. E. Schulze. tlgte Mundöffnungen darstellend, ^/ oberflächUches Plattenepithel, wj- MesenchymzeUen, / erste Anlage der Sklerite oder Kalkkörper in Zellen des sich bildenden Mesoderms. Scyphopolyp. Bau der Anthozoen 203 mesenchymatische Elemente, aus dem Ektoderm stammend, durch amoeboide Wanderung in die Grundsubstanz gelangen (Fig. 27). Die Körpergestalt ist im allgemeinen kurz zylindrisch oder trommeiförmig (Fig. 28). Die untere Fläche, mit welcher das Tier festsitzt, wird als basale Fußscheibe, die obere, von Tentakeln umstellte und von der spaltförmigen Mundöffnung durchbohrte End- fläche als Mundscheibe unterschieden. Der Mund führt nicht direkt, sondern durch Vermittlung eines nach innen herabhängenden Schlundrohres (Stomo- daeum, seh) in den Magen, welches, durch Einstülpung der Mundscheibe ent- F i g. 28. Schomatische Darstellung eines Anthozoenpolypen. Nach Kennel, scÄ Schlundrohr, i Tentakel, ^ Septen, rk Durchbohrung derselben, ^ Geschlechtsorgane, /" Gastralfilamente. Fig. 29. Längsschnitt durch die linke Hälfte des Körpers eines Anthozoen- polypen. Nach Hertwig aus Hatscheks Lehrbuch. Er zeigt ein Septum mit allen seinen Differenzierungen. ^ Ten- takel, sck Schlund wand, w Mesenterial- filament, ^ Geschlechtsorgan, /j inneres Septalostiura, 4 äußeres Septalostium; ferner sind am Septum Längsmuskeln. Transversalmuskeln und Parietal- muskeln zu beobachten; -r Ringmuskel, quer durchschnitten. standen, an seiner inneren Seite von Ektoderm ausgekleidet ist. Es kann sonach der Mund der Anthozoen dem Munde der Hydra nicht direkt verglichen werden. Letzterer entspricht dem Urmunde der Gastrula und kennzeichnet die Stelle, an welcher das äußere Keimblatt in das innere übergeht. Diese findet sich bei den Anthozoen dort, wo das Innenende des Schlundrohres in den zentralen Gastralraum mündet (Schlundpforte). Das stomodäale Schlundrohr ist als ein neu hinzugekommener, durch ektodermale Einstülpung gebildeter Teil des Darmtraktes zu betrachten. Der eigentliche Gastralraum wird durch von außen nach innen kulissen- artig vorspringende Falten der Magenwand {s) — ähnlich wie wir dies bei Scyphistoma angedeutet sahen — in einen gemeinsamen Zentralraum und in periphere Magentaschen gegliedert, welch letztere sich in die Innenkanäle der Randtentakel fortsetzen. Die zwischen den Magentaschen hereinragenden Sep- ten, welche in manchen Fällen das Schlundrohr erreichen, sind hier der Sitz reicher Organbildung (Fig. 29). Eine an Nessel- und Drüsenzellen reiche Krau- 204 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen se {v) nimmt ihren freien Saum ein. In ihnen entwickelt sich ein Längsmuskel- band entodermaler Muskulatur, nach dem eigentümlichen Bilde, das es auf Querschnitten liefert, als ,, Muskelfahne" beschrieben. In den Septen liegen auch die Gonaden (g), deren Elemente dem entodermalen Epithel, das die Sep- ten überkleidet, entstammen. Die erwähnten Längsmuskelzüge stellen nur einen Teil der Körpermusku- latur dar, welche noch durch transversal verlaufende Fibrillen in den Septen und durch Muskelzüge der ektodermalen Körperschicht ergänzt wird. Das Ner- vensystem ist hauptsächlich im ektodermalen Epithel zu suchen, wenig kon- zentriert, doch im Bereiche der Mundscheibe reichliche Plexusbildungen veran- lassend. Wie bei den Coelenteraten überhaupt, so haben auch hier die Unter- suchungen der Brüder Hertwig unsere Kenntnis des feineren Baues dieser Formen begründet. Im übrigen ist das Nervensystem nicht auf das Ektoderm beschränkt. Wir finden bei den Cnidarien allgemein auch Nervenelemente in der entodermalen Auskleidung des Gastralraumes, wenngleich nicht so reichlich wie im Ektoderm. Wie bei den Scyphistomen erscheinen die Septen durch ein in der Nähe der Mundscheibe zu suchendes Septalostium durchbohrt (Fig. 29/2). Die für die ein- zelnen Gruppen der Anthozoen verschiedenen und für die Systematik wichtigen Gesetze der Septenstellung lassen erkennen, wie bei diesen Formen der radiär- symmetrische Bauplan allmählich in den bilateral-symmetrischen übergeführt wird. C. Ctenophoren, Kammquallen oder Rippenquallen. Wenn bei Spongien und Cnidarien die mehrfach sekundär gestörte Ra- diärsymmetrie des Bauplanes als Ausdruck festsitzender Lebensweise erfaßt werden kann, so treten uns in den Ctenophoren freischwimmende Wesen von disymmetrischem Charakter entgegen. Der Körper von Hormiphora plumosa (Fig. 30), die unseren Erläuterungen zugrunde gelegt werden soll, hat birnför- mige Gestalt. Sie erscheint wie eine zarte, gallertig durchsichtige, schwebende Montgolfiere des Meeres. Acht in regelmäßigen Abständen verteilte, längsver- laufende Reihen von wimpernden Ruderplättchen (sog. Rippen r'—r^ in Fig. 31) dienen der Lokomotion, zwei zarte, mit Klebzellen besetzte Fangfäden (/) ver- mitteln den Nahrungserwerb. Das eine Ende der Hauptachse nimmt die Mund- öffnung ein, während der gegenüberliegende Pol durch ein kompliziertes Sinnes- organ [s), das gleichzeitig als Zentrum des Nervensystems zu gelten hat, ge- kennzeichnet wird. Von hier gehen Zellverbindungen zu den acht Rippen, während ein subepithelialer Nervenplexus sich diffus unter dem Ektoderm und an der Wand des Stomodaeums ausbreitet. Bau der Wie bci den Anthozoen so führt auch hier der Mund zunächst in ein ekto- tenop oren. (jgj-j^g^jgg Schluudrohr (Stomodacum, hier unpassend als Magen (w) bezeichnet), dessen innere Öffnung (Schlundpforte) die Kommunikation mit dem als Trich- ter [t] benannten Gastralraum des Darmes herstellt. Letzterer erscheint in ein kompliziertes System von Kanälen aufgelöst, von denen acht unter den Rippen hinziehen (Gastro vaskularsystem) . Bau der Ctenophoren 205 Diese „Rippengefäße" tragen die Gonaden. Die Geschlechtsprodukte, hier hermaphroditisch in einem Individuum vereinigt, entstammen dem Entoderm, unter welchem sie sich nach der Länge der Rippengefäße streifenförmig an- ordnen. Alle die genannten inneren Organe (Schlundrohr, Darm mit dem Gastro- vaskularsystem und den den Gefäßen angeschlossenen Geschlechtsorganen) finden sich in eine mesenchymatische Gallerte von hochkomplizierter histolo- gischer Struktur eingebettet. Es zeigen sich hier in einer homogenen Grund- Fig. 30. Hormiphora plumosa. Habitusbild nach Chun aus Hertwigs Lehrbuch. Fig. 31. Hormiphora plumosa. .Schematisiert im Anschlüsse an Kennel aus Hertwigs Lehrbuch. Vgl. auch Fig. 5 S. 181. / Tentakel, /' Tentakelwurzel, /- Tentakelscheide, s links- seitiges Hauptgefäß, m sog. Magen (richtiger Schlund), wg Magengefäß, r' — r* Ruderplättchenreihen einer Seite, darunter die zugehörigen Rippengefäße, j Sinneskörper, i Trichter, i' Trichtergefäße. Substanz sternförmig verästelte Bindegewebszellen, ferner aus Mesenchym- zellen entstandene Muskelzellen, bandförmig gestreckte kontraktile Elemente mit verästelten Enden, ferner feinste Fibrillen, zum Teil als Nervenfibrillen in Anspruch genommen und mit Ganglienzellen in Verbindung stehend, die Inner- vation der mesenchymatischen Muskulatur besorgend. Die Elemente dieses mesenchymatischen Gewebskomplexes entstammen, wie schon Chun und Ko- valewsky wußten und neuerdings Hatschek bestätigte, dem Ektoderm. Die Entwicklung der Ctenophoren führt durch verhältnismäßig einfache Entwicklung der Umbildungsvorgänge zur jugendlichen, der ausgebildeten Form meist schon Cte''°p^°'^«'^' ziemlich ähnlichen Rippenqualle. Die Furchung (Fig. 32) kann als Schulbeispiel totaler inäqualer Furchung betrachtet werden. Frühzeitig tritt der Gegen- satz zwischen einer aus kleineren Zellen (Mikromeren mi) bestehenden und einer aus großen, dotterreichen Furchungskugeln (Makromeren ma) zusammengesetz- ten Keimeshälfte zutage. Frühzeitig macht sich auch an den Furchungsbildern der disymmetrische Bauplan der Gruppe bemerkbar. Die Mikromeren sitzen 2o6 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen TJU mä. Fig. 32. A — C Drei Furchungsstadien eines Ctenophoreneies (aus Längs Lehrbuch). 7ni Mikromeren, ma Makromeren, in B und C ist die Furchungshöhle im Inneren dunkel angegeben. c rne. me. ^n ^n Fig. 33, Drei frühe Entwicklungsstadien einer Ctenophore. Schematisch nachMETSCHNIKOFF aus Längs Lehrbuch, ek Ektoderm, nie kleinere Entodermzellen. welche in A basal- wärts sich abschnürend später nach oben rücken [B und C), en entodermale Makromeren. d Daimhöhle, st Schlund (Stomodaeum, Anlage des sog. Magens). dem animalen Pole genähert der Makromerengruppe, welche die vegetative Hälfte repräsentiert, kappenförmig (Fig. 32 C) auf. Wir fügen hinzu, daß die Makromeren das Entoderm, die Mikromeren das Ektoderm des Keimes dar- stellen. Zwischen A TTU O 7nt C beiden Zellagen findet sich die hier wenig um- fangreiche, gegen den animalen Pol verdrängte und merkwürdig lange nach oben und unten geöff- nete Furchungs- höhle. Die Makrome- ren werden von der Mikromeren- kappe allmählich immer mehr um- wachsen (epibo- lische Gastrula- tion) und auf diese Weise in das Innere des Keimes gedrängt (Fig. 33 A). Gleichzeitig ver- schwindet die Furchungshöhle, während im Inneren der entodermalen Zellgruppe ein neuer, gegen den vegetativen Pol geöffneter Hohlraum (die Darmhöhle, d \n Fig. 33 C) entsteht. In- zwischen haben die Makromeren durch einen in seiner Bedeutung lange Zeit mißverstande- nen Prozeß der Zellknospung eine Gruppe klei- nerer Entodermzellen {me) geliefert, welche, gegen den animalen Pol verlagert, zur Aus- Fig. 34. Schema eines ctenophorenembryos. kleiduug gcwisscr Teile des Gastrovaskular- Aus Korschelt-Heiders Lehrbuch. o( Stato- . lithen. ;< Anlage des Tentakelapparates, OTJ An- SyStCmS bCStimmt ist. Sammlung kleiner Entodermzellen, en Ento- ttt--! i ^■ k ^ i 2. J 1 derm, ec Ektoderm, g Gallerte, m Magen, Wahrcud SO dic Aulagc des eutodcrmalcn c zentrale Darmhöhle, d divertikelarHge Aus- TeileS dcS DarmSVStemS der Volleudung CUt- buchtungeu derselben. •' gegengeht, entsteht das stomodäale Schlund- rohr [st), indem sich die Ektodermschicht am Blastoporusrande nach innen um- schlägt. Der Embryo, ursprünglich kuchenförmig rundlich, ändert nun seine Gestalt (Fig. 34). Erstreckt sich in der Richtung der Hauptachse. Es wachsen die Tentakel [t] hervor, während das apikale Sinnesorgan zur Entwicklung kommt. Noch liegen anfangs die beiden Keimesschichten (Ektoderm und Entoderm) dicht aneinander. Erst in späteren Stadien wird zwischen ihnen Gallertsub- Ctenophorenentwicklung. Coelenteraten im Allgemeinen 207 stanz abgeschieden, in welche nun vom Ektoderm vereinzelte Zellen amöboid einwandern, auf diese Weise die Grundlage des mesenchymatischen Gewebes liefernd. Mit der Entstehung der Wimperplättchen in acht, anfangs zu vier Paaren vereinigten Längsreihen erscheint die junge Rippenqualle fertig ge- bildet. Rückblick, Bei allen Coelenteraten erhält sich die primäre Eiachse (die Achse des Gastru- lastadiums) als spätere Hauptachse des Körpers, daher sie von Hatschek als Protaxonia bezeichnet wurden. Während die Spongien sich mit dem Mundpole des Gastrulastadiums festsetzen, erfolgt die Fixierung der Cnidarien mit dem apikalen (animalen) Pole. Der Mund der Hydroiden entspricht dem Blasto- porus, während bei jenen For- men, denen ein stomodäales Schlundrohr zukommt, die Schlundpforte dem Urmunde entspricht. Bei den Ctenopho- ren ist der ani- male Pol der Hauptachse durch das api- Ji kale Sinnesor- gan gekenn- Fig-. 35. Schema der drei Grundformen der Coelenterata. .-/ der Spongien, B der Cni- darier, C der Ctenophoren. Aus Hatscheks Lehrbuch. Die Pfeile bezeichnen die Richtung des apikalen Poles der Gastrula. zeichnet (Fig. 35). Alle Organe des Körpers erweisen sich als Differenzierungen der beiden primären Körperschichten, in deren Kontinuität sie meist zeitlebens verbleiben. Daher in der Mehrzahl der Fälle die wichtigsten Differenzierungen als histolo- gische Umbildungen dieser epithelialen Körperschichten gebildet werden. Wir finden dementsprechend epitheliale Körpermuskulatur, ein epitheliales Nerven- system und epithelial gelagerte Gonaden. Nur in manchen Fällen zeigen die genannten Systeme eine gewisse Tendenz, sich von ihrem epithelialen Mutter- boden zu emanzipieren. In dem zwischen den beiden primären Keimblättern gelegenen, auf die Furchungshöhle zurückzubeziehenden Spaltraume kommt eine homogene Sub- stanz als Stützlamelle oder Gallerte zur Abscheidung. Indem in letztere ver- einzelte Zellen einwandern, kann es zur Ausbildung einer zwischen den pri- mären Schichten gelegenen mesenchymatischen Bindegewebsschicht kommen, die als erster Vorläufer eines mittleren Keimblattes (Mesoderm) zu betrach- ten ist. In den meisten hierher gehörigen Fällen entstammen die Elemente dieses Mesenchyms dem Ektoderm. Wir sprechen dann von einem Ektome- 2o8 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen soderm, worunter eine mesodermale Schicht ektodermalen Ursprungs zu ver- stehen ist. Diese mesodermale Lage ist im allgemeinen, gegenüber dem plastischen Reichtum der beiden primären Körperschichten, arm an Differenzierungen. Doch können in ihr Skelettkörper zur Entwicklung kommen. Die höchste Ent- wicklung erlangt sie bei den Ctenophoren unter reichlicher Produktion einer mesenchymatischen (den übrigen Coelenteraten fehlenden) Muskulatur. Als Eigentümlichkeiten der Spongien seien erwähnt: daß hier eine Schei- dung von Ektoderm und Mesoderm, eine Trennung von oberflächlichem Körperepithel und darunter hegender Mesenchymschicht kaum durchführbar erscheint, da beide zu sehr ineinander übergehen, und daß ferner die Geschlechts- produkte nicht zu Gonaden vereinigt, sondern regellos im Mesenchym verstreut gefunden werden. Fügen wir noch hinzu, daß unter den Coelenteraten der Radiärtypus des Baues sehr verbreitet ist. Wenn wir geneigt sind, in diesem Verhalten etwas Ursprüngliches zu erkennen, so ist nicht zu vergessen, daß in allen Tiergruppen die festsitzende Lebensweise eine Tendenz zur Entwicklung radiärsymme- trischer Gestaltung befördert. III. BILATERIEN IM ALLGEMEINEN. Wenn wir den Kreis der Coelenteraten verlassend zur Betrachtung der höher entwickelten Metazoen fortschreiten, so stehen wir zunächst vor der Tatsache, daß die den Pflanzentieren meist zukommende monaxone bzw. radiärsymme- trische Gestaltungsweise einem bilateral-symmetrischen Bauplane Platz ge- macht hat. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle können wir bei den höhe- ren Metazoen an dem Gegensatze von Dorsal- und Ventralseite, an der gegen eine Medianebene spiegelbildlich orientierten Anordnungsweise der Organe den Bilateraltypus leicht erkennen. Abweichungen von dem letzteren können nach zwei Richtungen stattfinden: es kann durch ungleichmäßige Ausbildung der beiden Körperhälften eine asymmetrische Gestaltung hervorgehen, wie bei den meisten Schnecken, oder aber es kann, wie dies bei den Echinodermen (See- igeln, Seesternen usw.) in Erscheinung tritt, der ursprünglich den Larven- formen zukommende Bilateraltypus sekundär durch eine scheinbare radiäre Symmetrie (meist fünfstrahlig entwickelt) ersetzt werden. Auch hier wahr- scheinlich im Anschlüsse an festsitzende Lebensweise entstanden, muß diese Radiärsymmetrie der Echinodermen, welcher sich nicht sämtliche Organe des Körpers einfügen, als eine sekundäre Erwerbung betrachtet werden. Entwicklung der Eiuc Erinnerung an den primären monaxonen Bau der Urformen erhält sich nur in den ersten Entwicklungszuständen der Bilaterien. Selten zeigt schon das Ei, zeigen die Furchungsstadien deutlich bilateral-symmetrischen Bau, wie bei den Insekten und den Cephalopoden. Wenn wir auch nicht außer acht lassen dürfen, daß die Eier der meisten Bilaterien, wie sich aus der Richtung der ersten Furchungsspindel, aus dem Zusammenfallen der ersten Teilungsebene Bilateralität. Entstehung der ßilateralität. Darmentwicklung 20Q mit der späteren Medianebene ergibt, eine unserem Erkennen nicht oder kaum wahrnehmbare, bilateral geordnete Intimstruktur besitzen, so müssen wir doch anerkennen, daß im grob-morphologischen Aufbau der Embryonen frühester Stadien meist von Bilateralität nichts zu erkennen ist. Das Ei, die Furchungs- und die Entwicklungsstadien, oft bis zum Gastrulastadium, zeigen monaxonen Bau und es erfordert feinere Untersuchungen, eine genaue Vergleichung der relativen Blastomerengröße, eine exakte Verfolgung der Richtung der einzelnen Teilungsspindeln, um den Übergang vom ursprünglich gegebenen Radiärtypus zu später kenntlich werdender Bilateralität festzulegen. Der Moment dieses Überganges tritt bei verschiedenen Formen zu verschiedenen Entwicklungs- zeiten ein: sehr frühzeitig, wie wir durch E. B. Wilson und Cerfontaine wissen, bei Amphioxus, später in der Entwicklung der Anneliden- und Möllns- kentrochophora, bei welcher der ursprünglich erkennbare Spiraltypus der Fur- chung meist erst im Stadium von 64 Zellen bilateral angeordneten Teilungen Platz macht. Wir sehen, wie allmählich Bilateralität im Entwicklungsgeschehen zum Ausdrucke kommt. Anfänglich nur als Intimstruktur (Driesch) des Eiplasmas vorhanden und durch Pigmentverteilung im Amphibieneie sich kennzeichnend, macht sie sich später in der Anordnungsweise der Blastomeren geltend und tritt in der Folge durch Veränderungen, welche die erste primäre Organanlage, den Urdarm, betreffen, deutlicher zutage. Auf diese Veränderungen der primären Darmanlage sei zunächst unser Augenmerk gerichtet. Sie führt zur Scheidung in zwei große Gruppen, ein Ver- such systematischer Anordnung der mannigfaltigen Typen der Bilaterien auf entwicklungsgeschichtlicher Basis, der durch Goette und Grobben begründet wurde. Aus dem Urdarm des Gastrulastadiums geht die epithehale Innenwand Entwicklung eines Teiles des definitiven Darmkanales der Tiere hervor: des Mesenterons oder ^^^ Darms. Mitteldarmes {ms Fig. 36 C und D) mit seinen verschiedenartigen Adnexen meist drüsiger Natur (Mitteldarmdrüse, Leber, Pankreas usw.). Ein vorderer und hinterer Abschnitt der epithelialen Darmwand entstammt dem Ektoderm. In ähnlicher Weise, wie wir bei Anthozoen und Ctenophoren ein von Ektoderm ausgekleidetes Schlundrohr auftreten sahen, entwickeln auch die Bilaterien einen vorderen, zwischen Mund und Schlundpforte gelegenen, ektodermalen Abschnitt des Darmkanals [st Fig. 36), das Stomodaeum (Vorderdarm) und auf gleiche Weise kommt bei jenen Bilaterien, welche eine als After bzw. Kloake zu bezeich- nende hintere Ausmündung des Darmkanals besitzen, ein ektodermaler End- abschnitt des Darmes, ein Proktodaeum {pr Fig. 36 D) oder Enddarm, zustande. Mit diesen Umbildungen der Darmanlage sind wichtige Lageveränderungen Schicksal des des Ganzen verknüpft. In der Entwicklung der Trochophora (der Larvenform ^^'^ p°o°ost'orata der Anneliden und Mollusken) hat das Gastrulastadium anfangs noch mon- axonen Bau (Fig. 36 A Fig. 37 A), in manchen Details sich zu vierstrahliger Ra- diärsymmetrie hinneigend. Der animale Pol ist durch ein ektodermales Sinnes- organ mit Wimperschopf (Scheitelplatte sp in Fig. 37 A) gekennzeichnet, wäh- K. d. G.m.iv, Bd2 Zellenlehre etc. II I4 2IO K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen rend den gegenüberliegenden vegetativen Pol der Hauptachse der anfangs ziem- lich weit geöffnete Blastoporus (Urmund bp in Fig. 36 A und 37 A) einnimmt. Der Äquator des Embryos wird von einer Wimperzone (Prototroch pt) einge- Fig. 36. Vier Entwicklungsstadiea einer Anneliden-Trochophora, im Medianschnitt, Ansicht von der linken Körper- seite. Nach Hatscheks Untersuchungen an Eupomatus ; die Bilder sind durch Weglassung der Mesodermgebilde schematisch vereinfacht. A Gastrulastadium, vgl. Fig. 3 auf S. 179, ß, C spätere Stadien, D junge Trochophora vgl. Fig. 6 auf S. 182. an After, bp Urmund (Blastoporus und Urdarmhöhle), ec Ektoderm, e?i Entoderm, f primäre Leibeshöhle (der Rest der Furchungshöhle), th Mund, ms Mitteldarm (Mesenteron), pr Enddarra (Proktodaeuni). pi Wimpern des praeoralen Wimperkranzes, sp Scheitelplatte, sf Vorderdarra (Stomodaeum). nommen. Der Blastoporus wandert, sich allmählich verengernd, immer mehr an einer Körperseite gegen den Wimpergürtel empor (Fig. '^y), und gerät so an die Stelle der späteren Mundöffnung [m in Fig. 36). Die Verengerung des Ur- raundes vollzieht sich durch seithche Aneinanderlagerung seiner Ränder (Fig. 37 C und D), und zwar in der Richtung von hinten nach vorne, d.h. vom vege- tativen gegen den animalen Pol zu, so daß schließlich nur die vorderste Urmund- Verlagerung des Blastoporus bei den Protostomia 211 partie als verengte Lücke erhalten bleibt, während sich hinten die Verwach- sungsnaht (Gastrularaphe gr, Fig. 37 D) anschließt. Die Körperseite, an welcher der Blastoporus emporwandert, wird zur späteren Ventralseite des Tieres. Während dieser allmählichen Verengerung und Verlagerung des Urmundes wird durch Einbiegung der ektodermalen ihn umgebenden Ränder ein neuer sto- modäaler Darmabschnitt {st Fig. 36 B) hinzugebildet: die Anlage des ektoder- malen Oesophagus der Larve. In ähnhcher Weise entsteht in späteren Stadien am hinteren Körperende dem apikalen Wimperschopf gegenüber durch Ekto- dermeinstülpung ein kurzer Endabschnitt des Darmkanals (das Proktodaeum pr Fig. 36 D), welches durch sekundäre Verwachsungsprozesse an die übrige Darmanlage angeschlossen wird. 6p Fig. 37. Vier Entwicklungsstadien einer Anneliden-Trocliopliora, scbematisch zur Darstellung des Verschlusses und der Verlagerung des Urmundes (Blastoporus). Ansicht von der Ventralseite, ip Urraund der Gastrula (Blastoporus), vgl. Fig. ^6A, gr Gastrularaphe, d. i. Verwachsungsnaht der Blastoporuslippen, m Lage der definitiven Mundöffnung, sp Scheitelplatte mit Wimperschopf, pt praeoraler Wimperkranz oder Prototroch. Vgl. auch die Figuren 6 und 36. Wir fügen hinzu, daß es sich hier um die Entwicklung eines Anneliden handelt. Die geschilderten Entwicklungsstufen liefern eigentlich nur den Kopf des späteren Ringelwurmes. Der ganze segmental gegliederte Rumpf wird durch eine Art von Knospung hinten hinzugebildet (siehe Fig. 45). Insoweit das Schicksal des Blastoporus in Frage kommt, ergibt sich, daß jene Körperseite zur Ventralseite wird, an welcher der Abstand zwischen api- kaler Scheitelplatte und dem Urmundrande am meisten verkürzt wurde. Diese Verkürzung könnte durch eine Verlagerung des apikalen Sinnesorganes in glei- cher Weise erzielt werden, wie durch ein Wandern des Urmundes. Wenn es nun auch nicht in Abrede gestellt werden soll, daß in manchen Fällen, so be- sonders bei jenen Molluskenembryonen, denen eine sog. Kopfblase zukommt, tatsächlich eine ventrale Verlagerung der Scheitelplatte zu beobachten ist, so muß doch anerkannt werden, daß die Beziehungen des apikalen Zentrums zum äquatorialen Wimpergürtel stabilere sind als die des Urmundes. Die Wande- rung des Urmundes ist hauptsächlich auf einen Prozeß reger Zeilproliferation im Bereiche der dorsalen Körperseite zurückzuführen. Dem Ektoderm des Embryos ist zwischen Prototroch und hinterem Körperende eine Zellgruppe eingefügt, welche, als ,, somatische Platte" sattelförmig dem Körper aufliegend, dazu bestimmt ist, das spätere Rumpfektoderm des Annelids zu liefern. Auf der ihr innewohnenden Wachstumstendenz beruht im wesentlichen die ge- schilderte Verlagerung des Blastoporus. 14* 2 12 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Die Gastrularaphe {gr Fig. 37 D) der Anneliden entspricht der ganzen zwi- schen Mund und Afteröffnung sich hinziehenden ventralen Zone. Der Rest des Blastoporus erhält sich als Schlundpforte. Es ist demnach bei den hierher zu rechnenden Formen die spätere Körperlängsachse der ursprünglichen Gastrula- achse deshalb nicht zu vergleichen, weil der hintere Pol derselben von verschie- denen Organbildungen eingenommen wird. Während die Primärachse der Ga- strula vom animalen Pol zum Blastoporus zieht, hat im ausgebildeten Annelid der Urmund eine Verlagerung nach der Ventralseite erlitten. Die Körperlängs- achse zieht nun vom Scheitelpole zur hinten meist terminal gelegenen Anal- öffnung. Man hat daher wohl auch von einer Knickung der Primärachse ge- sprochen und die Büaterien als Heteraxonia den Protaxonia gegenübergestellt. Die einzige Ausnahme unter allen Bilaterien macht Balanoglossus, bei welchem merkwürdigen Wesen sich die Primärachse als spätere Körperlängsachse erhält. Wir bezeichnen jene Bilaterien, bei denen die Schicksale des Blastoporus den geschilderten vergleichbar sind (ventrale Verlagerung des Urmundes und * Beziehung desselben zur Mundöffnung bzw. zur Schlundpforte), mit Grobben als Protostomia und rechnen hierher die Typen der Vermes, der Arthropoden, der Mollusken und der in ihrer Entwicklung so eigenartigen Tentaculaten. Schicksal In einer zweiten großen Gruppe tierischer Formen sind die Schicksale des ^* betder'^'''' Urmundes wesentlich andere. An einem Gastrulastadium von Echinus micro- Deuterostomia. tuherculütus (Fig. 38 A), cincm vieluntersuchten Seeigel, zeigt der Medianschnitt, daß die bilaterale Symmetrie des Körpers sich — abgesehen von Verhältnissen der Mesenchymzellenverteilung und anderem — dadurch ausdrückt, daß eine der Scheitelplatte vergleichbare Ektodermverdickung {sp), hier als Akron be- zeichnet, ventralwärts verlagert ist. Bald drückt sich die Bilateralität durch die in der Seitenansicht dreieckig erscheinende Körpergestalt deutlicher aus (Fig. 38 B). Während der Urdarm, anfangs noch gerade gestreckt, sich gegen die Ventralseite einkrümmt (Fig. 38 B), wird er durch Einschnürungen in drei Abschnitte (hier als Oesophagus {pe), Magen [mg) und Intestinum (z) oder Dünn- darm bezeichnet) gegliedert. Der Blastoporus {hp) erhält sich verengt als Anal- öffnung [an). Ein Proktodaeum wird nicht entwickelt. Die Mundöffnung kommt zustande, indem die vorderste, anfangs blind geschlossene Darmpartie mit einer kleinen, als Mundbucht (w Fig. 38 B) zu bezeichnenden Ektodermeinsen- kung verwächst. Der Urmund hat hier keine Beziehungen zur späteren Mund- öffnung. Aus ihm geht die Afteröffnung hervor, welche bei den Protostomia eine sekundäre Neubildung war. Die Formen der Chaetognathen, der Enteropneusten, der Echinodermen und der mächtige Stamm der Chordatiere (Tunikaten, Acranier und Vertebra- ten) folgen diesem zweiten Typus. Wir vereinigen sie unter dem Namen Deu- terostomia (Grobben) ^). Erwähnt sei, daß der Blastoporus der Chordaten eine Verlagerung nach der Dorsalseite erkennen läßt. Sämtliche Deuterostomia er- weisen sich (mit der einzigen erwähnten Ausnahme von Balanoglossus) als ^) Vgl. diesbezüglich die systematische Tabelle pag. 185. Schicksal des Blastoporus bei den Deuterostomia 13 Heteraxonia, insofern auch bei ihnen die spätere Körperlängsachse nicht der primären Gastrulaachse entspricht. Die höhere Organisationsstufe der Bilaterien ist vor allem durch den Um- stand gekennzeichnet, daß Organe oder Organsysteme, welche wir bei den Coe- lenteraten als Differenzierungen der beiden primären Körperschichten vor- fanden, aus der Kontinuität dieser epithelialen Lagen herausgelöst zu größerer Selbständigkeit gelangen. Das Zentralnervensystem, bei allen Bilaterien im wesentlichen ektodermalen Ursprungs, behält nur bei wenigen Formen die pri- märe epithehale Lagerung bei, so bei Sagitta, bei Phoronis, manchen Brachio- poden, Nemer- tinen und An- neliden, ferner in den Echino- dermengrup- pen der Crinoi- denundAsteri- den. Meist löst es sich von der Haut ab und gerät in tiefere Körperschich- ten. Von epi- thelialer Kör- permuskulatur der primären Keimesschich- ten finden sich bei den Bilate- rien nur vereinzelte Spuren. Die Gonaden sind durchweg selbständig geworden. Alle diese Bildungen geraten in jenen Raum zwischen oberflächlichem Körper- epithel und Darmwand, den wir auf die Furchungshöhle zurückführen konnten und als primäre Leibeshöhle bezeichneten. Hier sei nur ein Blick auf die allge- meinen Prinzipien dieser Sonderung, auf die Art und Weise, durch welche die primäre Leibeshöhle mit Geweben und Organbildungen erfüllt wird, geworfen. Wir unterscheiden: I. Zelleinwanderung. Dieser Prozeß trat uns schon bei den Coelente- raten entgegen, bei denen durch Einwandern von Ektodermzellen ein mesen- chymatisches Füllgewebe gebildet wurde (Fig. 27 S. 202). Es erhält sich dies Ektomesoderm in der Trochophora als larvaler Mesoblast. Im übrigen spielt diese Erinnerung an früheste Zustände bei dem Aufbau der Bilaterien eine gering- fügige, man kann sagen, verschwindende Rolle. Man hat in der Entwicklung der Deuterostomia, z. B. bei den Echiniden, nie etwas als Ektomesoblast zu Deutendes beobachtet. Dagegen kann Zelleinwanderung vom inneren Keim- blatt ausgehend zu mesenchymatischen Bildungen entodermalen Ursprungs bp ^-^ a?i. Fig. 38. Zwei Entwicklungsstadien eines Seeigels (Eciiinus microtuberculatus) im sclie- matisierten Äledianschnitt. Ansicht von der linken Körperseite. Alle Mesodermgebilde sind weggelassen. A Gastrulastadium, B etwas älteres, sog. Prismenstadium (im Anschlüsse an Hermann Schmidt), an After, bp Blastoporus oder Urmund, ec äußeres Keimblatt oder Ektoderm, en inneres Keimblatt oder Entoderm, f primäre Leibeshöhle, / Dünndarm (Intestinum), m Mundbucht, mg Magen, oe Oesophagus, sp Scheitelplatte, hier als Akron bezeichnet, nd Urdarm. Typen der Sonderuug 214 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen f- ^C Veranlassung geben (Fig. 39), wie bei den eben erwähnten Echinodermen. Schließlich geraten die beiden wichtigen Urmesodermzellen, die sog. Polzellen der Mesodermstreifen {ms in Fig. 43), deren Bedeutung unten zu erörtern sein wird, durch Einwanderung zwischen die beiden primären Körperschichten. 2. Delamination oder Abspaltung. Dieser Fall tritt uns entgegen, wenn an einem mehrschichtigen Epithel eine different gewordene tiefere Zell- schicht von der oberflächlichen Lage, die dann mit den übrigen nicht veränder- ten Partien des Epithels im Zusammenhang bleibt, einfach abgelöst wird. Es wird das Zentralnervensystem vieler Bilaterien durch Delamination von seinem Mutterboden, dem Ektoderm, abgetrennt (Fig. 40). 3. Abfaltung liegt dann vor, wenn eine Epithelfalte oder eine epitheliale Einstülpung durch Verwachsung ihrer Ränder von dem betreffenden Epithel, wel- -~-7rv5 ches die Einstülpung gebildet hat, abgeschnürt wird (Fig. 41). Durch diese Abschnürung wird die Falte zu einem Rohre (Fig. 41 B), die Einstülpung zu einem Säckchen umgebildet und gleich- zeitig der in dem Mutterboden vorhandene Defekt verschlossen. Die Trennung des Urdarms vom Blastoderm unter Verschluß des Blastoporus im Falle der Bildung einer Einstülpungsgastrula kann als Beispiel der Abschnürung eines Säckchens gelten. In der Gruppe der Chordaten wird das Zentralnervensystem durch Ab- faltung vom Ektoderm getrennt. Den Chordatieren, welchen wir die Mantel- tiere, den primitiv veranlagten Amphioxus und die umfangreiche Gruppe der Vertebraten zurechnen, kommt ein röhrenförmiges Nervensystem zu, dessen Anlage als Medullarrohr bezeichnet, durch einen Einfaltungsprozeß vom Ekto- derm abgetrennt wird. Durch einen ähnlichen Prozeß der Abfaltung sondert sich bei manchen dieser Formen von der Urdarmwand als ein primärer axialer Skelettstab der Vorläufer der Wirbelsäule, die bekannte Chorda dorsalis. Wenn wir bisher Fälle ins Auge gefaßt haben, in denen einzelne Organe von den beiden primären Keimesschichten sich lostrennend in die primäre Lei- beshöhle rücken: das Zentralnervensystem vom Ektoderm, die Chorda vom Entoderm, so müssen wir die Tatsache ins Auge fassen, daß ein großer Komplex von Organbildungen, welche bei Bilaterien den Raum zwischen Haut und Darmwand erfüllen, sich in der Form einer gemeinsamen embryonalen Uran- lage von dem Entoderm loslöst, um sich später durch Differenzierungsprozesse mannigfaltiger Art weiter zu gliedern. Diese gemeinsame Anlage ist das Meso- derm. Durch sein Erscheinen wird dem Schichtenbau der Bilaterien eine neue F^g- 39- Gastrulastadium eines Haarsternes (Antedon rosaceus). Nach Seeliger, ec Ektoderm, en Entoderm, bp Urmund (Blasto- porus), ud Urdarmhöhle, / primäre Leibeshöhle, nis einwandernde Mesenchymzellen. Die Figur zeigt, wie durch Einwanderung von Zellen der Urdarmwand die primäre Leibeshöhle {/) mit einer mesenchymatischen Gewebsschicht erfüllt wird. Typen der Anlagen -Sonderung 215 wichtige, mannigfaltige Organbildungen in sich bergende mittlere Schicht hin- zugefügt, welche man als mittleres Keimblatt den beiden ursprünglich vorhan- denen Körperschichten: Ektoderm und Entoderm gegenübergestellt hat. Man hat es auch wohl mit Rücksicht auf sein verspätetes Auftreten, auf sein Fehlen bei den einfacheren Formen unter den Coelenteraten als ein sekundäres Keim- blatt bezeichnet, während man die beiden ursprünglich vorhandenen und schon im Gastrulastadium gegebenen Schichten als primäre Keimblätter benannte. Durch sein Auftreten sollten auch diese letzteren in ihrem Charakter geändert werden. Aus dem primä- ren Ekto- derm geht nun das se- kundäre Ek- toderm her- vor, und ähnliche Be- trachtungen gelten auch für das Ento- derm, wel- ches durch £C ^ec ^c -öö^ ^ ^c Fig. 40. Schematisclie Darstellung der Ent- wicklung des Zentralnervensystems (der Bauch- ganglienkette) eines Insektenembryos im Quer- schnitt. Die Bauchganglienkette wird in der Form zweier längsverlaufender Ektoderm- verdickungen angelegt, welche in A bei gg querdurchschnitten zu sehen sind. B und C zeigen, wie diese Anlage sich vom Ektoderm ec loslöst. In C sind die beiden Ganglienanlagen durch eine quere Kommissur verbunden. Die Sonderung vollzieht sich in diesem Falle durch Delamination. Fig. 41. Drei Stadien der Gastrulation (Bil- dung des unteren Blattes 74b) bei einem Käfer- embryo im Querschnitt. Schema, als Beispiel einer Sonderung durch Abfaltung. Das untere Blatt oder primäre Entoderm dieser Insekten wird in der Form einer längsverlaufenden Rinne mit verdicktem Boden (sog. Mittel- platte m) angelegt, welche in Fig. A quer- durchschnitten zu sehen ist. Indem die Ränder dieser Rinne (r r) sich erheben und mit- einander verwachsen (Fig. B), wird die Rinne zu einem Rohre geschlossen und in die Tiefe versenkt (Fig. C). Sie wird auf diese Weise vom Ektoderm ec abgelöst. bildung. dieAbgliede- rung des Me- soderms in hervorragen- dem Maße vereinfacht und entlas- tet wird. Aus diesemGrun- de wurde die epitheliale Auskleidung der Darmhöhle nach Abtrennung des Mesoderm- Mesoderms wohl auch mit besonderem Namen nach Goette als Enteroderm (sekundäres Entoderm) bezeichnet. Schon bei den Coelenteraten fanden wir vielfach eine zwischen Ektoderm und Entoderm eingeschobene mittlere Körperschicht: das Ektomesoderm, von welchem sich, wie erwähnt, in den Entwicklungszuständen der Bilaterien, vor allem in der Trochophora, Spuren erhalten haben. Das eigentliche Mesoderm der Bilaterien ist entodermalen Ursprungs. Man müßte es demnach, um diese seine Entstehungsweise anzudeuten, wohl präziser als Entomesoderm bezeich- nen. Da aber dieser Ausdruck auch in anderem Sinne (als gemeinsame Anlage von Enteroderm und Mesoderm vor ihrer Trennung, also gleichbedeutend mit primärem Entoderm) im Gebrauche ist und da das Ektomesoderm der Bila- terien, vielfach vollständig fehlend und in anderen Fällen frühzeitig verschwin- 2i6 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen dend, von verhältnismäßig geringer Bedeutung ist, so dürfte es sich empfehlen, für die mittlere Körperschicht der Bilaterien den alt hergebrachten Terminus Mesoderm einfach beizubehalten, wobei wir nicht aus dem Auge verlieren, daß wir hierunter mesodermale Bildungen entodermalen Ursprungs zusammenfassen. Das Mesoderm drängt bei seinem Anwachsen ein etwa vorhandenes Ekto- mesoderm (larvaler Mesoblast) bis zu seinem Verschwinden vor sich her. Es liefert später alle bindegewebigen und mesenchymatischen Strukturen des Kör- pers, die Anlage der Stammes- und Darmmuskulatur, das Blut und das Blut- gefäßsystem, die Nieren und die Geschlechtsorgane. Die Entwicklungsweise des Mesoderms, die Art seiner Abgliederung vom primären Entoderm ist entsprechend den unendlich mannigfaltigen Verhält- nissen der Keimesentwicklung derBilaterien naturgemäß eine sehr verschiedene. Hier sollen nur zwei weitverbreitete Typen derselben ins Auge gefaßt werden: 1. Die Mesodermbildung durch Abfaltung (Fig. 42). Dieser Typus wurde durch Kowalevsky und O. Hertwig für Sagitta festgestellt, und er findet sich in zahlreichen anderen Fällen, welche meist der Gruppe der Deutero- stomia zugehören. Unter den Protostomia zeigen sich nur bei den Tentacu- laten Andeutungen dieser Bildungsweise. Bei Sagitta folgt auf das durch Ein- stülpung entstandene Gastrulastadium (Fig. 42 A) ein Entwicklungszustand, in welchem die Darmanlage durch das Auftreten zweier von vorne her eindringen- der Falten {jt) eine dreilappige oder kleeblattförmige Gestalt (Fig. 42 B) er- hält. Durch weiteres Vorwachsen dieser Falten (Fig. 42 C) trennen sich all- mählich zwei seitliche Säckchen von der Darmanlage, bis sie sich schließlich vollständig abschnüren. Wir können von einer Divertikelbildung des Urdarms, von einem vorübergehenden Zustand sprechen, der an das Gastrovascular- system der Coelenteraten erinnert und vielfach mit ihm verglichen wurde. Die beiden seitlichen Säckchen stellen die Mesodermanlage von Sagitta dar. Der in ihnen enthaltene Hohlraum [c] wird als Coelom (sekundäre Leibeshöhle) bezeichnet. Da es sich hier um Abgliederung von Hohlräumen handelt, welche ursprünglich mit der Darmanlage verbunden waren, so wurde dieser Typus der Mesodermbildung auch als Enterocoelhüdung bezeichnet. Die Zellen des Mesoderms bilden hier, epithelial angeordnet, die Wand der beiden Coelom- säcke. Das Coelom der Bilaterien, wie immer es auch entstanden sein mag, ist stets, zum Unterschied von der primären Leibeshöhle, mit Epithel ausgekleidet. 2. Die teloblasti-sche Mesodermbildung (Fig. 43). Bei vielen Bi- laterien, so besonders bei dem schon mehrfach erwähnten Trochophoratypus, tritt die Mesodermanlage ungemein frühzeitig in Erscheinung, und zwar in der Form einer einzigen, durch bestimmte Merkmale gekennzeichneten Zelle, welche ursprünglich an der Grenze von Ektoderm und Entoderm, und zwar im dorsalen Teile des Blastoporusrandes gelegen, bald in den Raum zwischen beidert Keimschichten, in die primäre Leibeshöhle einwandert (Fig. 43 A). Wäh- rend sie diese Verlagerung erfährt, teilt sie sich durch das Auftreten einer mit der Medianebene zusammenfallenden Teilungsebene in zwei gleich große, nun bilateralsymmetrisch angeordnete Tochterzellen (Fig. 43 B), welche die Mesoclermbildung 217 bekannten Urmesodermzellen oder Polzellen der Mesodermstreifen darstellen {7ns in Fig. 43 C). Wir müssen es uns versagen, auf die für viele Fälle nun schon befriedigend aufgeklärte erste Entstehung der erwähnten Mutterzelle der Mesodermanlage näher einzugehen. Sie wird in den Schriften, welche die durch Abstammung .-J?C £Jl -ms 7T15 -C ~V77V Fig. 42. Vier Entwicklungsstadien des Pfeilwurmes (Sagitta). Schematisch nach O.H rtwig. A Gastnilastadium im Längsschnitt, B späteres Stadium im Längsschnitt, C optischer Querschnitt durch eine Larve von Sagitta, D Querschnitt durch eine junge Sagitta. Die Stadien zeigen die Ausbildung zweier mesodermaler Säcke, welche seitlich den Raum zwischen Darm und äußerer Haut einnehmen. bp Urmund (Blastoporus), c sekundäre Leibes- höhle oder Coelom, d dorsal, dh Darmhöhle; dm dorsales Mesenterium, ec äußeres Keimblatt oder Ektoderm en inneres Keimblatt oder Entoderm, f primäre Leibeshöhle (Rest der Furchungshöhle), fi Falten der Urdarm- wand, durch deren Verwachsen die beiden Coelomsäcke von der Mitteldarmanlage abgetrennt werden, »i Mund- bucht, md Mitteldarmanlage, ms Mesoderm, d. i. Wand der Coelomsäcke, sm somatische Schicht des mittleren Keimblattes, sp splanchnische Schicht des mittleren Keimblattes, v ventral, vni ventrales Mesenterium. aufeinander zurückführbaren Zellfolgen (cell-lineage der amerikanischen Au- toren) im Entwicklungsgeschehen der Anneliden und Mollusken behandeln, als die Zelle ^d bezeichnet, wodurch ausgedrückt ist, daß sie dem vierten der im Spiraltypus der Furchung zur Entwicklung kommenden Zellenquartette an- gehört und im Bereiche dieses Quartettes dem dorsal gelegenen D-Quadranten zuzurechnen ist. Wenn wir diese Details hier anklingen lassen, so geschieht es nur, um darauf hinzuweisen, daß das vierte Quartett in seinen übrigen Gliedern 2l8 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Entodermzellen liefert, wodurch die Zugehörigkeit der primären Mesodermzelle zum primären Entoderm festgestellt erscheint. Die beiden Urmesodermzellen (die Tochterzellen der Zelle 4d, ms in Fig. 43 B) erzeugen durch wiederholte Zellknospung zwei Reihen kleinerer Toch- terzellen {ms' in Fig. 43 C), welche sich an der Ventralseite des Keimes streifen- förmig anordnen. So entstehen die beiden Mesodermstreifen. Durch Zellver- ^71 -7715 Fig. 43. Mesodermbildung an einer Anneliden-Trochophora. Vgl. Fig. 6 und Fig. 36. A und B Gastrulastadium. Nacli Hatschek. A Medianschnitt, Ansicht von der linken Seite, B Ansicht von der Dorsalseite. C kombiniertes Schema einer Trochophora, Ansicht von der linken Seite, an After, bp Ur- raund (Blastoporus), ec äußeres Keimblatt (Ektoderm), en inneres Keimblatt (Entoderm), 7« Mund, wir Urmesodermzellen, ,vij' Meso- dermstreifen, mi Metatroch (postoraler Wimperkranz), pf Proto- troch (praeoraler Wimperkranzi. sp .Scheitelplatte. mehrung zu vielzelligen Streifen geworden, stellen sie ursprünglich eine solide Zellmasse dar, in welcher später durch Spaltung die Anlage der sekundären Leibeshöhle, des Coeloms, entsteht (Fig. 6l). Wenn das Coelom aufgetreten ist, ordnen sich die Mesodermzellen zu einem diesen Hohlraum umschließenden Epithel an. Das Endresultat des Entwicklungsvorganges ist schließlich das- selbe wie bei der Enterocoelbildung. Es entstehen auch hier paarige, von mesodermalem Epithel (Mesepithel oder Mesothel) umkleidete Coelomsäckchen. Die teloblastische Mesodermbildung verhält sich zur Mesodermbildung durch Abfaltung so, wie die Entodermbildung durch polare Einwanderung (vgl. S. 197J sich zur Bildung einer Einstülpungsgastrula verhält. Es sei erwähnt, daß einzelne Zellen der mesodermalen Anlage, in die pri- märe Leibeshöhle einwandernd zur Bildung von Mesenchymgewebe Veranlassung Mesodermbildung. Die Würmer im Allgemeinen 2 l Q geben können. Auf diese Weise entstehen die Bindesubstanzen des Körpers, die mesenchymatische Muskulatur der Darmwand und das Blutgewebe. Können wir die beiden auseinandergehaltenen Typen der Mesodermbildung irgendwie aufeinander zurückführen? Mit Rücksicht auf den Umstand, daß im Gastrovascularsystem der Coelenteraten etwas Vergleichbares gegeben ist, werden wir geneigt sein, die Enterocoelbildung als den ursprünglichsten Typus anzusehen. Die Bildung von Urmesodermzellen könnte als eine Verlegung der Mesodermbildung in früheste Stadien der Ontogenie aufgefaßt und so betrach- tet werden, wie wenn es sich um die Bildung zweier nur je aus einer Zelle be- stehender, gewissermaßen zusammengeschrumpfter Urdarmdivertikel handelte. Als gemeinsame, die Bilaterien von den Coelenteraten trennende Merkmale traten uns entgegen: die Entwicklung einer neuen, auf die primäre Gastrula- achse nicht zurückführbaren Körperlängsachse, das Auftreten bilateraler Sym- metrie, die Entstehung eines entodermalen, in Mesenchym und Coelomepithel gegliederten Mesoderms, das Vorhandensein mesodermaler Gonaden und meso- dermaler Körpermuskulatur, sowie der Besitz besonderer Exkretionsorgane. IV. VERMES. WURMER. Der Begriff der ,, Würmer", der schwer zu umgrenzen und vom Stand- punkte strengerer wissenschaftlicher Systematik kaum haltbar ist, mag hier nur als populärer Sammeltypus gelten. Seit den Zeiten Grubes, der im Jahre 1850 auf die Schwierigkeiten, diese Gruppe als systematische Einheit zu cha- rakterisieren, hinwies und dem 1877 Lankester folgte, haben bis auf unsere Tage die Versuche nach natürlicherer Anordnung der Formen, nach Aufstellung besser begründeter Gruppen angedauert. Man mag auf die den Würmern zu- kommende und sie von den Coelenteraten trennende Bilateralität des Körper- baues, auf die meist mehr langgestreckte, nicht selten dorsoventral abgeflachte Körpergestalt, auf ihre kriechende Lebensweise aufmerksam machen und im Anschluß an letztere in dem Besitz eines sog. ,, Hautmuskelschlauches" ein gemeinsames Merkmal der gesamten Gruppe statuieren, immer wird man es hier mit Charakteren zu tun haben, die zum Teil nicht allen hierherzuzählenden Formen zukommen, zum Teil auch anderen Formen, die wir mit gutem Grunde aus dem Verwandtschaftskreise der Vermes ausschließen, eigentümlich sind. So sei beispielsweise erwähnt, daß ein eigentlicher Hautmuskelschlauch den Rotatorien, die man mit Rücksicht auf ihre Beziehungen zur Annelidentrocho- phora den Würmern zurechnen muß, fehlt, während Balanoglossus, eine Form, die wir von den Würmern trennen und zu den Echinodermen in Beziehung brin- gen, durch Körpergestalt, Bewegungsform und durch den Besitz eines Haut- muskelschlauches sich den Würmern nähert. Es muß erwähnt werden, daß bei den niederen Formen der Würmer (Turbellarien, Rotiferen), sowie bei den Jugendzuständen der höheren Formen Wimperbewegung für die Lokomotion noch stark in Frage kommt. Sie schlie- ßen sich an die Ctenophoren an, die ja mittels Wimperapparaten schwimmen. 2 20 K. Heider ; Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Der „Hautmuskelschlauch", welcher für die kriechende Vorwärtsbewegung der Würmer als Hauptapparat zu gelten hat, besteht in der innigen Verbindung, in welche die Körpermuskulatur als tiefere Schicht zur oberflächlichen Haut- schicht tritt (vgl. Fig. 49 mu). Wenn letztere, häufig durch Cuticularbildungen verstärkt, gewissermaßen das Skelettsystem dieser Formen repräsentiert, so kommt die darunter gelegene und mit ihr innig verwachsene Muskelschicht als bewegendes Stratum hinzu. Es sei erwähnt, daß diese Muskellage meist in mehrere Schichten zerfällt (Ringmuskellage, Längsmuskelschicht usw.) und daß die Längsmuskellage gewöhnlich nicht vollständig kontinuierlich sich unter der Haut ausdehnt, sondern häufig in gesonderte längsverlaufende Züge (dor- saler und ventraler Körperlängsmuskel, Fig. 58 B md und mv) zerfällt. Immer- hin ist für die Würmer im allgemeinen die Anordnung der Körpermuskulatur in mehr kontinuierlichen Schichten, das Fehlen oder Zurücktreten einzelner ge- sonderter Muskelgruppen festzuhalten. Wir betreten gesicherteren Boden, wenn wir von einer Betrachtung der Würmer als systematischer Einheit absehen und zu einer Scheidung dieses Stammes in zwei Untergruppen, die man als Scolecides (niedere Würmer) und Annelides (Ringelwürmer oder höhere Würmer) bezeichnet, fortschreiten. Unsere Vorstellungen von der Art und Weise, wie sich die Würmer aus dem Stamme der Coelenteraten hervorgebildet haben, werden sich stets auf eine Betrachtung der Entwicklungsweise der Würmer, auf einem Studium ihrer Jugendzustände und Larvenformen aufzubauen haben. Schon oben hatten wir Gelegenheit, dieses Gebiet zu streifen. Es mag als dienlich erscheinen, wenn wir die Betrachtung der Würmer mit einer Beschreibung eines in den theoretischen Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte vielfach herangezogenen Jugend- zustandes, der sog. Trochophoralarve (Fig. 36, 43, 44 und 45) der Anneliden ein- leiten. Man kann aussprechen, daß im Trochophoratypus eine Jugendform vor- liegt, welche in geheimnisvoller, für uns noch nicht völlig klar zu durchschau- ender Weise Beziehungen zu den verschiedensten Stämmen der Bilaterien an- deutet. Die Trochophora ist zunächst die typische Larvenform der Anneliden und Mollusken. Aber auch die Jugendformen anderer Stämme des Tierreiches: der Brachiopoden und Bryozoen, ja selbst die Larve von Balanoglossus, die eigen- artige Tornaria, scheinen Anklänge an den Trochophoratypus zu besitzen. Hier beschäftigt sie uns zunächst als ein Entwicklungsstadium der Würmer, als ein Jugendzustand, aus dessen einfacher Beschaffenheit der zusammengesetztere Bau der ausgebildeten Formen abzuleiten ist. Es mag auffallen, daß wir die Betrachtung der Würmer mit der Beschreibung einer Jugendform einleiten, die in typischer Entwicklung sich nur bei den höheren Würmern, den Anneliden, vorfindet. Die freischwimmenden Larven mancher mariner Scoleciden, wie die Müllersche Larve der Turbellarien, die Pilidiumlarve der Nemertinen, lehnen sich nur in entfernterer Weise an den wohlcharakterisierten Trochophoratypus an. Unser Vorgehen mag gerechtfertigt erscheinen durch die Überlegung, daß wir den Scoleciden auch die Rotatorien oder Rädertierchen zurechnen, die im ausgebildeten Zustande der Trochophora nahestehen, und daß die neueren Hautmuskelschlauch. Die Trochophoralarve 22 1 Untersuchungen über die ersten Entwicklungsvorgänge der Turbellarien und Nemertinen eine weitgehende Übereinstimmung mit der Entwicklung der Anneliden und Mollusken ergeben haben. Wie Surface für die Turbellarien, Ch. B.Wilson, E. B. Wilson, Zeleny und andere für Nemertinen nachgewiesen haben, finden wir hier in dem Spiraltypus der Furchung, in der Art der Ent- wicklung eines ektodermalen Mesenchyms, in der Hervorbildung der telo- blastisch erzeugten Mesodermstreifen typische, der Annelidenentwicklung sich annähernde Züge. Die Trochophora der Anneliden (Fig. 44) erinnert in ihrer Gestalt an eine Bau kleine Rippenqualle (Fig. 30), etwa an eine jener kleinen Cydippiden, welche im '^''■"trochophora. Plankton des Meeres so häufig gefunden werden. Hier wie dort eine Annähe- rung an die Gestalt eines Ballons. Beide Formen stimmen auch darin überein, daß ihr Scheitelpol von einem mächtigen apicalen Sinnesorgan [sp) eingenom- men ist und daß sie sich durch Wimperbewegung im Wasser schwimmend erhal- ten. In beiden Fällen handelt es sich nicht um eine allgemeine Bewimperung der gesamten Körperoberfläche, wie wir eine solche bei vielen anderen Larven- formen und bei manchen niederen Würmern (Turbellarien) vorfinden, sondern um bestimmt lokalisierte, aber dafür um so mächtiger entwickelte Wimper- apparate. Wenn bei den Ctenophoren (Fig. 30 und 31) acht in Meridianen ver- laufende Rippen von Wimperplättchen den Lokomotionsapparat darstellen, so handelt es sich bei der Trochophora (Fig. 44) um gürtelförmig angeordnete Wimperzonen (Troche). Vor allem fällt an der Trochophora eine bewimperte äquatoriale Zone ins Auge, durch welche der Körper in zwei Hälften geschieden wird. Wir bezeichnen die vordere oder obere Hälfte als Scheitelfeld oder Episphaere, die hintere oder untere als Gegenfeld oder Hyposphaere. Die äqua- toriale Wimperzone besteht aus zwei sie begrenzenden Wimperreifen und einer dazwischen liegenden fein bewimperten adoralen Wimperzone. Von den Wim- perreifen wird der mächtigere vordere als Prototroch {pt), auch als Trochus oder präoraler Wimperkranz benannt. Er besteht aus einer Doppelreihe mächtiger Wimperzellen, unter denen sich ein Ringnerv hinzieht. Der hintere Wimper- reifen wird als Metatroch {mt), Cingulum oder postoraler Wimperkranz bezeich- net. Zur Vervollständigung der Schilderung der Bewimperung der Larve sei hinzugefügt, daß sich nicht selten ein hinterer in der Nähe des Afters gelegener Wimperkranz, Paratroch oder präanaler Wimperkranz {HWR in Fig. 45c) vor- findet, daß das apicale Sinnesorgan einen mächtigen, als Steuerruder, vielleicht auch zur Sinnesperzeption dienenden Wimperschopf trägt und daß sich an der Bauchseite der Larve vom Munde bis zur Afteröffnung eine bewimperte Furche (Neurotrochoid nach Eisig, nt Fig. 44), hinzieht. Wie sich schon aus der letztgemachten Angabe ergibt, ist die Trocho- phora deutlich bilateral-symmetrisch gebaut (Fig. 44 B und C). Die Hauptachse zieht von dem apicalen Sinnesorgan {sp), der Scheüelplatte, zu dem entgegen- gesetzten Körperende, an welchem sich die Afteröffnung {an) vorfindet. Sie entspricht der Körperlängsachse des aus der Trochophora hervorgehenden Wurmes (Fig. 45c). Daher bezeichnen wir den Scheitelpol der Hauptachse als 222 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen den vorderen, den Afterpol als den hinteren Pol der Larve. Die Bauchseite wird durch das Vorhandensein der ebenerwähnten Neurotrochoidfurche und durch die Lage der Mundöffnung (Fig. 44 m, 45 0) gekennzeichnet. Letztere nv Fig. 44. Schematische Darstellung der Trochophora- larve eines marinen Ringelwurraes. Im Anschlüsse an Hatschek. Vgl. Fig. 43 C und Fig. 45. -J. A An- sicht von der linken Körperseite, B Ansicht von der Ventralseite, C Ansicht vom Scheitelpole. In A und C schimmert von den inneren Organen der Darm durch. a — «'Hauptachse, an After, i i--i 11 i- ji_'j_ 'i bunden sind und überdies ^^^ Coelomsackwandc, welche die vorn und hinten sich an- durch v vordere Gefäß- schließenden Coelomsäcke der Nachbarsegmente berühren, bogen und /i hintere Ge- faßbogen ineinander über- liefern dic qucrcu Schcldewändc des Coeloms, die sog. Disse- gehen. Die PfeUe zeigen . ,_^. 0 a \ die Richtung des Blut- pimCUte (I^lg. 58 A). Stromes an. j-j-g Gcschlcchtsprodukte entstehen durch Wucherungen an bestimmten Stellen der Coelomwände {go Fig. 58 A). Wir finden hier sonach sog. Flächengonaden, d. h. flächenhafte Keimzonen des Coelothels. Die reifen Keimzellen gelangen in die Coelomhöhle, aus welcher sie durch eigene, mit weiter, trichterförmiger Mündung beginnende Ausführungsgänge, sog. Coelomoducte (Fig. 60 g) oder durch Vermittlung der Nephridien (Fig. 60 n) oder aber durch einfaches Bersten der Leibeswand nach außen gelangen. Wir können sonach vielleicht die Coelomsäcke der Anneliden den sack- förmigen Gonaden der Scoleciden gleichsetzen. Die ganze Segmentierung des Bau der Anneliden 237 Annelidenkörpers würde sich in letzter Linie zurückführen lassen auf die in regelmäßigen Abständen erfolgte Entwicklung paariger Sackgonaden, als deren Ausführungsgänge die Coelo- modukte zu betrachten sind. In jedem Rumpfsegment finden wir in der Regel ein Paar von Excretionsorganen (Fig. 58 w), welche in der älteren Zeit als Segmentalorgane, neuer- dings als Nephridien bezeich- net werden. Es handelt sich um schleifenförmig gewun- dene, im Inneren flimmernde Kanälchen (Fig. 59), welche seitlich nach außen münden. Ihr inneres Ende ist gewöhn- lich mit einem in die Leibes- höhle mündenden und im vor- deren Dissepiment des betref- fenden Segments verankerten Flimmertrichter versehen. Wir bezeichnen diese innere Mün- dung der Nephridien als Ne- phrostom [nst Fig. 59). NeuereErgebnisse, beson- ders die der bahnbrechenden Untersuchungen von Good- rich, haben zur Ansicht ge- führt, daß bei den meisten An- neliden die Segmentalkanäl- chen als ein gemischtes Pro- dukt zu betrachten sind, bei denen die Coelomodukte den Anschluß an die Excretions- kanälchen gewonnen haben (Fig. 60 D). Es erklärt sich auf diese Weise, wieso sie dazu '^''™^*' /primäre LeibeshöMe, ^ Bauchganglienkette, go Gonade. ' VI dorsales Mesenterium, 7/1 ventrales Mesenterium, ma dorsaler l^angs- kamen, neben ihrer Funktion muskel, mw ventraler Längsmuskel, n Nephridium, nsi Nephrostom, , ,,. u J- A C--U ^^ Somatopleura, sj> Splanclinopleura. Man vergleiche Fig. 42 Z>, den alsJNieren noch die Ausführung schematischen Querschnitt einer jungen Sagitta, welche sich bezüglich der Geschlechtsprodukte zu '^'' Schichtenbaues den hier ^^^Se^^^^^^ Verhältnissen sehr ähnlich Übernehmen. Es gibt Anneliden, bei denen die segmental angeordneten Excretionska- nälchen noch völlig den Charakter von Protonephridien aufweisen, indem ihre blind geschlossenen inneren, in der Leibeshöhle flottierenden Enden mit Soleno- Fig. 58. Organisation der Rumpfsegmente eines Anneliden. Schema. .1 Dorsalansicht, B Querschnitt. ig Rückengefäß, 6g' Bauchgefäß, c Coelom, cu Cuticula, d Darm, ec ektodermale Epithelschicht (Hypo- 2.s8 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Coelom- entwicklung. cyten besetzt sind (Fig. 60 A B p). Man kann ein derartiges Excretionssysteni von dem der Scoleciden ableiten, wenn man sich vorstellt, daß bei der Aus- bildung der metameren Segmentierung das Protonephridialsystem in einzelne segmentale Abschnitte zerlegt wurde, welche selbständige Ausmündung ge- wannen. Es fehlt nicht an Hinweisen nach dieser Richtung. Schon bei manchen Turbellarien zeigt das Excretionsorgan in der Anordnung der Terminaläste, in dem regelmäßigen Vorkommen multipler Excretionsporen usw. eine merkwür- ,/Z5/ dige Neigung zu segmentaler Anordnung. Bei den meisten Anneliden ist in der Differen- __^ zierung der Excretionskanälchen ein weiterer Schritt erfolgt, indem die Solenocyten verloren gingen und das innere Ende der Segmentalorgane sich mit der Leibeshöhle in Kommunikation setzte. Hierdurch ist dann das betreffende Excretionsorgan als Nephri- dium (Metanephridium, Fig. 60 C D w) gekennzeich- net. Wir bezeichnen seine innere Öffnung dann als Nephrostom. Ein weiterer Schritt in der Entwicklung der Excretionskanäle ist darin gegeben, daß ihr inneres Ende mit dem Gonoduct (Fig. 60 g) in Verbindung trat. Es kann dies sowohl bei Kanälchen vom Cha- rakter der Protonephridien (Fig. 60 B) als auch bei echten Nephridien (Fig. 60 D) vorkommen. Im letz- teren Falle wird dann das Nephrostom durch den Genitaltrichter ersetzt. Wir bezeichnen derartige sowohl der Harnsecretion, als der Ausleitung der Geschlechtsprodukte dienende und in diesem Sinne den Anfang eines Urogenitalsystems darstellende Kanälchen als Nephromixien. Mit wenigen Worten sei noch, um das allgemeine Bild der Annelidenor- ' ganisation zu vervollständigen, der Entwicklung des Coeloms, der Blutgefäße und der Nephridien gedacht. Es wurde oben angedeutet, wie durch telo- blastische Zellknospung von selten der beiden Urmesodermzellen (Fig. 43 S. 218) die beiden Mesodermstreifen gebildet werden. Vom hinteren Körper- ende ziehen sie an der Ventralseite der Trochophora zu beiden Seiten der Neuro- trochoidrinne {nt Fig. 61) nach vorn bis in die Nähe des 'Mundes, wobei sie von hinten nach vorn zu sich allmählich verbreitern. Ursprünglich stellen sie ein solides Zellenband dar. An späteren Stadien (Fig. 61) ist zu erkennen, wie dies ursprünglich kontinuierliche Band durch quere Abtrennung in einzelne hintereinander folgende Partien zerlegt wird. Wir erkennen in dieser Ab- ghederung die erste Anlage der metameren Segmentierung des Rumpfes und bezeichnen die so gebildeten Mesodermpartien als Ursegmente. In ihnen ent- wickelt sich bald durch Auseinanderrücken der ursprünglich dicht gedrängten Zellen ein Hohlraum, die Anlage der Coelomhöhle [c in Fig. 61). Mit andern Fig. 59. Nephridiura eines Anneliden (Protodrilus). Nach Piehantoni aus Meisenheimer. ng^ Nephridialkanal, ns^ Nephrostom, / äußere Mündung, .y Dissepiment. Bau der Anneliden 239 Worten: aus den Mesodermstreifen wird eine Reihe hintereinander folgender Coelomsäckchen, welche anfangs noch wenig umfangreich an der Bauchseite zu beiden Seiten der Medianebene gelegen sind. Überhaupt ist es nicht ohne Interesse, zu beachten, wie bei diesem Gange der Entwicklung die wichtigsten Organanlagen sich an der Ventralseite der Fig. 60. Verschiedenes Verhalten der Nieren und Geschlechtswege bei den Anneliden. Schema nach Goodrich aus R. Hertwigs Lehrbuch. A und C die Coelomodukte (g-) leiten die Geschlechtsprodukte {et) nach außen. B und D die Coelomodukte münden in die Nierenkanäle. Letztere haben den Charakter von verästelten, mit Solenocyten bedeckten Protonephridien (A und B) oder sie sind Nephridien (C und D), d.h. sie sind mittels eines Nephrostoms mit der Leibeshöhle in Verbindung getreten. B Fig. 61. Entwicklung der Coelomsäcke c durch Abgliederung von den Mesodermstreifen in einer Annelidentrocho- phora. Man vergleiche Fig. 43 C S. 218 und Fig. 45 i? S. 223. A Ansicht von der Ventralseite, B Querschnitt in der Höhe der Linie a — & in Fig. A. a—b Höhe des Querschnittes B, c Coelomsäckchen, m Mund, ?iis Urmesoderm- zellen (sog. Polzellen der Mesodermstreifen), mi postoraler Wimperkranz (Metatroch), ni ventrale Wimperfurche (Neurotrochoid), pi praeoraler Wimperkranz (Prototroch), sp Scheitelplatte, en Entoderm, c Coelomsäcke, / primäre Leibeshöhle, w querdurchschnittene Nervenwülste (Anlage der Bauchganglienkette, vgl. Fig. 40 .-/ S. 215) Trochophora konzentrieren. Hier finden wir auch die Anlage der Bauchgang- lienkette in der Gestalt zweier ectodermaler Verdickungen, der sog. Primitiv- wülste (Fig. 61 B w), ferner die Anlage der Nephridien usw. Wir werden sehen, daß im Embryo der Arthropoden sich der Gegensatz zwischen einer die Organ- anlagen bergenden streifenförmigen Verdickung der Keimblätter und einer dor- salen, mehr sterilen Partie des Embryos noch deutlicher ausprägt. Wir be- zeichnen dann diese ganze an der Bauchseite des Embryos zur Entwicklung kommende streifenförmige Anlage als sog. Keimstreifen. 2/10 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Die weitere Entwicklung der paarigen Coelomsäckchen führt zu einer all- mählichen Vergrößerung derselben vor allem in querer Richtung. Sie ver- drängen hierbei immer mehr und mehr die primäre Leibeshöhle (Fig. 6i BZ), in der sie ja gelegen sind und von der sich später nur spärliche Reste erhalten, und umwachsen den Darm vollständig, so daß sie schließlich durch Berührung ihrer Wände über und unter dem Darm zur Bildung des dorsalen und ventralen Mesenteriums (w und m' in Fig. 58 B) Veranlassung geben. Ebenso werden dadurch, daß die Wände der aufeinander folgenden Coelomsäckchen sich dicht aneinanderlegen, die queren Dissepimente gebildet. Entwicklung ][)ie crstc Anlage des Blutgefäßsystems ist in der nächsten Nähe, ja viel- leicht direkt in der Wand des Darmkanals zu suchen. Es handelt sich ur- sprünglich um ein Netz von Lücken oder Spalträumen, welche dem rascheren Transport der von dem Darmepithel resorbierten, verflüssigten Nahrungssub- stanzen dienen, als dies durch einfache Diffusion bewerkstelligt werden könnte. Schon vor Jahren hat Bütschli die ersten Anfänge des Blutgefäßsystems auf Reste der primären Leibeshöhle zurückgeführt, welche von Anfang an ein zusammenhängendes, in sich geschlossenes System von Lücken dargestellt hätten. Mit dieser ,,Blastocoeltheorie" Bütschlis steht die 1904 eingehend begründete ,,Haemocoeltheorie" Längs in keinem prinzipiellen Widerspruche. Bei vielen Anneliden findet sich in der Darmwand, und zwar besonders in den hinteren Rumpfabschnitten, ein bluterfüllter Spaltraum (sog. Darmblutsinus) oder ein diesen vertretendes unregelmäßiges Netz von Blutlacunen, aus denen das Rückengefäß gespeist wird. Diese Spalträume sind ihrer ersten Entstehung nach auf eine Abhebung der splanchnischen Mesodermschicht von dem ento- dermalen Darmepithel zurückzuführen (Fig. 62 B). Sie würden sonach in letz- ter Linie als wiedereröffnete oder neu gangbar gewordene Reste der primären Leibeshöhle zu bezeichnen sein. Diese Blutlacunen haben ursprünglich keine ihnen direkt zukommende eigene Wand. Das in ihnen zirkulierende Blut fließt in Bahnen, welche nach außen zu von den Schichten des splanchnischen Meso- derms, nach innen von dem Darmepithel begrenzt werden (Fig. 62 B). Da bei der oben erwähnten Abhebung der splanchnischen Schicht auch die ent- sprechenden Lagen der Darmmuskulatur [Im und rm Fig. 62) faltenartig em- porgehoben werden, so entsteht auf diese Weise eine kontraktile Muskelschicht, welche die Blutlacunen zunächst nur von außen umhüllt, sich aber im weiteren Verlaufe mehr und mehr um dieselben schheßt (Fig. 62 C). Ein inneres Epithel scheint den Blutgefäßen der Wirbellosen in den meisten Fällen völlig zu fehlen. Wo es vorhanden ist, da sind seine ersten Anfänge wohl auf Mesenchymzellen zurückzuführen, wir wir denn auch die erste Entstehung von Blutkörperchen auf das Freiwerden von Mesenchymzellen zurückzuführen haben. Ob es sich in diesen Fällen um Zellen des primären (larvalen oder ectodermalen) Mesen- chyms oder um ein etwa später durch Zelleinwanderung von den Mesoderm- streifen aus entstandenes sekundäres Mesenchym handelt, scheint aus den vor- liegenden ontogenetischen Untersuchungen noch nicht mit voller Klarheit her- vorzugehen. Entwicklung der Blutgefäße bei Anneliden !4l Dieser Darmblutsinus, resp. das ihn vertretende irreguläre Darmblutgefäß- netz scheint die erste Anlage des Blutgefäßsystems der Annehden zu repräsen- tieren. Daß die Mesenterien und die Dissepimente in gewissem Sinne vorge- schriebene Bahnen darstellen, in denen einzelne Teile des erwähnten Blutge- fäßnetzes zu größerer Selbständigkeit gelangen konnten, ist unschwer vor- zustellen. Es würden das Rücken- und Bauchgefäß und die sie verbindenden Queranastomosen (Fig. 57) als von dem ursprünglichen Darmgefäßnetz ab- gegliederte Teile zu betrachten sein. Unter dieser Annahme müßten allerdings --T771 -.en -hl -^ Fig. 62. Schema der Blutgefäßentwicklung bei Anneliden. A Schichtenbau eines Stückes der Darmwand. B Lage eines Blutsinus bl zwischen Darmepithel und Ringmuskelschicht der Darmwand. C Ablösung eines querdurch- schnittenen Blutgefäßes bg von der Darmwand, bg Blutgefäß im Querschnitt, bl Blutsinus, en entodermales Epithel der Darmwand, Im Längsrauskelschicht der Darmwand im Querschnitt, rm Ringmuskelschicht der Darmwand, p Peritonealepithel der Darmwand, sog. Splanchnopleura. alle mehr peripher gelegenen Gefäße, welche die Haut, die Körperanhänge und Kiemen versorgen, als durch sekundäre Gefäßsprossung hervorgegangen ge- dacht werden. Die ontogenetischen Befunde stehen mit der hier mehr dogmatisch vor- getragenen Ansicht von der Entwicklung des Blutgefäßsystems im allgemeinen in guter Übereinstimmung. Es sei hier erwähnt, daß das Rückengefäß im all- gemeinen paarig angelegt wird, also durch Verschmelzung zweier Anlagen her- vorgeht. Das darf uns nicht in Erstaunen versetzen, da wir zu bedenken haben, daß das dorsale Mesenterium verhältnismäßig spät gebildet wird. Der rechte und linke Coelomsack jedes Segmentes (Fig. 61 B) rücken erst spät in der dor- salen Mittellinie aneinander. Da nun die dorsalen Kanten beider Coelomsäcke die Anlage der Rückengefäße bergen, so muß die letztere anfangs paarig sein. Diese Verhältnisse sind im Auge zu behalten, da uns bei der Entwicklung des Herzens der Arthropoden und Mollusken ganz ähnliche Entstehungsbedingungen entgegentreten werden. Über die erste Entstehung der Nephridien der Anneliden herrscht noch manche Unklarheit. Man wird sie wohl als vom Epithel der Coelomsäcke K. d.G.III.iv,Bd2 Zellenlehre etc. 11 )6 242 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen abgegliederte Röhrchen in Anspruch nehmen dürfen. Die Angaben E. Meyers für die Nephridien von Psygmobranchus und die LilHes für Arenicola deuten nach dieser Richtung. Zweifelhaft muß es bleiben, ob noch etwa ein dem Ectoderm entstammender ausleitender Abschnitt hinzukommt, wofür gewisse Angaben an Oligochaeten und Hirudineen zu sprechen scheinen. Bei der im vorstehenden gegebenen Darstellung des Körperbaues der Anne- liden konnte gewissermaßen nur ein allgemeines Schema der fundamentalen Beziehungen entwickelt werden. Von der unendlichen Mannigfaltigkeit, von den aus zahlreichen Variationen dieses Grundthemas in der vorliegenden hochinteressanten Gruppe sich ergebenden Spezialformen mußte abgesehen werden, wie sich auch eine Darstellung zahlreicher besonderer Organbil- dungen, der Anhänge des Kopfes, der Extremitätenstummel der Rumpfseg- mente, der Kiemen, der Borsten, der Rüssel- und Kieferbildungen usw. unse- rem Rahmen nicht eingefügt hat. Davon wird einiges in den folgenden Ab- schnitten nachzutragen sein. V. ARTHROPODEN, GLTEDERFUSSER. Der formenreichste Stamm des Tierreiches, der der Arthropoden, schließt sich den Anneliden ungemein nahe an. Der ,, Kampf ums Dasein", immer be- strebt, alle Daseinsmöglichkeiten auszunützen und die Lebensbetätigung zum höchsten Grade der Intensität zu steigern, ließ aus einer Gruppe annelidenähn- licher Ahnenformen gepanzerte Wesen hervorgehen, welche unter reicherer Ent- faltung gegliederter Extremitätenanhänge zu rascherer Körperbewegung be- fähigt erschienen. Wir denken an die unendliche Mannigfaltigkeit aller krebs- ähnlichen, spinnenähnlichen, tausendfußartigen oder insektenähnlichen Wesen, wenn wir von Arthropoden sprechen. In ihren Anfängen noch an das Wasser- leben angepaßt und durch Kiemenatmung ihren Sauerstoffbedarf deckend, voll- zogen diese Formen den Übergang zum Landleben, bis schließlich in der höchstentwickelten Gruppe der geflügelten Insekten die ,, Eroberung der Luft" als glückliche Lösung des schwierigsten der dem Tierreiche gestellten techni- schen und mechanischen Probleme die Entwicklungsreihe abschloß. In den Grundzügen ihres Bauplanes erinnern die Arthropoden durchaus an Anneliden (Fig. 63). Die metamere Segmentierung des Körpers, welche hier meist zu heteronomer Ausbildung differenter Körperregionen führt, erinnert ebensosehr an die Ringelwürmer, wie die relativen Lagebeziehungen der wich- tigsten Organe zueinander. Wie bei den Anneliden, so finden wir auch hier ein über dem Darm verlaufendes Rückengefäß (Herz) als Zentrum des Zirku- lationsapparates (Fig. 63 yg, 66h, 77h) und als zentralen Teil des Nerven- systems eine ventralwärts unter dem Darm sich längs erstreckende Bauch- ganghenkette (Fig. 63 w, 66hg, 76, 77hg). Wir werden sehen, daß vielfach Ex- kretionsorgane zu beobachten sind, welche sich ihrem Baue nach unter gewissen Modifikationen an die Nephridien der Anneliden anschließen (Fig. 65, 66n' «", 68ADr, 7Sso). So innig erschien vielen Forschern der Anschluß der Glieder- Vergleich der Anneliden und Arthropoden 'A3 füßer an die Ringelwürmer, daß Cuvier den Versuch begründete, beide Grup- pen in eine höhere systematische Einheit: der Articulaten zu vereinigen, ein Bestreben, in welchem ihm bis auf die neueste Zeit manche Autoren (Hät- schele) gefolgt sind. A ' Bei aller prin- zipiellen Überein- stimmung, welche im Körperbau der Ar- thropoden zutage tritt, wird man immerhin noch ge- wisse Zweifel hegen dürfen, inwieweit dieser Stamm als ge- netische Einheit im Sinne gemeinsamer Abstammung zu er- fassen ist. Es fehlt nicht an Stimmen, welche der Ansicht Ausdruck geben, daß mehrere, ihrem Ur- sprung nach ge- trennte Stämme von den Anneliden ab- zweigend gleiche oder ähnliche Ent- wicklungsrichtung eingeschlagen haben. Und in der Tat, es treten uns bei Be- trachtung der unend- lichen Formenfülle derGliederf üßer min- destens drei vonein- ander mehr oder min- der getrennte For- menreihen entgegen, welche höchstens an eil Fig. 63. -iSchematiscber Querscliuitt durch einen Anneliden (verändert nach einer Abbildung in Gkobbexs Lehrbuch), vgl. Fig. 58 B. B Schematischer Querschnitt durch einen Arthropoden (Crustacee). bg Bauchgefäß, c Coelom, cd Dorsalcirrus, cv Ventralcirrus, cu Cuticula, d Darm, dm dorsaler Längsmuskel, da dorsales Horstenbüschel, ec ektodermales Epithel (Hypodermis oder Matrix), en Endopodit, ex Exopodit, g Geschlechtsorgane, k Kieme, ms mesenchymatisches Bindegewebe, n Bauchganglienkette, pc Pericardialseptum, rg Rückengefäß, sp splanchnische Schicht der Darmwand (Darmmuskelschicht), v ventrales Borstenbüschel, V)n. ven- traler Längsmuskel. ihrer Wurzel miteinander zusammenhängen. Den ersten dieser Stämme können wir als den der Crustaceen oder krebsähnlichen Wesen bezeichnen. Hier handelt es sich meist um Bewohner des Wassers, vornehmlich der Meere, welche kiemen- atmend und durch den Besitz zweier Fühlerpaare gekennzeichnet sind. Die zweite Reihe schließt sich in ihren Ursprüngen vielleicht durch Vermittlung der altehr- 16* 244 ^- Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Würdigen Trilobiten (Fig. 70 und 71) an vorweltliche Crustaceen an. Sie führt von den Palaeostraken (Gigantostraken und Xiphosuren, Fig. 72) zu den Scorpionen (Fig. 73) und spinnen'öhn\ich.en Formen. In ihren Anfängen marine und kiemen- atmende Wesen umfassend, läuft sie in eine Gruppe landbewohnender, durch Tracheen oder Fächerlungen luftatmender Tiere aus, bei denen die vordersten Extremitätenpaare bereits der Gruppe der Mundwerkzeuge zuzurechnen sind, während eigentliche Fühler vermißt werden. Die dritte Reihe kann unter dem Namen der Antennaten zusammengefaßt werden. Ein Fühlerpaar und Tracheen- atmung kennzeichnet diese vorwiegend aus Landbewohnern zusammengesetzten und in ihren höchstentwickelten Formen des Fluges sich bedienenden Wesen. Sie führt von Peripatus (Fig. 74, Gruppe der Onychophoren) durch Vermittlung der Myriopoden zu den Insekten. Extremitäten. Die Arthropoden kennzeichnen sich durch den Besitz gegliederter Ex- tremitäten (vgl. Fig. 73). Schon bei den Anneliden begegnen wir in der Unter- gruppe der marinen Folychaeten Andeutungen von Extremitätenbildungen, sog. Parapodien, welche sich hier nur als kurze, stummeiförmige, häufig zwei- zipfelige, seitlich an den Segmenten befestigte Ruder präsentieren und in denen meist zwei mächtige Borstenbüschel (Fig. 63 A do und v) eingepflanzt erschei- nen. Oft gewinnen diese Anhänge der Anneliden kompliziertere Gestalt, durch sekundäre Lappenbildung, durch das Vorhandensein von Fühlfäden (Dorsal- und Ventralcirrus, Fig. 63 c^, cv) und von Kiemenanhängen [k). Doch kommt ihnen ein geringer Grad von Eigenbewegung zu. Die Lokomotion der Anneliden vollzieht sich unter seitlichen Schlängelungen des ganzen Körpers. Anders bei den Arthropoden. Hier gewinnen die Extremitäten, höher entwickelt, nach der Ventralseite verlagert (Fig. 63 B), schärfer von den Rumpfsegmenten abgeglie- dert, den Charakter selbständig tätiger, durch eine komplizierte Eigenmusku- latur bewegter Lokomotionsorgane. Dementsprechend treten die Bewegungen des Rumpfes beim Schwimmen, Kriechen usw. mehr in den Hintergrund. Die Extremitäten der Arthropoden haben den Bau gegliederter hohler Stäbchen, welche in ihrem Inneren die Weichteile (Muskel usw.) bergen und an denen versteifte Abschnitte mit Partien größerer Beweglichkeit (sog. Gelenken) ab- wechseln. Bekannt ist ja, wie die Beine der Insekten sich in Abschnitte, welche als Hüfte, Trochanter, Femur, Tibia und Tarsus unterschieden werden, gliedern. Haut. Die Möglichkeit, derartige zu mannigfaltigen komplizierten Leistungen be- fähigte Extremitäten zu entwickeln, eröffnete sich den Arthropoden durch ein ihnen allgemein zukommendes Merkmal: die stärkere Cuticularisierung der Körperoberfläche. Während bei den Anneliden die Cuticula (Fig. 6'^ A cu) als ein mehr weiches, nachgiebiges Häutchen der äußeren Oberfläche des ektoder- malen Körperepithels (Hypodermis ec) aufgelagert erscheint, entwickelt das hier häufig als Matrix bezeichnete Körperepithel der Arthropoden (Fig. 63 B ec) einen starren, geschichteten, aus Chitin bestehenden und häufig durch Kalk- einlagerungen verstärkten Hautpanzer (Fig. 63BCW), welcher oft mit Borsten, Dornen oder Stacheln besetzt und mit den zierlichsten Reliefbildungen versehen Skelett, Muskelsystem und Leibeshöhle der Arthropoden 245 sein kann. Diese ganze Mannigfaltigkeit beruht auf der ungemeinen Plastizität des Chitins als skelettbildender Substanz, welcher in gleichem Maße im Tier- reiche nur noch die Kieselsäure nahekommt, während der Kalk im allgemeinen zu massigeren Skelettbildungen führt. Mit der Ausbildung des Chitinpanzers der Arthropoden sind zwei Eigentümlichkeiten dieser Tiergruppe notwendig verbunden : 1. daß die einzelnen, gegeneinander beweglichen Stücke dieses Hautpan- zers gelenkig miteinander verbunden und nicht selten ein wenig fern- rohrartig einziehbar sind und 2. daß das Wachstum der hierher gehörigen Formen sich nur auf dem Wege von Häutungen unter Abwerfen der verbrauchten und zu klein ge- wordenen Hülle vollziehen kann. Die Häutungen des Seidenwurmes und der Raupen im allgemeinen sind eine den Schmetterlingszüchtern wohl- bekannte Erscheinung. Die Entwicklung dieses chitinösen, starren, äußeren oder Exoskeletts hatte wichtige Umgestaltungen der inneren Organisation im Gefolge. Zur Bewegung der einzelnen Panzerplatten, der Chitinringe, welche den Körpersegmenten entsprechen, der abgegliederten Teile der Extremitäten usw. erschien ein ein- heitlicher Hautmuskelschlauch nicht mehr geeignet. Wir sehen hier demnach das Muskelsystem in eine große Zahl einzelner Muskelgruppen zerlegt. Lyonet hat die Körpermuskel der Weidenbohrerraupe eingehend studiert und ihre Zahl nach Tausenden bewertet. Nur bei ursprünglicheren Arthropodenformen, wie bei Peripatus (Fig. 74), erhalten sich Anklänge an den Zusammenschluß der gesamten Körpermuskulatur zu einem einheitlichen Hautmuskelschlauch. Mit der Auflösung des Hautmuskelschlauches in gesonderte Spezialmuskel Coeiom. und Muskelgruppen hängt zusammen: die Auflösung der Coelomwände. Was wir als Leibeshöhle der Arthropoden (Fig. 63 B) bezeichnen, stellt sich uns dar als ein von Bindegewebspartien [ms), Fettkörpergewebe usw. durchzogenes, mit Blutflüssigkeit erfülltes Lückensystem, das durchaus den Charakter eines Pseudocoels trägt. Eine epitheliale Auskleidung dieses unregelmäßig gestal- teten, zwischen den einzelnen Körperorganen sich ausdehnenden Höhlen- systems wird vermißt. Die Arthropoden erinnern im Charakter ihrer Leibeshöhle einigermaßen an die Verhältnisse, wie wir sie bei den Scoleciden (vgl. Fig. 49) vorgefunden haben, mit einer wichtigen und ungemein bezeich- nenden Ausnahme. Wir finden hier regelmäßig eine splanchnische Muskel- schicht (Fig. 6^ B sp) der Darmwand, und dieser Befund deutet darauf hin, daß es sich bei der Leibeshöhle der Arthropoden um ein verschwundenes Coeiom, um eine parenchymatöse Umbildung der Coelomwände handelt. Wir müssen uns an die Embryologie der Arthropoden halten (vgl. unten die Fig. 82 und 84), um über die morphologische Auffassung der Leibeshöhle der Arthropoden eine gewisse Klarheit zu gewinnen. Vor allem haben die von Kennel und Sedgwick genauer untersuchten Umbildungsvorgänge im Embryo von Peripatus diesbezüglich klärend gewirkt, wo wir anfangs, wie bei 246 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen o-—., den Anneliden, umfangreiche Coelomsäcke auftreten sehen (Fig. 80 t), die später unter Dissoziierung des zelligen Gefüges ihrer Wand zur Leibeshöhle der aus- gebildeten Form hinüberführen. Wenn wir die Verhältnisse im Insektenembryo heranziehen, auf welche wir unten noch zurückkommen, so gewinnen wir dort den Eindruck, daß das Hohlraumsystem, welches wir als Leibeshöhle bezeich- nen, aus einem Zusammenfließen der Coelomhöhlen mit der primären Leibes- höhle unter Auflösung der Coelomwände entsteht. Blutgefäßsystem. Durch die Umwandlungen, welche das Coelomsystem der Arthropoden auf dem Wege von den Annelidenahnen durchzumachen hatte, wurde auch das Blutgefäßsystem in nicht unwesentlicher Weise tangiert. Es existiert eine eigentümliche, nicht ganz klar zu durchschauende Beziehung, welche sich dahin aus- sprechen läßt, daß ein geschlossenes, wohlentwickeltes Blutgefäßsystem im allgemeinen nur bei Formen sich findet, denen ein wohlkonditioniertes Coelom zukommt. Erleidet das Coelom irgendeine Form sekundärer Umbildung, so wird auch das Blutgefäßsystem rückgebildet und es kann bei den kleineren Formen unter den Arthropoden vollstän- dig verschwinden. Im allgemeinen erhalten sich nur gewisse Teile des Blutgefäßsystems, welche dann mit dem Pseu- docoel in direkte Kommunikation treten, so daß das Blut zum Teil in Gefäßen mit eigener Wandung, zum Teil aber in den Lückenräumen der Leibeshöhle zirkuliert. Das Blut- gefäßsystem der Arthropoden ist sonach ein sogenanntes Fig. 64. Vorderes Ende des offencs. Mcist erhält sich als propulsatorischer Apparat Herzens eines Tausendfußes . , . «-n-iirz-ii (Scoiopendra). NachNEWPORT mit muskulöscr Wauduug versehen jener leil des Zirkula- Zi'::il£t:£^.Z^l tionssystems (Fig. (^(^K 11 h\ welcher dem Rückengefäß ab Arterienbogen, a/seitHche ^^^ Anneliden cntspricht (Fig. 63^2:) und der hier bei den Arterien, hk Herzkammer, ^ . o Ostien des Herzens, >2 sog. Arthropodcu häufig als Hcrz bezeichnet wird. An ihn kön- Flügelmuskel des Herzens, ... .. r> i ■ t^ , r i , a < • zur Erweiterung des Herzens Hcn sich in großcrcr odcr geringerer Entfaltung Arterien dienend, (Fig. 64 ac, H do) anschlicßcn, welche nach längerem oder kürzerem Verlaufe frei endigen und — wie erwähnt — mit Räumen der Leibes- höhle in Verbindung treten. Ob und inwieweit gewisse Blutbahnen, welche z. B. beim Flußkrebs als Venen beschrieben worden sind, auf Teile des Blutgefäß- systems der Anneliden zu beziehen sind oder ob sie als selbständig neu hinzu- gebildete Gefäße zu betrachten sind, ist uns nicht bekannt. Das in manchen Fällen langgestreckte, als Rückengefäß entwickelte, in anderen Fällen kurz sackförmige Herz liegt in einem besonderen Räume, dem sog. Pericardialsinus (Fig. 84 C />), welcher durch ein horizontal ausgebreitetes, durchlöchertes Pericardialseptum (Fig. 63 B pc, 84 C ps) von den übrigen Teilen der Leibeshöhle abgegrenzt ist. Wenn wir die Lage des Rückengefäßes bei den Anneliden betrachten (Fig. 63 A), so wird uns deutlich, daß der Pericardial- sinus der Arthropoden auf die primäre Leibeshöhle zu beziehen und durch ein Auseinanderweichen der beiden Blätter des dorsalen Mesenteriums entstanden Blutgefäßsystem und Nephridien der Arthropoden 247 ZU denken ist. Dann muß man das Pericardialseptum auf eben diese Blätter des Mesenteriums zurückführen. Wir hätten sonach in ihm einen zeitlebens erhal- tenen Teil der Coelomwand. An das Pericardialseptum sind vielfach die Go- naden (Fig. 63 g, 84 g) durch Stränge oder Lamellen, die man als ein Meso- varium (Mesorchion) betrachten kann, befestigt. Die sog. Endfäden, in welche die Eiröhren der Insekten auslaufen, sind unter diesem Gesichtspunkte aufzu- fassen und sonach in letzter Linie auch auf Reste des dorsalen Mesenteriums zu beziehen. Das Blut, welches in den Lakunen des Pseudocoels kreisend die Organe des Körpers umspült, kehrt durch Lücken im Pericardialseptum in den Peri- cardialsinus zurück. Damit es ins Herz gelangen kann, sind seitliche Durch- brechungen der Herzwand, die sog. Herzostien (Fig. 64 0, 66 ho) in regelmäßigen Abständen an- gebracht. In ebensolchen regelmäßigen Abstän- den finden wir im Herzen der Insekten Klappen- paare angebracht, welche dem Blutstrome imHer- zen die Strömungsrichtung von hinten nach vorn sichern. Durch diese Klappenpaare gewinnt das Herz der Insekten segmentalen Charakter. Es wird zu dem sog. ,,gekammerten Rückengefäß" dieser Formen. Die von den Anneliden überkommenen Ne- ?^ — (üj n«?'^"^'«"- phridien erhalten sich im Kreise der Arthropoden Fig. 65. Antennendrüse eines Krebses. -r-,..,, , . , , Nach Grobben. ■''-> r 1 g. 68. rvauplius eines Krebses (Cyclops albidus). jüngsten aus dem Ei entschlüpfenden Ju- Nacii claus aus Grobbens Lehrbuch. ad>- An- 1 /-> 111' tennendriise, ^' erste Antenne, ^i" zweite Antenne, gendformen der Crustaceen haben bereits Md Mandibei, ds Darmaussackungen mit Harn- typischen Arthropodencharakter. Sie kom- ''''^^'"' men nicht selten in einer Gestalt aus dem Ei, welche von der ausgebildeten Form erheblich abweicht. Diese Larvenstadien, welche anfangs nur aus wenigen Körpersegmenten bestehen und durch zahlreiche Häutungen auf dem Wege einer vielfach höchst komplizierten Metamorphose in den ausge- bildeten Zustand übergeführt werden, bilden ein ungemein reizvolles Objekt der vergleichenden Morphologie und Biologie, um so mehr da an ihrem Körper die verschiedenartigsten Anpassungen an eine von der des ausgebildeten Zu- standes oft erheblich abweichende Lebensweise zutage treten. Wir greifen aus ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit hier nur zwei Haupttypen heraus, welche in früheren Dezennien vielfach, besonders im Anschlüsse an die genialen Deu- tungsversuche Fritz Müllers als Erinnerungen an vorweltliche Stammformen dieser Gruppe in Anspruch genommen wurden, während sie jetzt wohl all- gemein als adaptive Larvenformen betrachtet werden. Von diesen beiden Typen bildet der eine, als Nauplius (Fig. 68) bezeichnet, den Ausgangspunkt für die Umwandlung der niederen Krebsformen, während der andere, die Entwicklung der Crustaceen. 252 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen sog. Zoea (Fig. 6g) den höheren Krebsen (den sog. Malacostraken) eigen- tümlich ist. Der Nauplius (Fig. 68) besteht nur aus wenigen Körpersegmenten. Es ist an ihm gewissermaßen nur der vordere Abschnitt der späteren Kopfregion zur Entfaltung gekommen, während die übrigen Segmente in der Reihenfolge von vorne nach hinten in späteren Stadien hinzugebildet werden. Wir finden nur drei ungemein einfach gestaltete Extremitätenpaare, welche nach der spä- teren Verwendung dieser Anlagen, als erste {A') und zweite Antenne [A") und als Mandibel [Md) bezeichnet werden, hier aber hauptsächlich als Ruder be- nützt werden. Der Mund, von einer mächtigen Oberlippe überragt, führt in einen kurzen Darm, welcher hinten zwischen zwei stummeiförmigen Furcal- hökern ausmündet. Das Nervensystem, hier noch in Verbindung mit dem Ekto- derm, besteht aus Gehirn, Schlundcom- ^^^ missur und einem Unterschlundganglion. Dem Gehirn ist das charakteristische un- paare, aber aus drei Einzelaugen zusam- Fig. 69. Zoea einer mengesetztc Naupliusaugc angeheftet. Vou Krabbe (Thia polita). ° . '^ . Nach Claus aus Grob- Exkretionsorgancu findet sich in der Basis BENS Lehrbuch. ZS , ■, \ , ^■ \ , i .. Rückenstachel, -4' erste dcr zwcitcu Antenne die Antennendruse Antenne, y4" zweite An- ( /} Tly\ tenne, K/' erster Maxil- ^ ' ' larfuß, Kf" zweiter Dic pclagischc Larvenform der Mala- Maxillarfuß. , ^ , .* -7 ■• /-r- ^ n , costraken, die sog. Zot^a (rig. 09) besteht aus einem mit sieben Extremitätenpaaren versehenen Kopfbruststück (Ce- phalothorax) und einem sechsgliedrigen, mit dem Telson endenden Abdomen, während die eigentliche Thoraxregion, in der Entwicklung zurückgeblieben, noch kaum als Anlage zu erkennen ist. Der gewölbte Rückenschild ist vielfach mit starren Fortsätzen (Stirnstachel, Rückenstachel ZS, Seitenstacheln) versehen, die hier wohl als Schwebeeinrichtungen zu deuten sind. Die Extremitäten werden als i. und 2. Antenne {A', A"), als Mandibel, i. und 2. Maxille und als I. und 2. Maxillarfuß {Kf, Kf") bezeichnet. Von ihnen dienen die zweiästigen zweiten Antennen und die beiden Kieferfußpaare beim Schwimmen als wirk- same Ruder. Neben dem dreiteiligen Naupliusauge, das sich hier noch erhalten hat, finden sich zwei seitliche zusammengesetzte Augen, welche bei dieser Lar- venform noch nicht, wie meist im ausgebildeten Zustande, auf abgegliederte Stiele emporgehoben sind. Von inneren Organen fällt dem Untersucher das sackförmige, kräftig pulsierende Herz vor allem ins Auge. B. Reihe der Arachnomorpha oder spinnenähnlichen Tiere. Wenn wir bei Verfolgung der Morphologie der Crustaceen hauptsächlich auf das Studium recenter Formen angewiesen sind, so führen die Wurzeln des Stammes der spinnenähnlichen Tiere auf die ältesten Zeiten, auf die ersten fossilführenden Schichten unseres Planeten zurück. Das liegt wohl nur daran, daß die zarteren Krebse sich nicht in gleicher Weise der Erhaltung als Ver- Entwicklung der Crustaceen. Trilobiten 253 steinerungen günstig zeigten, als die derber gepanzerten Palaeostraken, unter welchem Namen wir die Stämme der Trilobiten (Fig. 70, 71), der Gigantostraken und der Xiphosuren (Fig. 72) zusammenfassen. Die Trilobiten, bereits im Cambrium erscheinend und im Silur zu größter Formenfülle sich entfaltend, reichen mit spärlichen, dem Aussterben entgegen- gehenden Ausläufern in die Steinkohlen- und Permperiode hinein. Ihrem Baue nach vermitteln sie die Beziehungen zu ursprünglichen Crustaceenformen, unter denen sie der im Süßwasser lebenden Phyllopodengattung Apus sich habituell nähern. Der Körper derTrilobiten(Fig. 70), aus drei Regionen be- stehend: dem schild- förmigen Kopf (bei a), dem aus freien Seg- menten zusammenge- setzten Rumpfe (bei e) und einem aus Ver- schmelzung von Seg- menten hervorgegan- / genen Endabschnitt (Pygidium g), wird durch zwei Längsfur- chen in eine mittlere erhöhte Partie (Rhachisg) und flach- ere Seitenteile (Pleu- ren /) geteilt. Die Ex- tremitäten dieser asselartig sich einrol- lenden Meeresbewoh- ner, lange vergeblich gesucht und erst durch glückliche Funde und mühevolle, an Schliffen durchgeführte Studien der neueren Zeit einigermaßen bekannt ge- worden (Fig. 71), schließen sich durch ihre zweispaltige Form, durch den Besitz von Exopodit und Endopodit, wozu vielleicht noch Kiemenanhänge kommen, denen der Crustaceen an. Den von einer Oberlippe (Hypostom) überragten Mund umstellten vier Paare von spaltästigen Kaufüßen mit basalen Kauladen, während vor dem Munde nur ein langgegliedertes Antennenpaar bekannt geworden ist. Seitlich am Kopfe finden sich meist zusammengesetzte Augen (Fig. 70 bei c). Die interessante Gruppe der Gigantostraken, ursprünglich aus zum Teil durch Körpergröße auffallenden Meeresbewohnern bestehend, aber in ihren der Steinkohlenperiode angehörigen Ausläufern mit Resten von Landpflanzen, Skorpionen und Insekten vergesellschaftet und demnach vielleicht als Süß- wasserformen mit schuppenbedecktem Körper den Übergang zum Landleben vorbereitend, erinnert im Gesamthabitus bereits auffällig an Skorpione. Sie Fig. 70. Rückenansicht eines Trilobiten (Phillipsia gemmulifera Phillips). Nach H. Woodward aus Stromer v. Reichen- bachs Lehrbuch der Palaeozoologie. a Gla- bella, b Gesichtsnaht, c Wange mit Auge, d Nackenring, e Spindel (Rhachis),y Pleu- ren der freien Brustsegmente, g Pygidium mit noch deutlichen Segmentgrenzen. Fig. 71. Ventralansicht eines Trilo- biten (Triarthrus Becki Green). Re- stauriert nach Beecher aus Stromer V. Reichenbachs Lehrbuch der Palaeo- zoologie. kf Kaufüße. 254 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen vermittelt den Übergang zur Gruppe der Xiphosuren (Schwertschwänze oder Pfeilschwanzkrebse), die uns in der Gattung Lhnulus (Fig. 72) den einzigen noch lebenden Vertreter der Palaeostraken vor Augen führt. Limulus, ein Küsten- und Flachseebewohner des atlantischen und stillen Ozeans, zeigt dieselbe Scheidung des Körpers in drei Regionen, die wir bei den Trilobiten beobachteten. Sie werden hier als Kopfbrustschild, Abdomen und Schwanzstachel oder Pygidium bezeichnet. Jede von ihnen ist durch Ver- schmelzung mehrerer Körperseg- mente entstanden. Wir finden ebenso die von den Trilobiten übergekom- mene longitudinale Scheidung in Rhachis und Lateralpleuren. Die Extremitäten des Kopfbruststückes haben den Charakter von starken, mit Scheren endigenden Gang- oder Grabbeinen (Fig. 72, i — 6), doch tra- gen sie sämtlich eine basale Kaulade und dienen sonach gleichzeitig als Mundwerkzeuge. Vor dem Munde fin- den sich keine Antennen, sondern an ihrer Stelle ein Paar ziemlich kleiner scherenbewaffneter Anhänge (l), welche hier bereits in Übereinstim- mung mit der bei den Spinnen üb- lichenTerminologie alsCheliceren be- zeichnet werden. Am Abdomen fin- den sich fünf flache kiementragende, von einem vorderen als Operculum bezeichneten Deckel überragte Ab- dominalbeinpaare (7). Am Kopf- brustschilde erkennen wir ein Paar kleinerer Medianaugen und ein zwei- tes Paar größerer zusammengesetzter Seitenaugen. Es waren besonders Beobachtungen über den feineren Bau dieser Augen, sowie Übereinstimmungen der inneren Anatomie, welche die Forscher zur Annahme naher verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen Limulus und den Skorpionen führten. Die Skorpione (Fig. 73) kennzeichnen sich unter den landbewohnenden Formen der Arachnidenreihe dadurch als die ursprünglichsten, daß bei ihnen die Körpergliederung in getrennte Segmente sich besonders in den hinteren Körperregionen im weitesten Umfange erhält, während bei den Spinnen und ihren näheren Verwandten eine Tendenz zur Konzentration der Organe, zur Verschmelzung der Segmente bemerkbar ist, bis in dem letzten Ausläufer dieser Reihe, den kleinen sackförmigen Milben alle Spur segmentaler Gliederung des Fig. 72. Limulus poly- phemus , Pfeüschwanz- krebs. Nach Packard aus HüSSE-DoFLElN, Tier- bau und Tierleben. I Cheliceren, 2 — 6 Glied- maßen des Kopfbrust- stücks, 7 Kiemenfüße des Abdomens. Xiphosuren und Skorpione = 55 Körpers verschwindet. Die Teilung des Körpers in drei aufeinander folgende Regionen haben die Skorpione mit Limulus gemeinsam. Sie werden hier als Kopfbruststück (Cephalothorax), Praeabdomen (bei st) und Postabdomen (bei pa) bezeichnet, von denen das Kopfbruststück sechs Extremitätenpaare trägt, während dem Praeabdomen und Postabdomen Extremitäten fehlen, wenn wir von den Pectines oder Kämmen {k) des zweiten Abdominalsegmentes absehen. Das Praeabdomen besteht aus sieben (im Embryo acht), das Postabdomen aus sechs Körpersegmenten, von denen das letzte als Giftstachel umgebil- det ist. Von den sechs Extremitäten- paaren des Kopfbruststückes wird das erste kleine scherentragende, vor dem Munde gelegene als Cheliceren (Fig. 73 ch), das zweite mit einer basalen Kaulade versehene und mit großer, aufgetriebener Schere endigende als M axillar palpen (Pedipalpen, mp) be- zeichnet. Die vierfolgenden Beinpaare endigen mit Doppelkrallen. Im allge- meinen finden wir bei den Arachniden und bei den Insekten verdoppelteEnd- klauen der Gangbeine, während bei den Crustaceen in der Regel eine ein- fache Endklaue sich findet. Wir wer- den auf diesMerkmal nicht allzu großes Gewicht zu legen haben, da auch bei gewissen Krebsen (so in den Asselgat- tungen Jaera, Janira undMunna) eine Verdopplung der Endkralle zu beob- achten ist. Am Praeabdomen werden im Em- bryo der Skorpione, wie auch bei den Spinnen, Extremitätenanlagen gebildet, welche sich im ausgebildeten Zustande zum Teil in umgewandelter Form erhalten. Wir finden am ersten Segment des Praeabdomens die von einem Operculum überdeckte Genitalöffnung {go), am zweiten Segmente die bereits erwähnten Kämme oder Pectines {k), die als Sinnesapparate fungieren, während wir vom 3. bis zum 6. Segmente schräg gestellte Atemspalten (Stigmen st) bemerken. Letztere führen in säckchenför- mige, mit fächerartig gefältelter Wand versehene Organe der Luftatmung, wel- che auf Grund embryologischer Daten mit den Kiemenanhängen von Limulus homologisiert werden. Bei den Spinnen erscheinen diese Respirationsorgane zum Teil durch verästelte Röhren, den Tracheen der Insekten gleichend, ersetzt. Fig. 73. Venlralansicbt eines Skorpions. Nach V. Carus, etwas ver- ändert. c/i Cheliceren, g'o Geni- taloperculum, k Kämme (sog.Pectines),/«/Maxil- larpalpen./a erstes Seg- ment des Postabdomens, si Atmungsöflfhungen (Stigmen). 2^6 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Das Nervensystem der Skorpione zeigt die Form einer wohlgegliederten Bauchganglienkette. Von den Anhangsdrüsen des Darmkanals ist die mäch- tige, das Praeabdomen erfüllende, gelappte Leber am meisten in die Augen springend. Weiter hinten münden in den Darm zwei als Exkretionsorgane die- nende Röhrchen, sog. Malpighische Gefäße, welche neuerdings von Bordas wohl nur irrtümlich den Leberausführungsgängen zugerechnet werden. Von umgewandelten Nephridien erhält sich hier nur ein Paar sog. Coxaldrüsen, wel- che am dritten Beinpaare ausmünden. Das hochentwickelte Blutgefäßsystem besteht aus einem im Praeabdomen gelegenen, mit 8 Ostienpaaren versehenen Rückengefäße, welches in vordere und hintere, zu den Organen tretende Ar- terien ausläuft. Unter diesen interessiert uns besonders ein auch bei Limulus sich findendes System supraneuraler, die Bauchganglienkette und die von ihr abgehenden Nerven überdeckendes und zum Teil sie umscheidendes System von Blutbahnen. Die röhrenförmigen Gonaden haben eine merkwürdige Nei- gung zur Netz- und Anastomosenbildung, woraus sich die bei den Afterspinnen oder Weberknechten (Opilionidea) und bei anderen Formen bemerkbare ring- förmige Konfiguration der Keimdrüse herleiten läßt. Wie sich der Bau der mannigfaltigen als Skorpionsspinnen, echte Spinnen, Solpugiden, Pseudoskorpione, Afterspinnen und Milben unterschiedenen Grup- pen der Arachnidenreihe von dem hier für die Skorpione im Anschlüsse an Limulus entwickelten Grundtypus herleiten läßt, soll hier nur angedeutet, nicht im einzelnen entwickelt werden. Es handelt sich um den Verlust des Postabdomens, um eine Verkürzung der praeabdominalen Region unter gleich- zeitiger Auftreibung, wobei nicht selten die Segmentgrenzen dieser Region durch Verschmelzung zum völligen Verstreichen gebracht werden. Hand in Hand hiermit geht eine fortschreitende Konzentration der inneren Organe, wie sich dies besonders an der Bauchganglienkette erkennen läßt, welche zu einem einzigen sternförmigen Bauchganglion zusammengezogen ist. Wenn wir zum Schlüsse die Frage berühren, durch welches gemeinsame Merkmal diese ganze an mannigfaltigen Formen reiche Reihe gekennzeichnet wird, so könnten wir auf das Fehlen von Antennen hinweisen, die sich hier nur bei den an der Wurzel des ganzen Stammes stehenden Trilobiten und Giganto- straken erkennen lassen, während sie bei den übrigen Formen durch die Che- liceren ersetzt erscheinen. Man hat unter diesem Gesichtspunkte die Formen dieser Reihe unter dem gemeinsamen Namen der Chelicerata zusammengefaßt. C. Reihe der Antennaten. Wenn wir es im Kreise der Krebse, von wenigen Ausnahmen (Landasseln, Landkrabben) abgesehen, mit Wasserbewohnern zu tun hatten, während in der Reihe der Arachnomorpha oder Chelicerata, deren ursprünglichste Formen Meeresbewohner sind, sich der allmähliche Übergang zu luftatmenden Land- tieren verfolgen läßt, treten uns im Gebiete der Antennaten, unter welchem Namen wir die Gruppen der Onychophoren, Myriopoden und Insekten zusammen- fassen, typische Landbewohner entgegen. Wenn wir hier Formen begegnen. Bau der Skorpione. Antennaten im Allgemeinen 257 die sich im Wasser aufhalten, wie dies z. B. bei den Schwimmkäfern, bei den Ruderwanzen, bei den Libellulidenlarven oder bei der merkwürdigen im Süß- wasser lebenden Schmetterlingsraupe der Gattung Acentropus u. a. der Fall ist, muß diese Lebensweise stets als eine sekundär erwor- bene erfaßt werden. Schon bei den Onychophoren, welche, an der Wurzel des ganzen Stammes stehend, nahe an die An- neliden heranreichen, treten uns Landbewohner entgegen, die durch Tracheen ihren Gasaustausch vermitteln. Doch sei in diesem Zusammenhange erwähnt, daß man neuerdings mit einigen Zweifeln in die Nähe der Onychophoren die wunder- lichen Bärtierchen (Tardigraden) einreiht. Süßwasserformen, welche bei eintretender Trockenheit in geschrumpftem Zu- stande scheintot Jahre überdauern, um bei späterer Befeuch- tung wieder aufzuleben. Wir rechnen zu den Onychophoren oder Protracheaten die Gattung Peripatus und verwandte Gattungen, welche in den Tropenländern aller Erdteile in feuchtem Holzmulm und unter Steinen leben. In ihrer systematischen Stellung lange rätselhaft und noch von Grube den Anneliden zugerechnet, wird Peripatus jetzt an die Wurzel des Antennatenstammes gestellt, seit Moseley mit der Expedition des Challenger in der Kapstadt landend, an dieser Form in röhrenförmigen Gebilden die charakteristischen Einrichtungen der Luftat- mung (Tracheen) erkannte. Spätere anatomische und em- bryologische Untersuchungen haben diese Auffassung von Peripatus, als eines die Gruppe der Myriopoden (Tausendfüße) mit den Anneliden verbindenden ungemein ursprünglichen Arthropodentypus, durchaus gestützt. Erblickt man Peripatus lebend, so wird man durch den Habitus (Fig. 74), durch sein Gebaren, an eine Insektenlarve, etwa an eine weichhäutige Schmetterlingsraupe, erinnert. Der Eindruck wird verstärkt, wenn man das Körperinnere eröff- nend die umfangreichen Spinndrüsen (^ö^Fig. 75), die tracheen- umsponnenen Organe in einheitlicher, nicht durch Dissepi- mente gegliederter Leibeshöhle gelegen wahrnimmt. An die Anneliden gemahnen: die homonome Körper- ^'-75- Peripatus (Peri- ° >■ patopsis) capensis, vom segmentierung, der Mangel von Regionenbildung, die Anord- Rücken gesehen. Nach J TT- • 11 1 1 1 1 1 T T P>ALFOUR aUS HeSSE- nung der Korpermuskulatur, welche durch das Vorhanden- doflein, Tierbau und sein eines kontinuierlichen Hautmuskelschlauches, vor Tierieben. allem aber durch die Entwicklung eines transversalen, die Leibeshöhle durch- ziehenden seitlichen Muskelseptums (vgl. Fig. 63 A) an die Ringelwürmer er- innert, die stummeiförmige Gestalt der nicht gegliederten Extremitäten, die hier allerdings arthropodengemäß in zwei Endklauen (Fig. 74) auslaufen, und schließlich der Besitz von Nephridien (Fig. 75 so), welche in allen Körperseg- K. d. G. III.iv, Bd. 2 ZeUenlehre etc. II I7 Bau von Peripatus. 258 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Die Myriopoden. menten mit einem Endbläschen beginnend an der Basis der Extremitäten ausmünden. Auch die seitlich am wenig abgegrenzten Kopfe gelegenen Augen fallen ganz aus dem Rahmen dessen, was wir von Augen an Arthro- poden zu sehen gewöhnt sind. Als Bläschenaugen entwickelt erinnern sie an die hochkomplizierten Augen gewisser pelagischer Anneliden, etwa der Alciopiden. Der Kopf trägt ein Fühlerpaar. In der Mund- öffnung versenkt finden sich zwei Paare von Kral- len, die als Kiefer verwendet werden. Seitlich vom Munde stehen zwei krallenlose Extremitäten- stummel, die sog. Oralpapillen, an deren Spitze die Spinn- oder Schleimdrüsen (Fig. 75 sd) aus- münden, welche das zur Erzeugung von Gespin- sten dienende, anfangs zäh-schleimige, später er- härtende Sekret liefern. Was Peripatus am meisten den Myriopoden und Insekten nähert, ist der Besitz von Tracheen, feinsten die Organe umspinnenden Röhrchen (Fig. 75 if), welche sie lufterfüllt mit Sauerstoff versor- gen. Ursprünglich auf Hauteinstülpungen zurück- führbar finden sie sich in unregelmäßiger Anord- nung über die Körperoberfiäche zerstreut. Das Zentralnervensystem besteht aus dem Oberschlundganglion (Gehirn Fig. 75 og), von wel- chem zwei ventralwärts geschlängelt verlaufende Längsnervenstränge {bm) nach hinten ziehen, um über dem Enddarm (bei a) durch eine Querbrücke ineinander überzugehen. Diese den seitlichen Skl^- ,^^^^^'S2^Z Hälften einer Bauchganglienkette entsprechenden ausZeichnungenvonBALFouKundMosELEY Stränge stchcu Voneinander ziemlich weit ab und aus R. Hertwigs Lehrbuch der Zoologie. ^ • r\ sind in jedem Segment durch zahlreiche Quer- anastomosen miteinander verbunden. Die übrigen inneren Organe geben zu keinen besonderen BemerkungenVeranlassung. Der Darm verläuft gestreckt, nicht wie bei den Insekten schhngenbildend. Malpighische Gefäße werden vermißt. Die paarigen Gonaden münden durch besondere Ausführungsgänge am hinteren Körperende. Das Herz ist ein mit seitlichen Oslienpaaren versehenes Rückengefäß. Die gestaltenreiche Gruppe der Myriopoden oder Tausendfüße leitet unsere Betrachtung zu den Insekten hinüber. Stärker bepanzert als Peripatus, mit dem sie die homonome Körpersegmentierung gemein haben, führen sie an allen Leibesringen gegliederte, mit einfacher Klaue endende Extremitäten. Vor allem ist es die Untergruppe der Chilopoden, denen wir die in den Ländern zwischen den Wendekreisen wegen ihres Bisses gefürchteten Scolopendern zu- a After, ai Antennen, dm Längsstränge des Nervensystems (Bauchmark), (/Darm, ^o Geschlechtsöfifnung, o Eierstock (Ovar- ium), ö^ Hirn, / Schlundkopf (Pharynx), id Schleimdrüsen, so Nephridieu (Seg- mentalorgane), sp Speicheldrüsen, /r Tracheenbüschel, u Uterus. Bau von Peripatus. Morphologie der Insekten 259 rechnen, welche den Übergang zu den einfachsten und ursprüngHchsten For- men der Insekten, den flügellosen Apterygogenea, vermittelt. Der Körper der Kerbtiere {Insecta) oder der Sechsfüßigen {Hexapoda) gliedert segmentieruug- sich in drei scharf geschiedene Regionen, welche als Kopf, Brust (Thorax) und insektetlör ers Hinterleib (Abdomen) bezeichnet werden (Fig. ^6 und yj, vgl. auch Fig. 81). Der Kopf, eine rundliche Kapsel, aus völlig verschmolzenen Segmenten be- stehend, zeigt sich als geschlossene Einheit, am Thorax können wir die Seg- mentgrenzen in der Form von Nähten erkennen, indes das Abdomen aus be- weglichen freien Segmenten besteht. Der Kopf ist der Träger des Gehirns (Fig- 77 g)) der Sinnesapparate und des Mundes (w); der Thorax, im Inneren fast nur von Bein- und Flugmuskeln er- füllt, dient derLoko- ^^^ motion, während die &z/.- Organe der vegeta- ^- tiven Sphäre ins Ab- domen verlagert sind. Von Anhängen trägt der Kopf die Fühler {Yig. y 6 ant, Fig. 77 A) und die Mundwerk- Fig. 76. Schematische Darstellung der Gliederung des Insektenkörpers. Nach /■j-,. ^ -j-,. Berlkse. Die drei Hauptabschnitte des Körpers folgen von links nach rechts als: zeuge \^r ]g./U //ZZ»7, r lg. Kopf, Thorax und Abdomen. Im Kopf bedeutet i das primäre Kopfsegment, 2 das 77 ■vnrl ■mT^ ■mT^\ Afr -^ntenn^nsegment, ^ das Vorkiefersegment, .^, 5 und 6 die drei Segmente der Mund- ' ' ' '' Werkzeuge; der Thorax besteht aus den drei Segmenten i, 2, 3; das Abdomen 'PJl^OraX die Beine (pl zählt i — lo Abdominalsegmente und das Endsegment, i^/' Vorderflügel, a/= Hinter- . _ 1/7 flü&el, an After, a»/ Antenne, au Auge, dg' Bauchganglienkette, cer Cerci, g' Ge- P ,P j und rlÜgel [^L, hlm, c/ Oberlippe, m Mund, ms Mitteldarm (Mesenteron), mw Mundwerkzeuge, /»/ \' rioc AKrln on " Schlundnerven, p^,p-,p' erstes, zweites und drittes Thoraxbeinpaar,//- Enddarm ai^J , aas /iOaOmen (Proctodaeum), j/ Vorderdarm (Stomodaeum). kann im ausgebilde- ten Zustande (Imago) als extremitätenlos bezeichnet werden. Nur bei ge- wissen Insekten niederer Ordnungen, wie bei den Küchenschaben, den Grillen, den Eintagsfliegen und den Perlariden finden sich Anhänge (Cerci), welche fühlerähnlich dem Hinterleibsende eingefügt sind und als umgewandelte Ex- tremitäten gelten (Fig. 76 cer). Dem Embryo der Insekten kommen nämlich abdominale Extremitätenrudimente zu und auch bei gewissen Larven z. B. den Schmetterlingsraupen finden sich noch Extremitätenstummel an den Ab- dominalsegmenten. Aus solchen abdominalen Anlagen des il. Hinterleibs- segmentes sind die Cerci herzuleiten, während die in der Umgebung der Ge- schlechtsöffnung am 8. und 9. Segmente sich findenden sog. Gonapophysen nach den Feststellungen Heymons' nicht als Extremitäten aufzufassen sind. Der Kopf der Insekten entsteht durch innige Verschmelzung des primären Kopf. Kopf Segmentes (Fig. ^6, i ), welches sich im Embryo durch die mächtigen Scheitel- lappen (Gehirnanlagen vgl. Fig. 81) kennzeichnet und an dessen hinterem Rande die Mundöffnung sich ausbildet, mit einer Reihe nachfolgender extremitäten- tragender Segmente (Fig. 76, 2 — 6). Auch die Fühler (Antennen) werden ur- sprünglich hinter dem Munde angelegt [an in Fig. 81 C) und erst sekundär 17* 2 6o K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen bei der Ausbildung der Kopfkapsel durch einen eigenartigen Umrollungs- prozeß nach vorn und aufwärts verlagert. Sie gehören dem ersten auf das primäre Kopfsegment folgenden Segmente (Fig. 'j^^ 2) an. Da wir am Kopfe der Insekten im ganzen vier Anhangspaare (die Antennen, die Mandibeln und die beiden Maxillenpaare) vorfinden, so würden wir vermuten, daß es sich um vier gliedertragende Segmente handelt, welche mit dem primären Kopf- segmente in die Bildung dieser Region eingehen. Indessen haben embryologische Untersuchungen noch das Vorhandensein eines zwischen Antennen- und Man- dibularsegment sich einschiebenden, seine Selbständigkeit bald aufgebenden intercalaren oder Vorkiefersegmentes dargetan (Fig. 'jd, 3). Als Anhänge des Kopfes sind die Fühler und die Mundwerkzeuge zu be- trachten. Die Fühler, mannigfaltig gestaltet, sind in letzter Linie stets auf eine einfache Gliederreihe zurückzuführen, mögen sie gesägt, gekämmt, mit Lamellen besetzt, knieförmig abgebogen oder wie immer umgebildet erscheinen. Den Mund umstellen: die einfache, nicht auf Extremitätenbildungen zurück- führbare Oberlippe (Fig. 76, ']'] ol), die stets tasterlosen Mandibeln (Fig. yy md), welche bei den Formen mit kauenden Mundwerkzeugen meist eine starke be- zahnte Kaulade darstellen, und zwei Maxillenpaare {mx^, mx^), zarter gebaute, mit gradieren Ladenteilen und mit Palpen versehene Anhänge, von denen die des zweiten Paares durch mediane Verwachsung ihres Stammteiles zur Bildung einer Art von Unterlippe Veranlassung geben. Die mannigfachen Um- bildungen, welche die Mundwerkzeuge in den gestaltenreichen Legionen der Insekten erfahren, indem sie je nach der Lebensweise, nach ihrer Verwendung zu bestimmten Zwecken in Anpassung an eine leckende, nectarschlürfende oder nach erfolgtem Einstich aufsaugende Art der Nahrungsaufnahme verändert werden, gehören zu den lehrreichsten und viel bearbeiteten Gebieten vergleichend morphologischer Forschung. Der Kopf der Insekten ist als Träger nicht aller, aber der hauptsächlichsten Sinnesapparate zu betrachten. Wir finden hier Augen zweierlei Art: einfache sog. Punktaugen oder Ocellen, bei den Larvenformen verbreitet und im Imago- stadium vielfach in Dreizahl an der Stirn zu erkennen, während die hoch- komplizierten Facettenaugen, deren musivisches Sehen den Physiologen von Johannes Müller bis auf Sigmund Exner zu wichtigen Erörterungen Anlaß geboten hat, bei den ausgebildeten Formen der Insekten die Seiten- teile des Kopfes einnehmen. Die Fühler werden als Tastorgane und Organe der Geruchswahrnehmung betrachtet, während die Geschmacksperzeption an bestimmte, von v. Rath genauer erforschte, kegelförmige Chitinpapillen des Gaumens, der Maxillen und der Unterlippe gebunden erscheint. Dagegen fin- den sich die sog. Chordotonalorgane, saitenartig die Leibeshöhle durchziehend, in verschiedenen Regionen des Körpers. Ihnen sind auch die als Hörapparate gedeuteten Tympanalorgane an den Beinen der Locustiden u. a. zuzurechnen. Thorax. Die Thoraxregion besteht aus drei als Pro-, Meso- und Metathorax unter- schiedenen Segmenten (Fig. 76, i — 3 bei st), von denen der Prothorax in man- chen Ordnungen eine gewisse Selbständigkeit bewahrt. Die drei Brustsegmente Segmentale Gliederung des Insektenkörpers 261 tragen die in charakteristische Abschnitte gegliederten mit doppelter Endkralle endenden Beine (/?' — p^), während Flügel als abgegliederte mit sog. Nervatur (aus chitinösen Adern oder Rippen, welche den zarten Flügel gespannt er- halten, bestehend) durchsetzte Hautfalten der Dorsalseite des Meso- und Metathorax der Imagines sich angeheftet finden (Fig. 76 und yy ali, al^), wahr- scheinlich aus seitlichen Fortsetzungen der Rücken- oder Tergalplatten, nicht, wie Gegenbaur vermutete, aus umgewandelten Tracheenkiemen wasserleben- der Vorfahren entstanden. Die Abdominal- oder Hinterleibsregion setzt sich im Embryo aus 1 1 Seg- Abdomen, menten zusammen, von denen das letzte, welches bei manchen ursprünglichen Formen die oben erwähnten Cerci entwickelt, frühzeitig der Rückbildung an- heimfällt. Setzt sich so das Abdomen der meisten Insekten im ausgebildeten Zustande aus 9-10 meist frei gegeneinander beweglichen Segmenten zusammen (Fig. 76, I — 10 bei ms), so kann diese Zahl durch fernrohrartige Einziehung der letzten Segmente, durch nähere Angliederung des ersten Abdominalseg- mentes an den Thorax (segment mediaire der Hymenopteren), durch stiel- förmige Umbildung desselben eine scheinbare weitere Reduktion erfahren. Es ist nicht beabsichtigt, auf die unendlichen Verschiedenheiten, die sich innerer Bau der dem Untersucher des inneren Baues der Insekten darbieten, hier im einzelnen einzugehen: auf die mannigfaltigen Varianten, denen die verschiedenen Or- gane je nach der Lebensweise, nach der eigentümlichen Art der Nahrungs- beschaffung bei räuberischer, carnivorer oder mehr vegetarischer Ernährungs- weise, beim Übergang zu halbparasitärer oder völlig parasitärer Beschaffung der Lebensmittel, bei Anpassung des Zeugungs- und Entwicklungszyklus an den Wechsel der Jahreszeiten in gemäßigten Breiten usw. unterliegen. Nur auf einige Punkte der inneren Anatomie sei hingewiesen, welche die Insekten den übrigen Gruppen der Gliederfüßer gegenüber vor allem kennzeichnen. Zunächst das Vorhandensein des Fettkörpers. Eröffnen wir das Körperinnere, die Leibes- höhle eines Insekts, so fällt uns auf, daß alle Organe von feinsten Ausläufern silberglänzender, dichotomisch sich verästelnder Tracheenröhrchen umspon- nen sind und daß sich zwischen ihnen in scheinbar unregelmäßiger Anordnung läppen- oder bandförmig gestaltete Komplexe eines an Reservenahrungsstoffen, vor allem an Fetten reichen cellulären Gewebes ausbreiten. Diese allen Organen anhaftenden, oft kreidig weißen oder blaß gelblichen Fettkörperläpp- chen behindern ebensosehr die mühselige Präparation der inneren Körperteile der Insekten, wie das Gespinst der Tracheen, welche, die einzelnen Organe in ihrer relativen Lage erhaltend, hier die Rolle von Mesenterien übernehmen. Der Darm der Insekten, bei den ursprünglichen Formen und besonders bei den Larven noch einfach gerade gestreckt, bei den höher entwickelten Imagines und vor allem bei den durch relative Länge des Darmkanals be- merkenswerten Pflanzenfressern in Schlingen gelegt, zeigt in besonderer Deut- lichkeit die Scheidung in drei genetisch voneinander verschiedenen Abschnitte, die wir auf das Stomodaeum, Mesenteron und Proctodaeum der Embryonen (Fig. 76 und yy st, ms, pr) beziehen, und von denen jeder wieder in einzelne 202 K Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen funktionell und dem Baue nach verschiedene Unterabteilungen zerfallen kann. Stomodaeum und Proctodaeum, als aus Einstülpungen der äußeren Haut her- vorgegangen, sind im Inneren mit einer bei jeder Häutung sich erneuernden Chitincuticula ausgekleidet. Der drüsenreiche, mit Crypten versehene und einer regelmäßigen Regeneration des Epithels unterliegende Mitteldarm ent- behrt jener umfangreichen Leberanhänge, welche zu den kennzeichnenden Merk- malen der inneren Anatomie der höheren Krebse und der Arachniden gehören, während einfachere Blindsäcke, Pylorusanhänge verschiedener Art bei man- chen Formen seinen Anfangsteil einnehmen. Speicheldrüsen (Fig. ']'] sp), bei manchen Larven zu Spinndrüsen umgewandelt, ergießen ihr Sekret in dieMund- md b^ TTip 'ATL Fig. 77. Schematischer Längsschnitt durch ein Insekt. Nach Berlkse. A Antenne, al^ Vorderßügel, al^ Hinter- flügel, an After, ao Aorta, bg Bauchganglienkette, g Gehirn, go Gonade, h Herz, /« Mund, md Mandibel, mp Mal- pighische Gefäße, 7>is Mitteldarm (Mesenteron), w.r' erste Maxille, mx"^ zweite Maxille, n Schlundnerven, oc Ocellus (einfaches Auge), ol Oberlippe, /', /-, /' erstes, zweites und drittes Thoraxbein, pr Enddarm (Proctodaeum), sp Speicheldrüsen, st Vorderdarm (Stomodaeum). region. Die Grenze von Mitteldarm und Enddarm (Proctodaeum) ist durch die Einmündungsstelle der Malpighischen Gefäße gekennzeichnet (Fig. 'j'] mp). In letzteren erblicken wir den Exkretionsapparat der Insekten. Bei der Rückbildung, welche das System der Nephridien wohl in Anpassung an das Landleben in dieser Gruppe erfahren hat, übernahmen, wie schon bei gewissen Crustaceen (Fig. 68 DS), bestimmte Darmanhänge das Geschäft der Harnbe- reitung. Die Malpighischen Gefäße der Insekten, wechselnd an Zahl, häufig in großer Zahl vorhanden, doch oft nur in 2 — 3 Paaren erscheinend, gehören dem Enddarm an, in dessen Anfangsteil mündend sie ihr Exkret ergießen. Gelblich gefärbt, mit Kristallen von Harnsäure, Kalkoxalat und Taurin erfüllt, sind ihre Epithelien, wie auch die Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen, zur Eli- mination von indigschwefelsaurem Natron aus dem Blute befähigt. Die Ähn- lichkeit dieser Bildungen mit den gleichnamigen Organen der Skorpione ist überraschend. Doch stellt sich der Statuierung einer wahren Homologie die Tatsache hindernd entgegen, daß die Exkretionskanälchen der Skorpione und Spinnen dem Mitteldarm angehören, während die der Insekten als Auswüchse des Proctodaeums ihren Ursprung nehmen. Innerer Bau des Insektenkörpers 2Ö3 Wenn bei Peripatiis die einzelnen Tracheenbüschel in unregelmäßiger Verteilung (Fig. 75 tr) an der Körperoberfläche entspringen, so hat im Kreise der Insekten, wie auch schon bei den Tausendfüßern, das System dieser Atmungsapparate gesetzmäßige Anordnung erfahren. Wir finden an gewissen Thoraxsegmenten und an einer größeren Zahl abdominaler Segmente seitlich je ein Paar von Eingängen des Tracheensystems (sog. Stigmen), welche zunächst in einen Stigmenast führend zwei seitliche Hauptkanäle mit Luft speisen, von denen zahlreiche Äste, sich vielfach verzweigend, an die einzelnen Organe her- antreten. Das seltene Vorkommen von Tracheenstigmen am Kopfe, wie in der Symphylengattung Scolopendrella, deutet vielleicht darauf hin, daß ursprüng- lich jedem Körpersegmente ein Stigmenpaar zukam. Es ist vielfach bemerkt worden, daß bei den Insekten die Luft den einzelnen respirationsbedürftigen Organen direkt zugeführt wird, während bei den meisten Tieren der von den Atmungsorganen aufgenommene Sauerstoff an das Blut gebunden den ein- zelnen Körperteilen unter Vermittlung eines umständlichen Transportes zu- geführt wird. Als Hauteinstülpungen entstanden, werden die Tracheenröhrchen innen von einer chitinösen, meist mit spiraliger Verdickungsleiste versehenen Mem- bran ausgekleidet, welche bei jeder Häutung abgestoßen und erneuert wird. Das Zentralnervensystem der Insekten (Fig. ^6 und JJ bg), die bekannte Form der Bauchganglienkette darbietend und durch Zusammenrücken der ein- zelnen Ganglienpaare vielfach einer Konzentration unterliegend, weicht nicht von dem im allgemeinen für die Arthropoden entwickelten Typus ab. An den Geschlechtsorganen (Fig. yy go) ist die Auflösung der Keimdrüsen in ein Mul- tiplum einzelner kleiner keimbereitender Apparate, welche im männlichen Ge- schlechte als Hodenfollikel, im weiblichen Geschlechte als Eiröhren bezeichnet werden, bemerkenswert. Diese zahlreichen den Eierstock zusammensetzenden Eiröhrchen sind durch Endfäden an das Pericardialseptum mesenterienartig (vgl. Fig. 84 g) befestigt. Es ist hervorzuheben, daß bei einigen Thysanuren (Japyx) die Ovarialröhren gering an Zahl in streng segmentaler Anordnung sich finden. Die Geschlechtsausführungsgänge, auf umgewandelte Nephridien zurückzuführen, münden ventralwärts vor dem After in der Region des 8. und 9. Abdominalsegmentes (Fig. 77). D. Die Entwicklung der Arthropoden im Ei. Wie in allen Fällen, so liefert auch hier die Verfolgung der Entwicklungs- vorgänge im Eie den wahren Schlüssel für das Verständnis des morphologischen Aufbaues des Arthropodenkörpers. Wenn der im Vorstehenden gegebene flüch- tige Überblick uns bei aller Mannigfaltigkeit des Baues der einzelnen Formen der Gliederfüßer ein gewisses ihm zugrunde liegendes einheitliches Schema erkennen ließ, so treten uns in der Vielheit der Erscheinungen der embry- onalen Entwicklung dieser Wesen ebenfalls gewisse Züge allgemeiner Über- einstimmung entgegen. Wir heben aus der Mannigfaltigkeit der in Betracht kommenden Erscheinungen nur gewisse Beispiele hervor. Vor allem sollen 264 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen f-;^- kh bt die Vorgänge in dem vieluntersuchten Insektenei als Grundlage unserer Dar- stellung dienen. SuperfizieUe Merkwürdig abgeändert und durch den hohen Gehalt an Nahrungsdotter- Furchung. gubg^anzen beeinflußt verlaufen die ersten Entwicklungsvorgänge in der Form der sog. superfiziellen Furchung (Fig. 78). Das Ei der Arthropoden groß, reich an Nahrungsdotter, kugelig oder in vielen Fällen verlängert elliptisch gestaltet, zeigt im Inneren eine kompakte Nahrungsdottermasse [do)^ während die Ober- fläche häufig von einer Plasmaschicht überkleidet ist, welche in Erinnerung an veraltete Anschauungen über Zellgenese den Namen ,,Keimhautblastem" {kh) bewahrt hat. In der inneren Dottermasse finden sich anfangs vereinzelte Fig. 78. Drei Stadien der sog. superfiziellen Furchung des Insekten- eies. A enthält im In- neren mehrere Fur- chungskerne fk\ B die Furchungskerne haben sich durch Teilung ver- mehrt und in einer Sphäre angeordnet ; C die Furchungskerne rücken an die Ober- fläche und veranlassen eine Ausbildung von ZeUgrenzen in der ober- flächlichen Schicht. Ä/Blastoderm. Ä Nah- rungsdotter, fk Fur- chungskerne, kh ober- flächliche Plasmarinde (sog. Keimhautblastem). kernhaltige Plasmainseln, welche vom ersten Furchungskern ableitbar, und durch Teilung sich vermehrend, nach Art von Amoeben den Dotter durchwan- dern (Fig. 78 A und B ]k). Wenn diese sog. Furchungszellen an die Oberfläche des Eies geratend und mit der Masse des Keimhautblastems vereinigt zur Aus- bildung einer die Oberfläche des Keimes überkleidenden epithelialen Zellschicht (Blastoderm Fig. 78 C hl) Veranlassung geben, so ist ein Stadium erreicht, welches wir dem Blastulastadium anderer Formen gleichsetzen können. Nur ist hier das Innere des Keimes (Blastocoel) von Dottermasse erfüllt, in der nicht selten einzelne Zellen (Vitellophagen) zurückbleiben, welche die Nahrungs- dotterkügelchen durch intracelluläre Verdauung bewältigend an dem weiteren Aufbau des Embryos keinen Anteil nehmen und in unserer Schilderung ver- nachlässigt werden können, peripatus- Ein derartiger Furchungsablauf, ein dem hier geschilderten Bilde ent- *'°*"'* ""^' sprechendes Blastulastadium kommt auch bei Peripatus zur Beobachtung, auf dessen noch immer ziemlich lückenhaft erkannte, die Anneliden mit den Arthro- poden in eigentümlicher Weise verknüpfende Embryogenese hier kurz ein- gegangen werden soll. Die erste Anlage des Embryos ist in einer sohlen- förmigen Blastodermverdickung zu erkennen, in deren Mitte ein längliches Grübchen die Mündung der Gastrulaeinstülpung, den sog. Blastoporus (Fig. 79 A und B hl) andeutet. Vom Grunde dieser Einstülpung (Fig. 80 hp) wandern einzelne Zellen [en) in die zentrale Nahrungsdottermasse, an deren Oberfläche Furchung der Arthropoden. Keimstreifentwicklung von Peripatus 265 A B sie sich zu einem Epithel, der Wand des späteren Mitteldarms, konstituieren (Fig. 80 C en). Es wird auf diese Weise eine innere Keimesschichte gebildet, während das Lumen des Mesenterons, ursprünglich von Dottermasse völlig er- füllt, erst allmählich durch Verflüssigung und Resorption der letzteren (Fig. 80 C z) eröffnet wird. Der Verschluß des langgestreckten Urmundes erfolgt in seinen mittleren Partien (Fig. 79 B und Chi), während ein vorderster und hinterster Ab- schnitt, dem späteren Munde und After (Fig. ygD m und a) entsprechend, unverschlossen bleiben. Hier werden durch sekundäre Um- stülpung der ektodermalen Ränder der vor- derste und hinterste Darmabschnitt (das Sto- modaeum und das Proctodaeum) hinzuge- bildet. Frühzeitig erkennt man am hinteren Ende der Embryonalanlage eine Wuche- rungszone (Fig. 79 w), von welcher Zellen in den Raum zwischen Ektoderm und Ento- derm einwuchern, die sich zu beiden Seiten des Blastoporus als Mesodermstreifen (Fig. 79 us) anordnen. Sie entsprechen den Meso- dermstreifen der Anneliden (Fig. 61). Aber in ihrer Entstehungsweise weichen sie von den gleichnamigen Bildungen der Ringel- würmer dadurch ab, daß bei Peripatus Ur- mesodermzellen und mit ihnen eine teloblas- tische Wachstumsform der Mesodermstreifen vermißt werden. Der Prozeß der Sonderung des mittleren Keimblattes beruht hier auf einer vielzelligen Einwucherung. Bald wer- den die Mesodermstreifen in Ursegmente ge- gliedert (Fig. ygus). Während sich in diesen schon die definitive Körperge.stalt des bauchseitig \ ö / / eingekrümmten Würmchens angedeutet, a After, letzteren durch Auseinanderweichen der ^/ Biastopoms, w Mund, ?s}, bg Anlage der Bauchganglienkette, b/ Blutsinus, d Darmlumen, äo Nah- rungsdotter, ef Endfadenplatte, en Entoderm (Anlage des Mitteldarmepithels), g Anlage der Geschlechts- organe, h Herzanlage, ht Haut (Epidermis), iw innere Wand des Coelomsäckchens (wird später zur Endfaden- platte ef), p Pericardialsinus, ps Pericardialseptum, se Serosa, so somatische Schicht des Mesoderms (An- lage der Körpermuskulatur, des Fettkörpers, Binde- gewebes usw.), sp splanchnische Schicht des Mesoderms (Anlage der Darmmuskelschicht). Um die Umbildungen, welche die Coelomsäckchen im weiteren Verlaufe erfahren, richtig verstehen zu können, müssen wir uns daran erinnern, daß der Keimstreif in die Breite wachsend all- mählich den ganzen Embryo umhüllt (Fig. 83 A und B, 84), wodurch die Dot- termasse [do in Fig. 84 B) ins Innere des Keims(in die Mitteldarmhöhle) gelangt. Der Keimstreif repräsentiert Ursprung-- lieh die Anlage der Bauchseite des In- sekts (Fig. 83 A). Der Rücken wird erst später durch das erwähnte Breiten- wachstum des Keimstreifs gebildet, in- dem sich seine Ränder daselbst in einer medianen Verwachsungsnaht aneinan- derschließen. Wir werden sonach in den seitlichen Rändern des Keimstreifs die Anlagen derjenigen Bildungen vorfin- den, welche im ausgebildeten Insekt die Mittellinie des Rückens einnehmen und so werden wir verstehen, daß die Herz- anlage hier, wie das Rückengefäß der Anneliden aus einer paarigen Anlage hervorgeht (/i in Fig. 84 A). Die Wand der Coelomsäckchen, welche sich nun schon an ihrer medialen Seite gegen die definitive Leibeshöhle eröffnet haben (Fig. 82 E c, 84 A), er- schöpft sich durch Zellabgabe. Sie lie- fert Elemente des Bindegewebes, des Fettkörpers, der Körpermuskeln (Fig. 84 B, so). Ebenso spaltet sich die An- lage der splanchnischen oder Darm- muskelschicht (Fig. 84 A 5/?) von ihr ab. Schließlich bleibt ein verkleinertes Säckchen übrig, an dem wir einen in- neren (Fig. 84 A iw) gegen den Dotter gewandten Wandabschnitt von einem äußeren der Haut zugewendeten {aw) unterscheiden können, die in einem Winkel ineinander übergehen. Von dieser winkeligen Knickungsstelle wer- den einzelne Zellen in einen dorsola- Entwicklung von Leibeshöhle, Herz, Pericard usw. der Insekten 27 1 teral entwickelten Blutsinus (Fig. 84 A bl) abgegeben, in denen wir die erste Anlage des Herzens erblicken und die wir dementsprechend als Herzbildner oder Cardioblasten [h] bezeichnen. Sie formieren bald zwei Rinnen (Fig. 84 BA), welche den erwähnten Blutsinus mehr oder weniger umfassen. Wenn diese rinnenförmigen Herzhälften nach der Dorsalseite verlagert, miteinan- der verwachsen, so kommt das einheitliche Herzrohr zur Ausbildung (Fig. 84 C h). Während sich so das Herz entwickelt, wird der Rest der äußeren oder so- matischen Lage des Coelomsäckchens (Fig. 84 A aw) zur Bildung des Peri- cardialseptums (Fig. 84 B und C ps) verwendet, indem die Ränder dieser Platte mit der Haut [ht] verwachsen, während jene Partien, welche der Umschlags- stelle der lateralen Coelomsackwand entsprechen, in der Medianlinie unter dem Herzen zur Verschmelzung kommen (Fig. 84 C). Dabei ergibt sich, daß die innere oder splanchnische Platte der Coelomsackwand (Fig. 84 A iw) dieser Verwachsungsstelle angeheftet bleibt und aus ihr geht das Aufhängeband der Gonade g (im weiblichen Geschlechte als Mesovarium oder Endfadenplatte Fig. 84 C ef bezeichnet) hervor. Die Urgenitalzellen der Insekten finden sich in frühen Stadien in einem dem hintersten Keimstreifende angehörigen Grübchen, der sog. Geschlechts- grube oder Genitalgrube, welche von Heymons für eine Reihe von Formen nachgewiesen wurde. Später ordnen sie sich in der inneren Coelomsackwand (g in Fig. 82 E und 84) an und werden daselbst von Zellen der Coelomwand um- hüllt zur Genitalanlage. Jenes Aufhängeband, welches aus der splanchnischen Platte der Coelomsäcke (Fig. 84 A iw) hervorgeht, erhält sich im Ovarium der Insekten in den sog. Endfäden der Ovarialröhren {ef in Fig. 84 C), welche die letzteren an das Pericardialseptum befestigen. Schon Joh. Müller ließ die Ovarialröhren der Insekten durch Vermittlung ihrer Endfäden mit dem Herzen in Verbindung stehen. Von den übrigen Organanlagen und ihrer Entwicklungsweise im Insekten- embryo sei hier nur weniges angedeutet. Die Bauchganglienkette (Fig. 82 D und E bg, 84 bg) entwickelt sich, wie bei den Anneliden und bei Peripatus (Fig. 80 C bg) aus paarigen verdickten Ektodermstreifen , den sog. Primitivwülsten durch einen schon früher für Peripatus angedeuteten Abspaltungs- oder Dela- minationsprozeß (vgl. Fig. 40 S. 215). Hierbei war die Rolle einer zwischen den Pri- mitivwülsten befindlichen Ektodermrinne (Fig. 84 A, 40 B und C) lange Zeit rätselhaft, bis Escherich den Nachweis erbrachte, daß aus ihr ein selbstän- diger Teil des zentralen Nervensystems der Insekten, der mit dem Sympaticus verglichene sog. Leydigsche Mittelstrang hervorgeht. Die Tracheen entwickeln sich aus segmental angeordneten Hauteinstülpungen. Die Extremitätenanlagen wachsen als zapfenförmige Auswüchse der Haut (Fig. 81 B und C, 83) hervor, deren Inneres mit mesodermalem Gewebe erfüllt wird. 27 2 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen VI. MOLLUSCA, WEICHTIERE. Wenn bei den Arthropoden die ungemeine Plastizität des Chitins als ske- lettbildender Substanz eine Entwicklung ins Leichte und Zierliche ermöglichte, so tritt uns im Kreise der Mollusken ein ,, massiger Typus" entgegen. Mit diesem Ausdruck kennzeichnet Karl Ernst v. Baer in glücklicher Weise die Konzentration der Körpermuskulatur in einem einheitlichen ventralen Kriech- organ (dem Fuße), die Zusammenballung innerer Organe in dem Eingeweide- sacke, denMangel metamererKörpersegmentierung und dasVorherrschen mesen- chymatischer Bildungen. Auf äußere Reize nur langsam reagierend, hin- sichtlich ihrer Bewegungen auf die Kontraktion glatter Muskulatur angewiesen, erscheinen sie im allgemeinen als Formen von trägeren Lebensgewohnheiten, die sich nur bei den pelagischen Tieren, vor allem bei den hochentwickelte^! Tinten- fischen (Cephalopoden) zu höherer Intensität steigern. Wie die Entwicklungsgeschichte lehrt, werden wir bei der Frage nach der ersten Herleitung des Molluskenstammes auf den Trochophoratypus verwiesen. Wir können sonach, von trochophora-ähnlichen Urformen ausgehend, zwei große Reihen wirbelloser Tiere erkennen. Die eine — gegliederte Formen umfassend — führt durch Vermittlung der Anneliden zu den Arthropoden. Die andere würde als Reihe der Mollusken zu bezeichnen sein. Dunkel ist für uns die Frage, von welchem Punkte sich der Stamm der Weichtiere von der Mannig- faltigkeit wurmähnlicher Urformen abzweigt, welche Zwischenformen sich zwischen dem trochophora-ähnlichen Ausgangspunkt und dem hypothetischen Urmollusk, das wir sofort ins Auge fassen wollen, einschieben. Unendlich ist die Mannigfaltigkeit an Formen im Kreise der Mollusken. Wir rechnen hierher die größeren Stämme der Schnecken oder Gastropoden, der Klappmuscheln oder Lamellibranchiaten und der Tintenfische oder Cephalopoden. Zu diesen drei Klassen, welche die Hauptmasse aller Mollusken in sich begreifen, kommen noch die formenärmeren, aber morphologisch ungemein eigentümlichen Klassen der Solenoconchen oder Röhrenschnecken, als deren Hauptvertreter die Zahnschnecken oder Dentalien gelten, und die der Urmollusken oder Am- phineuren. In der letzteren Gruppe werden einige merkwürdige Formen ver- einigt, welche, nach mancher Richtung durch Anpassung an die Lebensweise modifiziert, sicher in vielen Merkmalen uraltertümliche Züge bewahrt haben. Es sind dies die Chitonen oder Käferschnecken mit flacher, dorsaler, gegliederter Schale, in der Gezeitenzone lebend, und die wurmförmigen, im Schlamm oder Sand des Meeresgrundes wühlenden oder auf Korallen und Hydroiden halb- parasitisch lebenden Solenogastren. Es empfiehlt sich die allgemeine Betrachtung der Mollusken mit der Schil- derung eines abstrahierten Schemas einzuleiten, in welchem jene Merkmale ver- einigt erscheinen, die wir der hypothetischen Ausgangsform des Weichtier- stammes zuschreiben. Dies konstruierte Urmollusk (Fig. 85 und 86) wird wohl auch als Prorhipidoglossum bezeichnet, ein Name, der sich von gewissen ur- sprünglichen Schneckenformen (Pleurotomaria, Fissurella, Haliotis, Trochus Mollusken im Allgemeinen 73 TTt USW.) herleitet, welche in der Gruppe der Rhipidoglossen oder Fächerzüngler vereinigt werden. Es ist uns wohl bekannt, daß neuerdings von Naef wie schon von Goette gegen dies Schema gewisse bestechend klingende Einwände erhoben worden sind, welche sich auf die Orientierung der Teile zur Hauptachse, auf die ursprüngliche Gestalt des Eingeweidesackes und der Schale beziehen. In letzter Linie handelt es sich um die Frage, ob wir dem Urmollusk eine krie- chende Bewegungsweise zu- schreiben oder ob wir es als eine nach Art der Cephalopo- den pelagisch schwimmende Form erfassen. Wenn wir den Amphineuren die oben gekenn- zeichnete Stellung im Kreise der Mollusken zuerkennen, so werden wir doch mit einiger Wahrscheinlichkeit auf eine schneckenähnlich kriechende Ausgangsform verwiesen. Vier Teile setzen den Mol- luskenkörper zusammen: der Kopf (Fig. 85 Afe), der Fuß (/), der Eingeweidesack und der Mantel (m/). Der Kopf trägt die Mundöffnung (Fig. 85, 86m) und wichtige Sinnesapparate: die Fühler und die Augen. Er birgt in seinem Inneren das paarige Gehirn- oder Cerebral- . . . . 'TfZU. gangllOn (Fig. 86 c). Nicht im- Fig. 85. UrmoUusk, Sckema. .Hn der Ansicht von der linkeuKörper- mer deutlich vom Übrip'en Kör- ^^ite, B im Quersclmitt durch die Gegend des Herzens, an After. _ d Dann im Querschnitt, ed Enddarm, /"Fuß, h Herz, k Kopf, Ih Leibes- per abgesetzt verschwindet er höhle (Pseudocoel), ;« Mund, w/3 " Mantelbucht, nui Mitteldarm, j ^ J T 11 'U ?/^/Mantelfalte, w/; Mantelhöhle, ?//?i Muskulatur des Fußes (verdickte m der UrUppe der Liamelllbran- Ventralpartle des Hautmuskelschlauches). /Pericardialsäckchen (Coe- rhiaten fast Vollstänrlip' F)pr lom). r Rand der Mantelfalte, .f Schale, vd Vorderdarm. Rumpf des Tieres ist durch den Gegensatz einer muskulös-verstärkten Ventral- partie (Fig. 85 A/ und 85 B mu, Fuß) und einer schalentragenden (5), bruchsack- artig vorgebuchteten Rückenpartie (Eingeweidesack) gekennzeichnet. Der un- paare, muskulöse Fuß, bei den Schnecken mit ventraler Kriechsohle versehen, dient als Bewegungsorgan (Fig. 85 /). Er umfaßt die Hauptmasse der in seinem Inneren geborgenen, wenig geordneten und durch den Spindelmuskel an die Schale angeschlossenen Körpermuskulatur (Fig. 85 B mu). Die Anhäufung dieser ventralen Muskelmasse bedingt eine dorsale Vorwölbung der Leibeswand, in welcher die Eingeweide aufgenommen erscheinen: der Eingeweidesack. Wenn uns der Fuß als eine verstärkte Ventralpartie des Hautmuskelschlauches ent- gegentritt, so fällt uns an dem dorsalen Eingeweidesack die zartwandige Be- K. d. G. III. IV, Bd 2 ZeUenlehre etc. II 1 8 Bau des Mollusken- körpers. 2 74 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen schaffenheit der Körperdecke, welche hier die Kalkschale (5) absondert, auf. An jener Stelle, an welcher der Eingeweidesack sich halsartig vom übrigen Körper abtrennt, umgibt ihn eine ringförmige Hautduplikatur, welche als Mantelfalte (Fig. 85 w/) bezeichnet wird. Als Mantel der Mollusken wird die ganze dünnwan- dige, den Eingeweidesack bedeckende Rückenpartie der Haut bezeichnet, welche sich durch die Mantelfalte gegen die übrigen Teile der Körperdecken abgrenzt. Der von der Mantelfalte bedeckte Hohlraum, welcher den halsartigen Übergangs- teil zwischen Fuß und Eingeweidesack ringförmig umgibt, wird als Mantel- höhle (Fig. 85 B ?nh) bezeichnet. Sie ist nicht allseitig von gleicher Tiefe. In den meisten Teilen des Umkreises nur seicht entwickelt, bildet sie ursprünglich hinten eine tiefere Einsenkung, die Mantelbucht oder Mantelhöhle im engeren Sinne (Fig. 85 A mb, Fig. 86, Fig. 89, Fig. 93). Sie birgt die Afteröffnung (Fig. 86, 89 an), die Ausmündungspapillen der Nieren (Fig. 86 n, Fig. 89 np), die als Kiemen (Fig. 86 et, Fig. 89 kr, kl) entwickelten Atmungsorgane : eine Gruppe von Bildungen, welche man unter dem Namen des pallialen Organkomplexes zusammenfaßt. Ursprünglich ist der Körper der Mollusken streng bilateral-symmetrisch gebaut (Fig. 85 B, Fig. 87, Fig. 89 A) und diese Anordnungsweise der Organe erhält sich im allgemeinen in den meisten Klassen des Molluskentypus, so bei den Amphineuren, den Solenoconchen, Lamellibranchiaten (Fig. 90) und Cephalopoden. Dagegen entwickelt sich bei den Schnecken (Gastropoden) Hand in Hand mit der spiraligen Einrollung des Eingeweidesackes, mit der Verlagerung der Mantelhöhle nach vorne eine einseitige, asymmetrische Aus- bildung wichtiger innerer Organe (Fig. 89 B und C), welche sich darin kund- gibt, daß jene Teile des pallialen Organkomplexes, welche nach erfolgter Ver- lagerung der Mantelhöhle nach vorn an der rechten Körperseite liegen, einer Rückbildung unterworfen werden. Das hindert nicht, daß bei vielen Schnecken, die wir aber als abgeleitete Formen betrachten, eine Tendenz zu sekundärer Symmetrisierung der Körpergestalt wieder in Wirksamkeit tritt. Die Mollusken zeigen im allgemeinen eine schleimige Beschaffenheit der unbedeckten Teile ihrer Körperoberfiäche. Sie verdanken dieselbe dem Vor- handensein zahlreicher, mucinbildender Drüsenzellen in ihrer Haut, in dem zarten, häufig bewimperten ektodermalen Epithel, welches ihre Oberfläche über- kleidet. Schale. Auch dic Schale der Mollusken (Fig. 85 s) entsteht als eine Abscheidung von selten dieses Körperepithels nach außen. Sie ist sonach den cuticularen Bildungen zuzurechnen und besteht aus einer chitinartigen organischen Grund- substanz (Conchin oder Conchiolin), welcher Kalksalze, meist Kalkkarbonat, eingelagert sind. An einem senkrechten Durchschnitt oder Schliff durch eine Muschelschale erkennt man, von außen nach innen folgend, drei Schichten: zuäußerst ein zartes, chitiniges Oberhäutchen (Epidermis oder Periostracum), welches an älteren Schalenteilen häufig abgerieben wird und daher fehlt; dann folgt eine aus senkrecht gestellten Kalkprismen bestehende Schicht: die Por- zellanschicht oder Prismenschicht, und zuinnerst die aus horizontal geschieh- Bau des Molluskenkörpers. Schale. Darm 275 teten Lamellen bestehende Perlmutterschicht. Das Wachstum der Schale voll- zieht sich in der Weise, daß an ihrem freien Rande neue Schalenteile hinzu- gebildet werden, also bei den Klappmuscheln am Rande der Schalenklappen, bei den Schnecken an der Mündung. Die Schale wird auf diese Weise immer größer, die Mündung entsprechend weiter. Man kann diese Art des Anwach- sens der Schale an dem Vorhandensein von parallelen Zuwachsstreifen erkennen. Das Dickenwachstum der Schale erfolgt durch Auflagerung neuer Schichten an ihrer inneren Fläche. Die Form der Schale, sowie die Art, wie die Schale zum Schutze des Kör- pers in Verwendung kommt, ist für die einzelnen Mollusken eine sehr ver- schiedene. Formen mit flacher napfförmiger Schale (vgl. das Schema Fig. 85), wie die in der Gezeitenzone lebenden Patellen, benützen die Schale hauptsächlich als Rückenschild. Ihre Lebensweise hat Goethe am Lido beobachtet und in seiner italienischen Reise anschaulich geschildert. Der breite Fuß wirkt hier wie ein Saugnapf, mit welchem die Schnecke sich an die Unterlage festheftet, während die Schale durch Kontraktion der Muskulatur an die Unterlage fest angepreßt wird. Die meisten Mollusken können sich in die Schale vollständig zurückziehen. Die Klappenmuscheln schließen in diesem Falle ihre Schalenklap- pen, während die meisten Schnecken am Rücken des hinteren Fußabschnittes einen kalkigen Deckel (Fig. 94 D op S. 287) besitzen, mit welchem die Schalen- mündung verschlossen wird, sobald sich die Schnecke in ihr Gehäuse zurück- zieht. In den rätselhaften Aptychen, deren Deutung die Paläontologen so vielfach beschäftigte, scheint ein ähnlicher Verschlußapparat des Gehäuses fos- siler Cephalopodenformen (der Ammoniten) vorzuliegen. Der Darmkanal der Mollusken ist meist länger als das Tier und verläuft oarm. daher in der Regel schleif enförmig aufgewunden, nur selten gerade gestreckt. Zunächst bedingt ja schon bei jenen Formen, denen ein umfangreicher, vom Körper abgesetzter Eingeweidesack zukommt, die Aufnahme in diesen Sack einen U -förmig gekrümmten Verlauf des Darmkanals (Fig. 94 D S. 287), wozu noch in vielen Fällen sekundäre Schleifenbildungen (Fig. 91 S. 281) kommen. Wir unterscheiden am Darm drei Abschnitte als Vorder-, Mittel- und Enddarm (Fig. 85 A vd, md, ed, Fig. 86), welche aber mit den im Embryo als Stomo- daeum, Mesenteron und Proktodaeum unterschiedenen Abschnitten nicht di- rekt zu vergleichen sind. Jedenfalls wird der Enddarm größtenteils vom Me- senteron, zum kleineren Teile vom Proktodaeum ausgebildet. Wo sich diese beiden Abschnitte gegeneinander absetzen, erscheint vielfach zweifelhaft. Die Mundöffnung (Fig. 86 m) führt zunächst in einen muskulösen Schlund- kopf, welcher in seinem Inneren chitinöse Kiefer und einen zungenähnlichen Wulst birgt, dessen Oberfläche von einer zähnchenbesetzten Reibplatte, der sog. Radula [r), bedeckt ist. Hier münden paarige Speicheldrüsen ein. Der fol- gendeVorderdarmabschnitt stellt die verengte Speiseröhre dar. In den Mitteldarm mündet eine umfangreiche Verdauungsdrüse (Leber) ein, welche, ursprünglich paarig angelegt, bei vielen Mollusken durch asymmetrische Entwicklung oder Verschmelzung unpaar wird. 18* 276 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Leibesköhie. Die Leibcshöhle der Mollusken (Fig. 85 B Ih) präsentiert sich als ein un- regelmäßig gestaltetes System von lacunären Bindegewebslücken, welche nicht von Epithel bekleidet erscheinen. Sie ist — ähnlich der Leibeshöhle der Arthropoden — als ein Pseudocoel zu betrachten und läßt sich in letzter Linie auf das Blastocoel (die Furchungshöhle) der Embryonen beziehen. Mit Blut durchströmt tritt sie in Verbindung mit dem hier nur unvollkommen ausge- bildeten (nicht geschlossenen) Blutgefäßsystem. Die sekundäre Leibeshöhle oder das echte Coelom findet sich bei den Mol- lusken in reduzierter Form als ein verhältnismäßig kleines, ursprünglich hin- ten dorsahvärts gelegenes Säckchen, welches dasHerz in seinem Inneren birgt und ^/ dementsprechend als Peri- / cardialsäckchen (Fig. 85, -<57? 86/)) bezeichnet wird. Wir könnten dies mit eigener Wandung versehene und mit Epithel ausgekleidete Gebilde als einen geschlos- senen Hohlraum betrach- ten, wenn er nicht regel- mäßig durch kleine Öff- nungen oder durch Kanäl- chen (Renopericardiai- gänge) mit den Nieren (Fig. 86 n) in Verbindung stünde, und wenn nicht bei gewissen Formen (Solenogastren und Cephalopoden eine ähnliche Verbindung mit den Geschlechtsorganen (Fig. 86 g, Fig. 87) zu erkennen wäre. Die Ent- wicklungsgeschichte läßt erkennen, daß das Pericardialsäckchen (samt dem Herzen), die Anlage der Gonaden und der Nieren aus einer ursprünglich ein- heitlichen Anlage hervorgehen. Demnach müssen wir die Gonadensäckchen als abgegliederte Teile des Coeloms betrachten. Diesbezüglich finden sich die einfachsten (aber vielleicht nicht ursprünglich einfachen, sondern durch Re- duktion der Genitalgänge oder Coelomoducte sekundär vereinfachten) Verhält- nisse bei gewissen Amphineuren (den Solenogastren Fig. 87). Hier münden die Geschlechtsorgane in das Pericardialsäckchen. Es gelangen bei diesen Formen die reifen Geschlechtsprodukte in die Herzbeutelhöhle {p) und aus dieser durch Vermittlung der Nieren (w) und der Mantelhöhle {mt) nach außen. Bei den meisten Mollusken emanzipieren sich die Gonaden mehr und mehr von dem Pericardialsäckchen, sei es daß eigene Genitalausführungsgänge (Coelomo- ducte oder Gonoducte) in Funktion treten, sei es daß die Geschlechtsprodukte unter Ausschluß des Pericardialsäckchens durch die Niere nach außen geleitet werden (Fig. 89 Cg). Fig. 86. Urmollusk, Schema, Ansicht von der linken Körperseite (im An- schlüsse an Pelseneer). Man vergleiche Fig. 85^. a Vorhof des Herzens (Atrium), an After, c Cerebralganglion (Gehirn), ci Kieme (Ctenidium), jf Gonade (Geschlechtsorgan), m Mund, mi Mantelbucht, md Mitteldarm, u Niere, p Pericardialsäckchen (Coelom), pe Pedalganglion, // Pleural- gangUon, r Radu a, rn Mantelrandnerv, v Herzkammer (Ventrikel), ^'z' Vis- ceralganglion, z Cerebropleuralconnectiv, 2 Cerebropedalconnectiv, 3 Pleuro- pedalconnectiv, 4 Pleurowsceralconnectiv (Visceralschlinge). Leibeshöhle, Gonaden, Nieren, Kiemen usw. !77 -ed Ursprünglich kommen den Weichtieren paarige, symmetrisch gelagerte Go- naden (Fig. 87 g) zu. In vielen Fällen aber wird die Keimdrüse durch Ver- schmelzung ihrer beiden Hälften (oder vielleicht auch durch Reduktion der einen Hälfte?) zu einem unpaaren Gebilde (Fig. 89 C g). Die Nieren der Mollusken (Fig. 86 «, 87 «) sind als ein Paar von Nephri- dien zu betrachten und ihrer morphologischen Grundlage nach auf Anneliden- nephridien zu beziehen. Meist durch Erweiterung sackförmig geworden, stehen sie durch Wimper- trichter (Nierenspritze) oder durch Renopericardial- gänge mit dem Pericard in Verbindung. Während so- nach diese innere Mündung (Fig. 91 ni) eine Kom- munikation der Niere mit dem Coelom herstellt, er- gießen die Nieren ihr Exkret durch die äußeren (Fig. 91 no) häufig auf Papillen erhobenen Mündungen (Fig. 89 np) in die Mantelhöhle. Bei den asymmetri- schen Formen erhält sich nur eine Niere. Das Blutgefäßsystem der Mollusken ist kein ge- schlossenes. Es kommuniziert mit dem Pseudocoel. Das Herz (Fig. 85 h) ist ein dorsales und arterielles und entspricht sonach dem Rückengefäß der Anne- liden. In dem Pericardialsack gelegen und seinem Ursprünge nach auf einen im dorsalen Mesenterium entstandenen Hohlraum zurückzubeziehen, geht es nach vorne und hinten röhrenförmig in Arterien über, welche sich nach längerem Verlaufe in die Binde- gewebslücken der primären Leibeshöhle ergießen. Von hier gelangt das Blut in die Gefäßräume der Respirationsorgane und von diesen durch seitlich am Herzen angebrachte Vorhöfe in das Herz zurück. Die ursprünghchen Respirationsorgane der Mol- lusken sind durch paarige, gefiederte, in der Mantel- höhle gelegene Kiemen (sog. Ctenidien) gegeben, welche jedoch bei vielen Formen durch Reduktion einseitig entwickelt erscheinen oder völlig verloren gehen (Fig. 86 et, Fig. 89 kl, kr). Das Nervensystem der Mollusken läßt sich auf ein System von Ganglien- knötchen zurückführen, welche durch Nervenstränge untereinander in Ver- bindung stehen und periphere Nerven abgeben. Wir bezeichnen jene Stränge, welche gleichnamige Ganglien in Verbindung setzen, als Kommissuren, während Verbindungen zwischen ungleichnamigen Ganglien als Konnektive benannt wer- den. Das ursprüngliche Schema des Molluskennervensystems ist bilateral-sym- metrisch (Fig. 88 A). Es besteht aus paarigen, im Kopfe über dem Schlund ge- legenen Cerebral- oder Gehirnganglien (Fig. 86, 88 c), welche durch die Cere- bralkommissur (Fig. 88 B cc) verbunden sind und die Nerven zu den Sinnes- organen des Kopfes sowie ein System von Schlundnerven mit Buccalganglien Fi g. 87. Schematische Darstellung der Organe im hinteren Körperabschnitt einer Form aus der Gruppe der wurm- förmigen Solenogastren (im Anschlüsse an H. E. Ziegler). Man vergleiche Fig. 86 und Fig. 89^. an After, et Kieme, ed Enddarm, g Geschlechts- organ (Gonade), »li Mantelbucht, « Niere, p Pericardialsäckchen. Nieren Nervensystem. 278 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen abgeben. Wir finden ferner ein Paar von Ganglien im Fuße: die Pedalganglien (Fig. 86, 88 pe), welche, durch die Pedalkommissur (Fig. 88 B pc) verbunden, die Muskelmasse des Fußes innervieren. Sie sind an das Gehirn durch Cere- bropedalkonnektive (Fig. 86, 88, 2) angeschlossen. Mehr dorsal und seitlich ge- lagert finden wir ein Paar von Pleuralganglien (Fig. 86, 88 pl), welche den Man- telrand innervieren und durch Pleurocerebralkonnektive (i) mit dem Gehirn, durch Pleuropedalkonnek- tive (3) mit demPedalgang- lion in Verbindung gesetzt sind. Von demPleuralgang- lion geht der Mantelrand- nerv irn) und die nach hin- ten unter den Darm sich ausdehnende Visceral- schlinge (4) ab. Sie führt zu einem paarig oder un- paar unter dem Enddarm gelegenenVisceralganglion {vi) und kann daher als durch Vereinigung von Pleurovisceralkonnekti- ven gebildet betrachtet werden. In ihrem Verlaufe finden sich vielfach Parie- talganglien (Fig.88p(2) ein- gelagert, welche die Nerven für die Kiemen und ein an der Basis der Kiemen ge- legenes Sinnesorgan (Os- phradium) abgeben, ein Sinnesepithelpolster, wel- ches der Perzeption der chemischen Qualität des Atemwassers zu dienen scheint. Überhaupt sind die Mollusken reich an Sinnesapparaten. Wir finden Augen nicht bloß am Kopfe, sondern auch, so besonders bei den kopflosen Lamellibran- chiern, am Mantelrande. Lippenbildungen des Mundes dienen dem Tast- und Geschmackssinne, tentakelartige Anhänge des Kopfes und am Fuße oder Man- tel der Tastfunktion. An den Pedalganglien angelagert, aber vom Cerebral- ganglion innerviert finden sich sog. Gehörbläschen, die man als Organe des Gleichgewichtssinnes, als statische Organe, deutet. A. Gastropoda, Schnecken. Wir geben im folgenden einen kurzen Überblick über die Grundzüge des morphologischen Aufbaues in den formenreicheren Gruppen der Mollusken und — an Fig. 88. Nervensystem der Mollusken. Schema. A von einer ursprüng- licheren Form mit ungekreuzter Pleurovisceralschlinge. Man vergleiche hierzu die Fig. 86 und Fig. 89^. B von einer Form mit gekreuzter Pleuro- visceralschlinge. Vgl. Fig. igß. an After, c Cerebralganglion, cc Cere- bralcommissur, kl ursprünglich linke, nach der Drehung rechts gelagerte Kieme, kr ursprünglich rechte, nach der Drehung links gelagerte Kieme, »iMund, /a ursprünglich linkes Parietalganglion (in i? Subintestinalganglion), pa, ursprünglich rechtes Parietalganglion (in B Supraintestinalganglion), pc Pedalcommissur, pe Pedalganglion, // Pleuralganglion, rn Mantelrandnerv, vi Visceralganglion, j Cerebropleuralconnectiv, 2 Cerebropedalconnectiv, 3 Pleuropedalconnectiv, 4 Pleurovisceralschlinge. Nervensystem der Mollusken. Die Drehung des Gastropodenkörpers 279 beginnen mit den Gastropoden, die sich ihrer Organisation nach am nächsten an die Urmollusken anschließen. Die meisten Schnecken besitzen eine spiralig eingerollte Schale und einen dementsprechend gewundenen Eingeweidesack. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine Aufwindung im Sinne einer rechtsläufigen Spirale (Fig. 89 B und C); nur selten kommen hnksgewundene Gehäuse zur Beobachtung. Hand in Hand mit dieser spiraligen Einrollung des Gehäuses erfolgt eine Verlagerung der Mantelbucht und eine asymmetrische Ausbildung des in ihr ABC ajh 5^ Fig. 89. Schematische Darstellung der Drehung des Eingevveidesackes bei den Schnecken. Nach Grobben. A hypothetisches Urmollusk vgl. Fig. 85 und Fig. 86, B rhipidoglosse Zwischenform (etwa Haliotis), C Verhältnisse der meisten Meeresschnecken (Ctenobranchier). an After; c Cerebralganglion ; g Gonade; /?■/ ursprünglich linke, nacli der Drehung rechts gelagerte Kieme; kr ursprünglich rechte, nach der Drehung links gelagerte Kieme; np Nierenpapille ; pa ursprünglich linkes Parietalganglion (Subintestinalganglion) ; /«j ursprünglich rechtes Parietal- ganglion (Supraintestinalganglion) ; // Pleuralganglion ; 7'/ Visceralganglion. Hinsichtlich der Verlagerung der Mantel- bucht vergleiche man auch die Fig. r)\B — D. befindlichen pallialen Organkomplexes. Während wir bei unserem Urmollusk, wie auch bei den Amphineuren die Mantelbucht, d. h. den am tiefsten einge- buchteten Teil der Mantelhöhle dem hinteren Körperende genähert fanden (Fig. 89 A), zeigen die Schnecken eine dorsalwärts nach vorne gerichtete Mantel- bucht (Fig. 89B und C). Man muß sich diese Verlagerung der Mantelhöhle in der Weise zustande gekommen denken, daß man annimmt, daß die Mantelbucht in einer horizontalen, der Kriechsohle des Fußes parallelen Ebene wandernd zunächst auf die rechte Körperseite und dann allmählich nach vorne gedreht wurde. Damit rückt aber zunächst auch der After [an) nach vorne und findet sich bei den Schnecken vorne in der Mantelhöhle rechts ausmündend. Der Darmkanal muß nun eine U-förmige Krümmung erfahren (Fig. 94 D). Er steigt zunächst im Eingeweidesack nach aufwärts und wendet sich dann nach rechts und vorne, um den After zu erreichen. Mit dem After wurden auch die ihn be- gleitenden Organe des pallialen Komplexes nach vorne verlagert. Wir betrach- ten zunächst die beiden Ctenidien oder die paarigen, federförmigen Kiemen 28o K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen (Fig. 89 kl, kr). Während sie ursprünglich ihre freie Spitze nach hinten ge- richtet hatten, wendet sich dieselbe jetzt nach erfolgter Verlagerung der Man- telbucht nach vorne. Da das Herz bei dieser Drehung ziemlich an der gleichen Stelle verbleibt, so ist nun das relative Lageverhältnis der Kiemen zum Herzen ein geändertes. Ursprünglich hinter dem Herzen gelegen finden sich die Kiemen und mit ihnen die von den Kiemen zum Herzen ziehenden Vorhöfe nun vor dem Herzen, daher man diese Formen alsVorderkiemer oderProsobranchiaten bezeich- net hat. Gleichzeitig zeigt sich eine zunehmende Tendenz zu asymmetrischer Entwicklung der Kiemen. Nach erfolgter Verlagerung der Mantelbucht wird die rechte Kieme (Fig. 89 B kl) immer kleiner, bis sie schließlich vollständig ver- schwindet (Fig. 89 C), was auch den Verlust des rechten Vorhofes zur Folge hat. Ebenso werden die Nieren (vgl. Fig. 89 A np) von der asymmetrischen Ent- wicklung des pallialen Organkomplexes betroffen. Es erhält sich nur die Niere der linken Seite (Fig. 89 C), während die rechte Niere rückgebildet zum Ge- schlechtsausführungsgang (Ausführungsgang von g in Fig. 89 C) wird. Von der Verlagerung des pallialen Organkomplexes wird das Nervensystem derart beeinflußt, daß nun die beiden Pleurovisceralkonnektive (Fig. 89 B und C, Fig. 88 B) einen eigentümlich gekreuzten Verlauf nehmen. Infolge dieser Kreuzung gelangt das in den Verlauf des rechten Konnektivs eingeschaltete Parietalganglion über den Darm und wird zum Supraintestinalganglion [pa), während das Parietalganglion der linken Seite, unter den Darm verlagert, nun als Infraintestinalganglion [pa) bezeichnet wird. Wir benennen alle Schnecken, welche die erwähnte Kreuzung der Visceralschlinge erkennen lassen, als chi- astoneure oder streptoneure Formen. Viele Schnecken weisen allerdings das entgegengesetzte Verhalten auf. Es zeigt sich im Kreise der Lungenschnecken oder Pulmonaten und der Hinterkiemer oder Opisthobranchiaten eine gewisse Tendenz, die Kreuzung der Pleurovisceralkonnektive sekundär wieder rück- gängig zu machen. Sie werden auf diese Weise zu euthyneuren Formen. Man hat verschiedene Versuche gemacht, die Ursachen zu ergründen, wel- che dieser spiraligen Einrollung des Eingeweidesackes, dieser Verlagerung der Mantelhöhle unter gleichzeitiger Asymmetrisierung der Organe, die dem ganzen Körperbau der Schnecken sein eigentümliches Gepräge verleiht, zugrunde liegen. Ohne auf diese Erklärungsversuche näher einzugehen, sei hier nur an- gedeutet, daß es sich in letzter Linie wohl um eine günstigere Form der Raum- ausnützung, um eine möglichst kompendiöse Art der Verpackung der Organe im Eingeweidesack handelt. Vielleicht kommt auch noch ein weiteres Moment für die Verlagerung des pallialen Organkomplexes mit in Frage: die Vermin- derung des auf diesen lebenswichtigen Organen lastenden Druckes im Moment der Zurückziehung des Kopfes und Fußes in die Schale. Wir dürfen nicht ver- gessen, daß die Schnecken, um sich vor Angriffen zu schützen, ihren Körper vollkommen in die Schale zurückziehen, wobei die inneren Organe einem er- hebhchen Druck ausgesetzt sein müssen. Möglicherweise hat die Verlagerung der Mantelbucht den Zweck, jene Stelle zu gewinnen, an welcher die Kiemen und das Herz diesem Innendruck am wenigsten unterworfen sind. Gastropoden. Lamellibranchiaten 281 B. Lamellibranchiata, Klappmuscheln. Der Körper der Lamellibranchiaten ist meist durchaus bilateral-symme- trisch gebaut. Das zeigt schon die Beschaffenheit ihrer Schale (Fig. 90 s), welche aus zwei seitlich angebrachten gleich großen Klappen besteht, die am Rücken des Tieres durch ein elastisches Ligament (Schloßband /) und durch ein aus verschieden gestellten und gestalteten Zähnen bestehendes Schloß zusammen- gehalten werden. Die Wirkung des elastischen Schloßbandes bedingt das Öff- nen der Schale, während das Schließen der Schalenklappen durch die Tätig- aA- ik" y 7TV, zrs— TTl"' f-- y Fig. 90. Querschnitt durch eine Klappmuschel (Schema im Anschlüsse an Zeichnungen von Boas und Pfurt- SCHELLEr). ak äußere KiemenlameUe, /"Fuß, ik innere Kiemenlamelle, / Schloßligament, mf Mantelfalte, mh ManteUiöhle, j Schale. Fig. gi. Junges Entwicklungsstadium einer Klappmuschel, Cyclas Cornea. Schematisch nach H. E. Ziegler. an After, d Darm, f Fuß, g Geschlechtsorgan (Gonade), h Herz, hs hinterer Schalenschließrauskel im Querschnitt, m Mund, K Niere (Bojanussches Organ), nt innere Nierenöfifnung (Verbindung zwischen Niere und Pericardialsäckchen), HO äußere Nierenöffnung (Mündung der Niere in die Mantelhöhle. / Pericardialsack, vs vorderer SchalenscMieß- muskel im Querschnitt. Man vergleiche Fig. 86. keit besonderer Schalenschließmuskeln (Fig. 91 vs, hs) besorgt wird. Aus den geöffneten Schalenklappen kann das Tier nur den Fuß (Fig. 90, 91 /) und even- tuell noch gewisse Mantelanhänge, wie z. B. die röhrenförmigen Siphonen, her- vorstrecken. Im allgemeinen ist der ganze Muschelkörper in der Schale ge- borgen. Da die beiden Schalenklappen von der äußeren Oberfläche der Mantel- falte abgeschieden werden, so ergibt sich hieraus, daß der Mantel bei diesen Tieren die Gestalt zweier seitlicher, den Körper völlig umhüllender Hautfalten oder Mantelklappen (Fig. 90 mf) besitzt. Wenn wir es versuchen, den Bau der Muscheln von der schneckenähn- lichen Urform mit flacher, napfförmiger Schale abzuleiten (Fig. 85 B), so wer- den wir annehmen müssen, daß der Mantel in zwei seitliche, klappenförmig den Körper umhüllende Lappen ausgewachsen ist, welche die beiden verkalkten Schalenklappen produzieren (Fig. 90). Diese zweiklappige Schale ist in der Weise von der einfachen napfförmigen Schale abzuleiten, daß wir das elastische Schloßband, welches am Rücken die beiden Schalenhälften verbindet, mit zur 282 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Schale hinzurechnen oder als einen dorsomedian gelegenen, unverkalkten Teil der Schale betrachten. Wir werden auf diese Weise dazu geführt, auch den Klappmuscheln ein einheitliches Schalengebilde zuzuschreiben, welches, dem Körper sattelförmig aufsitzend, nur in seinen seitlichen Partien verkalkt, in der dorsalen Mittelpartie (Schloßband) unverkalkt geblieben ist. Die körperliche Ausgestaltung der Muscheln steht in inniger Beziehung zu ihrer Lebensweise. Träge, von feinstem, durch Wimperbewegung herbeigeström- tem organischen Detritus sich ernährend, zeigen sie nur ein geringes Maß von Ortsveränderung. Viele schieben sich durch Vorstrecken des Fußes, durch Off- nen und Schließen der Schale am Grunde der Gewässer fort, wobei manche sich vorübergehend mit einem erhärtenden, von Fußdrüsen produzierten Faden- sekrete (Byssus) festheften, wie die Steckmuscheln (Pinna) und die Mies- muscheln (Mytilus), während andere mit dem fingerförmig eingekrümmten Fuß sich springend abschnellen oder durch Klappbewegungen der Schale um- herschwimmend zu intensiverer Lokomotion befähigt erscheinen. Durch die Aufnahme des Körpers in eine schützende zweiklappige Schale wird die Regionenbildung der Muscheln beeinflußt. Ähnlich, wie dies auch bei schalentragenden Krebsen zu beobachten ist, erfährt die Kopfregion eine Rückbildung (Fig. 91 bei w), die so weit geht, daß man kaum mehr von einem Kopf bei diesen Tieren sprechen kann; daher man auch die Muscheln als Ace- phala oder Kopflose bezeichnet hat. Die Sinnesorgane des Kopfes werden rück- gebildet, während der Mantelrand hier die bevorzugte Stelle für Ausbildung verschiedenartiger Sinnesorgane wird. Als umfangreichster Körperabschnitt tritt uns der Fuß (/) entgegen, der in seinem Inneren verschiedene Eingeweide, Darmschlingen, Teile der Leber und der Gonaden birgt, während ein eigent- licher Eingeweidesack hiernichtzur Ausbildung kommt. Der Körper der Muscheln besteht fast ausschließlich aus Fuß und Mantel. Eine eigentliche Kriech- sohle des Fußes findet sich nur bei wenigen ursprünglichen Lamellibranchiaten (Nucula, Leda, Pectunculus); bei den meisten Muscheln hat der Fuß eine beii- förmige Gestalt mit ventraler zugeschärfter Kante. Zu den Seiten des Fußes (/) finden sich in der Mantelhöhle die umfangreichen Kiemenlamellen (Fig. 90 ak, ik), der Länge nach dem Körper angewachsen. Es kann hier nicht näher ausgeführt, sondern nur angedeutet werden, daß sich diese Kiemenbildungen auf die doppelt gefiederte Form des Ctenidiums ursprünglicherer Mollusken- typen zurückführen lassen. Von der inneren Organisation der Muscheln hier nur Weniges, Typisches. Die Nahrung wird durch eigentümliche Mundlappen, gewissermaßen auf lappen- förmig ausgezogene Mundwinkel mit Wimperfurche zurückführbar, dem Munde zugeführt. Kieferbildungen und die für die Mollusken sonst so typische Radula fehlen hier. Der Magen trägt in einem besonderen Anhang den merkwürdigen Krystallstiel, ein gallertiges, der Verdauung durch amylolytische Fermente dienendes Produkt. Der in mehrfache Schlingen gelegte Darm endigt mit einer über dem hinteren Schließmuskel gelegenen, in die Mantelhöhle sich öff- nenden Afterpapille (Fig. 91 an). Er zeigt ein eigentümliches, auch bei vielen Bau der Lamellibranchiaten. Cephalopoden 283 Schnecken aus der Gruppe der Rhipidoglossen zu beobachtendes Verhalten, indem er vor seiner Ausmündung in den Pericardialsack eintritt und das Herz (Fig. 91 h) durchbohrt. Wir können uns diese Merkwürdigkeit vielleicht am besten in der Weise verständlich machen, daß wir die Verhältnisse des Blut- gefäßsystems der Anneliden zum Vergleiche heranziehen (Fig. 92). Die Ringel- würmer besitzen ein über dem Darmrohr hinziehendes Dorsalgefäß (do) und ein unter dem Darm gelegenes Ventralgefäß {vg). Beide sind durch segmental angeordnete Queranastomosen {a) miteinander verbunden, von denen einzelne, erweitert und kontraktil als Herzen {a^) funktionieren. Wir können nun das Herz der Muscheln (Fig. 92 B) auf eine derartige /1 ^^ Queranastomose zurückführen, wobei wir noch hinzuzufügen haben, daß sich bei ihnen vom Rückengefäß nur der nach vorne ziehende Ab- schnitt, vom Bauchgefäß der hintere Abschnitt erhalten hat. Wir würden das Verhältnis richtiger darstellen, wenn wir die gewöhnliche Ausdrucks- weise, daß bei den Muscheln der Enddarm das Herz durchbohrt, vermeidend sagen würden: bei B den Lamellibranchiern hat sich das Herz, wie auch die Coelom- oder Pericardialblase im Um- kreise des Darmes entwickelt, was ja bei den meisten Coelomtieren für das Coelom das normale Verhalten ist. Es zeigt sich auch in diesem Falle ^ die innige genetische Beziehung, in welcher bei pi- 92. Schematische DarsteUung der allen Tieren das Blutgefäßsystem zur Darm- Beziehungen des Biutgefa^ßsystems zum ° -' Darrakanal, A bei Anneliden (vgl. auch wand steht, eine Beziehung, auf welche vor allem Fig. 57 s. 236), b bei einer Muschel. . . 11 TT 1 " Queranastomose, a^ verbreiterte kon- Lang m semer bedeutungsvollen HaemOCOel- traktile Queranastomose, als Herz fun- theorie die Aufmerksamkeit der Forscher ge- ^-t'S::7':^1^^£S£^- lenkt hat. C. Cephalopoda, Kopffüßler oder Tintenfische. In der Gruppe der pelagischen Cephalopoden erreicht der Stamm der Mollusken seine höchste Organisationsstufe, wie denn auch in dieser Gruppe, einem allgemeinen Gesetze folgend, wonach die Körpergröße mit steigender Organisationshöhe zunimmt, die größten Formen unter den Mollusken gefunden werden. Freischwimmende Meeresbewohner von räuberischer Lebensweise er- scheinen sie mit Sinnesorganen vorzüglich ausgerüstet; zu energischen Muskel- kontraktionen befähigt, eignen sie sich zu intensivster Lebensbetätigung. Die hohe Komplikation ihres Körperbaues hindert nicht, daß sie in vieler Hinsicht uraltertümliche Züge bewahrt haben. Hierher ist es zu rechnen, daß die ur- sprüngliche bilaterale Symmetrie des Körpers bei ihnen im allgemeinen voll- ständig gewahrt ist, daß sie eine nach hinten verlagerte Mantelhöhle (Fig. 93 mh) besitzen, daß der palliale Organkomplex jene Zusammensetzung aufweist, die wir unserem Urmollusk zuerkannt haben, und daß bei ihnen der Zusammenhang zwischen Gonadenhöhle und Pericardialhöhle gewahrt bleibt. 284 K. Heider ; Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Die Cephalopoden der Gegenwart sind die Überreste einer Gruppe, welche in der Vorwelt eine viel größere Mannigfaltigkeit entwickelte. Die eigenartige Gattung Nautilus der indischen Meere, mit gekammerter, lufterfüllter, exo- gastrisch eingerollter Schale schwimmend, fällt durch den Besitz von 2 Kiemen- paaren und dementsprechend von vier Vorhöfen des Herzens (wie auch von vier Nierensäcken) auf. In ihr hat sich der einzige Repräsentant jener umfang- reichen Gruppe erhalten, welcher die zahlreichen Nautiloidea der Vorwelt, zu denen wir auch die Orthoceratiten mit linearer Anordnung der Schalenkammern rechnen, zugehören. Ihnen stehen auch die Ammoniten nahe, deren Kammerscheidewände sich in zierlicher ornamentaler Loben- zeichnung an dieSchale ansetzen. ^-7n6 Dagegen werden die Belemniten, deren Schalenrostren als Donner- keile die mesozoischen Schichten (Jura und Kreide) erfüllen, den dibranchiaten Cephalopoden mit bloß einem Ctenidienpaare zu- gerechnet. Wenn wir von Nau- tilus absehen und von Argonauta, dessen Weibchen sich durch Ab- sonderung der lappigen Rücken- arme ein sekundäres Gehäuse er- baut, haben die übrigen Formen rezenter Cephalopoden keine äußere den Körper bedeckende Schale. Schon bei Spirula vom Mantel teilweise bedeckt, rückt das Schalenrudiment bei den Sepien und Verwandten in tiefere Körperschichten, wo es als sog. Schulp (os sepiae Fig. 93 sp) vorgefunden wird, um schließhch in der Gruppe der achtarmigen Polypen vollständig zu verschwinden. Der Körper der Sepien, an die wir uns hier halten wollen, sondert sich in einen großen mit mächtigen Augen [a) versehenen Kopfabschnitt (Fig. 93 k), welcher halsartig verschmälert in den hinteren Rumpfabschnitt übergeht, der dorsalwärts den Schulp [sp) birgt. Ein freier Hautsaum, hinter welchem der Hals des Tieres verschwindet, läßt erkennen, daß wir in dem als Rumpf be- zeichneten Abschnitte den mantelbedeckten Eingeweidesack zu erbhcken haben, welcher in der nach hinten gelagerten umfangreichen Mantelhöhle (w^) die Afterpapille [an), die paarigen Nierenpapillen, die Genitalöffnung und die Kie- men — mit einem Worte den pallialen Organkomplex enthält. Nachdem wir so an dem Körper der Tintenfische von den typischen Bestandteilen der Mol- lusken drei, nämlich: Kopf, Eingeweidesack und Mantel nachgewiesen haben, hätten wir noch nach dem Fuße zu suchen. Einen Teil des Fußes haben wir Fig. 93. Schemarische Darstellung eines Cephalopoden in der Ansicht von der linken Seite. Nach Pfuütschellek. a Auge, an After, ap Scheitelpunkt der Rückenfläche, d vordere, d' hintere Fläche des Rückens, k Kopf, ka Kopfarrae, m Mund, tnb Mantel- bucht, wf Mantelfalte, sp Schulp, tr Trichter. Allgemeine Morphologie der Cephalopoden 285 jedenfalls in dem sog. Trichter der Kopffüßler {tr) vor uns, einem röhrenförmigen Gebilde, durch welches das in der Mantelhöhle enthaltene Wasser bei Kon- traktionen der muskulösen Mantelfalte nach außen geleitet wird. Die Cepha- lopoden schwimmen, indem sie ihre Mantelhöhle mit Wasser erfüllen, worauf sie es, den Mantelrand an Hals und Trichter fest anpressend, durch die Trichter- röhre schnell nach außen stoßen. Der Gegenstoß des Wassers verursacht sodann eine rasche Vorwärtsbewegung, durch welche das Tier mit dem spitzen Körper- ende {ap) voran, die Kopfarme hinten nachziehend fortbewegt wird. Der Name Kopffüßler, den wir diesen Formen zuerteilen, erinnert uns daran, daß die er- wähnten Kopfarme {ka) auch als ein zum Kopf hinzugezogener Teil des Fußes betrachtet werden. Man pflegt das Verhältnis gewöhnlich so zu kennzeichnen, daß man angibt: es sei ein in saugnapfbewehrte, armartige Fortsätze aufge- löster Teil des Fußes durch seitliche Überwachsung in die Gegend des Mundes gerückt. Hier birgt sich im Inneren die muskulöse Schlund- und Buccalmasse, mit papageienschnabelähnlichen Kiefern (w) und der bezahnten Radula bewehrt. Noch ein Wort über die Orientierung des Cephalopodenkörpers, welche wir unserer schematischen Abbildung zugrunde gelegt haben. Wenn wir in den Kopfarmen und dem Trichter Teile des Fußes erkennen, so werden wir nur die kurze zwischen Mund und innerer Trichteröffnung sich ausdehnende Strecke als Ventralseite, der Kriechsohle der Schnecken vergleichbar, in Anspruch nehmen können. Dann erscheint uns der Cephalopodenkörper als ein ungemein hochrückiges Gebilde und wir werden in der spitz auslaufenden oberen Endigung des Eingeweidesackes {ap) den mittleren Teil der Rückenfiäche zu sehen haben. Die vom Kopf zum Apex oder Scheitel des Eingeweidesackes verlaufende Strecke {d), unter welcher sich der Schulp befindet, ist als vordere Hälfte der Rückenfläche, die vom Apex zum Trichter herablaufende Zone (üC), unter welcher die Mantelhöhle verborgen ist, als hintere Hälfte des Rückens zu betrachten. Wir übergehen viele Merkwürdigkeiten dieser Formen: so den Besitz eines Tintenbeutels, einer Afterdrüse, deren Sekret als Sepiabraun von den Malern ver- wendet wird, das auffallende Phänomen des Farbenwechsels, auf rhythmischer Erweiterung und Verengerung von farbstofferfüllten Zellen der Haut (Chroma- tophoren) beruhend, die wundervolle, an bestimmte Organe geknüpfte Fähig- keit des Leuchtens, die besonders den Tief seebewohnern unter den Kopffüßlern eignet und die den gelehrten Erforscher der Tiefsee, Prof. Chun, anläßlich seiner Valdiviafahrt zu bedeutungsvollen Studien veranlaßt hat, und anderes. D. Zur Entwicklungsgeschichte der Mollusken. Wenn wir von den Kopffüßlern absehen, die mit dotterreichen Eiern keim- scheibenbildend einen eigenartigen Typus individueller Entwicklung verfolgen, so schließt sich die Molluskenentwicklung auf das innigste der Keimesbildung der Anneliden an. In ihrer Furchungsweise verfolgen sie ganz den gleichen, durch das Auftreten bestimmter Zellquartette gekennzeichneten Spiraltypus. Das Gastrulastadium wird durch Einstülpung oder durch Umwachsung (Epi- bolie) erreicht und es erfolgen sodann jene oben (S. 225) gekennzeichneten 286 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Umbildungen, durch welche dies Stadium allmählich in ein freischwimmendes oder in Eihüllen geborgenes Trochophorastadium (Fig. 94 A) übergeführt wird. Die Tatsache, daß den Mollusken fast durchwegs ein wohlcharakterisiertes Trochophorastadium zukommt, muß als Hauptkennzeichen der Molluskenent- wicklung festgehalten werden. Trochophora der Wir gcbeu iu Fig. 94 A — D ein konstruiertes Schema der Schneckenent- MoUus en. ^icklung. Dcr Leser wird keiner Schwierigkeit in dem Versuche begegnen, un- sere Fig. 94 A auf den allgemeinen Trochophoratypus zurückzuführen. Wie bei der echten Trochophora erscheint auch hier der Körper durch einen mächtigen äquatorialen Wimperapparat (Prototroch hier meist als Velum v bezeichnet) in ein Scheitelfeld (Episphaere) und ein Gegenfeld (Hyposphaere) geteilt. Den vorderen Pol der Hauptachse nimmt eine mit Wimperschopf versehene Ekto- dermverdickung, die Scheitelplatte {sp) als Anlage des Gehirnganghons ein. Frühzeitig gewinnen die Molluskenlarven das für die Trochophora typische larvale Exkretionsorgan vom Typus der Protonephridien: die Urniere [un). Wir verweisen ferner auf den Bau des ventralwärts eingekrümmten Darm- kanals, der, aus Stomodaeum (Speiseröhre), Magen und Dünndarm bestehend, in diesem Stadium noch keine Afteröffnung zur Ausbildung gebracht hat. In unserer Zeichnung sind die Teile des mittleren Keimblattes nicht zur Darstellung gebracht. Doch mag erwähnt werden, daß auch sie die für die Trochophora typische Anordnung erkennen lassen. Neben einem larvalen Mesenchym ekto- dermalen Ursprungs besitzt die Molluskentrochophora paarige von Urmeso- dermzellen entwickelte Mesodermstreifen, welche die Muskulatur des Haut- muskelschlauches und vielleicht auch, wie bei den Anneliden, die Coeloman- lage, (hier die gemeinsame Anlage von Herz, Pericard, definitiver Niere und Go- nade) hefern. Wir dürfen nicht verabsäumen, den Leser auf einige Merkmale hinzuweisen, welche — als typische Molluskencharaktere — unsere Trochophora von der Anne- lidenlarve trennen. Der Rücken ist hier von einer flachen, napfähnlichen Scha- lenanlage {s) bedeckt, welche cuticular von einer darunter liegenden Ektoderm- verdickung, der sog. Schalendrüse {sd), abgeschieden wird. Vielfach erscheint die erste Anlage der Schalendrüse unter dem Bilde einer mächtigen Einstülpung, was den ersten Untersuchern der Mollusken-Blastogenese zu gewissen Irrtümern in der Auffassung dieser Stadien Veranlassung geboten hat. In einer hinter dem Munde bemerkbaren, leicht angedeuteten Vorwölbung der Bauchseite (/) erken- nen wir die Anlage des Molluskenfußes, während hinter derselben eine leichte Einziehung der Körperoberfläche als Andeutung der Mantelbucht {mb) erscheint. Schon im nächsten Entwicklungsstadium (Fig. 94 B) treten an unserer Larve die Molluskenmerkmale deutlicher hervor. Die Schale ist tiefer, mehr glockenförmig geworden und birgt den Eingeweidesack, welcher einen großen Teil des nun schon stärker ventralwärts eingekrümmten Darmkanals in sich aufnimmt. Unter dem Rand der Schale ist die ringförmige Mantelhöhle {mh) und die hinten ventralwärts gelagerte Mantelbucht {mb) zu erkennen. Der Fuß (/) ist deuthcher vom Körper abgesetzt. Noch trägt der Kopf den Wimper- Entwicklung der Gastropoden !87 kränz (Veium), aber er hat den apikalen Wimperschopf verloren, während die ersten Andeutungen der Kopftentakel {t) der jungen Schnecke und die Augenanlagen {a) zu bemerken sind. Fig. 94. Vier Eutwicklungsstadien einer Schnecke. Schema in der Ansicht von der rechten Körperseite. A Trochophora, ß und C Übergangsstadien, Z) sog. Veligerstadium. a Auge, «« After, /Fuß, ?« Mund, ?»3 Mantel - bucht, //i/i Mantelhöhle, op Deckel (Operculum), j Schale, sä Schalendrüse, sji Scheitelplatte, / Kopffühler, lui Ur- niere, x' praeoraler Wimperkranz (Prototroch oder Velum). Das nächste Stadium (Fig. 94 C) zeigt im wesentlichen die gleiche Aus- bildungsstufe der Organe, doch hat eine Drehung des Eingeweidesackes statt- gefunden, durch welche die Mantelbucht {mb), in die nun schon der Enddarm mit der Afteröffnung [an) einmündet, auf die rechte Körperseite verlagert wurde. Diese Drehung des Eingeweidesackes ist im nächsten Stadium (Fig. 94 D) der von uns dargestellten Entwicklungsreihe schon so weit gediehen, daß die 288 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Mantelbucht {mb) ganz an die Dorsalseite verlagert erscheint. Während also die erste Anlage der Mantelbucht ventralwärts hinten (Fig. 94 A mb) zu er- kennen war, liegt sie nun ziemhch weit vorne an der Rückenseite (Fig. 94 D). Im übrigen zeigt unser Stadium schon ziemlich alle Merkmale einer jungen Schnecke. Die Scheidung des Körpers in Kopf, Fuß und Eingeweidesack ist deutlicher ausgeprägt. Der Fuß (/) hat eine Kriechsohle entwickelt und trägt hinten an seiner Rückenfiäche die Anlage des Deckels [op). Die Drehung des Eingeweidesackes hat zu einer Verlagerung der Darmschleife geführt. Während sie in den jüngeren Stadien (Fig. 94 B) ventralwärts eingekrümmt war, er- scheint sie nun nach der Dorsalseite gekrümmt; der After [an) mündet rechts am Rücken in die Mantelbucht (vgl. auch Fig. 89 C). Die Schale zeigt die ersten Spuren spiraliger Einrollung. Veiigerstadium. Dics Stadium (Fig. 94 D) kann schon durchaus als ein junges Mollusk, als eine junge Schnecke in Anspruch genommen werden. Es hat nur mehr zwei Trochophorakennzeichen bewahrt: die larvale Urniere und den Wimperreifen am Kopf. Durch die Wimperbewegung dieses Organs ist die junge Schnecke zu lebhaftem Schwimmen im Meerwasser befähigt, und dies um so mehr als der hier als Velum bezeichnete Wimperkranz häufig in zierliche Lappenbildungen aus- gezogen erscheint. Nach ihm wird dies im Entwicklungskreis vieler Mollusken wiederkehrende Stadium als die typische Veligerlarve der Mollusken bezeichnet. Wir haben von der Entwicklung der Organe im Inneren eigentlich Weniges angedeutet. Verlockend wäre es hierauf näher einzugehen. Vor allem nimmt hier die Umbildung des Coelomkomplexes, die Entwicklung von Herz, Pericard, Niere und Gonade, welche neuerdings durch die Arbeiten der Korschelt- schen Schule, durch die Untersuchungen von Meisenheimer, Otto und Tönniges u. a. bedeutsam gefördert wurde, das Interesse in Anspruch. Wie sich aus der typischen Trochophoralarve die Organisation der Lamel- libranchier hervorbildet, kann nur kurz angedeutet werden. Hier müssen wir von allen jenen Gestaltumwandlungen, durch welche bei den Schnecken die schärfere Absetzung des spiralig eingerollten Eingeweidesackes, die für die letztere Gruppe typische Asymmetrie der Bildungen bedingt wird, absehen. Wir müssen auf unser Ausgangsstadium (Fig. 94 A) zurückgehen. Wenn wir annehmen, daß die ursprünglich napfförmige Schalenanlage den Körper sattel- förmig umwächst, wodurch die Anlage der beiden seitlichen Schalenhälften der Klappmuscheln gebildet wird, und daß dementsprechend auch die beiden Mantelfalten sowie die Mantelhöhle eine mächtige Entwicklung zu den Seiten des Körpers erlangen, bis schließlich der ganze Körper von den paarigen Scha- lenklappen umhüllt erscheint, so wird man im allgemeinen die Organisation der Klappmuscheln von der Ausgangsform der Trochophora ableiten können. Erwähnt sei noch, daß auch bei vielen Lamellibranchiaten ein mittelst der vor- gestreckten Lappen des Velums frei umherschwärmendes Stadium, vergleich- bar der Veligerlarve der Gastropoden, zur Beobachtung kommt, sowie daß sich der Wimperapparat der Larve im ausgebildeten Tiere in der Form der den Lamellibranchiern eigentümlichen Mundlappen erhält. Entwicklung der Mollusken. Tentaculata 280 VII. TENTACULATA, KRANZFÜHLER. Eine formenärmere Gruppe des Tierreichs, welche von manchen Autoren mit dem wenig passenden Namen ,,Molluscoidea" bezeichnet wird, und welche in mancher Hinsicht eine Zwischenstellung zwischen den großen Gruppen der Protostomia und der Deuterostomia einnimmt. Wir legen weniger Gewicht auf den von manchen Seiten unternommenen Versuch, die Tentaculata gewissen sedentären Enteropneustenformen (Rhabdopleura) zu nähern, als auf die Tat- sache, daß die Tentaculata die einzige Gruppe der Protostomia sind, in welcher Spuren einer Mesodermbildung durch Abfaltung beobachtet wurden. Man möchte wohl versucht sein, in ihnen den uralten Überrest einer Bilateriengruppe zu erkennen, welche in gleicher Weise Beziehungen zu den Protostomia, wie zu den Deuterostomia aufwies. Wenn wir sie der ersteren Gruppe zurechnen, so bestimmt uns hierzu der Umstand, daß die Larvenformen dieser Wesen (Fig. 98) gewisse Anklänge an den Trochophoratypus erkennen lassen, und daß sich bei ihnen der Blastoporus von hinten nach vorne sich schließend als Schlund- pforte erhält. Es handelt sich meist um Meerestiere von sedentärer Lebensweise. Der Einfluß der festsitzenden Lebensweise auf die Körpergestalt, welchen A. Lang in einer gedankenvollen Schrift so anziehend behandelt hat, beeinflußt ihre morphologische Ausbildung. In cuticularen Röhren oder Gehäusen wohnend, manchmal schalenbildend, entwickeln sie an ihrem Kopfe eine oft fast radiär ausstrahlende Tentakelkrone zu wimpernder Nahrungsbeschaffung. Die schlei- fenförmige Einkrümmung des Darmes (Fig. 95), die Annäherung des Afters [an] an die Mundöffnung (w) ist eine weitere Folge sedentärer Lebensgewohnheit. Neigung zum Hermaphroditismus, ein hochausgebildetes Regenerationsvermö- gen, das sich im Abwerfen und der Wiedererzeugung der Köpfchen kundgibt und in einer Gruppe zu Knospungsprozessen und zur Stockbildung steigert, sind aus der gleichen Quelle abzuleiten. Wir rechnen zu den T entakulaten drei Klassen: die Phoronoidea, wurm- artige Formen, solitär in Röhren wohnend, doch durch Vergesellschaftung am Meeresgrunde rasenbildend, die Moostierchen oder Bryozoen durch Knospung stockbildend, im Habitus ihrer Stöckchen vielfach an Hydroiden erinnernd und die schalentragenden Brachiopoden [Armfüßer), deren zweiklappige Schalen als Leitfossilien den Paläontologen wohlbekannt sind, ein Stamm, der sich von den ältesten Zeiten der Erdgeschichte bis zur Gegenwart in wunderbarer Lebens- zähigkeit erhalten hat. Während im ,, massigen Typus" der Mollusken die Gewebe mesenchyma- tischen Ursprungs vorherrschen, so daß die Coelomderivate (Gonade und Peri- card) nur einen geringeren Raum beanspruchen, erweisen sich die Tentaculata als ausgesprochene Coelomaten. In der ausgedehnten das Körperinnere ein- nehmenden Coelomhöhle (Fig. 95 c), welche von den reifenden Geschlechtspro- dukten erfüllt wird, in dem Zurücktreten mesenchymatischer Gewebe, in dem Besitz eines geschlossenen Blutgefäßsystems nähern sie sich — wenigstens K. d. G.UI. IV, Bd2 Zellenlehre etc. II ig 2go K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Hau von Phoronis. ^P~~ /n— habituell — den echten Enterocoeliern, als welche uns die in der Gruppe der Deuterostomia vereinigten Formen erscheinen. Wir entwickeln den morphologischen Grundplan dieser Gruppe an dem wohlbekannten Beispiel der Gattung PAö^öm^, welche die ursprünglichsten Züge der Organisation bewahrt zu haben scheint. Der Bau der Bryozoen und der Brachiopoden läßt sich unschwer auf diesen Typus zurückführen. Phoronis ist ein würmchenähnliches Wesen (Fig. 95) dessen Körperlänge selten 4—5 cm über- steigt. Es wohnt in selbsterzeugten, mit Sand- körnchen beklebten Röhren oder in Bohrlöchern in Steinen versenkt. Sein Körper zerfällt bei äußerlicher Betrachtung in zwei Abschnitte, die wir populärerweise als Kopf und Rumpf bezeich- nen könnten. Der mit einer Tentakelkrone ver- sehene Kopf bezeichnet das vordere Körperende, während der Rumpf hinten mit einer ampullen- förmigen Erweiterung endigt. Sämtliche Leibes- öffnungen (Mund w, After an, Nephridialporenw) sind in die Nähe des vorderen Körperendes ver- lagert. Der Darmkanal bildet eine U-förmige Schlinge, welche an ihrer unteren Umbiegungs- stelle eine Magenerweiterung erkennen läßt. Wir können am Darm den vom Munde (m) zum Magen ziehenden Teil als den absteigenden Schenkel (öJ), den vom Magen zum After {an) ziehenden Teil als den aufsteigenden Schenkel {d') des Darmes bezeichnen. Das Tier ist bilateral-symmetrisch (Fig. 9Ö). Wir wollen zu deskriptiven Zwecken jene Körperseite, welcher der absteigende Darm- schenkel (Fig. 95 d) genähert ist, als Bauchseite bezeichnen, während der aufsteigende, zum After ziehende Darmschenkel (i') der Dorsalseite des Körpers nahe liegt. Der mit hohlen (Coelomräume in sich aufnehmenden und Blutgefäße führenden) bewimperten Tentakeln besetzte Kopf wird in wissenschaftlichen Beschreibungen gewöhnlich als Lophophor oder Tentakelträger bezeichnet. Dieser Körperabschnitt ist von der Dorsalseite her eingebuchtet (Fig. 96). Er gewinnt sonach eine hufeisenförmige Gestalt oder läuft in zwei dorsal- wärts schräg aufsteigende Schenkel, die Lophophor arme, aus, welche nicht selten, wie auch bei den Brachiopoden, spiralig eingerollt werden. Da die Tentakel am ganzen Rande des Lophophors angewachsen sind, so können wir sagen, der Kopf dieser Tiere trägt einen (dorsalwärts nicht ganz geschlos- senen) Tentakelkranz, welcher entsprechend der dorsalen zwischen den beiden Fig. 95. Medianschnitt durch Phoronis, schematische Ansicht von der linken Körper- seite. Der Rumpf ist im Verhältnis zum Kopf viel zu kurz gezeichnet. an After, c Leibeshöhle (Coelom des Rumpfes), d ab- steigender Darmschenkel, d' aufsteigender Darmschenkel, do dorsal, dw Darmwand, ep Epistom (Oberlippe) , /h Lophophor- höhle, hü Leibeswand (Hautmuskelschlauch), ?n Mund, n Niere, sp Septum, v ventral. Bau von Phoronis 2gi Lophophorarmen gelegenen Einbuchtung ebenfalls hufeisenförmig eingebogen erscheint. Die Mundöffnung (Fig. 95, 96 m) liegt innerhalb dieses Tentakelkranzes und wird von einer oberlippenähnlichen Hautfalte (Epistom ep) überwölbt, ähnlich wie der Kehldeckel den Eingang in den Kehlkopf des Menschen überdeckt. Die Afteröffnung {an) liegt außerhalb des Tentakelkranzes dorsalwärts auf einer am Halse vorragenden Analpapille, die auch gleichzeitig die paarigen Ex- kretionsporen (die Nierenöffnungen n) trägt. Die das Körperinnere erfüllende Leibeshöhle trennt die Leibeswand (Fig. 95 Iw) von der Darmwand {dw). Erstere stellt einen typisch ausgebildeten m. Fig. 96. Schematische Ansicht des Kopfes (Lopho- phors) von Phoronis in der Ansicht von oben. In Wirklichkeit sind dieLophophorarme meist spiralig eingerollt, was in der Zeichnung der Einfachheit halber weggelassen wurde, an After auf der Anal- papille, ep Oberlippe (Epistom), rii Mund, n äußere Nierenöffnung, i Tentakel. mm Fig. Q7. Querschnitt durch die Rumpfregion von Phoronis. Schema zur Darstellung des Schichtenbaues dieser Form. c Coelomepithel, d absteigender Darmschenkel, d' auf- steigender Darmschenkel (Enddarm), dg Dorsalgefäß, ep Epidermis (ektodermales Körperepithel), Im linkes Seiten- mesenterium. In Längsnerv, 7>i Muskelschicht (die Längs- muskeln des Hautmuskelschlauches sind quer durchschnitten), in»i medianes Mesenterium, rin rechtes Seitenmesenterium, vg ventrales (mehr links gelegenes) Längsgefäß. Hautmuskelschlauch dar und besteht von außen nach innen aus folgendenSchich- ten : l . die Epidermis (das ektodermale Epithel der Haut, Fig. 97 ep) ; 2. die Leibes- muskulatur, welche aus einer äußeren Ringmuskellage und einer inneren Schicht längsverlaufender Fasern (w) besteht; 3. ein äußerst zartes peritoneales Coelom- epithel (c). Die Darmwand (bei d) besteht von außen nach innen aus folgenden Schichten : l. peritoneales Coelomepithel, 2. Darmmuskelschicht, 3. Darmepithel. Die Leibeshöhle gliedert sich, entsprechend der Teilung des Körpers in Kopf und Rumpf, durch ein queres Septum (Fig. 95 sp) in zwei Abschnitte, von denen der vordere, als Lophophorhöhle {JK) bezeichnet, sich in die Ten- takel und das Epistom fortsetzt, während der zweite hintere, größere Raum, die Rumpfhöhle, durch Mesenterien in längsverlaufende Unterabteilungen zer- legt wird. Der Darm ist nämlich an der Leibeswand durch ein median ver- laufendes Hauptmesenterium (Fig. 97 mm) und durch sekundär hinzukom- mende Lateralmesenterien (/m, rm) befestigt. Das Nervensystem von Phoronis bildet zeitlebens (wie auch bei vielen Brachiopoden) einen Teil der äußeren Haut. Wir unterscheiden einen den ig- 292 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Mund umgebenden Schlundring, welcher dorsalwärts zu einem Gehirnganglion anschwillt und einen linksseitig entsprechend der Ansatzstelle des linken La- teralmesenteriums verlaufenden Längsnerven (Fig. 97 In) abgibt. Das Blutgefäßsystem von Phoronis ist ein geschlossenes. Wir können an dem absteigenden Schenkel des Darmes ein dorsales {dg) und ventrales (t'g) längsverlaufendes Hauptgefäß unterscheiden, welche am Magen durch Vermitt- lung eines Blutgefäßnetzes in Verbindung stehen. Im dorsalen Längsgefäß steigt das Blut zum Kopf empor, von welchem es, in den Tentakeln arteriell ^P an OJL Entwicklung von Phoronis. geworden, ' durch das mehr linkssei- tig gelegene Ven- tralgefäß nach hin- ten abfließt. Die Verbindung zwi- schen Dorsal- und Ventralgefäß voll- zieht sich im Kopfe durch Vermittlung eines kompliziert gebauten Gefäß- ringes, der Blutge- fäße in die Tenta- kel abgibt. Das Blut von Phoronis, an sichfarblos, ent- hält rote, haemo- globinführende Blutkörperchen. Das linksseitig nach hinten füh- rende Ventralgefäß gibt in die Coelomhöhle blinde Fortsätze ab, die von einem fettkörperähnlichen Gewebe, das durch Wucherung des Coelomepithels entsteht und seiner Funktion nach vielleicht in die Gruppe peritonealer Exkretions- organe zu rechnen ist, umhüllt werden. Hier werden auch die Geschlechtspro- dukte gebildet, welche reif in die Leibeshöhle gelangen und durch die Nephridien nach außen befördert werden. Letztere (Fig. 95 w) sind 2 kurze, mit bewimper- ten Ostien in der Leibeshöhle beginnende Kanälchen, welche zu den Seiten des Afters nach außen münden (Fig. 96 bei 7^). Die Embryonen durchlaufen die ersten Stadien ihrer Entwicklung zwischen den Tentakeln des Muttertieres. Die freischwimmenden Larven, als Actinotrocha (Fig. 98) schon von Joh. Müller beschrieben, können als modifizierte Trochophorastadien betrachtet werden. Wir erkennen an der Actinotrocha als Zentrum des larvalen Nerven- systems die apikale Scheitelplatte (5p), während die Episphaere den Mund kappen- förmig überwölbt. Der stark bewimperte Rand dieses Praeorallappens {pt) ist Fig. 98. Schematische Darstellung der Larve von Plioronis (sog. Actinotrocha). A in der Ansicht von der linken Seite, B innere Organisation. Man vergleiche das Bild der Trochophora Fig. 6A S. 182 und Fig. 45// S. 22;). an After, c Rumpfcoelom (sekun- däre Leibeshöhle), d Darm, es Ektodermeinstülpung, aus welcher die ganze Körper- wand des späteren Rumpfes gebildet wird; //i primäre Leibeshöhle, aus dem Blastocoel entstanden ; die Lophophorcoelomhöhle des ausgebildeten Tieres entsteht erst später ; //i Mund, « larvale Niere, pa praeanaler Wimperkranz, // bewimperter Rand des Kopf- lappens (Prototroch), sj> Scheitelplatte, / larvale Tentakel. Bau und Entwicklung von Phoronis 293 dem Prototroch zu vergleichen, während eine hinter dem Munde schräg herab- ziehende Tentakelkrone {t) aus dem postoralen Wimperkranz hervorgegangen zu sein scheint. In ihr erkennen wir den Vorläufer des Tentakelkranzes der ausgebildeten Form. Sehr auffällig ist auch ein dem Paratroch zu vergleichen- der praeanaler Wimperkranz {pa). Der Darm hufeisenförmig ventralwärts ein- gekrümmt, besteht aus dem ektodermalen Oesophagus (Stomodaeum), aus einem erweiterten Magen und verengten Endabschnitt (Intestinum). Letztere gehen aus dem Mesenteron hervor, während ein eigentliches Proctodaeum zu fehlen scheint. Ein Paar larvaler, mit Solenocyten besetzter Exkretionsröhr- chen (Fig. 98 B n), blind nach innen endigend, scheint während der ungemein komplizierten und schwer zu verstehenden Umwandlung der Actinotrocha in den jungen Wurm direkt in die Nephridien dieser Form überzugehen. Wie sich die Organisation der Bryozoen und Brachiopoden auf das hier für Phoronis entwickelte Schema zurückführen läßt, soll nur kurz angedeutet werden. Die Einzeltierchen der Bryozoen sind von mikroskopischer Kleinheit und dementsprechend von einfacherem Bau. Durch Knospung bilden sie Stöckchen. Alle in einem solchen Stöckchen vereinigten Individuen stehen untereinander in körperlichem Zusammenhang. Dagegen finden wir bei den Brachiopoden nur Einzelformen, gestielt am Meeresgrunde festgewachsen, deren Körper vollständig von einer zweiklappigen Kalkschale umhüllt ist. Die beiden Schalenklappen sind hier nicht, wie bei den Klappmuscheln bilateral-sym- metrisch, rechts- und linksseitig angeordnet. Wir unterscheiden bei den Brachio- poden eine gewölbte Schalenklappe, welche häufig schnabelartig verlängert die Bauchseite des Körpers bedeckt, von einer flacheren Dorsalklappe. Wie bei den Mollusken werden auch hier die Schalenklappen von einer Mantelfalte der Haut durch Sekretion erzeugt. Ein komplizierter Muskelapparat besorgt das Öffnen und Schließen dieser zweiklappigen Schale. VIII. ÜBER DEUTEROSTOiVIIA IM ALLGEMEINEN. Unter dem Namen Deuterostomia wird — wie oben (S, 212) erörtert wurde — eine Reihe von verschiedenen Stämmen des Tierreiches vereinigt, deren gemeinsames Merkmal darin zu suchen ist, daß in ihrer Entwicklung keinerlei Beziehungen des Blastoporus zum definitiven Munde zu erkennen sind. Der Urmund geht hier regelmäßig in den definitiven After über oder weist der Lage nach Beziehungen zu dieser Körperöffnung auf, während der Mund an einer von der Lage des Urmundes entfernten Stelle gebildet wird (vgl. Fig. 117 und 118). Fügen wir hinzu, daß in dieser ganzen Gruppe kaum irgendwo Spuren von ektodermaler Mesenchymbildung (Entwicklung eines Ektomeso- derms) zu beobachten sind und daß das Mesoderm meist durch Abfaltung vom Urdarm (Fig. 42 S. 21 J und Fig. 118 D) in der Form paariger Coelomdiver- tikel gebildet wird (oder doch in einer auf diese Entstehungsweise zurückführ- baren Form), so haben wir die Hauptpunkte der embryologischen Kennzeichnung dieser Gruppe gegeben. Ihre freischwimmenden Larvenformen (Fig. 103, 119) zeigen nur entferntere Anklänge an den Trochophoratypus. 2QA K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Groß ist die Formenmannigfaltigkeit der Deuterostomia und ungemein wechselnd der Reichtum an Einzelformen in den verschiedenen hierher zu rech- nenden Stämmen. Als kleinere formenärmere Gruppen treten uns die plank- tonischen Pjeilwürmer [Chaetognathen) und die sedentärer Lebensweise zuge- neigten Enteropneusten [Schlundatmer) entgegen, versprengte Überbleibsel einer in ferner Urzeit wohl reicher entwickelten Gruppe von Lebensformen. Von den beiden hierher zu zählenden formenreicheren Gruppen führt uns die der Stachel- häuter oder Echinodermen in gleicher Weise in die ältesten Zeiten der Erd- geschichte zurück, während der Stamm der Chordatiere [Chordaten), zu denen man die Manteltiere [Tunicata], die Schädellosen [Acrania] und die Verte- hraten oder Wirheitiere rechnet, einem jüngergeborenen Sproß der tierischen Reihe vergleichbar, in Zeiten, die der Gegenwart näher liegen, seine höchste Entfaltung erreicht hat. Wenn wir die kleine Gruppe der Pfeilwürmer, aus deren Entwicklung wir oben (S. 217 Fig. 42) nach den lichtvollen Darstellungen O. Hertwigs ein Stadium herausgegriffen haben, übergehen, so treten uns in den Gruppen der Enteropneusten, der Echinodermen und der Chordaten drei Stämme entgegen, deren nähere Beziehungen zueinander durch Untersuchungen embryolo- gischer und anatomischer Natur m den letzten Dezennien dem suchenden Auge sich eröffnet haben. Wie verschiedenartig auch die Vertreter dieser Grup- pen auf den ersten Blick uns anmuten, so scheinen sie doch durch gewisse ge- meinsame Züge, durch eine wahrscheinlich stets ungemein komphzierte Phy- logenese in geheimnisvoller Weise verbunden. Wir deuten nach dieser Rich- tung kurz an: die Neigung zur Ausbildung röhrig versenkter Teile des Zen- tralnervensystems, die uns im Kragenmark von Balanoglossus, in den Radiär- nerven der Echiniden und Holothurien, im Medullarrohr der Vertebraten ent- gegentritt, die Entwicklung eines inneren, durch Verkalkung mesenchymatischer Teile entstandenen Skelettes, das Vorkommen porenartiger Ausmündungen des Coeloms. Eine gewisse Tendenz zu asymmetrischer Körperentwicklung ist in manchen Formen dieser Gruppe zu erkennen, so die in ihren ursächlichen Be- ziehungen noch jeder Erklärung unzugängliche Verlagerung des Mundes nach der linken Körperseite bei Rhabdopleura, in der Metamorphose der Echinoder- men und bei den schwer zu analysierenden Larvenformen von Amphioxus. IX. ENTEROPNEUSTA, SCHLUND ATMER. Bau von Dic Sippc der Eichelwürmer {Balanoglossen), derzeit schon in eine Reihe Balanoglossus. ^^^ FamiHcn und Gattungen aufgeteilt, deren anatomische Erforschung an die Namen Kovalewsky und Spengel geknüpft ist, umfaßt wurmähnliche bilateralsymmetrische Formen (Fig. 99), welche in der Gezeitenzone in selbst- gegrabenen, mit Schleim austapezierten Röhren im Sande leben. Es sind ty- pische Coelomtiere, im Vorhandensein eines Hautmuskelschlauches sowie dor- saler und ventraler Mesenterien und längsverlaufender Blutgefäßstämme an die Anneliden erinnernd. Nicht eigentlich segmental gegliedert, aber durch die in regelmäßiger Aufeinanderfolge wiederkehrenden Kiemenspalten (Fig. 99 Br), Deuterostomia im allgemeinen. Balanoglossus = 95 Gonadensäckchen und Leberausstülpungen (L) des Darmkanals gleichsam einen ersten Versuch zu metamerer Gliederung des Körpers andeutend, zerfällt ihr Körper in drei Regionen von sehr verschiedener Längenerstreckung, welche als Eichel {E), Kragen [K) und Rumpf {R in Fig. 104) bezeichnet werden. Der vorderste Körperabschnitt, die Eichel, gewissermaßen E—- ein wurmartig schwellbarer mit verengtem Halse dem Körper ein- A-- gefügter Kopflappen, enthält in seinem Inneren ein unpaares mit 0 linksseitigem Porus (Eichelporus Fig. lOO, 104 ep) sich öffnendes Coelom (Fig. 100 ec). Die kurze, stark muskulöse Kragenregion birgt ein Paar von Coelomsäckchen {kc), welche sich in medianen Mesenterien berühren und durch Kragenporen (Fig. 104 kp) ausmün- den. Die langgestreckte Rumpfregion enthält in ihrem Inneren zwei ge- schlossene, in einem me- _/ I II 11 1 Zr dianen Mesenterium an- einanderstoßende Säcke des Rumpfcoeloms (Fig. 104 rc). Die Mesenterien der Kragen- und Rumpf- region dienen als Auf- hängebänder des ge- streckt verlaufenden Darmkanals. Der Mund (Fig. 100, 104 m) findet sich ventral an der Gren- ze von Eichel- und Kra- genregion, der After(Fig. gg Af, Fig. 104 a) termi- ^ nal am hinteren Körper- ende. Im übrigen zerfällt die Rumpfregion in ver- schiedene, wenig scharf Fig. 99. Glosso- balanus minutus. Nach Spengel aus Claus - Grobben. j? Eichel, A' Kra- gen, i?^Branchio- genitalregion, Br Kiemenspalten, L Leberregion, AJ After. F i g. 100. Medianschnitt durch Glossobalanus minutus. Nach Spengel und einem Bilde aus Längs Lehrbuch, vereinfacht. c/jT dorsales Blutgefäß, dn dorsaler Nervenstrang, ec Eichel- coelom, ed Eicheldarmdivertikel, sog. Notochord, Netzförmige Kalkplatte aus einem Seestern. Fig. 109. Festsitzende, gestielte Entwicklungsstadien eines Nach Ludwig. Haarsternes (Antedon). Nach Thomson aus Gkobbens Lehrbuch. A jüngeres, sog. Cystideenstadium, B älteres, als „Pentacrinus europaeus" bezeichnetes Stadium, b Ba- salia. cd Centrodorsalplatte, r Radialia, o Oralia. auf diese Hauptachse senkrecht stehende horizontale Ebene in zwei Hälften ge- teilt, von denen wir die den Mund aufnehmende als orale oder actinale, die gegen- überliegende als aborale oder abactinale Körperhälfte bezeichnen. Bei dem See- stern (Fig. 106) ist beispielsweise die orale Körperhälfte normalerweise der Unter- lage zugewendet. Sie trägt den Mund und die Füßchenreihen. Der Rücken des Seesterns, seine aborale (abactinale) Fläche ist von einer lederartigen Haut be- deckt, in welcher sich die Madreporenplatte und die hier am Apicalpol gelegene Afteröffnung vorfinden. Bei den Seeigeln (Fig. 105) hat sich die actinale Zone mit den Füßchenreihen auf Kosten der abactinalen so sehr vergrößert, daß letztere nur durch eine kleine, die Afteröffnung umgebende Plattenzone repräsentiert ist. piattencycien. Bei dcu Crinoidcn ist die Grenze zwischen actinaler und abactinaler Kör- perhälfte durch die Insertionsstellen der Arme gegeben. Das Plattenskelett der meisten Echinodermen läßt sich auf ein gewisses Schema, auf bestimmte, pri- Plattencyclen. Medianebene des Echinoderms 203 mär angelegte Kalkplatten zurückführen, von deren Anordnung die jugendliche pentacrinus-ähnliche Antedonlarve (Fig. 109 A) uns eine Vorstellung gibt. Wir finden in der abactinalen Körperhälfte, die hier als Kelch (calyx) der Haar- sterne bezeichnet wird, zunächst an der Insertionsstelle des Stieles eine Zentral- platte (cd). An sie schließen sich fünf interradial gelegene Platten an, welche als Basalia (h) bezeichnet werden. Ein Kranz von weiteren fünf Platten zeigt radiale Anordnung (Radialiar). Das primäre Plattenskelett der actinalen Kör- perhälfte ist aus fünf interradial gelegenen Oralplatten (0) zusammengesetzt, während in den Seesternlarven in dieser Region gewöhnlich fünf radiale Platten angelegt werden, welche, als Terminalia bezeichnet, sich später an den Spitzen der Arme, das unpaare Primärfüßchen tragend, vorfinden. Die Abweichungen, welche das Skelett der rezenten Echinodermen von diesem Primärschema der Plattenanordnung erkennen läßt, sind mannigfaltige. Es wird durch neu hin- zukommende perisomatische Plattensysteme in verschiedenartiger Weise er- gänzt. Es finden sich dann die Oralplatten in der Nähe des Mundes (Oralplatten der Ophiuriden, Odontophor der Asteroiden), die Zyklen der abactinalen Kör- perhälfte (Basalia, Radialia) in der Umgegend des apicalen Körperpoles grup- piert, während an den Seiten des Körpers die zwischen dem apicalen und oralen System gelegene Zone von neu hinzugebildeten Plattenreihen eingenommen ist. Die fünfstrahlige Radiärsymmetrie der Echinodermen ist keine vollkom- Medianebene mene. Wir erkennen schon bei äußerlicher Betrachtung, daß in vielen Fällen die Afteröffnung nicht den apicalen Pol einnimmt, sondern in einem Interradius gelegen ist. Ebenso ist die Ausmündungsstelle des Ambulacralgefäßsystems, welche durch eine siebartig durchlöcherte Platte, die sog. Madreporenplatte, gekennzeichnet ist, in einem Interradius gelagert. Wenngleich die Interradien des Afters und des Madreporiten in vielen Fällen nicht zusammenfallen, so wer- den wir doch annehmen dürfen, daß beide Bildungen ursprünglich ein und dem- selben Interradius angehörten (Fig. 107, lio). Wir wollen diesen Interradius mit Rücksicht auf gewisse Entwicklungsformen (Fig. Ill) als vorderen Inter- radius bezeichnen. Orientieren wir ein Echinoderm derart, daß wir seine Mund- seite (orale oder actinale Fläche) betrachten und daß — wie dies in Fig. Ili dargestellt ist — der Interradius des Madreporiten (bei x) nach vorn (in der Zeich- nung nach oben) gerichtet ist, so werden die einzelnen Radien von diesem Inter- radius beginnend und in der Richtung des Uhrzeigers fortschreitend mit den Zahlen l, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet. Eine Ebene, welche durch den Interradius der Madreporenplatte und des Afters (den vorderen Interradius) und durch den nach hinten gerichteten unpaaren Radius 3 gelegt wird, kann sonach als Median- ebene des Echinoderms betrachtet werden (vgl. auch Fig. 107 und iio). In jenen zahlreichen Fällen, in denen der After sekundär aus dem vorderen Inter- radius nach einer anderen Stelle verlagert wird, wird die Medianebene nur noch durch die Lage des Madreporiten gekennzeichnet. Es muß hervorgehoben werden, daß diese für das ausgebildete Echinoderm festzuhaltende Median- ebene nicht mit der für die bilateralsymmetrischen Larvenformen geltenden zusammenfällt, wie wir sofort erkennen werden. 304 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Darm. Ambula- cralsystem. Der Darm der Echinodermen, fast völlig aus dem entodermalen Urdarm hervorgegangen und meist nur undeutlich in einzelne Abschnitte gegliedert, be- schreibt bei den ursprünglicheren Formen eine horizontale flache Spiraltour (Fig. 112). Betrachten wir eine Antedonlarve von der Mundseite (Fig. Iio), so erkennen wir, daß der Darm, von der Mundöffnung beginnend, im Körperinnern eine fast vollkommene Zirkeltour im Sinne des Uhrzeigers beschreibt, bis er im vorderen Interradius (Interradius 5 — l) aber dem Radius 5 genähert nach außen mit dem After mündet. Der Darm befindet sich in einem echten Coelom und ist durch ein horizontal verlaufendes Mesenterium (Fig. 112 ms) an der Leibeswand befestigt. Dies Mesenterium teilt die Lei- beshöhle in eine actinale und eineabac- tinale Hälfte. Für die Zu- rückführung des Baues der Echinoder- 2 men auf den der bilateral- symmetri- schenLarveist von Wichtig- keit, im Auge zu behalten, daß das er- wähnte horizontale Mesenterium aus dem in der Medianebene der Larve gelege- nen dorsoventralen Mesenterium hervorgegangen ist. Und zwar entwickelt sich die actinale oder orale Partie der Leibeshöhle aus dem linken Coleomsack der Larve (dem linken Rumpfcoelom oder linken hinteren Enterocoel der Autoren Fig. 121 Is), während das abactinale Kompartiment der Leibeshöhle dem rechten Coelomsack der Larve, genauer gesprochen, dem rechten Rumpfcoelom (rechten, hinteren Enterocoel der Autoren Fig. 121 rs) entstammt. Dem entsprechend ent- wickeln sich die fünf Oralplatten, wie auch die Terminalia im Umkreise des ur- sprünglich linken Coelomsackes; dieganze Anlage des abactinalen Plattensystems dagegen geht aus der Wand des ursprünglich rechten Coelomsackes hervor. Im übrigen ist auch die ganze Anordnung der inneren Organe der Echino- dermen stark von der fünfstrahligen Radiärsymmetrie des Körpers beeinflußt. Wir betrachten hier zunächst nur ein Organsystem des Körpers der Stachelhäuter, welches als für diese Gruppe besonders typisch erachtet werden kann. Wir mei- nen jenes System, welches die älteren Autoren als Wassergefäßsystem bezeich- FL g. IIO. Verlauf des Darmkanals in der Jugendform von Antedon. Schema im Anschlüsse an Seeuger. i — 5 die fünf Radien, a After, ffi Primärporus des Am- bulacralsystems, o Mund, .r — j Median- oder Sagittalebene. Fig. III. Entwicklungsstadium eines jungen Schlan- genstems (Ophiura brevispina). Nach Caswell GnAVE. Die fünf Radien i — 5 sind durch eine dreilappige Figur (die drei ersten Füßchenanlagen) gekennzeichnet. In der Mitte der Mund. Bei x die Lage der Mündung des Ambulacralgefaß- S)'stems angedeutet. Darm. Ambulacralsystem 305 neten und welches derzeit meist den Namen „Ambulacralgefäßsystem" führt, da es mit den Lokomotionsorganen in innigster Beziehung steht. Es handelt sich um ein System von Kanälen, welche von einer reichlich mit Seewasser durch- setzten, blutähnlichen Flüssigkeit erfüllt sind, die zur Schwellung der hohlen Füßchen verwendet wird. Als Zentralteil dient ein den Oesophagus umziehen- der Ringkanal (Fig. 113 r), von welchem fünf, den Radien folgende Radiär- gefäße (;'') ausgehen, welche an die einzelnen Füßchen Seitenästchen (f) ab- geben. Vom Ringkanal zieht im Interradius 5 — i ein mit Kalkkonkrementen in seiner gefältelten Wand versehener Kanal (der sog. Steinkanal, canal aquifere st) zur Madreporenplatte (m). Durch letztere wird Seewasser dem Inhalte des Tn. m ax -^ Fig. 112. Junges Entwicklutigsstadium von Antedon (vgl. Fig. 109) in der Ansicht vom Radius j als durchsichtiges Ob- jekt gezeichnet. Schematisch nach Seeliger, ax Axialorgan, c aktinale Hälfte der Leibeshöhle, in der Larve linker Coelora- sack, c' abaktinale Hälfte der Leibeshöhle, in der Larve rechter Coelorasack, d Darm, k Anlage des sog. gekanimerten Organs, m Mund, ins Mesenterium, nc Ringgefäß des Ambulacralsystems. Fig. 113. Schematische Darstellung des Ambulacralgefäßsystems eines Seesterns. ax Axialorgan, ax' Axialsinus, m Madre- porenplatte, si Steinkanal, r zirkumoraler Gefäßring, r' Radiärgefäß, ySeitenästchen des Radiärgefäßes, welche die Füßchen versorgen. Ambulacralgefäßsystems zugeführt, welches in der siebartig durchbohrten Madreporenplatte, sowie im Steinkanal einer Art von Filtration unterworfen wird. Es ist von morphologischem Interesse, daß der Steinkanal bei manchen Echinodermen nicht direkt an die Madreporenplatte herantritt, sondern in eine unter dem Madreporiten gelegene Ampulle mündet. Das ganze Ambulacralgefäßsystem ist ein selbständig gewordener Teil der Leibeshöhle und kann, wie wir später sehen werden, auf das umgewandelte linke Kragencoelom von Balanoglossus bezogen werden (vgl. Ih in Fig. 121 D). Wie dort die Coelomräume durch besondere Poren nach außen münden, so ist auch die durch den Steinkanal vermittelte Ausmündung des Ambulacralgefäß- systems eine Einrichtung der gleichen Kategorie. Die Anlage des Ambulacral- gefäßsystems in den Jugendzuständen der Echinodermen wird als Hydrocoel bezeichnet. Seine Ausmündungsstelle ist dem linken Eichelporus von Balano- glossus gleichwertig zu erachten. Der Steinkanal ist von einem drüsigen Organ begleitet, dem sog. Axial- organ (Fig. 113 ax), welches entwicklungsgeschichtlich zur Ausbildung der Ge- schlechtsorgane in Beziehung steht. Es findet sich, wie auch der Steinkanal, in K. d. G. in. IV, Bd 2 ZeUenlehre etc. II 20 3o6 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen einem besonderen Kompartimente der Leibeshöhle {ax'), dem sog. Axialsinus, welcher auf das umgewandelte vorderste Coelombläschen der Larve (dem Eichel- coelom von Balanoglossus vergleichbar) zurückzuführen ist (Fig. 121 Cu. Dia). Coeiom. Wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich ist, ist das Coelomsystem der Echinodermen von besonderer Komplikation. Wir haben bisher kennen ge- lernt: den actinalen und den abactinalen Coelomraum, beide ursprünglich durch das erwähnte horizontale Mesenterium voneinander getrennt ; ferner das aus dem Hydrocoel hervorgegangene Wassergefäßsystem, die Ampulle unter der Madreporenplatte und den Axialsinus. Wir haben noch zwei von dem acti- nalen Coelomkompartiment sich absondernde Teile der Leibeshöhle anzuführen : den sog. Peribuccalsinus und das System der sog. Pseudohaemalkanäle. Der Peribuccalsinus, auch als orales Coeiom be- zeichnet, umgibt den vordersten Abschnitt des Darm- kanals. Er bildet sonach einen ringförmigen Hohl- raum in der Umgebung der Mundöffnung. Von dem actinalen Coeiom oft nur undeutlich abgegrenzt, er- scheint er doch in manchen Gruppen als schärfer be- grenzter Hohlraum. So bei den, regulären Echiniden, bei denen er den als Laterne des Aristoteles bezeich- neten Kauapparat in sich aufnimmt. Nervensystem. ^ Die Bcsprcchung der Pseudohaemalkanäle (Sub- F ig. 114. Schema des Nervensystems ncuralkauäle) crfordcrt eine Orientierung über die eines Seesterns. Aus Grobbens Lehr- ' ° buch, jv Nervenring, welcher die Lage dcs Ncrvcnsystems der Stachelhäuter. Bei den fünf radialen Zentren verbindet. ^.. , ., ,. , ^,.. Crmoiden und den Astenden hegt es oberflächlich im Epithel des Körpers. Es finden sich hier fünf radial verlaufende (in der Haut der Füßchenrinnen gelegene) Hauptnervenstämme (Fig. 114), welche in der Umge- bung des Mundes zu einem fünfeckigen Nervenring (N) zusammentreten. Bei den Schlangensternen, den Seeigeln und den Holothurien hat das Nervensystem im wesenthchen dieselbe Konfiguration. Nur ist es hier durch röhrenartige Einstül- pung mehr nach innen versenkt. Die bei diesem Versenkungsprozeß gebildeten, von Ektoderm ausgekleideten Röhren werden als Epineuralkanäle bezeichnet. Da das Ambulacralgefäßsystem in gleicher Anordnung der Innenfläche der Leibeswand angefügt ist, so müßten wir erwarten, daß die hauptsächlichsten Kanäle des Ambulacralgefäßsystems die Hauptnervenzüge von innen dicht berühren. Zwischen beiden ist aber das System der sog. Pseudohaemalkanäle (Subneuralkanäle) eingefügt, welche — wie die Entwicklungsgeschichte lehrt — als ein Derivat des aktinalen Leibeshöhlenkompartiments zu betrachten sind. Abgesehen von all diesen Kanälen kommt den Echinodermen auch ein echtes geschlossenes Blutgefäßsystem zu, ein System von wandungsloseii Lacunen, im Bindegewebe entwickelt, ohne Herz und ohne eigentlichen Kreis- lauf. Bei den Echiniden und Holothurien ist es den Zootomen seit langem be- kannt. Wir finden dort zwei den Darm begleitende Hauptgefäße, welche aus einem Lacunennetz der Darmwand gespeist werden und in einen den Schlund umkreisenden Gefäßring einmünden. Von letzterem werden fünf in den Radien Coelom, Nervensystem usw. Crinoidea 307 die Ambulacralgefäße begleitende Hauptstämme entsendet. Außerdem ent- springt vom zirkumoralen Gefäßring ein das Axialorgan umspinnender Gefäß- plexus, welcher abactinalwärts mit den Gefäßgeflechten der Gonaden zu- sammenhängt. A. Crinoidea, Haarsterne oder Seelilien. Wenn wir im vorhergehenden mehr ein allgemeines Schema des Baues der Echinodermen entworfen haben, so wollen wir, zu konkreterer Beschreibung rezenter Formen übergehend, zu- nächst die in spärlichen Vertretern erhaltenen Crinoiden ins Auge fassen. Die meisten Crinoiden (Armhlien) sind mittelst eines langen Stieles, der im Innern ein gegliedertes Kalkskelett birgt und häufig Rankenwirtel trägt, am Grunde des Meeres festgewachsen (Fig. 115). Indes ist gerade die am häufigsten studierte Form (Antedon bifida = Comatulamediterranea) nur in ihren Jugendstadien (Fig. 109) fest- gewachsen, während sie im ausgebilde- ten Zustande mit graziösen peitschen- den Bewegungen ihrer gefiederten Arme umherschwimmt oder sich mit einem apicalen Rankenbüschel an Meerespflanzen festklammert. Der Körper der Crinoiden ist kelchförmig. Doch bezeichnet man meist die in den Stiel übergehende abactinale Körper- hälfte als Calyx, während die abge- flachte actinale Körperhälfte als Kelchdecke beschrieben wird. Letz- tere trägt in ihrer Mitte die Mundöff- nung (Fig. 115 O), in einem Interradius nicht selten auf schornsteinförmiger Er- hebung den After (^). An der Grenze von Kelch und Kelchdecke entspringen fünf, häufig gegabelte oder dichotomisch verzweigte, gegliederte Arme, welche fiederförmig feinste Endausläufer, sog. Pinnulae tragen. Diese Pinnulae sind auch nur als Zweige der Arme, nicht als Bildungen besonderer Art zu betrach- ten. Über die Anordnung der Platten im Kelche jugendlicher Crinoiden haben wir oben (S. 303) kurz berichtet. Der Darm vollführt von der Mund- zur Afteröffnung die oben geschilderte Zirkeltour (Fig. iio). Die Nahrung wird dem Munde durch bewimperte Am- bulacralfurchen zugeführt, welche vom Munde radialwärts ausstrahlend und sich verzweigend auf die Arme sich fortsetzen und in den Pinnulae enden. Diese Fig. 115. Isocrinus asteria (= Pcntacrinus Caput medusae). Nach J. Müller aus Grobbens Lehrbuch. O Mund, A After an dem von der Oralfläche dargestellten Kelche. 20' 3o8 K- Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Ambulacralfurchen sind von Saumläppchen und kleinen tentakelförmigen, der Saugscheiben entbehrenden Füßchen begleitet. Diesen Furchen entsprechen im Innern die Verzweigungen des Ambulacral- gefäßsystems. Am circumoralen Ringe des Hydrocoels finden sich meist zahl- reiche Steinkanäle, welche sich in das Coelom öffnen, während entsprechend ge- lagerte Kelchporen, d.i. Durchbohrungen der Kelchdecke, den Verkehr mit dem umgebenden Medium vermitteln. In der Kelchachse, von der Darmspirale umkreist, findet sich das Axial- organ (Fig. 112 ax), welches sich apicalwärts vom sog. gekammerten Organ (einem Derivat der abactinalen Coelomhälfte) umgeben in den Stiel fortsetzt. Actinalwärts läuft das Axialorgan bei den Jugendformen in Stränge aus, welche sich als Genitalstränge in die Arme fortsetzen und in den Pinnulae reife Ge- schlechtsprodukte erzeugen, die durch Platzen der Wand der Pinnulae, durch Entwicklung sekundärer Genitalöffnungen, nach außen gelangen. Man hat das Axialorgan mit seinen Verzweigungen einem Baume verglichen, welcher in seinen Endausläufern in den Pinnulae zur Fruktifikation gelangt. B. Eleutherozoa. Wir gehen hier zunächst von der Betrachtung eines Seesternes (Fig. io6) aus. Gegenüber dem kelchförmigen Bau der Crinoiden ist hervorzuheben, daß die Hauptachse des Körpers eine Verkürzung erfahren hat, während sich der Körper mehr in der Fläche der Arme ausbreitet. Die Arme der Seesterne sind den Armen der Haarsterne vielleicht nicht vergleichbar. Man müßte, um sich das Verhältnis zurechtzulegen, annehmen, daß die Crinoidenarme verloren ge- gangen sind und die Seesternarme als sekundäre Ausbuchtungen des Kelches entwickelt wurden, womit wir nicht andeuten wollen, daß wir dieser Vorstel- lungsweise den Wert einer phylogenetischen Ableitung zugestehen. Der in fünf Arme sich fortsetzende oder oft unter Verkürzung der Arme pen- tagona! gestaltete Körper läßt eine actinale und eine abactinale Fläche erkennen. Da die actinale Fläche beim Kriechen gegen die Unterlage gerichtet ist, so wird sie auch häufig als Bauchseite bezeichnet. Sie trägt in der Mitte die Mundöffnung (Fig. lo60) und von dieser radiär ausstrahlend die fünf Füßchenalleen {Af), welche an der Spitze der Arme mit einem an der Basis des unpaaren Terminaltentakels ge- legenen Auge enden. Dieses unpaare Primärfüßchen, welches ontogenetisch von allen Füßchen zuerst angelegt wird, sitztauf der sog. Terminalplatte des Armes. Die abactinale Körperfläche, der sog. Rücken des Seesternes, ist von einer lederartigen Haut bedeckt; sie trägt im Interradius 5 — i die Madreporen- platte und in ihrer Mitte subzentral die Afteröffnung. Genau genommen findet sich der After nicht am apicalen Pole, sondern etwas seitlich im Interradius 4 — 5. Der kurze Darm zeigt nur in den jüngsten Entwicklungsstadien eine An- deutung der oben geschilderten Spirale. Er ist sackförmig [Mg) und trägt fünf Paare von Divertikeln (Fig. 116 Db), welche sich in die Arme erstrecken. Die Genitalorgane finden sich in der Form interradial gelagerter Büschel (Fig. 116 G). Gewöhnlich ist in jedem Interradius ein Paar solcher Bündel ge- Crinoidea, Gemeinsamer Typus der Seesterne, Seeigel und Seewalzen 309 legen. Sie münden in der abactinalen Körperwand nach außen und zeigen eine ähnliche Beziehung zum Axialorgan, wie wir sie bei den Crinoiden vorfanden. Das Axialorgan, mit dem Steinkanal {St) in einem besonderen Leibeshöhlen- kompartiment [As) gelegen (vgl. oben S. 305), setzt sich an der Innenfläche der abactinalen Körperwand in einen den apicalen Pol umziehenden ringförmigen Strang [Rs) fort, welcher interradiale Fortsätze (i?^i) entsendet, die von einer wahrscheinlich nicht dem Axialsinus, sondern dem linken Somatocoel ent- stammenden Hülle umgeben an die Genitalbüschel herantreten. Es können sonach auch hier die Gonaden als die fruk- tifizierenden Endausläufer des genann- ten Strangsystemes betrachtet werden. Von der Form des Seesternes (Fig. 106) können wir die des Seeigels (Fig. 105) ableiten, wenn wir uns vorstellen, daß die Arme immer mehr verkürzt und schließlich vollständig in den Körper jtj:^ zurückgezogen wurden, während gleich- J^- zeitig sich die aktinale Körperhälfte auf Kosten der abaktinalen vergrößerte. Die letztere zieht sich dann zu einem kleinen, am Scheitel des Seeigels gelegenen Felde zusammen, in welchem sich subzentral im Radius 4 die Afteröffnung vorfindet. St Ä Fig. 116. Genitalorgane und zentraler Teil des Darmes eines Seesterns. Schematisch nach Lang aus Groubens Lehrbuch. G Genitaldrüsen, G//i Ausmündungsstelle So ist es zu erklären, daß die Füßchen- derselben, As Achsensinus (vgl. Fig. 113), Äi- apikaler . . -^ Ringsinus mit dem Genitalstrang, Jis^ radiäre Fort- reihenm Halbmeridianen von der Mund- Setzungen desselben zu den Genitaldrüsen, ^-i- Stein- nffnnno- hicnallP 7iir AftprnffniinCT hprnn- ^^''^^' ^^-^ Madreporenöffnung, J/^ Magen, Z>5 radiäre onnung bis nane zur Aiteronnung neran- ßiindsäcke desselben, /e Rektaidivertikei, a/ After. reichen, und daß die Terminalplatten (hier als Ocellarplatten bezeichnet) den Kranz der Basalia, welche hier Genital- platten genannt werden und das Analfeld umgrenzen, direkt berühren. Die Körperform der Holothurien läßt sich unschwer auf die des Seeigels zu- rückführen, wenn wir annehmen, daß die vom Mund zum After ziehende Kör- perlängsachse eine erhebliche Streckung erfuhr, und daß die Platten des Haut- panzers, den Lederigeln (Echinothuriidae) vergleichbar, gegeneinander beweglich wurden und schließlich der Rückbildung anheimfielen, woraus die nur mit klei- neren Kalkkörperchen durchsetzte Lederhaut der Seegurken resultierte. Wenn wir so die Form des Seeigels und der Seewalze von den Seesternen ableiten, so ist darunter nicht etwa eine stammesgeschichtliche Herleitung zu ver- stehen. Es handelt sich uns nur um eine völlig ideelle Zurückf ührung, durch welche die Homologien in den einzelnen Kreisen der Echinodermen zum Ausdruck ge- bracht werden sollen. Die einzelnen Stämme dieser Gruppe haben sich vermutlich frühzeitig, von cystoideenähnlichenUrformen ausgehend, voneinander gesondert. Nur eins möchten wir bemerken. Gegenüber einer von manchen Seiten vertretenen Auffassung, derzufolge unter den jetzt lebenden Stachelhäutern die Holothurien eine besonders ursprüngliche Stellung einnehmen sollten, welche es 3 10 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen vielleicht gestattet, durch ihre Vermittlung die Echinodermen an Wurmformen (etwa an Gephyreen?) anzuschließen, möchten wir aussprechen, daß wir die Holothurien als sekundär vereinfachte Ausläufer der Echinodermengruppe be- trachten. Wenn es auch auffallen muß, daß bei diesen Formen der primäre Steinkanal sowie der Genitalausf ührungsgang im dorsalen Mesenterium gelegen ist, daß hier eine einzige, nicht in einen Axialsinus aufgenommene Gonade sich findet, daß ein Axialorgan vermißt wird, so ergeben sich doch bei dem Versuche einer derartigen Ableitung der Echinodermen erhebliche Schwierigkeiten. Alles deutet darauf hin, daß die Stammform der Echinodermen eine gestielt festsitzende war und daß die radiärsymmetrische Körperbildung im Anschlüsse an die sedentäre Lebensweise erworben wurde. Unter diesem Gesichtspunkte muß uns die wurmähnlich kriechende Bewegungsweise der Holothurien und die im Anschlüsse hieran sich geltend machende stärkere Betonung der bila- teralen Symmetrie nicht als ein ursprüngliches, sondern als ein nachträglich entstandenes Merkmal erscheinen. Diese Tiere sind • — wie wir meinen - — nach vorübergehender Festsetzung sekundär zu den Lebensgewohnheiten ihrer wurmähnlichen Vorfahren zurückgekehrt. C. Entwicklung der Echinodermen. Einige Vorgänge der ersten Entwicklung der Echinodermen wurden bereits oben (S. 212) berührt. Wenn es sich damals um die Entwicklung des Darm- kanals, um die Beziehungen des Blastoporus zu Mund- und Afteröffnung der Larve handelte, so müssen wir jetzt einige Vorgänge nachholen, welche das Bild der ersten Entwicklung der Stachelhäuter vervollständigen, wir meinen : die Mesenchymbildung und die Coelomentstehung. Das kleine, mit feinen Dotterkörnern gleichmäßig durchsetzte Ei der Echinodermen entwickelt auf dem Wege einer totalen und eigentümlich regu- lären Dotterklüftung (sog. Radiärtypus der Furchung) eine kugelförmige Coeloblastula (Fig. 117 A), aus welcher durch Einstülpung eine Gastrula (B) entsteht. Die gallerterfüllte Furchungshöhle (primäre Leibeshöhle) wird durch den relativ kleinen Urdarm nicht völlig verdrängt. Indem in diesen Raum vom Scheitel des Urdarmes aus Zellen der Darmwand amoeboid einwandern {ms), kommt es zur Ausbildung eines Mesenchymgewebes, aus welchem das Binde- gewebe, das Skelettgewebe und die Blutlacunen des ausgebildeten Tieres, aber nicht die Körpermuskeln hervorgehen. Oft setzt die Mesenchymbildung schon vor der Entwicklung der Urdarmeinstülpung ein, doch auch in diesem Falle vom vegetativen Pole aus erfolgend. Nur spärlich lauten einige Angaben, da- hingehend, daß auch vom Ektoderm aus Mesenchym gebildet werden könne. In der Regel wird der Blastoporus (Fig. iiy bp) nicht verschlossen. Aus ihm, dessen Lage uns ursprünglich den hinteren Pol der Primärachse kennzeich- net, geht die Afteröffnung der Larve hervor. Während der Urdarm sich streckt, krümmt er sich etwas nach der Seite (Fig. 117 C) und jene Seite, gegen die er sich biegt, kennzeichnet uns die spätere Ventralseite der Larve. Sein Vorder- ende deutet gegen eine inzwischen als Einsenkung des Ektoderms entstandene Echinodermenentwicklung 311 Mundbucht (Fig. Il8 A m). Bevor er aber mit dieser Mundbucht sich vereinigt, schnürt er von seinem Vorderende rechts und hnks je ein Säckchen (Fig. Il8 A und D c) ab, welche als primäre Enterocoelsäckchen bezeichnet werden sollen. ~m&' Fig. 117. A Blastula, B und C Gastrulastadien eines Echiniden, Fig. C in der Ansicht von der linken Körperseite. öchematiscli. bp Blastoporus, ms Mesenchymzellen, sp Akron (Scheitelplatte}. Fig. iiö. Entwicklung der Echinodermenlarve. Schema, ^i, .5 und C Ansichten dreier aufeinander folgender Stadien von der linken Seite gesehen; D, E und F dieselben Stadien, von der Bauchseite gesehen, a After, ak Akron (Scheitelplatte), c primäres Enterocoelsäckchen, m Mund resp. Mundbucht, ry Wimperschnur. Inzwischen ist am vorderen Körperpole, doch etwas nach der Ventralseite ver- schoben, eine Ektodermverdickung aufgetreten, das sog. Akron, welches wir der Scheitelplatte der Trochophora und Tornaria gleichsetzen können (Fig. 117 C sp, 118 ak). Der Darmkanal gliedert sich nun durch auftretende Einschnürun- gen in drei Abschnitte: Oesophagus, Magen und Intestinum (Fig. Ii8); durch Vereinigung mit der Mundbucht wird er durchgängig und zur Nahrungsauf- nahme geeignet. Auch der After (a) verändert seine Lage. Er rückt an der Ventralseite empor, wodurch der Enddarm in seiner Verlaufsrichtung gegen die 312 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen des Magens abgeknickt wird. Man könnte vielleicht diese Lageveränderung des Enddarms und der Afteröffnung am richtigsten dadurch erklären, daß man ein stärkeres Anwachsen der dorsalen hinteren Partien des Embryos (bei x in Fig. 118A) annimmt. Es wird nun jene Partie der Ventralfläche, welche den Mund enthält, ein wenig nach innen eingebuchtet (Fig. Y 118 C) und dieses versenkte Mund- feld umgibt sich mit einer ungefähr trapezförmig ge- stalteten Wimper- schnur (Fig. 118 C undFze'). Wir kön- nen an ihr einen praeoralen, quer vor dem Munde verlaufenden Teil und einen etwas längeren hinter dem Munde quer- laufenden postora- len Abschnitt und zwei Seitenab- schnitte unter- scheiden. Früh- zeitig erscheinen schon die Ecken dieses umsäumten Mundfeldes ein wenig ausgebuch- tet : die Vorder- ecken nach vorne, die Hinterecken nach hinten, und diese Buchten werden in der Folge immer stärker ausgebildet (Fig. 119 B, K, N). Überblicken wir in kurzem den Bau des so erreichten jungen Larven- stadiums (Fig. 118 C und F). Es hat im allgemeinen noch immer rundlich-ellip- toidischen Körperumriß. Das Vorderende ist durch die Scheitelplatte, die we- nig hervortritt und bald verschwindet, gekennzeichnet. An der Ventralseite finden wir das eingebuchtete umsäumte Mundfeld. Der Darm verläuft ventral- wärts eingekrümmt und in drei Abschnitte gegliedert vom Munde zum After. Der Raum zwischen Darmwand und äußerer Haut ist von Mesenchym erfüllt. Zu beiden Seiten des Oesophagus finden sich die primären Enterocoelsäckchen. Fig. 119. Ableitung verschiedener Typen von Echinodermenlarven. Nach JoH. Müller aus MORTENSEN, Echinodertnenlarven. Nord. Plankton. Z> Echinidenpluteus, //jOphiuriden- pluteus, M Auricularia, P Bipinnaria. A, E und J Ausgangsstadien der Entwicklungs- reihen ; man vergleiche Fig. 1 18 C und F. A, B, C und D Entwicklungsreihe des Echiniden- pluteus, E, F, G und //Entwicklungsreihe des Ophiuridenpluteus, J, K, L und J/ Ent- wicklungsreihe der Auricularia, J, h', L, N, O und P Entwicklungsreihe der Bipinnaria. Larvenformen 1 T -> 0^0 A r an W art Bei der Betrachtung der weiteren Entwicklung der Echinodermenlarven sind vor allem zwei Punkte ins Auge zu fassen: 1. die Veränderungen der äußeren Körpergestalt, welche von der Umbil- dung der Wimperschnur, von ihren mannigfaltigen Lappen- und Fort- satzbildungen abhängig sind, und 2. die Weiterentwicklung der Enterocoelsäckchen im Inneren. Bekannt sind die verschiedenen Formen der Echinodermenlarven, welche Typen der als Pluteus (Fig. 119 D und H), Auricularia(M), Bipinnaria (P) und Brachio- '^ 'ia°rver^°" laria unterschieden werden. Fig. 119 mag dem Leser eine Vorstellung davon übermitteln, wie sich diese verschiedenen Typen aus dem oben gekennzeichneten Anfangsstadium hervor- bilden. WährendFig.il9D und H zwei verschiedene Pluteustypen (Echiniden- pluteus und Ophiuriden- pluteus) darstellen, liefert Fig. 119 M ein Bild der für die Holothurien charakte- ristischen Auricularia und Fig. 119 P ein Schema der Bipinnaria der Asteriden, welcher sich auch die Bra- chiolaria derselben Gruppe anschließt. Während bei denPluteusformen längere, durch Kalkstäbe gestützte Arme zur Entwicklung kommen, werden in der Auricularia und Bipinnaria kürzere ohrförmige Lappen der Wimperschnur ent- wickelt. Wir wollen hier nur kurz bei der Hervorbildung der Gestalt der Auri- cularia und der Bipinnaria verweilen. Fig.1191, K, L und M zeigt verschiedene Stadien der Auricularia. Wir erkennen, daß es sich um stärkere Akzentuierung der oben erwähnten, die Ecken der trapezförmigen Wimperschnur einnehmen- den Buchten handelt, während in den longitudinal verlaufenden Partien des Wimpersaumes (Fig. 119 M) durch welhgen Verlauf die ohrförmigen Lappen der Auricularia hervorgebildet werden. Die beiden nach vorne ziehenden Buchten des umsäumten Mundfeldes nähern sich immer mehr der Gegend, in welcher die Scheitelplatte gelegen war. Sie begrenzen auf diese Weise ein vor dem Munde zur Ausbildung kommendes Frontalfeld (Fig. 119 L und N). Wenn diese beiden Buchten sich miteinander vereinigen, so wird das Frontalfeld vollkommen aus dem Zusammenhang mit den übrigen Teilen der Wimperschnur ausgeschaltet und dieser Schritt führt zur Entwicklung der typischen Bipinnaria (O und P). Es werden auf diese Weise Verhältnisse der Wimperschnur entwickelt, welche in auffallender Weise an die Tornaria der Enteropneusten gemahnen. Die Bezie- hungen zwischen der Körperform der Auricularia, Bipinnaria und Tornaria sind durch Fig. 120 verdeutlicht. Fig. 120. .-/ Auricularia (vgl. Fig. 119 J/], B Bipinnaria (vgl. Fig. 119 O), C Tornaria (vgl. Fig. 103). Schemen nach Lang. Ansicht von der rechten Körperseite. i Scheitelfeld, 2 Mundfeld, 3 Dorsalfeld, 4 Analfeld. / praeorale, // longitudinale, /// circumanale Wimperschnur, 5 Scheitel- platte, OS Mund, an After. 314 K, Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Coelom- entwicklung. Wir fanden in der jungen Larve zwei Coelomsäckchen zu den Seiten des Oesophagus (Fig. 1 18 C und F c). Diese strecken sich nach hinten und schnüren zwei neben dem Magen gelegene Säckchen (Fig. 12 1 A, B Z5, rs) ab. Wir haben dann zwei Paare von Säckchen. Das vordere Paar (vorderes Enterocoel Ive, rve) Hegt neben dem Oesophagus, das hintere Paar, welches dem Magen seitlich an- geschmiegt ist [Is, rs), wollen wir als Somatocoel bezeichnen, weil aus ihm die eigentlicheLeibeshöhle des Echinoderms hervorgeht. Die Autoren bezeichnen es meist als hinteres Entero- coel. Das linke vordere Enterocoelsäckchen (Fig. 121 Ive) entsendet nun ei- nen kurzen Kanal (Poren- kanal 121 B po) nach der Rückenwand und mündet mit einem meist ziemlich in der Medianlinie des Rük- kens gelegenen Porus nach außen. Dieser Rückenpo- rus oder Hydroporus ist als Anlage der ersten primären Durchbohrung der Madre- porenplatte zu betrachten. Er entspricht vollständig dem Eichelporus der Tor- naria (Fig. 103 po). Bald sproßt aus dem linken vorderen Entero- coel nach hinten eine neue Knospe hervor (Fig. 121 C Ih). Sie wird zur Hydro- coelanlage, d. h. zur Anlage des Ambulacralgefäßsy- stems. Frühzeitignimmt sie hufeisenförmige Gestalt (Fig. 121 D//i) an und wenn das Hufeisen sich zu einem Ringe schließt, so ist der zircumorale Gefäßring gebildet. Man erkennt auch bald, daß von dem Hufeisen fünf Zipfel hervorwachsen, in denen wir die Anlage der Radiärkanäle des Ambulacralsystems zu erkennen haben. Die Verbindung, in welcher das Hydrocoelsäckchen mit dem linken vorderen Enterocoel steht, ist als Anlage des Steinkanals zu betrachten (Fig. 121 D st). Wir verstehen nun, warum der Steinkanal nicht direkt in der Madreporenplatte ausmündet, sondern vielfach in eine unter dieser Platte gelegene Ampulle. Offenbar haben wir in dieser Ampulle einen Rest des linken vorderen Enterocoelsäckchens {la) zu erblicken. Aber aus Fig. 121. Schema der Entwicklung der Coelomsäckchen in einer Echino- dermenlarve. Ansicht vom Rücken, a After, /a linkes Axocoel, /Ä linkes Hydrocoel, /s linkes Somatocoel, /ve linkes vorderes Enterocoel, m Mund, /o Riickenporus, ra rechtes Axocoel, rA rechtes Hydrocoel, rs rechtes Somatocoel, rve rechtes vorderes Enterocoel, s/ Steinkanal. Coelomentwicklung. Metamorphose 315 diesem Säckchen geht überdies noch der Axialsinus hervor. Wir wollen es von dem Momente an, da sich das Hydrocoelsäckchen von ihm abtrennte, als Axo- coelsäckchen bezeichnen. Die gleichen Umwandlungen erfährt wenig später das rechte vordere En- terocoelsäckchen. Auch dieses wird in ein rechtes Hydrocoel (Fig. 121 B rh) und rechtes Axocoel (m) gesondert. Doch haben diese Bildungen mehr rudi- mentären Charakter und scheinen bald zu verschwinden, ohne daß bestimmte Teile des ausgebil- detenEchinoderms aus ihnen hervor- gingen. Vielleicht könnte man eine vonBury beiEchi- nidenlarven beob- achtete,kleine kon- traktile pulsieren- de Blase, welche dem Porenkanal anliegt und dem ,, Herzen" der Tor- naria homolog scheint, in irgend- einer Weise auf sie beziehen. Wenn wir Fig. 121 C betrachten, so erkennen wir, daß die Coeloman- lage der Echino- TTlS' -vst Fig. 122. Zwei Entwicklungsstadien von Antedon bifida (Comatula mediterranea). A freischwimmende Lan'e, B festgesetztes Stadium (vgl. Fig. 109 und 112). Schemata nach Seeliger, a Axocoel (später mehr verschwindend und vermutlich mit c ver- schmelzend), c aktinales, ursprünglich linkes Somatocoel, c' abaktinales, ursprünglich rechtes Somatocoel, g Anheftungsgrübchen, hy Hydrocoel, k Anlage des sog. ge- i 1 kammerten Organs, ms Anlage des horizontalen Mesenteriums, sp Scheitelplatte mit UcrnicniarVc aUa Wlmperschopf, vsi sog. Vestibulum, ein praeoraler Hohlraum von vorübergehender Be- drpi Hin t'Prf in a ndpr deutung. Der Darmkanal ist im 'Inneren des Komplexes der Coelomräurae gelegen. Er ist in der Abbildung nicht angegeben. liegenden Paaren von Säckchen besteht, welche wir als Axocoel (/a, rd), Hydrocoel (/A, yK) und Somatocoel [Is, rs) bezeichnen. Das linke Axocoel mündet durch den Poren- kanal dorsalwärts aus. Das linke Hydrocoel ist dem linken Axocoel durch den Steinkanal {st) verbunden. Die beiden Somatocoele umgreifen den Magen. Würden sie ihn völlig umwachsen, so müßte ein in der Medianebene gelegenes Mesenterium zur Ausbildung kommen. Die Metamorphose, durch welche die Echinodermenlarve in die aus- Metamorphose, gebildete Form übergeführt wird, ist ungemein verwickelt, und wir können sie hier nur in den allgemeinsten Zügen andeuten. Die Auricularia geht in die junge Holothurie durch Vermittlung eines tönnchenförmigen Zwischenstadiums über, in welchem die Wimperschnur sich in fünf zirkulär verlaufende Wimperzonen auf- gelöst hat. Die gleichen fünf Wimpergürtel weist auch die einzige uns bekannte 3i6 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Crinoidenlarve, die von Antedon (ComatulaFig. 122 A)auf. Es scheint überhaupt dem Zwischenstadium mit fünf Wimperzonen eine allgemeinere morphologische Bedeutung zuzukommen, als man bisher angenommen hat, da Caswell Grave auch bei Ophiuriden und Echiniden Stadien mit derartig angeordneten Wimperzonen aufgefunden hat (vgl. Fig. 1 1 1). Ohne auf diese Formen näher eingehen zu wollen, sei erwähnt, daß der Hydroporus regelmäßig hinter dem dritten Wimperreifen sich findet, während der Mund ursprünglich vor diesem gelegen zu sein scheint. Die Entwicklung von Antedon (Comatula), durch die Untersuchungen von Eury und Seeliger genau festgestellt, aber ungemein kompliziert und schwer zu verstehen, kann als eine mehr abgekürzte Me- tamorphose betrachtet werden. Ein der Auricula- ria vergleichbares Larvenstadium fehlt hier. Die Larve kommt mund- und afterlos in dem Stadium mit fünf queren Wimperzonen aus dem Ei (Fig. 122 A). Am vorderen Pole findet sich eine mit Wimperschopf besetzte Scheitelplatte {sp) und neben ihr ventralwärts eine drüsige Anheftungs- grube (g), mit welcher das junge Wesen sich fest- setzt. Die Bauchseite ist etwas eingebuchtet, die Rückenseite mehr gewölbt. Aus dem ganzen vor- deren Teil der Larve geht der Stiel des festsitzen- den pentacrinoiden Jugendzustandes (sog. Cysti- deenstadium der Comatula, Fig. 109 A) hervor. Wir sehen auch schon an der freischwimmendenLarve, daß die inneren Organe in den hinteren Körper- abschnitt hinter dem dritten Wimperreifen ver- lagert sind (Fig. 122 A). Wir erkennen die Anlage des mit fünf Zipfeln versehenen Hydrocoelringes {hy). Er kennzeichnet uns die actinale Fläche dieses Innenkomplexes, in dessen Mitte später die Mundöffnung durchbricht. Dieser Komplex erleidet im Ver- laufe der Metamorphose eine Rotation derart, daß seine actinale Fläche nach hinten gerückt und auf die Hauptachse senkrecht gestellt wird (Fig. 122 B). Während die junge Holothurie und das pentacrinoide Stadium von Coma- tula sich durch Umformung der Larvengestalt entwickeln, wird der junge See- stern nur aus einem hinten gelegenen Teil der Bipinnaria geformt, so daß man den Eindruck gewinnt, wie wenn das junge Echinoderm durch einen Knospungs- prozeß aus der Larve hervorwüchse. Der Larvenkörper mit seinen Anhängen wird dann mehr und mehr rückgebildet und erhält sich an dem jungen See- stern noch eine Zeitlang in der Form eines Rudiments. Wir geben ein Bild der Bipinnaria asterigera (Larve von Luidia sarsi Fig. 123), aus welchem zu ersehen ist, daß der junge Stern dem Larvenrest gegenüber die gleichen Lagebeziehungen aufweist, wie in der festgesetzten Comatulalarve der Calyx zum Anheftungsstiel. Durch einen ganz ähnlichen Knospungsprozeß wachsen auch die jungen Seeigel und Schlangensterne aus den ihnen zukommenden Pluteuslarven hervor. An Fig. 123. Bipinnaria asterigera von Luidia sarsi Düb. et Kor. Nach. JOH. Müller (Mortensen) aus Steuers Planktonkunde. Metamorphose der Echinodermen. Dipleurula 3 l y der Metamorphose dieser Formen ist besonders bemerkenswert, daß die actinale Seite des jungen Echinoderms aus der linken Körperseite der Larve, die ab- aktinale Fläche aus der rechten Larvenhälfte hervorgeht. Wir sahen ja schon in Fig. 121 D, daß die Hydrocoelanlage linkerseits in der Form eines Hufeisens auftritt. Sie bildet gewissermaßen den Kristallisationskern, um den das neu- anzulegende Echinoderm sich gruppiert. Wenn das Flufeisen sich zu einem Hydrocoelring geschlossen hat, so bricht in seiner Mitte die Mundöffnung des jungen Tieres durch. In vielen Fällen verfällt nämlich der Schlund der Larve einer Rückbildung, während der definitive Mund sekundär gebildet wird. D. Zur Phylogenie der Echinodermen. Wir sind durch die vorhergehenden Andeutungen den komplizierten Vor- gängen der Metamorphose, durch welche das Echinoderm aus der bilateralsym- metrischen Larvenform herausgebildet wird, auch nicht annähernd gerecht ge- worden. Es hätte dies ein genaueres Eingehen auf die von einem Larventypus zum anderen variierenden Verhältnisse erfordert. Zur Vervollständigung dieses Bildes sei es gestattet, ein aus allen diesen Beobachtungen abstrahiertes Schema vorzuführen und dasselbe in die Sprache phylogenetischer Spekulationen zu klei- den. Die isolierte Stellung der Echinodermen, ihr von den übrigen Gruppen ab- weichender Bau und ihre eigenartige Ontogenese — alles deutet auf eine ungemein komplizierteStammesgeschichtediesesTierkreises.Vielfachwurde versucht, in die Rätsel dieserVorgänge einzudringen. Die geistvollen Überlegungen Bütschlis, die KonstruktionenSemonsundHaeckels,dieauf dieKenntnisderanatomischenVer- hältnisse sedentärer Anneliden sich stützenden Ausführungen Ed. Meyers seien hier genannt. Wir basieren im folgenden auf den ontogenetischen Ergebnissen Burys und Mac Brides und schließen uns in freierer Weise an Lang und Bather an. Die hypothetische bilateralsymmetrische Stammform der Echinodermen oipieuruia. mag als Dipleurula (Fig. 124A) bezeichnet werden. Wir denken an ein würm- chenähnlich kriechendes Wesen mit dreigliedrigem Darmkanal. Mund (w) und After {an) lagen an der Bauchseite, der Enddarm nach vorne gekrümmt. Das vordere Körperende war von einem Nervenzentrum (Scheitelplatte sp) einge- nommen. Drei Paare von Coelomsäckchen {ax, hy, Is) begleiten seitlich den Darmkanal, in der Medianebene zur Bildung dorsoventraler Mesenterien zu- sammentretend. Wir bezeichnen diese Coelomsackpaare in der Reihenfolge von vorne nach hinten als Axocoel, Hydrocoel und Somatocoel. Die paarigen Axo- coelsäckchen mündeten am Rücken des Tieres mit paarigen Rückenporen {po) nach außen und standen mit den folgenden Hydrocoelen durch einen Gang (Steinkanal st) in Verbindung. Es ist zu vermuten, daß die Dipleurula ein enteropneustenähnliches Wesen war. Wir würden dann das Axocoel dem Eichelcoelom, das Hydrocoel dem Kragen- coelom, das Somatocoel dem Rumpfcoelom von Balanoglossus vergleichen, wäh- rend der Rückenporus der Dipleurula dem Eichelporus der Tornaria zu homolo- gisieren wäre. Ob die Dipleurula eine frei umherkriechende Form war oder wie Rhabdopleura in selbstgebauten Röhren wohnte, mag dahingestellt bleiben. ^ 1 8 K. Heider ; Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen Umwandlungen DcF Übergang der Dipleurula zur festsitzenden Lebensweise erfolgte in der der Dipleurula. ^/gise, daß das Tierchen sich mit dem vorderen Körperende an der Unterlage festheftete (Fig. 124 B), während der hintere Körperabschnitt sich etwas von der Unterlage abhob. Der Kopflappen des Tieres wurde auf diese Weise zum Anheftungsstiel, Hierbei erfuhr das Axocoel eine Streckung. Aus ihm, und zwar aus dem linken Axocoelsäckchen geht der Axialsinus [ax') und die Ampulle [ax") unter der Madreporenplatte der ausgebildeten Form hervor. Die erste Abweichung von der bilateralen Symmetrie der Dipleurula kam dadurch zustande, daß der Mund nach der linken Körperseite verschoben wurde (Fig. 124B m). Er buchtete bei dieser Wanderung das linke Hydrocoelsäckchen ein, welches nun hufeisenförmig den Schlund umgab. Frühzeitig mögen im Umkreise des Mundes tentakeltragende Arme aufgetreten sein, ursprünglich vielleicht nur zwei oder drei, bald zur Fünfzahl übergehend (vgl. S. 300). Und zwar wurden die Radien i und 2 dorsalwärts, Radius 3 nach hinten, die Radien 4 und 5 nach der Ventralseite zu entwickelt. Der Interradius 5 — l, welcher die Verwachsungsstelle des hufeisenförmigen Ambulacralgefäßringes in sich auf- nahm, war nach vorne gerichtet. In diesen Interradius gelangen später der After und der Hydroporus. Mit diesen Umbildungen, welche zu regerer organbildender Tätigkeit an der linken Körperseite Veranlassung gaben, steht in Zusammenhang die Rück- bildung des rechtsseitigen Axocoels mit seinem Porenkanal und des rechten Hydrocoels. Inwieweit sich von diesen Bildungen Reste im Echinodermenkör- per erhalten haben (vgl. oben S. 315), soll hier nicht näher erörtert werden. Wir werden sie in unseren weiteren Betrachtungen vernachlässigen. Der nächste Schritt der Entwicklung war dadurch gekennzeichnet, daß der Körper sich in der Richtung der früheren Längsachse allmählich verkürzte (Fig. 124 C). Es war eine Tendenz maßgebend, die Organe um das durch den Mund gekennzeichnete organbildende Zentrum zu massieren. So gelangte der Darm zur charakteristischen Form einer dexiotropen Spirale, während der After [an) nach vorne verlagert wurde. Dieser spiraligen Einkrümmung des Darmkanals folgten auch die beiden Somatocoelsäcke (Fig. 124 B Is, rs) und das sie trennende dorsoventrale Mesenterium. Ausbildung des Als Ictztcn Schritt in der fortschreitenden Umbildung der Dipleurula zum Stadiums. " Echinoderm müssen wir bezeichnen eine Drehung des früheren hinteren Körper- abschnittes um 90^, wobei die frühere Hauptachse [v — h in Fig. 124 C) als Dre- hungsachse fungierte. Infolge dieser Drehung kam alles, was früher an der linken Körperseite gelegen war, nach oben, was früher rechts lag, nach unten. Nun liegt der Mund dem Anheftungspole gegenüber (Fig. 124D). Der linke So- matocoelsack ist zum Coelom der actinalen Körperhälfte {Is) geworden, wäh- rend sich der ursprünglich rechte Somatocoelsack {rs) in das Coelom der abacti- nalen Seite umwandelt. Das beide trennende ursprünglich dorsoventrale Me- senterium {ms) ist nun zu einer horizontalen Scheidewand geworden. Im Um- kreise des actinalen Coelomsackes (des ursprünglich linken Somatocoels) ent- wickeln sich die Platten der Kelchdecke (die Oralplatten), während die Platten- Metamorphose der Dipleurula 319 Zyklen des apicalen Systems in der Umgebung des abactinalen Coelomsackes (des ursprünglich rechten Somatocoels) gebildet werden. Der Axialsinus gelangt im Verlaufe dieser Umbildungen immer mehr in die Körperachse. Wir haben noch nicht von der Entstehung des im Axialsinus sich &x'.^ ,ms - rs Fig. 124. Schemen zur Verdeutlicliung unserer Vorstellungen bezüglicli der Phylogenie der Ecldnodermen (im An- scMusse an Bathek). Da diese Schemen den verschiedenen Entwicklungszuständen der Echinodermen nachgebildet sind, so können sie auch (mit gewissen, leicht vorzunehmenden Modifikationen) zur Verdeutlichung der Vorgänge während der Metamorphose der Echinodermenlarven dienen. A sog. Dipleurula, ungefähr den Verhältnissen von Fig. 121 C sich anlehnend, B und C Umwandlungsstadien, hauptsächlich nach den Vorgängen in den Asteridenlarven entworfen, D festsitzendes Endstadium der Metamorphose, den Verhältnissen der jungen Antedonlarve (Fig. 122 B) sich nähernd, an After, ax Axocoel, ax' Anlage des Axialsinus, ax" Anlage der AmpuUe unter der Madreporen- platte, h hinten, hy Hydrocoel, h linkes Somatocoel (in D aktinaler Coelomsack), m Mund, ms horizontales Mesen- terium, po Rückenporus, rs rechtes Somatocoel (in D abaktinaler Coelomsack), sp Scheitelplatte, si Steinkanal, V vorne, v—h ursprüngliche Körperlängsachse, z, 2, 3, 4, 5 die Anlage der fünf Radiärgefäße des Ambulacralsystems. bergenden Axialorganes gesprochen, welches zur Hervorbildung der Gonaden in der oben (S. 308) gekennzeichneten Beziehung steht. Es entwickelt sich als eine Wucherung der Wand des actinalen Coelomsackes, welche, die Wand des Axialsinus vor sich her stülpend, schließlich in den Axialsinus gerät. Wir haben im vorhergehenden diese ganzen, der Ontogenese abgelauschten Umbildungsvorgänge mehr pragmatisch geschildert, ohne uns über die Ur- sachen dieser einzelnen Schritte Rechenschaft zu geben. Warum heftete sich die Dipleurula mit dem Kopfende an, warum wurde der Mund nach links und ■I20 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen schließlich nach oben verlagert, warum erfolgte die spiralige Einrollung des Darmkanals? Hier sei nur in kurzem angedeutet, daß die festsitzende Lebens- weise auch in anderen Tiergruppen ähnliche Erscheinungen zutage fördert. Der Übergang zu sedentären Formen wird nicht selten in der Weise vermittelt, daß die Anheftung mit dem Kopfende vor sich geht, so bei den Lepaden, wo auch der Kopf zum Stiel auswächst, und bei den Ascidienlarven. Regelmäßig hat dies dann gewisse Rotationsvorgänge zur Folge, durch welche der Mund in eine günstigere Lage gebracht wird. Eine Tendenz zur Ausbildung radiärer Sym- metrie, eine schleifenförmige Einrollung des Darms, durch welche der After in die Nähe der Mundöffnung gerückt wird, die Ausbildung bewimperter, nah- rungzuführender Tentakelkronen wird bei vielen festsitzenden Tieren be- obachtet. XI. TUNICATA, MANTELTIERE. Dies letzte Kapitel führt uns in jenes Grenzgebiet, in welchem die Wirbel- losen und die Wirbeltiere ineinander übergehen. Der zwölfte Typus des Tier- reichs (vgl. S. 185), die Chordatiere oder Chordata, erreicht im Stamme der Verte- hraten oder Wirbeltiere die höchste Stufe tierischer Organisation. Er umfaßt aber auch eine Reihe niederstehender Formen, denen eine in Wirbel gegliederte Skelettsäule fehlt, deren Skelettachse nur durch einen (auch in den Embryonen der Wirbeltiere erscheinenden) elastischen Stab, die Rückensaite oder Chorda dorsalis repräsentiert ist — nach diesem Merkmal hat der ganze Typus seinen Namen. Zu diesen tieferstehenden Formen der Chordaten rechnen wir die Gruppe der Acrania oder Schädellosen (Hauptvertreter: Amphioxus) und die Gruppe der Manteltiere oder Tunicaten. Amphioxus kann seiner ganzen Organi- sation nach als ein Urwirbeltier betrachtet werden. Er soll daher aus unseren hier gegebenen Darlegungen ausscheiden. Dagegen würden die Tunicaten hier insoferne zu berücksichtigen sein, als in ihnen im Anschlüsse an die sedentäre Lebensweise die Grundzüge der Chordatenorganisation mehr und mehr ver- wischt werden und nur in ihrer Entwicklungsweise deutlicher zutage treten. Man könnte den eigenartigen Stamm der Tunicaten in modifizierter Anwendung eines geistvollen Ausspruches von Dohrn als einen verlornen Sohn der Wirbel- tierreihe bezeichnen. Freilich hat es sein Mißliches, die Gruppe der Tunicaten aus dem Zusammenhang mit den übrigen Chordatieren herauszulösen und ge- sondert zur Darstellung zu bringen. Denn ein wahres Verständnis für ihren Bau und ihre Entwicklung eröffnet sich uns nur durch ständigen Vergleich mit den übrigen Gruppen der Chordaten, vor allem mit Amphioxus. Wenngleich der Stamm der Tunicaten im allgemeinen zu den formenärme- ren Gruppen der tierischen Reihe zu zählen ist, so zerfällt er dennoch in eine Mannigfaltigkeit verschiedener, nach Lebensweise und Bau differenter Unter- gruppen. Wir rechnen hierher die planktonischen Appendicularien, kaulquap- penähnlich mit beweglichem, gesäumtem Ruderschwanz umherschwimmend, ihrem Bau nach an Ascidienlarven erinnernd, ferner die sackförmigen See- scheiden [Ascidien), meist festsitzende Formen und häufig mit kleinen durch Knospung erzeugten Individuen stockbildend, aber in den Pyrosomen (Feuer- Bau der Ascidien 321 walzen) freischwebende, leuchtende Kolonien bildend, während die durch ihren Generationswechsel berühmt gewordenen Salpen, schwimmenden Tönnchen vergleichbar, den am weitesten abgeänderten Typus dieser Gruppe aufweisen. Wir entwickeln den Bauplan der Manteltiere an dem Beispiele einer solitären Ascidie. Die Organisation dieser Formen hat in Bronns ,, Klassen und Ordnun- gen des Tierreichs" durch O. Seeliger eine eingehende, verdienstvolle, durch- wegs auf eigenen Beobachtungen fußende Darstellung erfahren. Die Ascidien {Seescheiden.) finden sich am Grunde des Meeres auf Steinen festgewachsen. Ihr Körper kann im allgemeinen als sackför- mig bezeichnet werden (Fig. 125, 126). Sie sind mit dem hinteren Körperende festgewachsen, während das vordere Ende in zwei kurzröhrige Siphonen ausgezogen erscheint, welche zwei mit Lappen umsäumte, augentragende Öff- nungen(Fig. 125 z unde) besitzen. Diese Leibes- öffnungen könnten wir als Mund und After be- zeichnen und es zeigt sichhier wieder das Merk- mal sedentärer Formen: U-f örmige Einkrüm- mung des Darmes und Annäherung des Afters ^^^ an den Mund. Indes hat sich der Gebrauch ein- gebürgert, den Mund dieser Formen als In- gestionsöffnung {i), den After {e) als Egestions- öffnung zu benennen. Der Körper ist bilateral- symmetrisch; wir erkennen aus der Entwick- lung der Seescheiden, daß jene Seite des Kör- pers, welcher die Ingestionsöffnung genähert ist, als Bauchseite (z;^), die gegenüberliegende Fig. 125. Mediansdmitt durch eine Ascidie /,viT-..-i -j ij_ li. -1. Ansicht von der linken Körperseite. Schema. {do) als Ruckenseite zu betrachten ist. ^/ cioake, do dorsal, e Egestionsöffnung, e^ Ein- Ihren Namen führen die Manteltiere von f °° '° t^° ^^='^.'^° Penbranchiaisack, ^^End- darm, /i hinten, i Ingeshonsöftnung, As Kiemen- ihrer Körperbedeckung, die nach mancher spalten, ?u Mantel, md Mitteidarm, ?«^ Magen, . . , ... ,y^. •. '«■? Mesenchym, ö.» Oesophagus, /^ rechter Peri- HmSlcht merkwürdig ist (r lg. 125 W, 135 Wi). brancWalsack, M Pharynx, ^ Tentakelkranz, Die ganze Oberfläche ist von einer knorpel- ^ ^'°"'^' ^" ^^°*'-^^- ähnlichen, halbdurchscheinenden Schicht überdeckt (Mantel oder genauer: Cellulose-Mantel), welche ihrem Ursprünge nach als ein cu iculares Abschei- dungsprodukt des oberflächlichen Körperepithels (Ektoderms) zu betrachten ist und eine Substanz enthält, die sich nach ihrer Zusammensetzung und ihren Reaktionen von derCellulose der Pflanzen nicht wesentlich unterscheidet. Durch amoeboide Einwanderung von Mesodermzellen, welche auf ihrem Wege das ekto- dermale Epithel durchsetzen, erhält dieser Mantel sekundär den histologischen Charakter eines Bindegewebes. Bei der Betrachtung des inneren Baues der Ascidien wollen wir uns zunächst an die Darmschleife halten. Vorerst sei bemerkt, daß sich zwischen Körper- wand (Ektoderm) und Darmwand (Entoderm) als mittlere Schicht nur mesen- BauderAscidien. K. d. G.III.iv,Bd2 Zellenlehre etc. II 21 322 K. Heider : Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen —an chymatisches Gewebe (Fig. 125 ms) einschiebt. Ein Coelom — irgend etwas einer sekundären Leibeshöhle Vergleichbares — fehlt diesen Tieren. Wir fassen zunächst ins Auge, daß der Anfangs- und Endabschnitt des schleifenförmig gebogenen Darmes besonders erweitert erscheinen. Die In- gestionsöffnung (Fig. 125 i) führt in einen erweiterten Anfangsteil (Pharynx /)Ä), während der erweiterte Endabschnitt als Kloake [cl) bezeichnet wird, weil er die Kotmassen und Geschlechtsprodukte in sich aufnimmt und sie durch die Egestionsöffnung entleert. Der mitt- lere Teil der Darmschleife gliedert sich in Oesophagus {pe), Magen [mg], Mitteldarm [md) und Enddarm {ed). Es hat sich der Mißbrauch eingebür- gert, die Übergangsstelle des Pharynx in den Oesophagus als Mund, die Aus- mündung des Enddarmes in dieKloake als After (Fig. 126 an) zu bezeichnen. Obgleich man für die erstere Öffnung jetzt wohl gewöhnlich den Ausdruck ,,Oesophaguseingang" verwendet, so hat sich die Bezeichnung ,, After" doch erhalten. Sie ist auch, wie wir sehen werden, entwicklungsgeschichtlich begründet. Es schreibt sich diese Be- zeichnungsweise von den Zeiten her, da man bestrebt war, die Organisation der Ascidien auf die der Lamelli- \j ' branchiaten zurückzuführen. Wirer- Fig. 126. Linke Seitenansicht eiTerAscfdie; Schema. Vgl. WähnCn VOU AnhangSgcbildeU dcS Fig. 125. a-3 Höhe des Querschnittes Fig. 127, a« After, ßarmcs die IhrcrFunktion uach rätscl- bl Blutgefäße, dn dorsaler Ganglienzellstrang, dr darm- umspinnende Drüse, e Egestionsöffnung, en Endostyl (Hypo- hafte darmUmSpiunCUde DrÜSC (Fig. branchialrinne, ep Epicard, er Epibranchialrinne, f Flimmer- ^ , , . . , . grübe, fb Fümmerbogen. g Gehirn, h Herz, i Ingestions- 120 rf^), Cin VCrZWClgtCS, ZartWaudlgCS öfihung, ... oyarium, / Pericardiaisack, /* Unker Peri- Darmdivertikclwelches vou dcr Über- brancrualsack, t ientakelkranz, te Moden, z Zungelcnen der ' Dorsaiiamina. gangsstcllc dcs Magcus in den Mittel- darm entspringend sich mit zahlreichen Endästen am Enddarm verzweigt. Vom Pharynx sei zunächst erwähnt (Fig. 125 pK)^ daß seine Wand von zahlreichen, in Querreihen angeordneten Kiemenspalten [ks) durchbohrt ist. Die Kloakenhöhle (d) hat in Wirklichkeit eine viel größere Ausdehnung als dies aus unserem schematischen Medianschnitt zu ersehen ist. Sie bildet näm- lich zwei seitliche Divertikel, welche den Pharynx von rechts und links um- fassen (Fig. 125, 126 ph). Diese Divertikel werden nicht mehr zur Kloake im engeren Sinne hinzugerechnet, sondern als Peribranchialräume bezeichnet. Der Pharynx ist sonach seitlich vollkommen von den beiden Peribranchialsäcken umschlossen (Fig. 127 phxxnA ph). Die Kiemenspalten (^5), welche die Pharynx- - -OV Bau der Ascidien ^2^ wand durchbohren, öffnen sich in die Peribranchialräume. Das Atemwasser gelangt durch die Ingestionsöffnung in den Pharynx, es fließt durch die Kie- menspalten in die Peribranchialräume und von hier durch die Kloake und Egestionsöffnung nach außen. Die Entwicklungsgeschichte lehrt, daß diese beiden Peribranchialsäcke von dem ganzen System der Kloakenhöhle zuerst angelegt werden (Fig. 134 pb), daß die Kloake durch mediodorsale Verwach- sung der beiden Säcke gebildet wird. Wenn wir die Verhältnisse der Appen- dicularien herbeiziehen, so erinnern uns diese Peribranchialsäcke in auffallen- der Weise an die Kiemengänge von Balanoglossus (Fig. lOI kg). Wir müssen noch bei der Schilderung der Pharynxhöhle verweilen. Sie enthält eigentümliche Wimpereinrichtungen, ^/i die unser Interesse in Anspruch nehmen, weil z-^^^S^^^^^^^^^^^ sich Spuren davon bei Amphioxus und bei den /S^ ^^ '^^^<\ Jugendformen der Neunaugen erhalten haben, l^ M'^ /^^-~^<:^6~^\\\ Wir gelangen von der Ingestionsöffnung aus- '^pt'n U '""^^V^ vl'"^ gehend zunächst in einen Vorraum: die durch | ^"W /7y4 p 'ttP^ ektodermale Einstülpung entstandene Mund- p6----VX'\\^ M hl höhle, welche gegen den Pharynx durch einen ^%k^^M^-^^^ Tentakelkranz (Fig. 125, 126 t) abgegrenzt ist, ^^^i^MMfr-^^^ Diese ,,couronne tentaculaire" nicht selten auf \ einem wulstförmigen ,,cercle coronal" inseriert, -^^ findet sich ebenso bei Amphioxus auf dem sog. ^'f-^^^- Querschnitt durch die Kiemen- r o region einer Ascidie in der Hohe der Linie a — b Velum, das auch bei dem Ammocoetes- Stadium i" Fi&- ^-^- "^ cioaUe, ) ; dic inuerc Wand dcs Rohrcs wird mus- kulös umgebildet zur Wand des Herzschlauches, der in seinem Inneren den blutführenden Hohlraum (Fig. 128 h) birgt. Dieser Hohlraum müßte dorsal- wärts noch geöffnet sein, wenn nicht die daselbst befindliche Lücke durch verdichtetes Bindegewebe geschlossen würde. Ein inneres Epithel der Herz- höhle, ein Endocard, fehlt. Die Blutbahnen, welche an der einen Seite in das Herzrohr hineinführen und dasselbe an der anderen Seite verlassen, sind wan- dungslose Lacunen im mesenchymatischen Bindegewebe. Ungemein auffällig ist die bei allen Tunicaten zu beobachtende, in regelmäßigen Zwischenpausen erfolgende Umkehr in der Richtung des Blutstromes, durch welche alle Blut- bahnen, die noch soeben als Arterien angesprochen werden mußten, in Venen umgewandelt werden und umgekehrt. Ähnlich Vv-ie sich das Pericardialsäckchen durch Divertikelbildung von der Pharynxwand abschnürt, entsteht ein zweiter zartwandiger Schlauch dor- salwärts vom Herzen, das sog. Epicard (Fig. 126, 128 ep), eine Bildung, welche bei denKnospungsvorgängen der sozialen Ascidien zum Teil eine wichtige Rolle spielt. Die Geschlechtsorgane sind zwitterig. Hoden (Fig. 126 te) und Ovarien [ov] liegen meist in der Darmschleife und münden durch gesonderte Ausführungs- gänge in die Kloake. Alles, was wir von Exkretionsorganen der Ascidien zu sagen wissen, ist, daß im Mesenchym geschlossene Bläschen beobachtet werden, in denen sich Harnkonkremente vorfinden. Nervensystem, Zirkulationssystem, Geschlechtsorgane, Entwicklung der Ascidien 325 £-C ^71. 71T Von hohem Interesse und ein beliebtes Thema embryologischer Studien Asddien- • . entwickluug. sind die Entwicklungsvorgänge im Ei der Ascidien und noch merkwürdiger sind die verschiedenen an den Knospen der Tunicaten zu beobachtenden Um- bildungsprozesse. Letztere können uns hier nicht beschäftigen. Aus dem Ei der Ascidien schlüpft eine kleine, freischwim- '^'^^ mende, kaulquappenähnliche Larve (Fig. 134), an welcher wir einen vorderen rundlichen Kör- perabschnitt und einen mit vertikalem Flossen- saum versehenen, seitlich beweglichen Ruder- schwanz unterscheiden. Letzterer ist ein ver- gängliches Larvenorgan. Die Organisation der Ascidie wird im vorderen Körperabschnitt an- gelegt. Über die ersten Entwicklungsvorgänge im Eie gehen wir flüchtig hinweg. Wir müssen es uns versagen, über die erstaunlichen Ergeb- nisse Conkhns zu berichten, der die Teilungen der Zellen, ihren Stammbaum und ihr mit fort- schreitender Differenzierung immer kompli- zierter werdendes Gefüge bis zum Stadium von 218 Zellen auf das Genaueste verfolgte. Wir sind durch diese Untersuchungen in die Lage versetzt, bestimmte Organanlagen in ihren ersten Anfängen zu erkennen. Die Furchung der kleinen, dotterarmen Eier ist eine totale und ziemlich aequale. Es kommt zur Bildung eines Blastulastadiums mit ziemlich engem Blasto- coel und einer Gastrula,. die wir mit gewissen Reservationen als Invaginationsgastrula in Anspruch nehmen können (Fig. 129 A). Hier nur ein paar Worte über die Orientierung dieses Stadiums. Der Keim der Ascidien ist von An- fang an bilateralsymmetrisch gebaut. Bei allen ^„^^^ ^^.^^^^^^ ,^ urmund (Biastoporus), cn Chordaten liegt der UrmUnd (BlaStOpOrUS) an Neurointestinalkanal, ec Ektoderm, en Ento- . . . . derm, h hinten, np Neuroporus anterior, nr der späteren Dorsalseite und bei den Ascidien Neurairohr, v vom, veg vegetativer Poi der 1.. • ..■•ii'ij /— i. 1 J.J' primären Eiachse. können wir tatsachlich das Gastrulastadium so orientieren, daß die primäre Eiachse auf die spätere Körperlängsachse senk- recht steht. Es entspricht der vegetative Pol (z;gg) der Mitte des späteren Rückens, der animale Pol (aw, durch die Richtungskörperchen gekennzeichnet) der Mitte der Bauchfläche. Bei den meisten Chordaten (bei Amphioxus, bei den Amphibien) steht die primäre Eiachse zur Körperlängsachse schräg, indem der animale Pol vorne ventralwärts, der vegetative Pol hinten dorsal- wärts gelegen ist. Was wir zunächst zu betrachten haben, ist die allmähliche Verengerung des Urmundes, während der ganze Keim sich in der Richtung der späteren Längsachse streckt (Fig. 129 B). Die Verengerung des Urmundes c/i Fig. 129. Drei Entwicklungsstadien der As- cidien im Medianschnitt. Alle drei Stadien sind in gleicher Weise orientiert. Ansicht von der linken Körperseite. A Gastrula mit weitem Urmund, B Gastrula mit verengtem Urmund, C sog. Neurula, nach Entwicklung des Neuralrohres. an animaler Pol der pri- 326 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen .a vollzieht sich in der Weise, daß die hintere Urmundlippe in ihrer Lage sta- tionär bleibt, während die seitlichen und die vordere Urmundhppe mehr und mehr zusammenrücken (Fig. 130). Es bleibt auf diese Weise schließhch ein hinten gelegener kleiner Eingang in den Urdarm übrig; die Darmhöhle hat nun in ihrem vorderen Abschnitte ein dorsales Dach bekommen (Fig. 129 B). Es ist mehr auf theoretischen Annahmen begründet, wenn man im allgemeinen für die Chordaten annimmt, daß der Verschluß des Urmundes durch eine Ver- wachsung der seitlichen Urmundlippen in einer dorsomedianen Verwachsungs- naht erfolgt. Wenngleich wir diesen Annahmen beipflichten, so ist doch in der Embryogenese der Ascidien tatsächlich von dieser Form des Urmundschlusses kaum etwas zu erkennen. Das zweischichtige Dach, welches sich durch den Verschluß (resp. die Verengerung) des Urmundes an der Rückenseite des Keimes entwickelt hat, ist der Sitz -ö' regster Organbildung. Hier machen sich bald sowohl in dem äußeren Keimblatte (Ektoderm), als auch im inneren Keimblatte (Entoderm) wichtige Differenzierungspro- zesse bemerkbar. DieUmwandlungen der äußeren Keimes- schichte führen zur Entwicklung des Neuralrohres, der röhrenförmigen Anlage des Zentralnervensystems (Fig. 129, 131 nr). Wir beobachten zunächst, wenn wir den Embryo von der Dorsalseite betrachten, die Ausbildung einer medianen Rinne (Fig. 131 A wr), welche auf den Blastoporusrest {bp) zustrebt (Medullarrinne) und von zwei seitlichen hinter dem Urmund ineinander übergehen- den Erhebungen {mw, Medullarwülste) begrenzt ist. Die Medullarwülste verwachsen miteinander (Fig. 13 iB, vgl. auch Fig. 132). Hierdurch wird die Medullarrinne zu einem Rohre (Medullarrohr oder Neuralrohr) geschlos- sen. Diese Verwachsung schreitet in der Richtung von hinten nach vorne vor, so daß das Neuralrohr an seinem vorderen Ende längere Zeit geöffnet bleibt und diese Öffnung ist der sog. Neuroporus anterior [np in Fig. 131 C). Aus der Ent- wicklungsweise des Neuralrohres ergibt sich, daß sein Lumen hinten durch den Blastoporusrest mit der Darmhöhle in Verbindung bleibt (Fig. 129 C). Diese Kommunikation, welche bei den Ascidien frühzeitig zurückgebildet wird, wird als Neurointestinalkanal bezeichnet [cn). Sie hat in den theoretischen Aus- einandersetzungen über die Entwicklung der Vertebraten eine bedeutungsvolle Rolle gespielt. Die Entwicklungsvorgänge, welche sich am inneren Keimblatt an dem Dach der Urdarmhöhle abspielen, sind nicht weniger wichtig. Hier können wir frühzeitig drei durch gewisse histologische Merkmale gekennzeichneteZellgruppen unterscheiden, eine mediane und zwei seitliche (Fig. 132 ch und ms). Die Zellen der medianen Gruppe ordnen sich zu einem Zellstrang an, aus welchem die Chorda dorsalis, der axiale Skelettstab, hervorgeht (Fig. 132 — 135 c/i), während die beiden seitlichen Gruppen sich als Mesodermanlagen (Fig. 132 ms) von der Fig. 130. Gastrula einer As- cidie mit verengtem Blastoporus in der Ansicht vom Rücken (vgl. Fig. 129 jS). Zur Verdeut- lichung der Art des Urmund- schlusses. Die punktierten Linien a und a' kennzeichnen die frühere Ausdehnung des Urmundes. Ascidienentwicklung ö2^ Darmwand trennen. Wir wissen aus der Entwicklung des Amphioxus, daß die Sonderung dieser Anlagen sich bei dieser Form durch Faltenbildung voll- zieht. Aus den beiden seitlichen Falten gehen die Coelomhöhlen der Acrania hervor. Bei den Ascidien, denen ein Coelom völlig fehlt, werden diese Anlagen als solide Zellgruppen aus dem Gefüge der dorsalen Darmwand ausgeschaltet. Nach Abtrennung der Chordaanlage und der mesodermalen Zellgruppen schließt sich die Darmanlage zu einem Rohre zusammen (Fig. 132 C d). nr ~/^TL Fig. 131. Ascidienembr3onen, vom Rücken gesehen. Schemen zur Verdeutlichung der Entwicklungs weise des Neuralrohres. bp Blastoporus, nir Medullarrinne, mw Medullarwülste, np Neuroporus anterior, nr Neuralrohr, cn Neurointestinalkanal. A ^v rnnr ms ^C Fig. 132. Drei Stadien der Organentvvicklung im Ascidienembryo, im schematischen Querschnitt, ch Chordaanlage (gestrichelt), d Darnikanal, ec äußeres Keimblatt, en inneres Keimblatt, »ir Medullarrinne, »is Mesoderm (punktiert), mw Medullarwülste, nr Neuralrohr. Der Embryo gewinnt nun bei seitlicher Betrachtung eine birnförmige Ge- stalt (Fig. 133). Es macht sich hierdurch die Scheidung in einen breiteren, vor- deren Körperabschnitt und in einen Schwanzabschnitt geltend. Wir bemerken, daß die Chordaanlage und die Mesodermanlagen eine Tendenz zeigen, mehr in den Schwanzabschnitt zu rücken. Auch an der paarigen Mesodermanlage ist die Trennung in einen Rumpf- und Schwanzabschnitt zu erkennen (Fig. 133 B). Vorne im Rumpfe findet sich eine Anhäufung kleinerer Zellen, aus denen die Mesenchymzellen der Ascidie hervorgehen (Fig. 134 ms). Im Schwanzabschnitt werden die Mesodermzellen in drei übereinanderliegenden Reihen angeordnet. Aus ihnen geht die Schwanz- muskulatur hervor (Fig. 135 my). Der Darm bildet im vorderen Körperabschnitt ein rundliches Säckchen (Fig. 133 Aö^), während er im Schwanzabschnitt nun 328 K. Heider: Entwicklungsgeschichte und Morphologie der Wirbellosen nur mehr durch einen soHden Zellstrang {en), vertreten ist, welcher bald der Auf- lösung anheimfällt (sog. subchordaler Entodermstrang Fig. 134, 135 en). Die folgenden Stadien führen bereits zum Bau der freischwimmenden Kaul- quappenform hinüber (Fig. 134). Die Sonderung in einen vorderen Körper- abschnitt und einen im Embryo ventralwärts eingekrümmten Schwanz ist deut- licher geworden. Vorne finden sich drei Haftpapillen {h), mit denen die Larve bei ihrer Festsetzung sich anheftet. Dorsalwärts ist der Mund {i) durchge- ^r ^/i ym ,-^A Fig. 133. Linke Seitenansicht zweier etwas späterer Embr3'onen von Ascidien. Schema nach Van Beneden und Jcjlin. Vgl. Fig. 129 C. A im Medianschnitt, B mehr seitlich gesehen, um die Mesodermanlage darzustellen, ch Chorda, d Darm, en subchordaler Zellstrang {= rudimentäre Darraanlage der Schwanzregion), ms Mesoderm, np Neuroporus anterior, nr Neuralrohr. Fig. 134. Ascidienembryo nahe dem Ausschlüpfen. Nach KowALEWSKY. Der bauchseitig eingekrümmte Schwanz ist nur zum Teil gezeichnet, att Auge, ch Chorda, d Darmanlage, en subchordaler Ento- dermzeUstrang, f Anlage der Flimmergrube, h Haft- papillen, i IngestionsöfiF- nung (]Mund), ms Mesen- chymzeUen, pb Anlage der linken Peribranchialhöhle, ph Pharynx, oi Ohr, 7-g Rumpfganglion (mittlerer Teil des Neuralrohres), rni Rückenmark des Schwanzabschnittes, sb Sinnesblase. brochen. Während das ganze Darmsäckchen eigentlich später zum Pharynx {ph) der Ascidie sich umbildet, wächst aus seinem hinteren Ende die übrige Darmanlage [d) knospenartig hervor. Am Neuralrohr sind drei Abschnitte zu unterscheiden: vorne findet sich eine blasenförmige Erweiterung, die sog. Sinnes- blase (.?&), in deren Wand sich zwei als Auge [au) und Ohr [pi) gedeutete Sinnes- organe vorfinden ; wir können diesen Abschnitt der Gehirnregion der Vertebraten entfernt vergleichen. Es folgt sodann ein an Ganglienzellen reicher Übergangs- teil (sog. Rumpfganglion rg), welcher einer Medulla oblongata vergleichbar in das verengte Rückenmark des Schwanzabschnittes (rm) hinüberleitet. Der Neuroporus anterior hat sich vorübergehend geschlossen. Dagegen ist nun die Sinnesblase durch sekundären Durchbruch mit dem vordersten Teile des Darm- kanals in Verbindung getreten und dieses kurze Kommunikationsröhrchen ist Spätere Stadien der Ascidienentwicklung 329 die Anlage der späteren Flimmergrube (Fig. 134 /). Es sind sonach die Flimmer- grube und die Neuraldrüse als abgegliederte selbständig gewordene Partien des vordersten Abschnittes des Neuralrohres anzusehen. Zu beiden Seiten des Körpers entstehen nun säckchenförmige Hautein- stülpungen: die Anlagen der Peribranchialsäcke [pb), welche sich bald an den Seiten des Darmes ausbreiten. Frühzeitig kommen in der Scheidewand, welche die Peribranchialsäckchen von dem Darmlumen trennt, die ersten Kiemen- spalten zum Durchbruch. Die äußeren Öffnungen der Peribranchialsäckchen wandern dorsalwärts und verschmelzen miteinander in der dorsalen Mittel- linie. Auf diese Weise wird die Kloakenöffnung (die Egestionsöffnung) gebildet. Inzwischen ist an der Körperoberfläche als cuticulare Ausscheidung die erste Anlage des Cellulosemantels aufgetreten. Die Festheftung der freischwimmenden Larve nr--.. vollzieht sich mit dem vorderen Körperende unter Vermittlung der erwähnten Haftpapillen (/i). Während der Larvenschwanz rückgebildet wird erfolgt eine Ro- cri - tation des Körpers, durchweiche die Ingestionsöffnung und die Egestionsöffnung an das obere dem Festhef- tungspunkt gegenüber gelegene Körperende verlagert werden. Betrachten wir zum Schluß einen Querschnitt durch den Ruderschwanz einer freischwimmenden Fig. 135. Querschnitt durch den , . , -j . , 1 n 1 1 1 Schwanzabschnitt einer Ascidien- Ascidienlarve (Fig. 135). Wir sehen, daß der dorsale larve. schematisch nach ;seeuger. und ventrale Flossensaum ausschließlich vom Cellu- ^^^^S^^^^^:^:^^;^^. losemantel gebildet werden. In der Medianebene fin- zeUstrang (vertritt hier den Darm), f! Rückenflosse, fl' Bauchflosse, int den sich drei längsverlaufende Organe: dorsalwärts "zeUuiosemantei, tny Muskeizeiien , -T 11 /\- ^ -\ic A i i-r^i 1 1 T des Mesodeims. nr Neuralrohr. das Neuralrohr (wr), m der Mitte die Chorda dorsahs {ch) und ventralwärts der entodermale Zellstrang [en], der hier die Darmanlage vertritt. Zu beiden Seiten finden wir Mesodermzellen [yny Myoblasten), welche an ihrer Oberfläche längsverlaufende Muskelfibrillen abgeschieden haben, die hier im Querschnitt getroffen sind. Was wir hier sehen, ist der schematische Querschnitt durch ein Wirbeltier in vereinfachtester Form. Der Körper von Amphioxus weist wie der der Vertebraten eine deutliche metamere Segmen- tierung auf. Man hat sich bemüht, Spuren solcher Gliederung im Schwanzab- schnitt der Appendicularien und der Ascidienlarven nachzuweisen und glaubte solche in der ziemlich regelmäßigen Anordnung peripherer von dem Rücken- mark abtretender Nervenwurzeln gefunden zu haben. Im allgemeinen müssen wir es aber doch als recht zweifelhaft betrachten, ob den Tunicaten eine pri- märe, durch die sedentäre Lebensweise in Verlust geratene Metamerie zuzu- schreiben ist oder nicht. Literatur. Unsere Kenntnis über Morphologie und Ontogenie der Wirbellosen ist in zahlreichen Schriften niedergelegt. Hier nur einiges, um dem Fernerstehenden den Weg in dieses Gebiet zu zeigen. Ausführlichere Literaturverzeichnisse findet der Leser in den Lehrbüchern von R. Hertwig und Claus -Grobben. Überhaupt möchten wir diese zwei Werke zur ersten Einführung in das Gebiet empfehlen, obgleich auch von den übrigen angeführten Lehrbüchern jedes seine speziellen Vorzüge besitzt. Hertwigs Lehrbuch, in klarer und übersichtlicher Anordnung das wichtige zusammenfassend, Claus -Grobben, etwas umfangreicher, eine größere Fülle von Details in gründlicher, gewissenhafter Darstellung bringend. Ein umfangreiches Sammelwerk. G. H. Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs, noch unvollständig, enthält in zahlreichen Bänden, welche — wenn veraltet — in Neubearbeitungen aufgelegt werden, eine Zusammenfassung aller unserer Kenntnisse, zum Teil in erstklassiger Darstellung. Hier- her; O. BÜTSCHLI Protozoa, Chun und Will Coelenterata, v. Graff Turbellaria, Braun Tre- matodes und Cestodes, BÜRGER Nemertinen, Seeliger Tunikaten, Ludwig und Hamann Echinoderma, Keferstein Mollusca, neu bearbeitet von SiMROTH; Gerstäcker und Ort- mann Crustacea, Verhoef Myriopoden. Vielbändige Handbücher der Zoologie: Delage, Y., et HfiROUARD, E. Traite de Zoologie concrete. Bisher erschienen: I. La cellule et les protozoaires 1896, II. Spongiaires et Coelenteres 1899, III. Echinodermes 1903, V. Vermidiens 1897, VIII. Procordes 1898. Ray Lankester, E. A Treatise on Zoology. I. Introduction and Protozoa 1909 von mehreren Verfassern, II. Porifera and Coelenterata 1900 von MiNCHiN, Fowler, Bourne, III. Echino- derma 1900 von Bather, W. Platyhelmia etc. von Benham 1901, V. Mollusca 1906 von Pelseneer, VII. Crustacea 1909 von Calman, IX. Fishes 1909 von GoODRiCH. The Cambridge Natural History; I. Hartog Protozoa, Sollas Porifera, HiCKSON Coelenterata, II. Verschiedene Autoren Vermes and Polyzoa, III. Shipley Brachiopoda, COOKE Mollusca, IV. Weldon Crustacea, V.-VI. Sharp Insects, VII. Harmer Hemichor- data, Herdmann Amphioxus and Tunicata; das übrige, sowie die Bände VIII — X auf Wirbeltiere bezüglich. Lehrbücher der Zoologie. Hertwig, R. Lehrbuch der Zoologie. 10. Aufl. Jena 191 2. Claus -Grobben. Lehrbuch der Zoologie, begründet von C. Claus, neubearbeitet von K. Grobben. 2. Aufl. Marburg 19 10. Boas, J. E.V. Lehrbuch der Zoologie. 6. Aufl. Jena 1911. Kennel, J. Lehrbuch der Zoologie. Stuttgart 1893. GOETTE, A. Lehrbuch der Zoologie. 1902. Hauptsächlich auf Entwicklungsgeschichte be- gründet. Voll selbständiger Gedanken. Die Abbildungen meist Originale. Parker, T. J., and Haswell, W. A. A Text-Book of Zoology. 2. Edit. London 1910. Hatschek, B. Lehrbuch der Zoologie. Jena 1888. Ein geniales Werk, reich an frucht- bringenden Ideen. Bisher unvollständig. Lehrbücher der Entwicklungsgeschichte. Bergh, R. S. Vorlesungen über allgemeine Embryologie. Wiesbaden 1895. Balfour, f. M. Handbuch der vgl. Embryologie. 2 Bde. Aus dem Englischen übersetzt von B. Vetter. Jena 1880 — 1881. Die erste zusammenfassende Darstellung dieses Gebietes. Ein kühner Wurf! Grundlegend. KoRSCHELT, E., und Heider, K. Lehrbuch der vgl. Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Spez. Teil I 1890, Coelenterata, Vermes, Echinoderma; II 1892, Arthropoda; III 1893, Mollusca, Tentaculata, Tunicata, Amphioxus. AUgem. Teil I 1902, Entw. Mechanik, Keimzellenbildung; II, Reifung und Befruchtung; III 1909, Furchung; IV 1910, Keimblätterbildung, ungeschlechtliche Fortpflanzung. In dem 3. und 4. Heft des allgem. Teils findet der Leser die auf Cell-lineage bezüglichen Angaben, die hier nicht berück- sichtigt werden konnten. Literatur ^^j Lehrbücher der vergleichenden Anatomie. Gegenbaur, C. Grundzüge der vgl. Anatomie. 2. Aufl. Leipzig 1870. — Grundriß der vgl. Anatomie. 1874. Diese beiden Werke waren von grundlegendem Einfluß auf die Entwicklung der vergleichenden Morphologie. Lang, A. Lehrbuch der vgl. Anatomie der wirbellosen Tiere. Jena. l. Protozoa, Coelen- terata, Würmer, II. Arthropoden 1888, III. Mollusken, IV. Echinodermen und Entero- pneusten 1894. 2. Aufl.: Protozoa 1901, Mollusca, bearbeitet von Hescheler, 1900. Dritte Auflage im Erscheinen. BÜTSCHLI, O. Vorlesungen über vgl. Anatomie, i. Lief. Leipzig 1910. 2. Lief. 191 2. Den Bau des tierischen Körpers in funktioneller Hinsicht betreffend : Bergmann, C., und Leuckart, R. Anatomisch -physiologische Übersicht des Tierreichs. Stuttgart 1852, Eine Fundgrube wertvoller Anregungen. Hesse- DOFLEIN. Tierbau und Tierleben. I. Bd. Der Tierkörper als selbständiger Orga- nismus von R. Hesse. Leipzig und Berlin 1910. Lehrbücher der vergleichenden Histologie. Schneider, K. Cam. Lehrbuch der vgl. Histologie der Tiere. Jena 1902. — Histologisches Praktikum der Tiere für Studenten und Forscher. Jena 1908. Verschiedene Schriften allgemeineren Inhalts. Balfour, f. M. On the structure and homologies of the germinal layers of the embryo. Quart. Journ. Micr. Sc. Bd. 20. 1880. Bergh, R. S. Gedanken über den Ursprung der wichtigsten geweblichen Bestandteile des Blutgefäßsystems. Anat. Anz. Bd. 20. 1902. Braem, f. Was ist ein Keimblatt? Biol. Centrbl. Bd. 15. 1895. BÜTSCHLI, O. Über eine Hypothese bezüglich der phylogenetischen Herleitung des Blut- gefäßapparates eines Teils der Metazoen. Morph. Jb. Bd. 8. 1883. — Bemerkungen zur Gastraeatheorie. Morph. Jb. Bd. 9. 1884. Caldwell, W. H. Blastopore, mesoderm and metameric Segmentation. Quart. Journ. Micr. Sc. Bd. 25. 1885. Cattaneo, Giac. SuU'origine della metameria. Napoli 1882. — Delle varie teorie relative aU'origine della metameria . . . BoU. Mus. Zool. 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Zool. Ges. 1898. DIE ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DER WIRBELTIERE. Von Franz Keibel. In seinem Artikel „Allgemeine und experimentelle Morphologie und Ent- wicklungslehre" hat O. Hertwig die ersten Entwicklungsprozesse im gesamten Tierreich, auch die der Wirbeltiere, besprochen und bis zur Ausbildung der Keimblase, der Blastula, verfolgt. Hier habe ich anzuknüpfen und darzulegen, wie die besondere Organisation der Wirbeltiere sich herausbildet und sich in den verschiedenen Klassen ausgestaltet. Es wird dabei zu unter- suchen sein, ob sich große Zusammenhänge zwischen den einzelnen Entwick- lungsreihen ergeben oder, wo dies noch nicht der Fall ist, klarzulegen, ob und in welcher Richtung sie zu suchen sein werden. Auch werden die Gründe anzugeben sein, warum in manchen Fällen in der Phylogenie vorhandene Zu- sammenhänge schwer zu finden oder wohl überhaupt in der Entwicklung der Einzelwesen, wie sie sich uns heute darbietet, nicht mehr zu erkennen sind. Es soll bei unseren Betrachtungen der Hauptbauplan der Wirbeltiere durchaus in den Vordergrund gestellt werden, die Vorgänge, welche man als allgemeine Entwicklung bezeichnet, und die mit der Ausbildung der Keim- blätter ihren Abschluß finden. Es werden dabei die beiden Theorien, welche im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts sich als fruchtbringend für unser Gebiet erwiesen haben, die Gastraeatheorie und die Coelomtheorie aus- führlicher zu erörtern sein. Zum Schlüsse ist dann die Bedeutung der Keimblätter für die weitere Entwicklung zu besprechen und auch zu zeigen, wie und ob die besprochenen Entwicklungs;/orgänge mit dem sogenannten biogenetischen Grundgesetz Eläckels und O. Hertwigs ontogenetischem Kausalgesetz in Ein- klang zu bringen sind. Auf die Entwicklung der einzelnen Organe und Organ- systeme dagegen kann hier nicht eingegangen werden. Für sie wird auf den folgenden Abschnitt, in dem Gaupp die Morphologie der Wirbeltiere bearbeitet, hingewiesen. Versuchen wir zunächst eine Übersicht über die Fragen zu gewinnen, überblick über welche uns hier beschäftigen. Da gehen wir am besten von der Entwicklung '^"' ^°*'^"''^^""°' des Amphioxus lanceolatus aus, bei dem die grundlegenden Entwicklungsvor- gänge sich zum größten Teil in fast schematischer Einfachheit vollziehen oder doch zu vollziehen scheinen. Freilich müssen gleich hier dann auch einige Bemer- kungen gemacht werden, welche die Bedeutung des Amphioxus für die Auf- fassung der Entwicklungsvorgänge der Wirbeltiere einschränken und sich gegen die alles beherrschende Stellung wenden, die man fast 40 Jahre lang 334 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Amphioxus. FH. des Blastula Amphioxus. Gastrulation bei Amphioxus. den sich in der Entwicklung dieses kleinen Tieres abspielenden Vorgängen für die Entwicklung aller Wirbeltierklassen beigemessen hat. Zunächst: der Amphioxus ist gar kein Wirbeltier im strengen Sinne, denn bei ihm kommt es niemals zur Entwicklung von Wirbeln, sein Achsenskelett wird zeitlebens von einem ungegliederten Stab, der Chorda dorsalis und ihrer Scheide, gebildet. Darauf daß auch sein Stützgewebe nicht die physiologisch- chemischen Reaktionen gibt, welche das Stützgewebe aller anderen Wirbeltiere auszeichnet, sei nur nebenher hingewiesen; wichtiger ist, daß der Amphioxus sicherlich ein in bedeutungsvoller Weise zurückgebildetes Geschöpf ist. Er hat keinen Schädel, ist ein Akranier, und dieses Merkmal ist zweifellos kein primitives, sondern der Mangel des Schädels und die ganze mangelhafte Aus- gestaltung des Kopfes, dem die typischen Sinnesorgane der Wirbeltiere fehlen, ist se- kundär erworben. In welcher Weise die scheinbar so Sehe- rn atisch klaren Vorgänge bei der Gastrulation des Am- phioxus lange Zeit hindurch die Auffassung des Gastrula- tionsproblems bei den Wirbel- tieren erschwert haben, wird später zu erörtern sein. Trotz- dem empfiehlt es sich, wie schon gesagt, sich mit Hilfe der Entwicklung des Amphioxus einen Überblick über die Entwicklungsvorgänge zu verschaffen, die wir dann bei den eigent- lichen Wirbeltieren betrachten, und deren Zusammenhänge und Bedeutung wir dem Verständnis näher bringen wollen. Wir beginnen mit dem Stadium der ausgebildeten Keimblase, der Blastula, wie sie sich aus dem dotterarmen Ei des Amphioxus durch die Furchung herausgebildet hat. Die Blastulae des Amphi- oxus sind kleine Bläschen, doch kann man schon im Blastulastadium eine Dif- ferenzierung der Zellen auch äußerlich erkennen. Fig. i zeigt tms eine solche Blastula im Durchschnitt. Wir können an ihr zwei Pole unterscheiden, welche den gleichnamigen Polen des ungefurchten Eies entsprechen. Der animale Pol [a] ist durch kleine dotterarme Zellen gekennzeichnet, der vegetative {v) durch größere, dotterreichere. Durch ungleiches Wachstum werden die Zellen des vegetativen Poles der Blastula eingestülpt und durch denselben Vorgang wird die Furchungshöhle {FH.) schließlich bis auf geringe Reste verdrängt (Fig. 2). Aus dem einschichtigen Bläschen ist eine zweischichtige Kappe geworden, die man als Gastrula bezeichnet. Die Höhlung dieser Kappe, der Urdarm oder die Gastrulahöhle, steht ursprünglich mit der Außenwelt durch eine sehr weite Öffnung, einen weiten Urmund oder Gastrulamund, in Verbindung. Die beiden Schichten dieser Kappe pflegt man als das äußere und das innere Keimblatt, als das Ektoderm und das Entoderm zu bezeichnen; doch wird sich später Fig. I. Keimblase (Blastula) des Amphioxus. a animaler, v vege- tativer Pol, PH. Furchungshöhle. Nach Hatschek. Fig. 2. Junge Gastrula des Am- phioxus, es ist noch ein bedeuten- der Teil der Furchungshöhle er- halten, a animaler, v vegetativer Pol, PH. Furchungshöhle. Nach Hatschek. Gastrulation bei Amphioxus 335 Keimblätter bei Amphioxus. ap dors. ap caLLi ur vent .ur. caud. F i g. 4. Schema des Urmundschlusses bei Amphioxus. itr der Rand des Urmundes in einem frühen zeigen, daß diese Keimschichten mit denen, welche man bei anderen Tieren so nennt, nicht ohne weiteres verglichen werden können. Im inneren Keimblatt, dem sogenannten Entoderm, des Amphioxus sind außer den Anlagen für das Epithel des Darms und seiner Drüsen auch noch andere Anlagen enthalten, die für die Chorda dorsalis, das primitive Achsenskelett, und die für das zwischen Ektoderm und Entoderm gelegene Mesoderm. Die Beziehungen dieser Anlagen zum Entoderm sind, wenn man solches einfach topographisch als inneres Keim- blatt auffaßt, bei den verschiedenen Wirbeltieren verschiedenartig. Bezeichnen wir überall das ursprünglich untere oder innere Keimblatt als primitives Ento- derm, so müssen wir uns von Anfang an gegenwärtig halten, daß wir dieses primitive Entoderm bei Amphioxus nicht ohne weiteres dem bei den ver- schiedenen Wirbeltieren homologisieren dürfen, und ebensowenig dürfen wir das primitive Ento- derm der verschiedenen Wirbeltiere untereinander homologisieren. Erst nach Absonderung der Chorda und des Mesoderm erhal- ten wir im definitiven En- toderm einenZellkomplex, der bei Amphioxus und bei den Wirbeltieren durchweg vergleichbar ist: wir können ihn als das definitive Entoderm be- zeichnen. Das definitive Entoderm besteht aus den Zellen, welche beim Am- phioxus und bei allen Wirbeltieren dem Epithel des Darms und der Darm- drüsen seinen Ursprung geben. Das gleiche gilt entsprechend für das primitive Ektoderm. Neben den rein morphologischen Unterschieden machen sich zwischen innerer und äußerer Keimschicht, zwischen primitivem Ektoderm und Entoderm auch schon frühzeitig physiologische Unterschiede bemerkbar. Das Verschluß des äußere Keimblatt differenziert sich zum Fortbewegungs- und Schutzorgan; bei Tmphkfxus. es erwirbt Flimmern und eine gewisse Festigkeit, das innere paßt sich der Auf- nahme von Nahrung an. In der nun folgenden Periode der Entwicklung ver- engert sich zunächst der Urmund und wird dabei zugleich dorsal- und caudalwärts verlagert (Fig. 3 u. 4). Hatschek nahm an, daß der Verschluß des Urmundes durch in cranio-caudaler Richtung erfolgende Nahtbildung vor sich gehe. Fig. 4 veranschaulicht seine Meinung. Die Linie ur zeigt den Urmundrand in einem frühen Stadium an. Der Urmund soll sich nun entsprechend einer später über den Rücken verlaufenden Linie dadurch schließen, daß seine Rän- der von rechts und links symmetrisch gegeneinander rücken, so daß stets korrespondierende Punkte der beiden Seitenränder an.a, ßu.ß usw. zur Ver- F i g. 3. Gastrula von Amphioxus,welche die Verengerung und Verlagerung des Urmundes zeigt. Die Flimmern der äußeren Keimschicht sind angedeutet, c-, i- j _, j ^ . , , j sc cu ^i.. j3ta.dium, a und a, ri und fi usw. aA apical, caiid caudal, dors dorsal, tji, i- u j ,1 ■ ■, j _^ _, ^^ .1. FT _ _ Punkte dieses Randes, welche sich später in aar, ß^'i usw. aneinander legen und so den Urmund in apico- caudaler Eichtung einengen. Nach HatsCheks Darstellung entworfen. veni ventral. Nach H.\tschek. 33^ Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Concrescenz- theorie wachsung kommen. Man hat das eine Concrescenz des Urmundes genannt, und man hat darzutun versucht, daß der Verschluß des Urmundes bei den Wirbel- tieren allgemein in dieser Weise erfolgt. In diesem Sinne spricht man von einer Concrescenztheorie. Was nun den Amphioxus im besonderen anlangt, so haben alle neueren Untersucher zwar nichts von einer Nahtspur am vorderen Rande des sich verkleinernden Urmundes nachweisen können, doch wäre das an sich kein Grund einen Verschluß des Urmundes in der von Hatschek angenommenen Weise schlechthin zurückzuweisen. Wenn sich das Material der Urmundlippen von rechts nach links auch in der angedeuteten Weise vereinigt, so braucht doch keine richtige Naht dabei zustande zu kommen. An einem Experiment, das Gräper neuerdings zur Erläuterung anderer Verhältnisse gegeben — bei ihm "'' handelt es sich um die Ent- stehung des Darms durch zwei seitliche Falten, die auch in Zweifel gezogen wurde, weil man keine Spur einer Naht erkennen könne — , kann man sich das klar machen. Ein Glasstab wird wie in Fig. 5a gebogen und an der Biegungsstelle ein anderer Glas- stab als Handhabe aufgesetzt; dann läßt man die Flamme direkt in den Verschmelzungs- winkel schlagen, und es gelingt bei entsprechender Übung eine vollständige Ver- schmelzung, wie sie Fig. 5b zeigt, ohne jede Naht zu erreichen, es rückt ein- fach die bogenförmige Grenze in der Richtung des Pfeiles, vor und hinter ihr bleibt eine nahtlose Verschmelzung. Die Pfeile deuten die Richtung der Ver- schmelzung an. Trotzdem hat die Concrescenztheorie des Fehlens der Nahtspur wegen heftige Gegner gefunden. Daß etwa der Urmund sich in der Weise schließt, daß die einzelnen Punkte seiner Ränder konzentrisch gegeneinander vor- rücken, um sich schließlich in einem Punkte zu vereinigen, das ist aus- geschlossen, und so nimmt z. B. Rabl an, daß die Ränder gegen einen ex- zentrisch gelegenen Punkt des Urmundes, welcher der Mitte seines hinteren Randes entspricht, vorrücken. Einen solchen Verschluß soll das Schema Fig. 6 verdeutlichen. Dabei nimmt auch nach Rabls Auffassung der Gastrula- mund anfangs nahezu den ganzen Rücken ein; er verkleinert sich von vorn nach hinten, und sein letzter Rest bildet eine kleine dorsal am Hinterende ge- legene Öffnung. Wie Rabl es mit dieser Auffassung vereinigt, daß auch nach seiner Annahme, falls der Verschluß des Urmundes nicht zustande käme, an seinen Rändern sich an entsprechenden Stellen die entsprechenden Teile der rechten und linken Seite des Embryo entwickeln würden, ist mir freilich dabei nicht klar geworden. Mit dieser Annahme kehrt er doch zur Concrescenz- theorie in verschleierter Form zurück, und so interpretiert erscheint der Unter- Fig. 5A u. sB. Verschmelzung eines gebogenen Glasstabes ohne Naht- bildung. Nach Gräper. Man ver- gleiche den Text. caitd Fig. 6. Schema des Ur- mundschlusses bei Am- phioxus. Nach Rabls Auffassung. Keimblätterbildung und Urmundschluß bei Amphioxus 337 caudal und rechts, dorsale Seite ist geflacht. Die ab- schied zwischen seiner Auffassung und der Annahme einer Concrescenz im Sinne von Hatschek und Oskar Hertwig nicht eben groß. Kehren wir nach dieser theoretischen Abschweifung zur Larve des Amphioxus zurück. Schon in frühem Gastrulastadium ist an der kleinen Larve durch Ab- fiachung die dorsale Seite kenntlich geworden (Fig. 3 u. 7) und mit ihr die bilaterale Symmetrie. So kann man Fig.7. Gastruiades Am- nun am Urmunde eine dorsale, eine pj'i'''"^^ mit stark ver- kleinertem Urraund von ventrale und jederseits eine laterale Urmundlippe unterscheiden. Hat sich der Urmund bis zu einem gewissen Grade verengert, dann beginnt sich die Larve alimählich in die Länge zu strecken, und wichtige Differenzie- rungen treten sowohl am äußeren wie am inneren Keimblatt ein. Das äußere Keimblatt verdickt sich in der dorsa- len Medianlinie und zu beiden Seiten kieinertem Urmund von caudal und rechts. Aut von ihr und so grenzt sich allmählich der abgeflachten dorsalen , _^ , 1 T^i Seite ist durch einen als erste (Jrgananlage aus dem Lkto- dunkleren Ton die An- dermdieMedullarplatteab.Fig.Szeigt '^^^e der Meduiiarpiatte Fig. 9. Querschnitt durch eine Larve des Amphioxus. Dorsal hat sich aus dem Ektoderm die Meduiiarpiatte abgeglie- dert. An der dorsalen Wand des primitivenEntoderra sehen wir rechts und links die Coe- lomdivertikel eben angedeu- tet, eine Chordarinne ist noch nicht vorhanden. Nach Hatschek. Fig. 8. Gastrula des Am- phioxus mit stark ver- kenntlich gemacht. ein Schema, welches ein solches Tier- chen in der Ansicht von caudal und rechts darstellt. Das Gebiet der Me- duiiarpiatte ist durch einen dunkleren Ton kenntlich gemacht. Im Gebiet der inneren Keimschicht haben sich in- zwischen an der dorsalen Wand des Urdarms drei Rinnen gebildet, eine mittlere und zwei seitliche. Diese Rin- nen sind schon bei der durchsichtigen Larve kenntlich, am besten aber treten sie an Querschnittenhervor (Fig.9— 1 1). Die mittlere Rinne schnürt sich später ab und bildet die Chorda dorsalis, die seitlichen Rinnen gliedern sich in cranio-caudaler Richtung und lassen so zu jeder Seite der Chordaanlage eine Reihe von Taschen entstehen, die sich dann wie die Chorda von dem unteren Keimblatt abschnüren (Fig. 10, 11). Die Wände dieser Taschen bilden das mittlere Keimblatt, das Mesoderm; der von ihnen begrenzte Hohlraum ist das primäre Coelom, wie es auf den Fig. il, 12 u. 13, und zwar in Fig. II u. 13 auf Querschnitten durch die Larve, in Fig. 12 bei einer ganzen Larve dargestellt ist, die von links her bei durchfallendem Licht gezeichnet wurde. K.d. G.m.iv.Bda ZeUenlehre etc. II 22 Die Meduiiar- piatte bei Am- phioxus. Fig. II. Querschnitt durch eineLarve desAraphioxus. Chordarinne und Coelom- divertikel sind nahezu abgeschnürt. Nach H.^TSCHEK. Fig. to. Querschnitt durch eine Larve des Amphioxus. Im Gebiet des Ektoderm hat sich die Meduiiarpiatte zu einer MeduUarrinne eingefal- tet und ist von dem übrigen Ektoderm überwachsen wor- den. Im Bereich des primi- tiven Entoderms erkennen wir unterhalb der MeduUar- rinne die Chordaanlage und rechts und links von ihr die schon ziemlich tiefenCoelomdi- vertikel, deren Begrenzung die Anlage des Mesoderras darstellt. Nach H.\tschek, Chordaanlage, Mesoderm und Coelom bei Amphioxus. 338 Franz Keibel; Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Gliederung von Mesoderm und Coelom. Differenzierung des Ektoderms. Das Mesoderm und mit ihm das Coelom gliedert sich wieder in einen dor- salen und einen ventralen Teil (Fig. 14). Nur der dorsale Teil behält die Glie- derung bei. So entstehen die Ursegmente mit den Ursegmenthöhlen. Der ventrale Teil des Coeloms wird einheitlich; er stellt das definitive Coelom, die Leibeshöhle, dar. Diese ist zunächst paarig, später aber verschmelzen in einem großen Teil der Larve die rechten und linken Hohlräume ventral vom Darm. Der laterale Teil des das Coelom begrenzenden Mesoderms liegt als parietales Mesoderm dem Ektoblast an und bildet mit ihm die Körperwand, die Somato- pleura, während die der epithelialen Anlage des Darmepithels anliegende Schicht das viscerale Blatt des Mesoderms bildet. Das, was vom in- nerenKeimblatt nach der Abscheidung des Mesoderms und der Chorda übrig bleibt, nennen wir das defi- dors V. neurp dors. V' can. neur caud. Li vent. vent. Fig. 12. Larve des Amphioxus von links bei durch- fallendem Licht gezeichnet, ö/. apikal (Kopfende), catid. caudal (Schwanzende), dofs. dorsa! (die Rückenseite), venf. ventral (die Bauchseite). Fünf Coelomdivertikel haben sich gebildet, dorsal von ihnen erkennt man den Boden der Medullarrinne. Die Medullarrinue ist bis auf eine Stelle am Kopfende, die man vorderen Neuroporus (v. «e«'-/.) nennt, vom Ektoderm überwachsen. Schwanz- wärts (caud.) steht die Medullarrinne durch den gleich- falls vom Ektoderm überwachsenen Canalis neuren- tericus (can. neur.) mit der Darmhöhle in Verbindung. Nach Hatschek. F i g. 13. Querschnitt durch eine Amphioiuslarve, bei nitivC Eutodcrm, CS der die Medullarrinne vom Ektoderm überwachsen ISt ZUSammCU mit ist, und die sich beinahe ^^^ visceralcn Blatt zum Kohre geschlossen hat. In der Mitte des (jes McSOdcrmS als Schnittes liegen in dorso- veutralerRichtungMedul- SplaUChnOplcura ZU larrinne, Chorda dorsalis i • i und Darm übereinander DCZeiCnnen. Rechts und links von Chorda und Darm ist je ein Coelomdivertikel ge- troffen. Nach Hatschek. Während sich diese Entwicklungs Vor- gänge abspielen, hat die Differenzierung des Ektoderms weitere Fortschritte gemacht. Die Anlage des zentralen Nervensystems, die Medullarplatte, hat sich von der primitiven Epidermis gelöst und sich dann zur Medullarrinne eingefaltet (Fig. 9 — 11). Sie wird vom Schwanzende beginnend von der primitiven Epidermis überwachsen (Fig. II — 14). Erst nachdem die Überwachsung vollendet ist (Fig. 13 — 15), schließt sie sich zum Medullarrohr, das an seinem vorderen Ende durch eine Öffnung, den vorderen Neuroporus [v. neurp.), noch lange Zeit mit der Außen- welt in Verbindung steht. Bemerkenswert ist, daß bei dem Überwachsungs- prozeß der Medullarplatte durch die primitive Epidermis auch der nun zu einer kleinen rundlichen Öffnung gewordene Blastoporus überwachsen wird. Diese Öffnung liegt an dem caudalen Ende der Medullarrinne und verbindet sie und später das Medullarrohr als Canalis neurentericus {can. neur.) mit dem Darm (Fig. 12 u. 15). Streckt sich dann die Larve und entstehen am vorderen Ende des Darmes der Mund und die Kiemenöffnungen, am hinteren Ende der After — Vorgänge, auf die hier im einzelnen nicht eingegangen werden soll — , so hat der junge Amphioxus ein Stadium erreicht, in dem er wohl als ein auf sein einfachstes Schema gebrachtes chordates Tier gelten kann. Die Vorgänge, welche ununterbrochen stattfinden mußten, um zu diesem Ziele zu führen^ Entwicklung des Amphioxus (Überblick) öö9 sind ganz allgemein ausgedrückt, die Substanzzerklüftung durch Zell- teilung, das ungleichmäßige Wachstum der einzelnen Teile und schließlich die histologische Differenzierung der Zellen und Zellkom- plexe. Die Zellteilung vermehrt die Bausteine, aus denen das Tierchen aufge- baut ist; das ungleichmäßige Wachstum führt zur Veränderung der Gestalt, zu Einfaltungen und Einstülpungen; durch histologische Differenzierung passen sich die einzelnen Zellkomplexe den verschiedenen Aufgaben an, wel- che ein jeder an seiner Stelle für den Organismus zu leisten hat; wir könnten hier fast von einer Arbeitsteilung sprechen. cfors y. TLeurp ^'Can. neun dors. vent. Fig. 14. Querschnitt durch eine Am- phioxuslarve. In der Mitte des Schnittes liegen in dorso-ventraler Richtung Me- duUarrohr, Chorda dorsalis und Darm übereinander. Rechts und links von MeduUarrohr, Chorda dorsalis und Darm liegen Coelomdivertikel. Da die Segmente des Amphioxus sich gegen- einander verschieben, sind die Seg- mente nicht an entsprechenden Stellen getroffen. Auf der linken Seite der Figur ist die Mitte eines Segmentes getroffen. Hier ist die Abgliederung des dorsalen Teils des Mesoderms bzw. Coeloms von dem ventralen noch nicht zu er- kennen, wohl aber auf der rechten Seite der Figur, auf der die Randteile eines Coelomdivertikels getroffen sind. Nach Hatschek. caud. vent. Fig. 15. Amphioxuslarve von der linken Seite bei durchfallendem Liebt ge- zeichnet, ap. apical (Kopfende), caud. caudal (Schwanzende), dors. dorsal (Rückenseite), veni. ventral (Bauchseite). Die langen Flimmern der Epi- dermis sind dargestellt. Das MeduUarrohr steht am Kopfende durch den vorderen Neuroporus {v. neurp.) mit der Außenwelt, caudal durch einen Canalis neurentericus (can. neuf.) mit der Darmhöhle in Verbindung. Durch die Mesodermsegmente schimmert die ventrale Wand des Medullarrohres, die Chorda dorsalis und die dorsale Wand des Darms durch. Zählen wir, indem wir von den Mesodermsegmenten absehen, die verschiedenen Ge- bilde in der Mittte der Larve in dorso-ventraler Reihenfolge auf, so haben wir zu nennen: i. die Flimmern tragende Epidermis der Rückenseite, 2. die dorsale Wand des Medullarrohres, 3. die ventrale Wand des Medullarrohres, 4. die Chorda dorsalis, 5 die dorsale Wand des Darms, 6. die ventrale Wand des Darms, ,7. die Flimmern tragende Epidermis der Bauchseite. Nacli Hatschek. Bemerkenswert ist, daß im allgemeinen die Entwicklungsvorgänge in cranio-caudaler Richtung fortschreiten. Wenn wir also im Kopfende einer Larve die Coelomdivertikel und die Chorda schon abgeschnürt finden, können wir doch auf einem Schnitt weiter caudal das Coelom und die Chordarinne noch mit dem Urdarm in Verbindung treffen, und noch weiter caudal ist vielleicht noch gar keine Differenzierung des primären inneren Keimblattes aufgetreten. Die Fig. l6, 17 und 18 sollen das erläutern. Fig. 16 stellt eine Amphioxuslarve von links und caudalwärts dar. Die Epidermis ist von der linken Seite abge- zogen, und man sieht Mesodermsegmente. Das MeduUarrohr ist bis auf den vorderen Neuroporus {v. neurp.) geschlossen. Die Fig. 17 und 18 stellen dieselbe Larve mit unverletzter Epidermis dar. In Fig. 17 ist entsprechend der in Fig. 16 mit a bezeichneten Stelle das caudale Ende der Larve abgeschnitten, und man blickt auf einen der Fig. 13 ähnlichen Querschnitt. In Fig. 18 ist nur das aller- caudalste Ende der Larve, entsprechend der in Fig. 16 mit h bezeichneten Stelle abgetragen, man sieht auf einen Querschnitt, welcher der Fig. il ähnelt. Auf Fig. 17 sehen wir die Chorda und die Coelomdivertikel abgegliedert, in 22' 340 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Fig. l8 steht die Chordarinne und stehen die Coelomdivertikel noch in Ver- bindung mit der Darmhöhle. vergieichung Nach diesem allgemeinen Überblick wenden wir uns nun dazu, das Re- '"wirbeitiere." sultat der Furchung, das Keimbläschen oder die Blastula in den einzelnen Wirbeltierklassen genauer zu betrachten. Wir stellen hier neben die Blastula des Amphioxus (Fig. 19 = l) die entsprechenden Stadien eines Amphibiums (Fig. 20), eines Knorpelfisches (Fig. 21), eines Reptils (Fig. 22) und eines Säu- gers (Fig. 23). Bei Fig. 21 muß man sich den großen Dotter ventral dazu den- ken. In der Fig. 22 A ist der Dotter zwar mit zur Darstellung gebracht, aber viel zu klein gezeichnet, die Verhältnisse bei Vögeln sind, weil sie ganz ähnlich caud Fig. 16—18 stellen die gleiche Amphioxuslarve dar, bei der in Fig. 17 das caudale Ende entsprechend der Linie a in Fig. 16, in Fig. 18 das caudale Ende entsprechend der Linie b abgetragen ist. Auf Fig. 16 ist die Epidermis der linken Seite entfernt. Man sieht auf die Larve bzw. ihre cranialen Stücke von caudal und links. a/>. apical (Kopfende), cattd. caudal (schwanzwärts), v. neurofi. vorderer Neuroporus. Fig. 19. Keimblase (Blas- tula) des A.mphioxus. aani- maler, v vegetativer Pol, FH. Furchungshöhle. Nach Hatschek. liegen wie bei den Reptilien, nicht bildlich dargestellt worden. Die Entwick- lung der Cyclostomen, von denen die der Neunaugen, der Petromyzonten, sich im großen und ganzen den Verhältnissen bei den Amphibien annähern, die der Myxinoiden noch verhältnismäßig wenig bekannt sind, übergehen wir, ebenso die Verhältnisse bei den Dipnoern, Teleostiern und Ganoiden. Die jetzt gut bekannte Entwicklung der Dipnoer, der Lungenfische, ist in ihren wichtigen Anfangsstadien der Entwicklung der Amphibien außerordentlich ähnlich, der Entwicklung der Knochenfische (Teleostier) und der Ganoiden hat zwar viele Eigentümlichkeiten, läßt sich aber prinzipiell sehr wohl mit der Entwicklung der anderen Fische und der Entwicklung der Amphibien in Einklang bringen. Es würde aber hier zu weit führen, auch auf die Entwicklung dieser aberranten Amphibien- Zweige der Wirbeltiere einzugehen. Betrachten wir nun zunächst die Blastula eines Amphibiums und vergleichen sie mit der des Amphioxus, so sehen wir den Unterschied zwischen den beiden Polen des Eies, dem animalen und dem vegetativen Pol, bei der Amphibienblastula sehr viel ausgeprägter. Die Zellen des vegetativen Poles sind groß und mit Dotter überladen, die des animalen klein, freilich auch nicht vollkommen dotterfrei. Die Furchungshöhle liegt exzentrisch, gegen den animalen Pol hin verschoben; an ihrem Boden liegen Einfluß des Dotters, die großeu, dotterhaltigen Zellen, ihre Decke wird von den kleinen Zellen ge- Die Blastulae der Wirbeltiere 341 bildet, die in der Regel in mehreren Lagen angeordnet sind; seitlich findet ein allmählicher Übergang von den kleinen relativ dotterarmen in die großen, dotterreichen Zellen statt. Das sind alles Unterschiede, welche sich zwanglos FH DrK DrK Fig. 20. Schnitt durch eine Blastula von Rana fusca. FH Furchungshöhle. Aus Hertwigs Handbucli der Entwicklungs- lehre. Fig. 21. Medianer Sagittalschnitt durch die Blastula eines Selachiers (Pristiurus). Rechts liegt das hintere Ende. DrK Dotterkerne, FH Furchungshöhle. Aus Hertwigs Handbuch der Entwicklungslehre. W- ■■:■ --^.mJ§t^^-- F i g. 23. Blastula eines Kaninchens, zv ein- fache Wand der Keimblase (Trophoblast vgl. S. 379 ff.), * Haufen der Embryonalzellen. Aus Hertwigs Handbuch der Entwicklungslehre. Nach E. VAN Baneden. Fig. 22. A Schnitt durch das ganze Ei eines Reptils. Am animalen Pol der abgefurchte Keim. Der Dotter ist im Ver- hältnis viel zu klein gezeich- net, ß Der animale Pol des- selben Eies bei stärkerer Ver- größerung. Der Keim ist am Rande noch nicht abgegrenzt. Mit Benutzung einer Figur von Vay. auf die größere Dottermitgift zurückführen lassen, die das Ei der Amphibien von seiner Mutter erhalten hat. Da diese bei den verschiedenen Amphibien sehr verschieden groß sein kann, kann man bei verschiedenen Arten und Fa- milien auch alle möglichen Abstufungen in den Unterschieden des dorsalen und ventralen Pols der Furchungsstadien des Eies und in der Exzentrizität der Furchungshöhle antreffen. Noch mächtiger als bei den Amphibien ist die Dotteransammlung im Ei der Selachier, der Knorpelfische. Da reichen die Selachier- gastrula. 242 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Kräfte der Zellteilung nicht hin, den größeren ventralen Teil des Eies in Zellen zu zerlegen. Der Boden der Furchungshöhle wird von einer nicht in Zellen zerlegten Masse gebildet, in der, besonders gegen den Rand des abgefurchten Keimes hin sich Kerne finden, von einem sogenannten Syncytium. Eigentlich ist die ganze unzerlegte Dottermasse mit diesen Kernen als ein solches Syncy- tium zu betrachten, das den Zellen am ventralen Pole der Amphioxus- und Amphibienblastula entspricht. Daß es die Übermenge des Dotters ist, welche diese Form der Blastula bedingt, bestätigt ein hübsches Experiment von O. Hertwig. Ändert man bei einem Froschei, das sich normalerweise ganz furcht, holoblastisch ist, die Verteilung des Dotters durch Zentrifugieren in der Weise ab, daß der Dotter ganz oder nahezu ganz an den vegetativen Pol geschafft wird, so nimmt das Froschei den meroblastischen Typus der Fur- chung an und seine Blastula erinnert an die der Eier, welche normalerweise meroblastische Furchung aufweisen. Wenden wir uns nun von der Selachierblastula zu der der Blastulae der Repriiien und ^^^r^^S^" Reptilien (Fig. 22) und Vögel, so scheinen bei diesen Blastulae zu- nächst durchaus gleiche Verhältnisse vorzuliegen wie bei der Fig. 24. Blastula eines Blastula der Sclachicr, der weitere Verlauf der Entwicklung ist Amphibiums. (Rana . iioiitt • ^ i-i tt i-i fusca). BUck aufden abcr SO abwcichcnd, daß doch Vorsicht bei der Vergleichung vegetativen Pol. ggboten crschcint. Vor allem darf die Furchungshöhle des Am- phioxus-, Amphibien- und Selachiereies nicht ohne weiteres der Höhle in der Reptilien- und Vogelblastula verglichen werden, denn während die Furchungs- höhle des Amphioxus, der Amphibien und der Selachier — auf besondere Ver- hältnisse bei Amphibien komme ich noch zurück — zu einem Spalt zwischen Ektoderm und Entoderm wird, geht die Höhle im Ei der Sauropsiden — unter diesem Namen faßt man Reptilien und Vögel zusammen — in die definitive Darmhöhle über. Was wir hier eben kurz für Reptilien undVögel, die Sauropsiden, Blastula ausführtcu, gilt noch in viel höherem Grade von der sogenannten Blastula auger. ^^^ Säugcr, uud wcnu nicht später bei allen Wirbeltieren ein Stadium vor- käme, in welchem der beim Amphioxus geschilderte Chordatentypus mit fast schematischer Deutlichkeit hervorträte, würde man vielleicht den Versuch gar nicht wagen, die verschiedenen Entwicklungsreihen im einzelnen zu vergleichen. Bei der Blastula der Säuger wird es außerdem nötig sein, doch auch hier noch einmal ihre Vorstadien kurz zu besprechen und die abweichenden Typen im Säugerstamme selbst hervorzuheben. Gastruiation Vcrfolgcu wir zuuächst die Vorgänge, welche bei den Amphibien zur Bildung der Keimblätter führen. An der ausgebildeten Blastula des Frosches (Fig. 24) ist der animale Pol, der bei dem innerhalb seiner Hülle im Wasser be- findlichen Ei nach aufwärts gekehrt ist, dunkel gefärbt, der vegetative weiß, unterhalb des Äquators gehen beide Färbungen allmählich ineinander über. Dieser Farbenunterschied wird durch ein körniges Pigment hervorgerufen, das sich in den oberflächlich gelegenen Zellen der animalen Halbkugel und bis über den Äquator hinüber vorfindet. Etwas unterhalb des Äquators sieht man kurze Zeit, nachdem die Blastula die Höhe ihrer Entwicklung erreicht hat^ Die Blastulae der Wirbeltiere. — Gastrulation bei Amphibien 343 eine Stelle, an der der dunkle und helle Farbenton sich scharf gegeneinander absetzen, und bei genauerem Zusehen erkennt man, wie hier ein feiner Spalt auftritt (Fig. 25). Dieser Spalt verlängert sich nach beiden Seiten und krümmt sich dabei nach der vegetativen Eihälfte hin (Fig. 26), bis schließlich ein voll- kommener Kreis zustande kommt, der ein helles Feld umschließt (Fig. 24). Die- ser Kreis wird allmählich kleiner und kleiner. Man bezeichnet ihn als Blasto- porus, Urmund; daß er dem Blastoporus des Amphioxus nicht ganz ohne wei- teres zu vergleichen ist, werden wir später sehen, wenn wir die kleinen Frosch- embryonen auf Schnitten untersuchen. An dem Urmund unterscheiden wir wie beim Amphioxus eine dorsale, eine ventrale und zwei seitliche Urmund- oder Blastoporuslippen. Das helle Feld, das im Bereiche des Urmunds zu sehen ist, nennt man den Dotterpfropf. Natürlich wird der Dotterpfropf ent- ,# 2S 26 27 28 2g Fig. 25 — 29. Gastrulationsstadien von Amphibieneieni teilweise mit Zugrundelegung der Modelle von Friedrich Ziegler. In den Figuren 25 — 27 sieht man direkt auf den Blastoporus ; in Fig. 28 und 29, bei denen die Anlage der Medullarplatte und der Medullarwülste aufgetreten sind, etwas von rechts her auf das caudale Ende der Embryonen. sprechend der Verkleinerung des Urmundes kleiner und kleiner. Vor der dor- salen Lippe bildet sich die Medullarplatte (Fig. 28), die sich rechts und links bald zu den Medullarwülsten erhebt (Fig. 29). D-e beiden Medullarwülste gehen vorn ineinander über und grenzen so das vordere Ende der zwischen den Medullarwülsten gelegenen Medullarrinne ab. Caudalwärts läuft die Medullar- rinne gegen die dorsale Lippe des Blastoporus hin aus. Gelegentlich kann man Urmundschiuß hier an der Stelle, wo sie die dorsale Urmundlippe trifft, eine kleine Kerbe fin- "' ™^ ' *^"' den. Man wird geneigt sein, in dieser Kerbe einen Hinweis darauf zu sehen, daß sich der Blastoporus in cranio-caudaler Richtung durch Concrescenz schließt, entsprechend wie es Hatschek und Hertwig für den Amphioxus an- nehmen. Schnittbilder lassen freilich nichts von einer Nahtbildung erkennen; doch weisen sowohl die Ergebnisse operativer Eingriffe an den Rändern des Blastoporus, wie vor allem gewisse Hemmungsbildungen darauf hin, daß das Material zur Bildung der rechten und linken Seite des Körpers, abgesehen vom eigentlichen, primären Kopfgebiet in den Rändern des Blastoporus zu suchen ist. Unterbleibt nämlich, wie das gelegentlich vorkommt, oder wie man es auch durch experimentelle Eingriffe erzielen kann, der Verschluß des Blastoporus und die Inkorporierung des Dotterpfropfes (Fig. 30) — O. Hertwig hat solche Bildungen beim Frosche Spinae bifidae genannt — , so liegen in den Rändern des Urmundes Medullär- und Chordaanlagen und weiter peripher die Urseg- mente. Schnitte durch solche Hemmungsbildungen geben Fig. 31A u. 31B. In Fig. 31 A, die einen Schnitt durch den Embryo der Fig. 30 vorstellt, hat sich das Mesoderm noch nicht in Ursegmente und ventrales Mesoderm gegliedert; 244 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere wir sehen jederseits von dem mächtigen Dotterpfropfe eine halbe Medullaranlage und unter dieser eine Chorda dorsalis, welche sich zwar abgerundet hat, aber nur einer halben Chorda entspricht. Fig. 31 B zeigt einen Querschnitt durch ein etwas älteres Stadium einer ganz ähnlichen Mißbildung. Hier haben die halben Medullaranlagen sich auch abgerundet und jede hat sich für sich geschlos- sen. Das Mesoderm ist hier bereits gegliedert, jederseits ist ein Ursegment ge- troffen. Normalerweise ist aber, wenn die Medullarwülste sich erheben, der Urmund schon ganz klein geworden und der Dotterpfropf im Inneren des Eies verschwunden. Die Medullarwülste wachsen einander entgegen und vereinigen sich über der Medullarrinne miteinander. Das geschieht zuerst in der Gegend mittleren oder caudalen Hirnabschnittes. Machen wir in ent- sprechenden Stadien Querschnitte, so finden wir hier zuerst ein geschlossenes Medullarrohr (Fig. 32), während weiter vorn und weiter caudal sich noch eine Medullarrinne findet. Das Schema Fig. 32 mag eine Vorstellung davon geben. Die Stellen, an denen das Medullarrohr am längsten often bleibt, liegen ganz am vorderen und am caudalen Ende des Embryo; Vorderer ""- -^ wir ncnucn sie den vorderen und den hinteren Neuroporus, und hinterer F»g-3o- Mißgebildeter , , .^t , •,• i , ,• Neuroporus. Froschembryo mit hoch- (jer caudalc Ncuroporus — das SCI hier schon erwähnt — liegt vom Rücken aus gesehen, nicht ctwa am caudalcn Ende der definitiven Rückenmarks- rastf;i£;ul°nTang anlagc überhaupt; denn die caudalen Teile des Embryo in die Kopfdarmhöhle, -werden durch einen Knospungsprozeß gebildet, der erst nach ur Urmundrand. . Aus hertwigs Handbuch Ycrschluß dcs Mcdullarrohrcs einsetzt. Ganz eigenartig und ungse re. .^j(,j^|-jg jjg^ (^g^gYgj-]^g^||-gj^ (jgj. ]yig^yllg^r.wülste Und dcr Mcdullar- platte zumBlastoporus. Die caudalen Enden der Medullarwülste wachsen näm- lich gegen die Seitenlippen des — wie schon hervorgehoben — ganz kleinen Blastoporus und (Fig. 28 u. 29) teilen diesen, indem sie schließlich miteinander verwachsen, in einen vorderen und in einen hinteren Abschnitt. Nur der vordere Abschnitt wird von den sich schließenden Medullarwülsten überwachsen und Canaiis stcllt, iudcm er nun das Medullarrohr mit dem Darm verbindet, einen Canalis "^Tftlr."''"'' neurentericus dar; der hintere Abschnitt wird zum After. Nicht immer bleibt während dieser Entwicklungsvorgänge der Canalis neurentericus durchgängig, und das gleiche gilt vom After. Man kann dann von einem neurenterischen Strang und wohl auch von einem Analstrang sprechen. Es ist das von unter- geordneter Bedeutung. Das wichtige ist, daß bei den Amphibien, wenn nicht immer ein Canalis neurentericus, so doch, wo ein solcher fehlt, eine durchaus ihm vergleichbare Bildung vorkommt, und daß der After aus dem hintersten Bereiche des Urmundes hervorgeht, wenn sich auch das Lumen des Blasto- porus nicht immer unmittelbar in das Lumen des Afters umbildet. Jedenfalls ist der After auf den Urmund, also mit auf das älteste Organ des Tierkörpers, Herausbildung zurückzuf ühreu, während der definitive Mund eine sekundäre, vielleicht sogar Köi^erfoTm tertiäre, verhältnismäßig neue Bildung ist. ^^^.^r^o^']''''"" Wenden wir uns jetzt der Herausbildung der äußeren Körperform bei Einfluß des •' o i Dotters. Amphibien zu, so sehen die Embryonen zur Zeit des Medullarrohrschlusses Canalis neurentericus u. After bei Amphibien. — Äußere Körperform u. Einfluß des Dotters 345 und schon vorher, je nach der Menge ihres Nahrungsdotters bei verschiedenen Amphibien recht verschiedenartig aus, selbst wenn ihre definitive Gestalt später eine recht ähnliche ist. Die Larve eines Frosches und die einer Geburts- helferkröte {Alytes ohstetricans) mögen als Beispiel dienen (Fig. 33 Au. 33B). Ms- Fig. 31 -'J. Querschnitt durch das hintere Drittel des Rumpfes der in Fig. 30 abgebildeten Mißbildung. Ch Chorda dorsalis, Ms Mesoderm, MP Medullarplattei {^Verbindungsstelle der MeduUarplatte mit dem Dotter. Aus Hertwigs Handbuch der Entwicklungslehre. Nach O. Hertwig. Fig. 31 i?. Querschnitt durch das vordere Drittel des Rumpfes, im Bereich der Urmundspalte, einer Mißbildung von Rana fusca. Ch Chorda dorsalis, äIR Medullarrohr, US Ursegraent. Aus Hertwigs Handbuch der Entwick- lungslehre. Nach O. Hertwig. dors vent. Fig- 32- Fig. 32. Schematischer Querschnitt durch einen Araphibienembrj'o mit ge- schlossenem Medullar- rohr. i/ors dorsal, ve)//. ventral, C/i. Chorda dor- salis, D//. Darmhöhle, MR. Medullarrohr, A/s. Mesoderm. Fig. 33^. Froschembryo mitRückenkrümmung und Schwanzknospe von der linken Seite her gesehen. Mau erkennt die Aulagen der Kiemenbogen. Aus Hertwigs Handbuch der Entwicklungslehre. Nach KOPSCH. Fig. 2J B. Embryo der Geburtshelferkröte (Aly- tes ohstetricans). Aus Hertwigs Handbuch der Entwicklungslehre. Nach Keibel. Fig- 33--'- Fig. 33^- Das Ei des Frosches erhält eine sehr viel geringere Dottermitgift als das Ei der Geburtshelferkröte. So wird zwar auch beim Froschembryo die Bauch- seite durch den Dotter kugelig vorgetrieben, aber die Menge des Dotters ge- nügt nicht, um ihm über die Gestaltung des Embryo die volle Herrschaft zu gewähren. Die Profillinie des Rückens erscheint konkav. Anders bei Alytes: bei ihm ist der ganze Embryo entsprechend der viel mächtigeren Dotterkugel ge- krümmt. Sehr viel auffälliger als zwischen den Eiern des Frosches und denen der Geburtshelferkröte ist der Unterschied an Dotterreichtum noch zwischen den Eiern verschiedener Urodelenarten — ich nenne als Beispiel dafür die Tritonen (Fig. 34 A) undNecturus (Fig. 34 B). Ganz besonders viel Dotter haben die Eier der blindschleichenartig gestalteten Gymnophionen. Hier macht sich der eigent- liche Embryo sozusagen zeitweise vom Dotter selbständig; er scheint auf einer 346 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Dotterkugel zu ruhen. So machen sich Verhältnisse geltend, wie wir sie später noch ausgeprägter bei den Selachiern und den Sauropsiden, d. h. den Repti- €L b /^ ^, d Fig. 34 ^- Eutwicklungsstadien von Triton alpestris. Aus Hertwigs Handbuch der Entwicklungs lehre. Nach van Bambeke. Fig. 34 Ä Embryonen und Larven von Necturus maculatus (Menobrauchus lateralis). Aus Heriwigs Handbuch der Entwicklungslehre. Nach Keibel. lien und den Vögeln, kennen lernen werden. Immer aber tritt bald ein wenig früher, bald ein wenig später das Kopfende und das Schwanzende deutlicher und deutlicher hervor, und mehr und mehr erscheint dann der Dotter als ein Anhängsel des mittleren Embryonalgebietes. Vor und unter der durch die Haftapparat. Die Körperausgestaltung" bei Amphibien 347 Kopfanlage hervorgerufenen Hervorragung legt sich die Mundbucht an. Sie .\iundbucht. ist begrenzt durch den Vorderkopf und durch die Anlagen der Unterkiefer- bogen, an denen sich bald mehr bald weniger deutlich auch die Anlagen der Oberkieferfortsätze entwickeln. Die Unterkieferbogen und die caudal von ihnen gelegenen Substanzwülste, die Kiemenbogen, sind bei dotterreicheren Eiern be- Kiemenbogen. reits zu erkennen, bevor das Kopfende sich als Ganzes deutlich abhebt (Fig.33 B). Man nennt den ersten Kiemenbogen als Anlage des Unterkiefers den Unter- kieferbogen oder Mandibularbogen, den zweiten Kiemenbogen wegen seiner Be- ziehung zum Zungenbein den Zungenbeinbogen oder Hyoidbogen, die caudal von ihm gelegenen die wahren Kiemenbogen. Beachtet man die Lageverän- derungen der Kiemenbogen, so erkennt man, daß die Herausbildung eines freien Kopfendes nicht nur auf einem einfachen Vor- wachsen des Vorderendes des Embryo beruht, sondern wesentlich auf einem Abfaltungsvorgange. Die Ent- wicklung eines besonderen Saug- und Haftapparates ^ / "^f^\ saug- und bei manchen Amphibien sei nur erwähnt, weil er bei unseren gewöhnlichen Fröschen gut entwickelt und leicht zu beobachten ist. Er beeinflußt hier zeitweise das Bild des vorderen Körperendes nicht unwesent- lich, um später, wenn er eine Zeitlang als larvales Organ gedient hat, spurlos zu verschwinden. Auf den wahren Kiemenbogen erscheinen, nach- ^'^s. 34 c. Embryo von Hypogeo- _ phis rostratus, einer Blindwühle. dem sie deutlicher geworden sind, kleine Knöpfchen, Aus hertwigs Handbuch der Ent- ,. , T^.. 1 1 .. n TT" • 1 wicklungslehre. Nach Brauer. die ZU den raden der äußeren Kiemen auswachsen. Kiemen. Diese zarten Gebilde werden beim Froschembryo später vom caudalen Rande des Hyoidbogens überwachsen und dadurch geschützt und zugleich der Betrach- tung von außen her entzogen. Die Höhle, in welcher sie liegen, bleibt nur durch eine kleine Öffnung mit der Außenwelt in Verbindung, um dem Wasser Abfluß zu gestatten, das der Atmung gedient hat. Inzwischen hat sich nämlich der Darm in der Tiefe der Mundbucht geöffnet und zwischen den Anlagen der Kiemenbogen sind Ausbuchtungen des Darms, die Kiementaschen, mit den Furchen zwischen den Kiemenbogen, den Kiemenfurchen, in Verbindung ge- treten. Nebenbei sei noch erwähnt, daß sich auch bei den Amphibien, solange die Körperdecken noch dünn sind, manche im Inneren gelegene Organanlagen auf der Oberfläche geltend machen können. So kann man nicht nur die Ur- segmente, sondern auch die Vorniere und den Vornierengang bei der Betrachtung von außen erkennen. Eine ausführlichere Würdigung soll dann noch die Rumpfschwanzknospe Rumpfschw finden. Die Hervorragung, welche das caudale Ende des Embryo ausmacht, knospe enthält, wenigstens in ihren dorsalen Bezirken, zunächst noch Gebiete, die später dem Rumpfe angehören. Während ventral die an ihrer Wurzel ge- legene Analanlage schon frühzeitig eine Grenze gegen den Rumpf ergibt, bleibt die Grenze zwischen Rumpf und Schwanz dorsal längere Zeit unsicher und kann nur mehr oder weniger willkürlich bestimmt werden. Daß der Schwanz- anz- 348 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere der Ampliibien. anläge nicht nur dorsale Elemente angehören, wie man wohl gemeint hat, er- gibt sich daraus, daß den Amphibien, wie allen Wirbeltieren bis zum Menschen Schwanzdarm, aufwärts, eine Darmanlage im Schwanzgebiet zukommt, der Schwanzdarm. Da wir hier im allgemeinen den Frosch, bei dessen Embryonen ja jeder viele der erwähnten Verhältnisse leicht nachprüfen kann, unserer Beschreibung Metamorphose zugrundc gclcgt habcu, muß auch noch seiner Metamorphose gedacht werden. Aus dem fischähnlichen Geschöpf mit dem langen Ruderschwanz, das der Volks- mund als Kaulquappe bezeichnet, wird zu gegebener Zeit ein lungenatmendes, vierbeiniges Wesen, das auch seinen Schwanz sehr bald einbüßt und nun erst ein amphibisches Leben führt. Haben wir so in großen Zügen die Körperausgestaltung eines Amphibiums verfolgt, so wollen wir jetzt unsere Kenntnisse vertie- fen. Den äußeren Veränderungen entsprechen na- türlich während der ganzen Ent- wicklung und be- sonders auch bei derMetamorphose wichtige im Inne- (fMML Fig. 35^. Medianer Sagittalschnitt durch ein Froschei in frühem Gastrulastadium. d.UML. dorsale Urmundlippe, FH. Fur- chungshöhle, UD Urdarm. Fig. 35 Ä Gastrula eines Axolotls, in der durch Pfeile die Richtungen der Zell- bewegungen angedeutet sind. Aus Hf.kt- wiGS Handbuch der Entwicklungslehre, rcn dcS KörpCrS. Nach KopscH. ttt- ,1 Wir wollen zu- nächst denen bei der Metamorphose hier einige Worte widmen, uns dann aber zu den grundlegenden Vorgängen wenden, welche in den frühen Zeiten der Entwicklung stattfinden. Schon der Verlust des Schwanzes ist nicht etwa nur ein äußerer Vorgang. Der Schwanz wird nicht abgeworfen, er wird resorbiert und sein Material im Interesse des kleinen Tieres verwendet. Noch mehr tritt der innerliche Charakter hervor bei der Anpassung des Blutkreislaufes an die Lungenatmung und vor allem bei der Umgestaltung, ja man kann sagen, dem Umbau des Darmes. Doch wenden wir uns jetzt zu den frühen Stadien zurück, in denen der Ur- Gastruiation "i^nd, sozusagcu das erste Organ des werdenden Tieres, sich bildet. Man hat die Vorgänge, welche in diesen frühen Entwicklungsstadien vor sich gehen, da- durch aufgedeckt, daß man die Eier und Embryonen in Reihen feiner Schnitte zerlegte, und aus diesen Schnitten nach verschiedenen Methoden das Verhalten der einzelnen Teile und des Ganzen wieder rekonstruierte. Auch hier werden schematische Abbildungen von Schnitten am besten Klarheit darüber geben, wie die Entwicklung verläuft. Fig. 35 A stellt einen medianen Sagittalschnitt durch ein Ei dar, bei dem die Einstülpung des Urdarms eben begonnen hat. d. UML ist die dorsale Urmundlippe; eine ventrale Urmundlippe ist noch nicht vorhanden. Man Innere Vorgänge bei der Gastrulation und Keimblattbildung bei Amphibien 349 kann zeigen, daß sich um die dorsale Urmundlippe Zellen in das Innere des Eies hineinschieben und dort verschwinden, und daß die dotterüber- ladenen Zellen der ventralen Eihemisphäre dem Urmundfelde zuströmen. Fig. 35B gibt ein Schema dieser Verhältnisse nach Kopsch, in dem die Richtung der Zellbewegungen durch Pfeile angedeutet ist. Vom Urdarm ist nur ein klei- ner, dorsaler Teil gebildet {UD). Die Furchungshöhle {FH) ist durch die ein- gestülpten Zellen bis dahin noch kaum eingeengt worden. Eine definitive Ab- grenzung eines äußeren und eines inneren Keimblattes ist noch nirgends ge- geben, weil selbst um die dorsale Urmundlippe herum ja ein Einwandern von Zellen in das Gebiet des Urdarms stattfindet. Immerhin wird man die bereits eingestülpten, den ersten Anfang des Urdarms begrenzenden Zellen schon als Entodermzellen betrachten dürfen und jedenfalls ebenso die im Inneren des Eies gelegenen dotterüberlade- nen Zellen. Beide Zellkategorien dürften im wesentlichen nur Epi- thelien des Darms und der Darm- drüsen entstehen lassen, wenn das auch für die Zellen, welche an die dorsale Urmundlippe grenzen, nicht ganz sicher ist. Ektodermzellen sind ihrer prospektiven Bedeutung nach die Oberflächenzellen in eini- fi.^-/- Medianer SagUtaischnitt durch eine Froschgast^^^^^^ bei der sich auch die ventrale Urraundhppe gebildet hat. ger Entfernung von der dorsalen ca. Chorda dorsales, dp/. Dotterpfropf, d.UML. dorsale Ur- . . 1 ■• mundlippe, FH^ und FH^ Reste der Furchungshöhle, i/Z>. Ur- Urmundlippe bis weit abwärts darm, v.UML. ventrale Urmundlippe, a—a deutet die Lage gegen die weiße Hemisphäre hin. des in Fig. 37 wiedergegebenen Schnittes an. (Schema.) Vergleichen wir mit dem eben betrachteten nun einen medianen Sagittal- schnitt durch ein Stadium, in welchem sich der ganze Rand des Urmundes ge- bildet hat (Fig. 36). Wir sehen jetzt auch die ventrale Urmundlippe {v. UML). Während diese noch primitive Verhältnisse darbietet, sind an der dorsalen Ur- mundlippe Veränderungen eingetreten. Zunächst sei hervorgehoben, daß auch, nachdem keine Einstülpung von Zellen um sie herum mehr stattfindet, eine scharfe Grenze von Ektoderm und Entoderm an der dorsalen Urmundlippe nicht gegeben ist. Wir haben an ihr eine Indifferenzzone, von der aus Ektoderm und Entoderm und alsbald auch eine zwischen beiden gelegene Zellschicht ent- stehen. Diese mittlere Keimschicht wird gerade an der Stelle, an der ihre An- lage hier im Schnitte getroffen ist, zur Chorda dorsalis, die wir schon beim Am- Chorda dorsaiis. phioxus als primitives ungegliedertes Achsenskelett kennen gelernt haben. Rechts und links davon läßt sie das paarige Mesoderm entstehen. Die wich- tigsten Beziehungen, welche die Chorda dorsalis alsbald zum Entoderm gewinnt, noch mehr aber ihre ja schon besprochene Entwicklung bei Amphioxus haben dazu geführt, daß man sie vielfach allgemein als einen Abkömmling des Ento- derms auffaßt; unsere weiteren Betrachtungen werden zeigen, daß die Ver- hältnisse nicht so einfach liegen. 350 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Die Tiefe des Urdarms hat bedeutend zugenommen. Am tiefsten ist er im Bereich der dorsalen Urmundlippe; von dort nimmt er nach rechts und links allmähhch an Tiefe ab und ist im Bereich der ventralen Urmundlippe ein seichter, enger Spalt. Ob die Ausdehnung der Urdarmhöhle allein der im Bereiche des Urmundes erfolgenden Einstülpung zuzuschreiben ist, oder ob auch Spaltungsvorgänge im Bereiche des Entoderms vorliegen, darüber sind die Mei- nungen noch geteilt und darüber werden bei verschiedenen Amphibien ver- schiedene Angaben gemacht. Fast scheint die Menge des Nahrungsdotters da- bei eine Rolle zu spielen, und es scheinen bei größerer Dottermenge die Auf- spaltungen ausgedehnter zu sein. Gleichzeitig mit der Tiefe des Urdarms nimmt, wenn wir die Urmundlippe von der Mitte aus nach rechts und links verfolgen, auch die Bildung des Mesoderms ab; im Gebiet der ventralen Urmundlippe ist noch kein Mesoderm vorhanden. Ein in anderer Richtung durch das Ei gelegter Schnitt wird uns das veranschaulichen (Fig. 37) ; doch wenden wir, bevor wir diesen betrachten, unsere Aufmerksam- keit noch der Furchungshöhle zu, wie sie in Fig. 36 dargestellt ist. Der Rest der Furchungshöhle besteht erstens aus einem feinen Spalt, der zwischen Ekto- derm und Entoderm liegt {FH-^) und zweitens aus einem Abschnitt [FH^, der mehr oder weniger tief zwischen die dotterbeladenen Zellen des Entoderms eingesenkt ist. Dieser letztere Teil der Furchungshöhle [FH^ kann, und das ist theoretisch interessant, ent- weder verschwinden oder aber die Entodermschicht, welche ihn von der Ur- Bedeutung der darmhöhlc trennt, verdünnt sich mehr und mehr und reißt schließlich durch. In diesem Falle trägt ein Teil der Furchungshöhle zur Vergrößerung der Ur- darmhöhle bei. Diese Vorgänge zeigen, daß der kurz zuvor erwähnten Streit- frage, ob die Urdarmhöhle allein durch Einstülpung entsteht, oder sich auch noch durch Spaltbildung im Bereich des Entoderms vergrößert, keine allzu- große theoretische Bedeutung zukommt. Es kommt beim Urdarm mehr darauf an, von welchen Zellen er gebildet wird, als darauf, wie diese sich zum Hohl- raum gestalten. Besonders beim Wirbellosen läßt sich dieser Satz durch viele Beispiele belegen. Hier entsteht das Entoderm, und zwar bei im System nahe- stehenden Tieren bald durch Invagination, bald durch Immigration oder durch Delamination. Betrachten wir jetzt Fig. 37. Diese stellt einen Schnitt durch das gleiche Amphibienei dar, nur senkrecht zu der Schnittebene der Fig. 36, derart, daß er durch die beiden lateralen Blastoporuslippen geht und im all- gemeinen das Ei in eine dorsale und ventrale Hälfte teilt. Wir sehen da die iUML Fig. 37. Schnitt durch die lateralen Urmundlippen einer Froschgastrula (Schema). Die Lage des Schnittes ist in Fig. 36 als Linie a—a eingetragen. DP/. Dotter- pfropf, FHf und jp/4 Reste der Furchungshöhle, /. UML. laterale Urmundlippe, Ms. Mesoderm, UD. Urdarm. Urdarmhöhle. Keimblattbildung bei Amphibien 351 quergeschnittenen beiden lateralen Urmundlippen {l. UML) mit ihren In- differenzzonen, zwischen Ektoderm und Entoderm, von denen die mittlere Keimschicht, das Mesoderm [Ms.), seinen Ursprung nimmt. Rechts wie links zu beiden Seiten des Dotterpfropfes (DPf.) gelangt man in den Urdarm (UD), der hier weniger tief als im Bereiche der dorsalen Urmundlippe, aber tiefer als in dem der ventralenUrmundlippe ist. DieFurchungshöhle ist zweimal getroffen; beide Teile stehen, wie der mediane Sagittalschnitt zeigt, noch miteinander in Zusammenhang; der spaltförmige Teil ist mit F//j^ bezeichnet, der andere FH^ erscheint bei dieser Schnittrichtung rings -^ /^^====4=Ä MRi. von dotterbeladenenEn- todermzellen umgeben. Betrachten wir nun ein älteres Stadium, und zwar ein solches, bei dem sich der Urmund bereits stark verkleinert hat und die Anlagen der Medullarwülste deutlich geworden sind, und den- ken uns durch einen sol- chen Embryo (Fig. 38A) einen Schnitt senkrecht zu seiner Längsachse entsprechend der Linie a — a gelegt. Die Ebene dieses Schnittes würde auch senkrecht zu den Ebenen der in den Fig. 36 und 37 dargestellten Schnitten liegen. Das äußere Keimblatt [Ekt.) sehen wir hier in die Anlage der primären Epidermis und in die Anlage der Medullarplatte gegliedert. In der Mitte der Medullarplatte liegt die Medullarrinne (MRi.), die rechts und links von den Medullarwülsten {MW) begrenzt wird. In der Medullarplatte ist die Anlage des Die MeduUar- gesamten Nervensystems enthalten, sowohl die des Rückenmarkes und des Ge- hirns als die des Sympathicus und der peripheren Nerven, und zwar nicht nur die Anlage der Nervenzellen und der von ihnen ausgehenden Fortsätze und Fasern, sondern auch die des eigentümlichen Stützgewebes des zentralen Nervensystems, derNeuroglia, und der Schwannschen Scheiden der Nervenfasern. Entfernt man in diesem, oder in einem etwas älteren Stadium die Medullarplatte, oder das aus ihr entstehende Medullarrohr, so kann sich der Embryo unter gewissen Be- dingungen doch weiter entwickeln, es entsteht dann aber eine nervenlose Bildung. Unter der Mitte der Medullarplatte liegt die Anlage der Chorda dorsalis {Ch.). Die Die Chorda Q o rs 3.1m Chordaanlage ist jetzt in das Entoderm {En.), welches die Decke des Darms {D) Fig. 38^ und B. Schemata. A Amphibienembryo, in den die Schnittrichtung und -stelle von Fig. 38 B als Linie a — a eingetragen ist. AIIV Medullarwülste. B Schnitt durch den Amphibienembryo 38 A entsprechend der Linie a — a. C. Coelom, Ch. Chorda dorsalis, D. Darm, Eti. Entoderm, Eji. Epidermis, MRi. Medullarrinne, MIV. MeduUarwulst, p.Ms. parietaler Mesoblast, v.Ms. visceraler ]\Iesoblast. 35: Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere bildet, eingeschaltet, und das Lumen der Darmanlage setzt sich in eine Rinne auf Die Darmhöhle, der Chordaanlage fort. Die Darmhöhle ist direkt aus der Lichtung des Urdarms entstanden. Während ihr Dach dünn ist und aus einer Reihe kleinerer, feinere Dotterkörner enthaltenden Zellen besteht, wird ihr Boden von großen, mit groben Dotterkörnern erfüllten Zellen gebildet, welche gehäuft übereinander liegen. Rechts und links finden wir in dem Raum, welcher von der Medullaranlage und der primitiven Epidermis auf der einen und von der Chordaanlage und dem En- toderm auf der anderen Seite begrenzt ist, jederseits das mittlere Keimblatt, DasMesoderm das Mesodcrm {Ms.). Es steht auf diesem Schnitt weder mit der Chordaanlage und Coelom. MW. Fig. 39. Schema für die Entwicklung der Keimblätter bei Amphibien. C. Coelom, Ch. Chorda dorsalis, ChRi. Chorda- rinne, D. Darm, En. Entoderm, Ep. primitive Epidermis, MRi. MeduUarrinne, MIV. Medullarwulst, /.il/j. parietaler Mesoblast, v.Ms. visceraler Mesoblast. noch mit dem Entoderm in Verbin- dung, wohl aber ist das auf Schnit- ten weiter caudalwärts, gegen den Urmund hin der Fall. In dem Me- soderm entsteht ein Spalt, der zum primitiven Coelom [C] wird, und ihn in ein parietales und ein visce- rales Blatt gliedert (/>. Ms. und v.Ms.). Eine Verbindung dieses Spaltes mit der Darmhöhle, dort wo die Mesodermanlage einerseits an die Chorda, andererseits an das Entoderm stößt, läßt sich auch auf weiter caudalgelegenen Schnitten mit Sicherheit nicht nachweisen, doch glauben angesehene Forscher Spuren einer solchen gesehen zu haben. Nehmen wir eine deutliche Verbindung des primitiven Coeloms mit dem Darm an, so würden wir ein Bild erhalten, wie ich es in Fig. 39 gebe. Ich brauche nur auf Fig. 10 zu verweisen, Vergleich mit wclche ciuen Schnitt durch einen Amphioxusembryo darstellt, um die theoreti- sche Bedeutung unserer Konstruktion augenfällig zu machen. Wir haben in Fig. 39 in der dorsalen Wand des Darms Bildungen, welche der Chordarinne und den beiden Coelomdivertikelndes Amphioxus durchaus vergleichbar erscheinen. EinsolcherVergleich ist auch sicherlich gerechtfertigt; freilich liegen die Verhält- nisse nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint, und wie man lange geglaubt hat. Hier hebe ich nur hervor, daß die Chorda bei den Amphibien wohl nicht primär in das Entoderm eingeschaltet ist, daß eine deutliche Verbindung der primären Coelomhöhle mit der Darm- bzw. Urdarmhöhle sich nicht nachweisen läßt, und daß, was noch wichtiger ist, das Mesoderm zunächst nicht von der dorsalen Wand des Darms, sondern von den Urmundlippen aus seine Ent- stehung nimmt. Verweilen wir einen Augenblick gerade bei letzterem Verhalten, so kann bei Amphibien das Mesoderm, das vom Urdarm aus entsteht, falls es überhaupt vorkommt, nur geringfügig sein gegenüber dem, das vom Urmund- rande aus seinen Ursprung nimmt. Nennen wir das Mesoderm, soweit es vom Amphioxus. Vergleich zwischen der Keimblattbildung bei Amphibien und bei Amphioxus 353 Urdarm aus entsteht, gastrales Mesoderm, das vom Urmund aus entstehende peristomales Mesoderm, so haben also die Amphibien wenig oder kein gastra- les und viel peristomales Mesoderm. Der Amphioxus hat nur gastrales, kein peristomales Mesoderm. Ich komme auf diese Verhältnisse später zurück und betone hier zunächst nur noch, daß gastrales und peristomales Mesoderm unmittelbar ineinander übergehen und weiter, daß bei solchen Amphibien, bei denen richtiges gastrales Mesoderm vorkommt, die das Dach der Urdarmhöhle bildenden Zellen nicht alle eigent- liche Entodermzellen sind, sondern daß auch Mesodermbildungszellen mit invaginiert wurden. Erst nach- dem diese ausgeschieden sind, um das gastrale Mesoderm zu bilden, sind die übrigbleibenden Zellen das Bildungsmaterial für das Epithel des Darms und der Darmdrüsen. Ein in entsprechender Rich- tung wie Fig. 38 angelegter Schnitt durch einen älteren Embryo (Fig. 40) zeigt uns dann die Gliederung des Coeloms und die Bildung der Ursegmente. Gleichzeitig ist der Verschluß der Medullarrinne zum Medullarrohr zu verzeichnen. Die Chorda ist vom Darm abgegliedert. Fig. 40. Qaerschuitt durch die Ursegmentregion eines Am _,, 1 r ■!• -C- J phibienembryo mit geschlossenem Medullarrohr (Schema). ich brauche nur aut die t* ig. 13 Una ^ definitives Coelom, steht noch durch einen Spalt mit der 14 ZU verweisen, um zu zeigen, wie Ursegmenthöhle in Verbindung CJ Chorda dorsalisZ? Darm ^ ' i3 } j7„ Entoderm, Ep. pnmare Epidermis, MR. Medullarrohr, sehr diese Vorgänge bei Amphibien SpCgl. Spinalgangüon, enthält auch die Anlage von sympathi- i_ • A U • sehen und sogenannten chroraaffinen Zellen, sowie die Zellen den entsprechenden bei Amphioxus für die scheiden der Nervenfasern, welche man als Schwannsche \7Prcrlpinhhar ^inrl Als eine ReSOn- Scheiden bezeichnet, p.Ms. parietales Blatt des Mesoderm, VergieiCnOar Sina. /\1S eine OebOIl ^^ Ursegment, inneres Blatt, USH. Ursegmenthöhle, v.Ms. derheit der Amphibienentwicklung viscerales Blatt des Mesoderm, VN. Anlage der Vorniere bzw. . des Vornierenganges. sei hervorgehoben, daß das viscerale Blatt des Mesoderms sich im ventralen Bereich sehr innig an das Entoderm anlegt, ja daß die Zellen beider sich gegenseitig zu durchwachsen scheinen. So ist eine Abgrenzung zwischen Mesoderm und Entoderm in diesem Gebiet zeitweilig unmöglich. Da nun gerade hier das Blut und die ersten Gefäße auf- treten, ist es außerordentlich schwierig anzugeben, ob bei Amphibien der Ur- sprung des Blutes und der Gefäße auf das Mesoderm oder auf das Entoderm zurückzuführen ist, wie überhaupt die Entwicklung des Blutes ein überaus schwieriges und vielfach noch strittiges Gebiet bildet. Zur weiteren Erläuterung der besprochenen Entwicklungsvorgänge sollen dann noch drei mediane Sagittalschnitte dienen. Fig. 41 gibt den medianen Sagittalschnitt durch einen Embryo, bei dem sich das Medullarrohr erst im cranialen Bezirke geschlossen hat. Die dorsale und die ventrale Blastoporus- K. d. G. III. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. II 23 Gliederung des Coeloms. Bildung der Ursegmente. Entwicklung des Blutes. 354 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbehiere lippe [d. UML und v. UML) sind einander stark genähert, der Dotterpfropf (DPf.) ist ganz klein geworden und im Begriff sich in das Innere zurückzuziehen. aors. n. cl.UNL -DPf. caud. Ep. Fig. 41. Medianer Sagit- talschnitt durch einen Am- phibienembryo mit vorn («/.) geschlossenem,hinten(.Ms. parie- tales Blatt des Me- soderms, US. Ur- segment. Nun dauert es nicht mehr lange, dann ist der ganze Dotter überwachsen, Dottersack, und der Dottersack ist ventral geschlossen, eigentlich kann man erst jetzt von einem richtigen Dot- tersack sprechen. Fig. 49 zeigt einen solchen Embryo. Erschien zu- nächst die Embryonal- anlage als kleine Erhe- bung auf dem mächti- gen Dotter, so kehrt sich mit zunehmendem Wachstum des kleinen Tierchens das Verhal- ten allmählich um. Mit seinem Wachstum wird die reiche Dottermit- gift, welche im Dotter- sack angehäuft ist, aufgebraucht, d. h. in verarbeiteter Form in den Embryonalkörper übergeführt. So er- scheint schließlich der Dottersack als ein An- hang. Der Inhalt des Dottersacks tritt übri- gens nicht durch den Ductus vitello-intesti- nalis allmählich in den Darm über, um dort verdaut und in den Embryo aufgenommen zu werden, sondern die Verdauung des Dotters erfolgt durch das Ento- derm des Dottersackes selbst; die von dem En- toderm verarbeiteten Nährsubstanzen wer- den von dem reichen Gefäßnetz des Dottersacks aufgenommen und dem Tierchen zugeführt. Mit dem Schwinden seines Inhalts wird der Dottersack schließhch ganz in den Em- bryonalkörper aufgenommen. Bei manchen Haien hat er vorher freilich noch eine wichtige Funktion zu erfüllen. Es gibt Haifische, welche lebendige Junge Ms. — C .p Ms. -Ekt 36^ Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere zur Welt bringen; bei ihnen dient der Dottersack, der sich innig an die Schleim- haut des Eileiters, oder, wie wir hier auch schon sagen können, des Uterus, anlegt, ein Organ, das Nährstoffe aus dem mütterlichen Körper bezieht und sie dem Embryo zuführt. Wir haben hier also bereits bei manchen Haifischen eine Placentabildung vor uns, eine Dottersackplacenta. Erläutern wir nun die besprochenen fundamentalen Entwicklungs- vorgänge der Selachier noch durch einige Schnittbilder. Fig. 50 A stellt einen medianen Sagittalschnitt durch ein Selachierei im Übersichtsbilde Fig. 49. Torpedoembryo mit geschlossenem Dottersack, da Dotterarterie, dv Dottervene, rs Randsinusrest als paariges Längsgefäß an der Schlußlinie des Dotterloches. Aus Hert- WIGS Handbuch der Entwick- lungslehre. Nach RüCKEKT. Fig. 50 yi u. B. Mediane Sagittalschnitte durch eine junge Selachiergastrula. A Schnitt durch das ganze Ei. Übersichtsbild. B Schnitt durch den Keim und »eine nächste Umgebung. Dr. Dotter, d.UML. dorsale Urraundlippe, FH. Fur- chuugshöhle, L'D. Urdarmhöhle. dar, bei dem soeben die Abgrenzung der Keimscheibe gegen den Dotter, also die Bildung der dorsalen Urmundlippe, begonnen hat, Fig. 50 B den Keim bei stärkerer Vergrößerung, d. UML ist die dorsale Urmund- lippe. Unter ihr liegt die noch kleine Höhle des Urdarms {UD). Unter der epithelial angeordneten oberen Zellage des Keimes finden wir die Furchungs- höhle {FH). Den Boden der Furchungshöhle bildet eine Protoplasmaschicht, in die je tiefer man kommt desto mehr Dotterkörner eingelagert sind, bis bald jede Spur des Protoplasmas verschwindet und man nur noch die gehäuften Dotterkörner erkennen kann. Außerdem finden wir in der Protoplasmaschicht Zellkerne, besonders zahlreich am vorderen und hinteren Rande des Keimes. Die Gastruiation Vergleichen wir die Fig. 50 A u. B mit Fig. 35 A, welche den medianen Sagittal- ve^rgiichen m[t schuitt durch eine junge Amphibiengastrula darstellt, so ergibt sich, daß bei der der Am- Sclachiem uud Amphibien prinzipiell die gleichen Verhältnisse vorliegen, wir können die Fig. 50 A u. B aus der Fig. 35 A durch Anhäufung größerer Dotter- massen in der vegetativen Hälfte des Eies leicht ableiten. Ganz entsprechend Vergleich der Gastrulation bei Selachiern mit der bei Amphibien 3(>3 liegen die Verhältnisse bei einem etwas älteren Selachierei, bei dem auch die ventrale Urmundlippe deutlich geworden ist (Fig. 51); man kann es leicht auf ein etwas älteres Amphibienei zurückführen, wie ein solches Fig. 36 im Sagit- talschnitt zeigt. Ein wenig kompliziertere Verhältnisse finden wir in dem in Fig. 52 B wiedergegebenen Schnitt, für den Fig. 52 A eine Situationsskizze gibt. BS. Ekt. En. d.UML Fig. 51. Medianer Sagittalschnitt durch den in Fig. afi A abgebildeten Selacliierembryo. DS. Kerne des Dotter- syncytium, d.UML. dorsale Urmundlippe, Eki. Ektoderm, En. Entoderm, UD. Urdarm. Aus Hektwigs Handbuch der Entwicklungslehre. Nach Zieglek. Wir müssen, um sie zu verstehen, die Fig. 37, 38 und 39 von der Amphibien- entwicklung heranziehen und, sozusagen, kombinieren. Legen wir einen Schnitt entsprechend der Linie c — c, also vor der Anlage des eigentlichen Embryo, durch den Keim ■ — die „ Fig. 52yi— C Selachierkeira mit Medullarrinne. A Skizze des Keimes, in den die Lage von B und C durch die Linien b — b und c — c eingetragen ist. CA. Chorda dorsalis, Z^r. Dotter, Ekt. Ektoderm, En. Entoderm, g.Ms. gastrales Mesoderm, /. 1: y/Z. laterale Urmundlippe, yl/Ä'. Medullarrinne, IVALMe- dullarwulst, psf.Iils. peristomales Mesoderm. MW. pst Ms. ,A.UML. Dr Ekt pst. Ms. L.UML Fig. 52 gibt das Schemaeines sol- chen — , so erhal- ten wir ein Bild, das wir unmittel- bar der Fig. 37 vergleichen kön- nen. Auf ihm sind die beiden B lateralen Blasto- poruslippen ge- troffen, an denen man eine, freilich nur flache, Ga- strulaeinstülpung wahrnimmt. An der Indifferenzstelle, die sich zwischen der äußeren und der inneren Keimschicht findet, wuchert Mesoderm zwischen die beiden primären Keimblätter und hier kann es zur Ausbildung einer kleinen Kerbe kommen. In der Fig. 52 B sehen wir nun in der Mitte des Schnittes noch den Querschnitt durch die Embryonal- anlage. Sie bietet Verhältnisse dar, welche an die der Fig. 38 (bei Amphibien) erinnern, nur ist das Mesoderm mit Chorda und Entoderm im Zusammenhange. Wir haben hier ausgesprochenes gastrales Mesoderm, das peripherwärts vor- wächst, um nach einiger Zeit auf das von der Peripherie — vom lateralen Ur- mundrande — auswachsende Mesoderm zu treffen und mit ihm zu verschmel- zen. Ist das geschehen, so bietet sich uns ein Bild dar, wie es Fig. 53 gibt. Im Mesoblast tritt dann wie bei den Amphibienembryonen die Coelomspalte auf. Wenn es sich dabei auch ebensowenig wie bei den Amphibien um eine 364 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere MRL deutliche Coelomeinstülpung handelt, so läßt sich doch aus Fig. 53 leicht ein Fig- 39 entsprechendes Bild konstruieren, welches darauf hinweist, daß die Vorgänge bis zu einem gewissen Grade vergleichbar sind. Die weitere Ent- wicklung verläuft bei Selachiern ganz entsprechend wie bei den Amphibien. Fig. 54 soll das erläutern, sie ist ohne weiteres mit Fig. 40 zu vergleichen. Das Medullarrohr ist geschlossen, die Chorda ist vom Entoderm gesondert, das Mesoderm hat die Ursegmente gebildet, deren Höhlen mit dem peripheren Coelom noch durch feine Spalten in Verbindung stehen. Wir wollen die Ent- wicklung nicht weiter und nicht im einzelnen verfolgen. Schon jetzt ist klar, daß wie die Entwicklung der Amphibien sich aus der des Amphioxus durch Dotterzunahme ableiten läßt, so in der Hauptsache auch die Entwicklung der Selachier aus der der Amphibien. Es sei übrigens ausdrücklich hervorgehoben, daß, wenn ich hier von ,, ableiten" spreche, ich damit über die Phylogenie durchaus nichts MW. aussagen will. Es ,'- ^^ soll weder be- --' ' pst Ms hauptet werden, l.UML. daß die Amphi- ^■''^' bien von Amphi- oxus ähnlichen Vorfahren ab- Fig- 53- Schematischer Querschnitt durch einen Selachierkeim, bei dem gastrales und peristomales Mesoderm sich vereinigt haben. C/i. Chorda dorsalis, Dr. Dotter, g.AIs. Stammen, nOCn gastrales Mesoderm, i.UAIL. laterale Urmundlippe, MRi. Medullarrinne, MW. Medullär- /^oft c\\e- ^plarViipr wulst, psi.Ms. peristomales Mesoderm. von Amphibien ähnlichen. Es soll nur gesagt werden, daß bei Amphioxus, Amphibien und Selachiern der gleiche Entwicklungsplan vorliegt, nur abgeändert durch die Einfluß des größcrc oder geringere Menge des Dotters. Die Entwicklungsvorgänge lassen sich auf die gleichen Grundprinzipien zurückführen, die größere Dottermenge hat dann freilich nicht allein die grobmorphologischen Verhältnisse beeinflußt, sondern hat auch auf den zeitlichen Ablauf der Entwicklung ihren Einfluß geübt. Hervorgehoben sei für die Selachier das Verhalten von gastralem und peristomalem Mesoderm. Das gastrale Mesoderm ist gut entwickelt, steht aber caudalwärts in unmittelbarem Zusammenhange mit dem peristomalen, und ein prinzipieller Unterschied zwischen diesen beiden Teilen des Meso- derms wird kaum anzunehmen sein. Hat die Vergleichung zwischen den grundlegenden Entwicklungsvor- gängen beim Amphioxus, bei den Amphibien und den Selachiern keine be- sonderen Schwierigkeiten dargeboten und, wir können hinzufügen, daß das, was wir hier für Amphibien und Selachier ausgeführt haben, im wesentlichen auch von den Petromyzonten, Teleostiern, Ganoiden und Dipnoern gilt, so ergeben sich sehr bedeutende Schwierigkeiten, sobald wir zu den Vögeln und Reptilien, den Sauropsiden, kommen. Die Sauropsiden. Am Eudc der Furchung scheinen die Eier der Reptilien und Vögel ganz ähnliche Verhältnisse darzubieten wie die der Selachier. Der kleine Hohlraum Einfluß des Dotters. — Keimblattbildung bei Sauropsiden 365 aber, welcher am Ende des Furchungsprozesses unter dem Keim der Saurop- siden sich vorfindet, verschwindet nicht, wie die Furchungshöhle der Selachier, sondern geht direkt in die Darmhöhle über. Und weiter: während der Rand des Selachierkeimes sich durch einen deutlichen Invaginationsvorgang von dem Dotter absetzt, finden wir nichts derartiges bei den Sauropsiden. Die obere Keimschicht steht hier mit der unteren, das Ektoderm mit dem Entoderm in keinerlei Zusammenhang. Jedes der beiden Keimblätter umwächst die Dotterkugel selbständig, das Ektoderm geht voran, das Entoderm folgt. Bei den Sauropsiden hat auch der Rand des Keimes bei der Entstehung des Meso- derms keinerlei Bedeutung. Das Mesoderm entsteht in einer noch näher zu besprechenden Weise im Inneren des Keimes, und sein freier Rand wächst gegen den Rand der Keimscheibe aus, ohne ihn je zu erreichen. Während dann bei den Selachiern die Embryonalanlage am Rande des Keimes entsteht, nimmt sie bei den Sauropsiden im Inneren des Keimes ihren Ms. ■ l.UATL TT ,. . Ursprung, und trotz aller Versuche, bei denVögeln undRep- tilien in frühen Sta- dien einen Zusam- menhang der Em- bryonalanlage mit dem Rande der Keimscheibe nachzuweisen, ist das bis dahin nicht geglückt. Bevor wir auf die Deutung dieser Verhältnisse eingehen, wollen wir sie ein wenig genauer beschreiben. Gehen wir von dem Ei am Ende der Furchung aus (man vergleiche Fig. 22), so sehen wir, daß sich zunächst die Zellen an der Ober- fläche des Keimes epithelartig anordnen, dann auch die tieferen, so daß nun ein zweischichtiger Keim entsteht Fig. 55 A und B. Bei den Reptilien unterbleibt an der Stelle, an welcher später der sogenannte Primitivknoten auftritt, die Sonderung des Keimes in zwei Schichten, bei Vögeln ist sie vollständig. Unter den beiden Schichten, die mit ihren Rändern beide selbständig peripherwärts wachsen, liegt eine Höhle, die wir als subgerminale Höhle bezeichnen wollen, da sie nach ihrem Verhalten zu den beiden Keimschichten als Furchungshöhle nicht bezeichnet werden kann. Unter den Rändern des Keimes und am Boden der subgerminalen Höhle finden wir in Protoplasma eingebettete Kerne, ganz ähnlich wie wir das bei Selachiern, freilich dort am Boden der Furchungshöhle, kennen lernten. Von der verdickten Stelle des Reptilienkeimes, an der sich die beiden primär entstehenden Keimschichten nicht gesondert haben, dem Primitiv- knoten {PrKn.), findet nun eine Einstülpung statt, die bei manchen Reptilien ziemlich beträchtlich ist. Der Primitivknoten liegt dem hinteren Rande des Keimes genähert. Nebenbei sei bemerkt, daß man nicht erst jetzt, sondern Umwachsen des Dotters. ?-^*ss|^.> F i g- 54- Querschnitt durch die Ursegmentregion eines Selachierembryos mit ge- schlossenem Medullarrohr. (Schema.) C. Coelom, C/t. Chorda dorsalis, D. Darm, £k^. Ektoderm, £n. Entoderm, LUML. laterale ürmundlippe, MR. Medullarrohr, Ms. Mesoderm, p.Ms. parietales Blatt des Mesoderm, S^Gl. Spinalganglion, US. Ur- segment, USH. Ursegmenthöhle, v.Ms. ventrales Blatt des Mesoblast, VN. Vorniere. Subgerminale Höhle. Reptilien. Primirivknoten. 366 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Mesoderm- säckchen. schon am Ende der Furchung an der Größe und Anordnung der Zellen die Symmetrieebene des Keimes erkennen kann. In der Fig.56 A ist die Ausdehnung der Einstülpung durch eine punktierte Linie angegeben. Machen wir durch einen solchen Keim an der durch die Linie b — b angedeuteten Stelle einen Querschnitt, so erhalten wir ein Bild, wie es Fig. ^ /'^"^ ^^^\ 56 B gibt. Zwischen die obere Keimschicht, die wir hier schon als Ektoderm [Ekt.) bezeichnen können und die untere, das Entoderm {En.), hat sich ein von Zellen umkleidetes Säckchen, {MsS) eingeschoben; seine untere Wand ver- schmilzt nun mit der darunter gelegenen Zell- schicht, und die beiden miteinander verschmol- zenen Zellagen gehen zugrunde, so daß das Lu- men des Säckchens in die subgerminale Höhle sgH. / Füg. 55yiu. Ä Schemata zur Sauropsidienentwick- lung. A Schnitt durch das Ei eines Sauropsiden nach Bildung der beiden pri- mären Keimblätter. Der Dotter ist verhältnismäßig viel zu klein gezeichnet. ß Der Keim desselben Eies bei stärkerer Vergrößerung. sg. H. subgerminale Höhle, Dr. Dotter. i.i->?' % Prkn. Fig. 56./ \x. B. A Reptilienkeim mit Embryonalschild, Primitivknoten {Prkn.) und eingestülptem Mesoderm- säckchen. B Querschnitt durch den in A abgebildeten Keim an der Stelle b — b. Dr. Dotter, Ekt. Ektoderm, Eu. Entoderm, MsS. Mesodermsäckchen, sg.H. subger- minale Höhle. Ekt. Ms S. En ^,sg.H. Chorda dorsalis. durchbricht. Diese und die anschließenden Stadien sind auf den Fig. 57 A — E auf Querschnitten dargestellt. In der dorsalen Wand des Sackes nämlich differen- ziert sich alsbald die Anlage der Chorda dorsalis. Von den mit x bezeichneten Stellen schieben sich dann zwei Falten gegen die Mittellinie hin vor, das obere Blatt jeder dieser Falten wird zum visceralen Blatt des Mesoderms, das untere Darmentoderm. zum Darmcntodcrm. Das Darmentoderm entsteht sonach aus der primären unteren Keimschicht und nicht aus Material, welches bei der Bildung des eben beschriebenen Säckchens in das Innere des Keimes verlagert wurde. Wie nahein diesem Stadium ein Vergleich mit dem in Fig. 9 wiedergegebenen Stadium von Die Keimblattbildung bei Reptilien 3^7 Amphioxus liegt, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Wir haben eine Chordarinne und Coelomdivertikel. Sowohl die Chordarinne, wie die Coelom- divertikel sind freilich auf andere Weise entstanden wie bei Amphioxus; die Ähnlichkeit braucht darum aber nicht ohne Bedeutung zu sein. Das Mesoderm schiebt sich nun von einer Zone aus, welche dem Rande des Säckchens ent- spricht, zwischen Ektoderm und Entoderm peripherwärts vor. Schon vor- her ist von den Seiten und von dem hinteren Gebiete des Primitivknotens aus Ms5 Ekt Coelom. Chordarinne. £„ v.Ms p.Mö EnC Fig. <)•] A — E. Querschnitte durch die vordere Urdarmregion des Geckos auf fünf aufeinander folgenden Eut- ■wicklungsstadien. C Coelomspalt, Ch Anlage der Chorda dorsalis, Eki Ektoderm, En Entoderm, Ms Mesoderm, p.Ms parietales Blatt des Mesoderm, v.Ms viscerales Blatt des Mesoderm, MsS Mesodermsäckchen. Aus Hertwigs Handbuch der Entwicklungslehre. Nach Will. gleichfalls Mesoderm peripherwärts gewachsen. Das Mesoderm des Säckchens läßt sich vom übrigen Mesoderm nicht abgrenzen. Das so nach allen Seiten ver- wachsende Mesoderm erreicht freilich mit seinem freien Rande den Rand des Entoderms und des Ektoderms, welche sich vor ihm über die Dotterkugel vor- schieben, niemals. Im Ektoderm sind inzwischen wichtige Veränderungen ein- getreten. Über dem Bereich des Säckchens hat sich das Ektoderm verdickt, und es hat die Medullarplatte und das Ektoderm des Embryo entstehen lassen. Der Primitivknoten streckt sich nun etwas in die Länge; aus der Einstülpungs- öffnung des Säckchens kann ein Canalis neurentericus hervorgehen, aus dem Canaiis neu- hinteren Gebiet des Primitivknotens entsteht derAfter. Doch wollen wir diese After. Vorgänge bei den Reptilien nicht weiter im einzelnen verfolgen, sondern uns das 2 58 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere für die Vögel vorbehalten, wo sie prinzipiell durchaus gleichartig verlaufen, wenn auch die hier eben für die Reptilien besprochenen ersten Vorgänge bei den Vögeln sich etwas anders darstellen und wahrscheinlich weniger primitiv sind. Vögel. Bei den Vögeln kann man beim zweiblättrigen Keim sehr bald ein helleres, zentrales Gebiet von einer dunkleren, peripheren Zone unterscheiden. In dem peripheren Gebiet verdickt sich das untere Keimblatt und bildet sich teilweise zu einem Organ für die Aufnahme und Verdauung von Dotter um. Im zentralen, helleren Gebiet entsteht durch Verdickung des Ektoderms der erst rundliche, dann mehr ovale Keimschild, und gegen das caudale Ende des Keimschildes Primitivknoten. tritt dcr Primitlvkuotcn auf. Der Primitivknoten streckt sich bei Vögeln nach Primitivstreifen, kurzer Zcit und wird zu einem Primitivstreifen {PrSt.), auf dem bald mehr, bald weniger deutlich, bald in größerer, bald in geringerer Ausdehnung eine Rinne, die Primitivrinne entsteht. Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung durchsetzt der Primitivstreifen nahezu den ganzen Keimschild; er reicht vom caudalen Ende bis fast an das craniale. Von den Rändern des Primitivknotens Mesoderm. und dann vom Primitivstreifen breitet sich das Mesoderm nach allen Seiten zwischen die beiden primären Keimblätter peripherwärts aus. Eine Ausnahme davon bildet dabei nur das Gebiet gerade vor dem Primitivstreifen. Von dem vorderen Ende des Primitivstreifens aus wächst nur wenig, vielleicht überhaupt kein Mesoderm vor. Wenn wir in späteren Stadien vor dem vorderen Ende des Primitivstreifens Mesoderm in beträchtlicher Ausdehnung finden, so ist das an- ders zu erklären. Die Fig. 58 und 59 mögen zur Veranschaulichung dieser Ver- hältnisse dienen. Die beiden seitlichen Mesodermflügel vereinigen sich schließ- lich vor dem vorderen Ende des Keimschildes, so daß vor dem vorderen Ende des Primitivstreifens ein mesodermfreier Bezirk bestehen bleibt. Rückbildung des Hat dcr Primitivstreifen nahezu das vordere Ende des Keimschildes er- Primitivstreifens. , . . , ., , , . , _. , reicht, dann beginnt er sich zuruckzubiiden, und zwar m der Richtung von vorn nach hinten; dabei bleiben nun auch in der Mittellinie vor dem jeweils vorderen Ende des Primitivstreifens zwischen oberem und unterem Keimblatt Zellen liegen. Ursprünglich stehen diese Zellen mit den nach rechts und links aus dem Primitivstreifen hervorgewucherten Mesodermzellen in Zusammen- hang, lösen sich aber etwa in gleichem Tempo mit dem Rückwärtswandern des vorderen Primitivstreifenendes von dem seitlichen Mesoderm ab. Der so entstandene Zellstrang wurzelt im vorderen Ende des Primitivstreifens und steht dort mit dem Mesoderm in Verbindung; er höhlt sich bei manchen Vögeln aus, und die so entstandene Höhle tritt am vordersten Ende des Primitiv- streifens mit der Oberfläche inVerbindung; zugleich verschmilzt ihre untere Wand mit dem unteren Keimblatt, und sie bricht in die subgerminale Höhle durch. DieVerhältnisse erinnern an die beiReptilien beschriebenen, nur ist dasLumen viel kleiner und erstreckt sich nicht auf den seitlichen Mesoblast; dementsprechend entsteht aus der Wand des Kanals, unter der sich die untere Keimschicht bald Chorda dorsaii?. wicdcr Vereinigt, bei Vögeln auch nur die Chorda, vielleicht nicht einmal die ganze Chorda. Es wird wenigstens berichtet, daß ihr allervorderstes Ende sich von der unteren Keimschicht aus bildet. Während sich diese Vorgänge ab- Vögel. Primitivstreifen. Canalis neurentericus ;Ö9 spielen, sind auch im oberen Blatt des Keimschildes wichtige Veränderungen eingetreten. Es haben sich Medullarwülste erhoben, die sich vorn, durch einen Querwulst vereinigen, nach hinten das vordere Ende des Primitivstreifens zwischen sich fassen. Die Öffnung am vorderen Ende des Primitivstreifens er- weist sich so als die dorsale Öffnung eines Canalis neurentericus, denn sie führt Canaiis n in einen Kanal, durch den man aus der zwischen den beiden Medullarwülsten gelegenen Rinne in die subgerminale Höhle, aus der die Darmhöhle wird, kommt. Pr St. eu- rentericus. Fig. 58--^ — C. Schemata für die Entwicklung des Primitivstreifens und des Mesoderms beim Vogel. Der Dotter ist viel zu klein gezeichnet. .4 Vogelei mit gut entwickeltem Primitivstreifen auf der Keirascheibe vom animalen Pol aus gesehen. B Ein Querschnitt durch ein solches Ei entsprechend der Linie a — a. PrSi. Primitivstreifen. C Der Keim und seine nächste Umgebung stärker vergrößert. Dr. Dotter, Eki. Ektoderm, En. Entoderm, Ms. Mesoderra, Pr Sf. Primitivstreifen mit Primitivrinne, sg.H. subgerminale Höhle. Die Fig. 59 B — D sollen zurVeranschaulichung dieserVerhältnisse dienen. Fig. 59 B zeigt einen Schnitt entsprechend der Linie a — a der Fig. 59 A. Man sieht im Gebiet des Ektoderm die Medullarwülste und die Medullarrinne. In das Keimblätter, Entoderm ist die Chordaanlage eingeschaltet; peripher ist das Entoderm coeiom. im sogenannten Keimwall zu einem Dotterresorptionsorgan umgewandelt. Das Mesoderm ist außerhalb der eigentlichen Embryonalanlage in ein parietales und viscerales Blatt gespalten; den Spaltraum zwischen beiden Blättern können wir als außerembryonales Coeiom bezeichnen. Fig. 59 C zeigt einen Schnitt durch den Canalis neurentericus. Aus der Tiefe der Medullarrinne sehen wir einen Kanal durch die Keimscheibe in die subgerminale Höhle führen. Mit den Seitenwänden dieses Kanals steht das Mesoderm in Verbindung. Die übrigen Verhältnisse liegen etwa ebenso wie in Fig. 59 B. Die Fig. 59 D gibt ein ganz K. d. G. III.iv, Bd 2 Zellenlehre etc. II 24 370 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Rückbildung des Primiriv- streifens. Fig. 59-4 — D. Schemata zur Entwicklung der Vögel. A Keimscbild eines Vogels mit MeduUarwülsten. Primitivstreifen und Canalis neurentericus. B — C Querschnitte durch einen solchen Keimschild ent- sprechend den Linien a — a, b — b, c — c. C. Coelom, Can. fieur. Canalis neurentericus , Ch. Chorda dor- salis, Dr. Dotter, Ekf. Ektoderm , En. Entoderm, MRi. MeduUarrinne, Ms. Mesoderm, MW. Medul- larwulst, j^.Ms. parietales Blatt des Mesoderm, PrSt. Primitivstreifen, sg.17. subgerminale Höhle, v.Ms. viscerales Blatt des Mesoderm. äi&^~ sgH B. MW Can near. ähnliches Bild wie Fig. 58 C, nur ist im Mesoderm das außerembryonale Coe- lom aufgetreten. Die weitere Entwicklung geht nun in der Weise von statten, daß sich die Medullarwülste mehr und mehr erheben und dann zuerst im Bereiche des späteren Mittelhirns zum Verschlusse kommen. Der Verschluß geht von hier aus apical- und caudalwärts vor sich, wobei dem vollkommenen Schluß das Bestehen eines vorderen und eines hinteren Neuroporus vorangeht. Im Gebiet der Vorderhirnan- lagen sind schon, bevor der vor- dere Neuroporus geschlossen, die Augenbläschen, die den wichtig- sten Teil der Augenanlagen bilden, leicht kenntlich. Der Primitivstreifen verliert im Ver- lauf der weiteren Entwicklung, da er bald den Ver- lust, den er durch den Abbau am vorderen Ende erleidet, nicht mehr durch Ei- genwachstum er- setzt, auch abso- lut an Länge. Sein vorderes Ende mit dem Canalis neurentericus wird von den hinteren Enden der Medullarwülste wie von einer Zange umfaßt; sein hinteres Ende liegt außerhalb des Bereiches der Medullar- wülste, in ihm kommt später der Kloakenafter der Vögel zum Durchbruch, nachdem schon vorher seine Stelle durch eine nur aus Ektoderm und Entoderm bestehende Membran, die man Aftermembran oder auch Kloakenmembran nennt — denn die Vögel haben ja einen gemeinsamen Endraum für die Urogenital- gänge und das Verdauungsrohr — , gekennzeichnet war. Nun hebt sich auch das Embryonalgebilde, und zwar zunächst an seinem Kopfende stärker vom übrigen Keime ab. Man kann da wie bei den Selachiern voneiner vorderen und von zwei seitlichen Grenzrinnen sprechen. Die seitlichen Grenzrinnen laufen noch lange caudalwärts flach aus; erst allmählich erhebt sich auch der caudale Teil des p. Ms. V Ms Pr St. D Vögel. Rückbildung des Primitivstreifens. Ausbildung der äußeren Körperform ^y i Embryo. Dadurch entsteht die hintere Grenzrinne, welche die caudalen Enden Abtaitung des der beiden seitlichen Grenzrinnen miteinander verbindet. Bei diesem Abfal- '" ^^°^' tungsprozeß des hinteren Körperendes, der zur Bildung einer Rumpf- bzw. Schwanzknospe führt, wird das caudale außerhalb des Bereiches der Medullar- wülste gelegene Ende des Primitivstreifens mit samt der Afteranlage auf die ventrale Seite des Embryos verlagert. Während all dieser Vorgänge hat auch das Mesoderm sehr wesentliche Umwandlungen durchgemacht. In cranio-caudaler Richtung gliedert sich ein Ursegmentpaar nach dem anderen ab. Das am weitesten nach vorn gelegene Ursegmentpaar ist von Anfang an nicht gut ausgebildet. Von großem Interesse ist es, daß die drei vordersten Ursegmentpaare dem späteren Kopfgebiete angehören. Das caudale Ende des Kopfes ist also ursprünglich auch gegliedert. Im Bereiche cranialer Ursegmente kann man das Coelom in den Ursegment- anlagen noch in Verbindung mit dem übrigen Coelom finden, weiter caudal kommt eine solche Verbindung nicht mehr zur Ausbildung. Im dunklen Fruchthof hat sich inzwischen der Gefäßhof mit Blut- und Gefäßanlagen ausgebildet. Der dunkle Hof besteht nun aus einer peripheren Zone, dem Dotterhof, und einer zentraler gelegenen, dem Gefäßhof. Die wichtigste Fortbildung im Bereiche des Entoderms ist die, daß sich die Darmanlage, bei Vögeln wesentlich in cranio-caudaler Richtung, ent- sprechend der Abgrenzung des Embryo vom übrigen Keime, vom Dottersack, abgliedert und zum Rohre umgestaltet. Vor dem Kopfende unterhalb der Gehirnanlage kommt dem vorderen Ende des Darms die Mundbucht ent- gegen. Seitlich bilden sich entsprechend den hinteren Teilen des Gehirns Kiementaschen. Mundbucht wie Kiementaschen verhalten sich im Prin- Kiementaschen. zip nicht anders wie diese Bildungen bei Fischen und Amphibien, was natürlich eine Tatsache von größter Bedeutung ist. In diesem Zusammenhange ver- dient es Erwähnung, daß sich bei Vögel-, ja bei Säuger- und Menschenembryo- nen am zweiten Kiemenbogen, dem Zungenbeinbogen, ein Fortsatz findet, der wie ein Kiemendeckel über die weiter caudal gelegenen Kiemenbogen und Spalten hinweg wächst. Doch versuchen wir die hier eben kurz besprochenen Entwicklungs- vorgänge nun auch noch durch einige Bilder zu veranschaulichen. Fig. 60 A gibt einen Vogelembryo mit 8 — 9 Ursegmentpaaren bei durchfallendem Licht wieder, Fig. 60 B einen Querschnitt durch diesen Embryo im Gebiete des 5. Ursegmentpaares. Das Medullarrohr ist hier im Verschluß begriffen. Rechts und links liegt dorsal neben der Verschlußstelle des Medullarrohres ein Zellhäufchen, das die Zellen für ein Spinalganglion, außerdem aber noch die Ahnen sympathischer und sogenannter chromaffiner Zellen enthält. Die Chorda ist vom Entoderm unterwachsen. Im Mesodermgebiet sehen wir zu beiden Seiten des Medullarrohres die Mitte der fünften Ursegmente ge- troffen; die Urwirbelhöhle in demselben steht noch mit dem embryonalen und dem außerembryonalen Coelom in Verbindung. Im visceralen Blatt des Meso- derms finden sich Anlagen von Blut und Gefäßen. Das Gefäß nächst der Chorda 24* 372 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere ist jederseits die Anlage einer Aorta; später verschmelzen diese beiden Anlagen zu einem einheitlichen Gefäß. Den eben besprochenen Querschnitt wollen wir durch einen medianen Sagittalschnitt durch einen entsprechenden Embryo ergänzen (Fig. 6i). Das Kopfende beginnt sich eben abzuheben und die Mund- bucht zu bilden. Der vordere und hintere Neuroporus [v.Np. und h.Np.) treten deutlich hervor. Die Chorda dorsalis {Ch.d.) wurzelt in der Wand des Canalis neurentericus [Can.n.)\ sie ist den größten Teil ihrer Länge vom Entoderm {En.) unterwachsen, nur vorn ist sie noch in das Entoderm eingeschaltet. Hinter dem Canalis neurentericus beginnt der Primitivstreifen {Pr.Str.). In seinem Gebiet, das bis zur Kloakenmembran reicht, ist die obere Keimschicht gegen die mittlere nicht abgesetzt. Die Zone des oberen Keimblattes, die wir in den Fig. 58 C und 59D auf Querschnitten sahen, ist hier der Länge nach getroffen. DasEntoderm {En.) zieht in so jungen Stadien vollständig selb- ständig und unbeteiligt unter der Primi- tivstreifenregion hinweg. Die Aftermem- bran [AM.) ist in diesem Stadium noch nicht deutlich ; ich habe sieangegeben, um nicht die Schemata häufen zu müssen. In Fig. 62 A — C und 63 gebe ich sodann sche- matische Querschnitte und einen Längs- schnitt durch etwas ältere Embryonen. Wir können diese Schnitte nicht verste- hen, ohne eines Embryonalorganes zu ge- denken, das sich bei allenSauropsidenund Säugern findet, des Amnions. Die Entwicklung zeigt bei den Sauropsiden und be- sonders bei den Säugern mannigfache Modifikationen; ich begnüge mich hier mit einer grob schematischen Darstellung. Das Amnion ist eine Hülle, welche die Embryonen umgibt, und sie in wirksamer Weise gegen alle möglichen von außen kommenden Unbilden schützt. Es wirkt nicht nur als Hülle; sondern dadurch, daß es sich alsbald prall mit Flüssigkeit füllt, erhöht es seine Schutz- kraft außerordentlich. Der Embryo liegt im mit Flüssigkeit erfüllten Amnion wie ein zartes Präparat in einem vollkommen mit Flüssigkeit erfüllten Gefäß. Bei Vögeln entsteht das Amnion durch typische Faltenbildung. Die Grenz- rinnen, eine vordere, zwei seitliche und schließlich eine hintere entstehen ganz so, wie wir das für die Selachier geschildert haben, und nach außen von diesen Rinnen erheben sich Falten, die aus Ektoderm und dem parietalen Blatt des Mesoderm bestehen. Man pflegt entsprechend den Grenzrinnen vor- Amnionfaiten. dcrc, scitHche uud hintere Amnionf alten zu unterscheiden; doch lassen sich keine scharfen Abgrenzungen finden, eigentlich gibt es nur eine einheitliche Amnionfalte. Die Falten entstehen in cranio-caudaler Richtung und schließen sich durch Nahtbildung. Wir werden gleich noch näher auf die Art dieses Fig. 60 A. Hühnerembryo mit 8— 9 Ursegmentpaaren bei durchfallendem Licht. Amnion. CTrenzrinnen. Vögel. Amnion und seröse Hülle. Nabelbildungen 375 Schlusses eingehen und sehen, wie sich dabei noch eine zweite Embryonalhülle, die seröse Hülle, bildet, wollen aber zunächst unsere Aufmerksamkeit noch auf die tiefe Darmrinne von Fig. 62 A richten. Ein etwas älteres Stadium (Fig. 62 B) zeigt die Amnionf alten eben in Berüh- rung und den Darm im Begriff zu einem Rohre zu werden. Auch die Körper- wände nähern sich dem Schluß, und so kommt es zur Nabelbildung. Die Stelle, an welcher der Darm zuletzt noch mit dem Dottersack in Verbindung steht, nennt man den Darmnabel, die Stelle, an der die Körperwände sich schließen, Dammabei. den Hautnabel. Die Amnionfalten haben sich eben aneinander gelegt. Die Hautnabel. SpOl US. y. Ms. C p Ml Ekt En Fig. 60 B. Querschnitt eines solchen Embryo durch das Gebiet des fünften Ursegmentpaares. BlI. Blutinsel, C. Coelom, Ch. Chorda, Ekf. Ektoderm, Eii. Entoderra, MR. MeduUarrohr nahe dem Schluß, p.Ms. parietales Blatt des Mesoderm, SpGl. Spinalganglion, US. Ursegment, USH. Ursegmenthöhle, v.Ms. ventrales Blatt des Mesoderm. Abgeändert nach DuvAL. K Ms. C. En. Ch £n. En. v.Ms. C. p.Ms. En. Fig. 61. Medianer Sagittalschnitt durch einen Vogelembryo mit teilweise geschlossenem MeduUarrohr (Schema). AM. Aftermembran, C. Coelom, Can.n. Canalis neurentericus, Ch. Chorda dorsalis, Ekt. Ektoderm, En. Entoderm, h.Np. hinterer Neuroporus, MB. Mundbucht, ]SIR. MeduUarrohr, p.Ms. parietales Blatt des Mesoderm, PrSt. Pri- mitivstreifen, v.Ms. viscerales Blatt des Mesoderm, v.Np. vorderer Neuroporus. Amnionhöhle ist also, an dieser Stelle wenigstens, geschlossen. Das Ektoderm Amnionhöhie. auf den Kuppen der aufeinander zuwachsenden Amnionfalten verschmilzt mit einander ; infolge ungleichen Wachstums löst sich dann an der Verwachsungs- stelle das Ektoderm der serösen Hülle vom Ektoderm des Amnion. Nun ver- schmilzt das parietale Mesoderm in den Kuppen der Amnionfalten und löst sich in entsprechender Weise. Amnion und seröse Hülle sind dann frei vonein- ander. In ganz entsprechender Weise schnürt sich der Darm vom Dottersack und der Körper von der Amnionwurzel ab. Fig. 62 C zeigt alle drei Prozesse, den des Amnionschlusses, den der Darmabschnürung und den des Freiwerdens des Körpers vollendet. Ergänzen wir nun unsere Betrachtungen durch einige mediane Sagittal- schnitte. Bei der Konstruktion dieser Schnitte nehme ich dabei keine Rück- sicht auf alle Biegungen und Krümmungen des Embryonalkörpers. Wir beginnen mit der Betrachtung der Fig. 63. Sowohl das Kopfende wie das Schwanzende des Embryo haben sich eine Strecke weit abgehoben; am Schwanzende hat sich eine Rumpfschwanzknospe {RSchK) gebildet. Dem- entsprechend hat der Darm sich sowohl im Kopfgebiet wie im Schwanzgebiet 374 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere vom Dottersack selbständig gemacht. Man spricht da von einer Kopf- und von einer Schwanzdarmbucht [KDB und SchDB). Der Kopfdarmbucht ist die Mundbucht [MB) entgegen gewachsen und ist von ihr nur durch die aus AmnF. AninF. Fig. (>2 A — C. Schematische Querschnitte durch Vogelembryonen um die Abfaltung des Embryo vom Dotter und die Bildung des Amnion zu erläutern. Amn. Amnion, AmnF. Amnionfalte, AninH. Amnionhöhle, C. Coelom, die Bezeichnung steht im außerembryonaleu Coelom, Dr. Dotter, Ekt. Ektoderm, En. Entoderm, fi.Ms. parietales Blatt des Mesoderm, s.H. seröse Hülle, v.Ms. viscerales Blatt des Mesoderm. Ektoderm und Entoderm bestehende Rachenhaut getrennt. Ventral von der Kopfdarmbucht liegt in dem Teil des Coeloms, der zur Herzbeutelhöhle wird, das Herz (//). Am caudalen Ende des Embryo setzt der Canalis neurentericus {Can.n.) das Medullarrohr mit dem Schwanzdarm in Verbindung; an die Stelle Vögel. Körperausgestaltung. Allantois 375 eines Canalis neurentericus kann auch ein solider neurenterischer Strang treten und Medullarrohr und Schwanzdarm verbinden. Hinter dem Canalis neuren- tericus liegt die Rumpfschwanzknospe [RSchK). In ihrem Bereich steht das Ektoderm des Medullarrohres mit dem Entoderm und dem Mesoderm in Ver- bindung, und es differenzieren sich hier aus einer indifferenten Zellmasse noch eine Anzahl von Segmenten des Embryo, erst Rumpf-, dann Schwanzsegmente. Das caudale Ende des Primitivstreifens ist, wie wir schon gesehen haben, mit der Aftermembran {AM) auf die ventrale Seite des Embryo herumgeschlagen worden; auch vor ihr ist der Darm schon eine Strecke weit vom Dotter abge- schnürt. Hier bildet sich nun von der ventralen Seite des Darms aus, zwischen er. Am n F. Ch. KDB. MR Seh DB. ^ Ch. En. : Can.n. caud. AmnF. \ C. R-ScIiK. En. vMs. DSW. En. V. Ms. Fig. 63. Schematischer medianer Sagittalscbnitt durch einen Vogelembryo, um die Abfaltung des Embryo vom Dotter und die Bildung des Amnion und der Allantois zu erläutern. -•///. Allantois, AA/. Aftermembran, Anui. Amnion, C. Coelom, die Bezeichnung ist im außerembryonalen Coelom angebracht, Can. >/. Canalis neurentericus, caud. AmnF. caudale Amnionfalte, Ch. Chorda dorsalis, er. Arn» F. craniale Aranionfalte, DSIP'. Dottersackwand, Ekf. Ektoderm, /;'«. Entoderm. H. Herz, KDB. Kopfdarmbucht, MB. Mundbucht, MR. Medullarrohr, ^ .jl/y. parietales Mesoderm, R.-SchK. Rumpf-Schwanzknospe, Seh DB. Schwanzdarrabucht, v.Ms. ventrales Mesoderm. Aftermembran und dem Eingang in die caudale Darmbucht, der sogenannten hinteren Darmpforte, die Allantois [All.). Die Allantois ist ein außerordentlich wichtiges Embryonalorgan, welches die Sauropsiden und Säuger besitzen, während es den niederen Wirbeltieren, den Amphibien und den verschiedenen Klassen der Fische ebenso wie Amnion und seröse Hülle fehlt. Sie ist ein Atmungsorgan für den Embryo und Fötus. Die Atmung des Embryo wird bei den Sauropsiden und Säugern zunächst durch den Dottersack vollzogen, dessen Blutgefäßhof bei seiner Anlage und in der darauffolgenden Periode an der Ober- fläche des Eies, dicht unter der serösen Hülle bzw. dem Chorion liegt. Wenn nun sein Inhalt allmählich für den Embryo verbraucht wird, schrumpft der Dottersack, und seine Gefäße werden nicht mehr gegen die Oberfläche des Eies angepreßt. So wird der Dottersack zur Atmung untauglich und muß durch ein neues Organ ersetzt werden. Dieses neue Organ ist die Allantois, deren erste Anlage wir eben kennen lernten; sie wächst zwischen seröse Hülle [s. H) und Dottersackwand [DSW) und zwischen seröse Hülle und Amnion [Amn.) hinein und umwächst schließlich das ganze Ei. Die Verhältnisse der Allantois liegen bei den Sauropsiden einfacher und übersichtlicher als bei den Allantois. Die Atmung des Sauropsiden- embryos. 376 Franz KeibeL: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Säugern, bei denen sich infolge der durch die Placentabildung vermittelten innigen Verbindung von Mutter und Frucht mannigfache besondere Verhält- nisse herausgebildet haben. Ich gebe hier zunächst eine Reihe von einfachen Schematen für die Vögel. Auf diesen Schematen ist auch die Umwachsung des Dotters gleichfalls in wesentlich vereinfachter Weise zur Darstellung gebracht. Wir stellen uns vor, daß der eigentliche Embryo in seiner medianen Sagittalebene getroffen ist, sein genauerer Aufbau ist nicht berücksichtigt. Fig. 64A stellt ein etwas älteres Stadium als die Fig.63 dar. Die Allantois ist nun ein ge- stieltes Bläschen und be- ginnt eben sich nach oben zwischenAmnion undseröse Hülle, nach unten zwischen Dottersack undseröseHülle einzudrängen; ihre Wachs- tumsrichtung ist durch Pfeile angedeutet. Die Wand der Allantois besteht aus Entoderm und dem visce- ralen Blatt des Mesoderms. Dieses Mesoderm ist außer- ordentlich reich vasculari- siert, und so werden durch die Allantois viele Gefäße an die seröse Hülle heran- gebracht. Das Ektoderm Fig. 64,-^ — C. Schemata, um die Bildung von Amnion, seröser Hülle (Chorion) iii " fXi- T"'!^ und Allantois darzustellen. Der Hohlraum der Allantois ist punktiert. Die ^"^^ ^^^ grOlotCn i Cll ÜeS schwarzen Verdickungen sollen Blutanlagen darstellen. In dem Schema A T^ntfprs limwachsen daS erscheint der Dotter noch nicht vom Ektoderm umwachsen, es stellt einen ' medianen Sagittalschnitt durch ein Ei dar. Die Richtung, in der die Eutodcrm ist HOCh nicht SO .Allantois vorwachsen wird, ist durch Pfeile angegeben. Fig. 64 Ä gibt . , , ein älteres Stadium, in welchem Ektoderm und Entoderm den Dotter um- WCIU VOrgeurUngCn, UHQ wachsen haben. Fig. 64 C" gibt den Querschnitt eines noch älteren Stadiums, ,-v^pV> \x/Pnip'Pr wpit Has Mp- soderm. Es ist bis nahe an seinen peripheren Rand durch das außerembryo- nale Coelom in ein parietales und in ein viscerales Blatt aufgespalten. Im visceralen Blatt ist das Gebiet des Gefäßhofes besonders kenntlich gemacht. Fig. 64 B stellt ein beträchtlich weiter vorgeschrittenes Stadium dar. Es wird angenommen, daß das Ektoderm und das Entoderm den Dotter um- wachsen haben. In das außerembryonale Coelom ist die Allantois weit vor- gewachsen. Das Amnion ist ganz, der Dottersack schon zum größten Teil von der serösen Hülle abgedrängt, und in der Richtung der Pfeile dringt die Allantois weiter zwischen Dottersack und seröse Hülle vor. Der Blutgefäßhof ist dadurch in das Innere des Eies verlagert, und die Atmungsfunktion ist ganz und gar von den Blutgefäßen übernommen worden, welche die Allantois an die seröse Hülle herangebracht hat. Ein senkrecht zu diesem, quer durch den \ Vögel. Amnion, AUantois und Dottersack 377 Embryo gelegter Schnitt wird die Verhältnisse noch deutlicher machen. Fig. 64 C zeigt einen solchen durch ein etwas älteres Stadium. Der Darm steht nur noch durch den Ductus vitello -intestinalis mit dem Dottersack in Ver- bindung. Der Ductus vi- tello-intestinalis ist natür- lich von Entoderm aus- gekleidet und dieses wird vom visceralen Blatt des Mesoblast umgeben; dann folgt das außerembryonale Coelom und schließlich eine vom Amnion gebil- dete Scheide. Die Amnion- höhle hat beträchtlich an Größe zugenommen und dementsprechend die Menge der Amnionflüssig- keit. So setzt sich der Em- bryo immer deutlicher gegen die Eihäute ab. Es bildet sich ein Nabel- strang, der von einer Am- nionscheide umgeben ist. In dieser Amnionscheide liegen vom außerembryo- nalen Coelom umgeben der Stiel des Dottersackes und der Stiel der AUantois. Der Stiel der AUantois und der Zusammenhang von AUantois und Darm konnte in diesem Schema natürlich nicht dargestellt werden. Beginnt derVogel zu atmen, und das ge- schieht noch vor dem Aus- schlüpfen, indemdas junge Tier seinen Schnabel in die innerhalb des Eies an sei- nem stumpfen Pol gelegene Luftkammer hineinbringt, so hört der Blutkreis- lauf in den großen Gefäßen der AUantois auf. Die AUantois trocknet nun ein, und wenn der Vogel ausschlüpft und die Schalen abwirft, so werden mit den Das Ausschlüpfen des Vogels. Fig. 64 C. 2y8 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Schalen auch die unscheinbaren Reste von Allantois und seröser Hülle abge- worfen. Die Gefahr einer Blutung oder gar Verblutung ist also trotz der großen Gefäße der Allantois beim Ausschlüpfen des Vogels aus dem Ei und Schicksal des beim Abwerfen von Allantois und Amnion nicht vorhanden. Während die sauropsiden" scrösc Hüllc uud die Allantois abgeworfen wird, wird der Dottersack kurz vor dem Auskriechen in die Leibeshöhle aufgenommen und kann dort bei Vögeln wie bei Reptilien noch längere Zeit nachgewiesen werden. Säuger. Wenden wir uns nun zu den Säugern, so können wir nicht wie bei den anderen Wirbeltieren mit der Betrachtung der Blastula beginnen, sondern müssen auch noch das Verhalten des ungefurchten Eies und seine Furchung mit berücksichtigen. Die meisten Säuger haben kleine dotterarme Eier mit einem Durchmesser von 0,07 — 0,2 mm oder wenig mehr; es sind das die höheren Säuger, die Eutheria, zu denen auch der Mensch gehört. Ihnen gegenüber stehen die Monotremen oder die Prototheria und die Beutel- tiere oder die Metatheria. Die Prototheria, Echidna und Ornithorhynchus haben Eier von einem Durchmesser von 3,5 — 4 mm. Diese Eier besitzen einen polständigen Dotter, der wie bei den Sauropsiden aus kugeligen Dotterele- menten besteht. Die Furchung ist meroblastisch. An Größe und Dottergehalt zwischen den Eiern der Prototheria und der Eutheria stehen die der Metatheria, der Beuteltiere, sie haben noch ziemlich viel Dotter. Die Eier entwickeln sich im Ovar (Hill. 1910) wie Eier mit polständigem Dotter, sogenannte teloleci- thale Eier, doch wird der Dotter vor der Furchung ausgestoßen. Die Furchung ist wie die der Eutheria total; es handelt sich in beiden Fällen um sekundär dotterarme Eier. Den Beweis dafür kann man erstens in den Eiern der Proto- theria sehen, welche eine Übergangsform von den dotterreichen zu den sekun- där dotterarmen Eiern bilden, dann in der Bildung der Eihäute bei den Säugern. Diese entwickeln sich im Prinzip wie bei den Sauropsiden, und ihre Entstehung läßt sich nur durch den Dotterreichtum erklären. So muß man annehmen, daß die Eihäute von Vorfahren der Säuger erworben wurden, welche dotterreiche Eier hatten, daß also die jetzigen dotterarmen Eier der Säugetiere sekundär dotterarm sind. Die Entwicklung der Monotremen, der Prototheria, ist noch zu wenig bekannt, als daß wir hier auf sie eingehen könnten. Die Entwicklung der Beutler, der Metatheria, hat bereits durch Selenka und vor allem neuerdings durch J. P. Hill eine eingehendere Bearbeitung gefunden. Selenkas Beobach- tungen beziehen sich auf das Opossun, Didelphys virginiana, die Hills besonders auf einen Raubbeutler, den Tüpfelbeutelmarder, Dasyurus viverrinus. Ich gebe hier zunächst die Schemata Hills über die erste Entwicklung der Metatheria. Fig.ösA stellt einen Schnitt durch ein Furchungsstadium dar, in dem das Ei in acht Zellen zerlegt ist. Diese acht Zellen sind in zwei Ringen zu vier Zellen an- geordnet, von jedem Zellring sind im Schnitt zweie getroffen, die des oberen Ringes sind schraffiert, die des unteren punktiert. Die Zellen des oberen Zeli- ringes nennt Hill ,,formative", die des unteren ,, nicht formative". Das Fur- chungsstadium mit acht Zellen bei Beutlern erinnert außerordentlich an das Achtzellenstadium von Amphioxus. Der Raum innerhalb der beiden Zellringe Die Eier der Säuger. Die erste Entwicklung der Beutler 179 L.Trbl. em Ekt. ,£n -Trbl. ist weder nach oben hin noch nach unten hin abgeschlossen. Innerhalb des oberen Ringes ihn etwas überragend liegt die Dotterkugel, die zu Anfang der Furchung aus der Eizelle ausgestoßen wurde. Das Ei ist von der Zona pellucida und der Schalenhaut umgeben. Die gleichfalls vorhandene Eiweißschicht — eine solche kommt auch bei manchen Eiern höherer Säuger vor — wurde nicht dargestellt. Wenn sich nun die Zellen weiter vermehren, so schieben sich die, welche vom oberen Zellringe abstammen, an der inneren Fläche der Zona pellucida ent- lang gegen den oberen Pol des Eies hin und schließen dort allmähhch die Eihöhle. Ebenso tun das die Ab- kömmlinge des unteren Zellringes am unteren Eipol; doch gelingt es diesen erst etwas später denAbschluß der Eihöhle zu bewirken. Ist das ge- schehen, so haben wir ein vollkommen abge- schlossenes Bläschen vor uns, in dessen Innerem außer der Dotterkugel, die allmählich ver- schwindet, eine eiweiß- haltige Flüssigkeit ent- halten ist. (Fig. 65 B und C.) Die Grenze zwischen den Zellen, welche vom oberen Zellringe abstam- men, und denen, die sich vom unteren herleiten lassen, bleibt noch längere Zeit kenntlich, sie liegt oberhalb des Äquators (Fig. 65 C). Aus den Abkömm- lingen des oberen Zellringes wird das Ektoderm des Embryo und das gesamte Ektoderm. Entoderm; aus den Zellen, welche vom unteren Zellringe abstammen, entsteht Entoderm. der Trophoblast, d. h. die Ektodermzellen, welche später nach Schwund der Trophoblast. Schalenhaut, des Eiweißes und der Zona pellucida der Uteruswand anliegen, um mütterliche Nährstoffe aufzunehmen und zu verarbeiten. Das Entoderm ent- steht bei Beutlern durch Eiwanderung aus den Zellen des oberen Poles. Diese eingewanderten Zellen bilden bald ein zusammenhängendes Blatt, welches dann entlang der inneren Fläche des Trophoblast die Keimblase umwächst. Die Embryonalanlage wird, wie schon hervorgehoben, von den Abkömmlingen des oberen Zellringes gebildet, doch wollen wir diesen Vorgang hier nicht weiter verfolgen; er scheint sich im wesentlichen durchaus wie bei den Eutheria ab- zuspielen, bei denen er genauer untersucht ist. Auf den ersten Blick gestalten sich bei den verschiedenen Säugern, nach- dem das Ei durch die Zellteilungsvorgänge der Furchung zu einem soliden Zell- klümpchen, zu einer Morula, geworden ist, die Entwicklungsvorgänge recht ab- Fii 65^ — D. Schemata für die Entwicklung der Beuteltiere (der Metatheria) em.Eki. embryonales Ektoderm, En. Entoderm, Trbl. Trophoblast. Nach J. P. Hill. Die nähere Erklärung im Text. 380 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere weichend voneinander; doch haben die Unterschiede keine so große Bedeutung, als man zunächst glauben könnte. Das menschliche Ei, das besondere Schwie- rigkeiten bietet, werden wir noch für sich besprechen. In dem sogenannten Morulastadium, also in dem Stadium, in dem das Ei eine solide, aus Zellen bestehende Kugel bildet, unterscheidet sich die äußerste Zellschicht gegen die im Innern gelegenen Zellen durch ihr besonderes Aus- sehen (Fig. 66 A I — 4). Wir wollen dabei unerörtert lassen, ob diese äußerste Schicht der Morula durch Umwachsung der im Innern gelegenen Zellen, durch Epibolie, in ihre Lage kommt oder nicht. • Jedenfalls hat sie mit der späteren Anlage des Embryo nichts zu tun; sie bildet einen Trophoblast, wie er aus dem unteren Zellringe des achtzelligen Beuteltiereies hervorging, und ist diesem zu vergleichen. Zwischen der inneren Zellmasse und dem Trophoblast erscheint von einem gewissen Zeitpunkt an eine eiweißhaltige Flüssigkeit. Diese drängt die äußeren Zellen, den Trophoblast, von der inneren Zellmasse immer weiter ab, und nur an dem einen Pol bleibt die innere Zellmasse mit dem Tropho- blast in Verbindung. Meist wächst zu dieser Zeit das Ei ziemlich schnell (Fig. 66B1 — 4). Von nun an treten Verschiedenheiten ein. Bei einigen Säugern, so z.B. bei Igel und Fledermäusen, höhlt sich die innere Zellmasse aus, und von ihr spaltet sich an ihrem freien Pol die innere Keimschicht, das Entoderm, ab (Fig. 66 C 1,2 und 4). Das Entoderm umwächst nun das Ei an der Innenfläche des Trophoblast entlang (Fig. 66 Dj — D4) ; bei einzelnen Tieren ist diese Um- wachsung außerordentlich frühzeitig vollendet, bei anderen kommt es über- haupt nicht zu einer völligen Umwachsung. Das ist nebensächlich und in den Schematen ist deshalb kein Wert darauf gelegt worden. Aus der unteren Wand des in der inneren Zellmasse entstandenen Hohlraumes bildet sich der Erabryonaischiid. Embryonalschild, und auf diesem entsteht ein Primitivknoten, aus dem Meso- derm hervorwuchert und sich zwischen die beiden primären Keimblätter ein- primitivstreifen. schicbt. Aus dem Primitivknoten wird dann ein richtiger Primitivstreifen (Fig. 66 El), der zeitweise den größten Teil des Keimschildes durchsetzt. Er bildet sich in derselben Weise um, wie wir das für die Vögel genauer besprochen haben. In Fig. 66 E^ sehen wir diesen Primitivstreifen quer zu seiner Längs- achse getroffen. Das Mesoderm wächst peripherwärts und spaltet sich außerhalb der Embryonalanlage in ein parietales und ein viscerales Blatt. Der so ent- standene Spalt ist das außerembryonale Coelom. Der Hohlraum innerhalb der inneren Zellmasse geht unmittelbar in die Amnionhöhle über und, indem sich das Mesoderm allmählich auch zwischen den Trophoblast und die seitliche und obere Wand der an der inneren Zellmasse entstandenen Höhlung einschiebt, Ammon. kommt es zu der Ausbildung eines typischen Amnion (Fig. 66 F^). Bei anderen Säugern, z. B. dem Schwein, dem Schaf, dem Reh, öffnet sich die in der inneren Zellmasse entstandene Höhle nach außen (Fig. 66 Dg). Die Einbuchtung gleicht sich aus, und der Embryonalschild, der sich nun bildet, liegt also auf der Oberfläche des Eies; in ihm entsteht erst ein Primitivknoten, dann ein Primitivstreifen, von dem Mesoderm auswuchert (Fig. 66E2). Um den Eutheria. Verschiedene Typen der ersten Entwicklung 381 Embryonalschild erheben sich nun in ähnlicher Weise, wie wir das bei den Vögeln gesehen haben, die Amnionfalten (Fig. 66 Fg) und schließen sich später zur Amnionhöhle. Inzwischen ist, wie das auch Fig. 66 F^ zeigt, das Mesoderm Fig. 66. Die Haupttypen der Keimblattbildung bei den Säugern. Es sind sechs Stadien ^1 — /^ zur Darstellung gebracht, die in vier Reihen angeordnet sind. Die Stadien ^-1 und B sind noch in allen Reihen gleich; das Stadium C noch in der i., 2. und 4. Reihe. Für das Weitere vergleiche man den Text. peripherwärts gewachsen und hat sich in ein parietales und viscerales Blatt gespalten, die beide das außerembryonale Coelom begrenzen. Wieder einen anderen Typus bieten manche Raubtiere dar. Er zweigt bei einem Verhalten, wie es die Fig. 66 B (l — 4) zeigt, ab. Hier liegen die Zellen der Embryonalanlage sehr früh frei an der Oberfläche des Eies, und an der Oberfläche des Eies bildet sich auch der Embryonalschild (Fig. 66 C3 und Dg). Auf diesem Keimschild entsteht ein Frimitivknoten mit der typischen Meso- dermwucherung, und aus dem Primitivknoten entwickelt sich dann entspre- ^82 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere chend wie bei den anderen Säugern und den Vögeln ein Primitivstreifen (Fig. 66E3). Das Mesoderm wächst peripherwärts; außerhalb des Embryonal- schildes entsteht in ihm das außerembryonale Coelom. Die Amnionfalten er- heben sich rings um den Embryonalschild und schließen sich später zur Amnion- höhle. Die Fig. 66 F3 zeigt diese Vorgänge, die Amnionfalten sind noch nicht geschlossen. Als eine Abart dieses Typus können wir vielleicht ein Verhalten betrachten, wie es bei dem so vielfach untersuchten Kaninchen vorkommt; ich habe es nicht weiter durch Schemata verdeutlicht. Auch beim Kaninchen entsteht in der inneren Zellmasse kein Hohlraum und die Zellen der zukünf- tigen Zellmasse breiten sich aus; sie berühren aber dabei zunächst noch nicht wirklich die Oberfläche, sondern werden in dem der Fig. 66 C3 entsprechenden Stadium noch von einer ganz dünnen Schicht von Trophoblastzellen über- lagert. Man hat diese nach ihrem Entdecker die Raubersche Deckschicht ge- nannt, und sie hat zeitweise eine große Verwirrung in der Keimblattlehre her- vorgerufen. Die Zellen der Rauberschen Deckschicht verschwinden nach kur- zer Zeit, und dann verhält sich das Ei des Kaninchens durchaus entsprechend den Schematen, die in den Fig. 66 Dg und Fg gegeben sind. Aber auch einen anderen Weg kann die Entwicklung der Säugetiere noch einschlagen. Er schließt an das in Fig. 66 B i — 4 wiedergegebene Schema an und ist in den Fig. 66D4— F4 dargestellt. Es scheint dieser Typus der Entwick- lung besonders bei Eiern vorzukommen, die früh mit der Uterusschleimhaut verwachsen oder sich gar in sie einfressen und dadurch in der Möglichkeit be- schränkt werden sich auszudehnen. Die innere Zellmasse mit der in ihr ent- haltenen Höhle wächst bei solchen Eiern gegen das Innere vor (Fig. 66 D4), und nun vollziehen sich tief im Inneren des Eies die Bildung des Keimschildes, des Primitivknotens (Fig. 66 E4), des Primitivstreifens, des außerembryonalen Coeloms und des Amnion. Die äußeren Schichten der Eiwand, in die eingestülpt wir diesen Embryonalzapfen finden, bestehen aus Ektoderm (Trophoblast) und in größerer oder geringerer Ausdehnung aus Entoderm. Da diese Schichten außerordentlich dünn sind, hat man sie früher übersehen und den eingestülpten Embryonalzapfen für das ganze Ei gehalten. Da fand man dann die Keimblätter Sog. Umkehr der in Umgekehrter Reihenfolge, wie man sie erwartete; zu äußerst das Entoderm, dann das Mesoderm und zu Innerst das Ektoderm und wurde an der ganzen Keimblattlehre irre. Man sprach von einer Umkehr der Keimblätter. Man kann sie noch weiter ins Extrem getrieben finden, wie es in den Schematen wiedergegeben ist, so beim Meerschweinchen; doch liegen im Prinzip die gleichen Verhältnisse vor. Wie sehr die Entwicklung in den Eiern mit sogenannter Um- kehr der Keimblätter in allem wesentlichen der Entwicklung der anderen Säuge- tiereier entspricht, macht man sich am leichtesten klar, wenn man sich die in der inneren Zellmasse entstandene Höhle in den Fig. 66 D4, E4 und F4 am oberen Pol an der mit einem Stern bezeichneten Stelle geöffnet und nun die Einstülpung des Eies ausgeglichen denkt. Vergleich des Schon aus dcu Betrachtungen, welche wir eben angestellt haben, ergibt es Stadiums der" sich, daß dic Entwicklungsvorgänge von dem Abschluß der Furchung bis zur Eutheria. Verschiedene Typen der Entwicklung. Vergleich mit niederen Formen ^83 Anlage des Primitivstreifens sich sehr wohl mit denen bei Vögeln und Reptilien Säuger mit dem vergleichen, ja von ihnen durch die Annahme von Dotterschwund ableiten "■'^^"■■"p^i ®" lassen. Das gleiche gilt für die an das Primitivstreifenstadium sich anschließen- de Entwicklung. Der Primitivstreifen bildet sich bei Säugern in ganz ent- sprechender Weise zurück wie bei den Vögeln. An seinem vorderen Ende kann auch ein Canalis neurentericus zur Ausbildung kommen, so geschieht das selbst noch beim Menschen. An seinem hinteren Ende, das sich bei den Vögeln auf die ventrale Seite des Körpers herumschlägt, wird eine Kloakenmembran sogar früher deutlich als bei den Vögeln. Man spricht hier vielfach von einer Kloakenmembran, nicht von einer Aftermembran, denn bei den Säugern legt sich zunächst eine Kloake an, in die sowohl die Harnblase und die Ge- schlechtsgänge als der Enddarm einmündet. Diese Kloake wird dann sekun- där aufgeteilt, und damit zerfällt die Kloakenmembran in die Verschluß- membran des Sinus urogenitalis, in den Harnblase und Geschlechtsgänge ein- münden, und in die definitive Aftermembran. Doch da man von einem Klo- akenafter spricht, ist die Bezeichnung Aftermembran auch für die ursprüng- liche Bildung im gleichen Sinne zulässig, wie sie für die Sauropsiden ge- braucht wird. Auch die Abhebung der eigentlichen Embryonalänlage geschieht gerade so wie bei den Vögeln und Reptilien, und ebenso legt sich auch eine Rumpf- schwanzknospe an. Die Entwicklung des Nervensystems, die Gliederung des Mesoderms und seine weiteren Umbildungen lassen sich vielfach bis ins Einzelne mit den ent- sprechenden Vorgängen bei den Sauropsiden, ja bei den niederen Vertebraten vergleichen. Besonders hervorgehoben sei, daß bei Säugern, Vögeln und Rep- tilien wie bei den Amphibien und Fischen Kiementaschen und Kiemenfurchen auftreten, wenn diese auch nicht immer ineinander durchzubrechen brauchen. Kiemenbogen, außen abgegrenzt durch Kiemenfurchen, innen durch Kiemen- taschen, kommen also allen Wirbeltieren zu. Die Abweichungen, welche die Entwicklung der Säuger von der der Sau- Beziehungen des ° 1 1 r 1 1 -i. Säugereies zum ropsiden zeigt, erklären sich außer durch den Dotterschwund, auf den bereits mütterlichen hingewiesen wurde, durch die innigen Beziehungen, welche das Ei der Säuger O'-gawsmus. früher oder später zu dem mütterlichen Organismus gewinnt, und zwar erklären sich auch die vielfachen Unterschiede in den frühen Stadien der Säugetierent- wicklung wohl meist durch die besondere Art und Weise und die Zeit, von der an das Ei der Mutter die Nahrung entnimmt. Ich kann hier nur darauf hin- deuten, daß die Verbindung mit dem mütterlichen Organismus zum Zwecke der Nahrungsentnahme in sehr mannigfacher Weise geschehen kann. So ist ge- rade das Verhalten des Dottersacks und der Allantois bei den verschiedenen Säugern sehr verschieden. Allgemein ergibt sich ein Unterschied gegenüber den Sauropsiden; während bei diesen zur Zeit des Ausschlüpfens nur das Amnion und die Allantois abgeworfen werden, der Dottersack aber in den Körper auf- genommen wird, geht bei den Säugern auch der Dottersack bei der Geburt zu- Dottersack, gleich mit Amnion und Allantois verloren. •384 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Mensch. Wenden wir uns jetzt zur Entwicklungsgeschichte des Menschen, so müssen wir zunächst hervorheben, daß die ersten Stadien der Entwicklung beim Men- schen noch durchaus unbekannt sind. Wenn man auch in den letzten Jahren einige sehr kleine menschliche Eier aufgefunden und sorgfältig bearbeitet hat, so waren in diesen jüngsten Eiern, deren Alter von der Befruchtung gerechnet, man wohl auf 12 — 15 Tage schätzen darf, bereits alle drei Keimblätter ange- legt. Besonders auffällig ist dabei sowohl die Kleinheit der Eier und Embryo- nalanlagen, als das Vorhandensein des Mesoderms trotz des Fehlens eines Pri- mitivknotens oder Primitivstreifens. Die Maße der beiden kleinsten mensch- lichen Eier werden zu 1,95 : 0,95 : 1,10 und zu 2,4 : 1,8 mm angegeben, die Längen der Embryonalanlagen zu etwa 0,15 und 0,19 mm. Das Mesoderm muß in diesen Eiern also unabhängig von einer Primitivknoten- und Primitivstreifenbildung entstanden sein, und doch finden wir bei etwas älteren Eiern nicht nur einen sehr gut entwickelten Primitivstreifen vor, sondern dieser Primitiv - streifen verhält sich auch genau so zum Ektoderm und Mesoderm, wie bei anderen Säugern und den Vögeln. Fig. r.- Ä c %, .■ 1. T^ u 67 gibt einen schematischen Durchschnitt, an dem man sich i< lg. 67. ScneraatischerDurch- ' " ' schnitt durch ein junges dcn Aufbau der jüugsten, bis dahin beobachtctcn mcusch- menschliches Ei. AnmH. Am- .,, , _,^. r-i-i nionhöhie, c. außererabryo- lichcn Eicr klar macheu kann. Die äußerste Schicht des illö?ij°'°j/f "^ÄesodlrZ kleinen Eibläschens ist der verhältnismäßig sehr dicke Trbi. Trophoblast. Troohoblast (Trbl.), den wir als eine ektodermatische Nach Keibel, vgl. Kkibel u. _ Mall, Handbuch der Entwick- Bildung ansprcchcn dürfen. Von dem oberen Pol dieser lungsgeschichte desMenschen, n-i 111 .1 .-n 1 1 -r^ 1 1 r • • tt-.i 1 irophoblasthulleragt der Embryonalzaplen in eine Hohle hinein, welche das Innere des Eies einnimmt. Gegen diese Höhle zu ist der Trophoblast von einer Zellschicht umzogen, welche als Mesoderm {Ms.) zu betrachten ist. Diese Zellschicht setzt sich auf den Embryonalzapfen fort. Im Embryonalzapfen selbst haben wir zwei Höhlungen. Die oben gelegene ist als Amnionhöhle {AmnH), die unten gelegene als Dottersackhöhle [DSH) aufzufassen. Die Amnionhöhle ist von Ektoderm ausgekleidet, der Dottersack, der auch noch die ganze Anlage des Darms enthält, von Entoderm. Zwischen Amnionhöhle und Dottersack liegt die Embryonal- anlage. Wir können jetzt auch noch das Mesoderm genauer deuten; soweit es den Trophoblast innen auskleidet und das Ektoderm der Amnionwand über- zieht, ist es als parietales Blatt des Mesoderms aufzufassen, so weit es den Dottersack umgibt als viscerales Blatt. Der Hohlraum innerhalb des Meso- blast ist das außerembryonale Coelom {C). In den allerjüngsten Stadien wird es noch von locker angeordneten Zellsträngen durchzogen, die in unserem Schema nicht zur Darstellung gebracht sind. Man kann so schließen, daß dies außerembryonale Coelom durch Spaltbildung entsteht. Eier des eben bespro- chenen Stadiums liegen schon innerhalb der Uterusschleimhaut. In diese sind sie offenbar aktiv eingewandert, ja sie haben sich sozusagen eingefressen. Man kann dies, von Analogien bei anderen Säugern abgesehen, schon daraus schlie- ßen, daß zweifellos von nun an der Trophoblast dieses Einfressen in das mütter- Die frühesten Stadien der menschlichen Entwicklung 385 AmiiH. '•"DL Chorionzotten. Inten-illöse Räume. liehe Gewebe weiter vollzieht. Er rückt dabei gegen die Drüsen und die Blut- gefäße der mütterlichen Schleimhaut vor und eröffnet dieselben. Aus den mütterlichen Gefäßen ergießt sich nun Blut in das Lacunensystem, welches sich inzwischen im Trophoblast ausgebildet hat. Das mütterliche Blut wird hier zunächst zum Teil vielleicht direkt als Nahrung verwandt — Analogien dazu finden wir bei vielen Säugern — ; allmählich aber bildet sich in dem Lacunensystem des Trophoblast eine geregelte Zirkulation aus; das zirku- lierende Blut dient dann als Nahrungs- und Sauerstoffträger und führt zugleich die Abbauprodukte des Eies fort. In die Trophoblastbalken wächst nun parietales Mesoderm hinein. Dies Einwachsen geschieht so, daß die ein- wachsenden Mesodermbalken sich nicht netzförmig miteinander verbinden, wie das ursprünglich die das Lacunensystem durch- setzenden Trophoblastbalken tun, sondern daß sie verzweigte Bäumchen bilden. So kommen die Chorionzotten zustande. Die Räume zwischen den Chorionzotten, in denen mütterliches Blut kreist, nennt man nun intervillöse Räume. Ursprünglich ist (Fig. 68) das ganze Ei von Zotten umgeben, und in diesen Zotten kommen bald embryo- Fig. es. Schematischer Durchschnitt durch ein nale Gefäße zur Ausbildung, in denen dann 'Z:f^:t:^J'^::rZ^^:^tc. das Blut des Embryo kreist. Mütterlicher ^"ße^-embryonales Coelom, /)5//. Dottersackhöhle. ■^ _ _ MS. Mesoderm, Trö/. Trophoblast. Nach KErBEL, und foetaler Kreislauf bleiben stets geschie- vgi. keibel u. mall, Handbuch der Entwickiungs- j r' •■ L 1 -1 1 . • 1 1 ..r>, »Ti M 1 geschichte des Menschen. den. spater bildet sich der größte Teil der Chorionzotten zurück; nur an einer Stelle, normalerweise dort, wo das Ei der Uteruswand zugewendet ist, kommen sie zu mächtigster Ausbildung und lassen die Placenta entstehen. piacenta. Für die weitere Entwicklung des menschlichen Embryonalgebildes seien nun zunächst noch in Fig. 6g und 71 ein paar schematische Medianschnitte gegeben, die durch einige Bilder der entsprechenden Embryonalanlage (Fig. 70 und 72) ergänzt werden. Auf Fig. 69 sehen wir den Embryonalschild noch zur Hälfte etwa vom Primitivstreifen durchzogen, an dessen vorderem Ende ein Canalis neurentericus {Can. n.), an dessen hinterem die Anlage Canaiis einer After- oder Kloakenmembran [Af.) kenntlich ist. Auf dem vor (jgjj, "«"''^° ^"'^"*- Primitivstreifen gelegenen Teile des Embryonalschildes sind, wie das die Fig. 70 A und B zeigen, bereits niedrige Medullarwülste vorhanden, welche eine flache Medullarrinne zwischen sich lassen. Der Kopffortsatz ist als Chordaanlage {Ch.) in das Entoderm eingeschaltet. In dem den Dotter- Chorda, sack einhüllenden visceralen Mesoderm finden wir die Anlagen von Blut und Blutgefäßen. Die Oberfläche des Dottersackes erscheint dadurch höckerig, Dottersack wie das auch in Fig. 70 A zur Darstellung gekommen ist. Das Embryonalge- bilde ist durch einen mit dem hinteren Teil des Amnion verbundenen Mesoderm- K. d. G. III. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. II 25 386 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Strang mit dem Chorion, der mit Zotten bedeckten serösen Hülle, verbunden. Bauchstiel. In dicsen Strang, den ,, Bauchstiel", hinein hat sich vom Entoderm aus ein enger Kanal entwickelt, der mit einer kleinen Erweiterung endet. Dieser Kanal AUantois. stcllt die cntodcrmale Allantois {All.) des Menschen, ein durchaus rudimen- täres Gebilde, dar. Eine freie bläschenförmige Allantois besitzt der Mensch nicht. Fig. 70 A zeigt den Embryonalschild von oben; das Amnion ist an seiner Wurzel abgeschnitten; der Bauchstiel ist quer durchschnitten und zeigt in sei- nem Inneren den Allantoisgang; im Hin- Amn. Can.n . ClinZ. tergrunde erkennt man den Dottersack. Fig. 70 B gibt die gleiche Embryonal- anlage von links und hinten her wieder. Hier ist nicht nur das Amnion, sondern auch der Dottersack an seiner Wurzel entfernt ; dagegen ist der Bauchstiel und -DSW Fig. 69. Medianer Sagittalsclinitt durch ein menschliches Em- bryonalgebilde ; auch der Teil des Chorion, an dem das Embryo- nalgebilde durch den sogenannten Haft- oder Bauchstiel befestigt ist, wurde dargestellt. .-//'. Aftermembran (Kloakenmembrani, AUG. Allantoisgang, Amn. Amnion, C. außerembryonales Coe- lom, Can.n. Canalis neurentericus, Ch. Chorda dorsalis , Chn. Chorion, CknZ. Chorionzotten, DS W. Dottersackwand. Zwischen Can.n.u.Af. liegt der Priraltivstreifen. Nach Keibel, vgl. Keibel u. Mall, Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Fig. joA n. B. Modelle einer menschlichen Em- bryonalanlage im Primitivstreifenstadiura. A von der Rückenseite, £ von der linken Seite. Nach Keibel und Elze. Aus Keibel und Mall, Hand- buch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. der Teil des Chorion, an welchem er inseriert, erhalten. Im Bauchstiel ist der Allantoisgang freigelegt. Die Fig. 71 und 72 stellen die Verhältnisse eines etwas älteren Embryo dar, eines Embryo, der seinerzeit vom Grafen Spee beschrieben wurde und in der Ent- wicklungsgeschichte des Menschen eine große Rolle gespielt hat. In Fig. 72 ist der Embryo von oben gesehen; das Amnion ist eröffnet und an seiner Wurzel abge- Primirivstreifen. tragcu. Dcr Primitivstreifcn nimmt nur noch einen kleinen Teil des Embryonal- gebildes ein, sein hinteres Ende ist abgebogen und im Begriff sich nach der ven- tralen Seite hin umzuschlagen. Auf dem Primitivstreifen ist eine sehr deutlich ausgesprochene Primitivrinne entwickelt; an seinem vorderen Ende findet sich ein Canalis neurentericus. Die Medullarwülste haben sich nun stärker erhoben, und die Medullarrinne ist deutlicher geworden. Die Medullarwülste umfassen das vordere Ende des Primitivstreifens mit dem Canalis neurentericus. Unter dem Embryo liegt der Dottersack, dessen Oberfläche durch die Anlagen des Blutes und der Gefäße höckerig erscheint. Das hintere Ende des Embryo wird Keimblätter und Primitivorgane beim Menschen 387 durch den Bauchstiel mit dem Chorion verbunden. Dem Gesagten braucht für die Erklärung des medianen Sagittalschnittes (Fig. 71) nichts hinzugefügt zu werden. Die weitere Entwicklung verläuft beim Menschen im Prinzip durchaus wie bei den anderen Säugern und Wirbeltieren. Fig. 73 zeigt wie der Embryo Fig. 71. Medianer Sagittalsclinitt durch einen jungen menschliclien Embryo mit sich ventralwärts umschlagenden Primitivstreifen. Auch das Amnion, der Bauchstiel und ein kleiner Teil des Chorion mit drei Zottenbäumchen ist dargestellt. AUG. Allantoisgang, Anin. Amnion, C. außerembryonales Coelom, Can.n. Caualis neurentericus, Ch. Chorda dorsalis, Chn. Chorion, ChiiZ. Chorionzotten, DSU'. Dottersackwand. Vgl. Keibel und Mall, Handbuch der Entwick- lungsgeschichte des Menschen. F i g. 72. Menschlicher Embryo von der dorsa- len Seite gesehen. Die Figur 71 stellt einen me- dianen Sagittalschnitt durch diesen Embryo dar. Nach Graf Spee. Aus Keibel u. Mall, Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Fig. 73. Menschlicher Embryo, der sich vom Dottersack abzuheben beginnt, von der dorsalen Seite. Nach Keibel und Elze. Aus Keibel u. Mall, Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. sich vom Dottersacke abzuheben beginnt. Das Amnion ist nahe an seiner Wurzel durchgeschnitten, man sieht von oben auf den Embryo. Die Medullar- rinne ist tief, aber noch durchweg offen. Am caudalen Ende umgreifen die Medullarwülste das vordere Ende des Primitivstreifens mit dem Canalis neu- rentericus. Zu jeder Seite der Medullaranlage sind 5 — 6 Ursegmente kenntlich. Die drei vordersten dieser Ursegmentpaare gehören noch dem Kopf an. Es ergibt sich demnach, daß das, was hier bei diesem Embryo angelegt ist, im wesentlichen dem Kopf und dem obersten Teil des Halses entspricht; diesem Gebiet gehört auch das Herz ursprünglich an. In dem kurzen hinteren Ende mit der sich eben ausbildenden Rumpfschwanzknospe liegt noch das Ma- ~D 388 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Affen. terial für den ganzen übrigen Körper. Mit dem Chorion ist der Embryo durch einen kurzen Bauchstiel verbunden. Ein viel älteres Stadium zeigt die Fig. 74. Ich gebe sie hier noch, um das Vorkommen der Kiemenbogen und eines Schwänzchens beim menschlichen Em- bryo zu demonstrieren. Der Bauchstiel des Embryo, der sich zum Nabelstrang umzugestalten beginnt, ist kurz abgeschnitten, seine Schnittfläche ist uns zu- gekehrt. Der Embryo ist nicht nur stark zusammengekrümmt, sondern auch spiralig gedreht. Am vorderen Ende des Kopfes wird das Riechfeld deutlich, die Hauptanlage des Riechorganes, dahinter das Auge. Dann kommt die Reihe der Kiemenbogen. Sie und der vordere Teil des Kopfes liegen dem mächtigen Herzwulst auf. Die Extremitäten sind stummeiförmige Platten; der Schwanz klemmt sich zwischen Herzwulst und Bauchstiel. An dieser Stelle ist es auch wohl am Platze etwas über die Entwicklung der Affen zu sagen, die in der letzten Zeit vor allem auf Grund des von Selenka und Hubrecht zusammengebrachten Materials durch die Untersuchungen Selenkas und anderer in den Grundzügen klar gelegt ist. Es ist bekannt, wie heftig über die Ähnlichkeit und Unähnlichkeit von Affen- und Menschenembryonen vor breitester Öffentlich- keit gestritten wurde. Es geschah das, weil man diese Ähnlichkeit als einen Beweis für die Verwandtschaft von Mensch und Affen verwerten wollte. Wir werden später noch erörtern, inwiefern Übereinstimmung in der Entwicklung auf gemeinsame Abstammung hin- deutet; doch sei schon hier hervorgehoben, daß die nahe morphologische Ver- wandtschaft zwischen Affen, besonders anthropoiden Affen, und Mensch wohl kaum mehr Gegenstand der Diskussion zu sein braucht, und für diese Verwandt- schaft bringt auch die Entwicklungsgeschichte zahlreiche Belege bei. Von den ersten Entwicklungsvorgängen, von der Furchung, ist bei den Affen nur ein Stadium bekannt. Hubrecht fand etwa in der Mitte des Eileiters eines Macacus nemestrinus ein aus vier Zellen bestehendes Ei. Wir haben nun die erste Anlage des Wirbeltierleibes bei den Vertretern der "^"^auer^^""^ Hauptklasscu der Wirbeltiere kennen gelernt. Wir haben gesehen, wie auf Wirbeltiere, schciubar rccht abweichenden Wegen sich bei allen Wirbeltieren ein Stadium herausbildet, das bis in Einzelheiten hinein bei den verschiedenen Wirbeltieren zu vergleichen ist. In diesem Stadium hat der Körper der Wirbeltiere einen verhältnismäßig einfachen Aufbau. Sein Achsenskelett ist die Chorda dorsalis. Dorsal von der Chorda liegt die Anlage des Nervensystems, das Medullarrohr, ventral der Darm. Rechts und links von dem Medullarrohr finden wir die Ur- segmente mit ihren Ursegmenthöhlen. Noch weiter lateral bzw. ventral liegt das parietale und das viscerale ungegliederte Mesoderm; das viscerale über- kleidet das Entoderm des Darms bzw. des Dottersackes; das parietale folgt F i g. 74. Menschliclier Embryo aus der vierten Woche von der linken Seite. Nach Keibel und Elze. Aus Keibel und Mall, Handbuch der Entwicklungsgeschichte desMenschen. Vergleich Mensch u. Affen. Vergleich der Keimblätterbildung in der ganzen Reihe der Wirbeltiere 380 der aus dem Ektoderm abstammenden primitiven Epidermis. Zwischen parie- talem und visceralem Mesoderm liegt die Leibeshöhle, das Coelom, das zunächst noch mit den Urwirbelhöhlen in Zusammenhang steht. Peripherwärts anderer- seits steht das Coelom bei den Tieren, welche einen großen Dotter haben, und bei den Säugetieren, mit der außerembryonalen Leibeshöhle in Verbindung. Die hier als Fig. 75 A — E wiedergegebenen Schemata veranschauhchen die wesentlichsten Typen: A den Amphioxus, B die Amphibien, C die Selachier, D die Sauropsiden und E die Säuger. In den Schematen C und D ist dabei nur Fig. 75^ — E. Querschnitte durch Embryonen bei den Haupttypen der Wirbeltiere. Bei Sauropsiden und Säugern ist von Amnion und Ailantois abgesehen, um die Übereinstimmung im Grundplan besser hervortreten zu lassen. Bei den Selachiern und Sauropsiden ist nur ein Teil des Dotters dargestellt. Die Schemata stellen dar: A den Typus des Amphioxus, B den der Amphibien, C den der Selachier, D den der Sauropsiden und E den der Säuger. C. Coelom, Ch. Chorda dorsalis, DH. Darmhöhle, Dr. Dotter, En. Entoderm, Ep. primitive Epidermis (Ektoderm nach Ausschaltung der Anlage des Nervensystems), MR. Medullarrohr , p.Ms. parietales Blatt des Mesoderm, US. Ursegment, USH. Ursegmenthöhle, v.Ms. viscerales Blatt des Mesoderm. der obere Teil des Dotters dargestellt, sowohl in D wie in E ist die Bildung des Amnion der serösen Hülle und der Ailantois vernachlässigt. Von diesem Sta- dium an verläuft nun die Entwicklung bei allen Wirbeltieren im Prinzip durch- aus gleichartig. Die homologen Organe entstehen aus dem gleichen Keimblatt und in entsprechender Weise. Wenn sich scheinbar Abweichungen finden, so lassen sie sich durch den Dotterreichtum oder durch zeitliche Verschiebungen leicht erklären. So ist es denn gewiß gerechtfertigt auch die ersten Stadien und die Vor- oastraeatheone. . ., -r^ -,1 1-1 -^ ■ j Coelomtheorie. gänge, welche sich bei ihrer Entwicklung abspielen, miteinander zu ver- gleichen und in Zusammenhang zu bringen. Es ist das von Ray-Lancaster und Häckel durch die Gastraeatheorie und von Oskar und Richard Hertwig durch die Coelomtheorie geschehen, und beide Theorien haben außerordentlich an- regend auf das Studium der Wirbeltierentwicklung gewirkt. Doch führten ^qo Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere sie gerade bei Wirbeltieren auch zu Einseitigkeiten, indem sie dazu verlei- teten, daß man die sämtlichen, grundlegenden Vorgänge der Wirbeltier- entwicklung in das Schema der Amphioxusentwicklung zu pressen ver- suchte. Überall sollte die Bildung des Entoderms auf Invagination zurück- geführt werden, und überall sollten auch Chorda und Mesoderm durch irgendwelche Abfaltungsprozesse vom Entoderm aus gebildet werden. Nun finden wir aber die Bildung des Entoderms und die des Mesoderms und des Coeloms bei den Wirbeltieren durchaus nicht immer in der Verknüpfung wie beim Amphioxus, und man darf weiter nicht vergessen, daß doch D'^ die Gastrulation ein Vorgang ist, der bei allen vielzelligen Tieren vor- Gastrulation. . . , . _ kommt. Man sollte deshalb in seine Definition weder seine Beziehungen zur Mesoderm- und Chordabildung noch auch den Vorgang der Invagination auf- nehmen. Bei den Wirbellosen haben wir ja keine Chorda, und das Mesoderm bzw. Mesenchym verhält sich bei ihnen durchaus anders als bei den Wirbel- tieren. Ferner finden wir bei den Wirbellosen, daß das Entoderm sich vielfach nicht durch Invagination bildet. Es kann hier auch entstehen durch Abspal- tung, Delamination, durch Einwanderung von Zellen, Immigration und durch Umwachsung, Epibolie, durch einen Vorgang, bei dem die Ektodermzellen die Entodermzellen umwachsen. Merkwürdig ist dabei, daß die Gastrulation sogar bei nahe verwandten Tieren bald in der einen, bald in der anderen dieser Formen vor sich gehen kann. Definition der Mit Bcrücksichtigung dieser Tatsachen definiere ich Gastrulation als den Vorgang, durch welchen sich die Zellen des Keimes vielzelliger Tiere in eine äußere und eine innere beziehungsweise eine obere und eine untere Zell- schicht, in Ektoderm und Entoderm sondern. Das Material für Mesoderm und Chorda kann dabei bald der oberen,, bald der unteren Keimschicht zu- geteilt werden, oder teilweise in der einen, teilweise in der anderen ent- halten sein. Es sind daher die obere und die untere Keimschicht oder, wenn man es in diesem Sinne brauchen will, Ektoderm und Entoderm, in der Reihe der Wirbeltiere nicht miteinander zu homologisieren. Wir haben die Bildung des Mesoderms und der Chorda als einen ursprünglich von der Gastrulation selbständigen Vorgang aufzufassen, der durch zeitliche Verschiebungen mit dem Gastrulationsvorgang in mehr oder weniger enge Beziehung trat. Erst nach Bildung von Chorda und Mesoderm haben wir in der äußeren und der inneren Keimschicht, die wir nun als definitives Ektoderm und definitives Entoderm bezeichnen können, streng vergleichbare Bildungen vor uns. Die Frage also, ob die Chorda und das Mesoderm von dem äußeren oder dem inneren Keimblatte abstamme, eine Frage, welche die embryologische Forschung lange Jahre beschäftigt hat, und die in der widersprechendsten Weise beantwortet wurde, durfte eigentlich in der Weise, wie es geschah, gar nicht gestellt werden. Wenn wir nun an das Be- sprochene zurückdenken, so sehen wir, daß bei den Wirbeltieren der Gastrula- tionsprozeßsich durch Invagination (Amphioxus, Selachier), durch Invagination verbunden mit Delamination (Amphibien), durch Delamination (Sauropsiden Die Gastraea- und die Coelomtheorie 301 und höhere Säuger) und durch Immigration (Beuteltiere) vollziehen kann. Zur Darmhöhlenbildung kann bei den Amphibien noch ein Teil der Furchungshöhle mit verwendet werden. Bei den Sauropsiden und den Säugern entsteht die Darmhöhle aus der subgerminalen Höhle. Die Chorda und das Mesoderm ent- steht bei Amphioxus durch die bekannten Abfaltungsprozesse von dem inneren Blatte des zweischichtigen Keimes, das noch nicht das definitive Entoderm ist. Es ist hier bei der Invagination, bei der das definitive Entoderm in das Innere des Eies gelangt, auch das Material für die Chorda und das Mesoderm dorthin verlagert worden. Bei Selachiern ist mit der Invagination nur ein Teil des Ma- terials für das Mesoderm in die untere Schicht des zweischichtigen Keimes ge- langt und wohl ebenso das Material für den vorderen Teil der Chorda. Dieses Material sondert sich später als gastrales Mesoderm und vorderer Teil der Chorda, während ein großer Teil des Mesoderms als peristomales Mesoderm entsteht und das Mesoderm und die Chorda des vorderen Körperendes sich von der Rumpfschwanzknospe aus ergänzt. Bei den Amphibien entsteht Chorda und Mesoderm wesentlich von den Urmundrändern und von der sich an diese an- schließenden Rumpfschwanzknospe aus. Bei den Sauropsiden und den Säu- gern entsteht das Mesoderm wie die Chorda vom Primitivknoten und vom Pri- mitivstreifen aus und zwar von der oberen Keimschicht, falls eine solche in diesem Gebiet zur Ausbildung gelangt ist. Freilich bleibt es fraglich, ob alles Mesoderm bzw. alles Mesenchym, wie man locker gefügtes Mesoderm zu nennen pflegt, bei Sauropsiden und Säugern so entsteht. Es finden sich nämhch, be- sonders für manche Säuger, Angaben sorgfältiger Forscher, nach denen minde- stens ein Teil des Mesoderms bzw. Mesenchyms aus dem unteren Keimblatt seinen Ursprung nehmen soll. Auf die besonderen Verhältnisse beim Menschen sei dabei auch hier noch einmal hingewiesen. Immerhin legt es die Art, in der das Mesoderm aus dem Primitivstreifen hervorwuchert, nahe, den Urmund mit dem Primitivstreifengebiet zu vergleichen, umso mehr als ja aus dem vorderen Gebiet des Blastoporus wie des Primitivstreifens ein Canalis neurentericus sich entwickeln kann, ein weiter nach hinten gelegenes Gebiet die Rumpfschwanz- knospe entstehen läßt, und auch die After- bzw. die Kloakenöffnung an ent- sprechenden Stellen aus Primitivstreifen und Urmund ihren Ursprung nehmen. Freilich handelt es sich — aber das gilt sowohl für die Amphibien wie für die Säuger — um einen abgeänderten Urmundrand, wir haben hier keinen direkten Übergang von Ektoblast in Entoblast wie im Urmundrande der Evertebraten. Veranschaulichen wir uns das Gesagte durch zwei Schemata. Fig. 76 A stelle einen Schnitt durch die seitlichen Urmundhppen eines Amphibieneies kurz vor dem Schlüsse des Urmundes dar, Fig. ^^ B einen Schnitt durch ein Säugerei quer zum Primitivstreifen. Denken wir uns die beiden lateralen Urmund- lippen des Amphibieneies aneinandergelegt und miteinander verschmolzen, dann durch ungleiches Wachstum das Entoderm vom Mesoderm gelöst, so haben wir genau das gleiche Bild, wie beim Primitivstreifen des Säugers. Das gleiche gilt im wesentlichen von den Sauropsiden. Wir werden also im Primi- tivstreifen der Sauropsiden und Säuger das Homologon des Urmundgebietes 392 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Cephalogcnesis und Notogenesis. der Amphibien erblicken dürfen. Es ist hier hinzuzufügen, daß der Wirbeltier- körper nicht einfach durch Umbildung der Gastrula entsteht, sondern daß sich aus dem Urmundgebiet eine Knospungszone herausbildet, aus der die Segmente des Wirbeltierkörpers hervorsprossen. In diesem frühen Stadium ist es noch mög- lich einen Vergleich mit den Entwicklungsstadien Wirbelloser, von Anneliden und Mollusken, zu machen. An der Trochophora, einer bei den genannten Tierklassen weit verbreiteten Larvenform, kann man einen vordersten unge- gliederten Teil unterscheiden, der durch die eigentliche Gastrulation entstanden ist, und einen hinteren gegliederten, der einem an die Gastrulation sich an- schließenden Knospungsprozeß sein Dasein verdankt. Die Fig. 'j'] A und B ver- anschaulichen diese Ver- hältnisse. Entsprechend unterscheidet Hubrecht bei der Entwicklung der Wirbeltiere zwischen Ce- phalogcnesis und Noto- genesis. Durch die Cepha- logcnesis wird auf dem Wege der Gastrulation der vordere ungegliederte Teil des Wirbeltierkörpers ge- bildet, durch die Noto- genesis, einen Knospungs- vorgang, der daran an- schließende gegliederte. Man wird allerdings diese Ausdrücke nicht mißver- stehen dürfen. Die Grenze beider Körperabschnitte darf nicht dort gesucht werden, wo sich heute der Kopf gegen den Rumpf absetzt, in den Kopf sind Rumpfsegmente in unbekannter Zahl aufgenommen worden. Wir haben hier also sogar bei Wirbeltieren noch morphologische Vorgänge, welche einen Vergleich mit solchen bei Wirbellosen zulassen. Man wird freilich nicht annehmen dürfen, daß es sich dabei um Erscheinungen handelt, welche direkt aufeinander zurückzuführen sind, etwa derart, daß sie von gemeinsamen Vorfahren aus übernommen wären. Und damit kommen wir auf die allgemei- nere Frage, wie wir überhaupt die ähnlichen und vergleichbaren Vorgänge aufein- ander beziehen dürfen, welche wir bei der Betrachtung der Wirbeltierentwick- lung kennen gelernt haben. Sind sie zu deuten im Sinne von Häckels vielbe- Das rufenem ,, biogenetischen Grundgesetz", nach dem die Geschichte des Einzel- Grundgesetz'^ Wesens, die Ontogenie, eine Wiederholung der Stammesgeschichte, der Phylo- genie, ist.? Können wir in der Formenreihe, welche der individuelle Organismus während seiner Entwicklung von der Eizelle bis zu seinem ausgewachsenen Zu- stande durchläuft, eine kurze, gedrängte Wiederholung der langen Formenreihe Fig. 76./ a. ß. Zwei Schemata, um zu zeigen, wie man das Amphibienei zur Zeit des Urmundschlusses mit dem Säugerei im Priraitivstreifenstadiura vergleichen kann. A Schnitt, der die seitlichen Urmundlippen (/. i/J/Zj in der Mitte schneidet, also den schon nahe dem Schluß stehenden Urmund in eine obere und in eine untere Hälfte zerlegt. B Schnitt durch ein Säugerei quer zum Primitivstreifeu. B/i. Eutoderm, lUML. laterale Urmundlippe, Ms. Mesoderm, PrSi. Primitivstreif, UD. Urdarm, UM. Urmund. A TTl— m- ms>' Cephalogenesis u. Notogenesis. Das biogenetische Grundgesetz u. das ontogen. Causalges. 303 sehen, welche die tierischen Vorfahren desselben Organismus oder die Stamm- formen seiner Art von den ältesten Zeiten der sogenannten organischen Schöp- fung an bis auf die Gegenwart durchlaufen haben? Ich glaube, daß das nicht möglich ist; denn erstlich scheitert jeder Ver- such in der Ontogenie die einzelnen Stadien der Entwicklung zu charakteri- sieren, und zweitens ist zweifellos in jeder Keimzelle der zukünftige Organis- mus mit allen in der Entwicklung vorkommenden Zwischenstadien in der An- lage vorhanden, in ihr mechanisch bedingt. Die Keimzelle ist eine Artzelle im Sinne von O. Hertwig. Die Wiederkehr besonderer Formzustände in der Entwicklung der ver- schiedenen Tierarten liegt, wie Oskar Hertwig in der Begründung seines onto- genetischen Causal- gesetzes ausführt, darin begründet, daß diese Formzustände die notwendigen Vor- stadien liefern für die folgenden, höheren Stufen in der Onto- genese. So muß die Furchung der Bil- dung derKeimblätter und diese der Anlage der Organe notwendig vorausgehen. Doch wird das historische Moment meiner Mei- nung nach nichtvöllig auszuschalten sein. Dasselbe Resultat kann ja zweifellos auf verschiedenen Wegen erreicht werden und der eingeschlagene Weg wird bis zu einem gewissen Grade auch von der historischen Entwicklung abhängen. Ich erinnere dafür nur an die verschiedenen Arten der Amnionbildung, die wir bei den verschiedenen Säugern kennen gelernt haben. Auch das muß hervorgehoben werden, daß der von der Natur eingeschlagene Weg durchaus nicht immer der kürzeste zum Ziele ist, und manche Umwege in der Entwicklung dürften auf die geschicht- lichen Momente zurückzuführen sein. Es ist schwer einzusehen, wie z. B. die Bildung eines Canalis neurentericus bei manchen Tieren eine durchaus not- wendige Bildung sein soll und bei anderen, die sonst im Bau die weitgehendste Übereinstimmung zeigen, fehlen kann. Auch die Kiemenbogen möchte ich hier- her rechnen. Sie scheinen mir denn doch darauf hinzuweisen, daß es einst Säuger gegeben hat, die durch Kiemen atmeten. Auch darin läßt sich wohl manchmal ein Einblick gewinnen, warum in manchen Fällen und an manchen Stellen eine alte Organanlage, eine umständ- lichere Entwicklungsart erhalten bleibt, in anderen nicht. Es kann das ab- an ms- an Das ontogenetische Causalgesetz. Fig. TT A n. B. Trochophorenlarven. W Junge Trochophora von Polygordius, an welcher der Rumpf eben auszuwachsen beginnt. Vereinfacht nach H.\tschek. B Ältere Trochophora von Polygordius. Der Rurapfabschnitt ist länger ausge- wachsen, im Mesoderm sind eine Anzahl Segmente gebildet, an After, m Mund, ms Mesoderm, sß. Scheitelplatte. Nach Jablonowski. Aus Keibel und Mall, Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. 7QA Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere hängen von der Größe und Schnelligkeit der Umwälzungen, die gerade auf diesem Gebiet vorgehen. Analogien finden sich in der menschlichen Produktion; da können sich an menschlichen Kleidungsstücken und an Maschinen Teile oft lange und oft unverstanden erhalten, die früher einmal ihre Bedeutung gehabt haben. Die Entwicklungsgeschichte der Keimblätter, die wir im wesentlichen bis jetzt besprochen haben, bildet, wie schon hervorgehoben, die Grundlage für die weitere Entwicklung. Es folgt nun die Anlage und die Ausgestaltung der einzelnen Organe, und hierbei tritt neben der morphologischen Seite auch die histologische Seite der Entwicklung immer mehr in den Vordergrund. Wir können wohl sagen, daß im Verlaufe der normalen Entwicklung die gleichen Organe stets aus den gleichen Keimblättern und den entsprechenden Teilen dieser Keimblätter entstehen. Doch ist das nicht so zu verstehen, daß etwa Erbungieiche durch crbunglciche Teilung gewisse Zellkomplexe nur noch die Anlagen für be- ""°^' stimmte Organe bzw. Organteile enthalten. Dafür, daß die Anlagen bei der Zellteilung gleichmäßig verteilt wurden, gibt die experimentelle Entwicklungs- geschichte manches Beispiel. Die Regenerationsversuche überhaupt und dann besonders die Versuche über die Regeneration der Linse bei Tritonen seien hier hervorgehoben. Die neue Linse entsteht bei Tritonen aus ganz anderer Quelle, wie die ursprüngliche, nicht aus der Epidermis, sondern aus einem Teil der Re- tina, aus Zellen also, welche normalerweise mit der Entstehung der Linse nicht das geringste zu tun haben. Daß es bei den Tieren nicht mehr möglich ist aus jeder einzelnen Zelle den ganzen Organismus zu züchten, das braucht nicht durch eine erbungleiche Teilung bedingt zu sein, das kann von der Geschichte der einzelnen Zellen abhängen. Erstlich können durch besondere Entwicklungs- vorgänge einzelne Anlagen geschädigt und unterdrückt sein, zweitens kann, trotzdem alle Anlagen ungeschädigt erhalten sind, eine Entwicklung unmög- lich sein, weil gewisse für die Entwicklung notwendige Bedingungen in der Zelle oder in ihrer Umgebung fehlen. Der Ein bestimmter histologischer Charakter ist den Zellen der einzelnen Keim- char°akfeTdrr blätter uoch nicht aufgedrückt. Besonders aus dem mittleren Keimblatt, dem Zellen und die Mcsodcrm, cntstchen die verschiedensten Gewebsformationen. Neben dem Keimblätter. Bindegewebe und Stützgewebe in all seinen Modifikationen und Anordnungen, als da sind lockeres und geformtes Bindegewebe, elastisches Gewebe, Knochen und Knorpel, entstehen auch vielfach epitheliale Gebilde aus ihm. So nehmen die unter sich ja wieder sehr verschieden gestalteten Epithelien der Nierenbil- dungen und des Genitalapparates aus dem Mesoderm ihren Ursprung. Aus dem definitiven Entoderm entstehen wohl nur epitheliale Bildungen, woran auch gegenüber abweichenden Angaben fest zu halten sein dürfte, die Epithelien des Darmkanals und der Darmdrüsen. Unter sich sind diese epithelialen Bildungen freilich verschieden genug. Das vielschichtige, ja bei manchen Tieren verhornte Plattenepithel der Speiseröhre und das zarte, einschichtige Zylinderepithel an- derer Darmabschnitte sind beide zweifellos entodermaler Abstammung, ebenso wie die Leber- und Pankreaszellen. Die Beziehungen der Keimblätter zu Geweben und Organen 30 = Dagegen läßt das äußere Keimblatt, das Ektoderm, wieder viel mannig- faltigere Bildungen aus sich hervorgehen. Es wurde schon hervorgehoben, daß das Ektoderm der Mutterboden des gesamten Nervensystems ist. Schon im Bereiche dieses Systems haben wir sehr mannigfach gestaltete Zellen. Die Ventrikel des Hirns und der Zentralkanal des Rückenmarks werden von epi- thelialen Zellen ausgekleidet. Dann kommen die vielgestaltigen Ganglienzellen, und auch das Stützgewebe des zentralen Nervensystems, die Neuroglia, der Nervenkitt, ist ja ektodermaler Herkunft, ebenso wie die Scheidenzellen der peripheren Nervenfasern, die sogenannten Schwannschen Zellen. In der Neu- roglia kommt sogar ein Stützgerüst von Fasern zur Entwicklung, und man hat darum lange Zeit die Neuroglia für ein vom Mesoderm stammendes Bindegewebe gehalten. Ich nenne dann noch als Abkömmlinge des Ektoderms Sinnesepithelien, dieStäbchen und Zapfenzellen derRetina, dieRiech- undHörzellen ; dagegen schei- nen die Zellen der Geschmacksknospen entodermaler Abkunft zu sein. Natürlich stammen dieEpidermis und ihreAbkömmlinge,wieHornschuppen, Federn, Haare, Nägel, Krallen und Hufe, vom Ektoderm. Besondere Ausgestaltung erfahren dann Ektodermzellen in demSchmelzorgan derZähne. Sehr auffallend und erst seit ver- hältnismäßig kurzer Zeit bekannt ist es, daß auch Muskulatur aus dem Ektoderm entstehen kann. Muskelzellen, welche die Kanäle von Schweißdrüsen umgeben, und der Erweiterer und Verengerer der Pupille sind ektodermaler Abstammung. Wenn hier von Organen gesprochen wurde, die aus dem einen oder anderen Keimblatt ihren Ursprung nehmen, so ist dem hinzuzufügen, daß vielfach mehr als ein Keimblatt an dem Aufbau eines Organes teilnimmt. Wenn man unter solchen Umständen sagt, daß das Organ aus einem Keimblatt abstammt, so soll das heißen, daß die wesentlichen, charakteristischen Teile des betreffenden Die Organes von diesem Keimblatte geliefert werden. So nennen wir den Magen ein ^KeimWäfter tu*^ entodermales Organ, weil das Epithel der Magenschleimhaut und ihrer Drüsen '^^" Organen, entodermaler Herkunft ist; die übrigen Teile der Schleimhaut, die Muskulatur und der seröse Überzug des Magens stammen vom Mesoderm. Die Zähne wer- den meist als ektodermale Organe bezeichnet, weil ihr eigenartigster Bestand- teil, der Schmelz, ektodermaler Natur ist; Dentin und Cement stammen wie die Zahnpulpa vom Mesoderm. Beim Auge liefert das Ektoderm die Retina, die Linse und das Epithel der Cornea; die Sclera, die Substantia propria der Cornea und die Chorioidea sind mesodermaler Herkunft; über den Mutterboden des Glaskörpers wird bis in die jüngste Zeit gestritten. Das Gehörorgan erhält Bei- träge von allen drei Keimblättern. Das Epithel des eigentlichen Sinnesorganes, des inneren Ohres, ist ektodermal, ebenso das Epithel des Gehörganges und des äußeren Ohres, Das Epithel der Ohrtrompete und der Paukenhöhle ist ento- dermal, es entstammt der ersten Kiementasche. Zu den ektodermalen und ento- dermalen Bestandteilen kommt dann mesodermales Gewebe überall als Hüll- und Stützgewebe hinzu; auch die Hörknöchelchen und die entsprechenden Bil- dungen sind natürlich mesodermaler Abkunft. Wir sind am Ende unserer Betrachtungen angelangt. Wir haben gesehen, wie sich bei den Wirbeltieren aus der Eizelle die Keimblätter als die Grundlage 3g6 Franz Keibel: Die Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere der weiteren Entwicklung bilden, und wir haben hervorgehoben, welche Be- deutung diese Keimblätter haben. Auch die Entwicklung der Eihäute und ganz im groben die Herausbildung der äußeren Körperform wurde besprochen. Man pflegt diese Vorgänge als allgemeine Entwicklungsgeschichte zusammen zu fassen. Der allgemeinen Entwicklungsgeschichte stellt man die Entwicklungs- geschichte der Organe gegenüber. Wir haben gesehen, wie alle hier betrachteten Entwicklungsvorgänge durchaus gesetzmäßig verlaufen, und wie sie bei den verschiedenen Wirbeltieren untereinander vergleichbar sind. Daß diese Zu- sammenhänge nicht ohne weiteres im Sinne des sogenannten biogenetischen Grundgesetzes Häckels aufzufassen sind, wurde betont. Immerhin wird aber zuzugeben sein, daß einzelne Vorgänge als Wiederholungen aus der Vorfahren- zeit zu deuten sind und somit ,, historische" Bedeutung haben. Vielfach dürften das gerade funktionell unwichtige Bildungen sein, Arabesken der Entwicklung. Übereinstimmungen in solchen dürften bei im System nicht so fern stehenden Tieren am allerersten an gemeinsame Abstammung denken lassen. Um sie aufzudecken wird man die Entwicklung der Wirbeltiere viel mehr ins einzelne verfolgen und auf eine viel größere Zahl von Tieren ausdehnen müssen, als das bis jetzt geschehen ist. Es kann nicht genug hervorgehoben werden, daß das, was ich hier geben konnte, nur ein kurzer, schematischer Abriß ist, der die Hauptzüge der Entwicklung und die Art, in der man sie auffassen kann, gibt, — • nicht mehr. Gerade darin liegt ein Hauptreiz entwicklungsgeschichtlicher Studien, zu verfolgen, wie bei verschiedenen Tieren dieselben Grundvorgänge in mannig- fach wechselnder Weise durchgeführt sind. Da heißt es dann zu überlegen, worauf dieÜbereinstimmungen beruhen, und wodurch dieAbweichungen bedingt sind. Nach einer genauen Analyse der Tatsachen und zwar auch derjenigen, welche die vergleichende Anatomie und die Palaeontologie uns bieten, wird na- türlich auch in geeigneten Fällen das Experiment heranzuziehen sein. Gewiß wird es unser Bestreben sein müssen, die ganze Entwicklung vom Ei bis zum ausgebildeten Tier causal in all ihren Gliedern zu verstehen, aber wir dürfen uns nicht verhehlen, daß wir von diesem Ziel noch außerordentlich weit ent- fernt sind, und nur ganz ausnahmsweise einmal ist eine mathematische Be- handlung entwicklungsgeschichtlicher Probleme heute schon möglich. In sei- nem berühmten Werke ,,Über Entwicklungsgeschichte der Tiere. Beobach- tung und Reflexion" sagt Karl Ernst v. Baer: ,,Die Palme (aber) wird der Glückliche erringen, dem es vorbehalten ist, die bildenden Kräfte des tierischen Körpers auf die allgemeinen Kräfte oder Lebensrichtungen des Weltganzen zu- rückzuführen. Der Baum, aus welchem seine Wiege gezimmert werden soll, hat noch nicht gekeimt." Diese Worte schrieb Baer vor fast lOO Jahren, im Jahre 1 828, und trotz aller Erfolge, welche die Biologie und die Entwicklungsgeschichte seitdem errungen haben, sind wir diesem letzten Ziel heute nicht wesentlich näher gerückt; un- sere Errungenschaften sind endliche Größen, das Ziel winkt in unendlicher Schlußzusammenfassung. Die letzten Aufgaben der Entwicklungsgeschichte 3g 7 Ferne. Und auch noch ein anderes müssen wir uns, wie schon hervorgehoben, gegenwärtig halten. In der Entwicklungsgeschichte kann es nicht unsere ein- zige Aufgabe sein, die allgemeinen und letzten Gesetze der Entwicklung zu finden und, wenn möglich, die qualitative Mannigfaltigkeit auf quantitative Verhältnisse zurückzuführen. In der Entwicklungsgeschichte steckt wirklich ein historisches Moment. Gewiß urteilt man heute vielfach mit Recht über die Stammbäume ab, die in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahr- hunderts in so übergroßer Zahl entworfen wurden. So verfehlt aber der einzelne Versuch auch oft sein mochte, ein richtiger Gedanke liegt ihm doch zugrunde. Wir dürfen von der vergleichenden Entwicklungsgeschichte sowohl Aufschlüsse über die Verwandtschaft der Tiere untereinander erwarten, wie Andeutungen über die Wandlungen, welche das einzelne Tier in seiner Phylogenie durchge- macht hat. Freilich werden wir bei solchen Ermittlungen mit der äußersten Vorsicht zu verfahren haben, und wir werden uns auch gegenwärtig halten müssen, daß wir doch erst die Entwicklung von sehr wenigen Tieren einiger- maßen genau kennen. Vorgänge, welche sich der Natur der Sache nach wieder- holen müssen, um zu entsprechenden Resultaten zu führen, werden wir nicht als Beweise für Verwandtschaft, für gleiche Abstammung hinstellen dürfen. Immerhin werden aber mit solchen Vorgängen Besonderheiten verknüpft sein können, welche für eine Verwandtschaft sprechen. Dann müssen wir uns hüten, das ganze Heer der Konvergenzerschei- nungen auf Verwandtschaft zu deuten. Unter den Anforderungen der gleichen Funktion können durchaus ähnliche Bildungen auf morphologisch durchaus ungleichartiger Grundlage zustande kommen. Solche Bildungen sind in keiner Weise geeignet, eine Verwandtschaft zu begründen. Nie werden wir bei derartigen Untersuchungen eine Sicherheit erreichen können, wie in den exakten Naturwissenschaften, in der Chemie oder gar in der Physik; die Intuition, man kann fast sagen, der Takt des Forschers wird hier stets eine bedeutende Rolle spielen. Das berechtigt uns aber nicht, diesen Be- strebungen den wissenschaftlichen Wert abzusprechen. Literatur. V. Baer, Karl Ernst. Über Entwicklungsgeschichte der Tiere. Beobachtung und Reflexion. Königsberg 1828 u. 1837. BONNET, Robert. Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte. 2. Aufl. Berlin 1912. Haeckel, Ernst. Die Gastraeatheorie, die phylogenetische Klassifikation des Tierreichs und die Homologie der Keimblätter, Jenaische Zeitschr. Naturw. Bd. VIII, 1884. Hertwig, Oskar. Die Elemente der Entwicklungslehre des Menschen und der Wirbeltiere. 4. Aufl. Jena 1910. . Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. 9. Aufl. Jena 1910. . Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre der Wirbeltiere. Bearbeitet von Barfurth, Br.\us usw. Herausgegeben von O. Hertwig. Jena 1906. . Allgemeine Biologie. 4. Aufl. Jena 19 12. Hill, J. P. The early development ot the marsupialia, with special reference of the native cat (Dasyurus viverrinus). The Quart. Journ. Micr, Sei. Vol. 56. 1910. Hubrecht. Early Ontogenetic Phenomena in mammals etc. The Quart. Journ. Micr. Sei. Vol. 53. 1908. Kollmann, Julius. Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Jena 1898. . Handatlas der Entwicklungsgeschichte des Menschen^ Jena 1907. Keibel, Franz. Normentafeln zur Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere. In Verbindung mit Bles, Boeke usw. herausgegeben von F. Keibel, Jena. Seit 1896, (Ausführliche Literaturnachweise.) Keibel, F. und Mall, F. P. Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Leipzig 1910 u. 1911. KOPSCH, Fr. Untersuchungen über Gastrulation und Embryobildung bei den Chordaten. Leipzig 1904. Pander. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Hühnchens im Eye. Würzburg 18 17, Ray-Lankester. On the primitive cell-layers of the Embryo as the basis of geneological Classification of animals etc. Ann. and Magaz. Nat. Hist. Vol. XI. 1873. Selenka, Emil. Menschenaffen. Studien über Entwicklung und Schädelbau. Wiesbaden 1898 — 1911. SCHULTZE, Oscar. Grundriß der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Säugetiere. Leipzig 1896. WOLFF, Caspar Friedrich. Theoria generationis. Halle 1759. . Über die Bildung des Darmkanals. Halle 1812. (Übersetzung von JOHANN Friedrich Meckel ) Ziegler, Heinrich Ernst. Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der niederen Wirbeltiere. Jena 1902. DIE MORPHOLOGIE DER WIRBELTIERE. Von Ernst Gaupp. I. Einleitung. Klassifikation. Unter der Bezeichnung "Wirbeltiere [animaux ä vertebres) faßte der als ein Einleitung. Begründer der Abstammungslehre berühmt gewordene französische Natur- ^i^^"^'^''^*'""- forscher Jean Lamarck am Ende des 1 8. Jahrhunderts die vier oberen Klassen Linnes, Fische, Amphibien, Vögel, Säuger, zusammen und stellte sie den übrigen tierischen Organismen, den Wirbellosen [animaux sans vertebres) gegenüber. Diese Einteilung ist auch heute noch vielfach als kurz und bequem in Gebrauch, wenn man sich auch darüber klar ist, daß die beiden so geschaffenen Gruppen recht ungleichwertig sind. Die systematische Übersichtstabelle auf S. 185 läßt das deutlich hervorgehen: sie führt die ,,Vertebrata" nur als Stamm der Chor- donia (Chordatiere) auf und stellt diesen letzteren Tierkreis oder Typus, der außerdem noch die Stämme der Acrania (Kopflosen) und derTunicata (Mantel- tiere) umfaßt, elf anderen Typen als einigermaßen gleichwertigen zwölften gegenüber. Im zoologischen System nehmen somit die Wirbeltiere nur eine ver- hältnismäßig bescheidene Stellung ein, und die Untergruppen, Klassen und Ordnungen, die man in ihnen unterscheidet, können den verschiedenen Typen der ,, Wirbellosen" nicht als gleichwertig erachtet werden. Auch die Beziehungen der Wirbeltiere zu den beiden anderen Stämmen, mit denen sie zu dem Typus der Chordatiere vereinigt werden, sind noch recht verschieden. Das einigende Band, das alle drei umschlingt, ist der Besitz der Rückensaite [Chorda dorsalis) ; abgesehen davon aber weicht die Organisation der Manteltiere von der der Wirbeltiere doch recht erhebhch ab, während zwischen den letzteren und dem Amphioxus (dem Hauptvertreter der Kopf- losen) bei allen Verschiedenheiten doch eine viel größere Annäherung besteht, die denn auch dazu geführt hat, den Amphioxus als Urwirbeltier zu bezeichnen und aufzufassen. Gewiß ist diese Auffassung stark einzuschränken; vieles in der Organisation des Lanzettfischchens beruht offenbar, wie anderwärts schon gesagt wurde, auf Rückbildung, anderes erscheint ganz einseitig ausgebildet, so daß ein Anschluß der typischen Wirbeltierzustände an die Einrichtungen beim Amphioxus unmögHch ist. Auf der anderen Seite bestehen aber doch auch wieder manche Übereinstimmungen, die die Einreihung der Acrania unter die Wirbeltiere rechtfertigen können. Somit lassen sich die lebenden Wirbel- tiere zunächst in die zwei großen Hauptabteilungen der Acrania (Kopf- oder Schädellosen) und der Craniota (Kopf- oder Schädeltiere) einteilen. Unter den Craniota bilden die Cyclostomata (Rundmäuler, z. B. Neunaugen) eine ^OO Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere durch ihr rundes Saugmaul gekennzeichnete Gruppe, der die übrigen Formen als Gnathostomata (Kiefermäuler, mit herabklappbarem Unterkiefer) gegen- überstehen. Die Kiefermäuler zerfallen weiter in die 5 Klassen der Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säuger, von denen die letzten drei als Am- niota (Amniontiere, die bei der Entwicklung ein Amnion bilden) den Rund- mäulern, Fischen und Amphibien als den Anamnia (Amnionlosen) gegenüber- gestellt werden. Unter den Fischen werden die Knorpelflosser oder Selachei (Haie, Rochen, Chimaeren), Ganoidei (Ganoinschupper, z.B. Störe, Lepidosteus u. a.), Teleostei (Knochenfische, die Mehrzahl der jetzt lebenden Fische), Dipnoi (Doppelatmer) unterschieden; die Amphibien zerfallen in die Urodela (geschwänzte Amphibien, Schwanzlurche), Anura (schwanzlose A.) und Apoda (fußlose A., Blindwühlen); die Reptilien in Rhynchocephala (Brückenechsen), Sauria (Echsen), Ophidia (Schlangen), Crocodilia (Krokodile) und Chelonia (Schildkröten). Die Unterabteilungen der Vögel besitzen für unsere Zwecke geringere Bedeutung. Unter den Säugern ist zunächst die Gruppe der eier- legenden Monotremata (Kloakentiere) und die der Marsupialia (Beuteltiere) ab- zusondern; beide werden als Aplacentalia (Placenta-lose) den Placentalia (Pla- centaltieren) gegenübergestellt, welch letztere wieder in eine große Anzahl ein- zelner Ordnungen zerfallen (Insektenfresser, Flattertiere, Raubtiere, Flossen- füßer, Zahnarme, Nager, Waltiere, Klippdachse, Rüsseltiere, Paarhufer, Un- paarhufer, Meerkühe, Halbaffen, Affen, Mensch). Wie schon gesagt, sind diese Untergruppen der Wirbeltiere, denen sich in allen Klassen noch zahlreiche ausgestorbene Ordnungen anreihen, anders zu betrachten als die der ,, Wirbellosen"; sie zeigen nicht so weit voneinander ver- schiedene Organisationszustände wie jene, sondern lassen deutlicher den ge- meinsamen Grundplan als Zeichen engerer verwandtschaftlicher Zusammen- gehörigkeit erkennen. Infolgedessen erscheint es hier angezeigter, statt die ein- zelnen Gruppen morphologisch zu charakterisieren, zunächst eine kurze Über- sicht über die wichtigsten allgemeinen morphologischen Merkmale der Wirbel- tiere zu geben und dann eine besondere Betrachtung der einzelnen Organ- systeme anzuschließen. Eine derartige Behandlung rechtfertigt dann auch kurze Hinweise auf die biologische, funktionelle Bedeutung der morphologi- schen Einrichtungen. II. Allgemeine Morphologie der 'Wirbeltiere. AUgemeine Dcr Namc ,, Wirbeltiere" ist, wenn man darunter Tiere mit einer geglieder- ^^""^ef"^'^ ten Wirbelsäule versteht, nicht ganz zutreffend, denn nicht nur dasLanzettfisch- wirbeitiere. chen, dcsscn Beziehung zu den Wirbeltieren eine mehr lose ist, sondern auch Formen, die ganz zweifellos zu den Wirbeltieren gerechnet werden müssen, wie die Rundmäuler, manche Ganoinschupper sowie die Doppelatmer, besitzen keine gegliederte Wirbelsäule, sondern als Grundlage des Rumpfskeletts eine unge- gliederte Rückensaite oder Chorda dorsahs. Es ist eben ein ganzer Komplex von Merkmalen, der das ,, Wirbeltier" kennzeichnet. Einige derselben, von all- gemeinerer Bedeutung, sind zunächst zu betrachten. Klassifikation. Allgemeine Morphologie. Symmetrie, Asymmetrie 401 Wie die meisten Wirbellosen, so sind auch die Wirbeltiere bilateral sym- Büatcraie metrisch gebaut, d. h. ihr Körper kann durch eine die vordere und die hintere ''^y'""'''"''- Mittellinie miteinander verbindende Symmetrie- oder Medianebene in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften zerlegt werden (s. auch S. 181). Freilich gilt diese bilaterale Symmetrie am ausgebildeten Tier nur für die äußere Form des Körpers, d. h. vor allem für die an der Herstellung derselben besonders be- teihgten Organe des animalen Lebens, der Bewegung (Skelett und Muskulatur) und der Sinnesempfindung; diese finden wir entweder paarig, rechts und links von der Mittellinie angeordnet und von spiegelbildlich gleicher Form, oder un- paar in der Mittellinie gelagert, aber aus zwei symmetrischen Hälften zusam- mengesetzt. Dagegen weisen die im Innern des Körpers untergebrachten Or- gane des vegetativen Lebens (der Ernährung im weitesten Sinne, also die Organe des Darm-, Atmungs-, Gefäßsystems, dazu die Organe des Harn- und Geschlechtssystems) vielfach eine asymmetrische Anordnung auf, wie denn be- kanntlich beim Menschen die Leber wesentlich der rechten, Herz, Magen und Milz wesentlich der linken Seite angehören. Indessen ist hierzu gleich zu be- merken, daß auch diese Störung der Symmetrie nicht von Anfang an und nicht überall in gleichem Maße vorhanden ist: je weiter wir in der Entwick- lungsgeschichte zu jüngeren Stadien zurückgehen, um so mehr sehen wir auch für die vegetativen Organe das Gesetz der bilateralen Symmetrie Geltung be- sitzen, und die niedriger stehenden Wirbeltiere lassen im allgemeinen auch im erwachsenen Zustand jenes Gesetz noch deutlicher erkennen. Wo aber wirklich auffallendere Asymmetrie besteht, da ist sie erst sekundär ent- standen: die junge Flunder ist ein durchaus symmetrisches Fischchen, und erst nachträglich kommt die bekannte Ungleichheit ihrer beiden Seiten zur Ausbildung. Die bilaterale Symmetrie ist eins der wichtigsten Bildungsgesetze, die den Bau des Wirbeltierkörpers beherrschen; ihre Zweckmäßigkeit liegt darin, daß durch gleiche Verteilung der Kräfte, Lasten und Widerstände auf beiden Seiten des Körpers am sichersten eine leichte geradlinige Vorwärtsbewegung erzielt wird. Von diesem Gesichtspunkt aus ist es auch verständlich, daß im Innern des Körpers nicht volle formale Symmetrie herrscht: eine gleiche Ver- teilung der Gewichtsmassen kann ja trotzdem erreicht werden. Daß tatsäch- lich ein Zusammenhang zwischen der Lokomotion und der symmetrischen Form besteht, darauf weisen mancherlei Erscheinungen hin, so die schon be- rührte Asymmetrie der Flachfische (Flunder, Steinbutt, Seezunge), die sich in dem Maße ausbildet, als das anfangs ganz symmetrische Fischchen seine frei schwimmende Lebensweise aufgibt und dazu übergeht, sich mit einer Seite auf den Boden des Meeres zu legen, hier, in Ruhe verharrend, auf Beute zu lauern und fast nur noch zur Gewinnung solcher oder zur Rettung des eigenen Lebens von seiner Bewegungsfähigkeit Gebrauch zu machen. Im ganzen ist äußere Asymmetrie bei Wirbeltieren recht selten, innere häufiger; außer den schon angedeuteten Ungleichheiten der Lagerung namentlich der Organe des Darm- systems wären zu nennen die Verkümmerung des rechten Eierstockes bei den K.d. G.III. iv,Bd2 Zellenlehre etc. II 26 402 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Vögeln, die mit der Form des Körpers in Zusammenhang stehende Verkümme- rung der linken Lunge bei manchen Schlangen u. a. Rückensaite. Gemeinsam ist weiterhin allen Wirbeltieren der Besitz einer Rücken- saite {Chorda dorsalis), die entweder das ganze Leben hindurch erhalten bleibt oder nach kurzem embryonalem Bestand der gegliederten Wirbelsäule Platz macht. Ihr Besitz weist, wie schon gesagt, auf verwandtschaftliche Beziehun- gen der Wirbeltiere zu den Manteltieren unter den Wirbellosen hin. Dorsal (d. h. rückenwärts) von ihr liegt stets das Nervenrohr (Rückenmark und Ge- hirn), ventral (d. h. bauchwärts) die Leibeshöhle mit den Organen des vegeta- tiven Lebens: dem Darmrohr und seinen Anhangsgebilden, sowie den Organen der Atmung, des Harn- und Geschlechtssystems. Metamerie. Eine wichtlgc Rolle in der Morphologie des Wirbeltierkörpers spielt weiter seine Metamerie, d. h. seine Zusammensetzung aus einzelnen hintereinander gelegenen und unter sich nach gleichem Plane gebauten ,,palillogen" Segmenten oder Metameren (s. auch S. 182). Beim erwachsenen Tier in der äußeren Form nicht mehr erkennbar, sondern meist nur noch im Gebiete des Rumpfes in der Anordnung der Muskeln, der Nerven und Gefäße sowie der stützenden Skelett- teile zum Ausdruck kommend, tritt sie bei der embryonalen Anlage des Kör- pers, und zwar nicht nur des Rumpfes, sondern auch eines Teiles des Kopfes sowie der Extremitäten um so deutlicher hervor und erweist sich damit als ein für die Morphologie der Wirbeltiere besonders wichtiges Gestaltungsprinzip. Diese metamere Gliederung nimmt ihren Ausgang vom Mesoderm, das beim Amphioxus in seiner ganzen Ausdehnung, also sowohl in seinem dorsalen wie in seinem ventralen Abschnitt, in eine Anzahl hintereinander gelegene Säckchen zerfällt, während bei den Kranioten nur sein dorsaler Teil in solche Segmente (,,Ursegmente") zerlegt wird, sein ventraler Teil dagegen im ganzen Rumpf- gebiet unsegmentiert bleibt (s. den Abschnitt über Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere). Demzufolge ist die Leibeshöhle, die durch Auseinanderweichen des ventralen Mesoderms in ein viscerales und ein parietales Blatt zustande kommt, bei den Kranioten von vornherein einheitlich, unsegmentiert, während sie beim Amphioxus zu einem einheitlichen Raum erst durch Schwund der ursprünglichen trennenden Scheidewände zwischen den ventralen Abschnitten der Mesodermsegmente wird. Die Zerfällung des dorsalen Mesoderms in hinter- einander gelegene Segmente ist ein Vorgang, der auch bei den Kranioten nicht auf den Bereich des Rumpfes beschränkt bleibt, sondern sich in das Gebiet fortsetzt, das später zum Kopfe wird. Wieviel Mesodermsegmente dem Kopfe zuzuzählen sind, ist noch strittig, tatsächlich ist diese Zahl wohl auch bei den einzelnen Formen verschieden. Nur der vorderste Teil des Kopfes wird als ein von jeher und stets ungeghederter Abschnitt des Körpers ange- sehen. Im Kopfgebiet macht sich aber noch eine besondere Art der Segmen- tierung bemerkbar, die im Rumpf gebiete fehlt: durch die vom Darm aus als paarige Ausstülpungen entstehenden Schlundtaschen, die bis zum Ektoderm vordringen und sogar nach diesem hin durchbrechen können, wird auch das ventrale Mesoderm dieses Gebietes in einzelne hintereinander gelegene Ab- Rückensaite. Metamerie. Kopfhöhlen. Äußere Form 403 schnitte zerlegt: der vorderste Teil der Leibeshöhle wird jederseits in eine An- zahl Kopfhöhlen gegliedert, die bald ihren Hohlraum verlieren. Diese Glie- derung (Branchiomerie) deckt sich aber nicht mit der Metamerie des dorsalen Mesoderms. Somit nimmt die Gliederung des Wirbeltierkörpers von der Gliederung des Mesoderms ihren Ausgang. Da sich nun aus der Wand der Rückensegmente die willkürHche Muskulatur entwickelt, so stellt diese, um mit O. Hertwig zu reden, das am frühzeitigsten segmentierte Organsystem der Wirbeltiere dar, und diese GHederung der dorsalen Rumpfmuskulatur (Myomerie) ist wohl die direkte Ursache einer segmentalen Anordnung der peripheren Nervenbahnen. Aber noch für ein anderes Organsystem ist die primäre Metamerie des Mesoderms die Grundlage einer gleichfalls metameren Entstehung: für das Exkretions- system. Auch die Kanälchen der Vor- und der Urniere, die vom Mesoderm aus entstehen, sind metamer angeordnet, wie das später noch genauer zu besprechen sein wird. Die metamere Gliederung des Skelettes im Gebiete des Rumpfes ist als eine sekundäre Folge der Gliederung der Muskulatur zu betrachten. In der äußeren Form des erwachsenen Tieres ist der innere metamere Bau Äußere Form, meist freilich nicht erkennbar. Um so sinnfälliger macht sich an dieser die Einteilung des Gesamtkörpers in einen Kopf, einen Rumpf — der sehr gewöhn- lich in einen Schwanz fortgesetzt ist — und Gliedmaßen (Extremitäten) be- merkbar. Der Kopf, dessen hinterer Abschnitt sich nach seiner Entstehung und seinem Bau als besonders umgewandelter Teil des Rumpfes zu erkennen gibt, ist der Sitz des Gehirnes, d. h. des Hauptteiles des Zentralnervensystems, sowie der Haupt- Sinnesorgane (Seh-, Geruchs-, Gehörorgan) und enthält ferner den Eingang und Anfang der Nahrungs- und Atmungsorgane (Mundöffnung, Mundhöhle); der Rumpf umschließt in seinem bis zum After reichenden Ab- schnitt die Leibeshöhle mit den von ihr geborgenen Organen, während sein hinterer Endabschnitt als Schwanz eine wichtige Rolle als Bewegungsorgan spielen kann (bei Fischen besonders, aber auch bei zahlreichen höheren Wirbel- tieren). Ein besonderer verjüngter Abschnitt des Rumpfes, in den sich die Leibeshöhle nicht fortsetzt, vermittelt vielfach als Hals die Verbindung des letzteren mit dem Kopf und schafft diesem die Möghchkeit zu freierer Be- wegung. Er beginnt erst von den Reptilien an sich schärfer zu sondern, erreicht bei den Vögeln eine ganz besondere Ausdehnung und kann gelegentlich auch wieder unterdrückt werden, wie bei den Walen, wo die Aufgabe des Kopfes, als Wasserbrecher zu dienen, die Einschaltung eines beweghchen Kopfstieles verbietet. Zur Verbreiterung oder richtiger Erhöhung des Körpers zwecks leichterer unpaare Flossen. Erhaltung des Gleichgewichtes dienen bei den Fischen unpaare (mediane) Flossen, die als Rücken-, Schwanz- und Afterflosse unterschieden werden. Sie sind zurückzuführen auf eine zusammenhängende Hautfalte, die vom Kopfe an über den Rücken nach hinten zog, die Schwanzspitze umsäumte und sich bis zum After fortsetzte. Eine etwa entsprechende Falte zeigt der Amphioxus; schon bei den Rundmäulern ist sie in mehrere Teile zerlegt. Diese verschiedenen 26* maßen. AQA Ernst Gaupp : Die Morphologie der Wirbeltiere Abschnitte erhalten bei den Fischen Skeletteile eingelagert, die unter der Herr- schaft von Muskeln stehen, und sind für die Schwimmbewegungen von Wichtig- keit, dienen aber auch gelegentlich noch anderen Funktionen. Die Hautsäume setzen sich auf wasserlebende Amphibien und Amphibienlarven, selbst noch auf höhere Formen fort, erhalten aber hier niemals mehr Skelettstützen. Paarige Glied- Die paarigen Gliedmaßen der Wirbeltiere nehmen von der Bauchseite des Körpers als kleine flossenf örmige Auswüchse ihren Ursprung und erhalten von mehreren Rumpfsegmenten ihre Muskeln und Nerven. Das gilt in gleicher Weise für die Flossen der Fische wie für die Extremitäten der Landtiere und die Flügel der Vögel. Nie sind bei Wirbeltieren mehr als die zwei Paare von Gliedmaßen vor- handen, die als primär vorderes und primär hinteres Paar bezeichnet werden können; der Zusatz,, primär" drückt dabei aus, daß die Verschiebungen, die beide Paare am Rumpfe vielfach erleiden, selbst zu einer Umkehr der ursprünglichen Lagebeziehungen führen können: wie denn bei manchen Knochenfischen die ,, Bauchflossen", die ursprünglich hinter den ,, Brustflossen" liegen, vor die letzteren, in die Kehlgegend, wandern können. Wo sie aber auch liegen mögen, immer lassen vordere wie hintere Extremitäten in ihrem Bau die Wiederholung eines und desselben Grundplanes erkennen; sie sind sich wiederholende (pa- lilloge) Organe, ebenso wie die Skelett- oder Muskelsegmente des Rumpfes. In seltenen Fällen werden die Gliedmaßen gänzlich vermißt, meist, weil sie sich rückgebildet haben. 'So darf angenommen werden, daß die Schlangen und die fußlosen Echsen (Bhndschleiche, Ringelechsen) unter den Reptilien, die Blindwühlen unter den Amphibien, die Meeraale unter den Fischen von Formen mit Extremitäten abstammen und diese, unter gleichzeitiger Heraus- bildung größerer Beweglichkeit der Wirbelsäule, eingebüßt haben; dagegen darf wohl das Fehlen von Gliedmaßen bei dem niedersten Wirbeltier, dem Lanzett- fischchen, als ein primitives Merkmal angesehen werden, und das gleiche hat vielleicht auch für die Rundmäuler (Neunaugen und ihre Verwandte) Gültig- keit, wenn auch hier die Möglichkeit, daß der Mangel an Extremitäten auf sekundärem Schwund derselben beruht, nicht von der Hand zu weisen ist. Wo nur ein Extremitätenpaar besteht, da ist das stets als Folge von sekundärem Verlust des anderen aufzufassen; in der Regel ist dabei das vordere dasjenige, welches erhalten bleibt (so bei den Flußaalen, beim Armmolch, bei den Barten- walen). Eine Menge der verschiedensten und wichtigsten Fragen knüpft sich an die Extremitäten der Wirbeltiere. Wie und unter welcher Form traten sie zum erstenmal auf? Die Antwort, die Gegenbaur auf diese Frage gab, ging dahin, daß die paarigen Extremitäten zuerst bei kiemenatmenden Wassertieren ent- standen, und zwar durch Umwandlung der beiden hintersten Kiemenbogen, die sich aus der Gemeinschaft der übrigen lösten und am Rumpfe nach hinten wanderten, die hintere in höherem Maße als die vordere. Dieser Ansicht, auf die bei Betrachtung des Skelettes noch einmal kurz zurückzukommen sein wird, steht die andere jetzt allgemeiner angenommene gegenüber, daß der Ausbildung der Extremitäten die einer seitlichen vom Körper abstehenden Hautfalte vor- Unpaare Flossen. Paarige Gliedmaßen. Organgeschichte 405 ausging, die sich über eine größere Anzahl der erwähnten Segmente (Metamere) des Rumpfes erstreckte, und daß dann in den vordersten wie in den hintersten Abschnitt dieser Seitenfalte von den zugehörigen Rumpfmetameren aus Muskeln, Nerven und Skeletteile einwuchsen. Diese beiden Endabschnitte er- hielten dadurch eine größere Bedeutung und bildeten sich weiter aus, während der zwischen ihnen gelegene Abschnitt der Seitenfalte der Rückbildung erlag. In engem Zusammenhang mit dieser Frage nach der ersten Entstehung der Wirbeltierextremitäten steht die nach dem Verhältnis der beiden Haupt- formen derselben, der Fischflosse (des ,,Ichthyopterygiums") und der fünf- fingrigen (pentadactylen) Land- oder Handgliedmaße (des ,,Cheiropterygi- ums" der Tetrapoden), zueinander. Diese beiden Hauptformen folgen jede ihrem eigenen Bauplan, und es ist bisher nicht möglich, den der einen von dem der anderen mit Sicherheit abzuleiten. Ja, selbst die Ausbildung der Fisch- Fig. I. Schema der Entstehung der paarigen Gliedmaßen aus den paarigen Flossensäumen bei den Vorfahren der Lurchfische und Amphibien. 1 Vorder-, 2 Hintergliedmaßen. Nach C. Rabl. Aus Hesse-Doflkin. flösse bietet so viele Verschiedenheiten, daß sich der Erkennung des gemein- samen Planes vielfach Schwierigkeiten entgegenstellen. Übereinstimmender gebaut sind die verschiedenen Formen der Landextremität, und bei aller Mannigfaltigkeit der funktionellen Verwendung — als Kriechextremität, Stelze, Fallschirm, Flügel — lassen sie den gemeinsamen Grundplan gut erkennen; ja selbst, wo landlebende Formen wieder genötigt wurden, sich dem Wasserleben anzupassen, und dementsprechend die Extremitäten sich wieder zu breiten Rudern, ,, Flossen", umgestaltet haben, wie es bei den ausgestorbenen Meeres- sauriern (Ichthyosauriern, Sauropterygiern) der Fall war und bei den Walen unter den Säugern sich zeigt, bewahren diese Flossen doch den Grundplan der Landextremitäten und entfernen sich damit weit von den Fischflossen, denen sie nur äußerlich ähnlich werden. Die Geschichte der paarigen Wirbeltierextremitäten bietet so eins der organ- schönsten Beispiele, um die verschiedenen Etappen der Organgeschichte über- ^^'^'^ "^ haupt kennen zu lernen. Man bezeichnet Organe wie die Extremitäten, die im Bauplan der Organismen in wesentlich gleicher Weise und auf Grund wesent- lich gleicher Entwickelungsvorgänge auftreten, als morphologisch gleichwertig oder homolog. Aber diese homologen Organe zeigen doch bei den einzelnen Formen mannigfache Besonderheiten, die, unter der Annahme einer einheit- lichen Entstehung der einzelnen Tiergruppen — und so auch der Wirbel- tiere — , als Folge und Ausdruck divergenter Entwickelung von einer gemeinsamen Urform aus aufgefaßt und bezeichnet werden. Die Fischflosse und die Handextremität, in den Formen, wie wir sie bisher kennen, zeigen in ,q5 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere ihrem Bau bereits diese weitgehende Divergenz voneinander, und nicht minder offenbart sich diese bei den besonderen Ausbildungsformen jener innerhalb der einzelnen Gruppen der Fische und Vierfüßer. Diese besonderen Formen lassen dabei aufs deutlichste die funktionelle Anpassung, d. h. die Anpassung an die besonderen Aufgaben, die sie zu erfüllen haben, und die Bedingungen, unter denen dies zu geschehen hat, erkennen: die Fischflossen, im allgemeinen breite Ruder, die zur Verdrängung einer größeren Wassermenge geeignet sind, passen sich unter Umständen den Funktionen eines Fallschirmes an (vordere Extremitäten der sog. fliegenden Fische), oder werden, wie die Brustflossen beim Knurrhahn, zu Schreitextremitäten; die Handextremitäten, in ihrer ur- sprüngHchen Form wohl als Kriechorgane {wie etwa bei den Salamandern) zu denken, die seitlich vom Körper abstehen, aber denselben noch nicht tragen, übernehmen als Säulen oder Stelzen bei den Säugern auch diese eben genannte Aufgabe unter veränderter Anordnung ihrer Teile und gewinnen gerade in dieser Form wieder die Möglichkeit zu weitestgehender Differenzierung — zum Sprung, Klettern, Laufen, alles unter mannigfacher besonderer Ausgestaltung des einheitlichen Grundplanes — ; sie bilden, unter stärkerer Inanspruchnahme der Haut und ihrer Gebilde, bei den Fledermäusen Fallschirme, bei den Vögeln Flügel, bei Wassertieren (Ichthyosauriern, Walen) Flossen. In all diesen Fällen bewahren sie ihre ursprüngliche Aufgabe im Dienste der Ortsbewegung, wenn sie diese Aufgabe auch unter recht verschiedenen Bedingungen erfüllen. Demgegen- über zeigen die vorderen Gliedmaßen des Menschen eine ganz andere Verwen- dung: losgelöst von der Aufgabe der Ortsbewegung sind sie zu den kunstvollen Greiforganen geworden, denen der Mensch seine beherrschende Stellung in der Natur verdankt. Hier können wir von einem wirklichen weitgehenden Funk- tionswechsel sprechen und erkennen so, daß morphologisch gleichwertige Organe auch verschiedene Verwendung besitzen können. Aber noch eine andere Erkenntnis ergibt sich aus dem Gesagten. Die Flossen der Fische, der ausge- storbenen Meeressaurier und der Wale erscheinen äußerlich ähnlich, infolge der funktionellen Anpassung an das Wasserleben, das breite Ruder verlangt; aber diese verschiedenen Flossen haben keine besonderen engeren Beziehungen zueinander: sie sind nur ganz allgemein, als ,, Extremitäten", morphologisch gleichwertig, homolog; als ,, Flossen" aber sind sie selbständig entstanden und so weit voneinander entfernt als möglich. Die Flossen der Meeressaurier sind aus Extremitäten landlebender Reptilien, die der Wale aus Extremitäten land- lebender Säuger entstanden, von Formen aus, die vom Lande ,,ins Wasser ge- gangen sind"; und so haben sie weder untereinander eine engere Verwandt- schaft, noch mit der Fischflosse. Ihre Ähnlichkeit ist eine rein äußere, be- ruhend auf ,,Angleichung" oder ,, Konvergenz", die wieder bedingt ist durch die funktionelle Anpassung. In gleicher Weise bieten die zu Fallschirmen um- gewandelten Brustflossen fliegender Fische, die ,, Flügel" der ausgestorbenen Flugsaurier {Pterodactylus z. B.), der Fledermäuse, Vögel, lediglich Beispiele von konvergenter Entwickelung, die von ganz verschiedenen Ausgangs- punkten aus und auf verschiedenen Wegen, aber unter dem Einfluß ähnlicher Organgeschichte. Integument. Aufgaben der Haut 407 Beanspruchung, Ähnliches hervorgebracht hat. Konvergente Entwickelung spielt eine außerordentlich große Rolle auch bei den Wirbeltieren; ihre Möglich- keit muß im Auge behalten werden, wenn es sich darum handelt, Verwandt- schaftsbeziehungen zwischen verschiedenen Formen zu ermitteln. So gewiß es ist, daß solche Beziehungen nur auf Grund weitgehender Übereinstimmungen in den Organisationsverhältnissen erschlossen werden können, so wenig können wir, wenn wir gewisse Ähnlichkeiten in bestimmten Einrichtungen finden, immer sofort sagen, daß diese wirklich auf engerer Verwandtschaft beruhen. Zwischen Fischen, Meeressauriern und Walen bestehen ebensowenig engere ver- wandtschaftliche Verhältnisse als zwischen Fledermäusen, Flugsauriern und Vögeln. Das geht aus den sonstigen Organisationsverhältnissen mit Sicher- heit hervor. — Erste Entstehung, divergente Entwickelung, funktionelle Anpassung, die vielfach auch wieder zu konvergenter Entwickelung führt, Funktionswechsel — das sind eine Anzahl der wichtigsten Etappen in der Geschichte der Organe; ihnen schließt sich als letzte das Rudimentärwerden und der völlige Verlust an, ein Schicksal, das, wie oben gezeigt wurde, auch die Extremitäten der Wirbeltiere treffen kann. IIL Spezielle Morphologie der einzelnen Organsysteme der Wirbeltiere. I. Integument (äußere Haut). Die äußere Haut, die den Körper als oberflächlichste Schicht überkleidet i. integument 1 i'Ao iiii-n''ri 1- '1 T Aufgaben der und gegen die Außenwelt abschließt, ist infolge dieser peripheren Lage ganz Haut, besonders befähigt, eine Wechselwirkung des Organismus mit der Außenwelt zu vermitteln oder aber zu beschränken. Die Zahl der besonderen Aufgaben, die sie übernimmt, ist gerade bei den Wirbeltieren sehr groß. In mannigfacher Weise schützt sie den Körper : sei es gegen Feinde aller Art, sei es gegen mecha- nische Insulte oder gegen Temperatureinflüsse. Die Haut des Menschen er- scheint gewiß recht weich, und doch bietet auch ihre dünne Oberhaut, solange sie unverletzt ist, einen Schutz gegen das Eindringen von Bakterien; in höherem Maße noch dienen hornige Schuppen, Stacheln, Borsten, Krallen, Nägel und Hufe, Hautzähne und knöcherne Panzer zum Schutz gegen Feinde, zum Teil auch gegen Verletzungen, die durch die leblose Umgebung dem Körper zuge- fügt werden könnten. In anderer Weise werden giftige Absonderungen und be- sondere Färbungen der Haut als Schutzeinrichtungen wirksam. Haare und Federn der warmblütigen landlebenden Säuger und Vögel schützen den Körper vor zu großer Abkühlung, wie die Schweißdrüsen der Säuger einer zu starken Erhitzung durch Absonderung wässerigen Sekretes, dessen Verdunstung Ab- kühlung bedingt, entgegenarbeiten. Groß ist ferner der Anteil, den die Haut an der Sinnesempfindung nimmt: die niederen Sinnesorgane der Tast-, Druck-, Temperaturempfindung liegen in ihr, die höheren Organe der Hör- und Geruchsempfindung entstehen von ihr aus, und auch am Aufbau des Auges nimmt sie Anteil. Sehr viel beschränkter ist dagegen ihre Bedeutung für die Lokomotion, und darin besteht ein bemerkenswerter Unterschied gegenüber 4o8 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere den Wirbellosen. Immerhin beteiligt sie sich doch oft mittelbar an der Bildung der Lokomotionsorgane, indem sie die breiten Flächen der Flossen, Schwimm- und Flughäute sowie der Flügel schafft, oder an den Endghedern der Glied- maßen polsterartige Vorsprünge, Ballen, herstellt, die sich auch zu Haftscheiben umbilden können. Unmittelbar trägt sie aber zur Ortsbewegung nur noch in sehr seltenen Fällen bei: so bei den Larven des Amphioxus und der Am- phibien (in den ersten Tagen nach dem Ausschlüpfen), deren Körper mit Wim- perzellen bedeckt ist und durch die Bewegungen derselben selbst bewegt wird. Nicht unwesentlich ist weiterhin, besonders bei manchen Amphibien, die Be- deutung der Haut für die Atmung; in mannigfache Beziehungen tritt sie durch die Ausscheidungen ihrer häufig in großer Zahl vorhandenen Drüsen; selbst Brutpflege übernimmt sie durch Bildung von Bruttaschen bei man- chen Fischen [Syngnathus], von wabenartigen Räumen auf dem Rücken der surinamischen Kröte — beide bestimmt für die Aufnahme der Eier — aber auch von größeren Beuteln (bei den Beuteltieren), und endlich von besonderen Drüsen, deren Sekret der ersten Ernährung der Jungen dient (Säugetiere). Fügen wir noch hinzu den Hinweis auf die mannigfaltigen Färbungen, die als Schutz-, Schreck-, Lockfarben für das Tier von der allergrößten Bedeutung werden, sowie auf die Leuchtorgane, die, von der Haut aus ihre Entstehung nehmend, im Dunkel der Tiefsee ihren Besitzern die Umgebung erhellen und zugleich, wie die Farben der im Lichte lebenden Geschöpfe, Erkennungs- und Lockzeichen bilden, so haben wir eine Vielheit der Aufgaben und funktionellen Beziehungen der Haut erkannt, wie sie keinem anderen Organ des Wirbeltier- körpers wieder zukommt. Bau der Haut. Und doch zcigt die Hülle des Körpers, die alle diese Leistungen übernimmt, einen recht einfachen Aufbau. Überall läßt sich eine oberflächliche, aus Zellen bestehende, vom Ektoderm stammende Oberhaut (Epidermis) und eine darunter gelegene bindegewebige, mesodermale Lederhaut (das Corium) unterscheiden, welch letztere bei den Kranioten durch eine mehr lockere, als Unterhautbindegewebe (subkutanes Gewebe) bezeichnete Schicht mit den darunter befindlichen Teilen (Muskulatur, Skelett) verbunden wird. Die Epi- dermis besteht nur beim Amphioxus aus einer einfachen Zellschicht, in der einzelne Elemente als Schleim absondernde, andere als Sinneszellen besonders differenziert sind; bei allen Kranioten ist sie zwei- oder mehrschichtig und läßt die unteren Schichten als Keimschicht {Stratum germinativum), die oberen, deren Elemente eine Umwandlung ihres Protoplasmas in Hörn erleiden, als Hornschicht {Stratum corneum) unterscheiden. In der Keimschicht er- folgt, wie ja auch der Name andeutet, die Neubildung von Zellen, der Ersatz für die Elemente, die an der Oberfläche der Hornschicht als verbraucht abge- stoßen werden. Bei Fischen, Amphibien und Reptilien findet sich, wenigstens vielfach, noch eine besondere Cuticula, die, von den oberflächhchsten Zellen der Hornschicht abgesondert, diese als dünnes Häutchen überzieht und zu- sammenhält, so daß die obersten Hornschichten nur als zusammenhängende Haut abgestoßen werden können. Dies erfolgt bei der periodischen Hau- Aufgaben der Haut. Bau der Haut. Epidermis und ihre Bildungen 409 tung, wie sie bei Eidechsen oder Ringelnattern auch im Terrarium leicht beob- achtet werden kann. Das „Natternhemd" stellt die abgestoßenen, durch die Cuticula zusammengehaltenen oberflächlichen Epidermisschichten dar, deren sich das Tier entledigt, indem es geradezu aus ihnen herauskriecht. Wo eine Cuticula nicht besteht, wie es bei allen Vögeln und Säugern der Fall ist, erfolgt die Abstoßung der oberflächlichsten Hornschichten in Form kleiner Schüppchen und fortgesetzt, nicht gebunden an bestimmte Termine. — In die Keimschicht dringen auch die letzten Verzweigungen der Nerven vor, und hier und da diffe- renzieren sich gewisse Zellen in ihr zu besonderen Sinneszellen, d. h. Auf- nahmestationen für nervöse Reize. Andere Zellen können als ,, einzellige Drüsen" die Fähigkeit zur Absonderung gewisser Stoffe erlangen (Fig. 4). Völliges Fehlen der ganzen Epidermis ist nicht häufig, kommt aber hier und da vor: so geht sie über den Schuppen mancher Fische zugrunde. Die Fähigkeit der Epidermis zur Bildung besonderer Derivate ist groß. Ihre Entstehung nehmen dieselben alle von der Keimschicht, die sich auch dadurch als das noch lebensfähige Element der bereits dem Untergang ent- gegengehenden Hornschicht gegenüberstellt. In mannigfacher Form und Ver- wendung treten uns besondere Horngebilde entgegen: mehr oder minder über den ganzen Körper verbreitet als Schuppen und Schilder, Federn und Haare; in beschränkterer Lokalisierung als Krallen, Nägel, Hufe an den Extre- mitäten, als Hörner und Schnabelscheiden am Kopfe (Hörner der Rinder usw., Kiefer- oder Schnabelscheiden der Schildkröten, Vögel, Schnabeltiere und Ameisenigel). Eine weitere wichtige Bildung der Epidermis stellt der Schmelz dar, der die Hautzähnchen der Haifische aufbauen hilft und bei Ganoiden und Knochenfischen noch hier und da auf den Schuppen angetroffen wird. Ganz anders geartete Derivate der Epidermis sind die Drüsen, schlauch- oder säckchenförmige, manchmal vielfach verzweigte, in die Lederhaut vor- dringende Einsenkungen der Epidermis, deren zusammensetzende Zellen die Fähigkeit zur Absonderung gewisser Sekrete ausbilden. Giftstoffe, die dem Tier (z. B. Kröten) einen Schutz verleihen, — wässerige Sekrete, die durch die Verdunstung des Wassers zur Abkühlung des Körpers beitragen (,, Schwitzen" bei Erhitzung), aber auch gewisse Umsatzstoffe aus dem Körper heraus- schaffen, — Fette, die Haut, Federn, Haare einzufetten haben, — phosphores- zierende Stoffe, die die sie erzeugenden Drüsen zu Leuchtorganen gestalten, werden so auf der Oberfläche des Körpers abgesondert. Der Epidermis als Unterlage dient die Lederhaut, die aus bestimmt ge- ordneten Bindegewebsbündeln mit oft reichhch eingestreuten elastischen Fa- sern besteht und Blut- und Lymphgefäße sowie Nerven, gelegentlich auch be- sondere Hautsinnesorgane einschließt, bei Vögeln und Säugern im Anschluß an die Federn und Haare auch besondere glatte Muskeln, die Aufrichter der genannten Gebilde, enthält. Im allgemeinen einförmiger als die Epidermis, kann doch auch sie den Ausgang besonderer, die Schutzfunktion der Haut erhöhender Gebilde abgeben. Hierher gehören vor allem die Papillen, hüglige Erhebun- gen des Coriums, die in die Epidermis hineinragen und in mannigfacher Aus- AiQ Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere dehnung von den Fischen bis zu den Säugern vorkommen. Nicht immer machen sie sich auf der Oberfläche des Körpers bemerkbar, sondern bleiben versteckt, da die Epidermis glatt über sie hinwegzieht; manchmal aber be- dingen sie hüglige, warzenförmige Erhebungen der Haut. Eine ganz besondere Ausbildung erfahren sie bei den Reptilien, wo sie sich in Gemeinschaft mit der bedeckenden Epidermis zu den Schuppen gestalten; auch die Entwickelung der Vogelfedern nimmt von Coriumpapillen ihren Ausgang. In besonders hohem Maße erfährt die Lederhaut eine Steigerung ihrer Schutzfunktion durch Einlagerung größerer oder kleinerer Knochenstücke, die in ihrer Gesamt- heit als Außenskelett (Exoskelett) bezeichnet werden. Die Schuppen der Fische, Panzer der Krokodile und Gürteltiere gehören hierher, aber auch gewisse Skelettstücke, die bei der Betrachtung des Skelettes Erwähnung finden werden. Beiden Schichten, der Epi- dermis wie der Lederhaut, ge- meinsam sind endlich Farb- zellen (Pigmentzellen), die — S die mannigfachen Färbungen der ^— ß^ Hautdecke bedingen. Es gibt recht verschiedene solcher Ch r o - matophoren; die verbreitet- Fig. 2. Placoidorgane (Hautzähne) aus der Haut eines Haifisches. . , ,. . , . , (Halbscheraatisch.) S S Sockelplatten, welche durch Bindegewebe StCn Sind Qie iVi C 1 a n 0 p Xl O r e n , {B^) miteinander verbunden sind. Z Z Zähne. Nach Wiedersheim. ^^jp ||-i ihrem mit Tpich VPT- ästelten Ausläufern versehenen Körper schwarz- oder gelblich-braune Farb- stoffkörnchen enthalten. An vielen dieser Zellen ist eine unter dem Einflüsse des Nervensystems erfolgende Wanderung der Farbstoffkörnchen nachgewiesen, die bald im Innern des Zellkörpers zusammengedrängt, ,, geballt" werden, bald in die feinsten Verzweigungen ausströmen können. Die Erscheinungen des Farbenwechsels, die bei manchen Wirbeltieren (beim Laubfrosch, Chamaeleon) beobachtet werden, sind an derartige Pigmentwanderungen geknüpft. Andere Farbzellen enthalten rote oder gelbe Fettfarbstoffe; auch die bei niederen Wirbeltieren weit verbreiteten, als Leukophoren bezeichneten Zellen, die Guaninkalk-Kristalle enthalten, werden unter die Farbzellen gezählt, da sie zwar an sich nicht gerade gefärbt, sondern weißlich sind, aber durch die physi- kahsche Wirkung ihrer Kristalle zur Erzeugung gewisser Farben, namentlich des Blau, beitragen. Dabei ist noch zu bemerken, daß an der Herstellung der verschiedenen Färbungen der Wirbeltiere nicht bloß wirkliche Farbstoffe, son- dern auch, z, B. bei Federn und Haaren, die Struktur der Gebilde, Anteil hat. Die Färbungen der niederen Wirbeltiere, Fische, Amphibien, Reptihen, beruhen in erster Linie auf farbigen Bindegewebszellen, die in der Leder- haut ihren Sitz haben; bei Säugern kommen dieselben nur noch seltener vor, und hier werden dafür die tiefen Schichten der Oberhaut für die Färbungen bedeutungsvoll; sei es, daß sich hier wirkliche verzweigte Farbzellen finden, sei es, daß die Zellen der Keimschicht selbst Einlagerungen von braunen Farb- stoffkörnchen enthalten. Auf solchen Farbstoffablagerungen in den tiefen Lederhaut und ihre Bildungen. Farbe der Haut, Schuppen der Fische 411 Schichten der Oberhaut beruhen auch die Färbun- gen der farbigen Menschen- rassen. Von den oben nur kurz aufgezählten Organbil- Schmelz Zellen Zahnpapüle Epidermis Organbildungen des Integumentes. ^^S| {Leder- ^^=-=^ haut) Fig. 3. Jüngste Anlage eines Hautzahnes eines Selachierembryos. Nach O. Hertwig. erfordern einige noch eine etwas genauereBeachtung. So zunächst die einen Schutzpanzer herstellen- den Gebilde, die bei den Fi- schen unter dem Sammel- namen Schuppen zusammengefaßt werden, unter sich aber sehr verschiedener Schuppen der Natur sind und nur darin übereinkommen, daß an ihrem Aufbau Knochengewebe '^''^^' einen großen Anteil nimmt. Bei den Haien erscheinen sie als sehr kleine winzige Hautzähnchen (Placoidorgane), die untereinander nurwenig fest verbunden sind und somit ziemlich lose in der Haut stecken (Fig. 2). Jedes solches Zähn- chen läßt eine kleine knöcherne Basalplatte und den darauf sitzenden eigent- lichen Zahn unterscheiden, der aus einer dem Knochen ähnlichen Substanz, dem Zahnbein (Dentin), und einer demselben aufsitzenden Kappe von Schmelz besteht. Das Zahnbein bildet die Hauptmasse des Zähnchens und enthält eine von weichem Bindegewebe mit Gefäßen und Nerven erfüllte Zahnhöhle; der ihm aufsitzende Schmelz ist die festeste Substanz, die der Wirbeltierkörper überhaupt erzeugt, und verdankt, wie Zahnbein und Knochen, seine Härte der Ablagerung von Kalksalzen. Diese Hautzähnchen beginnen ihre Entwicke- lung (Figg. 3 u. 4) mit der Entstehung kleiner zellreicher Papillen der Leder- haut, die in die dicke Epidermis eindringen. In dieser wachsen dann die Zellen, die die Papille unmittelbar überziehen, zu hohen Elementen, Schmelzzellen, aus, die wei- terhin gegen die Papille hin den Schmelz ab- sondern. Un- ter ihm er- zeugen die oberfläch- lichsten Zel- len der Pa- pille, durch Abschei- dung nach außen hin. Schmelz Zellen Schmelz Zahnbein Epidermis Zahnpapille Schleimzelle Corium ^'^ {Lederhaut) Fig. 4. Längsdurchschnitt durch eine ältere Anlage eines Hautzahnes eines Selachierembryos. Nach O. Hertwig. A12 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere das Zahnbein, während die aus Knochen (der hier auch als Zement bezeichnet wird) bestehende Basalplatte von dem Bindegewebe erzeugt wird, dem das Zähn- chen aufsitzt. So beteiligen sich also an der Herstellung des ganzen Gebildes zwei Keimblätter: das Mesoderm, das dem Zahnbein und Zement, und das Ekto- derm, das dem Schmelz den Ursprung gibt. Auch im späteren Leben findet fort- gesetzt eineNeubildungvonZähnchen, die an die Stelle ausgefallener treten, statt. Diese Hautzähnchen der Haie, die bei den einzelnen Arten recht ver- schiedene Formen besitzen und an gewissen Stellen auch zu größeren Gebilden sich entwickeln können, besitzen ein hohes morphologisches Interesse, da sie sich auch in die Mundhöhle hinein fortsetzen und tatsächlich den Zähnen wesensgleich sind, die bis zum Menschen herauf auf den Kiefern bestehen. Bei Besprechung der Darmorgane werden wir hierauf zurückkommen müssen. Unter den übrigen Fischen treten Zähnchen des geschilderten Baues nur noch selten auf; die meisten Schuppenbildungen derselben entbehren der Zähnchen und bestehen ihrer Hauptmasse nach aus Knochenplättchen. Von den Ganoiden besitzen einige Formen sogenannte Ganoinschuppen, rhombische, in schrägen Reihen angeordnete und sich dachziegelförmig deckende Knochen- platten, die auf der Oberfläche mit einer dem Dentin nahe stehenden glänzenden Schicht mesodermaler Herkunft, dem sog. Ganoin, bedeckt sind. Bei den Stören sind nicht; diese rhombischen Ganoinschuppen, sondern größere Knochenplatten vorhanden, die einen festen Panzer um den Körper bilden. Auch unter den Knochenfischen kommt es bei manchen Formen zur Ausbildung derartiger Knochenpanzer, doch wäre es ganz falsch, die betreffenden Formen etwa als untereinander enger verwandt zu betrachten: sie gehören vielmehr recht verschiedenen Gruppen an. Die meisten Knochenfische besitzen knöcherne verschieden gestaltete Schuppen, die unter der Oberhaut in besonderen Schup- pentaschen der Lederhaut stecken. Wieder eigenartig sind die Schuppen der Doppelatmer gebaut, und bei manchen Fischen, z. B. den Aalen, ist das Schuppenkleid überhaupt (sekundär) rudimentär. Das Fehlen knöcherner Schuppen bei den Rundmäulern ist vielleicht eine primäre Erscheinung. Hautver- Unter den lebenden Amphibien spielen Verknöcherungen der Haut nur bei Tetrapoden. ciuc verschwindcndc Rolle, etwas mehr Bedeutung gewinnen sie bei den Rep- tilien. Hier finden sich manchmal in die ,, Schuppen" der Echsen kleine Knochenplättchen eingelagert; größere Knochenschilder schaffen auf dem Rücken der Krokodile einen festen Panzer, an der Bauchseite der Brücken- echsen und Krokodile treten Hautknochen in Form von dünnen Spangen als sog. ,, Bauchrippen" auf; vor allem aber besitzen die Schildkröten in ihrem Bauchschild eine aus reinen Hautknochenplatten zusammengesetzte Bildung. Auch an dem Aufbau ihres Rückenschildes nehmen Hautknochenplatten, na- mentlich als Randplatten, Anteil; in der Hauptsache wird dasselbe freilich von Teilen des Innenskelettes gebildet. Bei den Vögeln fehlen Hautverknöcherun- gen ganz, bei den Säugern gehören sie zu den größten Seltenheiten (Panzer der Gürteltiere). Alle die genannten Knochenbildungen, von den kleinen Schuppen der Fische an, bilden das Außen- oder Exoskelett. Fischschuppen. Hautverknöcherungen derTetrapoden. Reptilschuppen. Federn u. Haare 413 Mit den knöchernen Schuppen der Fische durchaus nicht vergleichbar sind Scimppen der die Bildungen, die man bei den Reptilien als Schuppen zu bezeichnen pflegt ^'"P'"'*^"- (Fig. 5). Zwar entsteht auch bei der Entwickelung dieser Reptilschuppen zuerst eine Papille der Lederhaut, aber über dieser erzeugt dann die Oberhaut eine ganz besonders mächtige Hornschicht, die für alle Schuppenbildungen der Reptilien sehr charakteristisch ist, mögen dieselben rundhche Höcker (Körner- schuppen, z. B. der Geckos), oder breite Platten (Schilder, z. B. der Krokodile oder Schildkröten), oder durch schräge Umlagerung der Papille zustande kom- mende dachziegelförmig sich deckende Schindelschuppen (z. B. der Eidechsen und Schlangen), oder endlich mit Stacheln und Dornen versehene Stachel- schuppen (z. B. bei Moloch horridus) darstellen. Zur Entwickelung von Knochenplatten in der bindegewebigen Grundlage aller dieser Bildungen kann A C i — Haare. Fig. 5. Längsschnitte durgh verschiedene Schuppen von Reptilien, Schemata. A Körnerschuppen, B Schilder, C Schindelschuppen, D Schindelschuppen mit Verknöcherungen, k Hornschicht, .y Schleimschicht der Epidermis, / Lederhaut, o Knochen. Nach BoAS. es kommen, doch ist das die Ausnahme. Dem Besitz der Hornschuppen ver- danken die Reptilien ihre alte Bezeichnung ,,Amphibia squamata", im Gegen- satz zu den ,,Amphibia nuda", den eigentlichen ,, nackten" Amphibien, deren Haut dieser Bildungen entbehrt. Auf die Reptilschuppen zurückzuführen sind wohl auch die Schuppen an den Beinen der Vögel, vielleicht auch die Schuppen- bildungen bei manchen Säugetieren (beim Biber und bei Mäusen am Schwanz, beim Schuppentier am ganzen Körper), was freilich nicht als sicher gelten kann. Jedenfalls zeigen sie einen ähnlichen Bau wie jene. Ganz anders aussehende Gebilde, für die doch die Ableitung von den Fedem und Reptilschuppen als sicher gelten kann, sind die Federn der Vögel, die ihre Ent- stehung ebenfalls mit der Bildung einer Papille des Coriums beginnen, dann freilich ihren eigenen Entwickelungsgang einschlagen und in noch höherem Maße als das bei der Reptilschuppe der Fall ist, auf Kosten der Epidermis zu- stande kommen. Die ausgebildete Feder mit ihrem Kiel und den zwei Reihen von Strahlen, die den Federbart (die Federfahne) bilden, ist wesentHch eine hornige, durch die Epidermis erzeugte Bildung; nur in das Innere ihres unteren, in einer Hauttasche steckenden Abschnittes, der Federspule, ragt der Rest der Coriumpapille hinein. Mannigfach ist die besondere Ausbildung der Federn: den kräftigen ,, Konturfedern", deren Strahlen mit untereinander verankerten Seitenstrahlen besetzt sind, stehen weiche kleine ,, Flaumfedern" mit spärlicher entwickelter Fahne gegenüber, und durch Rudimentärwerden und schließlich völligen Schwund des Federbartes kommen ,, Fadenfedern" zustande, die täuschend Haaren ähnhch sehen. Und doch ist eine nähere Verwandtschaft 414 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere zwischen Federn und Haaren mit Sicherheit auszuschließen. Darauf weist schon die Entwickelungsgeschichte hin. Im Gegensatz zu Schuppe und Feder beginnt das Haar seine Entstehung mit dem Auftreten einer Verdickung der Epidermis, die sich dann als Haarkeim in die Tiefe senkt, und in deren Grund erst sekundär eine kleine Papille des Bindegewebes eindringt (Fig. 6). Aus den zentralsten Partien des Haarkeimes geht weiterhin das Haar selbst hervor, während die umgebenden Zellmassen zu den Wurzelscheiden werden, die den Haarbalg, d. i. die Hauttasche, in der das ausgebildete Haar steckt, auskleiden. Am Haar sind gewöhnlich das Mark, die Rinde, und ein Oberhäutchen zu unter- scheiden; der in die Haut versenkte Teil wird als Haarwurzel dem frei heraus- stehenden Schaft gegenübergestellt. Auch die Haare sind, ebenso wie die A Fig. bA — D. Vier Schemata zum Verständnis der Haarent Wickelung. A Haarkeim in der Epidermis. B Einsenkung des Haarkeiraes in die Tiefe. C Der Haarkeim ist zu einem langen Zapfen aus- gewachsen. D Bildung der Papille am Grunde des Haarkeimes, Differenzierung des Haares aus den zentralen Teilen des Haarkeimes. Nach Lübosch. Federn, nicht alle gleichartig: kräftigen Stichelhaaren stehen dünne Wollhaare gegenüber, aber auch Borsten und Stacheln sind als besondere Abarten der Haare zu betrachten. Als wichtigster Bestandteil der Haare erweist sich immer die Rindenschicht, während das Mark viel mehr zurücktritt, vielfach auch ganz fehlt. Die Rindenschicht ist auch hauptsächlich der Sitz der Pigmentstoffe, die den Haaren ihre Färbung verleihen. Viel umstritten ist die Frage nach der stammgeschichtlichen Herkunft der Haare. Von den darüber geäußerten Vorstellungen darf als ziemlich gesichert angesehen werden, daß die Haare im Anschluß an Schuppen entstanden, wie ja für die Säuger die Abstammung von Reptilien, und damit der ursprüngliche Besitz eines Schuppenkleides, anzunehmen ist. Noch jetzt läßt sich bei den Embryonen mancher Säuger eine Anordnung der Haare in Gruppen nach- weisen, deren Stellung die Vermutung nahe legt, daß die ersten Haargruppen am freien Hinterrande von Schuppen entstanden. Damit ist denn auch zu- gleich das Verhältnis der Haare zu den Federn angedeutet. Vögel wie Säuger sind von schuppentragenden ReptiHen abzuleiten, aber während in der Feder geradezu das Umwandlungsprodukt einer Schuppe zu sehen ist, kann von den Haaren nur gesagt werden, daß sie im Anschluß an die Schuppen entstanden sind. Von einem gemeinsamen Ausgangszustand aus ging also die Entwickelung verschiedene Bahnen, die beide zu einem funktionell ähnlichen Endziele führ- ten: der Bildung eines vorzüglichen wärmenden Kleides um den Körper. Denn das Gefieder wie der Haarpelz erfüllen die Aufgabe, die Wärmeabgabe auf der Körperoberfiäche zu beschränken, und können das, nicht nur, weil das Hörn, Haare. Sonstige Horngebilde. Hautdrüsen a i 5 aus dem sie bestehen, ein schlechter Wärmeleiter ist, sondern auch weil durch die Anordnung der Federn und Haare in der Umgebung des Körpers kleine Räume mit stagnierenden Luftschichten erzeugt werden, die ganz besonders schlechte Wärmeleiter darstellen. Damit hängt es zusammen, daß Vögel und Säuger eigenwarme Tiere (Warmblüter) sind, d.h. Tiere, deren Temperatur, unabhängig von der der Umgebung, immer sich auf einer bestimmten, nur in geringen Grenzen schwankenden Höhe hält. Unter den sonstigen Horngebilden, die oben noch genannt wurden, ver- Sonstige dienen besondere Beachtung die verschiedenen Bekleidungen der Zehen: """^^ ' Krallen, Hufe, Nägel. Als Ausgangsform derselben ist die Kralle anzusehen, die bei Reptilien, Vögeln und vielen Säugern das Endglied des Fingers oder der Zehe dütenförmig umgibt; von ihr leitet sich, durch Zurücktreten des an der Unterseite befindlichen ,,Sohlenhornes" und Hervortreten der die Oberseite bildenden ,, Krallenplatte", der Plattnagel ab, wie er den Affen und den Men- schen zukommt, außerdem aber auch, durch Entwickelung in anderer Rich- tung, der Huf der Huftiere. Die Ausbildung der Hufbekleidung in Zusammen- hang mit der völligen Aufrichtung der Gliedmaßen auf die Spitzen der Finger und Zehen bedeutet innerhalb des Säugerstammes ein so wichtiges Merkmal, daß man die betreffenden Gruppen geradezu als Huftiere {Ungulata) den Krallen- und Nageltieren {Unguiculata) gegenüberstellt. Endlich gedenken wir noch kurz der Hautdrüsen, die uns bei den Wirbel- Hautdrüsen. tieren in sehr mannigfacher Ausbildung entgegentreten. Im ganzen gering ist die Rolle, die sie bei den Fischen spielen. Hier sind zwar einzelne Zellen, denen die Fähigkeit zur Absonderung bestimmter Stoffe zukommt, vielfach in der Oberhaut verstreut, größere Drüsen aber sind nur bei wenigen Formen, z. B. als Giftdrüsen bei manchen Knochenfischen vorhanden. Und doch wird gerade bei den Fischen die morphologische Einrichtung der Drüsen zur Schaffung ganz besonders merkwürdiger Organe ausgenutzt: die Leuchtorgane, die sich bei verschiedenen namentlich in größeren Tiefen lebenden Formen finden, sind ihrem Bau nach als drüsige Gebilde, die einen phosphoreszierenden Stoff ab- sondern, aufzufassen. Besondere Einrichtungen wie Reflektoren und Vor- richtungen, um das Licht abzublenden, gestalten die größeren dieser Organe, die in der Nähe der Augen liegen, zu Leuchtapparaten von höchster Leistungs- fähigkeit aus. Die Wirbeltierklasse, deren Integument ganz besonders durch den großen Drüsenreichtum sein Gepräge erhält, sind die Amphibien. Meist handelt es sich um Drüsen, die die Form kleiner rundhcher Säckchen haben, von einer Schicht glatter Muskelzellen umgeben sind und ein scharfes, auf kleine Tiere vielfach giftig wirkendes Sekret absondern. Darin liegt dann ein Schutz für das Tier, ein gewisser Ersatz für den Mangel festerer Schuppenbildungen, wie sie den Reptihen zukommen. Bei diesen gehört dementsprechend das Vorkommen drüsiger Organe in der Haut zu den Seltenheiten, und das gleiche ist der Fall bei den Vögeln, wo nur eine einzige Drüse, die am Schwänze gelagerte Bürzel- drüse, vorhanden ist. Ihr fettiges Sekret dient zum Einfetten des Gefieders; 41 6 Ernst GaupP: Die Morphologie der Wirbeltiere sie ist daher am stärksten ausgebildet bei Wasservögeln, fehlt aber manchen anderen Arten, wie den Papageien. Demgegenüber bieten die Säuger mit dem Drüsenreichtum ihrer Haut wieder eine größere ÄhnHchkeit mit den Amphibien, und diese Tatsache ist denn auch vielfach als Hinweis auf einen engeren verwandtschaftlichen Zu- sammenhang beider Klassen angeführt worden. Doch ist von den zwei Arten von Drüsen, die bei den Säugern unterscheidbar sind, nur die eine von Haut- drüsen, wie sie die Amphibien besitzen, ableitbar: die Knäuel- oder Schweiß- drüsen, die ein wässeriges, häufig (wie z. B. beim Stinktier) Riechstoffe ent- haltendes Sekret absondern und mit jenen Amphibien-Hautdrüsen den Besitz einer Hülle von glatten Muskelzellen teilen. Als Neuerwerbungen haben da- gegen zu gelten die Talgdrüsen, die im Anschluß an die Haare entstanden zu denken sind und zum größten Teil tatsächlich auch in die Haarbälge ein- münden, stellenweise freilich auch ohne Beziehungen zu Haaren gefunden werden. Auch sie können stark riechende Stoffe absondern. Milchdrüse. Bei Weitem der wichtigste Drüsenapparat der Säuger ist aber die Milch- drüse, deren Besitz ja eben das ,, Säugetier" kennzeichnet. Die eierlegenden Säugetiere (die Kloakentiere) zeigen in der Ausbildung dieses Apparates Ver- schiedenheiten gegenüber den lebendiggebärenden, und unter diesen wieder bieten die Beuteltiere die Besonderheit, daß bei ihnen die Milchdrüsen auf den Grund des am Bauche befindlichen Beutels, in den die Jungen nach der Geburt hineingebracht werden, beschränkt sind, während sie sich bei den übrigen Säu- gern in der Brust- und Bauchgegend finden können, genauer gesagt: jederseits im Verlaufe einer Linie, die sich von der Wurzel der vorderen Extremität zu der der hinteren erstreckt. Dieser Linie entsprechend kommt es bei manchen Formen tatsächlich zur Ausbildung von Milchdrüsen, während bei anderen nur die vorderen, bei noch anderen nur die hinteren Anlagen zur Entfaltung ge- langen. So erstrecken sich beim Schwein die Milchdrüsen über die Brust- und Bauchgegend, bei Huftieren (z. B. Kühen, Ziegen) sitzen sie lediglich hinten, in der Leistengegend, beim Menschen nur in der Brustgegend. Doch kommen auch beim Menschen gelegentlich überzählige Milchdrüsen vor, die ihren Sitz entsprechend den oben genannten Linien haben können. Von den Beuteltieren an finden sich in dem Hautgebiet über den Milchdrüsen Erhebungen der Haut, Zitzen, auf denen die Drüsengänge zur Ausmündung kommen. In ihrem Bau zeigen auch sie manche Besonderheiten. 2. Skelettsystem. 2. Skelettsystem. Mit dem Namen Skelett werden bekanntlich die Hartgebilde des Tier- ' Skelettes, körpcrs Zusammengefaßt, deren Aufgabe es ist, den Weichteilen eine Stütze zu bieten, sie, wo es nötig ist, auch schützend zu umgeben (wie der Schädel das Gehirn, die Wirbelsäule das Rückenmark, der Brustkorb Herz und Lungen), endlich aber mit den Muskeln zusammen den Bewegungsapparat zu bilden. Die beiden erstgenannten Aufgaben erfüllen sie schon bei den niedersten Orga- nismen; in den Dienst der Bewegung aber tritt das Skelett erst in den höheren Hautdrüsen. Skelettsystem. Aufgaben des Skelettes. Materialien 417 Formen seiner Ausbildung, wie bei den Gliedertieren unter den Wirbellosen und vor allem bei den Wirbeltieren. Vorbedingung für die Übernahme dieser Funktion ist die Gliederung des Skeletts in eine größere Anzahl einzelner Stücke, die untereinander beweglich, d. h. durch weichere, nachgiebige Massen, verbunden werden. An diesen Stücken greifen die Muskeln an, die die eigent- liche Quelle der Bewegung bilden. Die Skeletteile sind die an sich starren Ge- bilde, auf die die Bewegung erst übertragen wird: sie bilden den passiven Anteil des Bewegungsapparates, die Muskeln den aktiven. Damit erscheint ganz all- gemein die funktionelle Bedeutung des Skelettes an sich beschränkt, und es wird verständlich, daß es niedere tierische Organismen gibt, deren Körper keine eigentlichen Hartgebilde enthält. Selbst bei dem niedersten Wirbeltier, dem Amphioxus, besitzen die festeren stützenden Teile des Körpers noch nicht den geweblichen Charakter und die Konsistenz, die ihnen bei den übrigen Wirbel- tieren zukommen. Immerhin spielt aber doch bei der Mehrzahl gerade der Wirbeltiere das Skelett auch funktionell eine nicht unwichtige Rolle; morpho- logisch aber, für die Form und Gestaltung des Körpers und seiner Teile, besitzt es eine Bedeutung, die ihm unter allen Organsystemen die erste Stelle anweist. Die vergleichende Betrachtung der Wirbeltiere, die danach strebt, die syste- matische Stellung der Formen zueinander, ihren verwandtschaftlichen Zusam- menhang zu ergründen, muß in erster Linie das Skelett berücksichtigen, das nicht nur die Form des Gesamtkörpers im Grundriß herstellt, sondern auch in seiner Zusammensetzung, in der Zahl, Form und Anordnung seiner Teile die wichtigsten Merkmale zur morphologischen Charakterisierung der einzelnen Gruppen darbietet. So war es auch möglich, die ausgestorbenen Wirbeltier- formen zu gruppieren, ihre Beziehungen zueinander und zu den lebenden For- men zu erforschen, lediglich auf Grund der Morphologie ihrer Skeletteile, die ja als Hartgebilde neben den Zähnen allein von den verschiedenen Organen des Körpers der Zerstörung trotzen und der Forschung erhalten bleiben konnten. Die Paläontologie der Wirbeltiere ist in erster Linie, ja fast aus- schließlich, eine Morphologie des Skelettes jener alten verschwundenen Ge- schöpfe. — Die Materialien, aus denen bei den Wirbeltieren die Skeletteile be- Materialien des stehen, sind Knorpel und Knochen; der erstere mit nicht unbeträchtlicher ^i^eiettes. Druck- und Zugfestigkeit ausgestattet, biegsam, aber bald brechend und daher nur bei Wassertieren zur Herstellung ausgedehnterer Abschnitte des Skelettes geeignet, bei Landtieren lediglich zur Ergänzung der knöchernen Teile ver- wendbar; der letztere durch Einlagerung von Kalksalzen sehr viel widerstands- fähiger und daher in viel weiterem Umfange zu gebrauchen und namentlich bei landlebenden Formen bei weitem den größten Teil des Gesamtskelettes aus- machend. Die weicheren, zur Stützsubstanzgruppe gehörigen Gewebe, die die festen Skeletteile beweghch untereinander verbinden, füllen in den einfacheren Arten der Verbindungen den Zwischenraum zwischen den zwei zu vereinigenden Skelettstücken gleichmäßig aus; in den höheren Formen, den wahren Gelenken, sind sie lediglich an den Rändern der Endflächen der Skelettstücke befestigt K. d. G. III. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. II 27 Entstehung der Skeletteile. Äußeres und inneres Skelett 419 und bilden so einen mehr oder minder schlaffen Sack, die Gelenkkapsel, in deren Innerem, der Gelenkhöhle, jene eigenartig geformten Endflächen (Gelenk- flächen) sich einander gegenüberstehen, sich berühren und aneinander schlei- fend verschieben können (Fig. 13 D). Knorpel wie Knochen verdanken ihre Entstehung dem mittleren Keim- blatt, und diese mesodermale Herkunft unterscheidet das Skelett der Wirbel- tiere von vielen Skelettbildungen der Wirbellosen, die dem äußeren Keimblatt entstammen. Jene beiden Hartgebilde sind besondere Arten der Stützsub- stanzgewebe, die als genetisch einheitliche Gewebsgruppe auf das Mesenchym oder Zwischenblatt zu- rückgeführt werden. Mit diesem Namen aber wird den epithelialen Keimblät- tern ein schon früh auftre- tendes Gewebe gegenüber- Entsteliung der Skcletteile. Bückenmark Aorta Leibeshöhle Ursegment Chorda dors. Verbindungsstiel zw. Ursegment und Seiten- Vornieren- platten kanälchen Darmrohr Viscerales) Blatt des Parietales) Mesoderms Fig. 8. Querschnitt durch die Gegend der Vomiere von einem Selachier- embryo, bei dem die Ursegmente im Begriffe stehen, sich abzuschnüren. An den mit x bezeichneten Stellen findet die Bildung von Mesenchym statt. Nach v. Wijhe und O. Hertwig. gestellt, das durch Aus- wanderung mesodermaler Zellen aus dem epithelialen Verbände, an verschiede- nen Stellen des Mesoderms, entsteht (Fig. 8). Die aus- wandernden zelligen Ele- mente vermehren sich reichlich und bilden nun überall ein Füll- und Stütz- gewebe zwischen den epi- thelialen Keimblättern und ihren verschiedenen Bil- dungen. Dieses Stützgewebe bleibt aber nicht auf dem ersten indifferenten Zustand stehen, sondern erleidet mannigfache Umwandlungen und läßt die verschiedenen Arten des Bindegewebes, aber auch den Knorpel und den Knochen aus sich entstehen. Der Entstehungsort dieser Hartgebilde kann verschieden sein, und so finden sich denn auch im erwachsenen Zustande der Wirbeltiere Skeletteile in zweierlei verschiedener Lage: mehr an der Ober- fläche des Körpers, unmittelbar unter der Oberhaut, die über ihnen sogar schwinden kann, so daß dann die Skeletteile frei zutage liegen, oder mehr in der Tiefe. Danach werden ein äußeres und ein inneres Skelett unter- schieden. Das äußere Skelett (Hautskelett, Außenskelett), dem wir schon bei Betrachtung der Haut begegneten, spielt bei den Wirbeltieren nicht die große Rolle, die ihm bei den Wirbellosen zukommt; immerhin besitzen die Fische in ihrem Schuppenkleid, Krokodile und Gürteltiere in ihren knöchernen Panzern, die Schildkröten in ihrem Bauchschild recht ansehnliche äußere Skelette, und im Bereiche des Kopfes gelangen knöcherne Stücke, die ursprünglich in der Haut entstanden und somit dem äußeren Skelett angehören, zur Verbindung AuSeres und inneres Skelett. 27' 420 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere mit den tiefer gelegenen Teilen des Innenskelettes und bilden so wichtige und unentbehrliche Bestandteile des Schädels (Scheitel-, Stirn-, Nasenbeine, Knochen des Gesichtsschädels). Bei weitem die meisten Skeletteile der Wirbel- tiere entstehen aber von vornherein im Innern des Körpers: bei den Wirbel- tieren erlangt das innere Skelett die höchste Stufe seiner Ausbildung, ihm fällt auch fast ausschließlich die Aufgabe zu, den passiven Anteil des Bewegungs- apparates zu bilden. Dieser Sachverhalt hat denn auch dazu geführt, die meisten in der Haut gelegenen äußeren Skeletteile als Bestandteile der Haut und in Zu- sammenhang mit dieser zu behandeln, und unter dem ,, Skelett" im engeren Sinne nur die Teile des Innenskelettes und die wenigen Stücke des Außen- skelettes zu verstehen, die sich jenem, namentHch im Bereiche des Kopfes, innig angeschlossen haben. Knorpeliges Pri- Beim Amphioxus sind weder echte knorpelige noch knöcherne Teile vor- Knöcher^Eie- hauden; man kann hier also von einem wirklichen Skelett noch nicht reden, mente: Deck- ^jg Ersatz Übernehmen verdichtete Bindegewebspartien, stellenweise mit einer Knochen, Ersatz- '-' ^ knochen. bcrcits an Knorpel erinnernden Struktur, an verschiedenen Stellen, namentlich zwischen den Kiemenspalten, die Aufgabe, ein festeres widerstandsfähiges Ge- rüst zu bilden. Wirkliche Skelettgebilde finden sich zuerst bei den Rund- mäulern, und hier, wie bei den Knorpelflossern (Selachiern), bestehen sie sämt- lich nuraus Knorpel, während knöcherne Teile bei den Rundmäulern gar nicht, bei den Selachiern nur in der Haut, an der Basis der bereits besprochenen Haut- zähnchen, vorhanden sind. Wirbelsäule, Schädel, Extremitätenskelett werden bei den Selachiern nur aus knorpeligen Stücken aufgebaut, und dieses Knorpel- skelett, das somit die morphologisch ursprünglichste Form des Skelettes dar- stellt, und daher den Namen Primordial- (Ur-) Skelett erhalten hat, darf die größte Beachtung beanspruchen. Wie es in der Stammesgeschichte als erster Repräsentant eines wirklichen Skelettes auftritt, so bildet es auch in der Keimesgeschichte aller Wirbeltiere, die über jenen vorhin genannten stehen, die erste Erscheinungsform eines solchen. Es wird bei allen immer wieder an- gelegt; auch beim Menschen noch treten ein großer Teil des Schädels, die Wirbelsäule und die Stücke des Extremitätenskelettes embryonal knor- pelig auf und verharren eine Zeitlang auf diesem embryonalen Stadium. Im Gegensatz aber zu Rundmäulern und Knorpelflossern, wo der Knorpel- zustand des Skelettes das ganze Leben hindurch festgehalten wird, wird er bei den höheren Formen überwunden, indem zu den zuerst entstandenen knorpeligen Skeletteilen knöcherne hinzutreten, die sich, wie wir schon gesehen haben, ihrer ursprünglichen Lage nach in zwei Gruppen sondern. Die Knochen der ersten Gruppe nehmen ihre Entstehung in der Haut und in der Schleimhaut der Mundhöhle, d. h. in einiger Entfernung und getrennt von dem Knorpel- skelett, dem sie sich lediglich auf seiner Oberfläche auflagern. Man hat sie daher als Deck- oder Belegknochen bezeichnet. Sie gehören dem Außenskelett an und sind mit den schon besprochenen knöchernen Schuppenbildungen der Haut auf eine Stufe zu stellen. Soweit sie in der Haut entstehen, sind sie wohl ge- radezu aus dem Zusammenfluß von Hautschuppen hervorgegangen; soweit sie Primordialskelett. Deck- und Ersatzknochen. Einteilung des Skelettes. Rumpfskelett 421 in der Schleimhaut der Mundhöhle ihren Ursprung nehmen, sind sie aus der Verwachsung von Zähnen entstanden zu denken. Doch können auch Sehnen-, Membran- und Band-Verknöcherungen ,, Deckknochen" liefern. Zeit- lich repräsentieren die Deck- oder Belegknochen die zuerst auftretenden knöchernen Elemente, und zwar gilt dies für die Keimesgeschichte nicht weni- ger als für die Stammesgeschichte. Die zweite Gruppe knöcherner Elemente, die zu den ursprünglichen knor- peligen Skeletteilen hinzutritt, entsteht in unmittelbarster Nähe der Knorpel- teile, an Stellen, wo diese durch den Ansatz von Bändern oder Muskelsehnen besonders beansprucht werden. Hier lagern sich zunächst der Oberfläche des Knorpels dünne Knochenlamellen unmittelbar auf, die aber weiterhin auch in denselben eindringen können, wobei der Knorpel selbst zugrunde geht. So treten an Stelle des Knorpels knöcherne Territoren, die jenen in größerer oder geringerer Ausdehnung ersetzen und so mit Recht als Ersatzknochen be- zeichnet werden können. Die gewöhnliche, nicht ganz genaue Ausdrucksweise sagt, daß der Knorpel stellenweise ,, verknöchert". So setzt sich das ausgebildete Skelett der meisten Wirbeltiere aus dreierlei Bestandteile des Bestandteilen zusammen: i. aus knorpeligen Partien, die erhalten bleibende ^"skeiettls."" Reste des ursprünglichen primordialen Knorpelskeletts darstellen; 2. aus Er- satzknochen; 3. aus Deckknochen, Die Menge des Knorpels, die erhalten bleibt, ist sehr verschieden und im allgemeinen bei den niederen Formen größer als bei den höheren, doch kann aus größerer Knorpelmenge nicht ohne weiteres auf ein primitives Verhalten geschlossen werden, da auch auf höheren Organisa- tionsstufen noch eine Vermehrung des Knorpelbestandes eintreten, und wohl auch wieder eine Rückbildung von Ersatzknochen stattfinden kann. Bei wei- tem die meisten Knochen des Wirbeltierskelettes haben den Charakter von Ersatzknochen; die Deckknochen erlangen ihre reichste Entfaltung am Kopfe, wo sie ausgedehnte Partien des Schädels bilden können. Ob ein Knochen der einen oder der anderen Gruppe angehört, kann man ihm im ausgebildeten Zu- stande gewöhnlich nicht ansehen. Wir teilen das ganze Skelett ein in l. das Achsenskelett, und 2. das Glied- Einteilung des maßen- oder Extremitätenskelett. Am Achsenskelett aber sind bei allen Kra- nioten als zwei große Abschnitte unterscheidbar: a) das Rumpf skelett und b) das Kopfskelett. I. Achsenskelett. a) Rumpfskelett (Wirbelsäule, Rippen und Brustbeinbildungen, Skelett Rumpfskelett des unpaaren Flossensaumes). Wollte man den Namen Wirbeltiere wörtlich nehmen und darunter nur Ungegliederter Tiere mit einer aus einer Anzahl ,, Wirbel" zusammengesetzten Wirbelsäule ver- stehen, so würden, wie schon gesagt, mehrere Formen, die ihrer Gesamtorgani- sation nach zu den Wirbeltieren gehören, auf diesen Namen keinen Anspruch haben. Denn sie besitzen eben noch keine wirklichen Wirbel, sondern zeigen Zustände des axialen Rumpfskelettes, die dem gegliederten vorausgehen und entweder noch als ganz ungegliedert zu bezeichnen sind oder aber eine erst be- 422 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere ginnende Gliederung in verschiedener Weise erkennen lassen. Tatsächlich ist auch nicht die Wirbelsäule, sondern die Chorda dorsalis die erste axiale Stütze des Wirbeltierkörpers. Beim Amphioxus (Fig. 9) bleibt sie als solche zeitlebens bestehen: umgeben von einer, von ihr selbst ausgeschiedenen, Hülle (Chorda- scheide) erstreckt sie sich hier durch die ganze Länge des Körpers hindurch. Hartgebilde kommen nicht zur Entstehung, wohl aber bildet das Bindegewebe in der Umgebung der Chorda noch ein weiteres Gerüstwerk, das immerhin als ein Vorläufer eines Skelettes betrachtet werden kann. Anfänge der Zuständc, dlc gewisscrmaßcn die Anfänge einer Gliederung des Achsen- skelettes darstellen, finden sich in verschiedener Form bei den Neunaugen, den Stören, Dipnoern, in besonders einseitiger Ausbildung auch bei den Holoce- phalen. Als Beispiel diene der Befund beim Stör (Fig. 10). Die von einer Gliederung Kiemendarni mit Kiemenspalten BückenmarJc Chorda dorsalis Cirren After Vestibulum Fig. 9. Schematischer Längsschnitt durch Amphioxus. Nach Bo.^s. Peribranchial- rauin Ponis Darm hranchialis kräftigen Faserscheide umgebene zellige Chorda, deren vorderes Ende in den hinteren Teil der Schädelbasis aufgenommen wird, ist auch hier im Gebiete des ganzen Rumpfes einheitlich, doch sitzen ihr in regelmäßigen Abständen feste knorplige, zum Teil verknöcherte Skelettstücke auf, die ihre Entstehung dem umgebenden Bindegewebe verdanken. Sie werden mit dem Sammelnamen Bogenbildungen bezeichnet. Solcher Bogenbildungen sind zunächst unter- scheidbar obere Bogen, die dorsal der Chorda aufsitzen, das Rückenmark um- geben, darüber noch einen zweiten zur Aufnahme eines Längsbandes bestimm- ten Kanal bilden und dann durch einen unpaaren in der Mittellinie aufsteigen- den ,, oberen Dornfortsatz" fortgesetzt werden. Zwischen diesen oberen Bogen hegen kleinere obere Intercalaria oder Zwischenstücke. In ähnlicher Weise sitzen dem ventralen Umfang der Chorda untere Bogen und untere Intercalaria an; die unteren Bogen tragen im Rumpfteil die ,, unteren Rippen". So ist also hier die Chorda mit ihrer Faserscheide noch durchaus einheit- lich, durch die ihr aufsitzenden Bogenbildungen wird aber doch funktionell eine Gliederung bedingt: die Biegungen bei den Bewegungen des Tieres werden nun nicht mehr gleichmäßig in ihrer ganzen Länge erfolgen können, sondern wesenthch in den Zwischenräumen zwischen den aufsitzenden festen Stücken. Gegliederte Damit sind denn Zustände geschaffen, die zu einer wirklichen Gliede- rung auch der Chorda, einer Zerlegung derselben in einzelne Stücke, über- leiten. Eine solche Gliederung erfolgt schon bei vielen Fischen (Selachiern, AVirbelsäule. Ungegliedertes Achsenskelett. Anfänge der Gliederung. Gegliederte Wirbelsäule 423 o.J. Knochenganoiden und Knochenfischen) und ist weiterhin ein durchgehendes Merkmal der Amphibien und Amnioten. Durch sie kommt es zur Ausbildung von Wirbelkörpern und damit zur Entstehung einer wirklichen Wirbel- säule. Aber auch zur Erreichung dieses Zieles werden verschiedene Wege einge- schlagen. Den einen beschreiten die Selachier, indem bei ihnen innerhalb der Chorda-Faserscheide sich in regelmäßigen Abständen Verdickungen bilden, die verknorpeln und gegen die Chorda selbst vordringend diese in ihrem Inneren einschnüren. In ihren primitivsten Zuständen (bei den Grauhaien) besitzen sie die einfachere Form von zentral durchbohrten Scheiben; in ihrer höchsten Aus- bildung (Fig. 11) werden sie sanduhrförmig und stellen dementsprechend ge- formte Wirbelkörper dar (auch als bikon- kave, amphicoele, doppelt-trichterför- mige Wirbelkörper bezeichnet). Durch ihre zentrale Öffnung geht der einge- schnürte Teil der Chorda hindurch, die sich nach beiden Seiten hin in den trich- terförmigen Räumen der Wirbelkörper verbreitert und zwischen je zwei Kör- pern, zusammen mit dem unverknorpel- ten Abschnitt der Faserscheide ein nach- giebiges ,, Zwischenwirbelband" bildet, das Beweglichkeit zwischen den benach- barten Körpern gestattet. Der Aufbau der Wirbel wird vervollkommnet durch Bogenbildungen (obere und untere Bogen, dazwischen obere und untere Inter- calaria), die außen den Körpern aufsitzen und dieselben sogar in ihrem ganzen Umfang umwachsen können. Haben wir hier Wirbelkörper, die vor allem innerhalb der Chordascheide, hauptsächlich von dieser selbst gebildet, liegen, so finden wir bei Knochen- ganoiden und Knochenfischen sowie bei Amphibien und Amnioten einen ande- ren Modus der Wirbelkörperbildung: ohne Beteiligung der Chordafaserscheide lediglich aus dem Bindegewebe in der Umgebung der Chorda (,,perichordar'). Auch die so entstandenen Wirbelkörper, die stets mehr oder minder vollständig verknöchern, haben oft noch die Form von Doppeltrichtern mit einer zentralen feinen Öffnung, durch die die stark eingeschnürte Chorda hindurchtritt (so bei Knochenfischen (Fig. 12), den meisten Knochenganoiden, manchen niederen Amphibien und selbst noch bei manchen Reptilien) ; innerhalb des Wirbelkörpers kommt es manchmal zu einer Verknorpelung der eingeschlossenen (,,intraverte- bralen") Chordapartie. Die weiten Räume zwischen je zwei Wirbeln werden durch weichere, nachgiebige Gewebsmassen ausgefüllt, die bei manchen Formen hauptsächlich durch erweiterte Abschnitte der Chorda selbst gebildet werden, während bei anderen die Chorda auch hier (,,intervertebral") eingeengt wird, und dafür von außen eindringendes Bindegewebe den Raum erfüllt. Daß auch u.J. Fig. 10. Ein Stück Wirbelsäule des Störs in seit- licher Ansicht und bei Betrachtung auf dem Querschnitt. ob.B. oberer Bogen, o.J. oberes Intercalare, u.E. unterer Bogen, //. J. unteres Intercalare, Sp Pro- cessus spinosus (oberer Dornfortsatz), R untere Rippe, vS Chordascheide. Nach R. Hertwig. 424 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere dieses verknorpeln und so einen „Zwischenwirbelknorpel" bilden kann, zeigen manche langschwänzige Amphibien (Fig. 13). Eine höhere Stufe der Vervollkommnung bedeutet es, wenn die perichordal entstandenen Wirbelkörper untereinander durch wirkliche Gelenke verbunden werden. Dies ist der Fall unter den Fischen nur bei Lepidosteus, dann aber bei den höchststehenden Salamanderformen (Fig. 13D), bei den schwanzlosen Am- phibien, bei fast allen Reptilien und bei den Vögeln. Die Wirbelkörper tragen dabei entweder vorn eine Pfanne und hinten einen Gelenkkopf oder umgekehrt. Natürlich setzt das Auftreten von Gelenkspalten zwischen den Wirbelkörpern das völlige Zugrundegehen der Chorda zwischen je zwei Wirbeln voraus, und obere Sogen oberes Intercalare Wirbel Jcanal Cliorda- scheide Raum, in dem die Chorda lag unveränderte Chordascheide 1 Virbelkörper innerhalb der Chordascheide Wk Fig. II. Längsschnitt durch die Wirbelsäule eines Haifisches, schema- tisiert. Chorda entfernt, so daß man nur die Höhlung sieht, in der sie gelegen hat. Nach Boas. Fig. 12. Schvvanzwirbel eines Karpfen. o.B. oberer Bogen, «. ^. unterer Bogen, f^% Wir- belkörper. Nach R. Hertwig. damit ist eben die Gliederung des Achsenskelettes zur höchsten Stufe gelangt: an die Stelle eines einheitlichen Stabes ist eine aus zahlreichen Stücken zu- sammengesetzte Wirbelsäule getreten. Auch innerhalb der Wirbelkörper pflegt dabei die Chorda zugrunde zu gehen. Bei den Säugern wird dieser Endzustand nicht erreicht: hier bleiben die knöchernen Wirbelkörper, die vorn wie hinten mit etwa planen Flächen abschließen, durch faserknorplige Zwischenwirbel- scheiben verbunden, in deren Mitte ein Rest der Chorda dorsalis als ,, Gallert- kern" sich erhält. Innerhalb der Wirbelkörper geht aber die Chorda zugrunde. Auch den Wirbelkörpern, die aus dem Gewebe in der Umgebung der Chorda ihren Ursprung nehmen, schließen sich Bogenbildungen an, die aber, verglichen mit denen etwa der Störe und Haie, einfacher sind und meist mit den Wirbel- körpern zu einer Einheit zusammenfließen. Ein bei den Knochenfischen ge- wöhnliches Verhalten zeigt Fig. 12 : dem amphicoelen Wirbelkörper schließen sich die oberen Bogen an, die über dem Wirbelkanal (der das Rückenmark ent- hält) sich vereinigen und in einen oberen Dornfortsatz fortsetzen; dazu kommen untere Bogen, die im Rumpfteil kurze auseinanderstehende Fortsätze darstellen, im Schwanzteil aber sich zur Bildung eines Kanals für die Schwanzgefäße ver- einen und in einen unteren Dornfortsatz sich fortsetzen. Bei den Amphibien und Amnioten erscheinen die oberen Bogen komplizierter gestaltet, die unteren fehlen dagegen vielfach gänzlich. An den oberen entwickeln sich außer dem schon bei den Fischen vorhandenen oberen Dornfortsatz noch jederseits ein Querfortsatz, der manchmal durchbohrt ist und Rippen zur Anlagerung sowie Gegliederte Wirbelsäule. Gesamtwirbelsäule 425 Muskeln zur Befestigung dient, ferner am vorderen und hinteren Umfang jeder- seits Gelenkfortsätze, also zwei vordere und zwei hintere, durch die benach- barte Wirbel noch weiter miteinander verbunden werden (Fig. 14). Untere Bogen, die wie bei den Fischen einen Kanal für Blutgefäße umschließen, finden sich am Schwänze bei langschwänzigen Amphibien, manchen Reptilien (Kroko- dilen, Brückenechsen u. a.), selbst noch bei einigen Säugern (Fig. 7). Vielleicht sind hierher zu zählen aber auch die soliden unteren Dornfortsätze, die bei -<4 HC D vorn Chorda clors. Zwischen- wirbel- knorpel Wirlel- Icörper Chorda- m \ Zwischen- [4 Wirbelknorpel i Wirbel-_ körper i,V' Chorda - Rt' S Wirbel-, körper Zwischen wirbel- knorpel -Vr m J fö Über- knorpelte Pfanne Knorpliger Kopf des Wirbel- körpers Wirbel- körper säule. Fig. 13. Längsdurchsclmitte durch die Wirbelsäule einiger Urodelen. A von Ranodon sib., B von Amblystoma tigrinum, C von Gyrinophilus porphyr., Z) von Salamandrina perspicillata. Nach Wiedersheim. vielen Reptilien, aber auch bei Vögeln von der Unterfläche der Halswirbel aus sich zwischen die hier gelegenen Muskeln einschieben. Diese nur in ganz groben Umrissen die wichtigsten morphologischen Tat- Oesamtwirbei- sachen skizzierende Schilderung erfordert eine wenigstens kurze Ergänzung durch Betrachtung der Gesamtwirbelsäule bei den verschiedenen Formgruppen. Eine solche lehrt uns die mannigfachsten Anpassungen an die Besonderheiten der Lebensweise und Beziehungen zu den verschiedensten sonstigen Einrich- tungen der Organismen kennen. Einfach in ihrer Gliederung erscheint die Wirbelsäule der Fische, an der nur ein Rumpf- und ein Schwanzabschnitt unter- scheidbar sind: ersterer soweit reichend, als die Leibeshöhle sich erstreckt, und gewöhnlich Rippen tragend, letzterer jenseits dieses Gebietes, mit kräftiger Muskulatur versehen und das Hauptbewegungsorgan bildend. Die Zahl der Einzelwirbel, die sie zusammensetzen, schwankt in sehr weiten Grenzen: bei 426 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Dornforisatz Gelenkfortsatz Querfortsatz -Rippe den Haien groß, oft sehr groß (bis gegen 365), wird sie bei Knochenfischen ge- ringer, kann manchmal sogar sehr klein werden (bis 15) und erhält sich nur bei Formen mit langem wurmförmigen Körper und ganz zurücktretenden Flossen auf größerer Höhe (Aal: 200). Demgegenüber zeigt die Wirbelsäule der land- lebenden Wirbeltiere eine reichere Gliederung und überhaupt ein mannigfalti- geres Verhalten im einzelnen. Zu der Ausdehnung der Leibeshöhle kommt der Einfluß der vorderen und der hinteren Extremitäten als Gliederung bedingendes Moment hinzu. Das Gebiet, in das die Leibeshöhle vorn nicht hineinragt, wird als ,, Halsteil" bezeichnet; seine hintere Grenze fällt mit der Lage des Schulter- gürtels zusammen. Im hinteren Gebiet der Wirbelsäule bedingt die Anlagerung des Beckengürtels an die Wirbelsäule die Ausbildung eines ,, Kreuzteiles", der bei Amphibien aus einem, bei Reptilien aus zwei Wirbeln besteht, während bei Vö- geln und Säugern eine größere An- zahl von Wirbeln unter Verschmel- zung zu einem Kreuzbein zusam- mentreten. Der ganze Abschnitt der Wirbelsäule zwischen Hals- und Kreuzteil bildet dann den ,, Rumpf- teil" der Wirbelsäule, an dem durch die Ausbildung von Rippen ein vor- derer ,, Brustteil" von einem hin- teren ,,Lendenteir', nicht immer mit guter Begründung und fester Grenzbestimmung, unterschieden werden. Was hinter dem Kreuzteil der Wirbelsäule folgt, ist dann der ,, Schwanzteil" derselben, von sehr verschiedener Länge und sonstigem verschiedenem Ver- halten, auch nicht immer als Stütze eines frei hervortretenden äußeren Schwanzes erscheinend, sondern manchmal (z. B. bei den ,, schwanzlosen" Amphibien) als gar nicht unbeträchtlicher Abschnitt, an dem auch die einzelnen Wirbel untereinander verschmelzen können, im Inneren des Körpers versteckt (,, Innenschwanz"). Die Zahl der Wirbel an der Gesamtsäule wie an den einzelnen Abschnitten schwankt sehr bedeutend und steht zu dem Verhalten der Extremitäten vor allem in bestimmter Beziehung. So steigt die Gesamtzahl der Wirbel bei Schlangen, wo die Wirbelsäule allein vom Skelett die Ortsbewegung besorgt, Extremitäten aber fehlen, sehr beträchtlich (bei der Tigerschlange auf 422), während sie anderseits bei den schwanzlosen Am- phibien bis auf 9 oder 8 freie Wirbel, denen sich noch ein aus der Verschmelzung mehrerer Schwanzwirbel entstandenes Schwanz- oder Steißbein anschließt, sinkt. (Die Blindwühlen besitzen bis 300, der Aalmolch 100, der Salamander 42 Wirbel; bei den Echsen steigt die Zahl selten über 100, bei den übrigen Reptilien — mit Ausnahme der Schlangen — sowie bei Vögeln und Säugern ist Fig. 14. ^' Rippenknorpel Brusthein Erster Brustwirbel mit den ersten Rippen und dem obersten Teil des Brustbeines. Aus WiEDERSHEiM, Bau des Menschen. Gesamtwirbelsäule 427 sie wesentlich kleiner.) Die Beweglichkeit ist um so mehr über die ganze Säule verteilt, je mehr diese an der Ortsbewegung Anteil nimmt, während stärkeres Hervortreten der Extremitäten eine schärfere Scheidung in bewegliche und starre Abschnitte zur Folge hat. Das erstere ist der Fall bei Schlangen und anderen fußlosen Formen, für das letztere können als Beispiel die Schildkröten und Vögel dienen, bei denen nur drei Abschnitte an der ausgebildeten Wirbel- säule unterscheidbar sind: vorn ein beweghcher Hals-, hinten ein beweglicher Schwanzteil und dazwischen ein starrer, die übrigen Gebiete in sich ver- einender Abschnitt. Seine Unbeweglichkeit ist bei den Schildkröten durch die Ausbildung des Rückenschildes, bei den Vögeln vor allem durch die sehr starke Ausdehnung des Beckens bedingt, das sich mit seinem Darmbein jederseits nach vorn wie nach hinten weit auf die Wirbelsäule heraufschiebt, nach vorn bis auf den hinteren Teil der Brustwirbelsäule, nach hinten auf einen Teil der Schwanz- wirbelsäule. So vernichtet es die Beweglichkeit dieser Abschnitte und bringt ihre einzelnen Wirbel untereinander zur festen Verwachsung zu einem starren Abschnitt, dem sich vorn dann noch die übrigen Brustwirbel, ebenfalls unter- einander fast unbeweglich werdend, anschließen. Vom Standpunkte funktio- neller Betrachtung aus ist darin eine Besonderheit zu sehen, die mit der den Vögeln eigentümlichen Art der Fortbewegung durch den Flug zusammenhängt: jene Umwandlung des ganzen mittleren Abschnittes der Wirbelsäule zu einem starren Gebilde sichert die feste Walzenform des Vogelkörpers beim Fliegen und verhindert das Schlottern oder Heruntersinken des Hinterkörpers, ohne daß dazu besondere Muskelmassen und damit eine unzweckmäßige Vermehrung des Gewichtes verbunden wären. Auch abgesehen von Schildkröten und Vögeln, deren Wirbelsäule einseitig ausgebildete Einrichtungen zeigt, pflegt die Brustwirbelsäule der Tetrapoden ein starrerer Abschnitt zu sein, da sie meist Rippen trägt, von denen ein Teil ventral durch das Brustbein verbunden wird. Fehlen der Rippen wie bei den schwanz- losen Amphibien oder Fehlen des Brustbeines wie bei den Schlangen gestattet auch der Brustwirbelsäule eine größere Beweglichkeit. Eine solche kommt sehr gewöhnlich dem Halsteil, der als beweglicher Stiel für den Kopf zu dienen hat, und dem Lendenteil, der in ähnlicher Weise einen beweglichen Stiel für den Vorderkörper bildet, zu, wenn es sich nicht um Wassertiere, wie die Wale han- delt, bei denen der als Wasserbrecher vorangehende Kopf festere Verbindung braucht, und demzufolge die Halswirbelsäule durch Verkürzung und Ver- wachsung der Halswirbel zu einem kurzen starren Abschnitt wird. Diesem Extrem stehen die langen beweglichen Hälse der Schildkröten und Vögel gegen- über. Ganz besonders wichtige Ergebnisse liefert ein Vergleich der Zahlen der Einzelwirbel innerhalb der einzelnen Abschnitte der Säule. Das Prinzip, nach dem sich die verschiedenen Einzelbefunde erklären lassen, ist das, daß innerhalb eines einzelnen Abschnittes eine Vermehrung oder Verminderung der Wirbel- zahl niemals durch Einfügung oder Ausschaltung eines Wirbels stattfindet, sondern daß die Verschiedenheit der Zahlen, die einen Abschnitt zusammen- 428 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere setzen, auf Grenzverschiebungen beruhen, so daß also ein Abschnitt auf Kosten seiner beiden Nachbarn wachsen oder zugunsten derselben kleiner werden kann. Brustwirbel können durch Reduktion der Rippen zu Hals- oder Lendenwirbeln werden, Lendenwirbel durch Vorrücken des Beckens zu Kreuzwirbeln. Bei diesen Grenzverschiebungen spielen die Wanderungen der Extremitäten die Hauptrolle. Weder der Schultergürtel noch der Beckengürtel haben eine ein für allemal konstante Lage am Rumpf; beide lassen vielmehr Verschiebungen erkennen, die innerhalb der einzelnen Klassen ganz bestimmte Richtungen zeigen. So wandert bei den Vögeln der Schultergürtel nach hinten, wodurch ein immer größerer Abschnitt der Wirbelsäule vorn als Halsteil frei wird (die Zahl der Halswirbel beträgt bei Tauben und Spechten 12, beim Flamingo 18, beim Schwan 23), während anderseits bei den schwanzlosen Amphibien sich der Beckengürtel mit der hinteren Extremität im Laufe der Stammesgeschichte weit nach vorn verschoben hat, so daß nur 7 oder 8 freie Wirbel vor dem Kreuz- wirbel liegen. In ähnlicher Weise läßt sich nachweisen, daß auch bei den Vor- fahren des Menschen eine Vorwärtswanderung des Beckens stattgefunden hat, ja daß sogar dieser Prozeß noch nicht zum Stillstand gekommen ist. Unter dieser Betrachtungsweise gewinnen Varietäten der Wirbelsäule bei den ver- schiedenen Formen ein ganz besonderes Interesse. Wirkliche Unterdrückung von Wirbeln, Schwund von solchen, beobachtet man nur an beiden Enden der Wirbelsäule, am hinteren wie am vorderen. Namentlich findet vom hinteren Ende der Säule aus eine Verkürzung derselben statt. Die Verhältnisse am vorderen Teil der Wirbelsäule erfordern noch eine ganz besondere Beachtung. Entwickelungsgeschichte und vergleichende Ana- tomie bekunden übereinstimmend, daß schon bei den Selachiern der hinterste Teil des Schädels sich aus Skelettsegmenten aufbaut, die eigentlich den vorder- sten Teil der Wirbelsäule darstellen, und daß bei den höheren Fischen wie bei den Amnioten noch weitere Wirbel in den Aufbau des Schädels einbezogen werden. Als Schlußfolgerung ergibt sich, daß die cranio-vertebrale Grenze bei den einzelnen Wirbeltieren nicht überall an gleicher Stelle liegt. So entspricht die bei den Knochenfischen nicht der bei den Selachiern, und die bei den Am- nioten nicht der bei den Amphibien. Aber bei allen den genannten Formen ist doch die Schädelwirbelverbindung auf eine Verbindung, die ursprünglich zwischen zwei Wirbeln lag, zurückzuführen. Bei den Fischen gleicht sie dem- nach auch in ihrem Bau meist einer solchen, während sie bei den landlebenden Formen in besonderer Weise ausgestaltet wird, um dem Kopfe eine besondere Beweglichkeit zu sichern. Doch bestehen auch hier Verschiedenheiten. Bei den Amphibien schließt der Schädel hinten mit zwei Gelenkhöckern (Hinterhaupt- höckern) ab, die mit zwei Pfannen des vordersten Wirbels gelenkig verbunden werden in Gelenken, die wohl mit Bogengelenken der Wirbelsäule vergleichbar sind. Dagegen besteht bei Reptilien und Vögeln nur ein einziger Hinterhaupt- höcker,der in sehr eigenartigerweise mit dem ersten und dem zweiten Wirbel verbunden wird. Der erste Wirbel der genannten Formen, der als Atlas bezeichnet wird, entspricht nur einem Halbwirbel, indem ein wichtiger Bestandteil von Gesamtwirbelsäule. Skelett des unpaaren Flossensaumes 42Q ihm, der von der Chorda dorsalis durchsetzte Körper, sich von ihm getrennt und als Zahnfortsatz dem zweiten Wirbel (Drehwirbel, Epistropheus) ange- schlossen hat. Der eine Hinterhaupthöcker des Schädels verbindet sich dem- nach in hier nicht näher zu erörternder Weise mit den Bogenteilen des Atlas, wie mit dem Zahn des Epistropheus. Grundsätzlich das gleiche gilt auch für die Säuger, wenn auch hier die Bildung des Drehwirbels etwas anders vor sich geht als dort. Darin stimmt sie jedenfalls mit der bei den Reptihen überein, daß der Drehwirbel einen Zahnfortsatz erhält, der auf den Körper des ersten Wirbels zurückzuführen ist, und daß demnach dem Atlas ein eigenthcher Kör- perabschnitt fehlt. Mehr in die Augen springend ist ein anderer Unterschied: bei den Säugern schließt der Schädel mit zwei Hinterhaupthöckern ab, ähn- lich wie bei den Amphibien. Man hat darin auch einen Hinweis auf die Am- phibienabstammung der Säuger sehen wollen, doch mit Unrecht, denn es Heß sich nachweisen, daß diese zwei Hinterhaupthöcker der Säuger durch Zer- legung des einen Höckers der Reptilien entstanden sind, wie auch der ganze Kopfgelenkapparat bei den Säugern die vollkommenste Übereinstimmung mit dem der Reptilien zeigt. Die Zweihöckrigkeit des Säuger- und Amphibien- schädels beruht auf Konvergenz; ein Vergleich beider ist schon darum ausge- schlossen, weil der Säugerschädel um drei Wirbel länger ist als der Amphibien- schädel, somit die hintere Schädelgrenze bei beiden gar nicht an der gleichen Stelle liegt. Von den Anhangsgebilden der Wirbelsäule sind zuerst zu nennen Anhangsgebilde .^,,., .. ^, der Wirbelsäule die bkeletteile, die bei den Irischen den unpaaren rlossen- skeiett des säum oder die einzelnen Abschnitte desselben (Rücken-, „, ""p^^"""^" V ' Flossensaumes. Schwanz-, Afterflosse) stützen. Von den Selachiern an sind diese Skelettstücke zweierlei Art: eine erste Kategorie schließt sich als Flossen- strahlträger an der Basis der Flosse den Dornen der Wirbel an, die zweite ist als Flossenstrahlen in den äußeren Teil der Flosse eingelagert. Die Flossenstrahlträger gehören zum Innenskelett und sind knorplig oder knöchern, die Flossenstrahlen werden bei Haien und Dipnoern von festen Binde- gewebsfäden (fälschlich als Hornfäden bezeichnet) gebildet, bei den Ganoiden und Teleostiern durch knöcherne (harte, oder weiche gegliederte) Strahlen, die die Natur von Deckknochen, also von Integumentalbildungen, haben. Nur der Schwanzflosse fehlen Flossenstrahlträger; hier sind demnach die Flossenstrahlen unmittelbar den Dornen der Schwanzwirbelsäule ange- schlossen, wohl im Interesse größerer Festigkeit der Schwanzflosse, die ja das Hauptbewegungsorgan der Fische bildet. Ein für die Stammesgeschichte wie für die Systematik wertvolles Merkmal stellt die Form der Schwanzflosse dar, deren Verschiedenheiten aus der Fig. 15 hervorgehen. Den Ausgang bildet die diphycerke Flosse, die das Ende der Wirbelsäule gleichmäßig umsäumt (z. B. bei Protopterus) ; ihr schheßt sich die heterocerke Form an mit nach aufwärts gekrümmter Wirbelsäule und ungleichen Lappen der Flosse (Haie, Stör), und als jüngste und letzte Form erscheint die homocerke Flosse, bei der zwar auch die Wirbelsäule mit ihrem Ende aufwärts, in den oberen Lappen der Flosse, 430 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Rippe gerichtet ist, durch ungleiche Länge der Skeletteile aber doch äußere Gleich- heit des oberen und unteren Flossenlappens erzielt ist. Sie zeichnet den jüng- sten Zweig der Fische, die Knochenfische, aus. — In den medianen Flossen- säumen der Amphibien und höheren Formen finden sich keine Skelettstücke mehr. Eine viel weitere Verbreitung besitzen die Anhangsgebilde der Wirbelsäule, die als Rippen bezeichnet werden. Die Vergleichung lehrt, daß morphologisch zwei Arten von Rippen scharf unterschieden werden müssen: untere und obere. Die unteren, die auf die Fische beschränkt sind, finden sich in den binde- A (Stör) Flossen strahlen B (Knochenhechl) Aufgebogenes Ende der Wirbelsäule Obere Bogen Untere Bogen Aufgebogenes Ende der Wirbelsäule Untere Bogen ^^^Flossen- Strahlen Aufgebogenes Ende der Wirbelsäule Obere Bogen Wirbel- körper Untere -' Bogen ntere Bogen C (Lachs) D {Dorsch) Fig. 15. Ende des Schwanzes verschiedener Fische. A Diphycerke Flosse, ß, C, D Homocerke Flossen (die Flossen erscheinen äußerlich symmetrisch, doch ist in ihrem Inneren das Ende der Wirbelsäule aufwärts gebogen. In C ist der aufgebogene Teil der Wirbelsäule noch wohl entwickelt, in D, das den gewöhnlichen Zustand der Knochenfische repräsentiert, dagegen sehr klein. Aus Boas. gewebigen Scheidewänden, die hier die ventrale Längsmuskulatur des Rumpfes in einzelne metamere Abschnitte teilen, und liegen der Wand der Leibeshöhle an (Fig. 16C); die oberen liegen in dem horizontalen Septum, das die dorsale und die ventrale Längsmuskulatur voneinander trennt (Fig. 16A). Die Mehr- zahl der Fische besitzt nur untere Rippen, den Haien wie allen tetrapoden Wirbeltieren kommen nur obere zu. Das Vorkommen von Fischformen (z. B. Polypterus, Fig.iöB), diebeide Arten von Rippen besitzen, beweist besonders klar die Notwendigkeit der gemachten Unterscheidung. Mit den echten Rippen, die dem Innenskelett angehören, haben nichts zu tun die sog. Fleischgräten, die bei Knochenfischen als Sehnenverknöcherungen auftreten, manchmal, wie beim Hering, in besonders großer Anzahl. Die größte Mannigfaltigkeit bieten in ihrem besonderen Verhalten die oberen Rippen. Anfangs, bei den Haien, nur kurze knorpelige Anhängsel der Rippen. Brustbein 431 Wirbel darstellend, bei den Amphibien noch weiter reduziert, wachsen sie bei fast allen Amnioten im vorderen Rumpfgebiet zu langen gekrümmten Spangen aus, die den Brustraum umgürten und häufig in zwei oder gar drei Stücke ge- gliedertwerden, von denen mindestens das erste, der Wirbelsäule angeschlossene, verknöchert. Ein Teil von ihnen verbindet sich gewöhnlich an der Bauchseite des Körpers mit einem Brustbein : diese werden dann als wahre Rippen den auf sie folgenden falschen, die diese Verbindung nicht erlangen, gegenüber- gestellt (Fig. 7). Der Mangel eines Brustbeines bei den Schlangen stempelt alle Rippen derselben, die fast die ganze Länge der Wirbelsäule einnehmen, zu A B C Oberer Wirbelbogen Oberer Wirbelbogen Dersale Rumpf- muskulatur Uorizvntal- septurn Obere' Rippe Urniere Ventrale Rumpf- muskulatitr Leibes/io/il Obere Rippe Untere Hippe Dorsaltt Rumpf - jnusiculatur Oberer Dornforinatz Dorsale Rumpf- ■muskalatur Horizonial- neptum Ventrale Rumpf- iHUskulatur Untere Rippe Leibenhohle Leiheihöhle Ventrale Rumpf muskulat ur Fig. 16. Scheraatisclie Querschnitte, um die Lage der oberen und der unteren Rippen bei den Fisclien zu zeigen. Nach GÖPPERT und Bütschli. falschen Rippen. Rippen und Brustbein bilden zusammen mit der Brustwirbel- säule den Brustkorb, das Gehäuse, in dem die Lungen und das Herz liegen, und das, durch die Bewegung der Rippen einer Erweiterung und einer Ver- engerung fähig, die Ansaugung von Luft in die Lungen und die Wiederaus- pressung derselben, also die Ein- und Ausatmung bewirkt. Aber nicht nur dem Brustteil der Wirbelsäule fügen sich Rippen an, sondern auch dem Hals- und Lendenteil, ja selbst am Aufbau des Kreuzbeins nehmen bei den Säugern Skelettstücke Anteil, die als Rippenrudimente aufgefaßt werden. Hals- und Lendenrippen sind kürzer als die Brustrippen und vielfach fest mit den Wirbeln verschmolzen. Für das unpaare, in der ventralen Körperwand gelegene Skelettstück, das Brustbein, eben als Brustbein (Sternum) erwähnt wurde, ist die Aufgabe, einer Anzahl Rippen zur Befestigung zu dienen, nicht die einzige; es kommt ihm noch eine zweite zu, nämlich die, eine Anlagerungsstätte für die Schultergürtel beider Seiten zu bilden. In dieser Verwendung findet es sich bereits bei den Amphi- bien, bei denen Beziehungen zu den — nur sehr kurzen oder ganz fehlenden — Rippen nicht bestehen. Ganz besonders besitzt bei den langschwänzigen Am- 432 Ernst Gaupp: Die Morphologie der \A'irb eitlere Gabelknochen (= verwachsene Schlüsselbeine) Schulter gelenk- pfamie r~ Carina Scapula phibien das durch eine breite Knorpelplatte dargestellte Brustbein eine wichtige Bedeutung zur Befestigung der beiderseitigen Schultergürtel (Fig. i8). Diese Funktion geht ihm aber auch bei den Reptilien — unter denen es nur den Schlangen und Schildkröten fehlt — nicht verloren und zeigt sich auch deutlich noch bei den Vögeln, wo das verknöcherte Brustbein, an dessen Seitenrand die Rippen angefügt sind, mit seinen Vorderrändern die beiderseitigen ,,Coracoide" der Schultergürtel in Rinnen aufnimmt (Fig. 17). Im übrigen ist gerade bei den Vögeln das Brustbein ein sehr wichtiger Knochen, da von ihm der große Brust- Coracoid muskel entspringt, dem beim Fliegen die Hauptar- beit zufällt. Umfürihngrö- ßere Ursprungsflächen zu schaffen, erhebt sich auf dem Brustbein ein hoher Kamm(C"arma), dessenAn- wesenheit die Flugvögel [Carinaten] von den Lauf- vögeln {Ratüen), die seiner entbehren, unterscheidet. Unter den Säugern erfüllt das Brustbein nur noch bei den Kloakentieren die Auf- gabe, dem Coracoid als Stütze zu dienen; bei allen anderen geht mit der Rück- bildung des Coracoids diese Aufgabe verloren, wofür aber ein anderer Knochen des Schultergürtels, das Schlüsselbein, sich das Brustbein als Anlagerungs- stätte wählt. In den Fällen, wo das Schlüsselbein fehlt, bleibt dem Brustbein nur die Aufgabe, einer Anzahl von Rippen zur Befestigung zu dienen. Episternum. Dcm Brustbciu auf seiner Ventralfläche aufgelagert ist, gewissermaßen zur Verstärkung, bei den Reptilien und den Kloakentieren unter den Säugern ein schon bei Stegocephalen vorhandener Deckknochen, der als Episternum bezeichnet wird. Auch an den Brustkorb knüpfen sich, wie an alle größeren Abschnitte des Skelettes, mancherlei morphologische Fragen, die die Zahl der in ihn eingehen- den Rippen, seine Form, die Form des Brustbeines, die Verbindungen der Rippen mit den Wirbeln und vieles andere betreffen. Auf sie einzugehen ist hier unmöglich. Becken — Brustbein (Sternum) Fis Brustkorb und Schultergürtel eines Falken, von rechts. Nach WiEDERSHEIM. Brustbein. Episternum. Panzer der Schildkröten. Kopfskelett. Aufgaben 43 ^ Dagegen seien hier kurz noch gestreift die ganz eigenartigen Verhältnisse Panzer der ,.,^,.,,, _^.._^. ,. -iiT-» 1 Schildkröten. bei den Schildkröten, Die Rippen umgürten hier nicht den Brustraum, sondern stellen nach der Seite gerichtete Fortsätze der Wirbel dar, die streckenweise stark verbreitert sind und so die Rippenplatten des Rückenschildes bilden. (Die Unbeweglichkeit der Rippen bedingt denn auch einen ganz eigenartigen Atemmechanismus bei den Schildkröten.) Am Aufbau des Rückenschildes nehmen dann noch die Dornfortsätze der Wirbel teil, die sich zu Wirbelplatten verbreitern. Eine Ergänzung erfahren diese vorn wie hinten durch Platten, die Hautverknöcherungen darstellen. Auch die Randplatten des Rückenschildes wie die Platten des ganzen Brustschildes haben den Charakter von Hautver- B A Suprascapula Procoracoid Prosternum C Pfanne f. d. Oberarm Suprascaimla Scapula doracoid - Sternum -N.. ^^' Pfanne f. d. Oberarm ^Coracoid / Stemum Fig. 18. Brustbein und Schultergürtel von Amphibien. A vom Landsalamander, B vom Frosch. Von der Bauch- seite gesehen. Die scapularen Abschnitte sind ventralwärts in die Fläche umgelegt, der rechte Scapularteil des Frosch- Schultergürtels ist fortgelassen. Nach Boas. knöcherungen. Auf die Frage nach der Stammesgeschichte des Schildkröten- panzers kann hier nicht eingegangen werden. b) Kopfskelett. Die Hartgebilde, die sich im Bereiche des Kopfes finden und als Kopf- skelett zusammengefaßt werden, erfüllen verschiedene Aufgaben. Sie dienen zum Schutze nervöser Organe, d. h. des Gehirnes und der Hauptsinnesorgane (des Gehör- und Gleichgewichts-, des Seh- und Geruchsorganes), sie umgürten ferner den Anfang des Nahrungskanales, die Mundhöhle, und treten hier in den Dienst verschiedener spezieller Aufgaben: sie bieten den Zähnen feste Wider- lager dar, vermitteln unter dem Einfluß einer oft reich entwickelten Muskulatur eine Öffnung und Schließung des Mundes, vielfach unter Ausbildung ganz be- sonders sinnreicher Mechanismen zum Ergreifen und Festhalten der Nahrung, sie dienen der Befestigung der Zunge und den Bewegungen dieses Organes und treten auch, ebenfalls in der Umgebung des Nahrungskanales, in den Dienst der Atmung, indem sie bei den kiemenatmenden Wirbeltieren die Kiemen- spalten stützen und ihre Öffnung und Schließung regulieren, ja selbst bei den lungenatmenden Amphibien noch dem Boden der als Saug- und Druckpumpe arbeitenden Mundhöhle Festigkeit verleihen. Schließlich aber finden Hart- gebilde am Kopfe noch manche spezielle Verwendung und Bedeutung, da der b) Kopfskelett, Aufgaben. K.d.G.III. IV, Bd2 Zellenlehre etc. II 28 434 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Rostrmn Ethmui- dal- region hhito- temporcd- region Kopf der vorderste und exponierteste Teil des Körpers ist. Als solcher hat er bei Wassertieren als Wasserbrecher voranzugehen und kann besondere, diesem Zwecke angepaßte Teile des Kopf Skelettes aufweisen; als solcher stellt er ferner für die Ausbildung von Waffen oder von in die Augen fallenden Schmuckteilen, wie von Hörnern, Geweihen, Höckern eine bevorzugte Örtlichkeit dar, Einteilung. Im Dieustc aller der genannten Aufgaben finden wir Hartgebilde am Kopfe, in mehr oder minder reicher und komplizierter Entwickelung. Sie gruppieren sich jenen Aufgaben entsprechend zu einem dorsal gelegenen neuralen Abschnitt, der die Umgebung des Gehirns und der Hauptsinnes- organe bildet, und einem ventral gelegenen visceralen (Eingeweide-) Abschnitt, der die festen Wandungen der Mund- und Kiemenhöhle zu bilden bestimmt ist. Von diesen letzteren Teilen nehmen die hinteren, die ursprünglich im Dienste der Kiemenatmung stehen, bei den Lungenatmern aber als Zungenbein wesent- lich den Bewegungen der Zunge dienen, eine ge- wisse Sonderstellung ein; da sie gewöhnlich nur lose mit dem übrigen Kopfskelett verbunden sind, können sie als gar nicht zu diesem gehörig erscheinen, und unter dem Begriff S ch ä d e 1 faßt daher der gewöhnhche Sprachgebrauch nur den neuralen Teil des Kopfskelettes mit dem vorde- ren, ihm enger angeschlossenen Abschnitt des visceralen Teiles zusammen, nicht aber auch das Kiemenskelett und das aus ihm hervor- gehende Zungenbein. GruadpUn. f^ ^^^--^ smde lu der Speziellen Ausgestaltung bietet wohl kein Abschnitt des ganzen Skelettes eine so große Mannigfaltigkeit dar, wie gerade das Kopf - skelett. Und doch liegt auch diesem ein gemeinsamer, sich immer wiederholender Plan zugrunde, der sofort klar zutage tritt, wenn man die verschiedenen Kopf- skelette in ihren embryonalen Zuständen betrachtet und untereinander vergleicht. Primordial- Dlc primordialen Bestandteile, als Primordialschädel oder Knorpel- schädei. Schädel zusammengefaßt, bilden bei den Rundmäulern wie bei den Knorpel- flossern zeitlebens allein das Kopfskelett; weder Ersatz- noch Deckknochen treten hier zu ihnen hinzu. Der Grundplan, dem sie in ihrer Anordnung folgen, wird somit bei jenen Formen am leichtesten erkannt. Von den beiden schon genannten Abschnitten bildet der neurale in ausgebildetem Zustande eine in sich zusammenhängende Knorpelkapsel, an der einzelne Regionen unter- schieden werden. Rundmäuler und Haie zeigen hier einen grundsätzlichen Unterschied, dem eine besondere Wichtigkeit für das Verständnis des Kopf- skelettes zukommt: am Knorpelschädel der Rundmäuler sind nur drei solcher byrintJi- 'cgion, Occipital- i'egion Wirhel- smde Fig. 19. Schädel von Heptanchus, von oben. Kopfskelett, Einteilung, Grundplan. Primordialschädel 435 Regionen unterscheidbar, die von vorn nach hinten als Nasen-, Augen- und Ohrregion bezeichnet werden, und hinter der letzten folgen bereits die vorder- sten Wirbelbogen; bei den Selachiern schließt sich aber an die Ohrregion noch eine vierte hinterste Region an, die Hinterhaupt-(Occipital-)region, die nach ihrer Entwickelungsgeschichte und nach dem Verhalten der in ihrem Bereich austretenden Nerven aus der Verschmelzung einer größeren Anzahl von Wir- beln oder, allgemeiner gesprochen, von spinalen Skelettelementen entstanden zu denken ist. Fürbringer hat die drei vordersten Regionen des neuralen Schädels als Palaeocranium (Urschädel) zusammengefaßt und ihm die Hinter- hauptregion als Neocranium (Neuschädel) gegenübergestellt. Beide Abschnitte Orbiio- temporalregioti Labyrinth- Occipital- Wirhei- region region sünle Jiostrum- Xasenkapsel [Ethmoidulregiov) Palato- quadratum Primäres Kiefer- gelenk Primordialer Unterkiefer Fig. 20. Neuralschädel und Kieferbogen von Heptanchus, von der Seite. sind nach dem jetzigen Stande der Kenntnisse als grundsätzlich verschieden zu betrachten: für den Urschädel läßt sich bisher nicht nachweisen, daß er ein- mal eine Gliederung ähnlich der der Wirbelsäule besaß, und es ist viel wahr- scheinlicher, daß er von vornherein als zusammenhängende Knorpelkapsel ent- stand; dagegen darf der Neuschädel (Wirbelschädel) mit gutem Rechte als eine spätere Zutat zu jenem aufgefaßt werden, als der vorderste Teil der Wirbelsäule, dessen einzelne Skelettelemente untereinander verschmolzen und sich nun als letzter Abschnitt dem Schädel anschlössen. Das Verhalten bei den Rundmäulern redet dieser Auffassung das Wort, insofern als hier ein Zustand des Schädels dau- ernd ist, der nur dem ,, Palaeocranium" entspricht. Es geht schon hieraus hervor, daß der Begriff ,, Schädel" keine konstante Größe bezeichnet, und ein Ver- gleich der verschiedenen übrigen Knorpelschädel führt weiter zu der Erkennt- nis, daß auch bei den Kiefermäulern noch Verschiedenheiten in der Ausdehnung des Schädels bestehen, indem bei den einzelnen offenbar die Zahl der Wirbel- säulen-Elemente, die in den Aufbau der Hinterhauptregion eingehen, ver- schieden ist. So darf als gut begründet angesehen werden, daß der Schädel der Reptilien, Vögel und Säuger um drei Wirbel länger ist als der der Amphibien, 28* 436 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere daß also der erste Wirbel der drei erstgenannten Klassen dem vierten der Am- phibien entspricht. Das spricht sich freilich nicht so ohne weiteres etwa in einer tatsächlich verschiedenen ,, Länge" der Hinterhauptgegend aus, sondern kann nur aus der Entwickelungsgeschichte, aus dem Verhalten der Muskelsegmente, Nerven und Skelettanlagen erschlossen werden. Die soeben kurz erörterte Erkenntnis ist der letzte Rest, der von der einst- mals so berühmten Goethe -Okenschen ,, Wirbeltheorie des Schädels'* übriggeblieben ist. Diese Theorie irrte, indem sie annahm, daß der ganze Schädel ein Komplex von mehreren Wirbeln sei (am häufigsten wurden vier solcher ,, Schädelwirbel" angenommen); sie irrte ferner darin, daß sie diese Schädelwirbel künstlich zusammensetzte, d. h. gewisse Ersatzknochen und Deckknochen willkürlich als zusammengehörig zu Schädelwirbeln vereinigte, wozu sie durch den weiteren Mißgriff verleitet wurde, daß sie die höchste Ausbildungsform des Schädels, nämlich den Säugetierschädel, zum Ausgang der Betrachtung nahm, aber es bleibt ihr das Verdienst, mit der Aufstellung des Gedankens von dem einheitlichen Aufbau des gesamten Achsenskelettes ungemein anregend auf die Forschung gewirkt und eine Anzahl Arbeiten über den Schädel (ich nenne hier nur Gegenbaurs Werk über den Selachier- schädel) hervorgerufen zu haben, die für das Verständnis dieses Skeletteiles grundlegend geworden sind. Und wenigstens für einen Teil des Schädels, die Hinterhauptgegend, hat sich jener Gedanke, wie gezeigt wurde, auch als richtig herausgestellt, wenn auch in anderer Weise, als die Begründer der Wirbeltheorie gemeint hatten. Kehren wir hiernach zu dem Knorpelschädel zurück und betrachten, indem wir den der Rundmäuler als vielfach ganz einseitig ausgebildet beiseite lassen, den der Selachier noch etwas genauer. Der schematische Grundriß Fig. 21 zeigt, daß der Knorpelschädel einen mittleren Raum umschließt, der sich nach vorn abernurbis zu der Nasengegend erstreckt: die ,, Schädelhöhle" imengeren Sinne, die das Gehirn enthält. Dazu kommen einige Nebenräume. In der Ohr- (Labyrinth-)Gegend zeigt der Schädel eine beträchtliche Verbreiterung, weil er hier jederseits eine Ohrkapsel für die Bergung des häutigen Labyrinthes, d. i. des Gleichgewichts- und Gehörorganes, bildet. Davor findet sich, in der Augen- Schläfengegend (Orbitotemporalregion), seitlich neben der Schädelwand eine Nische, die für die Aufnahme des Auges und von Kiefermuskeln bestimmt ist. Vorn erhält sie ihren Abschluß durch die seitliche Verbreiterung der vordersten Schädelgegend, der Nasen- oder Ethmoidalgegend, die zwei durch eine mittlere Scheidewand getrennte Räume zur Aufnahme der Geruchsäcke enthält und daher auch als Nasenkapsel bezeichnet wird. Die Zugänge zu diesen Räumen liegen bei den Haien jederseits an der Unterseite der Kapsel. Ein verschieden gestalteter ,, Schnabel" {Rostrum) springt von der Vorderfiäche der Nasenkapsel nach vorn als Wasserbrecher vor. Die Schädelhöhle ist unten, oben, seitlich und vorn knorpelig begrenzt; Öffnungen in den Wandungen leiten die Gehirn- nerven aus ihr heraus. Sie sind in die schematische Figur 21 eingetragen. Die oben besprochene Tatsache, daß die Hinterhauptregion auf verschmolzene Primordialschädel 437 Caps, nasalis N. olfact. N. opt. N. oculomot. For. carot. For. prooticum Wirbel zurückzuführen ist, spricht sich darin aus, daß die Schädelbasis dieser Gegend embryonal von der Chorda dorsalis durchsetzt wird; diese geht jedoch noch weiter nach vorn und findet ihr vorderstes Ende erst an der Grenze der Ohr- und Augen-Schläfengegend, an einer Stelle des Bodens, die als quere Leiste (Sattellehne) vorspringen kann, und vor der ein sehr merkwürdiger Hirn- abschnitt, der später zu besprechende Hirnanhang (die Hypophyse) liegt. Im Gegensatz zu dem neuralen Teil des Schädels, der keine Gliederung auf- weist, besteht der unter ihm gelegene viscerale (Einge- weide-) Abschnitt aus einer Anzahl bogenförmiger Spangen, die den Anfangsteil des Darmrohres um- gürten (Fig. 22). Auf einige weniger bedeutende, als Lippenknorpel in die Ober- und Unterlippe einge- lagerte Stücke fol- gen die eigentlichen Schlundbogen, von denen der erste, kräftigste, als Kieferbogen den Mundeingang umgürtet und so- Fig. 21 wohl auf seinem oberen Stück, dem sog. Palatoquadratum, wie auf seinem unteren Stück, dem primordialen Unterkiefer, Zähne trägt. Beide Stücke sind untereinander in dem primordialen Kiefergelenk beweglich verbunden, im übrigen ist bei den Haien auch der obere Abschnitt nur beweglich dem neuralen Schädel angeschlossen. Auch der zweite oder Zungenbeinbogen besteht aus zwei Stücken, von denen das obere, als Hyomandibula bezeichnet, bei den meisten Haien zugleich zum Tragen des Kieferapparates dient; nur bei den Grau- haien hat es diese Aufgabe nicht, da hier das Palatoquadratum sich selbst mit einem kräftigen Fortsatz an die Ohrkapsel anlegt (Fig. 20). Die folgenden Bogen, meist fünf an der Zahl, sind als Kiemenbogen zwischen den Kiemen- spalten gelagert; ein jeder von ihnen gewöhnlich in vier Stücke geghedert, deren Beweglichkeit eine Erweiterung und Verengerung der Kiemenspalten er- möglicht. Ihren Mittelstücken sitzen außen dünne Knorpelstäbchen (,, Radien") Comm. prae- facialis Caps, otica N. trigem N. abduc. N. facial. - N. acust. N. glossoph. JSF. access.- vagus. N. spinooccipücdes Pila occipit. For. jugulare Chordadors. Planum basale Sclaematisclier Grundriß eines plattbasischen Primordialcraniums, rechterseits mit den austretenden Gehimnerven. Nach E. Gaupp. 438 Ernst GaupP: Die Morphologie der Wirbeltiere an, die die Scheidewände zwischen den Kiemenspalten stützen, und in den äußeren Rändern dieser Scheidewände sind vielfach noch besondere Knorpel- stückchen als ,,Extrabranchialia" eingelagert. Die untersten Teilstücke der Kiemenbogen nebst dem des Zungenbeinbogens (dem Ventrohyale) werden schließlich in der ventralen Mittellinie, also am Boden der Schlundhöhle, durch eine Reihe hintereinander gelegener unpaarer Schlußstücke {,,Copulae") ver- einigt, deren vorderstes der Zunge zur Stütze dient. Der Knorpelschädel, der hier in seinem allgemeinen Aufbau geschildert wurde, bildet bei den Knorpelflossern zeitlebens allein das Kopfskelett; er wird auch bei allen über denselben stehenden Wirbeltieren, wenn auch mit manchen Orbito- Labyrinth- Oceipital- s-, j , 7 . '^ . -^ mandibula temporalregion rr~ region region ^j^.^^^^.^^.^j^ Kiemenbogen Nasenkapsel Kiemen strahlen (JRadien Pa la toqua dratum Li'ppenknorpcl Primordialer Unterkiefer Ventruhijale Extrabranchialia Fig. 22. Kopfskelett eines Haifisches, von links. Nach W. K. Parker, aus Wiedersheim. Formbesonderheiten, doch nach dem gleichen Grundplan, immer wieder als Grundlage des Schädels embryonal angelegt, bleibt aber hier nicht allein, son- schädeiknochen. dem erfährt eine Ergänzung durch das Hinzutreten von knöcherne nElementen. Ontogenetisch und phylogenetisch die frühesten sind Deckknochen, die teils an seinem dorsalen und lateralen Umfang, teils in den Wandungen der Mund- höhle ihre Entstehung nehmen und sich dem Knorpelschädel zunächst nur lose auflagern; zu ihnen gesellen sich bald, schon bei den höheren Fischen, Ersatz- knochen, die nur bei ihrer ersten Entstehung in der Knorpelhaut dem Knorpel aufhegen, dann aber, während letzterer selbst zugrunde geht, an seine Stelle treten. Von den Deckknochen wird eine erste Gruppe, die auf der Oberfläche und an den Seiten des Knorpelschädels auftritt, zum Teil wenigstens auf Ver- knöcherungen der Haut zurückgeführt, die allmählich in größere Tiefe rückten und zu dauernden Bestandteilen des Schädels wurden. Bei den Knorpel- ganoiden zeigen sie sich noch in einem mehr indifferenten Verhalten, mit manchen Varianten in bezug auf Zahl und Form, doch schon bei den Knochen- fischen erscheinen gewisse Stücke in bestimmtem Verhalten, das sich dann weiterhin dauernd erhält. Am Dach des Schädels sind ziemlich konstant drei Ueckknochen. Primordialschädel. Schädelknocheii. Deckknochen 439 Nasenkapsel Nasale - Maxilla Knorplige Seitemvand- spangen der Orbitotem- poralregion Paare von Knochen, die, von hinten nach vorn, als Scheitel-, Stirn- und Nasen- beine bezeichnet werden; von ihnen liegen die Scheitel- und Stirnbeine [Parie- talia und Frontalia) im Gebiet der drei hinteren Schädelregionen und über- nehmen, wenn unter ihnen die knorpelige Schädeldecke nicht mehr zur Aus- bildung kommt, Fraemaxillare was meist der Fall ist, die Herstel- lung eines knö- chernen Daches der Schädel- höhle, während die Nasenbeine {Nasalia) sich dem Dach der Nasenkapsel auf- lagern. Weniger konstant sind einige Knochen, diejederseitsseit- lich von den ge- nannten liegen: das Supratempo- rale (seitlich vom Fora Scheitelbein auf der Ohrkapsel) ; das hintere Stirn- bein {Postfron- tale), das sich hin- ter dem Auge, ohne erkennbare ^, Ohr- Beziehung zum kapsei Knorpelschädel, dem Stirnbein anschließt; das vordereStirnbein {Praefrontale), vor dem Auge an der Nasenkapsel; und an der letzteren noch das Septo- maxillare und Adlacrimale, Ohne Beziehung zum Knorpelschädel findet sich weiterhin häufig ein Jochbein {Zygomaticum), als Verbindungsbrücke zwischen ■dem Oberkiefer und den Knochen der Schläfengegend {Supratemporale, Squa- mosum, Quadratojugale). Von den letzteren wurde das Supratemporale schon als Deckknochen der Ohrkapsel erwähnt; die beiden anderen, das Squamosum und das Quadratojugale, sind Deckknochen an der Außenseite des Palatoqua- dratums, doch kann das Squamosum von hier aus aufwärts an den neuralen men opti- cum Praefrontale Frontale Adlacrimale Palatinum Zygomaticum Transversum Post frontale mediale Parietale Postfrontale laterale -Squamosum Supra- temporale Condylus occipital. Chorda dorsal. Fig. 23. Scliädel eines 47 mm langen Embryo von Lacerta agilis, nach Entfernung der Deckknochen der linken Seite. Nach einem Wacbsniodell. Ansicht von der Oberseite. 440 Ernst GaupP: Die Morphologie der Wirbeltiere Schädel rücken. Auch in der Umgebung des hinteren Abschnittes des primor- dialen Unterkiefers können Deckknochen dieser ersten Gruppe auftreten {Angu- lare, Supraangulare, Complementare, Goniale). Dagegen kommen an den Stücken des Zungenbein-Kiemenbogenskelettes hierher gehörige Deckknochen nur aus- nahmsweise zur Ausbildung, so bei den Knochenfischen, wo sich an die Stücke des Zungenbeinbogens ein aus Deckknochen bestehender Kiemendeckelapparat anschließt. Inkonstanter Natur und nur auf bestimmte Wirbeltiergruppen beschränkt sind oberflächHch gelagerte Deckknochenringe um die Augen (bei manchen Knochenfischen und Echsen), oberfiächhche Hautverknöcherungen der Schläfengegend (bei manchen Echsen) u. a. Eine andere, gut abgrenzbare Gruppe von Deckknochen wird seit O. Hertwig (1874) als Zahnknochen aufgefaßt, d. h. als Knochen, die ur- sprünglich aus einer Verwachsung von Zähnen entstanden sind. Die hierher gehörigen Elemente sind bei niederen Wirbeltieren in oder unter der Mund- schleimhaut gelegen und können alle — bei dieser oder jener Form — Zähne tragen, lassen auch vielfach noch — bei Fischen und langschwänzigen Amphi- bien — entwickelungsgeschichthch die Entstehung aus einer Verschmelzung von Zahnsockeln erkennen. Oft genug aber zeigen sie eine Emanzipation von den Zähnen: sie entstehen selbständig und verbinden sich erst sekundär mit den ebenfalls selbständig entstandenen Zähnen, ja schließhch können nur die Knochenstücke allein noch zur Entwickelung kommen, die Zähne auf ihnen aber unterdrückt werden. Da bei den Haien kleine Zähnchen in der ganzen Mundhöhle verbreitet sind, so können auch bis tief in dieselbe hinein zahn- tragende Knochenstücke entstehen; verständlich ist es aber auch, daß dies ganz besonders da der Fall ist, wo knorpelige Skeletteile, die die Mundhöhle be- grenzen, für solche Zahnknochen ein festes Widerlager bildeten. Als breiteste Anlagerungsstätte bot sich da zunächst am Mundhöhlendach die Schädelbasis dar, an der denn auch ein ausgedehnter, auf Zahnverwachsung zurückzuführen- der Knochen zur Entstehung kommt: das Parasphenoid (Nebenkeilbein). Aus der Verwachsung der großen Kieferzähne, die bei den Haien dem Palatoqua- dratum aufsitzen, gehen mindestens zwei zahntragende Knochenplatten hervor: eine hintere, das Pterygoid (Flügelbein) und eine vordere, das Palatinum (Gaumenbein). Vielleicht entstand auch das Pflugscharbein (der Vomer) als drittes, vorderstes Stück erstmalig auf dem Palatoquadratum, doch bot ihm vielleicht der Boden der Nasenkapsel, an dem es sich tatsächlich gewöhnhch findet, auch schon die erste Anlagerungsstätte dar. Jedenfalls kam also hier am Dach der Mundhöhle jederseits ein aus Vomer, Palatinum, Pterygoid zu- sammengesetzter Bogen zahntragender Knochen zustande, der nun aber, und das ist wichtig genug, niemals mehr da hegt, wo man ihn erwarten sollte, d. h. am Eingang zur Mundhöhle, sondern stets mehr in der Tiefe derselben. Es bildet sich nämhch vor ihm ein zweiter, vorderer oder äußerer Zahnbogen, be- stehend aus zwei hintereinander gelegenen Zahnknochen, einem vorderen Zwischenkiefer {Praemaxillare) und einem hinteren Oberkiefer {Maxüla). Vielleicht bot diesen der obere Lippenknorpel, wie ein solcher bei Haien besteht,. Deckknochen. Ersatzknochen 441 bei den übrigen Fischen aber nebst dem unteren Lippenknorpel bald ver- schwindet, die erste Anlagerungsstätte dar, vielleicht aber entstanden sie auch von vornherein an der Nasenkapsel, der sie sich tatsächlich bei den meisten Wirbeltieren anlegen und an der sie besonderen Halt gewinnen, indem sich ihren zahntragenden Abschnitten aufsteigende, wohl dem Integument ent- stammende Teile anschließen und sich auf die Außenfläche der Nasenkapsel her- aufschieben. So erkennen wir, daß der ausZwischen- und Oberkiefer gebildete obere Begrenzungsrand der Mundhöhle, wie er bei den meisten Wirbel- tieren besteht, nicht dem Mund- rand der Selachier entspricht, der von dem Palato- quadratum herge- stellt wird, son- dern vor diesem liegt: der Mund- eingang ist bei den frontale über den Selachi- ^«^^''«^^ ern stehendenFor- men sozusagen nach vorn ver- schoben worden. Entsprechend den Verhältnissen am Dach der Mund- höhle kommen Praemaxillare Vomer-- Nasenkapsel Pala- tinutn Trans- versum Zygo- viaticuni Parie- tale Ptery- goid Post Colu- mella auris Foramen opticum Knorpelige Seiten- luandspangen der Orbitotemporal- region Processus bnsi- jjterygoideus f- Quadratuiii Ohrkapsel oder Columella Parasphenoid Condylus occipitalis Fig. 24. Derselbe Schädel wie Fig. 23, Ansicht von der Unterseite. auch am primordialen Unterkiefer zwei Bogen zahntragender Knochen zur Aus- bildung, ein äußerer, hergestellt durch das Dentale, und ein innerer, durch das Spleniale gebildeter. Endlich aber können auch auf den verschiedensten Teilen des Zungenbein- und Kiemenbogenskelettes zahntragende Knochen ent- stehen, so daß bei manchen Knochenfischen die ganze Mundhöhle von zahn- tragenden Knochenplatten umgeben ist, von Zähnen geradezu starrt. Die zweite große Gruppe von Knochen, die bei den über den Selachiern stehenden Wirbeltieren am Schädel auftreten, sind die Ersatzknochen, deren Ersatzknochen Wesen darin besteht, daß sie sich nicht auf eine bloße Bedeckung des Knorpel- schädels beschränken, sondern einzelne Bezirke desselben ersetzen, nachdem AA2 Ernst GaupP: Die Morphologie der Wirbeltiere hier der Knorpel selbst zugrunde gegangen. So wird der neurale Schädel, der auf dem Knorpelstadium eine ungeghederte einheitliche Kapsel darstellt, in einzelne knöcherne Territorien zerlegt, aber diese Gliederung ist, wie nun er- sichtlich, ein sekundärer Vorgang, und damit verbietet sich jeder Vergleich der so entstehenden einzelnen Stücke etwa mit ,, Wirbeln" oder mit Teilen von solchen, wie ihn die alte ,, Wirbeltheorie" durchführen wollte. Doch läßt sich eine Gruppierung der Ersatzknochen des neuralen Schädels vornehmen nach den Gegenden, in denen sie auftreten, und es lassen sich demnach unterscheiden: Occipitalia (Hinterhauptbeine), die die Occipitalgegend okkupieren und meist in der Vierzahl, als je ein oberes und unteres und zwei seitliche, vorhanden sind; Otica (Ohrknochen), die die Ohrkapsel jeder Seite in knöcherne Stücke zerlegen, an Zahl nicht konstant sind und häufig untereinander zu einem ein- heithchen Felsenbein (Petrosum) verschmelzen; Sphenoidalia (Keilbeine), die Verknöcherungsgebiete der Augen -Schläfengegend, als basale und late- rale unterscheidbar; endlich Ethmoidalia (Siebbeine), die Ersatzknochen der Nasenkapsel, die ebenfalls in der Mehrzahl auftreten können. Im Gebiet des Kieferbogens verknöchern, oft schon bei den Fischen und Amphibien, und ganz regelmäßig bei den Amnioten, die Gelenkteile des Palatoquadratums und des primordialen Unterkiefers, jener als Quadratbein [Quadraturn), dieser als Gelenkbein [Articulare)^ und endlich kann der Verknöcherungsprozeß auch die Teile des Zungenbein-Kiemenbogenskelettes in größter Ausdehnung ergreifen. Der Ersatz des Knorpelschädels durch Ersatzknochen geht bei den ein- zelnen Wirbeltieren verschieden weit, und dementsprechend werden verschie- den große Bezirke des ersteren auch unverändert in den erwachsenen Schädel übernommen. Der Schädel der Störe und anderer Ganoiden, vieler Knochen- fische und Amphibien besteht auch im erwachsenen Zustand noch zu einem sehr großen Teil aus Knorpel und auch an der Zusammensetzung des Schädels mancher Reptilien nimmt Knorpel noch einen großen Anteil, ja selbst bei Vögeln und Säugern, wo der Ersatz des Knorpelschädels durch knöcherne Territorien am vollständigsten ist, bleibt die Nasenkapsel wenigstens zum Teil knorpelig. Beim Menschen sind die Knorpel der äußeren Nase Reste des Knorpelschädels. Einen Schädel, der nur aus Knochen bestände, ohne knorpelige Teile, dürfte es wohl überhaupt nicht geben. Aber allerdings tritt die Bedeutung derselben im großen und ganzen immer mehr zurück, je höher wir in der WirJ^eltierreihe aufsteigen, und zwar ist das nicht nur dahin zu verstehen, daß immer ausge- dehntere Teile des embryonalen Knorpelschädels durch Knochen verdrängt werden, sondern auch dahin, daß derselbe von vornherein nicht mehr in der Vollständigkeit angelegt wird, wie bei den Selachiern. Namenthch die Decke und die Seitenwände werden lückenhaft und schwinden oft ganz, und es sind vor allem die basalen Teile, die noch zur Anlage gelangen, während an den Seiten und an der Decke Deckknochen den Abschluß der Schädelhöhle über- nehmen. So besonders bei den Säugern einschheßUch des Menschen. In dieser allmählichen Reduktion des Knorpelschädels prägt sich die größere Wertigkeit der knöchernen Skeletteile gegenüber den knorpeligen aus; sie schließt übrigens Ersatzknochen. Bestandteile d. ausgebild. Schädels. Besonderheiten d. neuralen Schädels 413 nicht aus, daß nicht auch gelegentlich bei einer höheren Form wieder eine Ver- mehrung der knorpeligen Teile erfolgt. Unverknöchert bleibende Teile des Knorpelschädels, Ersatzknochen und Die Bestandteile Deckknochen sind die Bestandteile, die den Schädel aller über den Selachiern fe^n'^schädeisr stehenden Wirbeltiere zusammensetzen. Die vergleichende Betrachtung: hat ^e'-wachsungen, ° ° Homologien. sie alle gesondert zu betrachten an der Hand der Entwickelungsgeschichte. FunkHons- Diese hat die Zugehörigkeit der verschiedenen Knochenstücke zu einer der beiden Hauptkategorien festzustellen, wie auch etwaige Verwachsungen ver- schiedener Elemente nachzuweisen. Denn solche sind häufig genug, und am erwachsenen menschlichen Schädel z. B. gibt es mehrere ,, Knochen", die tat- sächhch Knochen-Komplexe darstellen, Verwachsungsprodukte aus ver- schiedenen und auch verschiedenwertigen Teilstücken, wie denn das Schläfen- bein des Menschen aus einer ganzen Anzahl von Bestandteilen zusammengesetzt ist: aus den Ersatzknochen der Ohrkapsel und ihrer Umgebung, dem ver- knöcherten oberen Ende des Zungenbeinbogens und zwei Deckknochen, dem Schuppenbein und dem Paukenbein, welch letzteres wahrscheinlich auf einen früheren Unterkiefer-Deckknochen zurückzuführen ist. Diese letztere Angabe er- öffnet zugleich einen Blick auf ein großes und schwieriges Gebiet der vergleichen- den Schädelforschung: die Feststellung der bei den einzelnen Formen einander entsprechenden (homologen) Knochenstücke, eine Aufgabe, die erschwert wird durch die Tatsache, daß auch die Kopfknochen einen Wechsel ihrer speziellen Verwendung erleiden können. Die Feststellung der Homologien ist die Vor- bedingung für eine vergleichende Betrachtung der Veränderungen, die der Ge- samtschädel in Anpassung an die ihm obliegenden Aufgaben, in Abhängigkeit von den Organen, in deren Dienst er steht, durchmacht. Wie beträchtlich die- selben sind, lehrt das ganz verschiedene Aussehen, das die einzelnen Schädel, etwa der eines Knochenfisches, eines Frosches, Vogels und Säugers, darbieten. Die Entwickelungsgeschichte analysiert diese Verschiedenheiten und macht sie verständlich, indem sie sie zurückführt auf die Veränderungen der einzelnen Teile. Es zeigt sich dabei, daß die Verschiedenheiten des Gesamtschädels in viel höherem Maße auf Rechnung des Eingeweideteiles des Schädels kommen, als auf solche des neuralen Abschnittes. Von jenem befreit, erscheint der letztere sofort viel verständlicher und läßt den oben geschilderten Grundplan leicht erkennen, ganz besonders wenn man ihn betrachtet, solange er sich noch auf der Höhe des Knorpelstadiums befindet, und Ersatzknochen noch nicht an ihm aufgetreten sind. Von den Hauptunterschieden, die an dem neuralen Schädel festzustellen Besonderheiten sind, wurden zwei, die Hinterhauptregion betreffende, schon genannt: die Ver- '^^s^hädek^" schiedenheit dieser Region hinsichtlich der Zahl der Wirbel, die in ihren Auf- bau eingehen, sowie die verschiedene Art der Gelenkung mit der Wirbelsäule (S. 428). Ein weiterer, scheinbar unbedeutender, tatsächlich aber sehr bedeu- tungsvoller betrifft die Ohrkapseln: bei allen landlebenden Wirbeltieren, von den Amphibien an, sind dieselben nicht mehr wie bei den Fischen nach außen völlig geschlossen, sondern besitzen eine kleine Öffnung, das Vorhofsfenster, 444 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere das durch das innere Ende eines kleinen Stäbchens, der Ohrcolumella, ver- schlossen wird und so die Übertragung von Schallwellen durch jenes Stäbchen auf das in der Ohrkapsel eingeschlossene Gehörlabyrinth gestattet. Auffallender ist ein Unterschied, den die Augengegend zeigen kann: anstatt des in Fig. 21 dargestellten Verhaltens trifft man sehr häufig ein anderes, dadurch ausge- zeichnet, daß durch die großen und tief gelagerten Augen die Schädelhöhle zwischen ihnen auf einen engen oben vom Stirnbein geschlossenen Kanal redu- ziert und auf den oberen Rand einer mittleren unpaaren Scheidewand (des Septum interorbitale) verlagert wird. Schon unter den Fischen ist das nicht selten, es ist ferner eine Eigenheit aller Reptilien und Vögel, und auch beim Knorpelige Seitenicandspangen der Orbitotemporairegion Vorderer rinnenförmiger Teil der.- Schüdelhöhle {für die Riechlappev NasenJcapsel -J' ,.■ . Squamosum -Quadratum _ Quadratojugult Fis Dentale 27. Schädel vom Alligator. Angulare Nach SCHIMKKWITSCH. Supraavgulare aus der Zusammensetzung des Kieferapparates ausgeschaltet und einer neuen Bestimmung dienstbar gemacht wird: der Zuleitung der Schallwellen zu dem Gehörorgan. Aus dem Quadratum, das bis herauf zu den Vögeln den Unter- kiefer trägt, geht bei den Säugern ein Gehörknöchelchen, der Amboß, hervor; ein zweites Gehörknöchelchen, der Hammer, wird gebildet aus dem früheren Gelenkbein des Unterkiefers (dem Articulare) nebst einem der früheren Deck- knochen des Unterkiefers (dem Goniale), und aus einem weiteren der alten Unterkiefer-Deckknochen, dem Winkelbein oder Angulare, geht bei den Säu- gern das Paukenbein (Tympanicum) hervor, das Ring- oder Röhrenform an- nimmt und einen Rahmen bildet, in dem sich das Trommelfell ausspannt. In das letztere fügt sich der Hammer ein, der die Schwingungen des Trommelfelles dem Amboß übergibt, von dem sie schließlich auf ein drittes Gehörknöchelchen, den Steigbügel, übertragen werden. Dieser, der wahrscheinlich aus dem früheren Kieferstiel (der Hyomandibula) hervorgeht, und als innerer Abschnitt des Gehörknöchelchens schon bei Reptilien vorhanden ist, verschließt mit seiner Fußplatte das Vorhofsfenster der Ohrkapsel und vermag so die Schwingungen des Trommelfells schließlich dem häutigen Labyrinth mitzuteilen, das in der Ohrkapsel eingeschlossen ist. So haben wir hier in der Geschichte der Gehör- knöchelchen der Säuger einen höchst merkwürdigen Fall von Funktions- Besonderheiten des Eingeweideteiles des Schädels. Schläfengegend, Gaumenbildung aaj Wechsel, vielleicht den merkwürdigsten aus dem ganzen Bereiche der Wirbel- tier-Morphologie: Skeletteile, die früher wichtige Glieder des Kieferapparates bildeten, sind bei den Säugern diesem entfremdet und in ganz neue Verwendung übergeführt worden. Der Unterkiefer der Säuger entspricht somit nicht mehr dem ganzen Unterkiefer der Nichtsäuger, sondern nur der vorderen, zahn- tragenden Hälfte Quadratbein Steighügel Arti- Complementare culare Dentale ^".^"'"'"^ Supi-aangularo Goniale (vorderer Hammer fortsatz) ' Hammer Mcckelscher Knorpel- Fjxtracolumclla (= äußerer Ab- schnitt des Gehör- Stäbchens) —^.Cornu hyale des Zungenbeins Amboß . Steigbügel desselben, ja wohl nur dem äußeren Knochen dersel- ben, dem Den- tale, und dieses ist nun genötigt, seinerseits eine Verbindung mit dem neuralen Schädel zu ge- winnen, ein neues Kiefergelenk zu bilden, nachdem das alte zum Hammer- Amboß- gelenk geworden ist. Das Dentale entwickelt zu die- sem Zweck ei- nen aufsteigen- den Fortsatz, der sich an die Un- terfiäche des Schuppenbeins anlegt und mit dieser ein Gelenk bildet. Dieses ,, sekundäre" Kiefergelenk der Säuger, das nichts mit dem ,, primären" Kiefergelenk der Nichtsäuger zu tun hat, sondern vor diesem neu entstanden ist, bildet vielleicht das wichtigste morphologische Merkmal, das die Säuger charakterisiert. Im Anschluß an das verschiedene Verhalten des Kieferapparates sind aus schiäfengegenJ. der an Einzelproblemen überreichen Morphologie des Schädels endhch noch Gaumeabiidunj;. zwei Fragen kurz zu streifen: das Verhalten der Deckknochen der Schläfen- gegend und die Gaumenbildung. Auf Grund des ersteren lassen sich bei den Tetrapoden dreierlei verschiedene Zustände unterscheiden. In dem ersteren sind die Deckknochen breite Platten, die so aneinanderschließen, daß sie über Dentak, allein den Unterkiefer bildend. Cornu hyale des Zungen- beins Fig. 28. Schematische Darstellung des Verhaltens des Kiefer- und sclialleitenden Apparates, A bei Saurierembryonen, ß bei Säugererabryonen. Primordiale Teile des Kieferbogens weiß, Deckknochen des Meckelschen Knorpels punktiert, Steigbügel quer schraffiert, Ventrohyale (ventraler Teil der Skelettspange des Zungenbeinbogens) schräg schraffiert. Von dem Ventrohyale gliedert sich bei Saiiropsiden der obere Abschnitt als ExtracolumeUa ab ; bei den Säugern verbindet sich das obere Ende des Ventrohyale mit der Ohrkapsel. Nach E. Gaupp. 448 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere der Schläfengegend eine zusammenhängende Knochendecke bilden; in dem zweiten stellen sie dünnere Spangen dar und bilden einen oder zwei Joch- oder Schläfenbogen, die die Schläfengegend überbrücken; in dem dritten erscheint die Schläfengegend überhaupt von Deckknochen entblößt, da die letzteren teils geschwunden, teils an anderer Stelle verlagert sind. Der erste Zustand ist namentlich bei den ausgestorbenen Stegocephalen und bei vielen ausgestorbenen Reptiliengruppen festzustellen und hat wohl den Ausgang für die Entstehung der beiden anderen abgegeben, womit nicht gesagt sein soll, daß nicht in manchen Fällen auch eine Wiederverbreiterung von Tränen- Joch- Stirn- Oberhiefer bein bein bein Scheitelbein Zwischen kiefer Schuppen bein Paukenbein Äußere Ohröffnung Unterkiefer Fig. 2g. Schädel vom Fuchs, von der Seite. Nach ScfflMKEWITSCH. Schläfenbogen stattgefunden und sekundär wieder zur Bildung eines zu- sammenhängenden Schläfendaches geführt habe. Gerade diese Verhältnisse sind neuerdings viel behandelt, aber wohl auch in ihrer Bedeutung, nament- lich in systematischer und allgemein stammesgeschichtlicher Hinsicht manch- mal überschätzt worden. Größere Wichtigkeit kommt der zweiten oben genannten Frage, der Gaumenbildung, zu. Dieser Vorgang knüpft an an das Eintreten der Nasen- höhle in den Dienst der Atmung bei den luftatmenden Wirbeltieren und be- deutet die Schaffung eines neuen Mundhöhlendaches, durch das ein Raum der Mundhöhle von dieser abgetrennt und zur Vergrößerung der Nasenhöhle ver- wendet wird. Genauer ist darauf in dem Abschnitt über die Mundhöhle ein- gegangen. An der Bildung jenes Daches nehmen Knochen der Mundhöhle teil, vor allem der Oberkiefer und das Gaumenbein, indem dieselben horizontale Gaumenplatten nach innen entsenden, die sich mit denen der anderen Seite in der Mittellinie vereinigen. So ist es die Regel bei den Säugern; bei den Kroko- dilen beteiligt sich in gleicher Weise auch das Flügelbein an der Bildung des Gaumens, der dadurch eine ganz besonders große Ausdehnung in der Richtung nach hinten hin erlangt. Unter den übrigen Reptilien finden sich verschiedene Schläfengegend. Gaumenbildung. Zungenbein- u. KiemenbogenSkelett 449 . Zwischenkiefer -- Oberkiefer -..Gaumenhein -Jochbein Ansätze zur Bildung eines sekundären Gaumens, bei den Amphibien sind die- selben in noch primitiverem Verhalten zu beobachten oder fehlen ganz. Es bleibt uns zum Schluß noch übrig, einen Blick auf die Veränderungen Zungenbein- und zu werfen, die das Zungenbein- und Kiemenbogen- Skelett in der Wirbel- '^skeie«^^"' tierreihe durchmacht. Es sind das einerseits Reduktionen, andererseits An- passungen an neue Verwendungen. Bei den Fischen bewahrt jenes Skelett im allgemeinen das gleiche Verhalten wie bei den Haien, nur daß bei Ganoiden, Knochenfischen und Dipnoern eine mehr oder minder vollständige Verknöcherung der einzelnen Stücke erfolgt; von den Amphi- bien an aber treten bemerkenswerte Um- wandlungen ein, die durch das Aufgeben der Kiemenatmung bedingt sind. Der hinterste (fünfte) Bogen, der schon bei den Fischen Rückbildungserscheinungen aufweist, fehlt als Kiemenbogen bei den Amphibien, doch besteht guter Grund zu der An- nahme, daß er in dem Knorpel- stück zu sehen ist, das hier als Seitenknorpel den Kehl- kopfeingang stützt und so '^^^^^~ ( . Tr , ,1 r bogen s das erste Kehlkopigerüst ' darstellt, das dann bis herauf zu den Säugern mannigfache Weiterbildungen durch- macht. Die übrigen Kiemen- bogen aber werden nach Auf- gabe des Wasserlebens unter Vereinfachung ihrer Gliede- rung mit dem Zungenbein- bogen zu einem neuen Apparat zusammengearbeitet, dem Zungenbein, das vor allem die Zunge zu tragen hat und oft genug auch an den Bewegungen derselben einen wesentlichen Anteil nimmt oder gar diese allein bedingt. Das Zungenbein der landlebenden Wirbeltiere ist also nicht ein einfaches Skelettstück, sondern ein Skelettkomplex, bestehend aus dem eigentlichen Zungenbeinbogen und aus verschiedenen Kiemenbogen. Seine Zusammen- setzung im besonderen ist sehr variabel, namentlich in bezug auf die Zahl der Bogen, die in seinen Aufbau eingehen und die Hörner des Zungen- beines bilden, während aus den unpaaren Verbindungsstücken [Copulae] der Körper desselben hervorgeht. Auch das dem eigentHchen Zungenbein- bogen entsprechende vorderste Hörn kann schwinden. Bei den Säugern er- fährt dieser Zungenbeinapparat eine weitere Minderung seines Bestandes, in- dem die zweite und dritte Kiemenbogenspange aus seiner Zusammensetzung ausscheiden und durch Verschmelzung ein ganz neues Gebilde entstehen K.d.G. ni.iv, Bd 2 Zellenlehre etc. II 29 Felsenbein-^ Hinterlmuptbein '_'- . Fig. 30. Schädel vom B'uchs, von unten. ^ Gelenkfläche für den Unterkiefer Schuppen- bein ■ Hinterfmupthch Nach SCHIMKEWITSCH. 450 Ernst GaupP: Die Morphologie der Wirbeltiere lassen: den Schildknorpel, der sich dem primären Kehlkopfgerüst hinzu- gesellt. Ein besonderes Schicksal endlich scheint der Kieferstiel oder die Hyoman- dibula, die bei den meisten Fischen den Kieferapparat trägt, bei den land- lebenden Wirbeltieren zu erleiden: es besteht guter Grund zu der Auffassung, daß er hier in den Dienst der Schalleitung tritt und ein kleines Stäbchen {Columella) bildet, das sich in das Vorhofsfenster der Ohrkapsel einfügt. In einfacher Form bei den Amphibien, erfährt es bei den Reptilien eine Ergänzung durch ein zweites vom Zungenbeinbogen stammendes Skelettstück, das sich ihm außen anfügt, während es bei den Säugern den Steigbügel {Stapes) bildet, der mit den schon erwähnten Gehörknöchelchen, Amboß und Hammer, eine schalleitende Kette bildet. Somit wären alle drei Gehörknöchelchen der Säuger auf Teile des früheren Eingeweideskelettes (des Kiefer- und Zungenbeinbogens) zurückzuführen, die einen Funktionswechsel durchgemacht haben. Extremitäten. 2. Ext r e mi t ät c n - Sk e 1 c 1 1. Skelett Die paarigen Extremitäten, deren allgemeine Morphologie bereits be- sprochen wurde, erhalten durch Verdichtung und histologische Umwandlung des embryonalen Stützgewebes (des Mesenchyms) in ihrem Innern ein Skelett,, das in seinem besonderen Aufbau bei den Fischen sehr anders ausfällt als bei den übrigen Wirbeltieren, den Tetrapoden. In einem Punkte freilich stimmen die beiden genannten Formgruppen überein: hier wie dort kann man, und zwar an der vorderen wie an der hinteren Extremität, einen an der Basis der Extre- mität gelegenen Gürtel von dem Skelett der freien Extremität unter- scheiden. Die spezielle Ausgestaltung dieser beiden Abschnitte aber zeigt große Verschiedenheiten; weniger die der Gürtel, die sich noch leidlich gut mit- einander vergleichen lassen, in höherem Maße die der freien Extremitäten, die bei Fischen und Tetrapoden ganz verschiedenen Grundplänen folgen, deren Beziehungen zueinander noch immer eine der umstrittensten Fragen der Wirbel- tiermorphologie bilden. Wir betrachten zunächst die Extremitätengürtel und dann erst das Skelett der freien Extremitäten. Schultergürtel. Der Schultergürtcl (Gürtel der vorderen Extremität) erscheint in pri- mitiver Form bei den Selachiern. (Amphioxus und die Rundmäuler besitzen keine Extremitätengürtel, wie sie auch keine Extremitäten haben.) Hier, bei den Selachiern, besteht er jederseits aus einer knorpligen Spange, an der ein ventraler, quer gelagerter, und ein in etwa rechtem Winkel davon abgeknickter dorsaler Abschnitt zu unterscheiden sind. Letzterer steigt an der Seite des Körpers auf und steckt bei den Haien frei in der Muskulatur, während er bei den Rochen an der Wirbelsäule Befestigung gewinnt. Da, wo die beiden Ab- schnitte aneinander stoßen, springt ein Gelenkkopf zur Verbindung mit der freien Extremität vor; die beiderseitigen Gürtel hängen in der ventralen Mittel- linie untereinander zusammen. Dieser primordiale, noch ganz knorpelige Schultergürtel erfährt bei den übrigen Fischen eine Weiterbildung durch das Auftreten von Knochen, von denen sich die einen als Deckknochen seiner Außenfläche nur auflagern, die anderen als Ersatzknochen einzelne Gebiete des Kieferstiel. Extremitäten-Skelett. Schultergürtel 451 Knorpels okkupieren. Von Deckknochen entsteht einer außen am Gelenkteil: das Cleithrum; nach oben hin schließen sich ihm gewöhnlich zwei Supra- cleithralia an, von denen der obere die Aufhängung des Schultergürtels am Schädel übernimmt, während unterhalb des Cleithrums, also an der ventralen Ouerspange des primordialen Schultergürtels, als Deckknochen die Clavicula (das Schlüsselbein) auftritt und sich mit der der anderen Seite in der Mittel- linie verbindet. Unter diesen Deckknochen kann der primordiale Schulter- gürtel rückgebildet werden (so bei Knorpelganoiden), doch bleibt sein Gelenk- Linke Sclmlter- gürtelspange ,,Hornfüden" Metapterygium Fi g. 31. Schultergürtel und Brustflosse der linken Seite von Heptanchus. Die Flosse ist nach oben geschlagen. Nach WiEDERSHEIM. teil stets erhalten und kann sogar zur Grundlage zweier Ersatzknochen, eines oberen [Scapula] und eines unteren [Coracoid] werden. Im besonderen zeigen die genannten Teile bei Ganoiden, Knochenfischen und Dipnoern viele Eigen- heiten; so schlagen die Knochenfische einen selbständigen Weg ein, der zum Untergang der Clavicula, sehr starker Vergrößerung des Cleithrums und be- trächtlicher Reduktion des primordialen Anteiles führt. Auch für die Betrachtung des Schultergürtels der Tetrapoden kann man von einem ähnlichen Schema ausgehen. Der primordiale Schultergürtel läßt auch hier einen ventralen und einen dorsalen Abschnitt unterscheiden, an deren Zusammenstoß sich die Anlagerungsstelle für die freie Extremität, hier bei den Tetrapoden aber in Form einer Pfanne, findet. Der ventrale Abschnitt besitzt die Form einer breiten Platte, an der gewöhnlich ein breiterer hinterer Coracoid- Abschnitt und ein vorderer dünnerer Procoracoid-Abschnitt unterscheidbar sind, beide voneinander getrennt entweder durch einen von innen und vorn her eindringenden Einschnitt oder durch ein Fenster (Fig. 18). Im letzteren Falle hängen der Coracoid- und der Procoracoid-Abschnitt innen von dem Fenster 29* ^^2 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere untereinander zusammen. Eine im dorsalen Abschnitt des primordialen Schultergürtels regelmäßig auftretende Ersatzverknöcherung wird als Schulter- blattknochen oder Os scapulare bezeichnet, ein die ventrale Platte in ver- schieden großer Ausdehnung einnehmender, nahezu konstanter Ersatzknochen führt den Namen Rabenschnabelbein oder Coracoid. Von Deckknochen ist bei den rezenten Formen nur noch die Clavicula vorhanden; als Cleithra ge- deutete Knochen werden bei den ausgestorbenen Stegocephalen gefunden. Die große Mannigfaltigkeit in der besonderen Ausführung, die dieser Grundplan gestattet, mag nur durch einige wenige Beispiele dargelegt werden. Bei den Schwanzlurchen, Brückenechsen und Echsen schieben sich die ven- tralen Platten der beiderseitigen Schultergürtel mit ihren inneren Rändern übereinander und werden durch das Brustbein, das sich ihren hinteren Rändern anfügt, in dieser Lage fixiert; bei den Fröschen tritt an die Stelle der gegen- seitigen Deckung die Vereinigung der medianen Ränder in der Mittellinie, und das Brustbein verliert jene Bedeutung. Dagegen zeigen Krokodile und Vögel wieder das einfach gestaltete Coracoid dem Vorderrand des Brustbeins ange- fügt (Fig. 17). Selbst unter den Säugern erreicht bei den Kloakentieren noch das Coracoid das Brustbein, bei den übrigen erfährt es dagegen eine Rück- bildung und bleibt nur als ein Fortsatz, ,,Rabenschnabelfortsatz", am Schulter- blatt bestehen. Das letztere wäre damit ganz seiner ventralen Stütze be- raubt, wenn nicht das Schlüsselbein die Verbindung zwischen Schulterblatt und Brustbein übernähme. Es geschieht das bei allen Säugern, die ihre Vorder- gliedmaßen zu komplizierteren Bewegungen, wie Graben, Schwimmen, Fliegen, Greifen gebrauchen, während bei denen, wo dieselben nur einfache Pendel- schwingungen auszuführen haben, d. h. nur zum Laufen dienen, wie bei den Huftieren, auch das Schlüsselbein zugrunde geht, und somit nur das Schulter- blatt (mit dem Rabenschnabelfortsatz), durch Muskeln in seiner Lage festge- halten, als Anlagerungsstätte des Oberarmes übrigbleibt. Bei Amphibien und Reptilien spielt das Schlüsselbein eine geringe Rolle und kann auch ganz schwinden (Schwanzlurche, Krokodile, Schildkröten); mehr hervor tritt es bei den Vögeln, wo es mit dem der anderen Seite zu einem ,, Gabelknochen" ver- wächst, dembei den Flugbewegungen eine wichtige Bedeutung zukommt(Fig. 17). Beckengürtei. Der Beckcngürtcl (Gürtel der hinteren Extremität) spielt bei den Fischen, im Zusammenhang mit der zurücktretenden Bedeutung der Bauch- flossen, auch nur eine geringe Rolle und kann sogar ganz schwinden. Bei den Selachiern stellt er, ähnlich dem Schultergürtel, eine quer gelagerte Knorpel- spange dar, an die sich jedoch nur bei den Chimaeren ein kleiner, seitlich auf- steigender Abschnitt jederseits anschließt. Bei den Ganoiden noch weiter redu- ziert, fehlt ein Becken bei den Knochenfischen gänzlich, so daß hier das Skelett der freien Bauchflosse lediglich in der Muskulatur steckt. Nur bei den Dipnoern findet sich eine ausgedehntere ventrale knorpelige Beckenplatte, die auch in manchen Punkten den Anschluß der Beckenplatte der höheren Formen ge- stattet. Bei diesen tritt im Gegensatz zu den Fischen der Beckengürtel ganz besonders hervor, entsprechend der Tatsache, daß bei ihnen auch die hintere Schultergürtel. Beckengürtel 453 Extremität bei der Ortsbewegung in erster Linie wirksam ist, zum Vorwärts- treiben des Körpers verwendet wird. Demzufolge verbindet sich der Becken- gürtel auch stets durch einen aufsteigenden Pfeiler mit der Wirbelsäule. Im Gegensatz zu dem Schultergürtel kommen am Beckengürtel Deckknochen nicht zur Entwickelung; er gehört vielmehr ganz dem primordialen Skelett an und besteht somit anfangs aus primordialen Knorpelteilen, die dann aber mehr oder min- der vollständig durch Ersatzknochen ver- drängt werden können. Ganz regelmäßig ver- knöchert der eben erwähnte aufsteigende Pfeiler, der die Anlagerung an die Wirbel- säule sucht, als Darmbein {Os ilium), und ebenso ist in der ventralen Beckenplatte ein hinteres Verknöcherungsgebiet jederseits kon- stant, das als Sitzbein {Os ischii) bezeichnet '^" wird. Zu diesen beiden, schon bei Amphibien vorhandenen Knochenterritorien gesellt sich ^^s-s^- Becken von Saiamandra maculosa, von der Ventralseite. Ac Hüftgelenkpfanne (Aceta- ^-.-yr^ bulum), j^j" ventrale Beckenplatte, C yps ypsilon- förmiger Knorpel, * Fortsatz desselben, Ä Nervenloch, 5^ Ilium (Darmbein), ^ knorpliges oberes Ende desselben, [/s Ischium (Sitzbein), Sy Symphyse. Nach Wiedersheim. F i g. -53. Becken von Sphe- nodon (Brückenechse), von der Ventralseite gesehen. In den Bezeichnungen ge- ändert. Ä' Nervenloch, ^ Darmbein, ^s Sitzbein, P Schambein, * * Mittlerer Knorpelstreifen zwischen beiden Beckenhälften, •f t Foramina obturata ( „verstopfte Löcher"). Nach Wiedersheim. von den Reptilien an ein drittes, das den vorderen Teil einer jeden Seite der ven- tralen Beckenplat'te einnimmt und den Namen Schambein (O^pM&w) führt. Zwischen ihm und dem Sitzbein bildet sich ein Fenster in der Beckenplatte aus, das nur von einer Membran verschlossen und daher als ,, verstopftes Loch" be- zeichnet wird. An der Stelle, wo von der ventralen Beckenplatte der aufsteigende Pfeiler des Darmbeins abgeht, findet sich die Pfanne für den Oberschenkel. Auch dieses Grundrißschema des Beckengürtels gestattet sehr viele Möglichkeiten der besonderen Ausführung. Dieselben betreffen weniger die ventrale Platte, als den aufsteigenden Abschnitt, das Darmbein. Für die schwanzlosen Amphibien charakteristisch ist, daß dasselbe sehr lang auswächst und von der Becken- platte aus nach vorn hin aufsteigt, während es bei den geschwänzten Amphi- bien viel kürzer ist und die umgekehrte Richtung — nach hinten und oben — einschlägt, um sich mit dem Querfortsatz eines besonders stark ausgebildeten (Kreuzbein-)Wirbels zu verbinden. Die letztere Richtung bewahrt es bei den 454 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Reptilien, bei denen es sich jedoch an die Querfortsätze zweier Wirbel anlegt. Von diesem Zustand ist auch das Verhalten bei den Vögeln abzuleiten, das jedoch nach vielen Richtungen verändert wird, so daß das ausgebildete Vogel- becken auf den ersten Blick ein recht absonderliches Aussehen zeigt (Fig.34). Das Darmbein vergrößert das Gebiet seiner Anlagerung an die Wirbelsäule, indem es nach vorn wie nach hinten auswächst, sich nach vorn über die ganze Lenden- wirbelsäule und selbst noch über einen Teil der Brustwirbelsäule, nach hinten aber über einen Teil der Schwanzwirbelsäule hinwegschiebt. Mit allen diesen Wirbeln verschmilzt es fest, und ebenso verschmelzen die von ihm überlagerten Wirbel untereinander zu einem ,, sekundären Kreuzbein", das bis zu 23 einzelne Wirbel in sich vereinigen kann. Weitere Besonderheiten des Vogelbeckens be- treffen dessen ventralen Teil. Der ganz besonders starke Halt, den es an der Wirbel- säule gewinnt, ermöglicht, daß die beiden Hälften in der ventralenMittellinie nicht zur Vereinigung und so zur gegenseitigen Stütze kom- men, sondern voneinander 'getrennt bleiben: die Vögel besitzen ein ,, Spaltbecken", das in der ventralen Mittel- linie weit klafft und so dem Vogelweibchen die Ablage der sehr großen Eier gestattet, eine Einrichtung, die wohl auch nur als zweckmäßig für das Flugvermögen angesehen werden kann. Nur wenige Vögel, so der Strauß, machen davon eine Ausnahme. End- lich ist eine letzte Besonderheit gegeben in der eigentümlichen Richtung, die das Schambein annimmt: dasselbe stellt sich so ein, daß es nach hinten ge- richtet, dem Sitzbein parallel verläuft, und das ,, verstopfte Loch" zu einer langen schmalen Spalte verwandelt wird. In ganz anderer Richtung bewegen sich die besonderen Umwandlungen, die das Becken der Säuger erleidet. Bei vielen niederen Formen noch leicht auf die Form des Reptihenbeckens zurückführbar, erhält es bei den Primaten mit der Annahme des aufrechten Ganges den Anstoß zu einer besonderen Ent- faltung des Darmbeines, dadurch, daß dasselbe zum Tragen der Gedärme heran- gezogen wird. Es verbreitet sich so zu einer ,,Darmbeinschaufer', deren Ent- wicklung besonders dem Menschenbecken sein eigenartiges Gepräge gibt. Im übrigen lagert sich auch bei den Säugern das Darmbein embryonal nur an zwei Wirbel an (wie bei den Reptilien), doch kann es später das Anlagerungsgebiet etwas vergrößern, und den ersten zwei Wirbeln können sich einige weitere zur Bildungeines festen Kreuzbeins anschließen. Beim Menschen besteht das Kreuz- bein aus fünf verschmolzenenWirbeln.EineBesonderheit desBeckens derKloaken- und Beuteltiere sind die Beutelknochen, die in die Bauchwand eingeschlossen Fig.34. Becken von Ap- teryx australis, seitliche Ansicht, a Gelenkpfanne, il Darmbein, ts Sitzbein, />' Schambein, Sp Darm- beinstachel. Nach Marsh, aus WiEDERSHEIM. V Beckengürtel. Freie Extremitäten. Fischflosse 455 Fischflosse (Ich- thyopteryginm ). Radien Axialer Flossen- Stamm ,,H(yrn- fäden" nach vorn vorspringen und Muskeln zur Anheftung dienen. Es ist die Ver- mutung geäußert worden, daß sie auf einen knorpeligen Vorsprung zurück- zuführen sind, der schon bei manchen Amphibienbecken beobachtet wird. Wenden wir uns nach dieser Betrachtung der Extremitätengürtel zu dem Freie Skelett der freien Extremitäten, so treffen wir hier eine viel größere ^""^^°'"^**° Mannigfaltigkeit, namentlich viel auffallendere Unterschiede zwischen dem Skelett der Fischflosse (dem Ichthyopterygium) und dem der Tetrapoden-Extre- mität (dem Cheiropterygium). Aber auch das Skelett der Fischflosse allein zeigt bei den einzelnen Gruppen der Fische ein so verschiedenartiges Aussehen, daß schon hier ein ein- heitlicher Grundplan nur auf dem Wege der Hy- pothese konstruiert werden kann, und die Meinungen darüber, wie diese verschiedenen Bildungen aufein- ander zu beziehen sind, weit auseinandergehen. Ge- meinsam ist allen den verschiedenen Flossen nur, daß an ihnen, ebenso wie an den unpaaren Flossen, zwei Teile des Skelettes unterscheidbar sind: ein pri- mordialer, dem Innenskelett angehöriger, der ur- sprünglichknorpelig ist, aber verknöchern kann, und ein sekundärer, dem Integument entstammender, der bei Selachiern und Dipnoern aus Bindegewebs- fäden (fälschlich als Hornfäden bezeichnet), bei Ganoiden und Knorpelfischen aber aus knöchernen Flossenstrahlen besteht. Die primordialen Teile stützen den basalen, die Bindegewebsfäden und Knochenstrahlen den peripheren Teil der Flosse;, die beiden letztgenannten Bildungen schaffen ganz besonders die Verbreiterung der Flossen. Von den mannigfachen Einzelbildungen greifen wir zunächst die Flossen des in Queensland lebenden Dipnoers Ceratodus heraus, die in der Frage nach der Ur- form des Flossenskelettes eine große Rolle gespielt haben (Fig. 35). Brust- und Bauchfiosse folgen hier demselben Grundplan: bei beiden besteht ein die Achse der Flosse durchsetzender, gegliederter, knorpehger Flossenstamm, dem beider- seits ebenfalls gegliederte Knorpelstrahlen (Radien) ansitzen. Diesen schließen sich dann die Bindegewebsfäden an. Recht anders erscheint demgegenüber das Flossenskelett der Haie (Fig. 31) : hier liegt der knorpelige Haupt- Skelettstamm der Flosse nicht in der Achse derselben, sondern an ihrem inneren Rande, und ihm schließen sich einseitig, nämhch nach außen und hinten hin, die zahlreichen gegliederten Knorpelradien an, die dann den Bindegewebsfäden zur Befestigung dienen. Nur am hintersten Ende des Stammes finden sich einige Strahlen auch an der inneren Seite desselben. An der kleineren Bauchflosse wird der Haupt- Skelettstamm gewöhnlich aus zwei Basalknorpeln {Pro- und Metapterygium genannt) gebildet, an der größeren Brustflosse meist aus drei {Pro-, Meso- und F i g. 35. Skelett der Brustflosse von Ceratodus Forsten. Nach Gegenbaur. /IC 5 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Metapterygium). Starkes Auswachsen des vordersten Teiles der Brustflosse an die Seite des Kopfes bedingt bei den Rochen die breite Form des Körpers. Der wichtigste Unterschied der beiden geschilderten Flossenformen hegt darin, daß bei der Ceratodusfiosse der Flossenstamm zweireihig, biserial, mit Radien be- setzt ist, bei den Haien fast nur einreihig, uniserial. Nach der von Gegenbaur aufgestellten Archipterygiumtheorie wäre der erstere Zustand als der primitivere anzusehen, und der zweite von ihm abzuleiten. Gegenbaurs Vor- stellung zufolge sind der Schultergürtel wie der Beckengürtel modifizierte Kiemenbogen, die aus der Reihe der übrigen ausschieden und sich nach hinten verschoben; der Beckengürtel in höherem Maße als der Schultergürtel. Das Skelett der freien Extremitäten wäre dann auf die Kiemenstrahlen zurück- zuführen, die nur ihre Beziehungen zu dem Bogen geändert hätten, indem einer von ihnen eine besondere Mächtigkeit erlangte, und die anderen, von dem Bogen weg, auf ihn rückten. So sei ein ,,biseriales Archipterygium", wie es Ceratodus noch annähernd zeigt, entstanden, und von diesem leite sich daim durch Schwund der einen (inneren) Strahlenserie der Zustand der Selachier- fiosse ab. Dieser Anschauung lassen sich mancherlei begründete Einwände gegenüberstellen, und so neigt heutzutage die Mehrzahl der Forscher der ande- ren Auffassung zu, die bereits unter dem Namen der Seitenfaltentheorie er- wähnt wurde und die eine ursprünglich metamere, über mehrere Rumpf- segmente sich erstreckende Anlage der Brust- wie der Bauchflosse annimmt. Ihr zufolge würden auch einzelne hintereinander gelegene Knorpelradien, in ähnlicher Weise wie in dem medianen unpaaren Flossensaum, die erste Form des Flossenskelettes gebildet haben. Durch Verschmelzung ihrer basalen Glie- der wären dann die Basalknorpel entstanden, denen dann die Radien einreihig ansaßen. Biseriale Anordnung der Radien an einem axialen Flossenstamm, wie bei Ceratodus, wäre danach ein ganz abgeändertes Verhalten. Wieder ganz andere Zustände des Flossenskelettes zeigen die Ganoiden und Knochenfische. Doch gehen wir auf sie nicht weiter ein und bemerken nur, daß bei beiden Fischgruppen die knöchernen Flossenstrahlen, die als Hautver- knöcherungen (Deckknochen) entstehen, im Aufbau der Flosse immer mehr hervortreten und die Bedeutung der primordialen basalen Stücke und Radien in den Hintergrund drängen. Ganz besonders stark ist das der Fall bei den Knochenfischen, cheiropterygium. Ini Gcgcnsatz ZU der Vielgestaltigkeit des Flossenskelettes der Fische (des Ichthyopterygiums) steht die Übereinstimmung in dem Gestaltungsplan, dem das Skelett der freien Extremitäten bei den Tetrapoden (das Cheiro- pterygium) folgt. Dieser Plan beherrscht in gleicher Weise die vordere wie die hintere Extremität und ist auch da noch gut erkennbar, wo sich diese beiden in stark auseinandergehenden Richtungen besonders entwickelt haben. Letzteres ist freilich nicht häufig; es findet sich vor allem bei Flug- und Flatter- tieren, sowie beim Menschen. Jener Grundplan gestattet die Unterscheidung eines S t i e 1 e s und eines End- stückes der freien Extremität (Fig. 36; s. auch Fig. 7). Am Stielsind stets zwei Fischflosse. Cheiropterygium 457 , Humerus Radius- Radiale Centrale Carpale I Abschnitte vorhanden: Ober- und Unterarm, durch das Ellbogengelenk ver- bunden, an der vorderen, — Ober- und Unterschenkel, im Kniegelenk zusammen- stoßend, an der hinteren Extremität. Den oberen Abschnitten liegt nur je ein Knochen zugrunde [Humerus und Femur), den unteren Abschnitten kommen deren je zwei zu: Speiche [Radius] und Elle [Ulna] an der vorderen, Schienbein [Tibia] und Wadenbein [Fibula) an der hinteren Extremität. Dem Kniegelenk kann, von den Reptilien an, eine als Sehnenverknöcherung in der Sehne des großen Streckmuskels des Unterschenkels auftretende Kniescheibe vorgelagert sein. Am Endstück (Hand oder Fuß) ver- mittelt je ein Wurzelabschnitt — Hand- wurzel [Carpus) und Fußwurzel [Tarsus) — die Verbindung mit dem Stiel; ihm folgen ein Mittelstück — Mittelhand [Metacarpus) und Mittelfuß [Metatarsus) — und endlich die Finger oder Zehen, die wieder aus ein- zelnen Gliedern [Phalangen) bestehen. Die Knochen des Stielabschnittes sind der Regel nach lange, zylindrische (Röhren-) Knochen und erfahren nur bei Wassertieren eine starke Verkürzung, entsprechend der Aufgabe, eine kurze breite Flosse bilden zu helfen (z. B. bei den ausgestorbenen Ichthyosauriern oder den Walen); auch die Knochen der Mittel- hand und des Mittelfußes sowie die der Finger und Zehen folgen meist diesem Form- typus, wenn sie auch absolut wesentlich kleiner sind. Dagegen bestehen die Hand- und Fußwurzel fast stets aus kurzen Skelett- stückchen von unregelmäßiger Form, ohne Bevorzugung einer bestimmten Richtung. Gerade in diesen Abschnitten zeigen sich bei den Wirbeltieren die meisten Besonderheiten, die sich aber doch alle auf ein bestimmtes, für die Hand- und die Fußwurzel in gleicher Weise geltendes Schema zurückführen lassen (Fig. 36). Als solches wird ein Aufbau des Carpus und Tarsus aus neun Stücken angenommen, die sich in zwei Reihen um ein mittleres Centrale gruppieren. An der Handwurzel werden die drei Stücke der ersten Reihe als Radiale, Intermedium, Ulnare, die fünf Stücke der zweiten Reihe als l., 2., 3., 4., 5. Carpale bezeichnet; an der Fußwurzel heißen die entsprechenden Stücke: Tibiale, Intermedium, Fibulare; l., 2., 3., 4., 5. Tarsale. Jedem Carpale schließt sich ein Metacarpale, jedem Tarsale ein Metatarsale an. Dieses Schema ent- spricht also einem fünfstrahligen (fünfzehigen oder fünffingrigen) Endstück, und in der Tat läßt sich ein solches für die Extremität der Tetrapoden als Aus- gangsform annehmen. Dem ist jedoch hinzuzufügen, daß von manchen Seiten sowohl am radialen (tibialen) wie am ulnaren (fibularen) Rande der Hand und L Ulna Intermedium — Ulnare Carpale V Meta- carpalia Phalanges HI IV Fig. 36. Schematische Darstellung des Skelettes der rechten vorderen Extremität eines Landwirbel- tiers. Nach Boas. ^eg Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere des Fußes ein Strahl als fortgefallen, d. h. als im Laufe der Stammesgeschichte zugrunde gegangen angenommen wird, so daß als eigentliche Ausgangsform nicht eine fünf-, sondern eine siebenstrahlige Extremität zu gelten hätte. Diese Annahme gründet sich auf das hier und da zu beobachtende Vorkommen von besonderen Skelettstücken an den beiden Rändern des Carpus und Tarsus, die als Reste überzähhger Finger und Zehen aufgefaßt werden. So gilt das Erbsen- bein [Pisiforme), das bei Reptihen wie bei Säugern sich dem Ulnare der Hand anfügt, vielen als Rest eines ,, Postminimus" der Hand, eine Anschauung, die noch nicht als bewiesen gelten kann. Am radialen Rande der Hand neben dem Daumen gelegene Skelettstücke werden auf einen ,,Praepollex", entsprechend gelagerte des Fußes auf einen ,,Praehallux" zurückgeführt und so bezeichnet. Mag man aber von einer fünf- oder einer siebenstrahligen Extremität ausgehen, so würden doch immer, das ist wenigstens die verbreitetste Auffassung, Formen mit nur 4-, 3-, 2- oder l-strahligen Händen oder Füßen als Reduktionsformen aufzufassen sein, als Formen, bei denen eine verschiedene Zahl von Strahlen in Wegfall gekommen wäre. Die Zahl der Phalangen (Glieder), aus denen die einzelnen Finger oder Zehen bestehen, ist nicht immer gleich und schwankt namentlich bei den niederen Wirbeltieren beträchtlicher; bei den Säugern hat sich als allgemein- gültige Norm herausgebildet, daß der erste Finger und die erste Zehe aus zwei, die übrigen Finger und Zehen aus je drei Phalangen bestehen. Die Frage nach der ursprünglichen Strahlzahl der terrestrischen Wirbel- tier-Extremität führt zu der weiteren, in welcher Weise diese Extremität mit der Fischflosse zu vergleichen ist, einer Frage, über die ein abschließendes Urteil auch noch nicht zu geben ist. An Versuchen, auch die pentadaktyle Extremität im Sinne der Archipterygiumtheorie zu deuten, hat es nicht gefehlt; je nach der verschiedenen Auffassung, welche Skeletteile man als Hauptstamm zu- sammenfassen sollte, hat man sie dabei als uni- oder als biserial mit Radien besetzt betrachtet. Etwas mehr, wenn auch nicht völhge, Übereinstimmung herrscht dagegen in der Frage, wie die vordere und die hintere Extremität untereinander zu ver- gleichen seien. W^eitester Anerkennung erfreut sich die Auffassung, daß der Radius des Unterarmes derTibia des Unterschenkels, und dementsprechend die Ulna der Fibula zu vergleichen ist, der erste (innerste) Finger der ersten Zehe. Bei diesem Vergleich fallen mehrere Unterschiede in der Stellung der beiden Ex- tremitäten auf, die bei Säugern ganz besonders deutlich hervortreten (Fig. 7). An der vorderen Extremität ist der Oberarm, vom Schultergelenk aus, nach hinten gerichtet, der Unterarm von hier aus nach vorn, so daß das Ellenbogengelenk nach hinten vorspringt und dem Unterarm die Beugung nach vorn gestattet; an der hinteren Extremität ist umgekehrt der Oberschenkel, vom Hüftgelenk aus, nach vorn gerichtet, der Unterschenkel von hier aus nach hinten, das Knie- gelenk springt nach vorn vor und gestattet dem Unterschenkel den Ausschlag nach hinten. Damit hängt zusammen eine Verschiedenheit in der Stellung der Vorderarm- und der Unterschenkelknochen. An der hinteren Extremität er- Cheiropterygium ^cg scheint das Verhalten einfacher: beide Knochen, Tibia und Fibula, stehen parallel zueinander, die Tibia innen, die Fibula außen; an der vorderen Extre- mität dagegen kreuzen sich die beiden Knochen des Unterarmes in der Weise, daß der Radius vor die Ulna zu stehen kommt (Pronationsstellung der Vorder- armknochen). Für beide Zustände kann man von einem indifferenten Aus- gangszustand ausgehen, wo beide Extremitäten nach der Seite vom Körper abstanden und der Scheitel des Ellenbogen- wie der des Kniegelenkes nach außen vorsprang. Die Verschiedenheit der Drehungen, die für beide Extre- mitäten, von diesem Ausgangszustand aus, anzunehmen sind, steht in Verbin- dung mit der Verschiedenheit der Leistungen, die ihnen bei der Vorwärts- bewegung zukommen, bei der die hintere hauptsächlich das Vorwärtstreiben des Körpers übernimmt, während die vordere zwar manchmal diese Wirkung durch Vorwärtsziehen des Körpers unterstützen kann, vor allem aber wohl zum Aufhalten, Hemmen oder gar Rückwärtsschieben des Körpers Verwendung findet. Dieser Verschiedenheit der Aufgaben entspricht die Verschiedenheit in der Anordnung der Teile bei aller grundsätzhchen Gleichheit des Baues. Die besondere Art, wie der hier geschilderte Grundplan der pentadaktylen Extremität bei den verschiedenen Formen abgeändert ist, macht auch die Morphologie der Extremitäten zu einem der interessantesten Kapitel der ganzen Morphologie überhaupt, dazu zu einem der wichtigsten in stammesgeschicht- lichen Fragen. Es gibt keine Klasse der Wirbeltiere, bei der jenes Bauschema überall unverändert beibehalten wäre; in jeder finden sich Formen mit mehr oder minder bedeutenden besonderen Abweichungen. Schon bei den lang- schwänzigen Amphibien ist Verminderung der Fingerzahl an der Hand auf nur vier ganz gewöhnlich, aber auch eine weiter gehende auf drei oder gar nur zwei kommt vor; im übrigen bewahren die Extremitäten insofern eine primitive Stellung, als sie richtige Kriechextremitäten bilden, nach der Seite des Kör- pers abstehen und diesen mit seiner Bauchfiäche zur Berührung mit dem Boden kommen lassen. Aber schon die schwanzlosen Amphibien, Frösche, Kröten usw. , zeigen beträchtliche Abänderungen, durch die die hinteren stark verlängerten Extremitäten zu kräftigen Sprungbeinen mit flossenartig verbreiterten End- stücken, die vorderen aber, stark verkürzt, zu Greiforganen umgewandelt werden. Und doch besteht auch hier die auffallende Übereinstimmung zwischen vorn und hinten, daß Radius und Ulna ebenso wie Tibia und Fibula unter- einander zu je einem Knochen verwachsen. Unter den Reptilien herrscht die nach der Seite abstehende Kriechextremität vor; die Formen, bei denen An- passungen ganz besonderer Art bestanden, sind ausgestorben: die Ichthyo- saurier und Plesiosaurier mit ihren Ruderfiossen, die Pterosaurier mit ihren Flughäuten, die namentlich von der vorderen Extremität ihre Stütze erhielten. Bei genauerem Zusehen zeigen freilich auch Arme und Beine der lebenden Reptihen genug Besonderheiten des inneren Baues, von denen nur erwähnt sei, daß bei den Schildkröten der Arm, um aus dem Panzer hervorzukommen, sich in eine Stellung drehen muß, die das Ellenbogengelenk nach vorn bringt, während es ja sonst stets nach hinten gerichtet ist. Von den Extremitäten der 400 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Reptilien sind die der Vögel abzuleiten; die ausgestorbenen Dinosaurier gestatten in mancher Hinsicht einen Einblick in die Stadien, die dabei zu durchlaufen waren. Vordere und hintere Extremität gehen hier ihre ganz eigenen Wege (Fig. 37). Die vordere wird unter starker Entwickelung des Ober- und Unterarmes und Vereinfachung des Handskelettes, von dem nur Reste von drei Fingern übrig- bleiben, die teilweise un- tereinander verschmelzen, zum Skelett des Flügels, 1— Femur \ I 'IS—Humerus während die hinteren be- fähigt werden, auf dem Lande den ganzen Körper zu tragen und schreitend vorwärts zu bewegen. Die Radius — — Fibula Ulna Tibia—^ \ — Metatarsus {Lauf) wichtigsten Umwandlun- gen sind Radiale — /. Finger Metacarpale 11—^ Metacarpale III IL Finger des inneren Baues dabei: Verkümme- rung des Wadenbeines, Verwachsung der ersten Reihe der Fußwurzelkno- chen mit dem Schienbein, Verwachsung der (4) Mit- telfußknochen unterein- ander und mit der zweiten in. Finger Reihe der Fußwurzelkno- chen zu einem ,, Lauf- knochen", Reduktion der Zehenzahl auf vier, drei oder selbst zwei (beim afrikanischen Strauß). Bei keiner Klasse der lebenden Wirbeltiere zeigt aber doch der Bau des Extremitätenskelettes die Variationsfreudigkeit der Natur in so hohem Maße als bei den Säugern. Neben den in überwiegender Anzahl vertretenen Land- Extremitäten fehlen die dem Wasserleben angepaßten verkürzten und ver- breiterten Flossen ebensowenig wie die Fallschirme für die Bewegung in der Luft. Aber auch die Land-Extremitäten bieten eine Fülle von Verschieden- heiten dar. Eins freilich ist ihnen im Gegensatz zu den Kriechextremitäten gemeinsam: sie sind stets Stelzen, die nicht mehr seitlich vom Körper abstehen, sondern unter ihn gestellt sind und ihn tragen, so daß der Bauch nicht mehr zur Berührung mit dem Boden kommt. Vor allem verschieden aber ist die Art, wie die Extremitäten sich auf den Boden stützen. Bei vielen geschieht dies .—IV.ZeJie Columba livia. Linkes Bein, linker Arm. Nach Parker und Haswell. Cheiropterygium. Muskelsystem ^5 j noch in der ursprünglichen Weise, d. h. mit dem ganzen Handteller und der ganzen Fußsohle (Sohlengänger: Insektenfresser; Bären, Dachse); daran schließen sich die Zehengänger an, bei denen die Finger und Zehen den Boden berühren, Mittelhand und Mittelfuß aber über denselben erhoben sind (die meisten Raubtiere: Hunde, Katzen usw.); endhch erreicht bei den Spitzen- gängern (Paar- und Unpaarhufern) die Aufrichtung der Extremitäten den höchsten Grad und läßt diese nur noch mit den Spitzen einiger Zehen den Boden berühren. Damit verbindet sich eine Reduktion der Zehenzahl, die an der ersten beginnt, dann die fünfte und zweite in Wegfall kommen läßt, so daß in dem Stamm der Paarhufer mit den Wiederkäuern der Zustand erreicht wird, wo nur noch die dritte und vierte Zehe übrigbleiben, während bei den Unpaar- hufern die Pferde auch den vierten Strahl (Finger und Zehe) rückbilden und somit nur noch den dritten behalten. Andere Veränderungen: Verwachsungen der Unterarm- und Unterschenkelknochen, Verwachsungen oder Schwund von Hand- und Fußwurzel-Elementen — die hier bei den Säugern besondere, in der menschlichen Anatomie traditionelle Namen erhalten — schheßen sich jenen Reduktionen an. Die Entwicklung der Paar- und Unpaarhufer ist eins der wichtigsten und interessantesten Kapitel der Säuger- Stammesgeschichte, auf das namentlich die Befunde der Paläontologie viel Licht geworfen haben. Waltet bei dieser Entwickelungsrichtung die Tendenz vor, die Extremitäten unter Verkleinerung ihrer Berührungsfläche mit dem Boden immer mehr zu einer reinen Lauf-Extremität zu machen, so schlagen die Primaten eine ganz andere Richtung ein, die zu einer Steigerung der Greiffunktion der Extre- mitäten, und zwar bei den Affen sowohl der vorderen wie der hinteren, bei dem Menschen nur der vorderen, führt. An der vorderen Extremität gewinnen dabei zwei Einrichtungen eine besondere Bedeutung: die Fähigkeit des Radius, sich um die Ulna zu drehen (Supinationsfähigkeit), und die Fähigkeit des Daumens, von den übrigen Fingern entfernt und ihnen gegenübergestellt (,, opponiert") werden zu können. Die letztere Möglichkeit kommt auch der ersten Zehe des Affen- fußes in hohemMaße zu, während sie an dem stützenden Gewölbefuß des Menschen fehlt. Sonst aber bleiben auch zwischen Affenhand und Affenfuß die typischen Unterschiede erhalten, die zwischen Hand und Fuß der übrigen Säuger be- stehen und namentlich in einer ganz verschiedenen Anordnung der Hand- und Fußwurzelknochen zum Ausdruck kommen. Beim Menschen gestattet die Aus- bildung des Fußes die volle Aufrichtung des Gesamtkörpers auf den hinteren Extremitäten und gewährt damit den vorderen die Möglichkeit, die Funktion von Greiforganen zu ganz besonderer Höhe zu steigern. 3. Muskelsystem. In dem von den Zellen und den Geweben handelnden Abschnitt wurden Elemente des die Elemente des Muskelsystems, die glatten und die quergestreiften, in ihrem "^ ^ ^^^ *"'^' feineren Verhalten geschildert. Von diesen finden sich die glatten Muskel- zellen in Form besonderer kleiner Muskelchen in der Haut der Vögel und Säuger als Aufrichter der Federn und Haare (von denen die ersteren eine An- 462 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere deutung von Querstreifung zeigen), ferner als innere Augenmuskeln (Muskeln der Regenbogenhaut, Akkommodationsmuskeln, bei den Vögeln ebenfalls mit einer Andeutung von Querstreifung versehen), als kleine Muskeln in der Um- gebung der Nasenlöcher bei manchen niederen Wirbeltieren, vor allem aber in weitester Verbreitung in der Wand des Darmkanales, in den Gängen der Atmungs-, Harn- und Geschlechtsorgane, in Drüsen, sowie in den Wandungen der Blut- und Lymphgefäße. Von den quergestreiften Muskelelementen bilden die einen in besonderer Form und Anordnung die unwillkürliche Herz- muskulatur, die anderen die große Menge der willkürlichen Muskeln, die vor allen Dingen am Skelett, aber auch an der Haut und an bestimmten Or- ganen (Augapfel, Zunge, Kehlkopf, Rachen, Ausgang des Darms und der Urogenitalorgane) angeordnet sind. Entwickelungsgeschichtlich gehören fast alle Muskelelemente dem mittleren Keimblatt an, nur die glatten Elemente in den Hautdrüsen der Amphibien, den Schweißdrüsen der Säuger und den Mus- keln der Regenbogenhaut des Auges entstammen dem äußeren Keimblatt. wiuküriiche Die willkürlichen Muskeln, über die allein hier noch einige Bemer- Einteiiung. kungcn angefügt werden sollen, können auf Grund ihrer Herkunft in parietale und viscerale eingeteilt werden. Die parietalen Muskeln entstehen aus den Ursegmenten (s. den Abschnitt über die Entwickelungsgeschichte der Wirbel- tiere) und umfassen: die Rumpf muskeln und ihre Fortsetzungen an der Ventral- seite des Halses, dazu das Zwerchfell und die Muskeln der äußeren Geschlechts- organe, die Muskeln der Zunge, die von der ventralen Halsmuskulatur ab- stammen, die Muskeln der Extremitäten, die von dem ventralen Teil der Rumpfmuskulatur aus in die Anlagen der Extremitäten einwachsen, und die Muskeln des Auges, die von den Ursegmenten des Kopfes ihren Ursprung nehmen. Die Rumpfmuskulatur läßt in ihren primitiven Zuständen eine deut- liche Metamerie, die der des Rumpfskelettes entspricht, erkennen (Fig. 38); bei den höheren Formen wird dieselbe noch in den kurzen Muskeln der Wirbelsäule festgehalten, erfährt aber sowohl dorsal durch Ausbildung längerer, mehrere Segmente überspringender Muskeln wie auch ventral durch Differenzierung der ,, Bauchmuskeln" eine Störung. Auch die Muskeln der Extremitäten entstehen metamer, von mehreren Ursegmenten aus. Als viscerale Muskeln bezeichnet man die, die aus den Seitenplatten des Mesoderms im Bereiche des Kopfes, d. h. aus den Wandungen der Kopfhöhlen, ihren Ursprung nehmen. Es sind die Muskeln der Schlundbogen: des Kieferbogens (sog. Kaumuskeln), des Zungenbeinbogens und der Kiemenbogen, die bei Fischen eine reiche Entwicke- lung erfahren. Auch die kleinen Muskelchen der Gehörknöchelchen bei Rep- tilien, Vögeln und Säugern gehören hierher. Hautmuskeln. Von parietalen wie von visceralen Muskeln können besondere Haut- muskeln ihren Ursprung nehmen, die entweder mit einem Ende oder sogar mit beiden sich in der Haut befestigen. Das größte Interesse beansprucht unter diesen die mimische (Ausdrucks-)Muskulatur des Gesichtes der Säuger, die beim Menschen zur höchsten Entfaltung gelangt. Wie ihre Innervation durch den siebten Gehirnnerven andeutet, leitet sie sich her von der Muskulatur des Muskelsystem. Nervensystem, Aufgaben und Organe 463 Zungenbeinbogens, d. h. von einer Muskulatur, die ursprünglich hinter dem Unterkiefer gelegen ist und hier schon bei Reptilien sich über den ganzen Hals ausdehnt und Beziehungen zur Haut besitzt. Auch bei den Säugern behält ein Teil diese Lage am Halse bei, andere Teile wandern dagegen in das Gebiet des Kopfes ein und erlangen in der Umgebung der Augen, der Nase, des Mundes und der Ohren Beziehungen zu der Haut und zu den in dieselbe eingelagerten festeren Teilen (Knorpel der äußeren Nase, Ohrmuschel). So werden sie zu Öffnungs- und Schheßmuskeln an den Pforten des Seh-, Geruchs- und Gehör- organes, sowie des Mundes, und beim Menschen endhch zu den Vermittlern der Quere Scheidewände ,_ , , (Myocommata) Muskelsegmente .., (Myomeren) ... / \ y,,^ H. — Dorsale Biimpf- 'f I muskulatur Horizontales Septum Ventrale Rumpf- muskulatiir Fig-38. Seitenstammuskel von Barbus vulgaris. Nach Gegenbaur. mannigfaltigen Veränderungen, Furchen- und Falten-Bildungen, die in ihrer Gesamtheit als Mienenspiel bekannt sind. Als besonders umgebildete Muskeln sind endhch noch die elektrischen Elektrische Organe zu betrachten, die bei einigen Fischen vorkommen. Wie diese Fische *-*''s^°^ selbst sehr verschiedenen Gruppen angehören (Zitterrochen, Torpedo: Rochen; Zitterwels, Malopterurus: Welse; Zitteraal, Gymnotus: Gymnotiden), so sind auch ihre elektrischen Organe ganz verschieden nach Lage und Innervation und zeigen damit an, daß sie aus der Umwandlung ganz verschiedener Muskeln hervorgegangen sind, somit selbständige Erwerbungen der genannten Fische bilden, nicht aber einen engeren verwandtschaftlichen Zusammenhang derselben zum Ausdruck bringen. 4. Nervensystem. Mit weitgehenden Aufgaben betraut tritt uns das Nervensystem ent- Aufgaben und gegen, nach innen wie nach außen seine Tätigkeit entfaltend. Im Innern Nerv^n°yste*ms. des Organismus beherrscht es die Funktionen der einzelnen Organe, regt sie an, zügelt sie aber auch nötigenfalls und verknüpft sie untereinander zu harmonischem Zusammenwirken; nach außen hin vermittelt es den Verkehr des Organismus mit der Umgebung, führt ihm Eindrücke aus dieser zu und veranlaßt seine Rückwirkungen. Für die Oberleitung aller dieser Funktionen besitzen alle Wirbeltiere ein nervöses Zentralorgan, das Zentral- nervensystem, das bei allen Kranioten zwei große Hauptabschnitte, das a()a Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Gehirn und das Rückenmark, unterscheiden läßt, an verschiedenen Stellen des Organismus aber außerdem noch über kleinere Stationen, Ganglien (Nervenknoten), verfügt. Durch besondere Leitungsbahnen, Nervenfasern, die in Bündeln, den peripheren Nerven, vereinigt sind, steht es in Verbin- dung mit allen Organen des Körpers, den Eingeweiden wie den Muskeln und der Haut, Auf der Oberfläche des Körpers wie in seinem Innern bilden sich Sinnesorgane als Aufnahmestationen für Reize, die aus der Außenwelt kommen oder im Organismus selbst ihren Ursprung haben. Das ganze Nerven- system der Wirbeltiere ist in seinen wichtigsten nervösen Teilen eine Bildung des äußeren Keimblattes, doch gewinnt auch das mittlere Keimblatt an dem Aufbau der nervösen Organe einen nicht unbeträchtlichen Anteil. Entwickiungs- Das Zentralnervensystem entsteht ursprünglich als ein von dem geschichte. äußeren Keimblatt sich abschnürendes Rohr (Medullarrohr), das vom vorderen bis zum hinteren Ende des Körpers sich erstreckend die Rückenseite desselben bestimmt. Formveränderungen, die zunächst als einfache Blasenbildungen er- scheinen, lassen seinen vordersten Abschnitt sich zum Gehirn umgestalten, demgegenüber der größere im Bereiche des Rumpfes gelegene Abschnitt als Rückenmark mehr den ursprünglichen Charakter der einfachen Röhre, frei- lich mit sehr stark verdickten Wänden und sehr reduziertem Zentralkanal, bei- behält. Von Gehirn und Rückenmark nehmen auch die erv/ähnten vorge- schobenen Stationen, die Ganglien, ihren Ursprung, von denen eine Anzahl, an bestimmten Stellen des Kopfes sowie jederseits in langer Reihe neben der Wirbelsäule gelegen und untereinander vielfach zusammenhängend, den Haupt- teil des sog. sympathischen Nervensystems bildet, das gegenüber dem Gehirn und Rückenmark eine gewisse Selbständigkeit erlangt und vor allem in den Eingeweiden, Drüsen, Gefäßen das Verzweigungsgebiet seiner Äste und damit das Bereich seiner Wirksamkeit findet. Die Grundelemente in all diesen Organen sind die Neurone, Nerveneinheiten, die an anderer Stelle geschildert wurden (S. 84ff.). Die ganze Anlage des Zentralnervensystems stellt anfangs ein einfaches epitheliales, nur von einer Zellschicht gebildetes Rohr (das Medullarrohr) dar. Bald aber verdicken sich die Wände dieses Rohres beträchtlich, indem von jener ersten Zellschicht aus neue zellige Elemente, Nervenbildungszellen, ihren Ur- sprung nehmen, die sich durch Aussenden von Fortsätzen (Fasern) zu wirk- lichen Nervenzellen umwandeln. Nervenzellen und Nervenfasern bilden dann einen Mantel um das ursprüngliche Epithelrohr herum, das nach wie vor als einfache Zellschicht [Ependym] den Hohlraum des Rohres (im Rückenmark als Zentralkanal, in den einzelnen Abschnitten des Gehirns als Gehirnkammern, Ventrikel, bezeichnet) auskleidet und fasrige Fortsätze seiner Zellen zwischen die Elemente des umgebenden Mantels zur Stütze derselben entsendet. An jenem Mantel aber bilden die zeUigen Elemente im Gebiet des Rückenmarkes eine innere, als graue Substanz bezeichnete Schicht, der sich die Nervenfaser- massen als weiße Substanz außen auflagern. Im Gebiet des Gehirnes ist diese Anordnung durch Ausbildung neuer Fasermassen vielfach gestört. Bei den I Zentralnervensystem, Entwicklungsgeschichte. Rückenmark 465 B Säugern kommt es auch noch zur Ausbildung sternförmiger, mit reichlichen fasrigen Ausläufern versehener Stützzellen (Nervenkittzellen), die ebenso wie die Nervenbildungszellen von der epithehalen Auskleidung des Nervenrohres ihren Ursprung nehmen. Der geschilderte Entwickelungsgang erleidet nur an einigen Stellen des Gehirns eine Störung, indem hier die Ausbildung von Nervenzellen unterbleibt, und so die Wandung zeitlebens auf dem Zustand einer einfachen Zeil-Lamelle, eines ,,Ependyms", verharrt. Von den Nervenfasermassen, die aus den Nerven- zellen auswachsen, bleiben viele auf das Gebiet des Zen- tralnervensystems beschränkt und bilden hier kürzere und längere Bahnen, durch die näher oder entfernter gelegene Abschnitte desselben untereinander verbun- den werden. Es kommen so Eigenbahnen des Rücken- markes und des Gehirns sowie Verbindungsbahnen zwi- schen Rückenmark und Gehirn zustande, und zwar so- wohl solche, die auf einer Seite bleiben, als auch sich kreuzende, von einer Seite auf die andere herüber- tretende, die teils in auf-, teils in absteigender Rich- tung verlaufen und die Grundlage füi; die wunderbar verwickelten Leistungen des Zentralnervensystems ab- geben. Außerdem aber bilden sich die peripheren Ner- ven aus, die das Zentralorgan mit den verschiedenen Teilen des Körpers in Verbindung zu setzen und ihm die Herrschaft über diese zu verschaffen haben. Da- bei zeigt sich ein Unterschied zwischen den motori- schen und den sensiblen Nervenfasern. Die motorischen, vom Zentralorgan nach der Peripherie leitenden Fasern . . spitze geht, B ein anderes, welches wachsen von Zellen, die im Zentralorgan selbst gelegen weit vor der letzteren aufhört und 1 1 • !• <-7 11 T 1 ■■, 1 nur das Filum terminale (i^i".) nach smd, aus; wohingegen die Zellen, die den sensiblen hinten entsendet, c.e. Cauda Fasern den Ursprung geben sollen, bei den meisten !?"'°f' ^^f ^^.'^f^ obiongata, ^00 ' P6 Plexus brachialis, Pc Plexus Wirbeltieren zunächst aus dem Zentralorgan ausgeschal- cervicaiis, p/ Plexus lumbosa- . , .^_ cralis, P^A Pars thoracalis des tet werden und neben diesem besondere Nervenknoten Rückenmarkes. Nach wieders- (Ganglien) bilden, um dann erst zwei Fortsätze ent- stehen zu lassen: einen, der nach der Peripherie des Körpers auswächst, und einen, der in das Zentralorgan hineinwächst. Die Menge der motorischen Fasern ordnet sich zu einzelnen Bündeln, den motorischen Nervenwurzeln, die sensiblen Fasern bilden in gleicher Weise die sensiblen Nervenwurzeln. Fassen wir nach diesen allgemein unterrichtenden Vorbemerkungen das Rückenmark. Zentralnervensystem noch etwas genauer ins Auge, so finden wir an dem Rückenmark eine wesentlich größere Einförmigkeit der äußeren Form und des inneren Baues als an dem Gehirn. Eingelagert in den Kanal der Wirbelsäule bietet es im allgemeinen die Form eines dicken gegen das hintere Ende sich ver- jüngenden Stranges, an dem eine ventrale tiefe Furche und eine dorsale flache Rinne die rechte und linke Hälfte oberfiächhch voneinander scheiden. Auf Fig.39. Zwei verschiedene Formen des Rückenmarkes mit den aus- tretenden Nerven. A ein Rücken- mark, welches bis zur Schwanz- K.d.G.III.iv, Bd2 ZeUenlehre etc. II 30 466 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere jeder Hälfte werden dann noch durch die ventrale Reihe der motorischen und die dorsale Reihe der sensiblen Nervenwurzeln drei Gebiete voneinander ab- gegrenzt. Die gleichmäßig nach hinten sich verjüngende Form, die das Rücken- mark bei den Fischen besitzt, erfährt eine Störung bei solchen Formen, bei denen die Extremitäten die Aufgabe der Fortbewegung allein oder doch in der Hauptsache übernehmen: es bilden sich hier zwei Anschwellungen des Rücken- markes, eine vordere und eine hintere, entsprechend den Gebieten, in denen die Nerven der Extremitäten ein- und austreten. Eine andere auffallende, in ihrer Bedeutung noch nicht ganz klare Besonderheit besteht bei manchen Formen (bei manchen Fischen, bei Fröschen, Vögeln, beim Igel, Menschen u. a.) darin, daß das Rückenmark mit dem Wachstum der Wirbelsäule nicht gleichen Schritt Großhirn- Hemisphäre Paraphysis Parietalorgan Pinealorgan Mitielhirn Riechlappen Isthmus Kleinhirn Decke d. verläng. Marks Zentralkanal des Bückenmarks Lamina terminalis Eingang in den Seitenventrikel Velum transvers zm^ — Hirnanhang (Hypophys. cer.) Lob. infundibul. F i g. 40. Schematischer Medianschnitt durch das Wirbeltiergehim. hält, so daß es im erwachsenen Zustand schon mehr oder minder weit vorn in dem Wirbelkanal sein hinteres Ende erreicht und nur durch einen dünnen Ependymfaden bis zu dem hinteren Ende der Wirbelsäule fortgesetzt wird. Eine Folge davon ist, daß auch eine große Anzahl der Rückenmarksnerven von ihrem weit vorn gelegenen Ursprung aus erst eine längere Strecke in dem Wirbel- kanal nach hinten verlaufen müssen, ehe sie zu den für sie bestimmten Öffnun- gen gelangen. Sie bilden so im hinteren Abschnitt des Wirbelkanals ein Bündel,, dem man den Namen ,, Pferdeschweif" (Cauda equina) gegeben hat. Gehirn. Eine vicl größere Mannigfaltigkeit der besonderen Ausbildung als das Rückenmark bietet das Gehirn der Wirbeltiere dar. Eine erste Andeutung von ihm ist sogar schon bei dem schädellosen Amphioxus vorhanden, indem hier in dem vorderen Ende des Nervenrohres, das im allgemeinen den Charakter eines Rückenmarkes besitzt, eine Erweiterung des Zentralkanales sich findet^ die den Vergleich mit einem Gehirnventrikel nahelegt. Es ist gar nicht un- möglich, daß die Einfachheit dieser Bildung zum Teil auf einer Rückbildung beruht. Durchaus übereinstimmend ist aber der Grundplan, nach dem das Gehirn bei allen Kranioten gebildet ist. Aus drei blasenförmigen Auftrei- bungen, die hintereinander am vorderen Abschnitt des Nervenrohres entstehen (den drei primären Gehirnbläschen: Vorder-, Mittel-, Hinterhirnbläschen), gehen durch weitere Umgestaltungen des ersten und des dritten die definitiven Abschnitte des Gehirns hervor, die in der Reihenfolge von hinten nach vorn Rückenmark. Gehirn 467 Seitenventrikel. Schlußplatte. {Lam. termi- nalis) Aquaeductus Sylvii Rautengrube , Riechlappen Großhirn- Hemisphäre Zwischenhirn bezeichnet werden als: i. Nachhirn oder verlängertes Mark, 2. Hinter- oder Kleinhirn, 3. Rautenhirnenge — diese drei auch zusammengefaßt als Rauten- hirn — , 4. Mittelhirn, 5. Zwischenhirn, 6, Endhirn mit einem hinteren größeren Abschnitt, dem Hemisphärenhirn, und einem vorderen kleineren Abschnitt, den beiden Riechlappen. Die ersten fünf dieser Abschnitte sind unpaar; das Endhirn, das mit dem Zwischenhirn aus dem primären Vorderhirnbläschen ent- steht, wird dagegen gewöhnlich in zwei seithche Hälften zerlegt, von denen eine jede sich in den größeren hinteren Teil, die Großhirnhemisphäre, und den kleineren vorderen Teil, den Riechlappen, gliedert. Durch alle diese Abschnitte setzt sich der Zentralkanal des Rückenmarks erweitert fort, die verschiedenen Ventrikel bildend, von denen einige noch besondere, ursprünglich für das menschliche Gehirn geschaffene Namen besitzen: vierter Ventrikel oder Rauten- grube (= Ventrikel des Rautenhirns), Sylvische Wasserleitung (== Ventrikel des Mittelhirns), dritter Ventrikel (= Ven- trikel des Zwischenhirns), Seitenventrikel (die Ventrikel der Großhirnhemisphären). Der geschilderte Grundplan be- herrscht den Aufbau des Gehirns bei sämt- lichen Kranioten; seine Durchführung im besonderen bietet aber viele Abweichun- gen und läßt die Gehirne der einzelnen Formabteilungen sehr verschiedenartig erscheinen. Jeder einzelne Gehirnteil er- füllt ganz bestimmte Aufgaben, enthält ganz bestimmte nervöse Zentralstationen und steht mit ganz bestimmten Teilen des Körpers in engerer Verbindung, und daraus ergibt sich eben, daß ein jeder auch für sich abändern und bei allem Zusammenhang, der zwischen ihm und den anderen Teilen besteht, doch bis zu einem gewissen Grade seinen eigenen Entwickelungsweg gehen kann. Von einer gleichmäßig fortschrei- tenden Entwickelung des Gehirns in allen seinen Teilen kann man nicht reden. So ist auch das Gehirn des Menschen, dem wir so leicht geneigt sind, die höchste Stellung zuzuschreiben, zwar in der Ausbildung und Leistungsfähig- keit des Großhirns in der Tat das höchststehende, besitzt aber z. B. dem Gehirn des Hundes gegenüber geringer entfaltete Riechlappen, da eben das Geruchs- vermögen des Menschen dem des Hundes unterlegen ist. Verhältnismäßig am einförmigsten verhält sich das verlängerte Mark, in dem sich ganz regelmäßig der Zentralkanal des Rückenmarkes zu einer ,, Rautengrube" erweitert, deren Decke stets auf dem Zustand einer durch zahl- reiche Blutgefäße vielfach gefalteten Epithellamelle stehen bleibt, und in dem außerdem die Zentra einer Anzahl der wichtigsten Hirnnerven gelegen sind: des 6., 7., 8., 9., 10., II. und, wo vorhanden, auch des 12. Hirnnervenpaares. 30* i^ Mittelhirn Isthmus Kleinhirn Verläng. Mark Fig. 41. Schematischer Horizontalschnitt durch das Wirbeltiergehim. 468 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Riechnerv echJappen Größere Verschiedenheiten schon, von denen einige wohl mit der Funktion der Gleichgewichtserhaltung zusammenhängen, zeigt das davor gelegene Klein- hirn, das aus seinem ventralen Gebiet den 5. Hirnnerven austreten läßt. Wieder mehr einförmig, als eingeschnürte Stelle des Gehirns, erscheint die Rauten- hirnenge, an deren Dorsalseite der 4. Hirnnerv das Gehirn verläßt. Dagegen ist das Mittelhirn, dessen Decke zwei halbkuglige Vorwölbungen, die Seh- lappen, entwickelt, wieder recht verschieden in seiner Entfaltung, was sich in erster Linie durch seineBeziehungen zum Sehvermögen erklärt. Bei Kno- chenfischen und Vögeln erreicht es eine besonders starkeEntwickelung, wohingegen es bei Säugern wieder mehr zurücktritt. Aus seinem ven- tralen Gebiet tritt der dritte Hirn- nerv heraus. In formaler Hinsicht der komplizierteste Gehirnteil ist Hemisphäre das Zwischenhirn, mit dem die Zwischenhirn Reihe der unpaaren Hirnabschnitte vorn abschließt. Aus ihm entstehen schon frühzeitig durch Ausstülpun- gen die beiden primären Augen- blasen, die die ersten Anlagen der paarigen Augen bilden; an seiner ,. .. „ , Decke entstehen ferner drei hinter- \ erlangertes Mark N: accessorio- einander gelegene unpaare hand- vagus Zirbelstiel Paraphysis Großhirn Mittelhirn N. trigeminus Kleinhirn N. acusticus JRautengrube N. spinalis II. Fig. 42. Gehirn des Frosclies, von oben. Nacli dem von F. Ziegler hergestellten Modell. schuhfingerförmige Ausstülpungen, die als Paraphyse, Parietalorgan, Zirbel bezeichnet werden, und von denen wenigstens die beiden letz- ten mit Recht als ursprüngliche Sinnesorgane gelten dürfen, ja bei manchen Formen jetzt noch als solche funktionieren (s. Sehorgane), während für die zuvorderst gelegene Para- physe, die durch starke Blutgefäßentwickelung zu einem großen ,, Aderge- flechtsknoten" werden kann, die gleiche Auffassung doch noch zweifelhaft ist. Den Ausstülpungen stehen, ebenfalls am Dache des Zwischenhirnes, zwei Einstülpungen der dünnen Decke gegenüber, die mit ihrer starken Blutgefäß- entwickelung vielleicht für die Erneuerung der in dem Ventrikelsystem des Gehirns befindlichen Flüssigkeit eine Bedeutung besitzen. In den Seitenteilen des Zwischenhirnes bilden sich wichtige Endstationen für den Sehnerven aus, und am Boden endlich entsteht als besondere Ausbuchtung der Trichterlappen, der besonders bei Fischen bedeutende Dimensionen erreicht, und dem sich der vom Dach der Mundhöhle aus entstehende Hirnanhang, ein Organ von drüsiger Struktur, eng anlegt. Erst mit dem Hemisphärenhirn haben wir den Hirn- Gehirn. Peripheres Nervensystem 460 teil erreicht, dessen gewaltiger Entfaltung der Mensch seine beherrschende Stellung in der Schöpfung verdankt. In dem dorsalen oder Mantelteil der Großhirnhemisphären kommt es von den Reptilien an zur Ausbildung einer Großhirn-Rinde, an die wir die psychischen Funktionen geknüpft annehmen müssen. Die verschiedenen Säuger lassen die allmählich zunehmende Ver- größerung des Hirnmantels gut erkennen. Während er bei manchen von ihnen sich nach hinten höchstens bis über das Zwischenhirn ausdehnt, das Mittelhirn aber frei läßt, erstreckt er sich bei anderen auch über dieses hinweg bis zur Be- rührung mit dem Kleinhirn, und bei noch anderen, vorzüglich beim Menschen, deckt er auch dieses, so daß bei der Betrachtung des Gesamtgehirnes von oben her überhaupt nur die Mantelteile der Hemisphären sichtbar sind. Eine andere Verschiedenheit der Hemisphärenmäntel der Säuger betrifft die Oberfläche derselben, die entweder glatt oder mit zahlreichen, gesetzmäßig angeordneten, durch Furchen getrennten Windungen versehen ist. Im allgemeinen darf in die- ser Furchenbildung wohl ein Mittel zur Vergrößerung der grauen Hirnrinde gesehen werden, doch ist damit nicht gesagt, daß die furchenreicheren Gehirne stets die intelligenteren seien im Verhältnis zu den furchenärmeren. Wie der Mantelteil der Hemisphären bei den Säugern zu ganz besonderer Entfaltung gelangt, so wird er andererseits bei den Knochenfischen ganz rudimentär und auf eine dünnwandige ungeteilte Epithelblase reduziert. — Die beiden Riech- lappen endlich, die sich vorn den Hemisphären anschheßen, und in denen die Fasern der Riechnerven endigen, sind in ihrer Ausbildung von der des Geruchs- organes abhängig, daher bei den Säugern besonders mächtig, wenn sie hier nicht, wie bei Affen, Delphinen und in geringerem Grade auch beim Menschen, Rückbildungen erleiden. In ihrer Form sind sie in bemerkenswerter Weise von der Form des Schädels und in letzter Instanz auch von dem Verhalten der Augen abhängig. Über das periphere Nervensystem müssen hier einige kurze Andeu- peripheres tungen genügen. Es umfaßt l. die vom Rückenmark abgehenden und im Be- ^^'^^^^y^*«™- reich der Wirbelsäule austretenden Nerven: Rückenmarks- (Wirbel- säulen-) oder spinalen Nerven; 2. die vom Gehirn abgehenden und durch den Schädel austretenden Nerven: Gehirn- (Schädel-) oder cerebralen (kranialen) Nerven; 3. das im Bereiche des Rumpfes wie in dem des Kopfes vorhandene, von den beiden erstgenannten Gruppen abstammende, ihnen gegen- über aber zu besonderer Selbständigkeit gelangte Eingeweide- oder sym- pathische Nervensystem. Die beiden ersten Gruppen werden auch als Cerebrospinalnerven zusammengefaßt und als solche dem sympathischen Ner- vensystem gegenübergestellt. Aus dem, was früher über das Verhältnis der Wirbelsäule zum Schädel und über die Grenze beider gegeneinander gesagt wurde, ergibt sich, daß auch die Grenzeder Rückenmarks- gegen die Schädel-Nerven bei den einzelnen Schädel- tieren nicht konstant ist. So bilden die Nerven, die bei Reptilien, Vögeln und Säugern als letzte ,, Gehirnnerven" den hintersten Teil des Schädels verlassen, bei den Amphibien noch die vordersten freien ,, Rückenmarksnerven", da der 470 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Rückenmarks- nerven. Skelettabschnitt, der hier den vordersten Teil der Wirbelsäule bildet, dort als hinterster Teil der Hinterhauptregion dem Schädel einverleibt ist. Mit anderen Worten: bei verschiedenen Schädeltieren werden die hintersten ,, Ge- hirnnerven" durch Nerven dargestellt, die früher einmal freie ,, Rückenmarks- nerven" waren und es bei manchen Formen auch jetzt noch sind. Bei weitaus den meisten Wirbeltieren — Amphioxus und die Rundmäuler ausgenommen — verhalten sich die Rückenmarksnerven an ihrem Ursprung alle in gleicher gesetzmäßiger Weise. Auf jedes Körperglied (Metamer) kommt Rückenmark des Dorsale Nervenwurzel Weiße Sttbstan2\ „ , , l Graue Substanz^ Rückenmarkes] j^^fj^^i \ ,8pinalganglion Ventrale Nerventmrzel \- Gemischter Nen'enstamm Ventraler Nervena^t ein Nervenpaar, dessen beide Nerven (der rechte wie der linke) aus je zwei Wurzeln, einer ventralen motorischen und einer dorsalen sensiblen, entstehen. Die ventrale Wurzel verläßt das Rückenmark an dessen Ventralseite, die dor- sale an der Dorsalseite; die letztere ist mit einer Anschwellung, einem Ganglion versehen, das die eigentlichen Ursprungszellen der sensiblen Nervenfasern ent- hält. Jenseits dieses Ganglion vereinigt sich die sensible Wurzel mit der mo- torischen zu einem gemischten (d. h. motorische wie sensible Fasern enthalten- den) Stamm, von dem sehr bald drei Äste abgehen: je einer zu der Rück- und der Bauchseite des Körpers und einer, der das sympathische Nervensystem bilden hilft. Von den der Bauchseite zugeteilten Ästen gehen auch die für die Gliedmaßen bestimmten Nerven ab, die stets aus den Wurzeln mehrerer Segmente ihre Fasern beziehen, indem Äste mehrerer hintereinander gelegener Rückenmarksnerven zusammentreten und so ein Nervengeflecht (einen Plexus) bilden, in dem eine neue Anordnung der Fasern stattfindet, und aus dem dann die neugebildeten Äste in die Extremitäten eintreten. Diese Plexus der Ex- Rückenmarksnerven. Gehirnnerven aji tremitätennerven, deren es somit zwei, einen vorderen und einen hinteren, gibt, weisen darauf hin, daß eine jede Extremität mehreren Rumpfmetameren an- gehört — wie ja auch ihre Muskulatur mehreren Ursegmenten entstammt — ; ihre besondere Zusammensetzung aus den Nerven mehr vorn oder mehr hinten gelegener Körpersegmente weist auf die Verschiebungen hin, die die Extremitäten bei den einzelnen Wirbeltieren erfahren haben. Die Gehirn- oder Schädelnerven scheiden sich in zwei durch ihre Be- oehimnerven. Ziehungen zu den Gebieten des Schädels gekennzeichnete Gruppen. Die vordere derselben bilden die dem ,,Urschädel" angehörigen Nerven (,,paläokraniale", ,,Urschädel"-Nerven), die zweite wird durch jene Nerven dargestellt, die im Bereich der Hinterhauptregion austreten und, entsprechend der Herkunft der letzteren, früher vorderste Rückenmarksnerven waren (,, neokraniale", ,, Neu- schädel"-, ,, Hinterhaupts"-, ,,spino-occipitale Ubergangs"-Nerven). Da bei den Rundmäulern der Schädel ledighch ein ,,Urschädel" ist, dem sich noch keine Wirbelsäulenteile angeschlossen haben, so kommen ihnen auch nur die Urschädel-Nerven zu. Von den in der Zehnzahl auf jeder Seite vorhandenen Urschädelnerven verbindet der vorderste als Riechnerv {Nervus olfactorius) das Geruchsorgan mit dem Riechlappen des Gehirns; der zweite, der eigentlich die Bedeutung eines Gehirnteiles besitzt (s. Sehorgan), ist der Sehnerv [N. opticus); der dritte, vierte und sechste (A^. oculomotorius, N. trochlearis, N. abducens) gehen zu Augenmuskeln und haben somit die Bedeutung von Augenbewegungs- nerven; der fünfte oder dreigeteilte Nerv (A^. trigeminus) enthält in seinen drei Ästen wesentlich Empfindungsnerven für das Gebiet der Stirn, der Nase, des Auges, des Ober- und Unterkiefers, in seinem dri ten Ast aber auch die Bewegungsnerven für die meisten Unterkiefermuskeln; der siebente verdankt seinen Namen Gesichtsnerv [N. facialis) seinem Verhalten beim Menschen, wo er in der Tat in der Ausdrucksmuskulatur des Gesichtes ein weites Ver- breitungsgebiet für die in ihm enthaltenen Bewegungsfasern besitzt, während €r bei niederen Wirbeltieren dem Gesicht noch fremd bleibt und vor allem im Gebiet des Zungenbeinbogens seine noch spärlichen Bewegungs- und viel zahl- reicheren Empfindungsfasern verbreitet; der achte oder Hör nerv (iV. acusti- cus), der engere Beziehungen zu dem siebenten Nerven besitzt, verbindet das Labyrinthorgan mit dem Gehirn und steht demzufolge nicht nur im Dienste der Hör-, sondern auch in dem der statischen Funktion; der neunte {N. glosso- pharyngeus) versorgt bei Fischen die Gebilde des ersten eigentHchen Kiemen- bogens mit Bewegungs- und Empfindungsfasern und findet bei den höheren, landlebenden Wirbeltieren als Zungen-Rachen-Nerv sein Verbreitungs- gebiet in den Organen, die sein Name nennt; der zehnte endlich (iV. accessorio- vagus) ist bei Fischen der Nerv der Kiemenbogen, vom zweiten an, und dehnt im übrigen sein Gebiet weit aus: auf die Lunge bei lungenatmenden Formen, auf das Herz, selbst den Magen und Darm. Bei höheren Wirbeltieren sondert er sich in zwei Nerven, die als zehnter und elfter gezählt werden; von diesen ent- hält der zehnte alle die zu jenen genannten, vom Kopfe entfernten Gebieten A'12 Ernst GaupP: Die Morphologie der Wirbeltiere verlaufenden Fasern und trägt daher mit Recht den Namen eines herum- schweifenden Nerven (A^. vagus), während sich in dem elften oder Bei- nerven {N. accessorius) nur ein kleiner Teil, für gewisse Muskeln bestimmter, Bewegungsnerven abgesondert hat. Dem zehnten Nerven entspringt bei den Fischen noch ein sehr merkwürdiger Ast, der Seitennerv, der bis zur Schwanz- spitze hin kleine Sinnesorgane der Haut versorgt. Er schließt sich damit drei anderen Nerven an, die als Äste des siebenten Hirnnerven bei den Fischen zu den gleich gebauten Sinnesorganen im Kopfgebiet gehen. Bei den landlebenden Wirbeltieren gehen mit den genannten Sinnesorganen auch die zugehörigen Nerven zugrunde, und es bleibt nur ein Nerv übrig, den man seinem ganzen Verhalten nach mit jenen Hautsinnen-Nerven auf eine Stufe zu stellen be- rechtigt ist: der achte Hirnnerv (Gehörnerv). Neuschädelnerven [neokraniale N.) finden sich schon bei Haien in größerer Anzahl, da ja schon hier eine auf Wirbelsegmente zurückzuführende Hinterhauptsregion besteht. Bei Vögeln, Reptilien und Säugern sind diese den Haien zukommenden verschwunden oder nur noch embryonal nachweisbar; dagegen sind drei andere, weiter hinten folgende Nerven in den Schädel aufge- nommen und bilden zusammen den sog. zwölften Hirnnerven [N. hypoglossus), der als Zungenfleischnerv vor allen Dingen die Muskeln der Zunge versorgt. Die Unterscheidung zwischen den Nerven des ursprünglichen und denen des neuen Schädelgebietes wird übrigens nicht nur durch das Verhalten zu dem Kopfskelett gefordert, sondern prägt sich auch in dem entwickelungsgeschicht- lichen Verhalten beider Gruppen von Nerven aus: während die neokranialen Nerven darin dem Schema der Rückenmarksnerven folgen und somit anfangs wenigstens eine ventrale und eine dorsale (mit Ganglion versehene) Wurzel er- kennen lassen, entwickeln sich die Nerven des Urschädelgebietes in einer davon abweichenden, ihnen eigenen Weise. Sympathicus. Als ein ZU selbständiger Bedeutung gelangter Abkömmling des Gehirn- und Rückenmarksnerven- Systems erscheint endlich das sympathische oder Eingeweide-Nervensystem, das schon bei Rundmäulern sich zu sondern beginnt. Bei den höheren Formen findet sich gewöhnlich jederseits von der Wirbelsäule ein Grenzstrang, bestehend aus einer Reihe von Nervenknoten, die sowohl untereinander wie mit den Rückenmarksnerven zusammenhängen, und von denen Äste zu den Gefäßen, Eingeweiden, Drüsen abgehen. Auch in den Verlauf der Äste sind vielfach noch Nervenzellen, einzeln oder gruppen- weise als Ganglien, eingelagert. Solche sympathische Ganglien finden sich auch im Bereiche des Kopfes, wo sie mit gewissen Gehirnnerven verbunden sind. 5. Sinnesorgane. 5. Sinnesorgane. Einrichtungen zur Aufnahme von Reizen, die weiterhin dem Zentralnerven- AUgemeinerBau, . ^ • 1 r- 1 Verteilung, systcm auf dem Wege der peripheren Nervenfasern zugeleitet werden, finden sich an der äußeren Oberfläche wie im Innern des Körpers. In ihrer einfach- sten Form werden sie durch freie Endigungen der sensiblen Nerven gebildet, wie sie sich in verschiedenen Epithelien (der äußeren Haut, der Hornhaut des Gehirnnerven. Sympathicus. Sinnesorgane, Allgemeines. Niedere Sinnesorgane 473 Auges, der Mundschleimhaut u. a.) und im Bindegewebe verschiedener Organe (z. B. der Muskeln, der Lunge u. a.), also in Abkömmlingen des äußeren und des mittleren Keimblattes, finden. Auf die höhere Stufe eigentlicher Sinnes- organe erheben sich diese Einrichtungen, wenn die ektodermalen oder meso- dermalen Gewebselemente in der Umgebung jener letzten Nervenendigungen entweder als Sinneszellen selbst die erste Aufnahme der nervösen Reize übernehmen oder aber besondere schützende oder die Reizaufnahme ver- mittelnde oder begünstigende Hüllen um die Nervenenden bilden. Von den Sinneszellen aus erfolgt die Weitergabe des Reizes auf die Nervenenden ein- fach durch Kontakt. Bei weitem die meisten Sinnesorgane der Wirbeltiere folgen in ihrem Bau diesem Prinzip: der Reiz wird unmittelbar oder mittelbar von freien Nervenendigungen aufgenommen. Eine grundsätzliche Sonder- stellung nimmt nur das Geruchsorgan ein: hier müssen die den Reiz auf- nehmenden Riechzellen, die im Gebiete des äußeren Keimblattes entstehen, geradezu als Nervenzellen betrachtet werden: die Nervenfaser, die den Reiz weiter zu leiten hat, steht mit der Zelle nicht durch Berührung in Verbindung, sondern ist ein wirklicher Fortsatz derselben und wächst unmittelbar von ihr aus. An der Herstellung der Sinnesorgane hat das äußere Keimblatt den Haupt- Herkunft, anteil. Nicht nur gehören diesem die Nervenfasern und ihre Endigungen an, sondern auch die meisten Sinneszellen entstammen ihm, wie das ja schon da- durch bedingt ist, daß der Bedeutung der Sinnesorgane entsprechend die äußerste Oberfläche des Körpers ganz besonders für die Ausbildung solcher Reizaufnahmestationen prädestiniert ist. Denn hier ist durch die Beziehungen zur Außenwelt das größte Bedürfnis für dieselben gegeben. Eine interessante Besonderheit bieten die Sehorgane der Wirbeltiere: ihre wichtigsten licht- perzipierenden Elemente nehmen zwar auch von dem äußeren Keimblatt ihre Entstehung, aber von dem Gebiet desselben, das zur Bildung des Zentralnerven- systems eingefaltet wird, sie sind somit an das letztere geknüpft. Außer dem äußeren Keimblatt kann auch noch das mittlere an der Herstellung von Sinnes- organen teilnehmen; selten durch Ausbildung wirklicher Sinneszellen (in den unten zu erwähnenden Grandryschen Körperchen), häufiger durch Ausbildung von allerlei Hilfs-, namentlich Schutzeinrichtungen jener Organe. Nach der Größe, der Einfachheit oder Komplikation des Baues, und der Einteilung, physiologischen Wertigkeit können die Sinnesorgane als niedere und höhere unterschieden werden. Zu den niederen Sinnesorganen gehören die dem Tast-, Druck-, Tem- Niedere peratur-, Geschmackssinn dienenden Einrichtungen, ferner gewisse Organe '°°^^°''^'"'^ der wasserlebenden Anamnia, die wohl für die Perzeption von Erschütterungen (Wellenbewegungen) des Wassers bestimmt sind, und endhch zahlreiche im Innern des Körpers an verschiedenen Stellen angebrachte Körperchen, von denen den einen Registrierung der Blutdruckschwankungen, anderen die der Größe der Muskeldehnung und des Muskeldruckes zugeschrieben wird, während für manche die besondere Bedeutung noch unklar ist. Die schon erwähnten AjA Ernst GaupP: Die Morphologie der Wirbeltiere freien Nervenendigungen in verschiedenen Epithelien und Bindegewebspartien stellen die primitivsten Einrichtungen dieser Art dar. Von den Organen, in denen besonders differenzierte Sinneszellen die Aufnahme des Reizes besorgen, besitzen die oben genannten, vermutlich für Wellenbewegungen des Wassers bestimmten Organe ein besonderes Interesse. Eine Gruppe von Sinneszellen, die umgewandelte Oberhautzellen darstellen, bildet mit anderen Zellen der gleichen Herkunft, die sich aber nur als schützender Mantel um jene herum- legen, einen kleinen Sinnes- oder Nervenhügel, der entweder seine Lage frei auf der äußeren Haut beibehält, oder durch Einfaltung der letzteren in die Tiefe unter die Oberhaut eingesenkt wird. Rundmäuler, alle Gruppen der kiefermäuligen Fische, die wasserlebenden Amphibien und Amphibienlarven besitzen diese Hautsinnesorgane in bestimmter gesetzmäßiger Anordnung am Kopfe wie am übrigen Körper; am Rumpfe speziell jederseits in einer bis zum Schwänze hinziehenden Linie, der sogenannten Seitenhnie, die jenen Organen auch den Namen Seitenorgane verschafft hat. Bei den kiefermäuligen Fischen finden sich die meisten dieser Organe in Kanälen (,, Schleimkanälen"), die unter der Haut gelagert sind und nur in bestimmten Abständen durch kleine Querkanäle sich auf dieser öffnen, so dem Wasser den Zutritt zu den Sinnes- organen gestattend. Bei den Knochenfischen (teilweise auch schon bei Ganoi- den) sind diese Kanäle am Kopf in die Kopfknochen, am Rumpf in die Schuppen eingebettet; die Schuppen, die den Kanal der Seitenlinie enthalten, machen sich schon für das bloße Auge durch ihre Durchlöcherung bemerkbar. Den Sinneshügeln ähnlich sind die Endknospen, die als Geschmacksorgane vor allem in der Mundhöhle in weiter Verbreitung vorkommen, bei Fischen aber auch auf der Oberfläche des Körpers, besonders in der Umgebung des Mundes sich finden und wohl auch hier die Aufgabe einer Kontrolle der chemischen Zusammensetzung des umgebenden Mediums erfüllen. Bei den terrestrischen Wirbeltieren liegen die Hautsinnesorgane nicht mehr oberflächlich, sondern mehr in die Tiefe verlagert: als Tastzellen in den unteren Schichten der Epidermis hier und da, als besondere Tastkörperchen mit komplizierter Struktur in der Lederhaut, als Kolbenkörperchen ebenfalls in der Lederhaut oder im Unterhautbindegewebe. Besondere Formen der eigen- tümlich gebauten Kolbenkörperchen finden sich auch im Innern des Körpers, in der Umgebung der Gelenke, in der Auskleidung der Bauchhöhle, innerhalb mancher Organe. Eine eigene Art Tastkörperchen, an deren Aufbau Tastzellen bindegewebiger Abstammung teilnehmen, kommt bei Vögeln, besonders in der Wachshaut des Schnabels, vor (Grandrysche Körperchen). Weitere eigentüm- liche hierher gehörige Nervenendapparate sind schließlich die Muskel- und Sehnenspindeln. Am Aufbau aller dieser Gebilde, soweit sie innerhalb des Bindegewebes liegen, sind mesodermale Elemente wesentlich beteiligt. Höhere Von den höheren Sinnesorganen (Labyrinth-, Seh-, Geruchsorgan) Labyr°ntorgIn. schfießt sich hier zunächst das beim Amphioxus fehlende Labyrinthorgan an, da es morphologisch in die Gruppe der oben genannten Seitenorgane gehört, gewissermaßen eine besonders hohe Ausbildungsform eines solchen darstellt. Niedere Sinnesorgane. Höhere Sinnesorgane. Labyrinthorgan 475 Diese Auffassung wird vor allem begründet durch die Natur des achten Gehirn- nerven, in dessen Endgebiet es sich ausbildet: wie schon oben gesagt^ gehört der- selbe mit den Nerven der übrigen Seitenorgane zu einem besonderen System zu- sammen. Seiner funktionellen Bedeutung nach ist das Labyrinthorgan dem statischen Sinn (Raumsinn, Gleichgewichtssinn) sowie dem Gehörsinn vorge- ordnet. Im Dienste des letzteren bildet es die sog. innere Ohrsphäre, der sich in der aufsteigenden Wirbeltierreihe noch eine mittlere und eine äußere anschließen. Verglichen mit einem einfachen Seitenorgan bietet das Labyrinth- organ freilich recht beträchtliche Komplikationen dar. Nur in seiner ersten Anlage, die als eine sich bald zu einem kleinen Grübchen (Hörgrübchen) einsenkende Verdickung des äußeren Keimblattes jeder- seits im hinteren Teil des Kopfes auftritt, ist es jenen vergleichbar; weiterhin aber schlägt es seinen selbständigen Weg zu höherer Entfaltung Vorderer Bogengang Utriculus Sacculus. Ductus perilymphaticus Hinterer Bogengang Äußerer Bogengang Lagena r i g. 44. Halbschematische Darstellung des häutigen Gehörorganes (Labyrinthes) der Wirbeltiere. Linke Seite von außen. Nach WiEDERSHEIM. ein. Das kleine Grübchen senkt sich tiefer unter die Haut ein und gestaltet sich durch Faltenbildungen, Ab- schnürungen und Verwach- sungen zu einem kompliziert geformtenBläschenoder Säck- chen um, das eben wegen die- ser merkwürdigen Form den Namen häutiges Laby- rinth bekommen hat. Anfangs nur aus einer einfachen ektodermalen Zell- schicht bestehend, erhält es weiterhin von dem umgebenden Bindegewebe eine etwas festere Wandung. Durchgehends, bei allen Wirbeltieren, sind an ihm nach seiner Vollendung zwei Hauptabschnitte, ein oberer und ein unterer, unter- scheidbar (Fig. 44). An dem oberen bildet der sog. Utriculus den Hauptteil, dem sich die drei halbzirkelförmigen Kanäle oder Bogengänge — als vorderer, hinterer, seitlicher unterschieden — anschließen; an dem unteren ist der Haupt- raum der mit dem Utriculus kommunizierende Sacculus, der als anfangs kleine halbkuglige Ausbuchtung die sogenannte Lagena entwickelt. Von den Rep- tilien an wächst diese beträchtlich zu einem längeren Kanal, dem Schnecken- kanal, aus, so benannt, weil er sich bei den Säugern unter weiterer Verlängerung schneckenhausartig in eine Anzahl Windungen legt. Zu dem geschilderten Bläschen tritt der achte Gehirnnerv, in mehrere Zweige geteilt, heran; an seinen Endigungen differenzieren sich die das Säckchen auskleidenden Epithelzellen zu besonderen Nervenendstellen. Bei den Fischen sind es sieben (drei in be- sonderen Erweiterungen der Bogengänge, drei durch Übereinstimmung des Baues ausgezeichnete in dem Utriculus, dem Sacculus und der Lagena und 476 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere dazu noch eine besondere im Sacculus); bei Amphibien, Reptihen und Vögeln gesellt sich am Anfangsteil der Lagena eine achte hinzu, die dann mit Aus- wachsen der Lagena ebenfalls sich vergrößert und bei den Säugern das soge- nannte Cortische Organ, das eigentHche Organ des Hörens, bildet. Durch Rückbildung zweier anderer Endstellen wird bei den Säugern die Gesamtzahl derselben auf sechs verringert. Die Mehrzahl der erwähnten Nervenendstellen steht wohl in erster Linie im Dienste der statischen Funktion; einige von ihnen werden durch Kalkauflagerungen, die entweder feste Steine (Otolithen, Gehör- steine) oder breiige Massen bilden, für ihre Funktion besonders tauglich gemacht. Abgesehen von diesen Kalkmassen bildet eine Flüssigkeit, die Endo- lymphe, den Inhalt des häutigen Labyrinths; auch dieser kommt durch die Schwankungen, die sie erleidet, eine Bedeutung für die Funktion gewisser Nervenendstellen zu. Die kalkabsondernde Fähigkeit gewisser, das Labyrinthbläschen aus- kleidender Zellen, auf die die Anwesenheit der Otolithen hinweist, wird bei manchen Amphibien und Reptilien noch in besonderer Weise ausgenutzt. Bei der Einsenkung des Labyrinthbläschens unter die Haut zieht sich die ursprüng- liche Verbindungsstelle desselben mit dem Ektoderm zu einer langen schorn- steinförmigen Röhre, dem Ductus endolymphaticus, aus, der bei Haien zeit- lebens offen bleibt und so das Innere des häutigen Labyrinths mit dem Wasser in Verbindung setzt, meist aber sich völlig abschnürt. Dieser blind endigende Gang nun wächst z. B. bei Fröschen und manchen Geckoarten sehr stark aus, in den Schädel, ja selbst in die Wirbelsäule und durch die Nervenlöcher der- selben in die Bauchhöhle bei Fröschen, an den Hals bei manchen Geckonen, und bildet an den genannten Stellen mit Kalk gefüllte Säckchen, die natürlich zu den eigentlichen Funktionen des Labyrinthorganes keine Beziehung mehr haben, sondern lediglich Kalkreservoirs darstellen. Ihre spezielle Bedeutung ist wohl noch nicht ganz klar; bei Fröschen stehen sie vielleicht zu der Be- reitung der Geschlechtsprodukte während des Winterschlafes in Beziehung. Das hier in aller Kürze geschilderte häutige Labyrinth wird schon von den Cyclostomen an in einen Teil des Schädels, die knorpelige oder knöcherne Ohr- kapsel, eingelagert. Mitteiohr und Hilfseinrichtungen des Labyrinthorganes treten vor allem bei den landlebenden Wirbeltieren in Form des Mittelohres und weiterhin des äußeren Ohres auf, die, wie schon der Name sagt, beide der Vervollkomm- nung der Hörfunktion dienen. Als Teile des Mittelohres werden die Einrich- tungen bezeichnet, die der Schalleitung dienen, somit auch schon die einfachen Gehörstäbchen, die bei Amphibien auftreten und früher beschrieben wurden. Schon bei manchen schwanzlosen Amphibien und ebenso weiterhin bei den meisten Reptilien sowie bei den Vögeln und Säugern werden sie von einem Raum, der Paukenhöhle, umgeben, die im Anschluß an die erste Schlund- tasche entsteht, sonach mit der Schlundhöhle in Zusammenhang steht und außen sich bis an die Haut ausdehnt. Hier entsteht somit eine verdünnte, zu- nächst in gleicher Flucht mit der Haut gelegene und von dieser überzogene Labyrinthorgan. Mittelohr, äußeres Ohr. Sehorgane. Sehzellen des Amphioxus 47 y schwingungsfähige Membran, das Trommelfell, in das das äußere Ende der schalleitenden Skelettkette, mag dieselbe aus einem, zwei oder drei Gliedern bestehen, eingelassen wird (Fig. 45). So können die von den Schallwellen er- zeugten Schwingungen des Trommelfelles dem Labyrinth zugeleitet werden. Die letzte Vervollkommnung besteht dann in der Ausbildung besonderer Ein- richtungen in der äußeren Umgebung des Trommelfelles, die teils dem Schutz desselben, teils dem Auffangen der Schallwellen dienen. Zu dieser in ihrer Ge- samtheit als Teile der äußeren Ohrsphäre oder kurz des äußeren Ohres bezeichneten Bildungen gehören beweghche Schutzklappen, wie sie z. B. die Dtictus endolymphaticus Vorderer Bogengang Äußerer Bogengang Sacculus Ohrm uscTiel Schnecke - Knöcherne Gehörkapsel Ductus perilymphaticus Ohrtrompete Äußerer Gehörgang Trommelfell Fig. 45. Scbematisclie Darstellung des gesamten Gehörorgans vom Menschen; rechte Seite, von außen. Die knöcherne Gehörkapsel ist in größter Ausdehnung eröffnet; man sieht in ihr das häutige Labyrinth, umgeben von einem „perilymphatischen" Raum, der sich in einen perilymphatischen Gang fortsetzt. Der Pfeil zeigt eine durch eine Membran verschlossene Öffnung an, gegen die die Perilymphe ausweichen kann. Nach Wiedersheim. Krokodile besitzen und beim Tauchen im Wasser verwenden, vor allem aber die Ohrmuschel und der äußere Gehörgang der Säuger. Durch die Entstehung des letzteren wird das Trommelfell bei den Säugern in größere Tiefe verlagert; die Ohrmuschel aber bildet in mannigfaltiger besonderer Ausgestaltung an seinem Eingang einen Schallbecher, an dem die in das Gesicht eingewanderte Haut- muskulatur Anheftungen gewinnt, und der so den Schallwellen zugewendet werden kann, wie wir es z. B. bei Pferden beobachten, vielfach aber auch als schützende Klappe zum Verschluß des äußeren Gehörganges Verwendung findet. Für die Sehorgane der Wirbeltiere charakteristisch ist, daß sie alle in Sehorgane, ihrer Entstehung an das Zentralnervensystem geknüpft sind, somit die licht- empfindlichen zelligen Elemente besonders differenzierte Zellen des Zentral- nervensystems darstellen. Das gilt zunächst von den primitivsten Sehorganen der Wirbeltiere, den Sehzellen des eines besonderen ,, Auges" entbehrenden sehzeUen des Amphioxus, die hier im Rückenmark, fast in der ganzen Länge desselben, in ™^ '°''"*' Gruppen verteilt sind. Ein Teil von ihnen zeigt außer gewissen spezifischen 478 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Strukturen und der Verbindung mit einer Nervenfaser nichts weiter, ein anderer vervollkommnet sich dadurch, daß zu der Sehzelle noch eine dieselbe schalenförmig umgebende Pigmentzelle als Lichtschirm hinzutritt. Als Bild- augen werden diese einfachen Apparate gewiß nicht dienen können; ihre Fähig- keit, auf Lichtreize zu reagieren, dürfte aber als bewiesen gelten, aus den physiologischen Experimenten wie aus ihrer Ähnlichkeit mit den Lichtorganen vieler Wirbelloser. Pineai- und Auf ciucr höheren Stufe schon stehen die beiden Organe, die als unpaare, arieaorgan. ^^q^[^^q Augen bczeichuet werden: das Pineai- oder Zirbelauge und das Parietal- oder Scheitelauge. Ihre Entstehung nehmen beide an der Decke des Zwischenhirnes als handschuhfingerförmige Ausstülpungen, die nach der Oberfläche des Kopfes hin auswachsen und dann an ihrem Ende das kleine bläschenförmige Auge entwickeln können, das sich abschnürt. Bei manchen Formen werden beide genannte Organe angelegt, und dann erweist sich das Scheitelorgan als das vordere, das Zirbelorgan als das hintere. Nur ausnahms- weise (beim Neunauge) kommen aber beide wirklich zu hoher Ausbildung; häufiger entwickelt sich nur das eine w^eiter, während das andere verkümmert, und am häufigsten sind beide oder gar nur noch eins, nur in rudimentärem Zustand vorhanden. So finden wir bei den Säugern, Vögeln, Krokodilen, Schildkröten und Schlangen nur noch das Zirbelorgan als kleines drüsiges Knötchen dem Gehirn aufsitzen, während das Scheitelorgan nicht einmal mehr zur Anlage kommt. Formen, bei denen das Zirbelorgan zu hoher Entwickelung gelangt, sind die Neunaugen und Frösche, während bei den Brückenechsen und zahlreichen Eidechsen das Parietalauge eine überraschend augenähnliche Aus- bildung erfährt, indem seine der Haut zugekehrte Wand sich zu einer licht- brechenden Linse verdickt, die gegenüberliegende Wand Seh- und Pigment- zellen entwickelt, und die Haut über dem Organ durchsichtig wird. Daß es tatsächlich auf Lichtstrahlen reagiert, ist objektiv festgestellt. Paarige Augen. Übcr jcdcu Zwcifcl erhaben ist die Sehfunktion bei den paarigen Augen, die, mit Ausnahme des Amphioxus, sämtlichen Wirbeltieren zukommen, bei manchen allerdings in Anpassung an die Dunkelheit der Umgebung, in der Tief- see, unter der Erde in lichtlosen Grotten und Höhlen, rudimentär werden. Auch sie sind in ihrem wichtigsten, lichtperzipierenden Teil, der Netzhaut oder Retina, Bildungen des Gehirns. Im Zusammenhang mit dem Vorderhirn entsteht als seitliche Ausstülpung jederseits die primäre Augenblase, die weiterhin durch Einstülpung ihrer Außenwand in den Augenbecher umge- wandelt wird. In dem eingestülpten Blatt, der eigentlichen Netzhaut, ent- wickeln sich weiterhin die Sehzellen; von ihm aus erfolgt auch die Bildung der meisten Sehnervenfasern, die in das Gehirn einwachsen, während der Augen- stiel, die ursprüngliche Verbindung der Augenblase mit dem Gehirn, zugrunde geht. Als wichtigstes Hilfsorgan gesellt sich zu dem vom Gehirn stammenden Augenbecher die lichtbrechende Linse hinzu, die sich von dem Ektoderm der äußeren Haut abschnürt und in die Höhlung des Augenbechers legt. Vor ihr hellt sich die äußere Haut zur Hornhaut des Auges auf, und aus der Umgebung Sehzellen des Amphioxus. Pineal- und Parietalorgan. Paarige Augen 479 des Augenbechers bilden sich um diesen herum Ernährungs- und Schutzhüllen: die Gefäßhaut, die sich dem äußeren Blatt der Netzhaut anlegt und vor der Linse eine durchbohrte Scheibe mit veränderhcher Öffnung, die Regenbogen- haut mit der Pupille, bildet, weiter die Faserhaut, die dem Augapfel seine feste Form zu verleihen hat und zu diesem Zwecke selbst knorpelige oder knöcherne Einlagerungen erhält. An ihr gewinnen auch die Augenmuskeln Anheftung, die >:'X Gehirn Augenblase Linse. Linsen- anlage F i g. 46. Querschnitt durch Gehirn und Augenblasen eines Hühnerembryos. Nach Hertwig aus Lubosch. Äußeres Blatt des Augen- bechers '— Holller Augenstiel Höhlung des Augenbechers ' F i g. 48. Linker Augenbecher mit Linse von einem Eidechsen- embryo. Nach einem Modell, von Froriep. flomhoi^ Stra JUenJcÖTjie Gehirn Äußeres Blatt und - inneres Blatt des Augen- bechers Linse, sich ab- schnürend Augen- becher AderTut-wt Faserhaut Netthaut ffrube. SeJaterv Fig. 47. Querschnitt durch den Augenbecher und das sich abschnürende Linsensäckchen. Aus zwei Abbil- dungen von Froriep kombiniert von Lubosch. Fig. 49. Das Auge des Menschen. Nach Abelsdorff. Aus Lubosch. ihre Entstehung den Ursegmenten des Kopfes verdanken. Vor der Hornhaut können zum Schutze des Auges Falten der Haut, Augenlider, entstehen, die aber erst bei den Säugern Lidmuskeln — der in das Gesicht einwandernden Hautmuskulatur entstammend — eingelagert erhalten, und von den Amphi- bien, d. h. von der Aufgabe des Wasserlebens, an entstehen in dem Gebiet der Lider auch Drüsen, deren Sekret die Hornhaut feucht erhält und vor Staub und vor der austrocknenden Wirkung der Luft und Hitze schützt. Der geschilderte Bau ist typisch, in allen Grundzügen immer wieder der- selbe, wie das bei einem Apparat, der einer so spezifischen Funktion dient, auch nicht anders zu erwarten ist. Besonderheiten, die überhaupt festzustellen ^go Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere sind, und von denen die meisten als Anpassungen an das umgebende Medium erscheinen, lassen jenes Grundschema des Baues unberührt, sie betreffen die Größe und Form des Auges sowie die Einrichtungen der Akkommodation, d. h. die Einrichtungen zur Einstellung des Auges auf verschiedene Entfernungen. Von den Formbesonderheiten erwähnen wir noch die stark verlängerten ,, Tele- skopaugen" vielerTiefseefische und der Vögel — im übrigen verbietet der Raum ein weiteres Eingehen auf die genannten Unterschiede und Bau -Eigentüm- lichkeiten. Vom rein morphologischen Standpunkt muß als die wichtigste Tatsache gelten, daß das paarige Auge in seinem Hauptteil eine Bildung des Gehirns darstellt und gewissermaßen nur ein vorgeschobener Abschnitt des- selben ist, wie das ja auch für die unpaaren Augen gilt. Diesen gegenüber be- steht aber die Besonderheit, daß das lichtbrechende Organ, die Linse, beim paarigen Auge als selbständige Bildung von der äußeren Haut aus entsteht, während sie bei dem unpaaren Scheitelauge sich aus der äußeren Wand der Augenblase selbst bildet. Genichsorgan. Es bleibt cndHch noch übrig, auf das letzte der großen Sinnesorgane, das Geruchsorgan, einen Blick zu werfen. Ob ein solches bereits dem Amphioxus zukommt, ist zweifelhaft; man hat es in einer unpaaren, beim erwachsenen Tier an die linke Seite rückenden Grube am vorderen Körperende erkennen wollen, zu der auch ein Nerv des ,, Gehirns" tritt. Sicher vorhanden ist aber ein Ge- ruchsorgan bei allen Schädeltieren, und zwar als paariges, nur bei den Rund- mäulern äußerhch unpaar scheinendes Organ, Immer entsteht es als eine — paarige oder unpaare — vor der Mundbucht gelegene Einsenkung des äußeren Keimblattes, in deren Grund sich ein Teil der Zellen zu Riechzellen ge- staltet, indem sie auf ihrem freien Ende Riechhärchen entwickeln und am anderen Ende einen wirklichen Nervenfortsatz gegen den Riechlappen des Gehirns auswachsen lassen. Die Menge dieser Nervenfortsätze bildet den Riechnerven. Vollzieht sich soweit die Entwickelung bei Rund- und Kiefermäulern grundsätzlich gleichartig, so gehen im weiteren die Wege merkwürdig aus- einander. Bei den Rundmäulern bildet sich eine eigentümliche Besonderheit aus; ein enger Anschluß des Geruchsorganes an die sog. Rathkesche Tasche, Dieses als Einsenkung am Dach der primären Mundbucht entstehende Gebilde, das bei den Kiefermäulern bald ganz abgeschnürt wird und sich als Hirnanhang der Unterfiäche des Gehirns anlagert, wächst bei den Rundmäulern zu einem langen Gange aus, der seine Verbindung mit der Oberhaut beibehält, und dessen Mündung durch eigentümliche Wachstumsvorgänge auf den Rücken des Kopfes verlagert wird. Dabei nimmt er die anfangs vor ihm gelagerte äußerlich unpaare Riechgrube gewissermaßen mit, so daß dieselbe schheßlich eine sackförmige Ausbuchtung am hinteren Umfange jenes röhrenförmigen Ganges bildet, dessen unpaare Öffnung auf der Oberfläche des Kopfes beim Neunauge oder Schleim- fisch leicht gesehen werden kann (Fig. 50). Der äußerlich unpaare Riechsack der Rundmäuler wird von einer unpaaren knorpeligen Nasenkapsel, die dem neuralen Schädel angehört, umgeben. Geruchsorgan 481 Bei allen Kiefermäu- lern entstehen und blei- ben die Riechsäcke deut- lich paarig und werden in die beiden Hälften der durch eine Scheidewand im Inneren geteilten Na- senkapsel eingeschlossen. Sehr verschieden gestal- ten sich aber die Zugangs- verhältnisse zu ihnen. Bei den Haien stellt jedes Ge- ruchsorgan eine blinde Grube dar, deren Öffnung an der Unterfläche des Kopfes vor der Mund- spalte gelegen ist und nur durch eine Hautklappe in eine vordere Ein- und eine hintere Ausfiußpforte für das Wasser geteilt wird, während bei Schmelz- schuppern und Knochen- fischen zwei durch eine Hautbrücke völlig ge- trennte Öffnungen als vor- dere und hintere Nasen- öffnung bestehen, die aber beide auf dem Rücken des Kopfes hegen, die vor- dere manchmal auf einer besonderen stielartigen Erhebung.Wieder anders, aber hier nicht weiter zu erörtern, liegen die Dinge bei den Doppelatmern. Diesen Verschiedenheiten bei den Fischen gegenüber besteht von den Amphi- bien an eine größere Ein- förmigkeit: die Riech- grube oder, wie wir jetzt sagen, die Nasenhöhle, mündet stets mit einer K. d. G. in. IV, Bd 2 Zellenlehre etc. muuiifrmL -^-Chiasm -Ch VOD Fig. 50-^/, B, C. Medianschnitte durch den Kopf von drei verschiedenen Entwicklungsstufen einer Larve von Petrorayzon planeri (Amraocötes). Die Figuren zeigen die allmähliche Verschiebung der Hypophyse [Hyp) und der Riechgrube (Ro) aus ihrer ursprünglichen ventralen Lage auf den Rücken des Kopfes. Ch Chorda dorsahs, Chtasm Chiasma opticum, Gp Glandula pinealis (Zirbel), Hh Hinterhim, Hyp Bucht der Hypophyse, Inf Infundibulum, MB Mundbucht, MH Mittelhim, OL Oberhppe, RO Riechorgan, UL Unterlippe, VH Vorderhim, VOD Vorderdarm. Zum größten Teil nach Kupffer und DOHRN. Aus WiEDERSHEIM. II 31 482 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Nasenöffnung Mtindspalte äußeren, bald mehr seitlich, bald mehr vorn gelegenen Nasenöffnung auf der Oberfläche des Kopfes und mit einer inneren Nasenöffnung in die Mundhöhle. Damit ist für sie die Möglichkeit gegeben, in den Dienst einer neuen Funk- tion, der Luftatmung, zu treten, und mancherlei weitere Komplikationen entstehen in Anpassung an diese neue Aufgabe. So kommt es bald zu einer schärferen Trennung zweier Raumabschnitte: eines, der der Zu- und Ab- leitung der Atmungsluft dient, und eines zweiten, der der Riechfunktion vorsteht. In diesen letzteren zieht sich das Riechepithel zurück, während der erstere eine Auskleidung mit indif- ferentem Epithel erhält. In wirk- samster Weise wird diese Scheidung vervollkommnet durch die Ausbildung eines neuen Munddaches, eines se- kundären Gaumens, die in der Weise erfolgt, daß ein Teil der frühe- ren Mundhöhle von dieser abgetrennt und der Nasenhöhle zugeteilt wird, an der er dann naturgemäß nur den der Atmung dienenden Raumab- schnitt vergrößern kann, da ihm ja eine Auskleidung mit Riechzellen fehlt. Auf die Vorgänge bei der Bil- dung des sekundären Gaumens ist bei der Besprechung der Mundhöhle genauer eingegangen; hier mag es genügen, darauf hinzuweisen, daß durch dieselbe die innere Nasenöff- nung, die bei Amphibien sehr weit vorn, dicht hinter dem Zwischenkiefer liegt, immer weiter nach hinten ver- lagert wird (Fig. 53). Sie gelangt dadurch in immer engere Nachbarschaft des Kehlkopfeinganges, und der Weg für die Ein- und Ausatmungsluft wird so immer vollständiger von der Mundhöhle abgetrennt. Unter den Reptilien besitzen die Krokodile einen sekundären Gaumen, der ganz besonders weit nach hinten reicht, bei den Säugern ist er eine überall bestehende Einrichtung, doch dehnt er sich nicht so weit aus als bei den Krokodilen. Mit dem Landleben und der daran geknüpften Luftatmung stehen noch andere Einrichtungen in Verbindung, die sich an der ursprünglich so einfachen Riechgrube ausbilden. Hierher gehören Drüsen, die von den Amphibien an zu bleibendem Besitz der Wirbeltiere werden, und deren leicht erkennbarer Zweck es ist, mit ihrem Sekret die Riechschleimhaut vor Austrocknung zu schützen. In Zusammenhang mit dem Auftreten von Drüsen in der Umgebung des Auges, das ebenfalls erst an die Aufgabe des Wasserlebens geknüpft ist, bildet sich ferner von den Amphibien an ein Tränennasengang, der, ur- Brust- flosse Fig. 51. Kopf eines Haifisches, von unten (vgl. Fig. 57). Geruchsorgan 483 Siebbeinmuschel Kiefermuschel F i g. 52. Halbierter Menschenschädel. Aus LUBOSCH. sprünglich als eine Rinnenbildung der äußeren Haut entstehend, den Binde- hautsack des Auges mit der Nasenhöhle in Verbindung setzt und das Sekret der Tränendrüsen in die Nasenhöhle abführt. Vor allem aber führen die günstigeren Bedingungen, unter denen das Geruchsorgan bei den luftlebenden Wirbeltieren seine Funktion ausübt, zu einer immer weiter gehenden Steige- rung seiner Leistungsfähigkeit, die bei den Säugern ihren höchsten Grad er- reicht. Morphologisch prägt sich das vor allem in einer Vergrößerung der mit Riechzellen bekleideten Schleimhautoberfläche aus, die einerseits durch Ver- größerung der ganzen Nasenhöhle, andererseits durch die Ausbildung von Vor- sprüngen der Wandungen gegen das Innere der Höhle erfolgt. In der Ausbil- dung solcher Vorsprünge gehen die Amphibien noch vielfach eigene Wege, während bei den Reptilien, Vögeln und Säu- gern größere grundsätzliche Übereinstimmung herrscht. Es kommt hier zur Bildung von Nasenmuscheln, Schleimhautvorsprüngen, die knorpelige (bei den Säugern verknöchernde), mit der Skelettwandung der Nasenhöhle in Ver- bindung stehende Einlagerungen erhalten und derÄhnlichkeit mit Muschelschalen, die sie beim Menschen tatsächlich besitzen, ihren Namen ver- danken. Bei den Reptilien entsteht zunächst eine solche Muschel, und zwar von der seit- lichen Nasenwand aus; sie vererbt sich weiter- hin auf die Vögel und Säuger, erleidet aber bei den letzteren als ,, untere" Muschel einen bemerkenswerten Wechsel ihrer Bedeutung. Denn während sie bei den Reptilien von Riechepithel überzogen ist, somit ganz besonders zur Vergrößerung der Riechschleimhaut dient, ziehen sich bei den Säugern die Riechzellen aus ihrem Bereiche zurück und machen indifferenten Zellen Platz. Das ganze Organ gibt damit seine unmittelbare Beteiligung an der Riechfunktion auf und gestaltet sich dafür unter mannigfaltiger Kompli- kation seines Baues zu einem Verteilungs-, Filtrier-, Erwärmungs- und Durch- feuchtungsapparat für die Atmungsluft um. Wird so bei den Säugern die alt- ererbte untere Muschel der ursprünghchen Aufgabe der Riechfunktion ent- fremdet, so wird dafür reicher Ersatz geschaffen in der Ausbildung neuer ,, Muscheln", die im Gebiet der Riechgegend entstehen und zu einer beträcht- lichen Vergrößerung der Riechschleimhaut führen. Da die Skeletteinlagerungen dieser Muscheln Teile des Siebbeins darstellen, so hat man sie als Siebbein- muscheln {Ethmoturbinalia) bezeichnet, im Gegensatz zu der unteren Muschel, die auch den Namen Kiefermuschel [Maxilloturhinale) führt, weil die ihr eingelagerte Knochenplatte keinen Zusammenhang mit dem Siebbein besitzt und dafür am Oberkiefer Befestigung sucht. Eine weitere Vervollkommnung erfährt dieser Muschelapparat vielfach durch Ausbildung mehrerer wulstiger Verdickungen (Riechwülste) auf einer Muschel sowie durch Entstehung klei- nerer Muscheln, die in den Zwischenräumen zwischen den großen ihren Platz 31* 484 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere finden. Alles dies bedeutet auch wieder eine Vergrößerung des riechenden Schleimhautgebietes und steht somit in einem Verhältnis zu der Schärfe des Geruchsvermögens, die ja auch innerhalb der Säuger noch schwankt. Bei sehr vielen Säugern ist die Zahl der großen Siebbeinmuscheln fünf; eine Vermehrung zeigen besonders Huftiere und Zahnarme; eine Verminderung bieten dagegen die Affen und der Mensch: der letztere besitzt für gewöhnlich nur zwei, als mittlere und obere Muschel bezeichnete Siebbeinmuscheln, denen sich nur ab und zu eine dritte hinzugesellt. Noch weiter rückgebildet als das Geruchsorgan des Menschen ist das der Affen, und als völlig zugrunde gegangen muß es bei manchen Zahnwalen, so beim Delphin, angesehen werden. Das Geruchsorgan der Säuger bietet so ein schönes Beispiel für höchste Ausbildung und Steige- rung der Leistungsfähigkeit, zugleich aber auch für das Wiederzurücksinken und schließlich den völligen Schwund eines Organs. Am Geruchsorgan der Säuger sind endlich noch zweierlei Einrichtungen be- merkenswert: die Ausbildung mehr oder minder ausgedehnter Nebenhöhlen der Nasenhöhlen, die in verschiedene der umgebenden Knochen einwachsen, in ihrer funktionellen Bedeutung aber noch nicht klar sind, sowie die Umgestaltung des vordersten Teiles des Nasenskelettes zu einer unter der Herrschaft der Ge- sichtsmuskulatur stehenden und so als Spür- und Schnüffelorgan dienenden ,, äußeren Nase". Daß wir in ihr tatsächlich nicht eigentlich eine Neubildung, sondern eine Umbildung des vordersten Abschnittes der Nasenkapsel zu sehen haben, wurde bereits in dem Abschnitt über das Kopfskelett auseinandergesetzt. Die Betrachtung des Geruchsorgans kann schließlich nicht vorbeigehen an einer wenigstens kurzen Erwähnung des Jacobsonschen Organs, einer Art Nebennasenhöhle, in deren Schleimhaut sich ebenfalls typisches Riechepithel findet, und deren Riechfunktion damit außer Zweifel steht. Bei Amphibien noch ein Teil der großen Haupt-Nasenhöhle, wird es bei den Reptilien, die es besitzen (den Schildkröten und Krokodilen fehlt es ebenso wie den Vögeln), eine selbständige kleine Nasenhöhle, die auch für sich in die Mundhöhle ein- mündet. In diesem Zustand besitzen es auch die Säuger, bei denen es jedoch vielfach rückgebildet wird. Auch beim Menschen ist es rudimentär. Seine be- sondere Bedeutung ist noch nicht ganz klar, doch spricht manches dafür, daß es die Aufgabe besitzt, die Ausatmungsluft (also auch den Mundhöhlen- inhalt) unter besondere Kontrolle des Riechorgans zu stellen. 6. Darm- System. (Organe der Ernährung und der Atmung.) 6. Darm-System. Als zum Darmsystcm im weiteren Sinne gehörig bezeichnet man alle Or- Auf|aben. g^i^c, die durch die verschiedenen Abschnitte des Darmkanales selbst sowie durch Abkömmhnge derselben dargestellt werden. Funktionell betrachtet sind das die Organe der Ernährung und der Atmung. Grundlage und Mutter- boden für sie ist somit der Darmkanal. Darmrohr. Der Darmkanal der Wirbeltiere stellt ein Rohr dar, das ventral (bauch- ^Ei^teiiung,^' wärts) vou dem Achsenskelett verläuft und zwei Öffnungen besitzt, eine vordere, Abkömmlinge. Mund, uud eiuc hintere, After [Anus). EntwickelungsgeschichtHch gehört Geruchsorgan. Darmrohr, Entwickelung, Einteilung, Abkömmhnge 485 die wichtigste am Aufbau dieses Rohres beteiligte Schicht, die dasselbe innen auskleidende Zellschicht, dem inneren Keimblatt an; nur das Mundende des Rohres wird eine Strecke weit von Epithel ausgekleidet, das dem äußeren Keim- blatt entstammt. Das erklärt sich durch die Art, wie das Darmrohr, das anfangs vorn blind endet, seine Verbindung mit der Außenwelt erlangt (Fig. 50). Die- sem bhnden Ende entgegen senkt sich nämlich das äußere Keimblatt in Form der primären Mundbucht ein, bleibt von ihm aber zunächst durch eine aus zwei Zellblättern bestehende dünne Lamelle, die primäre Rachenhaut, getrennt, und erst durch Schwund der letzteren kommt die Vereinigung des Darmlumens mit dem Raum der Mundbucht und dadurch mit der Außenwelt zustande. Somit wird der vordere Teil der definitiven Mundhöhle von Epithel ektodermaler Natur ausgekleidet, und es erklärt sich dadurch die Er- scheinung, daß hier die Zähne entstehen, d. h. Gebilde, die ihrer ganzen Ent- wickelung und ihrem Aufbau nach durchaus gleichartig sind den Zähnchen in der Haut der Haie. An dem hinteren Ende des Darmrohres, das anfangs ebenfalls blind endet, erfolgt eine entsprechende tiefere Einsenkung des äußeren Keimblattes nicht, und so reicht hier das Gebiet der entodermalen Auskleidung des Darm- rohres bis oder fast bis an die Afteröffnung selbst. An dem ganzen, vom Mund bis zum After reichenden Darmrohr lassen sich vor allem zwei Hauptabschnitte unterscheiden, der Kopfdarm und der Rumpfdarm. Der Kopfdarm liegt im Bereiche des Kopfes und des vorder- sten Teiles der Wirbelsäule und erhält von dem Skelett und der Muskulatur des Kopfes feste Wandungen; der Rumpfdarm stellt nur ein dünneres Rohr dar, ohne solche festen Wandungen und zum großen Teil innerhalb der Leibes- höhle gelegen. Der Unterschied zwischen den beiden Abschnitten des Darmrohres ist aber noch ein weitergehender, ein funktioneller. Der Kopfdarm dient einerseits zur Aufnahme der Nahrung und enthält meistens auch schon Organe zur Zerkleine- rung und Durchfeuchtung, selbst zur Verdauung der Nahrung, bildet also den Anfang des Ernährungssystems, steht aber andererseits auch in Beziehung zur Atmung. Er kann nicht nur selbst Atmungsfunktionen übernehmen, son- dern von ihm geht auch die Bildung der hauptsächlichsten Atmungsorgane, Kiemen und Lungen, aus. Der Rumpfdarm dagegen kann nur in ganz seltenen Fällen noch bei der Atmung mithelfen; fast immer ist er ausschließhch Nah- rungsrohr. Von beiden Teilen des Darmrohres geht die Bildung wichtiger Abkömm- linge aus, die zum Teil sehr spezielle Aufgaben übernehmen und damit eine mehr oder minder große Selbständigkeit gegenüber dem Darmrohr gewinnen. In höchstem Maße ist das der Fall am Kopfdarm. Von diesem gehen aus: 1. Die Rathkesche Tasche; 2. die Kiemenspalten und ihre Bildungen (Paukenhöhle, Thymusdrüse, Epithelkörperchen u. a.); 3. die luftführenden Organe des Darmrohres: Schwimmblase und Lungen; 486 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere 4. die Schilddrüse; 5. Zahnbildungen, Drüsen, Zunge. Von diesen erlangen die an den vier ersten Stellen genannten Organe eine gewisse Selbständigkeit gegenüber ihrem Mutterboden, während Zähne, Mund- höhlendrüsen und Zunge räumhch und in ihren Funktionen dem Kopfdarm enger angeschlossen bleiben. Vom Rumpfdarm nehmen vor allem Drüsen ihre Entstehung: die Leber, die Bauchspeicheldrüse und kleine Drüsen, die die Wandung des Darmrohres nicht überschreiten; an das hinterste Ende des Darmrohres ist außerdem noch die Entstehung der Blase und Harnröhre geknüpft. Im nachfolgenden sind nun zunächst das Darmrohr selbst mit den ihm enger verbundenen Abkömmlingen und dann erst die zu mehr selbständiger Bedeutung gelangenden Bildungen desselben zu betrachten. Kopfdarm. Das allgemeine Verhalten des Kopf darmes, über das wir uns zuerst kurz ^Ij^^^'l^^^g unterrichten müssen, bietet bei den einzelnen Wirbeltieren mancherlei Ver- schiedenheiten dar. Beim Amphioxus (Fig. 9), wo ein eigentlicher Kopf fehlt, kann man die ihm entsprechende Darmstrecke immerhin einigermaßen be- stimmen und soweit rechnen, als Kiemenspalten vorhanden sind. Es ergibt sich so als Kopf- oder Kiemendarm ein recht ausgedehnter Darmabschnitt, von dem vorn durch eine ringförmige Falte ein Vorraum abgetrennt ist. In diesen führt die von einem Halbkreis von ,, Girren", stabähnlichen Fortsätzen, um- gebene Mundöffnung hinein. In ähnlicher Weise beginnt auch bei den Rund- mäulern der Kopfdarm mit einem kleinen Vorraum, in dessen Grunde sich der durch die Kiemenspalten ausgezeichnete Abschnitt des Rohres anschließt. Das runde Saugmaul wird hier durch besondere Knorpel gestützt. Demgegenüber besitzen alle übrigen Schädeltiere als Kiefermäuler einen Kopfdarm, dessen quer spaltförmiger Eingang zwischen einem dem Oberschädel angeschlossenen Ober- und einem herunterklappbaren Unterkiefer liegt. Auf beiden können sich die zum Ergreifen, Festhalten, Zerkleinern der Nahrung dienenden Zähne bilden. Nicht selten wird freilich vor diesem Kiefereingang des Kopfdarmes noch ein anderer vorgeschobener Eingang durch Li p p e n , d. h. Falten der Haut, gebildet, die einen vor den Kiefern gelegenen Vorraum der Mundhöhle ab- schheßen. Solche lippenartigen Hautfalten sind schon bei Fischen verbreitet und kommen in verschiedener Ausbildung auch manchen Amphibien und Rep- tilien zu, unter den letzteren namentlich bei Echsen und Schlangen durch die Ein- lagerung von Drüsen (die Giftdrüse der Giftschlangen ist eine Oberlippendrüse) zu größerer Bedeutung gelangend. Wo die Kiefer von hornigen Schnabel- scheiden überzogen werden, wie bei Schildkröten und Vögeln, fehlen Lippen gänzlich. Dasselbe ist demnach auch bei Kloakentieren der Fall, die ja auch mit Hornkiefern versehen sind, während bei den übrigen Säugern die Lippen gerade eine besonders starke Entfaltung erfahren und, von der in das Gesicht einwandernden Gesichtsmuskulatur eingenommen, zu beweglichen und bei der Nahrungsaufnahme mannigfache Verwendung findenden Organe werden. Ganz gewöhnlich ist die von ihnen begrenzte Mundspalte kleiner als der Kieferein- A Innere Nasenöffnunc, i<-^^^nenspalten Äußere Nasen- öffnung ^äüä^ B Lunge Sekundäre Choane Sekundärer Gaumen Abkömmlinge des Darmrohres. Kopfdarm. Allgemeine Einrichtung 487 gang der Mundhöhle, da sie seitlich durch „Backen" ineinander übergehen, die die seitlichen Abschnitte des Vorraumes der Mundhöhle vollständiger nach außen abschließen und unter Ausbildung be- G^ruchsgruhe sonderer Ausbuchtun- gen, Backentaschen,bei manchen Nagern und Affen, zu Vorratskam- mern für die Nahrung werden können. Der Innenraum des Kopf darmes ist als ,, pri- märe Mundhöhle" bei den Fischen noch ein- heitlich; sein hinterer Abschnittstellt sich nur dadurch in einen ge- wissen Gegensatz zu .. dem vorderen, daß seine Seitenwände von den Äußere Kiemenspalten durch- ^J'^^*^' Öffnung setzt werden (Fig. 53). Auf dem gleichen Zu- stand einer primären Mundhöhle verharrt die Kopfdarmhöhle auch noch bei den Am- phibien, nachdem die Kiemenspalten ver- schwunden, und an ihrer Stelle vom hin- tersten Teil des Kopf- darmes aus die Lungen entstanden sind. Und doch bieten die Amphi- bien bereits gegenüber den Fischen eine wich- tige neue Einrichtung, die den Anstoß zu Wei- ^^S*S3* SchematischeDarstellungdesKopfdarinesderFische(^), Amphibien (ä), Säuger (D). Nach Wiedeksheim. Fig. C ist hinzugefügt, um die Bildung des teren Umwandlungen sekundären Gaumens verständlich zu machen, unter Zugrundelegung der Verhält- , ., . ^. nisse bei Krokodilen. Nahrungs- und Atraungsweg sind durch Pfeile bezeichnet. abgibt: die Kinmün- dung der Nasenhöhlen in die primäre Mundhöhle, die weit vorn, dicht hinter dem Zwischenkiefer, also in kurzer Entfernung von der Mundspitze, erfolgt. Dieses Eintreten der Nasenhöhle in die Verwendung als Luftweg für die Schädelbasis Rachen Unterlipp Kehldeckel Luftröh Speiseröhre ^88 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Lungenatmung führt schon innerhalb der Reptilien zu einer als bedeutender Fortschritt aufzufassenden neuen Einrichtung: der schon mehrfach erwähnten Entstehung eines neuen Mundhöhlendaches, eines sekundären Gaumens. Wenn wir von den allerlei mehr unvollkommenen Ansätzen in dieser Richtung bei den verschiedenen Gruppen der Reptilien absehen, so finden wir besonders bei den Krokodilen einen solchen sekundären Gaumen in höchster Ausbildung. Er stellt, wie die Fig. 53 schematisch zeigt, ein Dach dar, das in kurzer Ent- fernung unterhalb des ursprünglichen (primären), von der Schädelbasis ge- bildeten Munddaches in der Art angebracht ist, daß es sich vorn an den vorderen Begrenzungsrand der primären inneren Nasenöffnung anschließt, hinten aber mit freiem Rande endigt. Der über ihm gelegene niedrige Raum setzt somit die Nasenhöhle nach hinten fort, um über dem freien Rande der Gaumenplatte mit der sekundären Nasenöffnung oder sekundären Choane in den hintersten Teil der Mundhöhle zu münden. Jener niedrige, über dem sekundären Gaumen gelegene Raum wird als Nasenrachengang bezeichnet, er stellt einen von der ursprünglichen Mundhöhle abgetrennten und der Nasenhöhle zugeschlagenen Raum dar; die Mundhöhle selbst ist dadurch zu einer sekundären Mund- höhle geworden. Die Zweckmäßigkeit dieser Einrichtung ist klar: es wird da- durch der Luftstrom über der Mundhöhle und unabhängig von derselben bis in die nächste Nähe des Kehlkopfeinganges geleitet. In seiner größten Länge wird dieser sekundäre Gaumen bei den Krokodilen durch von der Seite her gegen die Mittellinie vorspringende und hier zur Vereinigung kommende Gaumen- platten der beiderseitigen Oberkiefer-, Gaumen- und Flügelbeine gestützt, nur hinten schließt sich an den freien Rand dieses harten Gaumens noch ein häutiger Abschnitt als weicher Gaumen (Gaumensegel) an, der den Abschluß der Mundhöhle gegen den Luftweg vervollständigt. Auch bei den Säugern bildet sich in der angegebenen Weise ein sekundärer Gaumen, nur reicht derselbe nicht so weit nach hinten, da an seiner Bildung fast stets nur die Oberkiefer- und Gaumenbeine beteiligt sind. Auch hier erfährt der harte Gaumen eine Ergänzung durch einen weichen Gaumen, in dessen Bil- dung auch Muskeln eingehen. Durch die Gaumenbildung wird auch bei den Säugern von dem vorderen Abschnitt der Kopfdarmhöhle der Nasenrachen- gang abgetrennt, und die Mundhöhle erhält so den Charakter einer sekun- dären Mundhöhle; dagegen bleibt der hintere Abschnitt der Kopf darmhöhle, in den der sekundäre Gaumen nicht hineinreicht, ungeteilt: er wird als Rachen bezeichnet. Von ihm nehmen embryonal die Kiementaschen und die Lunge ihren Ursprung. Zahnbiidungen. Von den Gebilden, die dauernd an die Mundhöhle, mag dieselbe eine ,, primäre" oder eine ,, sekundäre" sein, geknüpft bleiben, sind zunächst die zu nennen, die, aus Hartsubstanzen gebildet, zum Ergreifen und Zerkleinern der Nahrung dienen, die Zahnbildungen im weitesten Sinne. Hierher gehören Hornzähne, die sich in der Mundhöhle der Rundmäuler und, in anderer Form, auch bei den Larven der ungeschwänzten Amphibien finden, zahnähnliche Bil- dungen, an deren Herstellung das Epithel den Hauptanteil hat, vor allem aber Kopfdarm, allgemeine Einrichtung. Zahnbildungen 489 Schmelz -Zahnbein Epithel Kiefers ZaJin- letste mit Ersatz- zähnen die echten oder Dentin-Zähne. Sie setzen sich aus genau den gleichen Sub- stanzen (Schmelz, Dentin, Zement) zusammen, die auch die kleinen Haut- zähnchen der Haifische aufbauen, und sind nur durch die Größe von diesen verschieden; ihr Auftreten in der Mundhöhle erklärt sich durch die oben ge- würdigte Tatsache, daß die Schleimhaut, die den vorderen Teil der Mundhöhle auskleidet, aus eingestülpter äußerer Haut hervorgeht. Wie bei der Bildung der Hautzähne, so sind auch bei der der Mundhöhlenzähne das Epithel und das darunter gelegene Bindegewebe beteiligt: ersteres, indem es die den Zahn bekleidende Schmelzkappe bildet, letzteres, indem es den Dentinkegel entstehen läßt, der dem gan- zenZahnzugrundeliegt, ferner das Zement, das in wechseln- der Anordnung an der Her- stellung der Basis des Zahnes beteiligt ist, und endlich das die Zahnhöhle erfüllende weiche Gewebe, diegefäß-und nervenreiche Zahnpulpa. Der Anstoß zu der Bildung der Zähne geht auch hier vom Epithel aus: dieses wuchert in Form einer Leiste (Zahn- leiste) in das unterliegende Bindegewebe und erzeugt an dieser dann durch weitere Wucherung einzelne kappen- förmige Gebilde, Schmelz- organe, die aus dem unterliegenden Bindegewebe eine den Innenraum der Kappe erfüllende Zahnpapille herausmodellieren (Fig. 54). Schmelzorgan und Zahnpapille bilden zusammen die Zahnanlage; die innersten Epithelzellen des ersteren scheiden weiterhin auf ihrer Innenfläche den Schmelz, die oberflächlichen Bindegewebszellen der Papille das Dentin ab. Das umgebende Bindegewebe läßt das Zement entstehen. Stets produziert die Zahnleiste die Anlagen für mehrere Generationen von Zähnen; am Kiefer entsteht die erste Generation über dem Kiefer selbst, die anderen nach innen davon. Zähne von dem geschilderten Bau finden sich von den kiefermäuligen Fischen an bis zu den Säugern in mannigfacher eigenartiger Ausbildung; wo sie fehlen, da läßt sich mit Sicherheit schließen, daß sie rückgebildet wurden. Es ist das der Fall bei Schildkröten, Vögeln und manchen Säugern; eine Horn- bekleidung des Kiefers schafft dabei vielfach einen funktionellen Ersatz für den Zahnmangel. Die Besonderheiten des Gebisses innerhalb der einzelnen Klassen betreffen vor allem die Verteilung der Zähne, ihre Form und die Art ihres Ersatzes. Vorzügliche Ausgangszustände bieten die Haie dar. Die Zähne sitzen hier ziemlich lose in der Mundschleimhaut, und zwar als sehr kleine Ge- KieferknocJi en Fig. 54. Triton cristatus, Querschnitt durch die vordere Hälfte des Unterkiefers. Funktionierender Zahn, Zahnleiste mit Ersatzzähnen. Nach C. RöSE. AQQ Ernst Gaüpp: Die Morphologie der Wirbeltiere bilde in der ganzen Mundhöhle bis zum Eingang der Speiseröhre, und als große kräftige Kieferzähne auf den Knorpelbogen, die den Mundeingang begrenzen, dem Palatoquadratum und dem primordialen Unterkiefer (Fig. 20). Stets finden sich hier bereits mehrere Generationen von Zähnen, und zwar so zuein- ander angeordnet, daß nur die im Gebrauch befindliche Zahnreihe aufgerichtet ist, während die nach innen davon in mehreren Reihen liegenden Ersatzzähne noch ihre Spitzen nach abwärts kehren, um sich erst aufzurichten, wenn ihre Vordermänner verbraucht und ausgefallen sind. Innen von den jüngsten Er- satzzähnen wuchert die Zahnleiste weiter und sichert den fortdauernden Zahn- ersatz während des ganzen Lebens durch Erzeugung immer neuer Zähne (un- begrenzter Zahnwechsel, Polyphyodontie). Die Einzelzähne sind untereinander gleich (,,Homodontie", Gleichartigkeit des Gebisses), haben aber bei den ein- zelnen Arten recht verschiedene Formen, von spitzen und schneidenden lanzett- förmigen Gebilden bis zu rundlichen Höckern oder breiten Platten, die bei Rochen zum Zermalmen der Muschelschalen dienen müssen. Der wichtigste Fortschritt, den die übrigen Fische gegenüber den Haien zeigen, liegt darin, daß die Zähne in den meisten Fällen nicht mehr lose in der Schleimhaut stecken, sondern in größerer Anzahl auf knöchernen Platten auf- gewachsen sind. Schon bei Betrachtung des Kopfskelettes wurde das dahin gedeutet, daß einzelne Gruppen von Zähnen mit ihren basalen Zement- Abschnitten untereinander zu zahntragenden Knochen verwachsen sind. Durch die Verbreitung der Zähne bei den Haien erklärt es sich, daß bei den höheren Fischen solche zahntragende Knochen nicht nur an den Kieferrändern, sondern auch in der Tiefe der Mundhöhle, selbst auf den Kiemenbogen, vorkommen. Freilich zeigen die Schmelzschupper, Knochenfische und Doppelatmer, und unter diesen drei großen Gruppen wieder die kleineren Untergruppen und Arten eine sehr große, zu der Art der Nahrung mancherlei Beziehungen bietende Mannigfaltigkeit in der Verteilung der Zähne und der Form des Einzelzahnes: nicht alle Mundhöhlenknochen, die in ihrer ersten Entstehung auf Verwach- sung von Zähnen zurückgeführt werden, behalten dieselben bei allen Formen bei; vielfach gehen die Zähne verloren, während die Knochen als zahnlose Platten erhalten bleiben. Mit fortdauerndem Zahnersatz darf wenigstens bei Schmelzschuppern und Knochenfischen gerechnet werden. Das gleiche gilt auch für die Amphibien und die meisten Reptilien, bei denen im übrigen die Zähne in der Tiefe der Mundhöhle immer mehr schwinden, und somit allein die auf den Knochen des Mundrandes übrig bleiben: auf dem Zwischen- und Ober- kiefer im Gebiet des oberen, auf dem Dentale und manchmal auf dem Spleniale in dem des unteren Mundrandes. Doch erreichen auch unter den Reptihen die auf dem Gaumen- und dem Flügelbein sitzenden Zähne noch einmal eine größere Bedeutung bei den Schlangen, bei denen außerdem ein Oberkieferzahn als Giftzahn Verwendung finden und zu diesem Zweck mit einem besonderen Giftkanal versehen werden kann. Völligen Schwund auch der Kieferzähne zeigen die Schildkröten; beim Frosch fehlen die Zähne des Unterkiefers, wäh- rend die des Oberkiefers als sehr kleine Gebilde erhalten bleiben. Bei allen hier Zähne ^q j nicht zu verfolgenden Verschiedenheiten in der Verteilung der Zähne bietet doch das Gebiß der Amphibien, Brückenechsen, Echsen und Schlangen noch ein gemeinsames Merkmal: die Einzelzähne sind mit den Knochen, auf denen sie sich finden, ähnlich wie bei den Knochenfischen, verwachsen. Eine wichtige Neuerung zeigen die Krokodile: die kegelförmigen Zähne stecken hier in Fächern (Alveolen) des Ober- und Unterkiefers. Diese Einrichtung ist zur Regel geworden bei den Säugern und führt zur schärferen Scheidung einer in die Alveole eingesenkten Zahnwurzel, in der die Zahnhöhle auf einen sehr feinen Kanal verengt wird, gegenüber der frei hervorstehenden Krone, einer Scheidung, durch die der Einzelzahn auf eine höhere Stufe der Ausbildung und damit zu längerer Lebensdauer gelangt. Dementsprechend kommt jetzt die Einrichtung des unbegrenzten Zahnersatzes, die von den Haien an bestand, in Wegfall; die Zahnleiste wird nur noch zur Erzeugung weniger Zahngenerationen in Anspruch genommen. Bei weitaus den meisten Säugern kommen deren zwei zur Ausbildung und Funktion, das auf die Jugend beschränkte Milchgebiß und das, von einem gewissen Alter an, an seine Stelle tretende, bleibende Gebiß. Doch zeigen sich hier und da, und auch beim Menschen noch Andeutungen zweier weiterer Zahngenerationen (,, Dentitionen"), einer, die dem Milchgebiß vorhergeht, und einer, die dem bleibenden Gebiß folgt. Andererseits kommt auch noch eine weitere Reduktion auf nur eine Zahngeneration vor, sei es da- durch, daß die Milchzähne schon embryonal wieder schwinden, und somit nur die Ersatzzähne zur Ausbildung gelangen, sei es dadurch, daß die Milchzähne das ganze Leben bestehen bleiben. Übrigens nimmt bei manchen Säugerzähnen der in die Alveole versenkte Abschnitt nicht den Charakter einer Wurzel an, sondern behält seinen weiten Zahnkanal bei, ein Zustand, der ein fortwähren- des Wachstum des Zahnes unterhält. Solche wurzellosen immerwachsenden Zähne sind z. B. die Nagezähne der Nager, bei denen so fortwährend das er- setzt wird, was an der freien Kante des Zahnes abgenutzt wird. Gewiß eine der bemerkenswertesten Besonderheiten des Säugergebisses ist aber die Verschiedenheit in den Formen der Einzelzähne. Von den Delphinen abgesehen, bei denen alle Zähne ähnlich denen der Reptilien kegelförmig ge- staltet sind, finden wir bei den Säugern ganz regelmäßig eine Scheidung in meißeiförmige Schneide-, kegelförmige Eck- und mit Höckern versehene kleine und große Backzähne, denen allen bei der Nahrungsbewältigung verschiedene Aufgaben zufallen. Denn während bei den niederen Wirbeltieren, wenigstens den lebenden unter ihnen, die spitzen Zähne in erster Linie zum Ergreifen und Festhalten der .Beute dienen, diese dann aber gewöhnlich unzer- kleinert heruntergeschluckt wird, findet bei den Säugern eine weitgehende Zer- kleinerung der Nahrung, ein Kauakt, in der Mundhöhle statt, bei dem sich die verschieden gestalteten Zähne in die einzelnen besonderen Aufgaben — Fest- halten, Zerschneiden, Zermalmen — teilen. Den kleinen und großen Back- zähnen — die unter sich durch ihre eigene Größe sowie durch die Größe und die Zahl ihrer Höcker und Wurzeln unterschieden sind — fällt dabei das eigent- liche Zermalmen der Nahrung zu, eine Aufgabe, für die sie eben durch die ^Q2 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Höckerbildungen ihrer Kronen eingerichtet sind. Diese Höcker zeigen recht verschiedene Formen: von niedrigen Hügeln, schneidenden Kanten, quer- oder längsgestellten Jochen — Verschiedenheiten, die zu der Art der Nahrung in Be- ziehung stehen. Morphologisch sind alle die verschiedenen Formen der Back- zähne wohl von solchen mit stumpfen niedrigen Hügeln abzuleiten, wie sie bei den ausgestorbenen Säugern des Tertiär weit verbreitet waren. Für die Feststellung des verwandtschaftlichen Zusammenhanges der For- men spielt gerade bei den Säugern das Gebiß eine sehr große Rolle, wobei neben der Form der Backzähne besonders die Zahl der in den einzelnen Zahnkatego- rien vorhandenen Einzelzähne die größte Bedeutung besitzt. Die jetzt lebenden Säuger bieten in ihren Zahnformeln, die jenes Zahlenverhältnis zum Aus- druck bringen, viele Verschiedenheiten, doch hat sich gezeigt, daß für eine sehr große Zahl von ihnen Formen mit der Zahnformel ^ = 44 den Ausgang ab- gegeben haben. (Die Formel, die jetzt noch für Tapire, Schweine und manche Insektenfresser gilt, bedeutet, daß im Ober- wie im Unterkiefer auf jeder Seite 3 Schneidezähne, i Eckzahn, 4 kleine und 3 große Backzähne, im ganzen somit 44 Zähne vorhanden sind.) Bei manchen Beutlern ist die Zahl der Zähne noch größer, die meisten lebenden Placentaltiere haben dagegen reduzierte Ge- bisse, so der Mensch i~ = 32), die Wiederkäuer (^ = 32; im Oberkiefer fehlen die Schneidezähne und der Eckzahn), der Biber (^ = 20; es sind nur je ein Schneidezahn und 4 Backzähne vorhanden). Vollständiger Mangel der Zähne kommt unter den Säugern bei den Kloakentieren sowie beim Ameisen- fresser und Schuppentier vor. Zunge. Eine gleich große Bedeutung in stammesgeschichtlicher Bedeutung wie den Zähnen kommt dem nächsten Organ der Mundhöhle, der Zunge, nicht zu; für das Tier selbst steht sie aber an Wichtigkeit hinter den Zähnen nicht zurück. Ursprünglich erscheint sie als eine Faltenbildung der Schleimhaut am Boden der Mundhöhle, die eng an die hier gelegenen Skeletteile geknüpft ist und nur in Zusammenhang mit diesen bewegt werden kann. In dieser Form erreicht sie bei den Rundmäulern, wo sie mit Hornzähnen besetzt ist, eine hohe Aus- bildung und findet beim Ansaugen des Neunauges wie ein Spritzenkolben, beim Schleimfisch auch zum Bohren Verwendung. Bei den kiefermäuligen Fischen wird sie durch den Schleimhautüberzug über dem unpaaren Skeletteil des Zungenbeinbogens dargestellt, und trägt nicht selten sogar Zähne. Zu höherer selbständiger Bedeutung gelangt sie erst von den Amphibien an, ein- mal durch die Entwickelung reichlicher Drüsen, andererseits durch das Ein- wandern von Muskeln in sie, durch die Entstehung einer Eigenmuskulatur, die ihr auch eine eigene, von dem Visceralskelett unabhängige Beweglichkeit ver- schafft. Bei den langschwänzigen Amphibien bleibt sie freihch noch wie bei den Fischen eng an das Visceralskelett geknüpft, und selbst beim Spelerpes, einem kleinen Molch, der seine Zunge zum Insektenfang sehr weit aus dem Maule herausschießen lassen kann, ist dies nur dadurch möglich, daß ein Teil des Zungenbeinskelettes mit herausschießt; aber bei den Fröschen ist die Zähne. Zunge. Gaumenleisten. Mundhöhlendrüsen ^gi Emanzipation der Zunge vom Zungenbeinskelett vollständig geworden, und die erstere führt ihre fliegenklappenartigen Bewegungen lediglich durch die ihr eigene Muskulatur aus, und zwar um die Spitze des Unterkiefers herum, an der sie mit ihrer eigenen Spitze angewachsen ist. Die Reptihen besitzen die Zunge in mannigfacher Ausbildung, bald als dickere wenig bewegliche Schleimhaut- falte, bald als dünnes schlankes, lebhafter Bewegung fähiges Organ, dessen ,, züngelnde" Bewegungen bei den Schlangen auf seine Bedeutung als Tastorgan hinweisen. Das Höchstmögliche in bezug auf Beweghchkeit wird aber doch von der Zunge des Chamäleon erreicht, die durch einen sehr kunstvollen Mecha- nismus blitzschnell weit aus dem Maul herausschießen kann, um mit ihrer drüsenreichen Spitze die Beute zu erhaschen. Im Gegensatz dazu ist die Zunge der Vögel wieder, abgesehen von der der Papageien, nur wenig beweghch, und wo sie, wie bei Spechten, weit aus dem Schnabel herausgesteckt werden kann, da geschieht dies unter Beteiligung des Zungenbeinapparates. Im übrigen zeigt gerade die Vogelzunge eine große Mannigfaltigkeit der äußeren Gestaltung; manchmal lang und spitz, wie bei Spechten und Kolibris, ist sie in anderen Fällen breit und dick, wie bei Wasservögeln. Hornbildungen, in Form eines ausgedehnten Hornüberzuges oder horniger Papillen, spielen auf der Vogel- zunge eine sehr große Rolle. Eine sehr hohe Ausbildung erlangt endlich die Zunge bei den Säugetieren, wo sie unter Entwickelung einer reichen Musku- latur zu einem voluminösen und beweglichen Organ wird, das in verschiedener Weise bei der Nahrungsgewinnung und -bewältigung mit tätig ist, zugleich aber durch Ausbildung von Geschmacksknospen auf ihrer Oberfläche zu dem wichtigsten Geschmacksorgan wird. Doch fehlen auch der Zunge der Säuger die Hornbildungen nicht, namentlich finden sie sich bei Formen, bei denen die Eigenheit der Nahrung einen Schutz der Zungenschleimhaut gegen Verletzun- gen (z. B. durch zerbissene Knochen, durch schneidende Gräser) erheischt. In funktioneller Hinsicht bietet gerade die Zunge das allergrößte Interesse, ihre Verwendung beim Fangen, Erhaschen, Bewältigen, Herunterschlucken der Nahrung, als Tastorgan, Geschmacksorgan und schließlich im Dienste der menschhchen Sprache zeigt eine Vielseitigkeit der Anpassungsfähigkeit, die kaum von einem anderen Organ erreicht wird, und macht sie zugleich für viele Formen zu einem für die Erhaltung des Lebens sehr wichtigen Gebilde. Im Anschluß an die Zunge verdienen die queren Gaumenleisten Be- Gaumenleisten, achtung, die auf dem harten Gaumen der Säuger vorhanden sind und die Tätig- keit der gegen den Gaumen arbeitenden Zunge bei der Bewältigung der Nahrung wirksam unterstützen; aus ihnen gehen bei den Bartenwalen mächtige quere Hornplatten hervor, die Barten, die vom Gaumen in die Mundhöhle herunter- hängen und an ihrem freien Rande sich in Hornfäden auflösen, so mit der Zunge einen Siebapparat bildend, durch den kleine mit dem Wasser aufgenommene Tiere zurückgehalten werden. Das Hörn ist ein Erzeugnis des Epithels. EndHch ist dann noch kurz der Mundhöhlendrüsen zu gedenken, die MandhüUen- von der Aufgabe des Wasserlebens, also von den Amphibien an auftreten, auf den Zungen, den Lippen, Backen, dem Munddach und Mundboden ihren Sitz drüsen. 494 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Rumpfdarm. Allgemeines. haben können und nicht nur der Durchfeuchtung der Nahrung dienen, sondern auch chemisch wirksame Stoffe produzieren, wie den Speichel, oder das Gift der Giftschlangen, das, einer Oberlippendrüse entstammend, durch den Drüsen- gang in den Giftzahn geleitet wird. Der Betrachtung des Kopfdarmes schließen wir hier zunächst die des Rumpf- darmes an, an dem ganz allgemein drei Abschnitte, als Vorderdarm, Mittel- oder Dünndarm, End- oder Dickdarm unter- scheidbar sind. Der Vorderdarm gliedert sich noch in Speiseröhre und Magen. Der gesamte Rumpfdarm stellt ein Rohr mit nicht sehr dicker Wandung dar, dessen innerste, zellige Schicht, das Epithel, dem Entoderm entstammt, während die übrigen aus Bindegewebe und glatter Muskulatur bestehenden Schichten von dem visceralen Blatte des mittleren Keimblattes gehefert werden. Der größte Teil des Rumpfdarmes hegt in der Leibeshöhle, an deren dorsaler Wand er durch ein Gekröse {Mesenterium), das den Übergang des visceralen Mesoderm- blattes in das parietale Blatt vermittelt, befestigt ist (Fig. 8). Dieses schematisch einfache Verhalten erleidet allerdings, namentlich bei den Säugern, mancherlei Störungen. Die Speiseröhre sowie der hin- terste Teil des Enddarmes liegen nicht mehr im Bereiche der Leibeshöhle. Der gesamte Rumpfdarm durchzieht in seiner ersten Anlage den Körper in gerade gestrecktem Verlaufe, bewahrt aber nur beim Amphioxus und bei den Rundmäulern noch einiger- Fig. 55. Schematisches Übersichtsbild über den maßen dicscs primitive Verhalten, Während gesamten Darmtractus des Menschen. A After, _ , Ca Colon ascendens, Cd Colon descendens. C/ et SOUSt durch bcträchtllcheS LängCnwachS" Colon transversum, Z)(3f Dünndarm, G/j Glandulae . . , , • i i i „■„i,„ ^S/^^-r-. saiivaies, G/.//. Glandula thyreoidea, G/.//.V Gian- tum in mchr odcr miudcr Zahlreiche Wm- dula thymus, Ld Leber, Z^ Lunge, Mg Magen, Zungen gelegt wird. Oe Oesophagus, Pa Pankreas, P/i Pharynx, Pr o o o Processus vermiformis, R Rectum, vü Vaivuia Dic Gücderung iu dic genannten Ab- ilio-colica, 2 Zwerchfell. ,. ,.,. t .,rii _ u schnitte, die beim Lanzetttischchen noch nicht durchführbar ist, ist auch bei den Schädeltieren nicht immer scharf ausgesprochen. Wo sie gut ausgebildet ist, bildet die Speiseröhre ein enges, wesentlich zur Zuleitung der Nahrung dienendes Rohr, dem als erweiterter Abschnitt der Magen folgt. In ihm erfolgt unter dem Einfluß des Sekretes spezifischer Magendrüsen die Verdauung. Durch eine Ringfalte von ihm ab- Rumpfdarm, Allgemeines. Vorderdarm aqc gesetzt, schließt sich ihm der dünne und meist in mehr oder minder reichliche Windungen gelegte Mitteldarm an, in dem einmal die Aufsaugung des Darm- inhaltes, außerdem aber noch ein Teil der Verdauung erfolgt, letzteres vor allem durch das Sekret der beiden großen, dem Rumpfdarm zukommenden Drüsen, der Leber und der Bauchspeicheldrüse, die beide am Anfang des Mittel- darmes ihren Ursprung nehmen und mit ihren Mündungen somit die vordere Grenze desselben angeben, wenn, wie bei Rundmäulern und manchen kiefer- mäuligen Fischen, ein erweiterter Magenabschnitt fehlt. Der End- oder Dick- darm schließlich, der den Darminhalt herausleitet, aber auch noch aufsaugende Wirkungen ausübt, ist im allgemeinen durch wieder dickeres Kaliber, häufig auch noch dadurch von dem Mitteldarm abgesetzt, daß sich an seinem Anfang ein bhnder Anhang des Darmrohres, der Blinddarm, findet. Von den einzelnen Abschnitten des Rumpfdarmes ist es der Vorderdarm, Vorderda der die meisten Besonderheiten bei den verschiedenen Klassen der Wirbeltiere zeigt. Seine Scheidung in eine Speiseröhre und einen Magen fehlt, wie eben schon gesagt, noch bei manchen Fischen, ist aber bei anderen schon deutlich und erhält sich bei den landlebenden Wirbeltieren. Daß bei Formen mit langem Hals auch die Speiseröhre länger ist als bei solchen mit kurzem Hals, ist leicht verständlich. Manchmal tritt sie aus der Rolle eines bloßen Zuleitungsrohres für die Nahrung heraus: so kann sie durch Ausbildung besonderer Drüsen an der Verdauung teilnehmen (z. B. beim Frosch), oder durch Entwicklung horniger Papillen auf ihrer Schleimhaut, wie bei der großen Suppenschildkröte, zur Zerkleinerung der Bissen beitragen, oder endlich, wie bei Vögeln, eine Aus- buchtung, den sog. Kropf, entwickeln, der entweder nur zum Aufspeichern größerer Mengen von Nahrung Verwendung findet oder in seinem Innern ein Sekret absondert, das zur Ernährung der Jungen dient (Taubenmilch der Tauben). Der Magen, der bald längs, bald quer im Leibesraum gelagert ist und sich darin vor allem nach der Form des Körpers richtet (längsgestellt bei langem, quer bei breitem Körper), erleidet manchmal eine weitere Zerlegung in einzelne Abschnitte. So zerfällt er bei Vögeln in einen Drüsenmagen, indem die chemische Beeinflussung der Nahrung vor sich geht, und einen sehr dick- wandigen Muskelmagen, der mit der mächtigen Muskulatur seiner Wandung und unterstützt durch einen aus erstarrtem Drüsensekret gebildeten rauhen festen Überzug seiner Schleimhaut, den Inhalt mechanisch durcharbeitet und damit das nachholt, was, bei dem Mangel der Zähne, in der Mundhöhle nicht geleistet werden konnte. Die merkwürdigste Zerlegung des Magens zeigen aber doch die Wiederkäuer, die nicht weniger als vier einzelne Abschnitte unter- scheiden lassen. Von diesen werden die zwei ersten zunächst zum Anfüllen mit Nahrung verwendet, die aber dann wieder in die Mundhöhle zurückbefördert wird, um nunmehr erst gründlich durchgekaut und durchspeichelt zu werden. Der abermalige Schluckakt führt sie dann in den dritten und vierten Ab- schnitt des Magens, die als die eigentlich verdauenden Abschnitte anzusehen sind. Übrigens lassen auch die Mägen anderer Pflanzenfresser mancherlei Besonder- heiten und Unterschiede gegenüber den Mägen von Fleischfressern erkennen. ^QÖ Ernst Gaupp; Die Morphologie der Wirbeltiere Mitteldarm. Die Verschiedenheiten, die der Mitteldarm äußerhch darbietet, sind viel weniger in die Augen springend und beschränken sich im wesentlichen auf die Reichlichkeit der Schlingenbildungen und die Anordnung der Schlingen, Besonderheiten, die von funktionellen Momenten abhängig sind. Im Innern läßt die Schleimhaut mancherlei Faltenbildungen entstehen, unter denen eine nach ihrer Anordnung als Spiralfalte bezeichnete manchen Fischen zukommt. Ihre Bedeutung dürfte darin liegen, den Transport des Darminhaltes zu verlangsamen und so die bessere Ausnutzung desselben zu ermöglichen. Enddarm. Dcr Enddarm erscheint bei Fischen zunächst als ein verdickter kurzer Abschnitt des Darmes mit geradem Verlaufe, der demnach in dieser Form auch als Rektum bezeichnet wird. Dieser Zustand bleibt auch zunächst noch bei den landlebenden Wirbeltieren bestehen und erfährt erst bei den Säugern eine Weiterbildung durch starkes Auswachsen des Enddarmes, dessen größerer Teil sich nun auch in eine Schlinge legt und damit als Kolon (Dickdarm im engeren Sinne) dem gerade bleibenden Endabschnitt, dem Rektum (geraden Darm) gegenübergestellt werden kann. An beiden bilden sich Bau-Besonderheiten aus. Da, wo der Dünndarm in den Dickdarm einmündet, entsteht im Innern des letzteren eine Schleimhautklappe, die den Rücktritt des Dickdarminhaltes in den Dünndarm verhindert. Der letzte Abschnitt des Enddarmes nimmt bei niederen Wirbeltieren als Kloake die Mündungen der Harn- und Geschlechts- organe auf und erhält dadurch den Anstoß zu weiteren Umbildungen, denen wir bei den Harn- und Geschlechtsorganen begegnen werden. Eine besondere Erwähnung verdient endlich noch die schon oben genannte blinde Ausbuchtung, die am Enddarm da entsteht, wo in ihn der Mitteldarm einmündet: der Blinddarm oder das Caecum. Schon bei manchen Amphi- bien angedeutet, ist es bei Reptilien weit verbreitet und fehlt auch den Vögeln gewöhnlich nicht. Hier sind sogar in der Regel zwei Blinddärme vorhanden, die im allgemeinen bei herbivoren Formen besser ausgebildet sind als bei karni- voren und damit auf eine besondere Bedeutung bei der Verdauung vegetabi- lischer Nahrung hinweisen. Gleiche Verschiedenheiten sind auch bei den Säugern erkennbar, wo gewöhnlich nur einer, und nur sehr selten zwei Blind- därme bestehen. Jener eine, der besonders bei manchen Huftieren und Nagern gut entwickelt ist, bei Raubtieren mehr zurücktritt, erleidet bei mehreren For- men, darunter dem Menschen, eine Rückbildung seines Endabschnittes zu einem mit engem Lumen versehenen wurmförmigen Anhängsel: dem Wurm- fortsatz, der somit in die Reihe der rudimentären Organe gehört und beim Menschen bekannthch, infolge der an ihm nicht selten auftretenden Erkran- kungen, häufig operativ entfernt wird, j.eber und Dem Rumpfdarm angeschlossen sind zwei große Drüsen, die Leber und ^"drifse'.'^ ^ ^^^ Bauchspeicheldrüse (das Pancreas). Beide nehmen ihre Entstehung von dem Anfangsteil des Mitteldarmes und verleihen diesem, indem sie in ihn ihre Sekrete ergießen, seine Fähigkeit, verdauend, d. h. chemisch verändernd auf die Nahrungsstoffe zu wirken. Mitteldarm. Enddarm. Leber, Bauchspeicheldrüse. Derivate des Kopfdarmes 4.07 Eine Leber hat man schon beim Amphioxus erkennen wollen in einem vom Anfang des Rumpfdarmes abgehenden Blindsack; sicher vorhanden ist sie bei Rundmäulern. Den Kiefermäulern kommt sie ohne Ausnahme zu. Sie entsteht stets an der ventralen Darmwand als einfache Ausstülpung, aus der weiterhin durch lebhaftes Wachstum und Sprossenbildung unter starker Be- teihgung des Blutgefäßsystems ein großes drüsiges Organ von meist brauner Farbe hervorgeht. Schon bei den Rundmäulern erscheint es zweilappig. Von seinem Ausführungsgange aus kann eine Gallenblase, als besonderes Reser- voir für die in der Leber abgesonderte Galle, ihren Ursprung nehmen. Die Bauchspeicheldrüse entsteht ebenfalls vom Anfang des Mittel- darms, in nächster Nähe der Leber, und zwar sehr gewöhnlich (bei vielen Fischen, bei Amphibien, Reptihen, Vögeln und Säugern) mit drei Anlagen, einer dorsalen und zwei ventralen. Dementsprechend können auch an dem ausgebildeten Organ mehrere selbständige Ausführungsgänge erhalten bleiben, doch kommt es auch oft zu einer Vereinigung derselben, wie auch Anschluß des Ausführungsganges der Bauchspeicheldrüse an den Lebergang nicht selten be- steht. Das Verhalten des fertigen Organes schwankt im übrigen sehr. Wir haben damit das Darmrohr und seine Anhangsgebilde, soweit sie im Rathkesche Dienste der Ernährung stehen, besprochen und müssen nun noch einmal zum '^^^'-■^^• Kopfdarm zurückkehren, um auch den Abkömmlingen desselben gerecht zu werden, die dieser Funktion entfremdet werden und auch morphologisch eine größere Selbständigkeit gegenüber dem Darmrohr erlangen. In erster Linie wurde da genannt die Rathkesche Tasche. Das ist eine taschenförmige Ausstülpung, die vom Dach der Mundhöhle, noch im ektodermalen Gebiete desselben, ihren Ursprung nimmt, bei allen Kiefermäulern sich abschnürt und als drüsiges Körperchen an die Unterfläche des Gehirns legt, hier den Hirn- anhang (die Hypophyse) bildend, während sie bei. den Rundmäulern in Zu- sammenhang mit dem Ektoderm bleibt, aber ganz merkwürdige, bereits (S. 480) geschilderte Umänderungen und Verlagerungen erleidet. Weiterhin kommen sonstige in Betracht die Schlundtaschen und die von ihnen ausgehenden Bildungen, Kopfdarmet! ferner die luftführenden Anhänge des Darmrohres, Schwimmblase und Lungen, endhch die Schilddrüse. Sie alle nehmen ihren Ursprung von dem hinteren Teil der Kopf darmhöhle, den man auch kurzweg als Kiementeil des Darmes bezeichnen kann. Das ihn auskleidende Epithel gehört durch- aus dem Entoderm an; d. h. das ganze Gebiet liegt hinter der primären Rachen- haut, im Bereiche des Darmrohres selbst, und die ektodermale Mundbucht hat keinen Anteil mehr an ihm. Von den genannten Organen werden die Schlundtaschen und die Atmungsorgane. Lungen zu den Atmungsorganen; in ihnen lokalisiert sich somit eine Funktion, die bei den Amphibien sogar einem großen Teil der ganzen Mund- höhle zukommt: die des respiratorischen Gaswechsels, darin bestehend, daß aus den Blutgefäßen der betreffenden Schleimhautgebiete die bei der Organtätigkeit gebildete Kohlensäure in das Medium, das jene Schleimhäute berührt, mag es nun Wasser oder Luft sein, abgegeben wird, und dafür aus K.d.G.III.Iv,Bd2 ZeUenlehreetc.il 32 4q8 • Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere diesem Medium neuer Sauerstoff in die Gefäße eintritt. Diese Aufgabe hat eine allen Atmungsorganen gemeinsame Eigentümlichkeit im Gefolge: während alle anderen Körperorgane durch ihr zuführendes Blutgefäß (die Arterie) sauer- stoffreiches Blut erhalten und durch das abführende Gefäß (die Vene) sauer- stoffarmes und dafür kohlensäurereiches Blut abgeben, bekommen die At- mungsorgane durch ihre zuführenden Gefäße gerade das „venöse", kohlensäure- reiche, der Verbesserung bedürftige Blut überliefert und geben es durch die ab- führenden Gefäße in ,,arterialisiertem" Zustand, von seiner Kohlensäure befreit und mit Sauerstoff neu beladen, wieder ab. Eine sehr reiche Verästelung der feinsten Blutgefäße (des Kapillarnetzes) ist eine weitere, in ihrer Bedeutung leicht verständliche Eigentümlichkeit aller Schleimhautgebiete, in denen jener Gaswechsel erfolgt. Kiemenapparat. Fasscn wir uuu zuuächst den von den Schluudtaschen gebildeten Kiemen- apparat und seine Abkömmlinge ins Auge. Sein erstes Auftreten wurde schon in dem entwickelungsgeschichtlichen Abschnitt kurz berührt: von den beiden Seitenwänden des Kiemendarmes aus bilden sich paarig angeordnete taschen- förmige Ausstülpungen, die Schlundtaschen, und ihnen entgegen kommen von dem Ektoderm der äußeren Körperoberfläche flache rinnenförmige Ein- senkungen, die Kiemenfurchen. Die Schlundtaschen begrenzen so an der Seitenwand der Kopfdarmhöhle, wie die Kiemenfurchen an der äußeren Körper- oberfläche, die Substanzmassen, die man als Visceral- oder Kiemenbogen bezeichnet. Bei den wasserlebenden Anamniern treten diese Bildungen in den Dienst der Atmung, indem die Schlundtaschen in die Kiemenfurchen durch- brechen, so daß durchgehende Spalten, Schlund- oder Kiemenspalten zu- stande kommen, die aus der Kopfdarmhöhle nach außen auf die freie Körper- oberfläche führen und in dieser Richtung vom Wasser durchströmt werden können. An der vorderen wie an der hinteren Wand dieser Spalten, d. h. an den die Spalten begrenzenden Kiemenbogen, bilden sich dann die Kiemen, bestehend aus zahlreichen Fältchen der Schleimhaut, die reich mit Blutgefäßen versorgt werden, und durch deren dünnes Epithel hindurch das Blut der Ge- fäße mit dem vorbeiströmenden Wasser in den oben erwähnten Gasaustausch treten kann. Bei den Amnioten, die niemals ein Stadium des Wasserlebens durchmachen, erfolgt nur noch hin und wieder ein Durchbruch der Schlund- taschen und Kiemenfurchen ineinander; häufig unterbleibt derselbe, und die Schlundtaschen bilden sich, nachdem sie manchmal noch bestimmten Organen den Ursprung gegeben haben, wieder zurück, ebenso wie die Kiemenfurchen. In den besonderen Einrichtungen des ausgebildeten Kiemenapparates zeigen sich bei den Formen, die ihn zum Wasser- Atmungsapparat ausgestalten, weitgehende Unterschiede. Ganz abseits steht auch hier wieder der Amphioxus, und gerade das besondere Verhalten seines Kiemenapparates gehört zu den Merkmalen, die es unmöghch machen, in ihm etwa die Stammform aller Wirbel- tiere zu sehen. Die Zahl der Kiemenspalten beim Amphioxus ist viel größer als die bei den Schädeltieren, nämlich über hundert, die einzelnen werden noch in mehrere Etagen geteilt, und ihre äußeren Mündungen, die anfangs auf der Atmungsorgane. Kiemenapparat 499 Epidermis Muskeln Nieren kanälchen äußeren Körperoberfläche liegen, werden im Laufe der Entwickelung von dieser abgeschlossen und in die Tiefe verlagert, indem auf jeder Seite eine Haut- falte jenes ganze Gebiet der Körperoberfläche in der Richtung von oben nach unten überwächst und sich in der ventralen Mittellinie mit der der anderen Seite vereinigt. Es kommt so zwischen der ursprünglichen Körperoberfläche des Kiemengebietes und jenen Falten ein Raum, der Peribranchialraum, zu- stande, der nur an einer Stelle der ventralen Mittellinie sich nach außen öffnet (mit dem Porus hranchialis), im übrigen aber abgeschlossen ist (Fig. 9, Fig. 56). In ihn strömt somit das Wasser ^—Medianer Flossensaum aus den Kiemenspalten zu- nächst, um dann erst durch den Branchialporus nach außen zu gelangen. In die Wand, die den Peribranchialraum außen ab- schließt und ursprünglich aus Faltenbildungen der Haut her- vorging, wachsen weiterhin Muskeln sowie die Keimdrüsen hinein, so daß auch die Ge- schlechtsprodukte in den Peri- branchialraum entleert werden. Für diese Einrichtung besteht bei den Kranioten nichts Ana- loges. Auch der Kiemenapparat der Cyclostomen zeigt eine Anzahl spezifischer Einrichtungen, steht aber, namentlich in der viel geringeren Zahl der Kiemenspalten, dem der kiefermäuligen Fische schon viel näher, welch letz- terer, trotz mancher Besonderheiten der einzelnen Gruppen, doch im ganzen einem gemeinsamen Grundplan folgt. Die Zahl der Kiemenspalten ist hier selten größer als fünf, manchmal sogar noch geringer, wobei zu bemerken ist, daß dabei die vorderste, zwischen dem Kiefer- und dem Zungenbeinbogen gelegene Spalte nicht mitgerechnet ist, da dieselbe bei Knochenfischen, Doppelatmern und manchen Schmelzschuppern ganz verschwindet, bei anderen Schmelzschuppern und bei den Knorpelflossern aber zu einem engen hinter dem Auge gelegenen Kanal, dem Spritzloch, wird, das nur hin und wieder noch eine ,, Kieme" in seiner Wandung entwickelt und damit respiratorische Funktionen erhält, meist aber nur als Einführungsgang für das Atemwasser in die Mundhöhle dient. Die äußeren Öffnungen der Kiemenspalten finden sich bei Haien und Rochen frei auf der äußeren Körperoberfläche (und zwar seitlich bei den Haien, dagegen durch die weit nach vorn ausgedehnte Brustflosse an die Ventralfläche ver- drängt bei den Rochen), bei den übrigen Fischen werden sie von einem Kie- mendeckel, der von dem Zungenbeinbogen nach hinten vorwächst, überdeckt und in das Innere einer Höhle, der äußeren Kiemenhöhle, verlagert. Die Kiemen- spalten Zentral- nervensystem Chorda dors. Leibeshöhle Ki ein endarm t~Keimdrüse Peribranchial- raum Fig. 56. Querschnitt von Araphioxus, Schema. Nach Lankester und Bovekj, geändert von Boas. 500 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Fig. 59 zeigt das von einem Knochenfisch und läßt zugleich weitere Besonder- heiten in der Anordnung der Kiemen erkennen, die die Knochenfische und Schmelzschupper gegenüber den Knorpelflossern (Fig. 58) auszeichnen. Der obere Teil des Kiemendeckels bei den Knochenfischen erhält eine Einlagerung von breiten Knochenplatten, der untere stellt eine Membran mit einzelnen ein- gelagerten knöchernen Strahlen dar, das ganze Gebilde ist vorn beweglich be- festigt und wird bei den Atembewegungen abgehoben, um dem Atemwasser den Weg nach außen zu öffnen. Ein Filtrierapparat, durch verschiedenartige Vorsprünge am Eingang der Kiemenspalten gebildet, verhindert bei den Fischen das Eindringen fester Teile in die Spalten. Es bleibt endlich noch der Tatsache zu gedenken, daß bei den Embryonen Spritzloch Kiemenspalten Mundspalte Fig- 57 Brustflosse Kopf eines Haifisches, vou der linken Seite (vgl. Fig. 51). und Jungen vieler Fi- sche (Haie und Rochen, Schmelzschupper, Dop- pelatmer, selbst einiger Knochenfische) soge- nannte äußere Kie- men vorhanden sind, die bald die Form langer und dünner Fäden ha- ben, bald baumförmig oder nach Art eines Kammes oder Feder- bartes verzweigte Gebilde darstellen und entweder an den Öffnungen der Kiemen- spalten sitzen oder aus denselben heraushängen. Es scheinen Bildungen des äußeren Keimblattes zu sein. Zum letztenmal tritt der Kiemenapparat als Atmungsorgan in Tätigkeit bei den Amphibien. Einige derselben behalten ihn dauernd bei, wie sie auch das Wasserleben nicht aufgeben, andere besitzen ihn nur während des Larven- stadiums, verlieren ihn aber bei der Metamorphose, d. h. beim Übergang zum Landleben. Die ersteren, die als fischähnliche Amphibien [Ichthyoden) zu- sammengefaßt werden, verhalten sich darin verschieden, daß einige von ihnen äußere Kiemenbüschel an den Öffnungen der Kiemenspalten besitzen, wie z. B. der bhnde 01m, der in den Höhlen des Karst lebt, während andere diese ver- lieren und nur eine Kiemenspalte beibehalten. Die übrigen Amphibien besitzen Kiemenspalten und äußere Kiemenbüschel nur während des Larvenlebens, und zwar mit mancherlei besonderen, von dem Verhalten der Fische abweichenden Einrichtungen, deren Darstellung hier unterbleiben muß. Die Erfahrungen an dem bekannten Axolotl, den man früher zu den fischähnlichen Amphibien zählte, bis es gelang, ihn zur Umwandlung in einen Landsalamander zu zwingen und damit seine Natur als einer Larvenform nachzuweisen, haben zu der Anschauung geführt, daß auch alle jetzt noch als fischähnliche Amphi- bien bezeichneten Geschöpfe nicht selbständigeFormensind, sondern geschlechts- reif gewordene Larvenformen von salamanderähnlichen Landamphibien mit Atmungsapparate. Schlundtaschen der Amnioten. Derivate der Schlundtaschen 501 -spi Paukenhöhle. einer ganzen Menge selbständiger besonderer Anpassungen an das Larvenleben. Damit wäre ihnen der Charakter als besonders „primitiver" Amphibien, den man ihnen früher zuschrieb, genommen. Mit den Amphibien hat der Kiemenapparat seine Rolle als Atmungs- Schiuudtasdien apparat ausgespielt. Bei den Amnioten kommen Schlundtaschen zwar embryo- ^" ^'""'°"'"- nal noch in verschiedener Zahl (meist 4 oder 5) zur Anlage, doch meist nicht mehrzumDurchbruch nach außen. Aber doch dürfen sie nicht kurz- weg als bedeutungslose Bildungen angesehen werden, die etwa ledig- lich dem Vererbungsgesetze zu- folge immer wieder erscheinen. Vielmehr lassen sie mancherlei Organe entstehen und beweisen damit eben ihre Existenzberech- tigung. So geht schon bei den Fröschen von der ersten, zwischen Kiefer- und Zungenbeinbogen ge- legenen Tasche, die nicht zum Durchbruch kommt, die Ent- stehung eines großen Raumes, der Paukenhöhle aus, die das Ge- hörknöchelchen umwächst und sich bis zu der äußeren Haut aus- dehnt. Da sie in den Dienst des Gehörorgans tritt, so sind wir ihr schon bei diesem begegnet. Beiden Fig. 58. Wagerechter schnitt durch den Kopf eines Haies A • , ■ J U I4- " V-. 'U (Acanthias), schematisiert. Die Visceralbogen sind punktiert, die Amnioten WiedernOlt SlCn mre Kiemenblättchen schraffiert, iri, br^, br^ erster, dritter, fünfter Bildun?* nur bei den Schlangen Kiemenbogen, g oberer Abschnitt des Kieferbogens (Palato- ° ' ° quadratknorpel), h Zungenbeinbogen, i Leibeswand, / Leibes- Unterbleibt sie. Weiter nimmt hohle, «/ Mundhöhle, « Riechgrube, o^ Speiseröhre, j Stäbchen , , . .._ . , T' • u 1 "^"^ Innenrande der Kiemenbogen (Seihapparat), sp.^ erste, sp^ schon bei rlaien von dem Epithel fünfte Kiemenspalte, spt Scheidewand zwischen zwei Kieraen- mehrerer Kiementaschen ein be- 'p^^'"°- ^^'^'^ ^''^'• sonderes Organ, die Thymusdrüse, seinen Ursprung, und dieses Organ erhält sich Thymusdrüse bis herauf zum Menschen als Abkömmling von meist mehreren Kiementaschen. Andere hierher gehörige Bildungen sind die Epithelkörperchen, die als ,, Drü- sen mit innerer Sekretion", d.h. als Organe, die einen für gewisse Funktionen des Organismus notwendigen Stoff erzeugen, auch beim Menschen neuerdings Be- achtung finden. Wir müssen uns mit der bloßen Nennung dieser Organe begnü- gen, ebenso mit der Erwähnung der sog. postbranchialen Körper, die hinter Postbranchiaie der letzten Schlundtasche und nach Art einer solchen entstehen. Alle diese °^^^' Bildungen zeigen, daß die Aufgabe der Schlundtaschen mit der Herstellung des Atmungsapparates der kiemenatmenden Wirbeltiere nicht erschöpft ist. Die luftführenden Anhangsorgane des Kopfdarmes sind die Luftführende S, ■ , t 1 1 • T Anhangsorgane chwimmblase und die Lungen. desKopfdarmes Epithel- körperchen. 502 Ernst GaupP: Die Morphologie der Wirbeltiere Schwimmblase. Von diesen stellt die auf Schmelzschupper und Knochenfische beschränkte Schwimmblase eine fast stets einheitliche, gasgefüllte, dünn- aber fest- wandige Blase dar, die dorsal von dem Darmrohr liegt und entweder mit diesem noch durch einen sehr engen Luftgang in Verbindung steht oder, infolge von Schwund des Luftganges, vollständig nach außen abgeschlossen ist. Die Blase, die mancherlei besondere Formen darbietet, entsteht als Ausstülpung vom Kopfdarm aus, doch kann die Einmündungssteile sich später rückwärts ver- schieben. Funktionell stellt sie einen hydrostatischen Ap- parat dar, der in hier nicht näher zu erörternder Weise dem Fisch Steigen und Sinken im Wasser, sowie Änderung in der Richtung der Längsachse seines Körpers (Heben oder Senken des Kopfes) gestattet, ihn zugleich aber an bestimmte Tiefen und damit an einen bestimmten Wasserdruck bin- det. Reichliche Nervenen- digungen in ihrer Wandung verleihen ihr gleichzeitig die ^P Bedeutung eines Sinnesor- ganes, das auf den wechselnden Druck des Wassers reagiert und zweckmäßige Schwimm- bewegungen, nach Tiefen mit Fig. 59. Wagerecliter Schnitt durch den Kopf eines Knochenfisches höhcrCrodcr geringerer Druck- (Dorsch), oberhalb der Mundöffnung; etwas schematisiert. Buchstaben \" * \ V. A <- wie in Fig. 58, mit Ausnahme von: op Kjemendeckel, Sp äußere Öff- SpaUnuUg, aUSlOSt. AUCJl At- nung der Kiemenhöhle. Der obere Abschnitt des Kieferbogens {§■) ■niunP'sflinktionpn kommen ihr ist hier teilweise verknöchert. Nach Boas. ° bei manchen Formen zu. Bei einigen Knochenfischen bildet sich aus umgewandelten Rippen- und Wirbel- teilen eine Kette kleiner Knöchelchen, die sich an das Vorderende der Schwimm- blase anschließt und eine Übertragung des Druckes derselben auf die Flüssig- keit in der Umgebung des Rückenmarks und des Gehirns vermittelt (Weber- scher Apparat). Auch hierdurch dürften auf dem Wege über die Zentralorgane des Nervensystems zweckmäßige Schwimmbewegungen je nach dem auf der Schwimmblase lastenden Druck ausgelöst werden. Die morphologische Stellung der Schwimmblase zu der Lunge ist noch nicht klar. Als Hauptunterschied gilt, daß die Schwimmblase, mit wenig Aus- nahmen, von der Dorsalwandung des Kopfdarmes entsteht, während die Lunge stets eine Ausstülpung der ventralen Wand desselben darstellt. So nehmen manche Autoren (z. B. Wiedersheim) an, daß beide Organe als selbständige Bildungen des Kopfdarmes zu betrachten sind, ohne nähere Beziehungen zu- Schwimmblase. Lungen 503 einander, während andere eine stattgehabte Wanderung der Ausmündungs- stelle vermuten. In welcher Weise diese zu denken wäre, darüber gehen die An- sichten aber wieder auseinander. Die Lungen entstehen jedenfalls stets von der Ventralwand des Kopf- Lungen, darmes aus, in dem Gebiet hinter den Kiemenspalten. Man hat infolgedessen auch ihre Bildung, ebenso wie die der Schwimmblase, in engere Beziehung zu den Kiementaschen bringen, sie von diesen ableiten wollen, doch ist das einst- weilen noch durchaus Hypothese. Neueren Angaben zufolge entstehen sie (wenigstens bei Amphibien, Schildkröten, Vögeln) als paarige Ausbuchtungen der ventralen Darmwand, die aber mit ihren Anfangsteilen sich bald zu einem unpaaren Abschnitt vereinen. Dieser unpaare Abschnitt wächst dann als solcher weiter aus, und ebenso vergrößern sich die beiden paarigen Säcke, in Fig. 60. A Lungenanlage bei Am- q piiibien und Schildkröten (Quer- schnitt). 6"/^ Primärer Vorderdarm, .<4.S" seitliche Aussackungen dessel- ben. B, C spätere Entwicklungs- stadien, in welchen es zur allmäh- lichen Herausbildung eines Lun- gensackes {LS), primitiver Bron- chien (Br), einer Trachea (7>) und einesKehlkopfes (La) kommt, Oes Oesophagus. B und C stellen die Vorderansicht dar. Alle Figuren sind scheraatisch gehalten. Nach WlEDERSHEIM. Br~~- LS' die er sich fortsetzt. Auf verhältnismäßig einfachem Zustande bleibt der ganze Apparat bei den Doppelatmern (Dipnoi) stehen, dagegen beschreiten die Am- phibien den Weg zu höherer Entfaltung, indem bei ihnen, zunächst im Gebiet des unpaaren Abschnittes, jederseits Knorpelteile zur Stütze desselben aufr treten, die vielleicht auf die fünften Kiemenbogen der Fische zurückzuführen sind. Indem an diesem ,, primären Kehlkopfskelett" Öffnungs- und Schließ- muskeln ansetzen, wird ein vortrefflicher Schlußmechanismus geschaffen, der selbst ein so blitzschnelles Öffnen und Schließen des Eingangs zu den Lungen er- möglicht, wie wir es etwa bei der Atmung des Frosches beobachten können. Denn bei diesem wie bei den Amphibien überhaupt ist jener Eingang für gewöhnlich geschlossen und öffnet sich nur ganz vorübergehend, wenn durch eine Schluck- bewegung des Mundhöhlenbodens die Luft von der Mundhöhle aus in die Lungen gepreßt werden soll. Der Frosch zeigt uns aber noch eine andere Ein- richtung, deren Auftreten an jene Skeletteile geknüpft ist: im Innern des un- paaren Lungen-Eingangsraumes finden sich vorspringende Schleimhautfalten, Stimmlippen, die, von eingelagerten elastischen Stimmbändern gestützt, durch die vorbeistreichende Luft zum Schwingen und damit zum Erzeugen der be- kannten quakenden Töne gebracht werden können. So ist also zu der ersten Funktion jenes Eingangsabschnittes, ein Verschluß- und Öffnungsapparat zu sein, eine zweite, die der Stimmerzeugung, hinzugekommen, und jener Ab- schnitt verdient nun voll die Bezeichnung Stimmlade, die man ihm gegeben hat. Bei den langschwänzigen Amphibien mit ihrem langgestreckten Körper ist statt einer kurzen Stimmlade ein längeres, jetzt als Luftröhre bezeichnetes CQA Ernst GaupP: Die Morphologie der Wirbeltiere Rohr vorhanden, an dessen Anfang jener Verschluß- und Öffnungsapparat als Kehlkopf erhalten bleibt. Zur Ausbildung von Stimmbändern kommt es in ihm nicht, wohl aber ist das Knorpelskelett vorhanden, das auch schon mancherlei Sonderungen bei den Amphibien erkennen läßt. Als Ausgangs- form kann ein einheitlicher Knorpel (Seitenknorpel) auf jeder Seite des Kehl- kopfeinganges gelten {Necturus), von diesem gliedert sich bei den Salamandriden ein vorderes Stück als Stell- oder Gießbeckenknorpel gegenüber dem hinteren nun als Ringknorpel bezeichneten Stück ab; endlich lösen sich, z. B. bei Siren, von diesem noch kleine Knorpelchen ab, die die Wand der Luftröhre stützen. Auch dem Frosch kommen zwei Gießbeckenknorpel und ein Ringknorpel zu, der aus der Verschmelzung der zwei seitlichen entstanden ist; an den Gieß- beckenknorpeln sind innen die Stimmbänder angebracht. Mit der Gliederung des unpaaren Anfangsteiles der Lungensäcke in Kehl- kopf und Luftröhre sind Einrichtungen getroffen, die bei allen Amnioten er- halten bleiben. Zugleich erfolgt eine weitere Sonderung: die Ausbildung zweier Luftröhrenäste als Übergang der Luftröhre in die beiden Lungensäcke. Auch diese Luftröhrenäste können bedeutend auswachsen. Am Kehlkopf erhält sich das primäre Kehlkopfgerüst, gewöhnlich aus zwei paarigen Stellknorpeln und einem unpaaren Ringknorpel zusammengesetzt; zu ihm kommt bei den Säugern ein weiterer Knorpel, der Schildknorpel, der aus der Verschmelzung des zweiten und dritten Kiemenbogenknorpels hervorgeht. Da infolge des ver- änderten Atmungsmechanismus (die Amnioten saugen die Luft in die Lungen, durch Erweiterung der Räume, in denen diese liegen) der Kehlkopf für gewöhn- lich offen steht, so spielt die Muskulatur an seinem Eingang wohl vor allem eine Rolle beim Schluckakt, um das Eindringen von Speisen in den Kehlkopf zu ver- hindern. Bei Säugern steht auch die Entwickelung eines Kehldeckels vor dem Kehlkopfeingang mit dieser Aufgabe in Verbindung. Zur Entstehung von Stimm- bändern im Kehlkopf und damit zur Möghchkeit der Stimmerzeugung kommt es bei manchen Reptilien (Geckonen), sowie bei den Säugern, und unter diesen wieder wird sie beim Menschen unter weitgehender Sonderung der Muskeln zu hoher Leistungsfähigkeit gesteigert. Dagegen findet die Stimmbildung bei den Vögeln nicht in dem bisher besprochenen, sondern in einem unteren Kehl- kopf statt, der sich als Besonderheit der Klasse weiter unten an der Luftröhre, meist an ihrer Teilungsstelle in die zwei Luftröhrenäste, ausbildet. Werfen wir endhch noch einen Blick auf die Lungensäcke, so finden wir dieselben bei Doppelatmern wie bei Amphibien als dünnwandige, manchmal rechts und links ungleich ausgebildete Säcke mit einem großen zentralen Innen- raum, von dem aber häufig schon durch leistenförmige netzförmig angeordnete Vorsprünge der Wand ein System kleiner der Wand anliegender Räume (Al- veolen) abgekammert wird. Damit ist eine Vergrößerung der atmenden inneren Oberfläche des Sackes erreicht. Bei den Amnioten macht die Ausbildung von Scheidewänden, die in das Innere der Lunge einwachsen, Fortschritte und führt schließlich zu einer völligen Zerlegung des ursprünglichen einheitlichen Raumes in eine große Menge kleinerer Räume. Bei den Säugern schließt sich so an jeden A Lungen. Schilddrüse 505 B. v "o o Z N o -a s W S ü " " » s s -s u e c ^ CA) <^ _rt -^ -nJ c> a t: ^2 > ^ ^ ^N :;3 ^ -■ > W ^ i-i :b! V •a -a .s - :S c o rt C 41 D "T :3 fe ^ > B " 3 ja iD u ~^ wi^ .- u -S ^ .« z ^ cß .s -S -^ £. 3> s i, ^ « .2 rt T3 I— 1 B rt S rt ^ 3 ü 4. 3 J= rt U « U Hr rf nl " Stoffen beladen ist, wird nämlich von einer Vene gesammelt, die nicht sofort in das Herz, sondern zunächst in die Leber geht. In dieser erfolgt aufs neue ein Übergang der Vene in ein Netz vonHaargef äßen, das zu den Leberzellen in enge Berührung tritt und ihnen das Material für die Bereitung der Galle zu- führt. Somit besteht für die Leber außer der Leber- arterie auch noch eine Vene, die Blut in dasOr- g a n hineinführt, eine sog. Pfortader der Leber (h.p.v.), und dasBlut dieses Pfortader- Kreislauf ge- bietes macht somit zwei- mal eine Verteilung in ein Haargefäßnetz durch: im Darm und in der Leber. Aus der Leber wird dann sämtliches Blut durch eine Lebervene (h.v.) abge- führt, diegewöhnlichselb- ständig in den Venensinus des Herzens einmündet. Eine ganz entsprechende Einrichtung besteht an den Nieren : auch diese er- halten durch je eine Pfortader (die neben der Nierenarterie besteht) venöses Blut (aus dem Schwanz) zugeführt, und geben es in veränder- tem Zustand durch die Nierenvenenwiederab. Recht anders sieht das Schema aus, das uns das Verhalten des Kreislaufs bei einem Vogel oder einem Säuger veranschaulicht (Fig. 63). Hier ist das Herz seiner ganzen Länge nach in eine rechte und eine linke Hälfte geteilt, von denen eine jede aus einem Vorhof und einerKammer besteht. Ein besonderer Venen- sinus ist nicht mehr vorhanden: derselbe ist in den rechten Vorhof aufgegangen; •- rr o 41 L) S' ^ J21;2'03^-S - 2 r 2 ä-- S •« ^ «J ^^ ^ ° " '^ = «r a 3 • £ :3 S ^ -S ^ «. j, S I ii ^ W .^3-^Q ü ^ 3 o . -1 ^ •r ' B a _ 4, u 1^ (U g •*< .2 S" _ := ^ C «^ SS ^ 3 4) !5"si> CS u :c? ^ 3 .2 (4 1- o « a ^ X. r? ■- < G -5 S- .^-3 'S .s I 3 -^ 5 Anordnung der Kreislauf- Gebiete. Teilung des Herzens 509 Lungenarterien Bechter Vorhof Hechte- _ Kammer Körper- venen - Lungenvenen Linker Vorhof r r LinJce Kammer Körper- arterien ebenso fehlt ein besonderer Herzbulbus. Die beiden Kreislaufgebiete sind jetzt nicht mehr hinter-, sondern nebeneinander angeordnet, so daß sowohl das venöse wie das arterielle Blut durch das Herz hindurchgeführt wird : das venöse durch die rechte, das arterielle durch die linke Hälfte. Das aus dem Körper zurückkehrende Blut wird durch die Hauptvenenstämme zunächst in den rechten Vorhof und von hier in die rechte Kammer geleitet, die es durch die Lungenarterien in die Lungen treibt. Hier wird es ,, durchgeatmet" und gelangt in arterialisiertem Zustand durch die Lungenvenen wieder heraus. Statt nun aber sofort in die Körperorgane geleitet zu werden, kommt es mit der Lungenvene wieder in das Herz zurück, diesmal jedoch in die linke Hälfte desselben, durchströmt den linken Vorhof und die linke Kammer und wird von dieser in die Aorta gewor- fen, von der sämtliche Gefäße des Körperkreislaufes entspringen. Aus den Körperorganen sammeln die Körpervenen das Blut und führen es zum Herzen zurück, wobei, wie bei den Fischen, das Darmblut zunächst durch die Pfortader in die Leber geführt wird und hier noch einmal ein Kapillarnetz zu durchströmen hat, ehe es durch die Lebervene dem Herzen zugeleitet wird. Da- gegen fehlt ein Pfortaderkreislauf der Nieren. Somit ist hier bei der Lungen- atmung die Anordnung grundsätzlich die gleiche wie bei der Kiemenatmung: das venöse Körperblut wird zunächst dem Reinigungsapparat der Atemorgane übergeben, um dann erst in besserem Zustande den Körperorganen zugeführt zu werden; dadurch aber, daß es dazwischen noch einmal durch das Herz ge- leitet wird, gelangt es unter unmittelbarere Wirkung dieses Motors, der nun mit einer Zusammenziehung beide Blutarten weiter treibt und sowohl das kleine wie das große Kreislauf gebiet speist. Rein räumlich betrachtet sind diese beiden Gebiete mehr nebeneinander angeordnet. Die Übergänge zwischen den beiden geschilderten Zuständen festzustellen, die Herausbildung des einen aus dem anderen zu verfolgen, ist eine der inter- essantesten Aufgaben der Wirbeltier-Morphologie. Wir können ihr hier nicht weiter nachgehen und müssen uns begnügen, der gegebenen Schilderung nur noch wenige Ergänzungen zuzufügen. I. Die Teilung des Herzens in eine rechte und eine hnke Hälfte bahnt sich bei den Amphibien an und führt hier zunächst zu einer Teilung des Vor- Fig. 63. Schematische Darstellung des Gefäßsystems mit den Lymph- und Chylusgefäßen. Nach Gegenbaur. Teilung des Herzens in zwei Hälften. gefäße. 510 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere hofes; bei den Reptilien bildet sich allmählich auch die Teilung des Kammer- abschnittes aus, ohne aber ganz vollständig zu werden. Letzteres ist erst bei Vögeln und Säugern der Fall. Somit ist bei Amphibien noch die Möglichkeit gegeben, daß in dem einheitlichen Kammerabschnitt eine Vermischung der beiden aus dem linken und dem rechten Vorhof kommenden Blutarten erfolgt, mithin den Körperorganen das Blut nicht in dem hochwertigen Zustand über- liefert wird, wie es aus den Lungen kommt. Die trägeren Lebensäußerungen der Kaltblüter mögen damit zusammenhängen. Beim Frosch wird durch einen sehr sinnreichen Klappenmechanismus im Herzen dieser Fehler ausgeghchen. Venensinus und Herzbulbus beginnen in der Klasse der Reptilien als selbstän- dige Herzabschnitte zu verschwinden. Im übrigen rückt das Herz, das bei den Fischen weit vorn, am Kopfe, liegt, bei den höheren Wirbeltieren immer weiter nach hinten, so daß es in die Brusthöhle zu liegen kommt. Kiemenbogen- 2. Ki e m e nb o ge ngcf äß c gibt es bei den Fischen embryonal auf jeder Seite gewöhnlich sechs, nämlich je eins für den Kiefer- und den Zungenbein- bogen.und vier für die darauffolgenden, meist in der Vierzahl vorhande- nen kiementragenden Bogen. Die für den Kiefer- und Zungenbeinbogen be- stimmten Kiemengefäße gehen gewöhnhch schon embryonal wieder zugrunde, und die genannten Gebiete erhalten dann arterielles Blut aus benachbarten Gefäßen. Auch bei den Amphibien und den Amnioten werden embryonal diese sechs Kiemenbogengefäße jederseits angelegt, aber nur bei den fischähnlichen Amphibien sowie bei den Larven der anderen noch im Dienste der Kiemen- atmung verwendet, während sie bei den Amnioten von vornherein, ohne sich in den Kiemenbogen kapillär zu verästeln, von dem ventralen Gefäßstamm aus ununterbrochen als Aortenwurzeln zu dem Längsgefäß über den Kiemen- bogen verlaufen, das sich mit dem der anderen Seite zu der unpaaren dorsalen Aorta vereinigt. Das definitive Schicksal dieser Gefäße, das bei den einzelnen Gruppen der Amphibien und Amnioten schwankt, geht für einige derselben aus den schematischen Darstellungen der Fig. 64 hervor. Sie zeigen, daß die Gefäße des Kiefer- und Zungenbeinbogens überall wieder zugrunde gehen, und daß auch den fünften Gefäßbogen gewöhnlich das gleiche Schicksal trifft. Da- gegen bleibt der dritte stets auf beiden Seiten erhalten und setzt sich in das Gefäß für die Organe des Kopfes nach vorn fort. Seine Verbindung mit dem hinteren Abschnitt des dorsalen Längsstammes, der die unpaare Aorta bilden hilft, kann er behalten (Fig. 64D) oder verlieren (Fig. 64 E). Der vierte Gefäß- bogen bildet stets eine Haupt-Aortenwurzel, entweder beiderseitig, wie bei Amphibien und Reptilien (Fig. 64C, D) oder einseitig, wie bei Vögeln und Säugern (Fig. 64 E, F). In der Tatsache, daß bei den Vögeln der rechte, bei den Säugern aber der linke vierte Gefäßbogen den definitiven Aortenbogen bildet, während der der anderen Seite zugrunde geht, ist ein grundsätzlicher Unterschied zwischen beiden Klassen gegeben, der sie beide zu selbständigen Abkömmlingen des Reptilienstammes stempelt. Der sechste Bogen läßt stets die zu den Lungen tretenden Gefäße aus sich hervorgehen und kann dabei seine Verbindung mit der Aorta erhalten oder verlieren. Durch eine, ebenfalls Teilung des Herzens. Kiemenbogengefäße. Haupt-Venenstämme 511 in verschiedener Weise erfolgende, Zerlegung des ventralen unpaaren Gefäß- stammes werden die verschiedenen genannten Gefäße in bestimmter Weise der rechten oder der linken Kammerhälfte zugeteilt, vor allem der Stamm der Lungenarterie dem rechten venösen Kammerabschnitt. 3. Die Anordnung der großen Haupt-Venenstämme, die das Blut zum Herzen zurückführen, ist bei den Fischen und bei den Embryonen der übrigen D Haupt- Venenstämme. Fig. 64. Schema der Aortenbogen bei verschiedenen Wirbeltierklassen, von der Rückseite gesehen. A Grund- schema, unter Weglassung der Lungenarterien (.?) für Selachier geltend. B Knochenfisch. C Frosch (links junges, rechts erwachsenes Tier). D Reptil (neugeborene Eidechse). E Vogel. F Säuger. / — VI erster bis sechster Aortenbogen. 1 innere, 3 äußere Halsschlagader (Carotis). 3 Lungenarterie. 4 Körperschlagader (unpaare Aorta). 5 Wurzel der Lungenarterien. 6" Aortenwurzel. 6"' linke Aortenwurzel, aus dem rechten Ventrikel kommend. 7 Botalloscher Gang. Aus Hesse-Doflein. Wirbeltiere streng symmetrisch. Aus der vorderen Körperhälfte sammeln zwei vordere Kardinalvenen, aus der hinteren zwei hintere Kardinalvenen das Blut; die vordere und die hintere Kardinalvene jeder Seite vereinen sich zu einem kurzen Querstamm, dem Cuvierschen Gang, der in den Venensinus einmündet. In diesen senkt sich außerdem gewöhnlich die Lebervene selb- ständig ein. Von den mannigfachen Weiterbildungen und Umgestaltungen, die diese Anordnung erfährt, ist besonders zu nennen die Entstehung eines un- paaren Gefäßes (der hinteren Hohlvene), die schon bei den Amphibien aus der Lebervene nach hinten aussproßt und allmählich die Hauptmasse des Blutes der hinteren Körperhälfte übernimmt. Beim Menschen wird die ur- c j 2 Ernst Gaupp : Die Morphologie der Wirbeltiere sprünglich symmetrische Anordnung der Venen in eine asymmetrische umge- wandelt, indem das Blut der linken Körperseite in die Gefäße der rechten über- geführt wird und die Gefäße der linken Seite streckenweise zugrunde gehen. — Lymphgefäß- Dem Blutgcf äßsystcm, das wir hiermit in seinen Grundzügen betrachtet System, j^g^j^gjj^ jg^ a,ls ciuc Art Nebenbahn das Lymphgef äßsystem angeschlossen, dessen Beziehungen zu jenem nicht nur dadurch zum Ausdruck kommen, daß es in das Venensystem einmündet, sondern auch dadurch, daß entwickelungs- geschichtlich die ersten Lymphgefäße von embryonalen Venen aus ihren Ur- sprung nehmen, von diesen auswachsen. Wie schon gesagt, sind die Quellen, aus denen die Lymphgefäße ihre Lymphe sammeln, vornehmlich in zwei große Gebiete zu sondern, deren eines durch die Lymphspalten des ganzen Körpers mit Ausnahme der Darmwand, und deren zweites eben durch die Lymphgefäße der letzteren gebildet wird (parenchymatöse und Chylus-Quelle des Lymphgefäß- systems Fig. 63). Die geschlossenen Lymphräume selbst haben bei den niederen Wirbeltieren gewöhnlich die Form großer weiter Räume, die sowohl ober- fiächhch unter der Haut, wie auch im Innern des Körpers sich ausdehnen. Die Leichtigkeit, mit der man beim Frosch die Haut vom Körper abziehen kann, beruht auf dem Vorhandensein dieser großen Lymphräume unter der Haut. Demgegenüber stellen bei den Säugern die Lymphgefäße wirklich enge Gefäße dar. Um die Lymphe in jenen großen Räumen vorwärts zu bewegen, besitzen die niederen Wirbeltiere besondere Lymphherzen, die einer selbständigen Zusammenziehung fähig sind, in wechselnder Anzahl (beim Frosch z. B. vier). Bei Vogel-Embryonen treten sie zum letzten Male auf. Anhangsorgane Als A n h a n gs o r g a u c des Blut- und Lymphgefäßsystems sind Lymphgefäß- cndHch noch zu nennen das Knochenmark, das in den kleinen und großen Systems. Hohlräumen der Knochen eingeschlossen ist; Lymphknoten, die von den Reptilien an, Lymphdrüsen, die bei Vögeln und Säugetieren vorkommen, Blutlymphdrüsen und endlich die Milz, die als blutrotes, mehr kugliges oder mehr länglich bandförmiges Organ in der Bauchhöhle, wechselnden Stellen des Darmrohres angelagert, schon von den Fischen an sich findet. Die Neubildung der geformten Bestandteile des Blutes, aber auch die Zerstörung verbrauchter roter Blutkörperchen ist die Aufgabe dieser Organe, an deren Bildung lediglich das mittlere Keimblatt beteiligt ist. 8. Harn- und Geschlechtssystem; Nebenniere. Leibeshöhle. 8. Harn- und Dic letzten Organsysteme, deren Besprechung uns noch übrig bleibt, sind ^sy'stera; ^' das hambcreitende (Exkrctions-) und das Geschlechts- (Genital-) System, denen L^beshöiüe '^^^ Nebenniere ihrer räumhchen Beziehungen wegen anzuschließen ist. Die Aufgaben. Be- Organe des harnbereitenden und des Geschlechts- Systems stehen auffallender- ziehungen der ... . -ctt- 1 1 • , 1 • i • t-. • 1 Harn- und wcisc bci dcu mcistcn Wirbeltieren morphologisch in engsten Beziehungen zu- ^syst^?zu- einander. ,, Auffallenderweise", denn vom Standpunkte funktioneller Betrach- einander. tung aus lasscu sich kaum größere Gegensätze denken, als gerade diese Organ- systeme sie verkörpern: das eine das ,, Abfuhrsystem", bestimmt, die Umsatz- stoffe der Organtätigkeit als Harn aus dem Körper herauszuschaffen, das andere Lymphgefäßsyst. Anhangsorgane des Blut- u. Lymphgefäßsyst. Harn- u. Geschlechtssyst. 5 j 3 mit der allerhöchsten und wichtigsten, über die Grenze des individuellen Lebens hinausreichenden Aufgabe betraut, die Geschlechtsstoffe, Eier und Samen, zu produzieren, häufig genug auch, für ihre Vereinigung und für die Entwicke- lung der Nachkommen die Bedingungen zu schaffen, somit der Erhaltung der Art zu dienen. Das Auffallende, das in der vielfachen Verknüpfung zweier so verschiedenwertiger Organsysteme liegt, einer Verknüpfung, die es sogar ge- stattet und fordert, von einem Urogenitalsystem zu reden, wird verständ- licher durch die Überlegung, daß die Umsatz- wie die Geschlechtsprodukte, so ungleicher Natur sie sind, doch beide aus dem Organismus herausgeschafft werden müssen: daraus ergibt sich die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer engeren Verknüpfung beider Organsysteme untereinander, die im Sinne einer Betriebsvereinfachung darauf hinausläuft, daß für diese Herausschaffung der beiderlei Produkte aus dem Organismus die gleichen Wege verwendet werden. Morphologisch werden die engen Beziehungen beider Organsysteme zu- Beziehungen einander hergestellt durch die Beziehungen, die ein jedes von ihnen zu der sys^eme'^zur" Leibeshöhle, demCoelom, besitzt. In Zusammenhang mit der Leibeshöhle Leibeshöhie. nehmen die harnausscheidende Drüse oder Niere, ferner die Keimdrüsen (Hoden und Eierstock), endlich die ausführenden Kanäle, die für die Harn- und Geschlechtsstoffe bestimmt sind, ihre Entstehung. Fassen wir zunächst die Harndrüse oder Niere ins Auge, so tritt uns Hamdrüse die bemerkenswerte Tatsache entgegen, daß das so bezeichnete Organ nicht überall dieselbe Bildung ist, daß sich vielmehr in der Wirbeltierreihe drei mor- phologisch verschiedene Formen der Niere unterscheiden lassen: die Vorniere, Urniere und Nachniere. Die Vorniere, die man als das ursprünglichste Harnorgan der Wirbel- Vomiere, tiere aufzufassen gewöhnt ist, kommt jetzt unter den Kranioten nur noch bei einigen wenigen Formen (Myxine, einigen Knochenfisch-Familien) zu der Be- deutung eines während des erwachsenen Zustandes funktionierenden Organs; bei anderen, wie bei den Amphibien, erlangt sie diese Bedeutung während des Larvenlebens, um dann rückgebildet zu werden; bei noch anderen, wie bei Knorpelfiossern und allen Amnioten, wird sie schon von vornherein in sehr rudimentärer Form angelegt. Sie besteht aus einer verschieden großen Anzahl von Kanälchen, die mit ihrem inneren Ende in die Leibeshöhle, mit ihrem äußeren in einen Gang, den Vornierengang, einmünden (Fig. 65, rechte Seite). Dieser wieder erstreckt sich nach hinten bis in die Gegend der Kloake und mün- det in diese aus. Die Kanälchen entstehen, segmental angeordnet, im Gebiet mehrerer vorderer Rumpfsegmente als Bildungen des äußeren Blattes des mittleren Keimblattes, da, wo die Seitenplatten desselben in die Ursegmente über- gehen (Fig. 8); durch Vereinigung ihrer äußeren Enden kommt der Vornierengang zustande, der dann selbständig weiter nach hinten wächst und in die Kloake -durchbricht. Die Funktion dieses Organs hat man sich so vorzustellen, daß die Umsatzstoffe der Organtätigkeit aus den Blutgefäßen zunächst in die Leibes- höhle abgeschieden und dann aus dieser durch die inneren Öffnungen der Vor- nierenkanälchen aufgenommen und weiter zum Vornierengang und in die K.d.G.III.iv, Bd2 ZeUenlehre etc. II 33 514 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Kloake geschafft werden. Zu diesem Behufe besitzen die Vornierenkanälchen an ihren inneren Öffnungen (den ,, Wimpertrichtern") FHmmerzellen, die einen Flüssigkeitsstrom in der Richtung von der Leibeshöhle gegen das Innere der Vornierenkanälchen erzeugen, und außerdem bilden sich durch kleine Seiten: äste der Aorta gerade gegenüber jenen Öffnungen besondere Gefäßknäuel [Glomeruli), die in die Leibeshöhle hineinragen und wohl ganz besonders die Stätten bilden, an denen eine Absonderung von Harnsubstanzen in die Leibes- höhle erfolgt. Die Zahl der Vornierenkanälchen ist meist nicht groß (3 — 5 auf JRiicJcenmark Ursegment, abgeschnürt Malpighisches Körperchen Urnieren- kanälchen Ursegment Chorda Verbindungsstiel zwischen Ursegment u. Seitenplatten Wimpertrichter Vornieren- kanälchen Vornierenkanälchen Keimdrüse Anlage der Nebenniere Glomerulus der Vorniere Aorta Mesenterium Fig. 65. Scheraatisclie Darstellung des Vornieren- und Urnierensystems der Wirbeltiere. Quersclinitt. Rechts ist die Vorniere, links die Umiere dargestellt. Links ist auch die Anlage der Keimdrüse und der Nebenniere zu sehen. Nach WlEDERSHE\M. jeder Seite bei vielen Haien, 8 — 12 bei Blindwühlen, i bei manchen Knochen- fischen). Mit dem hier in den Grundzügen seines Baues geschilderten Organ hat man auch das Exkretionssystem des Amphioxus verglichen, ja, man hat in dem letzteren geradezu eine Vorniere gesehen, die sich von dem hypothetischen Ausgangszustand nur wenig entfernt hat. Es bestehen beim Amphioxus näm- lich jederseits ca. 90 Kanälchen, die, hintereinander angeordnet, aus der Leibes- höhle in den Peribranchialraum führen (Fig. 56). Da nun dieser, wie wir bei Besprechung der Kiemenspalten sahen, eine sekundäre Bildung, und seine innere Wand, auf der die Nierenkanälchen münden, tatsächlich die ursprüng- liche äußere Körperoberfläche darstellt, so haben wir beim Amphioxus ein System von Kanälchen, die aus der Leibeshöhle auf die äußere Körperober- fläche führen und in dieser Richtung die Umsatzstoffe aus dem Körper hinaus schaffen, — womit sich eine Einrichtung wiederholt, die ähnlich auch bei manchen Wirbellosen besteht. Auf der anderen Seite wäre an sie die Vorniere der Kra- nioten anzuschließen, die nur die Weiterbildung zeigt, daß bei ihr die Kanäl- chen nicht mehr auf der äußeren Haut münden, sondern durch ihre Vereinigung den Vornierengang. bilden, der in die Kloake durchbricht. Es darf nicht ver- Vorniere. Umiere. Nachniere e I e schwiegen werden, daß diese Auffassung der Dinge auch bestritten wird, und daß auch das tatsächliche Verhalten der Nierenkanälchen des Amphioxus noch nicht ganz sicher ist. Dem Gesagten zufolge stellt die Vorniere bei den Kranioten in weitaus umiere. den meisten Fällen ein rudimentäres Organ dar, das nur vorübergehend oder nie mehr zur Funktion kommt. An seine Stelle tritt überall die Urniere, die bei den Amnionlosen zum bleibenden, zeitlebens funktionierenden Harnorgan wird. Zeitlich tritt sie später, örtlich hinter der Vorniere auf, im übrigen besteht sie, dieser ähnlich, in ihrer ursprünglichen Form aus Kanälchen, die mit einem Ende in die Bauchhöhle, mit dem anderen in den Vornierengang münden. Auch diese Urnierenkanälchen sind segmental angeordnet, sprossen abernicht als neueBildungen aus der Leibeshöhle aus, sondernstellendiestarkver- längerten Stiele dar, durch die ursprünglich die Ursegmente mit der Leibeshöhle zusammenhängen (Fig. 8). Nach Ablösung der Ursegmente wachsen diese Stiele, die mit der Leibeshöhle in Verbindung bleiben, stark aus, krümmen sich nach außen und brechen in den bereits vorhandenen Vornierengang durch, der so zum Urnierengang wird (Fig. 65, linke Seite). Weiteres Längenwachstum läßt die Kanälchen sich stark schlängeln, und zugleich entsteht im Anschluß an ein jedes ein eigentümliches Körperchen, das Nierenkörperchen (Malpighische Körperchen), in der Weise, daß eine kleine bläschenförmige, nach innen vor- springende Ausbuchtung des Kanälchens durch ein von der Aorta aus ihr ent- gegenwachsendes Gefäß, das einen kleinen Gefäßknäuel (Glomerulus) bildet, eingestülpt wird (Fig. 65). Das Bläschen bildet dann eine Art Kapsel um den Knäuel (Glomeruluskapsel) und stellt ganz besonders eine Stätte für die Ab- sonderung des Harnes dar, der den Gefäßen des Knäuels durch die ihm eng auf- liegende eingestülpte Bläschenwand entnommen wird. Aber auch gewisse Strecken des Urnierenkanälchens selbst übernehmen diese Funktion, und end- lich können auch durch die Leibeshöhlenöffnungen der Urnierenkanälchen, an denen sich wieder, wie bei den Vornierenkanälchen, Wimpertrichter ausbilden, Umsatzstoffe, die in die Leibeshöhle entleert wurden, aus dieser in die Urnieren- kanälchen geschafft werden. Häufig freiHch schließen sich diese ursprünglichen Öffnungen nachträglich, so daß dann nur die Nierenkörperchen und gewisse Strecken der Kanälchen selbst als Stätten für die Harnabsonderung bleiben. Das geschilderte Organ, die Urniere, funktioniert, wie schon gesagt wurde, bei den Anamniern zeitlebens als harnabsonderndes Organ, während es bei den Amnioten diese Aufgabe meist nur embryonal, nur sehr selten noch (und dann auch nur eine kurze Zeit) nach der Geburt, vielfach überhaupt nicht mehr erfüllt. Auf sein Schicksal kommen wir noch zurück. An seine Stelle tritt bei den Reptilien, Vögeln und Säugern die bleibende oder Nachniere. Sie ent-NacUmero. steht aus zwei Anlagen: einem Gang (Harnleiter oder Ureter), der von dem Ur- nierengang auswächst, und einem Bildungsgewebe, das sich an das Bildungs- gewebe der Urnierenkanälchen anschließt, gewissermaßen nur den hintersten Abschnitt desselben darstellt, und somit in letzter Instanz auf eine Anzahl Verbindungsteile von Ursegmenten mit der Leibeshöhle zurückzuführen ist. 33* 5i6 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Einzelheiten dieser Entwickelung müssen hier unerörtert bleiben, doch sei be- merkt, daß auch die bleibende Niere in ihrem fertigen Zustande aus Harn- kanälchen besteht, von denen ein jedes mit einem Nierenkörperchen (aus Ge- fäßknäuel und Kapsel bestehend) beginnt, dann in einen sezernierenden und endlich in einen lediglich ausführenden Abschnitt sich fortsetzt. Dagegen kommen den Kanälchen der bleibenden Niere niemals mehr freie Öffnungen nach der Leibeshöhle zu. Dem Gesagten zufolge entsteht der Ureter von dem Urnierengang aus, und bei Echsen und Schlangen mündet er dementsprechend auch zeitlebens in Hoden Enddarm Harnblase Nebenniere ■Niere (Urniere) NebenJioden (Urniere) Hoden Samenleiter (Urnierengang)! Urnierengang Enddarm- - (Harn- u Samen- leiter) Harnblase Cloake Nebenhoden (Urniere) Hoden Samenleiter (Urnierengang/^ f/ u // /'/ Niere (Nachniere) Enddarm— Harnleiter (Ureter) Cloake Niere (Nachnie Harnleiter j (Ureter) A B Harriblase ürogenitals inus c Fig. 66 A-D. Schematische Darstellung der Hara- und männlichen Geschlechtsorgane bei Fröschen (.-/), Sauriern (ß), Schildkröten (C) und beim Menschen {D). Geschlechts- organe. Gonochorismus und Herma- phroditismus. den genannten Gang und erst durch dessen Endstück in die Kloake ein; dagegen werden bei Krokodilen, Schildkröten, Vögeln und Säugern beide Gänge selb- ständig voneinander, und der Ureter mündet für sich entweder in die Kloake oder in den von dieser aus entstehenden Sinus urogenitalis, von dem aus schließlich bei den Säugern seine Mündung auf die Blase verlegt wird (Fig. 66). Eine solche, als Harnreservoir dienende und von der ventralen Kloakenwand entstehende und somit ventral vom Darm gelegene Harnblase kommt den Amphibien, vielen Reptilien und den Säugern zu; wir werden noch einmal auf sie zurückkommen müssen. Mit dem gleichnamigen Gebilde, das dorsal vom Darm bei den Knochenfischen liegt, hat sie nichts zu tun: dasselbe verdankt einer Verschmelzung beider Urnierengänge seine Entstehung. Geschlechtsorgane. Die Wirbeltiere sind getrennt-geschlechtlich; die Individuen einer Spezies besitzen somit entweder nur die männlichen oder nur die weiblichen Keimdrüsen, Hoden oder Eierstöcke. Von dieser Regel der Eingeschlechtlichkeit oder des Gono c hör i Stylus machen normalerweise die Myxinen eine Ausnahme, während abnormerweise Zweigeschlechtlich- keit {Hermaphroditismus) bei allen Klassen gelegentlich beobachtet wird. Doch handelt es sich wohl in allen diesen letzteren Fällen nur um einen Nachniere. Gonochorism. Hermaphroditism. Entstehg. d.Keimdr. Männl. Geschlechtsorg. ^17 Nebenniere _ Niere {Nach- Entstehung der Keimdrüsen. niere) -Harnleiter ( Ureter) Harnblase morphologischen, nicht aber auch um einen physiologischen Hermaphroditismus, d. h. um Individuen, die nur eine Art reifer Geschlechtsprodukte (Samen oder Eier) erzeugen, wenn auch bei ihnen die Keimdrüse der einen Seite den Charakter eines Hodens, die andere den eines Eierstockes besitzt, oder aber die Keimdrüse ein- oder beiderseitig Mischcharakter zeigt: den Bau eines Hodens mit eingesprengten Eierstockspartien oder umgekehrt. Zeitliche Ver- schiedenheit in der Reifung der beiderlei Geschlechtsprodukte verhindert auch bei den Myxinen Selbstbefruchtung. Die Entstehung der Keimdrüsen (Gonaden), sowohl der männlichen wie der weiblichen, erfolgt von dem Epi- thel der Leibeshöhle, d. h. dem parietalen Blatt des Me- soderms aus, durch eine Wucherung dieses Epithels rechts und links von der Wurzel des Darmgekröses. Indem das Epithel in das unterliegende Bindegewebe einwächst, kommt es in hier nicht näher zu schildernder Weise zur Bildung der Keimdrüsen, in denen durch Umwandlung der Urgeschlechts- zellen die Keimzellen (Samenzellen und Eier) erzeugt werden. Die Urge- schlechtszellen erscheinen demnach als umgewandelte Zellen des Leibes- höhlen-Epithels, doch ist auch für die Urogenital Wirbeltiere durch eine Anzahl Befunde *""'* die Auffassung gestützt worden, daß sie unmittelbarere Abkömmlinge der befruchteten Eizelle darstellen und im Laufe der Entwicklung nur in das Fig. 66. mittlere Keimblatt, an die Stellen, wo sich die Keimdrüsen bilden sollen, verlagert werden. Die ersten Entwickelungsvorgänge sind für Hoden wie Eierstock gleich, Männliche später macht sich jedoch eine wichtige Verschiedenheit bemerkbar. Beim ^organe. * männlichen Geschlecht gehen aus den Zellsträngen des Leibeshöhlenepithels, die in das Bindegewebe einwuchern. Kanälchen (Samenkanälchen) hervor, in denen später aus den Urgeschlechtszellen die reifen Samenzellen (Samenfäden) erzeugt werden. Mit diesen Kanälchen setzt sich ein Organ in Verbindung, das wir früher schon kennen lernten: die Urniere. Diese, die bei den Anam- niern zeitlebens als Harndrüse funktioniert, übernimmt bei den Männchen fast aller derselben noch eine weitere Aufgabe: die Herausleitung des Samens aus dem Hoden. ErmögHcht wird dies dadurch, daß Verlängerungen der Urnieren- kanälchen in die Anlage des Hodens einwachsen und sich hier mit den Samen- kanälchen verbinden (Fig. 67A). Bei manchen Formen geht nur der vordere Teil der Urniere diese Verbindung mit dem Hoden ein und wird dann als Geschlechts- niere dem hinteren Teil, der nur Harnniere bleibt, gegenübergestellt; bei ande- ren betrifft der Vorgang die gesamte Urniere, die somit im ganzen sowohl den ^Enddarm Samenleiter ( Urnieren gang) —Hoden Nebenhoden ( Urniere) GeschleclitS' Organe. cjg Ernst GaUPP: Die Morphologie der Wirbeltiere Harn produziert, als auch den Samen herausleitet und so die Aufgabe eines Nebenhodens erfüllt. Der Urnierengang leitet demzufolge bei den meisten Anamniermännchen sowohl Harn wie Samen in die Kloake. Diese Doppel- aufgabe der Urniere und ihres Ganges bei den Männchen der Anamnia schützt das Organ auch bei den Amnioten vor dem völhgen Untergang. Denn hier, wo die Nachniere als bleibendes Harnorgan auftritt, wird die Urniere als solches überflüssig und demzufolge bei den Weibchen auch tatsächlich, nebst ihrem Gang, rudimentär. Dagegen behält sie bei den Männchen die zweite Funktion, den Samen herauszuleiten, bei; sie verbindet sich wie bei den Anam- niern durch besondere Kanälchen mit den Samenkanälchen und stellt nun das als Nebenhoden bekannte, dem Hoden angelagerte Organ dar, das sich in den Urnierengang fortsetzt, der hier lediglich Samenleiter ist (s. auch Fig. 66). Bei den meisten Wirbeltieren bleiben die Hoden zeitlebens da liegen, wo sie entstanden, nämlich in der Bauchhöhle; nur bei der Mehrzahl der Säuger wan- dern sie aus dieser durch die Bauchwand heraus in einen besonderen Hoden- sack. Bei manchen Säugern erfolgt dieser Descensus der Hoden nur vorüber- gehend. weibUciie Die Ausbildung dcr we i b H ch 6 n Keimdrüse, des Eierstockes, gestaltet sich wesentlich anders. Aus den ersten in das Bindegewebe eingewucherten Epithelsträngen entstehen keine hohlen Kanälchen, sondern durch Zerfällung solide rundliche Zellhaufen (Follikel), deren jeder eine Urgeschlechtszelle (ein Urei) einschließt. Eine Verbindung dieser Follikel mit der Urniere erfolgt aber nicht; ganz anders als beim Hoden erhält der Eierstock keinen ausleitenden Gang; Urniere und Urnierengang werden daher bei den Weibchen der Am- nioten, wo sie ja mit der Harnbereitung nichts mehr zu tun haben, rudimentär. Die Eier aber, die im späteren Leben, zur Zeit der Geschlechtsreife, in den Follikeln des Eierstockes zur Reife kommen, gelangen aus demselben heraus, indem der Follikel, der die Natur eines Bläschens angenommen hat, aufplatzt und seinen Inhalt, also vornehmlich das Ei, in die Bauchhöhle entleert. Wenig- stens ist dies bei weitaus den meisten Wirbeltieren der Fall. Wie aber kommt das Ei weiter nach außen? Hierfür besitzen manche niederen Wirbeltiere, z. B. die Neunaugen und manche Haie, besondere, in der Gegend des Afters gelegene Öffnungen der Leibeshöhle, bei der überwiegenden Mehrzahl aber bilden sich selbständige Gänge, die MüUerschen Gänge (Eileiter), zurÜber- nahme jener Funktion (Fig. 67 B). Diese, bei den verschiedenen Wirbeltieren nicht in ganz gleicher Weise entstehenden, stets aber auch auf das Epithel der Leibes- höhle zurückzuführenden Gänge lagern sich, ein rechter und ein linker, neben die Urnierengänge und öffnen sich vorn frei in die Leibeshöhle, während sie mit ihrem hinteren Ende in die Kloake einmünden. So können nun die aus dem Eierstock herausfallenden Eier von der vorderen Öffnung eines der MüUerschen Gänge aufgenommen und durch diesen hindurch nach der Kloake hin geschafft werden. Flimmerzellen, die den Eileiter, namentlich an seiner vorderen Mün- dung auskleiden, sowie Zusammenziehungen der muskulösen Wandung des Ganges spielen hierbei eine Rolle. Männliche Geschlechtsorgane. Weibliche Geschlechtsorgane 519 In dem Auftreten der Müllerschen Gänge, die bei den Männchen rudi- mentär bleiben, bei den Weibchen aber zu den Eileitern werden, stimmen weit- aus die meisten Anamnier und alle Amnioten überein. Doch zeigen die ge- nannten Gänge bei den verschiedenen Formen noch manche Besonderheiten. Müllerscher Gang Ausführende Kanälchen des Hodens Hoden.. Vordere Öffnung des Eileiters d\ Ausführungs- Eierstock — ^ gänge der Harn- kanälchen Urnierengang ( Wolff scher Gang) Geschlechtsteil der Urniere Vorderer Teih^ der Urniere Urniere {mit den, Nephrostomen) Urniere {mit ,.. . den Nephro- stomen) Urnierengang ^M ~. EileiUr {Müllerscher Gang) Urnierengang ( Wolff scher Gang) Müllerscher Gang Fig. 67. Schema des Urogenitalapparates von Urodelen. A beim Männclieii, B beim Weibchen. Nach J. W. Spengel. So bilden sich in ihnen bei eierlegenden Formen bestimmte Abschnitte durch Entwickelung von Drüsen zu der Fähigkeit aus, schützende Hüllen um das durchtretende Ei zu erzeugen: Gallerthüllen bei den meisten Fischen und Amphibien, Hornschalen bei Haien, Pergamenthüllen bei Reptilien, Eiweiß- hüllen und Kalkschalen bei Vögeln, und ein besonderer, durch starke Musku- latur ausgezeichneter Abschnitt übernimmt gewöhnhch die Rolle eines Ge- bärorgans {Uterus), d. h. die Aufgabe, den Inhalt auszustoßen, mag es sich um ein Ei in jungem Entwickelungsstadium, oder bei lebendiggebärenden 520 Ernst Gaupp: Die Morphologie der Wirbeltiere Formen um einen mehr oder minder weit entwickelten Embryo handeln. Bei den zuletzt genannten Formen erfolgt in dem Uterus auch die Aufbewahrung und Entwickelung des Embryo bis zum Augenblick der Geburt. Daß bei lebendig- gebärenden Tieren auch die Befruchtung des Eies in dem Müllerschen Gang erfolgen muß, liegt auf der Hand; dasselbe ist aber auch der Fall, wo harte, für den Samen undurchdringliche Schalen um das Ei gebildet werden: auch hier muß ja vorher schon die Befruchtung erfolgt sein. — Amphibien, Reptihen und Vögel zeigen die Eileiter beider Seiten stets von Anfang bis Ende getrennt; unter den Säugern ist das gleiche nur noch bei den Monotremen (dem Ameisenigel und dem Schnabeltier) der Fall, während bei den anderen eine mehr oder minder weitgehende Verschmelzung der Gänge erfolgt. Stets ist dies bei den Plazentaltieren der Fall mit den beiden letzten Abschnitten, die durch ihre Verschmelzung eine dem Begattungsakt dienende einheithche Scheide (Vagina) bilden; stets bleiben andererseits die beider- seitigen Anfangs abschnitte als Muttertrompeten [Tuhae uterinae) von- einander getrennt; dagegen verschmelzen die dazwischen gelegenen mittleren Abschnitte, die Uteri, in verschiedener Ausdehnung untereinander (Fig. 68). Bei den Affen und dem Menschen ist diese Verschmelzung am vollständigsten und führt zur Bildung eines einheitlichen, einfachen Uterus. Doch werden auch beim Menschen Fälle unvollkommener Verschmelzung als Abnormitäten beobachtet. Ganz abweichende Verhältnisse bilden sich bei den Beuteltieren aus: hier unterbleibt die Verschmelzung der Scheiden, ja, es kommt bei manchen von ihnen sogar zur Bildung dreier Scheiden, indem zu den beiden seitlichen noch eine mittlere unpaare sich hinzugesellt. Die Uteri kommen dagegen wieder teilweise zur Verwachsung. Besonderheiten Von dcr bisherigen Schilderung abweichende Verhältnisse der Geschlechts- ^'^or^ne bei ^ orgauc zcigcn der Amphioxus, die Rundmäuler, Knochenfische und einige anderen Fische. Die Besonderheit des Amphioxus liegt darin, daß die Keim- drüsen zwar auch vom Epithel der Leibeshöhle aus ihre Entstehung nehmen, dann aber in eigentümlicher Weise verlagert werden, so daß sie sich beim aus- gebildeten Tier an der Außenwand des Peribranchialraumes, den wir bei den Atmungsorganen kennen lernten, finden (Fig. 56). Ausführungsgänge kommen weder beim männlichen noch beim weiblichen Geschlecht zur Entwickelung, und so werden sowohl Eier wie Samen durch Platzen der Keimdrüsen in den Peribran- chialraum entleert, aus dem sie durch den Branchialporus nach außen gelangen. Hier besteht also keine Vereinigung der Geschlechts- und Harnorgane. Fast ganz unabhängig voneinander bleiben dieselben auch bei den Rundmäulern, wo der Harn aus der Urniere durch den Urnierengang, Samen und Eier aber, die durch Platzen der Keimdrüsen in die Bauchhöhle entleert werden, durch besondere Genitalöffnungen derselben [Fori genitales) herausgelangen. End- lich bilden die Knochenfische die dritte große Gruppe, bei der beide Organ- systeme ganz oder fast ganz selbständig voneinander bleiben. Die Urniere bleibt bei beiden Geschlechtern nur Harndrüse, Müllersche Gänge kommen nicht zur Entwickelung, dagegen werden Hoden wie Eierstöcke von besonderen Taschen der Bauchhöhle umwachsen, die sich nach hinten hin in dünne Kanäle, bestimmten Formen. Weibl. Geschlechtsorg. Besonderh.d. Geschlechtsorg, bestimmt. Formen. Kloake, Harnblase :^2l Geschlechtsgänge, fortsetzen. Diese kommen hinter dem Darm, gewöhnhch nachdem vorher die beiderseitigen untereinander zu einem unpaaren Gang ver- schmolzen, zur Ausmündung. Bei den Männchen erfolgt auch oft eine Ver- bindung des unpaaren Geschlechtsganges mit dem letzten Ende des Urnieren- ganges, also wenigstens eine kurze Strecke weit eine Vereinigung des Harn- und Geschlechtssystems. — Auch von den anderen Fischen ließen sich noch mancherlei Besonderheiten des Geschlechtssystems anführen, deren morphologische Deutung noch keines- wegs immer klar ist. Endlich verdient noch kurze Erwähnung die Art, wie die Harn- und Ge- Kloake, Ham- schlechtsgänge nach außen münden, wobei dann besonders auch noch einmal urogenitaiis. o.a--^ B D E Fig. 68. Die verscliiedenen Formen des Uterus bei den Säugetieren. Fünf Schemata, nach M. Weber. A Mono- tremata, B Marsupialia, C Uterus duplex, D Uterus bicornis, E Uterus simples, o.a vordere Öffnung des Eileiters (ostium abdominale), SM.g Sinus urogeuitalis, i Eileiter (Tube), u Uterus, v Vagina, v.ii Harnblase (vesica urinaria). der Kloake und ihrer Bildungen zu gedenken ist. Nur bei einigen niederen Formen bleiben die Harn- und Geschlechtsgänge unabhängig von dem Darm und münden für sich nach außen. So bei den Rundmäulern, den Knochen- fischen. Bei der Mehrzahl der niederen Wirbeltiere dagegen münden sie in das letzte Ende des Enddarmes ein, das alsdann den Namen einer Kloake erhält. So ist es der Fall bei den Amphibien, den meisten Reptilien und den eier- legenden Säugern, dem Schnabeltier und Ameisenigel, die ja daraufhin auch Kloakentiere genannt werden. Von dieser Kloake aus bildet sich, und zwar an der ventralen Wand derselben, bei den Amphibien eine sackförmige Ausstül- pung, die Harnblase, die als Reservoir für den Harn dient, wenn auch die Harngänge nicht unmittelbar in sie, sondern eben in die Kloake selbst einmünden (Fig. d^). Durch besondere Tätigkeit der Kloakenmuskeln wird wohl dafür ge- sorgt, daß der Harn, ohne sich mit dem Darminhalt zu mischen, in die Blase hineingelangt. Die gleiche sackförmige Ausstülpung wächst bei den Embryonen der Amnioten sehr viel stärker aus, gelangt so mit einem großen Abschnitt aus dem Körper des Embryo heraus und bildet das in dem Abschnitt über Ent- wickelungsgeschichte besprochene wichtige Atmungsorgan des Embryo, die Allantois. Nur ihr der Kloake unmittelbar angeschlossener Anfangsteil kann auch bei den Amnioten durch Erweiterung zu einer Harnblase werden, die dann c 2 2 Ernst Gaupp : Die Morphologie der Wirbeltiere dauernd erhalten bleibt, während der übrige Teil als AUantois bei der Geburt abgestoßen wird. Eine so entstandene Harnblase besitzen die meisten Saurier, sowie die Schildkröten, während sie den erwachsenen Krokodilen, Schlangen, Vögeln und manchen Sauriern fehlt. Auch bei den Säugern bildet sie sich , doch mehr als ein sekundär sich abtrennender Teil der Kloake selbst. Die Säuger zeigen endlich einen Vorgang, der sich schon bei Schildkröten anbahnt, zur höchsten Vollendung gelangen: die Abtrennung eines besonderen, für die Aufnahme der Harn- und Geschlechtsgänge bestimmten Raumes {Sinus urogenitalis) von der Kloake. Schon die eierlegenden Monotremen zeigen den Beginn dieser Abtrennung; bei den Plazentaltieren ist sie vollendet. Nur embryonal ist auch hier noch eine Kloake vorhanden, im Laufe der weiteren Entwicklung wird sie in die beiden Räume zerlegt: den hinteren (dorsalen), der mit dem After den Enddarm nach außen leitet, und den vorderen (ven- tralen), der die Harn- und Geschlechtsgänge aufnimmt, also: i. die Ureteren, die sich von den Urnierengängen getrennt haben, als Ausführungsgänge der Nieren; 2. die Urnierengänge als Ausführungsgänge der Hoden beim männhchen Geschlecht; 3. die Müllerschen Gänge oder Eileiter beim weiblichen Geschlecht. Nachträglich verlagern dann die Ureteren gewöhnlich ihre Mündungen auf die Wandung der Blase, die sich ja an den Sinus urogenitalis anschließt. Die tren- nende Substanzbrücke zwischen dem After und der Ausmündung des Uroge- nitalsinus wird als Damm bezeichnet (Fig. 66). Begattungs- An dic Bildung des Sinus urogenitalis knüpft auch die des äußeren Be- organe. g^t t u ngs o rg a nes an, das bei den Männchen der Säuger entsteht, und dessen Kanal nur einen lang ausgewachsenen Sinus urogenitalis darstellt. Seine Ent- stehung schheßt an Bildungen an, die schon bei Krokodilen und Schildkröten in ähnhcher Form bestehen, während sich zu dem gleichen Zwecke der Be- gattung bei Echsen und Schlangen eine ganz andere Einrichtung ausbildet: handschuhfingerähnliche Säcke zur Seite der Kloakenöffnung, die ausgestülpt und aneinander gelagert in die Kloake des Weibchens eingeführt werden und den Samen zwischen sich ablaufen lassen. Überhaupt sind die Begattungs- organe der Wirbeltiermännchen recht mannigfaltiger Natur; bei den Haien werden sogar Teile der hinteren Extremitäten dafür in Verwendung gezogen. Die Notwendigkeit zur Ausbildung solcher Organe ergibt sich überall da, wo hartschalige Eier abgelegt werden — die eben schon vor der Ablage befruchtet sein müssen — sowie bei lebendiggebärenden Formen. Nebennieren. Nebennieren. In enger Nachbarschaft der Niere liegt beim Menschen eine aus soliden Zellmassen bestehende ,, Drüse mit innerer Sekretion", die eben wegen dieser Lagebeziehung die Bezeichnung Nebenniere erhalten hat. Sie stellt eine Vereinigung von zweierlei ganz verschiedenen Organen dar, die bei Fischen als Interrenalkörper und Suprarenalkörper getrennt sind, und von denen der in der Nachbarschaft der Urniere gelegene Interrenalkörper aus Zellsträngen besteht, die vom Epithel der Leibeshöhle entstammen, während die in der Mehrzahl vorhandenen Suprarenalkörper den Ganglien des Sympa- thicus anhegen, von denen auch ihre ebenfalls soliden Zellstränge abstammen. Sinus urogenitalis. Begattungsorgane. Nebennieren, Leibeshöhle 523 Die Vereinigung der beiderlei verschiedenartigen Zellmassen zu einem äußerlich einheitlichen Organ, der Nebenniere, beginnt von den Amphibien an. Leibeshöhle. In der Leibeshöhle, die durch Auseinanderweichen der LeibeshöMe. Seitenplatten des Mesoderms entsteht, haben wir einen Raum kennen gelernt, an dessen epitheliale Wandung die Bildung der Harn- und Keimdrüse sowie der Harn- und Geschlechtsgänge geknüpft ist. Damit sind genetische Bezie- hungen zu den Harn- und Geschlechtsorganen gegeben. Aber auch im ausge- bildeten Zustand ziehen die beiden Organsysteme die Leibeshöhle vielfach noch zur Hilfsleistung heran, am regelmäßigsten beim weiblichen Geschlecht, wo ja fast stets die Eier zunächst in den Bauchraum entleert werden. Die vorderen Öffnungen der Eileiter, die der Herausleitung der Eier aus demselben dienen, bilden aber nur eine Gruppe von Öffnungen der Leibeshöhle nach außen; andere, wie die Wimpertrichter der Urniere oder besondere ,,Pori abdominales", dienen der Herausschaffung von Umsatzstoffen. Eine dritte Beziehung, die bei den höheren Formen allein übrig bleibt, ist die der Leibeshöhle zum Gefäß- system: durch Verbindungen mit den Blut- und Lymphgefäßen wird sie zu einem großen in das Gefäßsystem eingeschalteten Raum, dessen normaler- weise spärlicher Inhalt an Körperflüssigkeit, gleich dem eines Lymphraumes, immer wieder in das Gefäßsystem, dem er entstammt, zurücktritt und so dem Organismus erhalten bleibt. Von dem ursprünglich einheithchen Leibesraum sondert sich schon bei den Fischen ein besonderer, das Herz umgebender Abschnitt als Herzbeutel ab, aber erst bei den Säugern vollzieht sich mit der Bildung des Zwerchfelles die weitere Abtrennung zweier für die beiden Lungen bestimmter Brustfellräume von dem Bauchraum, der sich zwischen Magen und Darm, Harn- und Geschlechtsorganen ausbreitet. Auch diese Abkömmhnge des ursprünglichen Leibesraumes (Herzbeutel-, Brustfell-, Bauchraum) besitzen die eben erwähnten Beziehungen zum Gefäßsystem. Literatur. Die Literatur über die Morphologie der Wirbeltiere ist ungeheuer groß, die selbständigen Arbeiten sind fast alle in Zeitschriften verstreut. Von den im nachfolgenden genannten Werken geben besonders das Handbuch der Entwickelungslehre von O. Hertwig sowie die vergleichende Anatomie der Wirbeltiere von Wiedersheim ausgedehnte und reichhaltige Literatur-Verzeichnisse, mit deren Hilfe ein tieferes Eindringen in die Einzelfragen des Ge- bietes ermöglicht ist. Hier sollen daher nur einige wenige und leicht zugängliche Hand- und Lehrbücher angeführt werden. Bergm.\nn,C. und Leuck.\rt, R. Anatomisch-physiologische Übersicht des Tierreichs. Ver- gleichende Anatomie und Physiologie. Neue Ausgabe, Stuttgart 1855. (Im einzelnen vielfach veraltet und überholt, aber immer noch eine Fundgrube wertvoller Beobachtungen und Gedanken.) Boas, J. E. V. Lehrbuch der Zoologie. 6. Aufl. Jena 191 1, BÜTSCHLI, O. Vorlesungen über vergleichende Anatomie, i. Lief. (Einleitung, vergl. Anatomie der Protozoen; Integument und Skelett der Metazoen) Leipzig 1910. 2. Lief. (Allge- meine Körper- und Bewegungsmuskulatur ; Elektrische Organe und Nervensystem) Leipzig 191 2. (Mehr ist noch nicht erschienen.) Claus-Grobben. Lehrbuch der Zoologie, begründet von C. Claus, neu bearbeitet von K. Grobben. 2. Aufl. Marburg 19 10. Gegenbaur, C. Grundzüge der vergleichenden Anatomie, 2. Aufl. 1870. Gegenbaur, C. Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere mit Berücksichtigung der Wirbel- losen. 2 Bde. Leipzig 1898— 1901. Gegenbaur, C. Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 7. Aufl. 2 Bde. 1899. Hertwig, O. Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. 9. Aufl. Jena 1910. Hertwig, O. Die Elemente der Entwicklungslehre des Menschen und der Wirbeltiere. 4. Aufl. Jena 1910.. Hertwig, O. Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre der Wirbeltiere. (Im Verein mit zahlreichen Fachgenossen herausgegeben.) 3 Bde. Jena 1906. Hertwig, R. Lehrbuch der Zoologie. 9. Aufl. Jena 1910. Hesse-Doflein. Tierbau und Tierleben. l.Bd. Der Tierkörper als selbständiger Organismus. Von R. Hesse. Leipzig und Berlin 1910. Huxley, T.H.Handbuch der Anatomie derWirbeltiere. Deutsch von F.Ratzel. Breslau 1873. Leche, W. Der Mensch, sein Ursprung und seine Entwicklung. Jena 191 1. Lubosch, W, Vergleichende Anatomie der Sinnesorgane der Wirbeltiere. Leipzig 19 10. Owen, R. On the Anatomy of Vertebrates. 3 Vols. London 1866— 1868. SCHIMKEWITSCH, W. Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere. Deutsch von H. N. Maier und B. W. Suk.\tschoff. Stuttgart 19 10. VIALLETON, L. Elements de Morphologie des Vertebres. Paris 191 1. Wiedersheim, R. Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 7. Aufl. des „Grundrisses der vergl. Anatomie der Wirbeltiere". Jena 1909. Wiedersheim, R. Der Bau des Menschen als Zeugnis für seine Vergangenheit. 4. Aufl. Tübingen 1908. REGISTER Abdomen 248, 261. Abfaltung 214. Abspaltung 214. Acanthocystis 25. Achromatin 48. Achse, Körperachse 178. primäre Eiachse 178. Achsenskelett 421. Achsen- und Symmetrieverhältnisse 179. Actinosphaerium — isogame Befruchtung 28. Actinotrocha 292. Acrania 320, 334, 399 Affen 388. After 338, 344, 356, 367, 484 Afterflosse 429. Aftermembran 370, 372, 375, 385. Albumen 137. Allantois 375, 376, 378, 386. Alytes obstetricans 345. Amboß 446. Ambulacralgefäßsystem 305. Ambulacralsystem 304. Amnion 372, 376, 380, 384. Amnionfalten 372, 382. Amnionhöhle 373, 377, 380. Amnionlose 400. Amniontiere 400. Amniota 400. Amöba 5. Amphibien 169, 356, 364, 389, 390, 391, 400. Amphiblastula 190 Amphimixis 33, 105. Amphineuren 272. Amphioxus 154, 156, 168, 320, 353, 356, 364 367. 389. 39O' 3'^9- — Doppelgastrulae 170. — lanceolatus 333. anaerob 15. Analstrang 344. Anamnia 4:0. Anaphase der Kernteilung 59. Animalkulisten 99, 105, 127. Anisogamie des Malariaparasiten 29. Anlagen 108 ^ — Mischbarkeit 122. Annelides 220, 234, 392. Antennaten 256. Antennendrüse 25 i Anthozoen 202. — Bau 202. Antimeren 180, 183. Anura 400. Anus 355. Aorta 372, 507, 509. Aortenwurzeln 510. Aplacentalia 400. Apoda 400. Appendicularien 320. Äquivalenz der männhchen und der weib- lichen Erbmasse 120. von Ei und Samenkern 120 Arachnomorpha 252. Arbeitsteilung und Differenzierung 157. — physiologische 158. Archipterygiumtheorie 456. Armfüßer 289. Arterien 506. Arthropoden 242. — Entwicklung im Ei 263. Artzellen 42, io9. Ascaris megalocephala loi. Ascidien 172, 320. — Bau 321 — Entwicklung 325. Ascidienembryo 327. Assimilation 52, Asteroidea 299. Asymmetrie 401. Asymmetrischer Typus 181. Atmung 15. — des Sauropsidenembryo 375 Atmungsorgane 497. Auge 395. Augen, paarige 478. Augenbecher 478 Augenbewegungsnerv 471. Augenblase 370, 478. Aureha flavidula 162. Auricularia 313. Außenskelett 410 Autogamie 28, 29. Axopodien 7. B. Balanoglossus 296. — Bau 294. — Entwicklung 297. Barten 493. Bastard 109. Bauch ganglienkette 235. Bauchraum 523. 526 Register Bauchrippen 412. Bauchspeicheldrüse 496, 497. Bauchstiel 386, 387. Becherlarve 156. Becherzellen 68. Beckengürlel 452. Befruchtung, biologische Theorie 105, 132. — chemische Theorie 130, 131. — künstliche 100. — physiologische Bedeutung 31, 33. — Verlauf 10 1. Befruchtungsprozeß 99, 119. — Verbreitung 104. Begattungsorgane 522. Beinerv 472. Belegknochen 420. Beutelstrahler 299. Beweglichkeit 50. — amöboide 5. — — physikalische Erklärung 7. Bilaterale Symmetrie 401. — — der Eier 144, 145. Bilaterahtät, Entwicklung 208. Bilateraltypus 181. Bilaterien 208. Bildungsdotter 136, 147. Bindegewebe 394. Bindegewebsfasern 75. Bindegewebszellen 77. Biogenesistheorie 164, 171. Biogenetisches Grundgesetz 333, 392, Biologisches Experiment 167. Biophoren 167. Bipinnaria 313. Blastocoel 154, 179. Blastoderm 150. Blastoidea 299. Blastomeren 179. Blastoporus 158, 179, 210, 343, 344, 355, 391. — Schicksal Isei den Deuterostomia 212. — Schicksal bei den Prostomia 209. Blastoporuslippen 343, 363. — dorsale 353. — ventrale 353. Blastosphären 161. Blastula 153, 334. — bei Amphioxus 340. — bei Fröschen 342. — bei Knorpelfischen 340. — bei Reptilien 340, 342. — bei Säugern 340, 342. — bei Vögeln 342. Blastulastadium 179 Blattläuse 127. Blepharoblast 26. Blinddarm 496 Blut 385. — Entwicklung 353. Blutadern 507. Blutanlagen 371. Blutelemente, farblose 73. — weiße 73. Blutfarbstoffe 'ji. Blutgefäße 385. — Entwicklung 240. — System 246. Blutgefäßsystem 506. Blutlymphdrüsen 512. Blutplättchen 74. Blutzellen 73. — rote 74. Bombinator igneus 356. Brachiolaria 313. Brachiopoden 289, 293. Brechungslinie 141. Brustbein 431. Brustfellräume 523. Brustkorb 432. Bryozoen 289, 293. c. Caecum 496. Canalis neurentericus 338, 344, 355, 360, 367, 369- 370. 372. 375- 383. 385- 386, 391, 393. Carchesien 9. Carinaten 432. Carpus 457. Centrosoma 24. Cephalodiscus 299. Cephalogenesis 392. Cephalopoden 283. Chaetognathen 294. Chalazen 137. Cheiropterygium 456. Chelonia 400. Chemoluminiszenz 54. Chemotaxis 11. Chiastoneure Formen 280. Chitinbekleidung 65. Chondromukoid 77. Chordaanlage 369, Chorda dorsaHs 334, 335, 337, 349, 351, 353, 355' 356. 363. 364. 366, 368, 371, 372, 385, 388, 390, 391, 399, 402. Chordarinne 339, 367. Chordata 320. Chordatiere 320. Chorion 387. Chorionzotten 385. Chromatin 17, 47, 96. Chromatophoren 14. Chromidialapparat 18. Chromidialnetz 18. Chromidien 18. Chromophile Substanz 86. Chromosome 58. Zahlengesetz der — 117. Register 527 Ciliaten 8. Cilien der Ciliaten 8. Cingulum 221. Clavicula 451. Clepsedrina 9. Cnidarien 193. Coelenterata 186. Coelom 216, 245, 360, 364, 371, 389. — außerembryonales 369, 376, 380, 382, 384. — definitives 338. — primäres 337. — der Echinodermen 306. — Gliederung 353. — Umbildungen 270. Coelomdivertikel 339, 367. Coelomentwicklung 238. — bei den Echinodermenlarven 314. Coelomoducte 236. Coelomspalte 363. Coelomtheorie 333, 389. CoUateralen 87. Columella 450. Concrescenz 343. — bei Selachiern und Teleostiern 359. Concrescenztheorie 336, 359. Coracoid 451, Corium 408. Craniota 399. Crinoidea 299, 307. Crinoidenlarve 316. Crocodilia 400. Crusta 43. Crustaceen 248. — Bau 248. — Entwicklung 251. — Extremitäten 249. Ctenidien 277. Ctenophoren 172, 204. — Bau 204. — Entwicklung 205, 207. Ctenophorenei 172. Cuticularbildungen 53, 65. Cyclostomen 340, 399. Cystoidea 299. Cytochromatin 86 Cytologie 39. Cytoplasma 45. Cytostom 13. Cytozentrum 48. D. Damm 522. Darm 388. — Entwicklung 209, 268. — der Echinodermen 304. — der Mollusken 275. Darmanlage 371. Darmbein 453. Darmentoderm 366. Darmhöhle 369, 391. Darmkanal 484. Darmlarve 156. Darmnabel 373. Darm -System 484. Dasyurus viverrinus 378. Deckknochen 420, 438. Defaecation 13. Delamination 162. Dendriten 87. Dentalium 173. Dentin -Zähne 489. Descensus der Hoden 518. Determinanten 166. Deuterostomia 212, 293. Deutoplasma 135, 162. Dickdarm 494. Didelphys virginiana 378. Differenzierung der Zellen 51. Dinoflagellaten 14. Dipleurula 317. — Ausbildung des festsitzenden Stadiums 318. — Umwandlungen 318. Diploid 128. Dipnoer 340, 364, 400. Discus proligerus 136. Disymmetrischer Typus 180. Doppelatmer 400. Doppelmißbildungen 170. Dotter 345, 358. — Einfluß 356, 357, 364. — Umwachsen 365. — Umwachsung 376. Dotterhaut (Membrana vitellina) 102. Dotterhof 371. Dotterkerne 149. Dottermembran 136. Dottermitgift der Amphibien 341. — der Selachier 341. Dotterpropf 343, 354. — Rusconischer 158. Dottersack 361, 376, 378, 383, 384. 387. Dottersackplacenta 362. Drüsen 409. — Bau 68. — Entwicklung 69. — Formen 70. — geschlossene 69, — ohne Ausführungsgang 69. — Epithel 68. Ductus vitello- intestinalis 360, 377. Dünndarm 494. Duplicitas anterior 170. E. Echidna 378. Echinodermen loi, 163, — Entwicklung 310. — Medianebene 303. 299. 528 Register Echinodermen, Phylogenie 317. Echinodermenlarven, Typen 313. Echinoidea 299 Ei, Promorphologie 144 Eiachse 135. Eibildung iii. Ei- und Samenbildung iii — Vergleich 116. Eichelvvürmer 294. Eidotter 96. Eier 40, 95, 96. — Abortiveier 116. — centrolecithale 138. — der Säugetiere 154. — isolecithale 134. — Mosaikeier 168, 172. — Regulationseier 168. — Sommereier 128. — telolecithale 135. — Wintereier 128. Eierstöcke 516, 517, 518 Eikern 103. Eileiter 518. Eimutterzelle 112. EingeschlechtUchkeit 516. Eingeweidenerven 469, 472. Einwanderung, multipolare 197. — polare 197. Eireife 114, 128. Eistruktur 147, 172. Eiteilung, Experimentelle Abänderung 151. Eiweißverbindungen 43. Eizellen, verschiedener Bau 134. Ektoderm 157, 334, 335, 349, 379, 382, 390, 395. — definitives 390. — primitives 335. — sekundäres 215. Ektodermzellen 349. Ektomesoderm 207, 208. Ektoplasma 43. Ektosark 3. Elektrische Organe 463 Elementarorganismus 39. Eleutherozoa 308. Elle 457. Embryonalschild 160, 380, 385. Empfängnishügel 102. Enddarm 209, 494, 496. Endhirn 467. Endknospen 474. Endostyl 323. Energide 50. Enterocoelbildung 216. Enteroderm 215. Enteropneusten 294. Entoderm 157, 334, 335, 349 380, 382, 390. — definitives 338, 390, 391 — ■ primitives 335. 363- 369. 379. 394- Entoderm, sekundäres 215 — bei Beutlern 379. Entodermzellen 349. Entomesoderm 215. Entosark 3. Entwicklungsperioden 177. Enzyme 52. Enzystierung 20. Eoperipatus weldoni 266. Ependym 464. Epidermis 360, 395, 408. — primäre 351. — primitive 338, 389 Epigenetiker 164. Episphaere 221. Episternum 432. Epithel, cylindrisches 66. — kubisches 66. — Plattenepithel 63. — Übergangsepithel 64. Epithelgewebe 61, 62, 63. Epithelkörperchen 501, Epithelmuskelzellen 81. Epithelzellen, Gestalt 63. Ernährung, holophy tische 14. — holozoische 12. Ersatzknochen 421, 441. Erythropsis 1 1. Erythrozyten 73. Eutheria 378. Euthyneure Formen 280. Evolutionisten 164. Exkrete, schädigende Wirkung 36. Exkretion 15. Exkretionsorgane 16. Exkretionssystem 512. Exoskelett 410. Extremitäten 244. Extremitäten- Skelett 450. F. Fadenkörnchen 53. Farbzellen 410. Fasern, elastische 75. — koUagene 75. Federn 413. Felsenbein 442. Femur 457. Fermente 52. Fette und Kohlehydrate 43. Fettgewebe 'j'j. Feuerwalzen 320, 321. Fibrillenbildung der Zelle 56. Fibula 457. Filopodien 6. Finger 457. Fische 400. Fischflosse 455 Register 529 Flagellaten 8. Flimmer Epithel 67. Flimmerkugeln 161. Flimmerzellen 55. Flossen unpaare 403. Flügelbein 440. Foraminiferen, geologische Bedeutung 16. Forelle 359. Fortpflanzung 50. Freßzellen 51. Frosch 345. Froschei 136. Fruchthof, dunkler 371. Furchung, discoidale 147. — inäquale 205. — superficielle 149, 264. — totale inäquale 142. Furchungshöhle 142, 179, 194, 213, 334, 340, 342, 349, 350, 362. Furchungskugeln 179. Furchungsprozeß 133 Fußwurzel 457. G. Gallenblase 497. Gallertgewebe 72. Gameten 28. Ganglien 90, 464. Ganoiden 340, 364, 400. Ganoinschupper 400. Gasträatheorie 333, 389. Gastropoden 278. Gastrovascularsystem 195. Gastrula 153, 156, 334, 392. — der Amphibien 158. — eines Brachiopoden 163. — epibolische oder Umwachsungsgastrula 1 62. — Pseudo 190. — Zwerg 169. Gastrulaeinstülpung 363. Gastrulahöhle 334. Gastrulamund 334. Gastrularaphe 211. Gastrulastadium 179. Gastrulation 334, 390. — der Selachier verglichen mit der der Amphibien 362. — bei Selachiern 357. — epibolische 206. Gaumenbein 440. Gaumenbildung 448. Gaumenleisten 493. Gaumen, sekundärer 482, 488. Gebärorgan 519. Geburtshelferkröte 345, Gefäß anlagen 371. Gefäße 353. Gefäßhof 371. K. d. G. m.iv, Bd. 2 ZeUenlehre etc. II Gefäßsystem 506. Gegenstücke 180. Gehirn 351, 356, 464, 466. Gehirnnerven 469, 471. Gehörknöchelchen 450 Gehörorgan 395. Gehörnerv 471. Gehörsteine 476. Geißel-Epithel 68. Geißeln der Flagellaten 8. Geißel- und Flimmerbewegung 8. Gekröse 494. Gelbei 136. Genitalapparat 394. Genitalsystem 512. Geruchsorgan 480. Geschlechtskern 26. — Reifung 27. Geschlechtsorgane 516. Geschlechtssystem 512. Geschmacksknospen 395. Gesichtsnerv 471. Gewebe 39, 60. — Gestalt und Leistung 60. — lymphoides 'j'j. — retikuläres "j'j. Gigantostraken 253. Glaskörper 72. Gliederfüßer 242. Gliederung, des Mesoderms 338. — des Coelom 338. Gliedmaßen, paarige, der Wirbeltiere 404. Glycogen 53, 82. Gnathostomata 400. Gonaden 236, 237, 517. Gonochorismus 516. Granula 52. Gregarinarien 8. Grenze zwischen Rumpf und Schwanz 347. Grenzrinnen 360, 370, 372. Grenzstrang 472. Grundsubstanzgewebe 62, 71. — Aufgaben 71. Gymnophionen 345. H. Haare 414. Haarsterne 299, 307. Haftapparat bei Amphibien 347. Hagelschnüre 137. Hahnentritt 136. Halbkerne 118, 128. Halbmonde 29. Hammer 446. Haemocoeltheorie 240. Hämoglobin 74. Handwurzel 457. Haploid 128. 34 530 Harnblase 516, 521. Harndrüse 513. Harnleiter 515. Harnsystem 512. Hartgewebe, Bau 80. Haversscher Kanal 80. Hauptkern 23. Haut 244. — Aufgaben 407. — äußere 407. — Bau 408. Hautdrüsen 415. Hautmuskeln 462 Hautmuskelschlauch 220. Hautnabel 373. Hautskelett 419. Häutungen 245. Hautverknöcherungen bei Tetrapoden 4 Hautzähnchen 411. Hemisphärenhirn 467, 468. Hermaphroditismus 516. Herz 506, 507. — Teilung in zwei Hälften 509. Herzbeutel 523. Herzbeutelhöhle 374. Herzmuskelgewebe 84. Heteraxonia 212. Hexapoda 259. Hirnanhang 497. Hirnanlage 360. Hinterhauptbeine 442. Hinterhirn 467. Histiologie 39. Hoden 516, 517. Hohlvene 511. Holothurien 309. Holothurioidea 299. Hörgrübchen 475. Hörknöchelchen 396. Hörnerv 471. Hornfasern 72. Horngebilde 409. Hornsubstanz 65. Hornzähne 488. Hufe 415. Hühnerei 136, 147 Humerus 457. Hydra 193. — Histologie 195. Hydroiden, Entwicklung 196. Hydroidmedusen 199. — Bau 200. Hydroydpolypen, Bau 193. Hyoidbogen 347. Hypobranchialrinne 323. Hypodermis 66 Hypophyse 497. Hyposphaere 221. Register 12. I- J. Iden 166. Idiochromatin 26 Idioplasma 120, 164. Idioplasmatheorie iio. Incisura neurenterica 359, 360 Infusionen, Erklärung 20. Infusionstierchen i. Insekten 259. — innerer Bau 261. — Keimblätterbildung 267. — Segmentierung 259. Integument 407. Interradius 180. Interrenalkörper 522. Intervillöse Räume 385. Invagination 156, 162. Isogameten 28. Isogamie 28. Jacobsonsches Organ 484. Jochbein 439. Jungfernzeugung 127. K. Kalkkörperchen 73. Kalkschale (Testa) 137 Kammer 509. Kammquallen 204. Kapillaren 506 Kardinalvenen 511. Karyogamie 27. Karyokinese 58. Karyosom 18. Kaulquappe 348. Kehlkopf 504. Keilbeine 442. Keimbläschen 96, 340. Keimblase 154 — der Säugetiere 154. — der Wirbellosen 161. Keimblasenhöhle 156. Keimblatt 157. — mittleres 207, 337, 352 — primäres 215. — sekundäres 215. Keimblätter der Reptilien 159. — der Säugetiere 159. — der Vögel 159. — Umkehr 382. Keimdrüsen 517. Keimflecke 96. Keimhaut 138, 150. Keimhüllen 268. Keimkern 103. Keimplasma 166. — Theorie 164, 166, 167. Keimscheibe 136, 147. Keimschild 368, 382. Register 531 Keimstreifen 239, 265. Keimwall 369 Keimzellen 54, 517. — Bestrahlung mit Radium 123. — ungleiche Differenzierung 97. Keratohyalin 65. Kerbtiere 259. Kern, Bedeutung 19. — Chemie 48. — Dimorphismus 23. — Dualismus 26. — generativer 26. — somatischer 26. — trophischer 26. Kerngerüst 47, Kernkörperchen 48. Kernplasmanorm 23 Kernplasmarelation 23, 24. Kernplasmaspannung 23. Kernrindenschicht 18. Kernsaft 47. Kernsegmente 58. Kernsubstanzen, Dualismus 26. Kernteilung, direkte 21, 57. — erbgleiche 120 — indirekte 58. Kernwachstum, proportionales 134. Kieferbogen 442. Kiefermäuler 400. Kiefermuschel 483. Kieferstiel 446. Kiemen 277, 500 — äußere 347. Kiemenapparat 498. Kiemenbogen 347, 371, 388, 393, 498. Kiemenbogengefäße 510. Kiemenbogenskelett 449. Kiemendeckel 499. Kiemenfurchen 347, 498. Kiemengefäße 507. Kiemenöffnungen 338. Kiementaschen 347, 371. Kieselnadeln 73. Kinozentrum 49. Kittlinien 84. Kittsubstanzen 61. Klappmuscheln 281. Kleinhirn 467, 468. Kloake 383, 496, 521. Kloakenafter 370. Kloakenmembran 370, 372, 383, 3S1;. Knochen 417. Knochenfische 359, 400. Knochengewebe 78. Knochengrundsubstanz 78 Knochenkanälchen 79. Knochenmark 512 Knochenzellen 79. Knorpel 417. Knorpelfische 400 Knorpel -Gewebe 77. Knorpeloberhaut 78. Knorpelschädel 434. Knospenfurchung 105. Knospenstrahler 299. Knospung 21. Knospungszone 392. Kolbenkörperchen 474. Koloniebildung 21. Kompressorien 151, Konjugation 27, 30. — Ursache 33. Konjugationsreife 34. Kontraktile Vakuolen 15. Kopf 387. Kopfdarm 485, 486. Kopfdarmbucht 374. Kopffüßler 283. Kopfhöhlen 403. Kopflose 399. Kopfskelett 433 Kopftiere 399. Kopulation 27, 30. — Ursache 33. Körperflüssigkeiten 73. Körperformen, Ausbildung 35! — äußere 344. Kragenzellen 187. Krallen 415. Kranzfühler 289 Krebstiere 248. Kreislaufgebiete 507. Kreuzbein 456. Kryptogamen 129. Labyrinth, häutiges 475. Labyrinthorgan 474. — Hilfseinrichtungen 476 Lamellibranchiaten 281 Lappenqualle 201. Lebenskraft 14. Leber 496, 497. Lebervene 508. Lederhaut 408. Leibeshöhle 338, 512, 523. — außerembryonale 389 — primäre 179, 194, 213. — sekundäre 216. — der Mollusken 276 Leptodiscus 9. Leuchtdrüsenzellen 54 Leuchten 54. Leuchtorgane 415. Leuconen 193 Limulus 254- Linin 17. 532 Register Linse 478. Lippen 486. Lippenknorpel 437. Liquor perivitellinus 102. Lobopodien 5. Luftkammer 137. Luftröhre 503 Luftröhrenäste 504. Luftsäcke 505 Lungen 497, 503. Lungensäcke 504. Lymphdrüsen 512. Lymphgefäßbahnen 506. Lymphgefäßsystem 5 1 2. Lymphherzen 506, 512. Lymphknoten 512 M. Macacus nemestrinus 388. Madreporenplatte 305. Magen 494, 495. Malariaparasiten 29. Malpighische Gefäße 262 Makrogametozyten 29. Makromeren 205. Mandibularbogen 347. Mantelbucht 274. Mantelhöhle 274. Manteltiere 320. Mark, verlängertes 467. Markscheide der Nervenfasern 89. MarsupiaHa 400. Maxillendrüse 251. Medianebene 145. MeduUarplatte 337, 338, 343, 344, 35 , 367. MeduUarrinne 338, 343, 351, 353, 387. Medullarrohr 338, 353, 355, 364, 388. Medullarwülste 343, 344, 351, 355, 35 , 369, 370. 387- Medusen 193 — acraspede 201. — craspedote 200. — Bildung 198. Membrana vitellina 102. Mendelismus 109, 121. Mendels Spaltungsregel 121. Mensch 384. Merogonie 129 Mesenchym 163, 391, 419. — larvales 224, 226. Mesenchymatisches Füllgewebe 213. Mesenterium 494. — dorsales 236, 240. — ventrales 236, 240. Mesenteron 209. Mesoblast, larvaler 213. Mesoderm 207,214, 335- 337' 35°' 352-365.367. 368, 369, 371, 380, 382, 384, 390, 391, 394. — gastrales 353, 363, 364, 391. Mesoderm, paariges 349. — parietales 338, 388. — parietales Blatt 360 — peristomales 353, 364, 391. — somatische Schicht 236. — splanchnische Schicht 236. — viscerales Blatt 338, 360, 366. Mesodermbildung 215. — durch Abfaltung 216. — teloblastische 216. Mesodermsäckchen 366. Mesodermsegmente 339. Mesodermstreifen 218, 226, 269. Mesothorium 123. Mesozoen 184. Metacarpus 457. Metagame Periode 32. Metamer en 183. Metamerie 402. Metamorphose 348. — der Echinodermenlarven 315. Metanephridien 238. Metaphase der Kernteilung 59. Metatarsus 457. Metatheria 378. Metatroch 221 Metazoen 184. Mikrogametozyten 29. Mikromeren 205 Mikrozentrum 48. Milchdrüse 416 Milz 512. Mitochondrien 53. Mitose 58. Mitteldarm 209, 494, 496. Mittelfuß 457. Mittelhand 457. Mittelhirn 467, 468 Mittelohr 476. Mollusken 172, 272, 392. — Bau 273. — Entwicklungsgeschichte 285. — Mantel 274. — Schale 274. Molluskenei 172. Monaster 59. Monaxoner Typus 179. Moneren 18 Monotremen 160, 378, 400. Moostierchen 289. Morula 142, 153. Mosaiktheorie 164, 166. — der Entwicklung 147. Müllersche Larve 230. Müllerscher Gang 518. Mund 338, 484. Mundbucht 347, 355, 371, 372, 374. — primäre 485. Mundhöhle, primäre 487- Register 533 Mundhöhle, sekundäre 488. Mundhöhlendrüsen 493. Muskelendplatten 92. Muskelfibrillen 9, 82. Muskelgewebe 62, 80. — glattes 81. — Bau des glatten 81. — quergestreiftes 81. Muskelhüllgewebe 83. Muskeln, glatte 80 — parietale 462 — quergestreifte 80. — viscerale 462 — willkürliche 462. — Bau der quergestreiften 80. Muskelsystem 461. Muskelzellen 56 — glatte 461. Muskulatur 395 Mutterstern der Kernteilung 59 Muttertrompete 520. Myelin 89. Myofibrillen 56. Myoneme 9. Myriopoden 258 N. Nabelbildung 373. Nabelstrang 388. Nachhirn 467. Nachniere 513, 515, 518. Nägel 415. Nahrungsdotter 136, 147, 350 Nase, äußere 484 Nasenbein 439 Nasenhöhle ^81 Nasenmuscheln 483. Naturgesetz 127 Nauplius 251. Nebenhoden 518. Nebenkeilbein 440 Nebenkerne 23. Nebenniere 512, 522. Necturus 345. Nematodes 233. Nephridien 237, 238, 247. Nephromixien 238. Nerv, dreigeteilter 471. — herumschweifender 474. Nerven 89. — Bau 87. Nervenendigungen 92. Nervenfasern 464 Nervengeflecht 90. Nervengewebe 62, 84. Nervenhügel 474. Nervenkittzellen 465. Nervenknoten 90. Nervensegmente 89. Nervensystem 277, 351, 388, 395, 463. — Aufgaben und Organe 463. — Entwicklung durch Delaniination 214. — — — Einfaltung 326. — der Echinodermen 306. — peripheres 469. — sympathisches 464, 469, 472. — zentrales 338. Nervenzellen, bipolare 86. — multipolare 86. — unipolare 86. — Gestalt 86. Nervus abducens 471. — accessorio-vagus 471. — accessorius 471. — acusticus 471 — facialis 471. — glossopharyngeus 471. — hypoglossus 471. — olfactorius 471. — opticus 471. — trigeminus 471. — trochlearis 471. Nessel tiere 193. Netzfasern 'j'j Neunaugen 39g. Neurenterischer Strang 344, 356. Neurilemma 89. Neuriten 87 Neurofibrillen 57. Neuroglia 86, 91, 351, 395. Neurokeratin 89. Neurone 84, 464. Neuroporus, hinterer 344, 360, 370, 372. — vorderer 338, 344, 360, 370, 372. Neurotrochoid 221. Niere 277, 513. Nierenbildung 394. Nierenkörperchen 515. Nißlsche Granulation 86. Notogenesis 392. Nukleoli 48, 96. Nukleus 17. O. Oberhaut 408. Oberkiefer 440. Oberkieferfortsätze 347 Ocellen 11. Ohr, äußeres 476. Ohrknochen 442. Olynthus 187 Ontogenetisches Kausalgesetz 333, 393. Onychophoren 257. Oogenese 114. Ookinet 30 Ophidia 400. Ophiuroidea 299. Opossun 378. 534 Register Organbildungen des Integuments 411. Organe 39, 60 — adenoide 74. lymphoide 74 Organellen 2. Organgeschichte 405. Organisationsform, nichtzellige der lebendigen Substanz 49. Organkomplexe, palliale 274. Organologie 40. Ornithorhynchus 378. Otolithen 476. Ovisten 105. Ovocyte 112 Ovogenese iii. P. Palatoquadratum 445. Pancreas 496. Panzer der Schildkröten 433. Paraglycogen 15, Paramaecium 8, 22. — Konjugation 30. Paraphyse 468. Parapodien 244. Paratroch 221. Parietalauge 478. Parietalorgan 468. Parthenogenese 127. — experimentelle 129, 132. — künstliche 127, 132. — natürliche 127. Paukenbein 446. Paukenhöhle 476, 501. PeUicula 7, 43. Peribranchialraum 499, 514 Perichondrium 78. Perimysium 83. Peripatus 257. Peripatusentwicklung 264. Peritendineum 83. Petromyzonten 364. Pfeilwürmer 294. Pflanzentiere 186. Pfortader 508. Phagozyten 51. Phalangen 457. Phoronoidea 289. Phoronis 162. — Bau 290 — Entwicklung 292 Phototaxis 11. Phylogenie 364. Pigmentzellen 410 Pilidium 172. Pinealauge 478 Placenta 385. Placentalia 400. Placoidorgane 411. Planula 197. Plasma j^. Plasmodien 50. Plasmo.dium malariae 29. Plasmogamie 27. Plastin 17. Plateausches Gesetz 141. Piatodes 227 Plattencyclen 302. Plattwürmer 227. Pluteus 313. Pol, animaler 178. — vegetativer 135, 178. Pollappen 173. Polymorphismus, Prinzip 198. Polyp 193. Polyspermie 104. I'olzellen 128. — der Mesodermstreifen 217. Pori abdominales 523. — genitales 520. Postbranchiale Körper 501 Potenz, prospektive 150, 164 Präformationstheorie 107. Primitivknoten 365, 367, 368, 380, 381,382,391. Primitivrinne 368, 386. Primitivstreifen 368, 370, 372, 380, 382, 383, 384, 385, 386, 391. — Rückbildung 36S. Primordialschädel 434. Primordialskelett 420. Prinzip der organbildenden Keimbezirke 147, 150, 164, 166, 167. Stoffe 166, 167. Progame Periode 32. Proktodaeum 209. Pronuclei 119. Prostomia 212. Protaxonia 207. Protochula 230. Protonephridien 224, 225. Protoplasma 45. — Aussehen 3. — biologische Charakteristik 4. — chemische Beschaffenheit 3. — Ernährung 12. — Irritabilität 10. — Kontraktilität 4. — physikalische Beschaffenheit 3. — Struktur 4. — Wabenbau 45. — Wabentheorie 4. Prototheria 378. Prototroch 210, 221. Protozoen 184 — Befruchtungsvorgänge 26 — Depressionszustände 35. — Fortpflanzung 20. — Fundstellen 2. Register 535 Protozoen, Größe 2. — Organisation 2. — phylogenetische Bedeutung i — Unsterblichkeit 34 — Vorkommen 2. — Züchtungsversuche 35. — und Krankheitslehre 36 — und Zelltheorie 2. Protracheaten 257. Pseudocoel 226, 245. Pseudopodien 5. Pyrosomen 320. Querstreifung 56. R. Rachenhaut 374. — primäre 355, 485. Rädertierchen 231. Radiär- symmetrischer Typus 180 Radiärtypus 145. Radiolarien 16. Radius 457. Radium 123. Radula 275 Rana fusca 356 Randsegmente 148. Rathkesche Tasche 497 Ratiten 432. Raubersche Deckschicht 382. Rautengrube 467. Rautenhirn 467. Rautenhirnenge 467, 468. Reduktion 28, 128. Reduktionsprozeß 118. Reduktionsteilung in. — Bedeutung 121. Regeneration 166. — der Linse 394. Reifeprozeß iii. Reifungsvorgänge 27. Reizbarkeit 50 Renopericardialgänge 276 ReptiHen 346, 364, 365, 400. Rhabdopleura 299. Rhizopodien 7. Rhynchocephala 400. Riechgrube 480. Riechlappen 467, 469. Riechnerv 471. Riesenzellen 49 Ringelwürmer 234. Rippen 430. Rippenquallen 204 Röhrenquallen 198. Röhrenschnecken 272. Rotalia Veneta 6. Rotatoria 231. Rückenflosse 429. Rückengefäß, gekammertes 247. Rückenmark 351, 464, 465. Rückenmarksnerven 469, 470 Rückensaite 399, 402. Rumpfdarm 485, 494. Rumpf knospe 371 Rumpfschwanzknospe 347, 355, 360, 373, 375, 3S3. 391- Rumpfskelett 421. Rundmäuler 399. Rundwürmer 233. Salpen 321. Samenbildung in. Samenfaden 95, 96. Samenkern 102. Samenmutterzelle 112. Samenzellen 55, 113, 515. Sarkode 2, 3. Sarkolemm 82. Sarkoplasma 82. Saugapparat bei Amphibien 347. Säuger 160, 375, 378, 389, 391, 400. Saumquallen 200. Sauria 400. Sauropsiden 346, 364, 372, 375, 389, 390, 391. Scapula 451. , Schädellose 320, 399. Schädelknochen 438. Schädeltiere 399. Schalendrüse 251. Schalen und Skelette 16. Schambein 453. Scheide 520. Scheitelauge 478. Scheitelbein 439. Scheitelbeuge 356. Scheitelplatte 209, 221 Schienbein 457. Schilddrüse 497, 505. Schizocoel 226. Schizogonie 32. Schlangensterne 299. Schlundatmer 294. Schlundbogen 437. Schlundpforte 203. Schlundrohr 203. Schlundtaschen 497, 498. Schlüsselbein 451. Schlußleisten 67. Schmelzorgan der Zähne 395. Schnecken 278. Schnürringe 89. Schultergürtel 450. Schuppen der Fische 411 — der Reptilien 413. Schüttelmethode 169 536 Register Schwämme i86. Schwannsche Scheiden 351. Schwanz menschhcher Embryonen 388. Schwanzdarm 348, 356, 360. Schwanzdarmbucht 374. Schwanzflosse 429. Schwanzknospe 356, 371. Schwanzlappen 359, 360 Schwertschwänze 254. Schwimmblase 497, 502. Scoleciden 220, 226. ScyUium canicula 357. Scyphistoma 201. Scyphomedusen 201. Scyphopolypen, Bau 201. Seeigel 101, 299, 309. Seeigeleier 130. Seelilien 307. Seescheiden 320. Seestern 299, 308. Seewalze 299, 309 Segmentalorgane 237. Sehnerv 471. Sehorgane 477. Sehzellen 477. Seitenfalte der Extremitätenanlage 405. Seitennerv 472. Seitenorgane 474. Selachier 346, 356^364, 389, 390, 391, 400. Seröse Hülle 373, 376, 378. Siebbeine 442. Siebbeinmuscheln 483. Sihkoblasten 53. Sinnesepithelien 395. Sinneshügel 474. Sinnesorgane 473 — niedere 473. — höhere 4-4. Sinnesorganellen 10 Sinneszellen 473. Sinus urogenitalis 522. Siphonophoren 198. Situs inversus viscerum 146 Sitzbein 453. Skelett, Aufgaben 416 — äußeres 419. — Einteilung 421. — Entstehung 419. — der Echinodermen 301. — der freien Extremitäten 455. — inneres 419. — Materialien 417. Skelettsystem 416. Skorpione 254. Solenoconchen 272. Solenocyten 224. Somatopleura 236, 338. Sonderung, Typen 213. Speiche 457. Speiseröhre 494, 495. Spermatiden 113. Spermatosome 113. Spermatozoen 106. Spermatozyte 112, 113. Spermien 55. Spermiogenese iii, 112. Spina bifida 343. Spinalganghon 371. Spinnenähnliche Tiere 252. Spiraliger Typus 145 Splanchnopleura 236, 338. Spongien 186. — Bau 187, 192 — Entwicklung 189. — Metamorphose 191. Sporenbildung 21. Sporogonie 32. Sporozoen, Fortbewegung 8. Sporozoite 30. Spritzloch 499. Stachelhäuter 299. Steigbügel 446. Stentor 9. Stigmen 263. Stimmlade 503. Stirnbein 439. — hinteres 439. — vorderes 439 Stoffaufnahme 51. Stoffaustausch — osmotischer 43. Stoffumsatz 52. Stoffwechsel 50, 51. — Produkte 53. Stomodaeum 203, 209. Streptoneure Formen 280. Strudelwürmer 227. Stützgewebe 394. Stützlamelle 194. Subgerminale Höhle 365, 369, 391. Suprarenalkörper 522. Sy Conen 192 Symbiose 14. Symmetrie, bilaterale 337. Symmetrieebene 145. Symmetrieverhältnisse 179. — bei Echinodermen 299. Sympathicus 351. Symplasmen 50. Syncytium 50, 342. Synkaryon 27. System, zoologisches 185. Tarsus 457. Tastkörperchen 474. Tastzellen 91, 474. Resfister 537 Taufrosch 356. Tausendfüße 258. Teilung, äquale 140. — erbgleiche 164 — erbungleiche i66, 394. — inäquale 140. — totale 140. — totale äquale 140. Teilungsgrößen 22. Teilungsprozeß 133. Teilungsregeln 138 Tektonik der Tiere 176. Teleostier 340, 364, 400. Telophase der Kernteilung 59. Telson 250. Tentaculata 289. Teratologie 170. Teratomen 356. Tetrade uz. Thalamophoren 16. Theorie der organbildenden Stoffe 173. Thermotaxis 1 1 . Thigmotaxis 11. Thorax 260. Thoraxregion 248 Thymusdrüse 501. Tibia 457 Tintenfische 283. Tod, physiologischer 34. Tornaria 297. Tracheen 263. Tränennasengang 482. Trichomonas batrachorum S. Trilobiten 253. Triton 345 Trochophora 172, 221, 392. — Bau 221. — Entwicklung 225. — der Mollusken 286. Trochosphaera aequatorialis 231. Trochus 221. Trommelfell 477. Trophoblast 379, 380, 382, 384, 385 Trophochromatin 26, Tubae uterinae 520. Tunicaten 320 Tüpfelbeutelmarder 378 Turbellarien 227. U. Überfruchtung 104. Ulna 457. Umwachsungsrand 360. Unke 356. Unterhautbindegewebe 408. Unterkieferbogen 347. Urdarm 156, 334, 349, 350. Urdarmhöhle 350. K.d. G.III.iv, Bd2 Zellenlehre etc. II Ureter 515. Urgeschlechtszellen 517. Urmesodermzellen 217. UrmoUusken 272. Urmund 156, 179, 210, 334, 343, 391. — Concrescenz 336. Urmundlippen 343, 349, 354, 358. Urmundrand — Umbildung in einen Umwachungsrand 360. Urniere 513, 515, 517. Urnierengang 515, 518. Urnierenkanälchen 5 1 5. Urodela 400. Urogenitalsystem 238. Ursegmente 238, 347, 364, 371, 387, 388. - Bildung 353. Ursegmenthöhlen 388. Urzeugung i. Uterus 519, 520. Uterusschleimhaut 382, 384. Vagina 520. Vehgerlarve der Mollusken 28 Veligerstadium 288. Velum 200. Venen 506. Venenstämme 511. Ventrikel 467. Vereinigung der Zellen zu Organen 60. Vermes 219. Vertebrate 320. Vesicula blastodermica 155. — germinativa 96. Vielkernigkeit 24. Vielzellbildung 140. Vierergruppe 112. Vitellus 96. — formativus 136. — nutritivus 136. Vögel 346, 364, 368, 370, 372 Vollkern 119. Vorderdarm 209, 494, 495. Vorderhirnanlagen 370. Vorhof 508. Vorniere 347, 513. Vomierengang 347, 513. Vorticellinen 9. Geweben und W. Wadenbein 457. Wanderzellen 55. Weichtiere 272. Wimper und Geißelzellen 55. Wimperkranz, präanaler 221. — präoraler 221. 34' :)J 8 Register Wimperkranz, postoraler 221. Wimpern 8. Wimpertrichter 514, 515. Wirbelkörper 423. Wirbelsäule 421. Wirbeltheorie des Schädels 436. Wirbeltiere 320. — Klassifikation 399. — Allgemeine Morphologie 400. — Spezielle Morphologie 407. Würmer 172, 219. Wurmfortsatz 496. X. Xiphosuren 254. Zahnbeingevvebe 78, 79 Zahnbildungen 488. Zähne 395. Zahnformeln 492. Zahnknochen 440. Zehen 457. Zentralkörperchen 48. Zentralkorn 24 Zentralnervensystem 463, 464. Zentriol 48. Zentrosoma 48. Zellen 39 — als Anlage 108 — Bestandteile 45. — Beweglichkeit 54. — chemische Eigenschaften 43 — chromaffine 371. — Energiewechsel 54. — Farbe 42. — formbildende Tätigkeit 53. — Formen 41. — Fortpflanzung 57. — Gewicht 43 — Größe 40. — Lebenserscheinungen 50. Zellen, mechanische Eigenschaften 42 — optische Eigenschaften 42. — Reizbarkeit 56. — Riechsinnes 91. — Sinnesnerven 91. — Struktur 43. — sympathische' 371 — Wahlfähigkeit 51. — Zahl 40. Zelleinwanderung 213. Zellenafter, Cytopyge 13. Zellencentrum 48. — Gestalt 49. — Größe und Zahl 48. Zellenwechsel im Organismus 44. Zellkern 17, 46. — Bau 47. — Formen 47. — Größe 47. — Zahl 46. Zellmund, Cytostom 13. Zellorgane 2 Zellteilung, direkte 57. — indirekte 58. Zeugungstheorien 99. Zirbel 468. Zirbelauge 478. Zoea 252. Zona pellucida 155 Zoochlorellen 14. Zooxanthellen 14. Zunge 492. Zungenbein 449. Zungenbeinbogen 347. Zungenfleischnerv 472. Zungen-Rachen-Nerv 471. Zweigeschlechtlichkeit 516 Zweiteilung 20. Zwerchfell 523. Zwischenhirn 467, 468 Zwischenkiefer 440. Zwischenskelett 419. Druck von B. G. Teubner in Dresden. 4 ^J